Gesamtes Protokol
Guten Morgen, die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Ihnen folgendes mitzuteilen: Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung vereinbart, in der Sitzungswoche vom 27. März 1995 an mit Rücksicht auf die Haushaltsberatungen keine Befragung der Bundesregierung, keine Fragestunde und keine Aktuellen Stunden durchzuführen. Sind Sie mit dieser Abweichung von der Geschäftsordnung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 6 und 7 auf:
ZP6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer, Angelika Beer, Cem Özdemir, Christa Nickels und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Abschiebestopp für Kurden und syrischorthodoxe Christen aus der Türkei
- Drucksache 13/737 -
ZP7 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Respektvoller Umgang der Bundesregierung mit dem Deutschen Bundestag
- Abschiebestopp für Kurdinnen und Kurden aus der Türkei
- Drucksache 13/804 -
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache namentliche Abstimmungen durchführen werden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Marschewski.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der generelle Abschiebestop für Kurden, mehrfach verlängert, letztlich befristet bis zum 15. März 1995, ist abgelaufen. Kein Land hat eine Verlängerung beantragt. Die
Frage eines Einvernehmens mit dem Innenminister steht daher nicht zur Diskussion.
Die Entscheidung über eine Abschiebung von türkischen Kurden liegt nun wieder ausschließlich bei den Ländern. Sie richtet sich nach unserem Ausländerrecht, das eine gerechte, mit dem Menschenrecht in Einklang befindliche Einzelfallentscheidung vorsieht. Dies bedeutet: Ein Ausländer, eigentlich zur Ausreise verpflichtet, wird dann nicht abgeschoben, wenn ihm die Gefahr unmenschlicher Behandlung, die Gefahr der Folter oder gar die Gefahr der Todesstrafe droht.
Diese individuelle Prüfung berücksichtigt das Einzelschicksal. Sie trägt dem Anliegen des einzelnen, des tatsächlich Betroffenen ebenso Rechnung wie dem Grundsatz, daß namentlich illegal Eingereiste sowie Straftäter abzuschieben sind. Das gilt natürlich für alle Ausländer in Deutschland, natürlich auch für alle Kurden. Bestehen für sie jedoch individuelle Gefahren, so werden sie nicht abgeschoben. Sie dürfen in Deutschland bleiben. Nur dies bedeutet Einzelfallentscheidung. Dies ist gerecht, dies ist humanes Recht, meine Damen und Herren.
Deswegen wird dies auch von Menschenrechtsorganisationen, vom hessischen Verwaltungsgerichtshof und vom Hohen Flüchtlingskommissar begrüßt. Deswegen hätte die CDU/CSU, hätte ein Bundesland dies beantragt, dem Bundesminister empfohlen, diese gerechtere Einzelfallentscheidung einem generellen Abschiebestopp vorzuziehen. Deswegen werden wir bei Kurden, die öffentlich für mehr Autonomie eingetreten sind und deshalb in der Türkei wegen des Vorwurfs Separatismus strafrechtlich verfolgt werden können, sorgfältig prüfen, ob im Einzelfall eine Abschiebung verantwortet werden kann. Es besteht also keine Regelungslücke zu Lasten eventuell Verfolgter.
Nein, meine Damen und Herren, wir nehmen es keineswegs leicht, daß z. B. amnesty international in der vorgestrigen Anhörung eine Verfolgung der Kurden in der Türkei beklagte. Aber für uns hat auch die Feststellung des Auswärtigen Amtes und unserer Botschaft Gewicht, die lautet: Eine unmittelbare
Erwin Marschewski
staatliche Verfolgung bestimmter Personengruppen findet nicht statt. Insbesondere - so wird weiter gesagt - wird ein Kurde nicht deshalb verfolgt, weil er ethnisch Kurde ist.
Trotz dieser Einschätzung verkennen wir keineswegs, daß Rechtsstaatlichkeit und Beachtung der Menschenrechte, gemessen an westeuropäischen Maßstäben, in der Türkei verbesserungsbedürftig sind. Auch dies hat die Anhörung ergeben.
Deshalb werden wir alle uns zu Gebote stehenden Mittel einsetzen, um zu einer Verbesserung der Lage innerhalb der Türkei beizutragen. Dies geht doch nur, Herr Kollege Fischer, wenn wir die reformbereiten Kräfte in der Türkei unterstützen.
Dies geht doch keineswegs durch manchmal ein wenig überheblich wirkende, Herr Kollege Fischer, und in der Türkei kaum verstandene Meinungsäußerungen.
Sie nützen genau dem Gegenteil: Sie entmutigen die Reformer, anstatt ihnen Mut zu machen. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.
Aus diesem Grunde begrüßen wir es, daß sich die Türkei uns gegenüber verpflichtet hat, die Leute, die in ihr Heimatland zurückzuführen sind, nicht nur strikt nach Recht und Gesetz zu behandeln, sondern darüber hinaus auch vor Abschiebungen über Art und Maß etwa zu erwartender Strafverfolgungsmaßnahmen zu informieren.
Nein, meine Damen und Herren, es gibt keinen Grund, von einer Einzelfallbeurteilung, der tragenden Säule unseres Rechtssystems, ja, unseres Grundgesetzes abzugehen. Auch das hat die überwiegende Zahl der Anhörpersonen in der Anhörung vertreten. Das ist die Auffassung der Union, und das müßte auch Ihre Auffassung sein, meine Damen und Herren insbesondere der SPD-Fraktion, weil die Einzelfallentscheidung gerechter ist, weil sie im Einklang mit dem geltenden Recht steht. Oder kritisieren Sie jetzt besonders den Bundesinnenminister nur deshalb, weil Sie ihm bereits vor der Anhörung gesagt haben, er möge den generellen Abschiebestopp verlängern?
Ich denke, das ist eine sehr merkwürdige Auffassung von einer Anhörung,
die Sie selber beantragt haben.
Ich würde Ihnen, Herr Kollege Schily, empfehlen: Setzen Sie sich doch mit den Äußerungen Ihrer Kollegin Schüller auseinander. Vielleicht dürften Sie gar nicht mehr reden, wenn sie hier das Sagen hätte oder Ministerin im Schattenkabinett geworden wäre.
Ich komme zur Sache, weil dies ernst ist, meine Damen und Herren. Ich frage mich, ob Sie vielleicht andere Gründe haben, dem Bundesinnenminister diese Auffassung nahezulegen. Ich will einmal Ihre ausländerrechtlichen Forderungen aus den letzten Wochen zusammenfassen. Sie, die SPD-Fraktion, wollen eine neue Altfallregelung für Asylbewerber.
Sie wollen ein kommunales Wahlrecht für Ausländer aus Staaten außerhalb der Europäischen Union bereits nach acht Jahren.
Sie wollen ein Aufenthaltsrecht für Ausländer in Deutschland zum Teil nach fünf Jahren.
Sie wollen ein asylunabhängiges Bleiberecht.
Sie wollen die generelle Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft.
Wollen Sie eigentlich, meine Damen und Herren, mit diesen Forderungen die Vereinbarungen über das Asylrecht aushöhlen? Das können wir so nicht akzeptieren.
Das ist die Gesamtschau der Dinge, meine Damen und Herren.
Wir haben durch eine humane Asylrechtsregelung wieder die Identität der Bevölkerung mit der Politik erzielt.
Wir haben Rechtsradikale aus den Parlamenten ferngehalten. Das war der Erfolg dieser Regelung. Dies
wollen Sie offensichtlich anders machen, meine Da-
Erwin Marschewski
men und Herren. Wir werden dies durchkreuzen, weil es auch eine andere Gesellschaft zur Folge hätte, und das werden wir nicht akzeptieren, meine Damen und Herren.
Ein Wort zur Anordnung des Saarlandes und Nordrhein-Westfalens, eine Sonderregelung bezüglich des Abschiebestopps durchzuführen. Dieser Alleingang Nordrhein-Westfalens, seines Innenministers Schnoor, oder des Saarlandes ist politisch falsch. Er widerspricht der Meinung der Bevölkerung, und ich gehe so weit, zu sagen: Dies steht nicht im Einklang mit dem geltenden Recht, dies ist Rechtsbruch.
Es geht darum, meine Damen und Herren, daß Außenpolitik vom Bund gemeinsam für uns alle und nicht z. B. vom Saarland betrieben wird.
Ich bitte Nordrhein-Westfalen, das Saarland und deren Innenminister, zu Recht und Gesetz, zu unserem Ausländerrecht zurückzukehren. Denn dieses Ausländerrecht tritt für gerechte Lösungen ein, für humane Entscheidungen, für Entscheidungen im Einzelfall zugunsten der politisch Verfolgten. Dies wollen wir hier in unserem Land, meine Damen und Herren, und danach werden wir uns richten.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Körper.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Marschewski, wenn es Ihnen in der Tat um die politisch Verfolgten und ihren Schutz gegangen wäre, hätten Sie heute morgen nicht in der Art und Weise gesprochen, wie Sie es getan haben.
Ich bin auch der Auffassung, daß es absolut ungeeignet ist, dieses Thema unter eine Schwarz-WeißTaktik zu stellen, so nach dem Motto: Wir, der Bund, sind die Guten, und die Bundesländer sind an allem schuld. So, Herr Marschewski, nicht!
- Doch, er hat beispielsweise gesagt, daß die Einzelfallentscheidung das alles Entscheidende sei. Ich gehe gleich darauf ein.
Meine Damen und Herren, es ist schon sehr ungewöhnlich, daß sich der Innenausschuß dazu entschließt, eine Anhörung zur Menschenrechtssituation in der Türkei durchzuführen. Das war auch nicht ganz unproblematisch; das will ich ja zugeben. Aber es ist erstaunlich, daß beispielsweise der Bundesinnenminister schon fünf Minuten nach Beendigung dieser Anhörung in der Lage ist, ein Resümee zu ziehen.
- Nein, meine Damen und Herren, er hat sich ja während der Anhörung sehr zurückgehalten, auch gegenüber Journalisten. Ich habe nicht gesagt, es sei vor der Anhörung gewesen. Aber ich halte es einfach für eine Mißachtung des Instruments der Anhörung, so damit umzugehen.
- Lieber Kollege Zeitlmann, Sie sind jetzt dran. Gut, daß Sie den Zwischenruf gemacht haben.
Ich halte es für genauso ungehörig, schon während der Anhörung eine schriftliche Presseerklärung von Zeitlmann und Marschewski herumzureichen, so etwa nach dem Motto: Das Ergebnis steht schon fest. Wir brauchen uns dann überhaupt nicht mehr zu wundern, daß eine solche Anhörung nicht mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit dargestellt und in der Öffentlichkeit verfolgt wird, wenn Sie sich so verhalten, wie Sie es getan haben.
Ich will ja gar nicht darüber streiten, wie die gesetzliche Grundlage ist. Aber man muß auch einmal in das Gesetz hineinschauen. § 54 des Ausländergeseizes regelt das ganz klar. Er sagt nämlich, daß für einen Abschiebestopp befristet bis zu sechs Monaten die Bundesländer zuständig sind. Und, lieber Herr Kanther, da haben Sie keine Karten im Spiel, sondern das ist Sache der Bundesländer.
Allerdings heißt der Gesetzestext dann: „Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, wenn die Abschiebung länger als sechs Monate ausgesetzt werden soll. " Dann ist der Bundesinnenminister gefragt.
Meine Damen und Herren, es gibt im Moment eigentlich nicht die Situation der Einzelfallprüfung. Vielmehr gibt es einen neuerlichen Abschiebestopp seit dem 12. Dezember 1994.
Ich vertrete die Auffassung, daß die Sechsmonatsfrist noch läuft,
zumal Herr Kanther dieser Sechsmonatsfrist nicht widersprochen hat. Er hat ja gesagt, er sei damit einverstanden, den Abschiebestopp bis zum 28. Februar - ich hoffe, daß das nichts mit der hessischen Land-
Fritz Rudolf Körper
tagswahl zu tun hatte - und bis zum 15. März zu verlängern.
Das ist die Situation, in der wir uns befinden.
Herr Kanther, ich denke, Sie sollten bei Ihrer eigenen Argumentationslinie bleiben. Ich sage das deswegen, weil uns daran gelegen ist, dieses Thema im Konsens im Sinne der Betroffenen und im Sinne der Humanität zu regeln und es nicht zur politischen Konfrontation zu nutzen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Beer?
Bitte.
Herr Kollege Körper, verstehe ich den Antrag, den Sie genau zu diesem Punkt, nämlich der Zeitdauer der Geltung des Abschiebestopps, eingebracht haben, richtig, wenn ich sage, daß Sie einen Text formuliert haben, der darauf verzichtet, den Ländern nach Ablauf der sechs Monate - ich teile Ihre Einschätzung, daß die Sechsmonatsfrist noch nicht zu Ende ist - den Spielraum zu geben, daß sie in Einzelfallentscheidungen auf Grund neuer Erkenntnisse den Abschiebestopp über diese sechs Monate hinaus noch einmal verlängern?
Liebe Frau Kollegin, herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich bin der Auffassung - ich wäre nachher noch darauf eingegangen -, daß die Zeit, die wir jetzt haben, genutzt werden soll, damit die Bundesländer zusammen mit dem Bund eine vernünftige - ich sage auch einmal: eine einvernehmliche - Regelung finden. Diese Zeit muß im Grunde genommen jetzt genutzt werden, und ich sage Ihnen auch, in welcher Hinsicht.
Es hat ja eine Anhörung stattgefunden. Ich weiß nicht, welchen Eindruck Sie gehabt haben, liebe Frau Kollegin Beer. Sie können sich übrigens gern setzen. - Liebe Frau Kollegin Beer, Sie stimmen mit mir mit Sicherheit zumindest in der Beurteilung überein, daß diese Anhörung kein eindeutiges Ergebnis erbracht hat, sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung. Ich meine, auch die jüngsten Ereignisse in der Türkei zeigen, daß es außerordentlich stark ausgeprägte gesellschaftspolitische Konflikte gibt. Das alles macht es doch notwendig, daß man an die Überprüfung und Bewertung dieser Frage mit Sorgfalt herangeht. Jedenfalls denke ich - darauf will ich noch einmal abheben -, daß man das nicht schon fünf Minuten nach einer solchen Anhörung tun kann.
- Wo ich recht habe, habe ich recht. Ich bedanke mich für den Zwischenruf.
Lieber Kollege Zeitlmann, wie ernst es Ihnen im Grunde genommen damit ist, einen Konsens herbeizuführen, zeigt auch die Vereinbarung, die die Bundesregierung mit der türkischen Seite getroffen hat. Denn diese Vereinbarung ist beispielsweise den Mitgliedern des Innenausschusses am 13. März zugegangen, ebenso wie den Bundesländern. Wenn Sie schon sagen, daß die Bundesländer auch im Einzelfall - was ja richtig ist - dafür zuständig sind, bin ich der Auffassung, daß solche Vereinbarungen mit den Bundesländern abgesprochen werden müssen. Das würde sich beispielsweise auch auf den Inhalt solcher Vereinbarungen beziehen.
Ich weiß ja nicht, Herr Zeitlmann, ob Sie schon einmal in diese Vereinbarung hineingeschaut haben. Wenn ich beispielsweise den Passus lese, daß sich diese Vereinbarung ausschließlich auf die Abschiebung türkischer Staatsangehöriger bezieht, die sich an Straftaten der PKK oder anderer Terrororganisationen in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt haben, dann frage ich: Was passiert eigentlich mit den anderen Personengruppen? Sollen sie ausgeschlossen oder ausgegrenzt werden? Sollen sie Asyl erhalten? Oder was soll mit ihnen geschehen? Ich bin der Auffassung, daß diese Vereinbarung in der Tat der Diskussion bedarf, um sie gegebenenfalls zu überprüfen. Ähnliches gilt in bezug auf die anwaltliche Vertretung. Es geht doch auch darum, wie sich die türkischen Justizorgane in diesem Punkt verhalten. Ich meine, man muß da schon einige Fragen stellen. Gleiches gilt für die Kontrolle. Denn in dem Briefwechsel heißt es nur lapidar, daß die Einhaltung dieser Rechte „gegebenenfalls" durch die Europäische Kommission für Menschenrechte sicherzustellen ist. Das ist uns zu vage und dient im Grunde genommen nicht der Sache.
Meine Damen und Herren, wir müssen auch die Frage ansprechen, wie es um die Objektivität der medizinischen Betreuung bestellt ist.
Ich will diese Fragen gar nicht bewertend beantworten, sondern nur auf das Recht pochen, daß man dies mit den Betroffenen, insbesondere auch mit den Bundesländern - denn sie sind letztendlich von diesen Vereinbarungen betroffen -, bespricht, wenn man so etwas ernsthaft in die Diskussion nimmt.
- Es geht nicht nur um das Besprechen, sondern auch um das Entscheiden. Es geht darum, ob eine solche Regelung für eine Einzelfallüberprüfung tauglich ist oder nicht.
Fritz Rudolf Körper
- Lieber Kollege Zeitlmann, ich weiß ja, daß Sie die Anhörung im Grunde gar nicht gewollt haben;
Sie konnten sie uns nur nicht verweigern. Dieses Verhalten wird der Herausforderung, mit politisch Verfolgten angemessen umzugehen, nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Antrag ganz bewußt die Formulierung gewählt, der Bundesinnenminister solle nicht widersprechen. Ich sage ganz deutlich: Wir sind an einer politischen Lösung interessiert. Lieber Herr Bundesinnenminister Kanther, wenn alles so ist, wie Ihre Kollegen das darstellen, bin ich mir nicht ganz im klaren darüber, warum Sie in der Öffentlichkeit Ihre Gedanken zu diesem Abschiebestopp jedesmal mit solcher Vehemenz vortragen. Unternehmen Sie doch den Versuch, mit den Bundesländern einvernehmliche Regelungen zu finden, die keine Gräben aufreißen, sondern schlicht den Menschen helfen!
Ich hätte mir auch einen Dialog über den Antrag der GRÜNEN gewünscht. Wir können Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten, weil der Antrag nach unserer Auffassung nicht der Gesetzeslage entspricht.
Wir fordern den Innenminister auf, gemeinsam mit den Bundesländern die Zeit zu nutzen, in der dieser Abschiebestopp besteht. Ich appelliere auch an die CDU-geführten Bundesländer, in der jetzigen ungeklärten Situation von Abschiebungen Abstand zu nehmen, bis wir Klarheit gewonnen haben. Eine sachgerechte und objektive Lösung ist angebracht. Ich meine, diesen Diskurs sollten wir fortführen. Eines ist ganz wichtig: Wir müssen alles tun, damit politisch Verfolgte nicht Gefährdungen an Leib und Leben erleiden müssen. Das ist unsere politische Zielsetzung. Wir sind zu gemeinsamen Lösungen bereit.
Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hirsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder von uns weiß, daß diese Debatte überhaupt nicht geeignet ist, irgendein Problem zu lösen. Jeder weiß, daß die Zusammenarbeit von Bund und Ländern einen absoluten Tiefstand erlangt hat. Jeder weiß, daß die gestellten Anträge gegenstandslos sind, weil sie nichts, überhaupt nichts ändern.
Abschiebung ist Sache der Länder. Die Länder, die abschieben wollen, können das tun, was immer wir hier entscheiden. Die Länder, die nicht abschieben wollen, berufen sich darauf, daß sie sich innerhalb der Frist ihrer eigenen, autonomen Entscheidung befinden. Hier ist nichts zu entscheiden.
Wir wollen keine innenpolitische Debatte auf dem Rücken der Türken und Kurden, die bei uns leben und die bei uns Zuflucht gesucht haben, austragen. Aber wir appellieren an den Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder, endlich wieder zusammenzuarbeiten. Wir bitten den Bundesminister des Innern, menschlich und politisch das Äußerste zu tun, um diese Zusammenarbeit wiederherzustellen.
Man kann in einer so kurzen Debatte nicht die Ursachen der Konflikte analysieren. Aber die Gewalt, die beide Seiten, Kurden und Türken, in der Türkei und hier zur Lösung dieses Konflikts einsetzen, beschädigt die demokratische Substanz der Türkei, dieses uns befreundeten und wichtigen Landes, und berührt auch unsere eigenen Interessen in elementarer Weise.
Meine Fraktion ist einmütig zu folgenden Feststellungen gekommen:
Erstens. Es ist unverändert ungeklärt, ob die ehemaligen türkischen Abgeordneten wegen ihrer politischen Überzeugung oder wegen einer aktiven Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung zu außerordentlich hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Solange diese Frage nicht eindeutig geklärt ist, gehört ihnen unsere Solidarität und können wir nicht einfach von der Wahrung demokratischer Grundrechte in der Türkei ausgehen.
Zweitens. Wir können nicht ausschließlich von der Verletzung von Menschenrechten in der Türkei reden und über die Brandschatzung türkischer Häuser, Geschäfte und Büros in unserem eigenen Land hinwegsehen.
Ich wundere mich, daß niemand von der SPD oder wem auch immer auf diesen empörenden Sachverhalt eingeht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?
Bitte schön.
Herr Kollege Hirsch, wir müssen doch bei Ihnen nicht klatschen, wenn Sie eine Selbstverständlichkeit aussprechen. So kann es doch wohl hier im I lause nicht zugehen.
Otto Schily
Die Frage ist: Meinen Sie, daß Sie mit einem solchen Satz, der eine Selbstverständlichkeit ausspricht, unbedingt Beifall auf den Oppositionsbänken hervorrufen müssen?
Lieber Herr Kollege Schily, ob Sie Beifall spenden oder nicht, ist wirklich Ihre eigene Entscheidung. Es geht mir darum, deutlich zu machen, daß wir nicht nur über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei reden können, ohne uns Gedanken darüber zu machen, welche Folgerungen wir in unserem eigenen Land aus den Menschenrechtsverletzungen hier in der Bundesrepublik zu ziehen haben, die sich aus dem Konflikt zwischen Türken und Kurden bei uns ergeben.
Wir fordern darum den Bundesminister des Innern auf, unverzüglich die Innenminister der Länder zu einer Konferenz zu bitten und gemeinsame wirksame Schutzmaßnahmen für unsere türkischen Mitbürger in der Bundesrepublik zu verabreden. Wir sind es ihnen schuldig.
Drittens. Ausländer, auch Kurden, die ihren Bürgerkrieg auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland mit Gewalt austragen wollen, müssen unser Land verlassen. Es geht nicht anders.
Sie zerstören alle unsere Bemühungen um eine bessere Integration von Deutschen und Türken in der Bundesrepublik, und sie gefährden auch unsere eigenen elementaren Interessen.
Genau deswegen lassen sie uns keine andere Wahl, als sie auf der Grundlage der vom Bundesinnenminister vorgelegten Vereinbarung über besondere Garantien der türkischen Seite abzuschieben, wenn sie von einem deutschen Gericht wegen einer solchen Tat verurteilt worden sind; das ist die Voraussetzung.
Viertens. Es ist unvertretbar, den Schutz dieser Vereinbarung nur auf diejenigen zu beziehen, die sich hier strafbar gemacht haben, nicht aber auf andere Kurden, die abgeschoben werden sollen, ohne sich strafbar gemacht zu haben. Auch für sie muß eine ausdrückliche Zusicherung der Türkei erlangt werden können.
Fünftens. Wir halten eine lückenlose Aufhebung des Abschiebestopps für nicht angemessen, solange in Teilen der Türkei bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen. Es muß den Ländern möglich sein, nicht nur bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben, sondern auch humanitäre Einzelfallentscheidungen zu treffen.
Wenn ein Land eine solche humanitäre Einzelfallentscheidung treffen will, eine Familie, Kinder, Personen, die aus einem besonders umkämpften Gebiet stammen, nicht abzuschieben, dann soll der Bundesminister des Innern das nicht wegen abstrakter Rechtsregeln oder wegen des Kalenders verbieten. Die Länder sollen in der Lage sein und müssen in die Lage versetzt werden, auch in diesen Fällen eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Das ist zur Zeit nicht der Fall.
Sechstens. Der türkische Menschenrechtsverein und die verdienstvolle Menschenrechtsstiftung sollen von uns finanziell so unterstützt werden, daß sie wirksam arbeiten können. Sie können das zur Zeit nicht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Körper?
Bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Hirsch, stimmen Sie mit mir darin überein - Sie haben das, glaube ich, auch eben in einem Nachsatz gesagt -, daß die Gesetzeslage, insbesondere § 53 Abs. 6, der die Einzelfallüberprüfung beschreibt, im Moment die Möglichkeiten, die Sie gefordert haben, nicht erfaßt.
Die Rechtslage ist wie immer in solchen Fällen umstritten. Ich habe den Eindruck, daß dann, wenn die Sechsmonatsfrist für die Länder abgelaufen ist, die zur Zeit nicht abschieben wollen, die Lage, ob nur bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben nicht abgeschoben werden kann oder auch dann, wenn ein Land aus humanitären Gründen Einzelfallentscheidungen treffen will, nicht klar ist.
Wir sind der Meinung - ich will hier keine rechtliche Auseinandersetzung führen, Herr Kollege -, daß eindeutig klargestellt werden muß - das geht auf der Grundlage unseres Ausländerrechtes -, daß die Länder auch in der Lage sein müssen, humanitäre Einzelfallentscheidungen zu treffen, wenn sie es nach Prüfung des Einzelfalls für notwendig und angebracht halten. Anders kann man eine solche Sachlage nicht behandeln.
- Nein, das ist es leider nicht. Sonst wären wir uns ja einig, Herr Marschewski. Dann bitte ich den Bundesinnenminister, das hier in dieser Weise klarzustellen.
Dr. Burkhard Hirsch
Siebtens. Die Türkei muß aus dem Zwielicht heraus. Darum begrüßen wir die Absicht des Außenministers, das Verfahren der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mit dem Ziel einzuleiten, eine unabhängige internationale Expertenkommission in die Türkei zu entsenden, um eine zuverlässige Unterrichtung der europäischen Öffentlichkeit über die Menschenrechtslage in der Türkei zu erhalten.
Wir appellieren erneut an die Türkei, sich und uns dieses streitige Verfahren zu ersparen und sich selber zu entscheiden, diese Experten freiwillig in ihr Land mit allen erforderlichen Vollmachten hineinzulassen; sonst muß dieses Verfahren durchgeführt werden.
Abschließende Bemerkung: Wir erleben einen Tiefstand des kooperativen Föderalismus.
Wenn es den Innenministern von Bund und Ländern nicht gemeinsam gelingt, aus diesem Tiefstand herauszuführen, dann werden wir in eine innenpolitische Krise von außerordentlichem Umfang hineingehen, der die gesamte innere Sicherheit unseres Landes berührt.
Lassen Sie mich mit einem Wort an die katholische Deutsche Bischofskonferenz schließen. Ich empfinde große Hochachtung vor der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zur Flüchtlings- und Asylpolitik vom 9. März 1995. Alle Fraktionen dieses Hauses täten gut daran, auf der Grundlage dieser Erklärung wieder zu einer Zusammenarbeit zu finden.
Das Wort hat die Abgeordnete Amke Dietert-Scheuer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf die Tatsache, daß Bundesinnenminister Kanther seine Entscheidung über die Aufhebung des . Abschiebestopps bereits getroffen hatte, bevor die Anhörung des Bundestages überhaupt stattgefunden hat, ist der Kollege Körper bereits eingegangen. In diesem Zusammenhang möchte ich aber noch einmal daran erinnern, daß der Herr Kollege Hirsch vor der Anhörung gesagt hat, er lasse es nicht zu, daß die Anhörung zu einer Farce gemacht wird, und daß sich die F.D.P.-Fraktion zunächst überhaupt gegen die Aufsetzung unseres Antrages gesperrt hatte mit der Argumentation, sie habe nach der Anhörung noch mehr Beratungsbedarf. Jetzt bin ich einmal gespannt, ob sich die F.D.P. diesen Beratungsbedarf verschaffen wird, indem sie unserem Antrag zustimmt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Frau Kollegin, um Legendenbildung en vorzubeugen: Selbstverständlich haben wir im Ältestenrat auf Grund der schwierigen Lage angeregt - wir haben uns nicht gegen Ihren Antrag gesperrt -, weil wir allen Fraktionen dieses Hauses Gelegenheit geben wollten, sich intensiver mit dieser Problematik auseinanderzusetzen,
im Rahmen der Debatte in der nächsten Sitzungswoche darüber zu reden.
- Ich habe die Kollegin gefragt, ob sie mir darin zustimmt, daß wir uns nicht gesperrt haben, sondern daß ihre Fraktion diesem Verfahren zugestimmt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In bezug auf Ihre Schlußfrage stimme ich Ihnen nicht zu. Ich wollte nur sagen: Ich bin gespannt, ob Sie sich jetzt genau diesen Beratungsbedarf, den Sie angemeldet haben, verschaffen werden, indem Sie unserem Antrag zustimmen, der genau darauf abzielt.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Ja.
Verehrte Frau Kollegin, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir Ihren Anträgen deswegen nicht zustimmen können, weil sie gegenstandslos sind, weil sie an der gegebenen und eingetretenen Sach- und Rechtslage überhaupt nichts ändern werden? Das ist der Punkt. Würden Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?
Ich nehme Ihre Bemerkung dazu zur Kenntnis.
Während der Anhörung haben Vertreterinnen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen die schweren Menschenrechtsverletzungen in der Türkei eindrucksvoll dargestellt. Auch im Westen der Türkei, der gerade Kurden immer wieder als angebliche inländische Fluchtalternative angeboten wird, sind Kurden zunehmend Opfer von willkürlichen Festnahmen, Folter, Mißhandlungen und Morden durch sogenannte unbekannte Täter, die eindeutig in den Reihen der Sicherheitskräfte zu suchen sind. Wir brauchen dafür auch keine zusätzlichen Unterrich-
Amke Dietert-Scheuer
tungen durch Kommissionen, sondern unsere Bundesregierung müßte bloß einmal die vorliegenden Berichte ernst nehmen und Maßnahmen zu einer Änderung ergreifen.
Daß in der Türkei systematisch gefoltert wird, kann auch Herr Kanther nicht leugnen. Er beruft sich daher auf eine Vereinbarung mit dem türkischen Innenminister Mentese über die Behandlung von Abgeschobenen, „die sich an Straftaten im Zusammenhang mit der PKK und anderen Terrororganisationen in der Bundesrepublik beteiligt haben" . Letzteres war ein Zitat aus dem Briefwechsel.
Abgeschobene sollen demnach das Recht auf Zugang zu einem Anwalt haben, sofern die türkischen Justizorgane das erlauben. Ich habe mit zahlreichen Anwälten in der Türkei gesprochen, die in dieser Hinsicht einschlägige Erfahrungen haben. Der Anwalt soll außerdem das Recht haben, beim zuständigen Staatsanwalt zu beantragen, daß sein Mandant von einem Arzt untersucht wird. Ob diesem Antrag dann stattgegeben wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Aber unabhängig davon, welche Vorbehalte Herr Mentese schon in seinem Schreiben macht: Wie kann man einer Regierung, die systematisch gegen sämtliche von ihr ratifizierten Menschenrechtsabkommen verstößt, auf einmal ernsthaft glauben, daß sie eine bilaterale Menschenrechtsvereinbarung mit der Bundesrepublik einhält?
Aber selbst wenn man diese sogenannten Sicherheitsgarantien ernst nehmen würde, gibt es immer noch das Problem, auf das sowohl Herr Körper als auch Herr Hirsch bereits eingegangen sind: Die Vereinbarung bezieht sich nur auf Personen, denen hier Straftaten vorgeworfen werden, nicht jedoch auf die große Masse von Kurden, die in der Türkei im Zusammenhang mit Abschiebungen sowohl in ihren Heimatregionen als auch im Westen der Türkei willkürlichen Verfolgungen ausgesetzt sind. Diese Personen müssen geschützt werden. Selbst wenn man bei der Einreise vorübergehend die Einreisemodalitäten beobachten und einen gewissen Schutz erreichen würde, wäre das, was danach mit ihnen passiert, natürlich vollkommen offen.
Herr Kanther will den generellen Abschiebestopp durch Einzelfallprüfungen ersetzen. Ich gehe davon aus, daß dem Innenminister sowie Herrn Marschewski und anderen Kollegen bekannt ist, daß nach dem geltenden Ausländer- und Asylverfahrensgesetz die für die Durchführung von Abschiebungen zuständigen Bundesländer nicht einmal mehr die rechtliche Kompetenz haben, mögliche Abschiebehindernisse zu prüfen, da gemäß § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes auch bereits im Bundesamtsverfahren entschieden wird, wobei sehr summarisch geprüft wird, ohne überhaupt auf Gründe einzugehen; mir liegen da zahlreiche Entscheidungen vor. Es gibt für die Länder hinterher keinen Spielraum mehr. Ich möchte auch die SPD bitten, das einmal zur Kenntnis zu nehmen - bei ihrem Verhalten und der Stellung ihrer Anträge.
Was abgeschobene Kurden in der Türkei erwarten kann, möchte ich an einem Beispielfall darstellen: Der Kurde Riza Askin wurde im Februar 1994 aus Baden-Württemberg abgeschoben. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Istanbul wurde er festgenommen. Unter Folter mußte er eine Erklärung unterzeichnen, er habe in der Bundesrepublik Kontakt mit PKK-nahen Vereinen gehabt.
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts wurde er dafür inzwischen zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Untersuchungsergebnisse der Foltervorwürfe waren den deutschen Stellen auch ein Jahr nach der Abschiebung noch nicht zugestellt worden.
Wie heißt es so schön in dem Brief von Mentese an seinen Kollegen Kanther:
Die Regierung der Republik Türkei ist bereit, auf Bitten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland Vorwürfen unzulässiger Übergriffe an den betreffenden Personen nachzugehen, sie aufzuklären und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland darüber zu informieren.
Abschließend möchte ich einen Ausspruch des türkischen Botschafters Öymen aus der Anhörung zitieren. Er fragte: Glauben Sie ein paar Menschenrechtsgruppen, oder glauben Sie der jahrhundertealten deutsch-türkischen Freundschaft?
Für Herrn Kanther war diese Entscheidung klar.
Zu dem SPD-Antrag noch ein Wort: Ich sehe in diesem Antrag erhebliche Mängel, und zwar in der Hinsicht, daß Sie sich lediglich darauf beschränken, Herr Kanther möge nicht widersprechen bis zu der abschließenden Beratung des Bundestages. Das können Sie auch so haben. Dazu brauchen Sie nicht diesen Antrag. Sie nehmen sich damit aber die Möglichkeit, auch nach der abschließenden Beratung des Bundestags - wie sie ausgehen wird, wissen wir ja angesichts der Mehrheitsverhältnisse - den Spielraum der Sechsmonatsregelung zu nutzen.
Trotz dieser Mängel werden wir diesem Antrag aber im Interesse der betroffenen Menschen, um wenigstens noch etwas Zeit herauszuschinden, zustimmen,
aber, wie gesagt, mit großen Bedenken.
Das Wort hat die Abgeordnete Ulla Jelpke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir sind die Berichte der vorgestern vom Innenausschuß angehörten Sachverständigen noch gut im Ohr. Akin Birdal vom Menschenrechtsverein in Ankara sprach angesichts von über tausend Foltervorwürfen davon, daß die Menschenrechte in der Türkei mit Füßen getreten werden.
Sertac Bucak vom Internationalen Verein für Menschenrechte in Kurdistan berichtete über 2 000 von türkischen Sicherheitskräften zerstörte kurdische Dörfer und über 3 Millionen Kurdinnen und Kurden, die vom türkischen Militär aus ihrem Land vertrieben wurden.
Björn-Erik Gutheil, evangelischer Landeskirchenrat, betonte, daß für Kurdinnen und Kurden in der Westtürkei keine Fluchtalternative bestünde.
Heidi Wedel von amnesty international bekräftigte, daß die Absicht der Bundesregierung, Kurdinnen und Kurden abzuschieben, dem Selbstverständnis eines demokratischen Staates zuwiderlaufe. Es sei ja gerade Ziel der auch für die Bundesrepublik verbindlichen Menschenrechts- und Antifolterkonvention, das Leben und die Gesundheit eines jeden Menschen zu schützen. Dies gelte unabhängig davon, aus welchem Grund diese Person im Gefängnis sitzt oder abgeschoben werden soll. Somit haben selbstverständlich auch PKK-Mitglieder diesen Schutz , so Heidi Wedel.
Diese Tatsachenfeststellungen der Menschenrechtsvertreterinnen und -vertreter vermochten die von der Regierungskoalition benannten Sachverständigen bis zum Schluß nicht zu widerlegen. Um der Wahrheit auszuweichen, verlegten sich diese Herren - zumeist ehemalige türkische Regierungsmitglieder - darauf, die Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler als bezahlte Agenten dunkler Mächte zu verleumden, oder sie langweilten bei der Anhörung mit Kindheitsgeschichten aus ihrer Vergangenheit.
Während diese - wohlgemerkt: Sachverständige auf Grund ihrer Regierungsnähe - meines Erachtens wenig glaubwürdigen Männer ungestört herumpöbeln durften, mußte die Rede eines kurdischen Gutachters wegen fortdauernder Störungen abgebrochen werden.
Meine Damen und Herren, Nägel mit Köpfen wurden aber im wesentlichen bereits weit vor Durchführung der Anhörung gemacht, wie wir eben schon gehört haben. Die türkische Regierung verlängerte übrigens am gleichen Tag ihrerseits den Ausnahmezustand in den kurdischen Gebieten um weitere vier Monate. Der Bundesinnenminister belohnte Ankara hierfür auf seine Art und hob, wie wir alle wissen, ohne die Auswertung der Anhörung abzuwarten, den Abschiebestopp auf.
Ich komme nun zu der Abschiebevereinbarung zwischen dem Innenminister der Türkei und seinem deutschen Amtskollegen. Nehmen Sie bitte als Ergebnis der Anhörung zur Kenntnis, daß keiner der Sachverständigen seine Hand dafür ins Feuer legen wollte, daß die türkische Regierung die abgegebenen Zusicherungen auch tatsächlich einhalten wird - mit Ausnahme des deutschen Botschafters aus Ankara, Dr. Oesterhelt. Dieser beeilte sich allerdings, hinzuzufügen, daß dies nur unter großen Vorbehalten gilt. Der dadurch schon zum Kronzeugen der Bundesregierung avancierte Dr. Oesterhelt versuchte sich noch bei einer weiteren Frage an einer präzisen Antwort vorbeizumogeln: Warum sollte sich die türkische Regierung einem bilateralen Regierungsübereinkommen mehr verpflichtet fühlen als völkerrechtlich verbindlichen Menschenrechtskonventionen? Diese werden von Ankara bekanntermaßen seit Jahren gebrochen, wie wir von vielen Menschenrechtskommissionen europaweit wissen.
Auch konnte keiner der Sachverständigen darlegen, wie die Einhaltung der Abschiebegarantien in der Türkei überwacht werden könnte, wenn, wie der nordrhein-westfälische Innenminister Schnoor erwartet, tatsächlich 4 000 Kurdinnen und Kurden dem türkischen Folterregime überstellt werden sollen.
Nur wer schweigt, ist sicher - so beschreibt die Bundesjustizministerin die Freiheit, die Sie meinen, Herr Kanther, wenn Sie von der Verfolgungsfreiheit für Kurdinnen und Kurden in der Westtürkei reden. Meines Erachtens hat sie recht: Wer es wagt, seine Meinung in der Türkei frei zu äußern, der muß mit der ganzen Härte des türkischen politischen Strafrechts und damit eben doch mit politischer Verfolgung, mit Folter und Tod rechnen.
Keinen Finger hat die Bundesregierung gerührt, als bekannt wurde, daß die als Gutachterin eingeladene Menschenrechtlerin, Eren Keskin, auf Grund ihres Haftbefehls nicht aus der Türkei ausreisen und damit nicht zu uns sprechen durfte. Ebenso ungerührt ließ es die Regierungskoalition, daß die geladenen Vertreterinnen und Vertreter der Menschenrechtsvereine durch ihre Sachverständigen als tausendfache Lügner beschimpft wurden.
Inzwischen hat der uns aus der Anhörung bekannte Vorsitzende des Menschenrechtsvereins in Ankara, Akin Birdal, mitgeteilt, daß er und andere Menschenrechtler bis auf weiteres nicht wagen würden, in ihr Land zurückzukehren, in das Sie hochgradig gefährdete Kurdinnen und Kurden gleich massenhaft abschieben wollen.
Ihre Redezeit ist leider vorbei.
Ich komme zu meinem letzten Satz: Das Ergebnis der Anhörung kann nur lauten, den Abschiebestopp für Kurdinnen und Kurden unbefristet zu verlängern.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Manfred Kanther.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der diskutierte Aspekt der Rückführung von
Bundesminister Manfred Kanther
Kurden in die Türkei muß in den Kontext des deutschen Asyl- und Ausländerrechts eingeordnet werden. Dazu gehört, daß unser Land der Zuwanderung nicht beliebig ausgesetzt werden kann. Dies ist die Grundlage des Asylkompromisses.
Aus diesem Grund betreiben wir Grenzsicherung, Absprachen mit unseren Nachbarn und Außengrenzsicherungen nach dem Schengener Abkommen. Das war der wichtigste Aspekt des Asylkompromisses, der hier eingegangen worden ist.
Er lebt davon, daß ein bundeseinheitliches Prüfungsverfahren bei einer dafür besonders eingerichteten Bundesbehörde stattfindet, wenn es um die Feststellung geht, welche allgemeinen, politischen, humanitären, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse in einem Herkunftsland herrschen.
Es war das Wesen des Asylkompromisses, die zentrale Prüfung mit zentralen Möglichkeiten der Recherche, die ein einzelnes Land oder gar eine einzelne Ausländerbehörde beim besten Willen nicht haben können, festzuschreiben. Dazu gehört, daß, wenn nach einem aufwendigen Asylverfahren kein Bleiberecht festgestellt wird, der Ausländer das Bundesgebiet wieder verlassen muß.
Sonst träte die absurde Situation ein, daß im Bundesgebiet derjenige bleibt, der Asyl erhält - das ist selbstverständlich -, aber auch derjenige, der kein Asyl erhält, aber nicht abgeschoben wird. Das kann nicht wahr sein.
Das heißt, daß gerade diese Prüfung nicht zur Verfügung der Länder oder der Ausländerbehörden stehen soll. Wenn wir es anders machten, muß im Interesse sowohl der betroffenen und maßlos ausgebeuteten und betrogenen Menschen, die ins Land hineingeschleppt werden, und angesichts all der Folgen, die damit für unser Land eintreten, eine schlimme Situation befürchtet werden. Der Zusammenhang zwischen Grenzsicherung, Verweilbedingungen im Inland und der Konsequenz der Rückführung, wenn kein Bleiberecht da ist, muß beachtet werden.
In dieses Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Ausländer und des Gastlandes gehört dann § 54 des Ausländergesetzes, der es den Bundesländern ermöglicht, einen sechsmonatigen Abschiebestopp zu verhängen, der nur dann über sechs Monate hinaus verlängert werden kann, wenn der Bundesinnenminister zustimmt. Hier überwiegt das Interesse des Ausländers, bei - so formuliert es das Gesetz, ähnlich die Europäische Menschenrechtskonvention - konkreter Gefahr für Leib und Leben, bei der Gefahr erniedrigender oder menschenunwürdiger Behandlung, bei Folter oder Tod geschützt zu sein. Genau dies ist der Punkt, dem im Einzelfall nachgegangen werden muß. Hier teile ich die Meinung des Kollegen Hirsch.
Es ist doch das Wesen unserer Rechtsordnung in diesem Bereich, daß die Gruppenaussage die seltene Ausnahme ist, wenn die Gesamtverhältnisse eines Landes zu einer Gruppenaussage Anlaß geben, und daß die Einzelfallprüfung in einem optimal geordneten rechtsstaatlichen Verfahren den Grundsatz darstellt.
Dazu haben wir in einer mühevollen Arbeit der Bundesregierung, basierend auf den Erkenntnissen des neuesten Lageberichtes des Auswärtigen Amtes, alles zusammengefügt, was sich zur Lebenssituation der Kurden in der Türkei erreichen läßt. Dazu ist mit dem Auswärtigen Amt festzustellen - das ist in gar keiner Weise etwa durch die Aussagen bei der Anhörung erschüttert, die insoweit nur bekannte Standpunkte gefestigt hat und nichts Neues dazu gebracht hat -, daß es in der Türkei keine Gruppenverfolgung für Kurden gibt, daß sie nicht ethnisch verfolgt werden, daß sie in der Westtürkei in Millionen mit den anderen Türken zusammenleben, daß es insoweit in unserer Begrifflichkeit eine innerstaatliche Fluchtmöglichkeit in der Türkei von den Notstandsgebieten her gibt und deshalb auch eine Möglichkeit der Rückführung in diesen Teil gibt, in dem die Kurden mit anderen Türken nicht beschwert zusammenleben.
Aus diesem Grunde ist die Abschiebung der abgelehnten Asylbewerber oder sonstiger sich bei uns illegal aufhaltender Ausländer - jetzt ohne den Teil der PKK-Verdächtigen - in die Türkei möglich und notwendig, um den Zusammenhang zwischen Hineinkommen und Herausgehen zu erhalten. Denn angesichts der Situation, in der die überwiegende Mehrheit dieser Menschen ins Land gebracht wird, gäbe es kein Halten, wenn die deutsche Ausländerpolitik auf das Mittel der Rückführung verzichtete.
Das gilt - alle sozialdemokratischen Innenminister wissen das - in der Argumentation übrigens auch für viele andere Herkunftsländer. Es gibt leider so gut wie kein Herkunftsland, in dem etwa optimale oder gar mit unseren Verhältnissen zu vergleichende Lebensbedingungen vorhanden wären. Das ist gerade der Grund dafür, warum die Menschen ihre Länder verlassen, denn sie glauben, hier bessere Lebensbedingungen zu finden.
Bei der zweiten Gruppe, die das Problem angeht, handelt es sich um jene, die hier oder in der Türkei wegen Zusammenwirkens mit der PKK strafverdächtig sind. Da haben wir eine Vereinbarung getroffen, an deren Einhaltung durch die Türkei ich keinen Zweifel habe.
Ich finde es unvertretbar, wie hier mit den Zusagen eines der ältesten Verbündeten unseres Landes umgegangen wird. Das finde ich unvertretbar.
Bundesminister Manfred Kanther
Ich will Ihnen sagen, was das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 9. Februar 1995 - das ist gerade einmal fünf Wochen her - dazu erklärt hat: „In einem Abschiebefall hatten die türkischen Stellen mitgeteilt, daß Herr ... kein Strafregister hat und auch nicht auf der Fahndungsliste steht. Er werde bei der Einreise in die Türkei nach der üblichen Befragung freigelassen. " Begründung des Bundesverfassungsgerichts unter Bezugnahme auf diese Passage: „Das Bundesverfassungsgericht geht auf Grund dieser amtlichen Mitteilung davon aus, daß dem Antragsteller bei einer Rückkehr in die Türkei keine staatlichen Maßnahmen drohen, die ein Abschiebungshindernis nach § 53 Ausländergesetz begründen könnten. "
Wie kommen Sie dazu - einige von Ihnen; nicht alle, wie ich weiß -, die Zusicherung der Türkei fünf Wochen nach diesen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts pauschal so anders zu beurteilen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Bitte sehr.
Herr Bundesminister, die Vereinbarung, auf die Sie sich beziehen, erstreckt sich nur auf Personen, die sich in der Bundesrepublik strafbar gemacht haben. Kann es nicht sein, daß ein Kurde, dessen Aufenthaltsberechtigung in der Bundesrepublik abgelaufen ist, in der Türkei auch dann auf einer Fahndungsliste steht, wenn er sich in der Bundesrepublik nicht strafbar gemacht hat? Muß nicht, wenn Sie Ihr Abkommen als einen Schutz betrachten, dieser Schutzmechanismus auch auf diese Personen erstreckt werden?
Herr Kollege Hirsch, ich habe nicht den leisesten Zweifel daran, daß in den Verfahren vor den deutschen Ausländerbehörden - Bundesamt oder lokale Ausländerbehörden - alle Petenten, alle Asylbewerber, jedes Argument, das für sie sprechen könnte, bis zum letzten darlegen. Jeder, der auch nur den Hauch einer Gefährdung begründet darlegen kann, tut dies, und meistens auch noch vor Gericht.
Wo es Anlaß für die prüfende Behörde oder das Gericht gibt, eine Verfolgung aus politischen Gründen zu mutmaßen, wird man sich auf diese Vereinbarung abstützen können. Ich bin sicher, daß .die türkische Regierung diese Fragen beantwortet. Daran habe ich keinen Zweifel.
Gestatten Sie auch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bindig?
Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage mehr, sondern beende nunmehr meinen Beitrag.
Ich weise darauf hin, daß es in der Welt keinen Staat gibt, der sich mehr Gedanken in diesem Bereich der Strafbarkeit von PKK-Verdächtigen macht, als wir dies bezüglich derjenigen in unserem Lande tun, die das Gastrecht häufig so gröblich mißbrauchen wie auch in diesen Tagen leider wieder.
Es gibt kein einziges europäisches Land, das einen allgemeinen Abschiebestopp für Kurden bei der Zurückführung in die Türkei verhängt hätte oder dieses zu tun beabsichtigte, wie durch das Auswärtige Amt ausdrücklich festgestellt worden ist.
Woher nehmen wir denn die Überzeugung, daß im freien demokratischen Europa, in der atlantischen Gemeinschaft nur wir von dieser Erkenntnis der Unerträglichkeit der Lebensverhältnisse für in die Türkei zurückgeführte Kurden ausgehen müssen, wenn alle anderen Länder zu einem anderen Ergebnis kommen?
Deshalb ist der richtige Weg die Prüfung im jeweiligen Einzelfall angesichts der unterschiedlichsten Gründe des möglichen Verbleibs in der Bundesrepublik. Aber gerade das ist ein völlig anderer Weg als die Generalisierung durch Abschiebestopps.
Nun eine Schlußbemerkung: Natürlich liegt mir ungeheuer daran, daß die Innenpolitik in diesen Fragen möglichst einheitlich ist.
Lieber Herr Körper, es hat aber keinen Sinn, erst mit den Zündhölzchen herumzulaufen und anschließend nach der Feuerwehr zu rufen.
Es gibt vielleicht ein Dutzend oder mehr Abschiebestopps, die die Bundesländer verhängt haben. Nicht in einem einzigen Fall ist der Bundesinnenminister vorab gefragt worden, was er denn davon halte. In einem einzigen Fall ist der Bundesinnenminister davon unterrichtet worden, daß es einen Abschiebestopp gibt. Den Rest erfährt er aus der Zeitung.
Wir haben vor 14 Tagen einen ganzen langen Tag in der Innenministerkonferenz auf meine Anregung hin über diese Fragen gesprochen, ohne uns zu einigen. Es geht nicht, Einigung abzurufen, wenn man vorher Fakten geschaffen hat.
Der Zentralstaat muß darauf bestehen, daß Aspekte unserer Politik, die eine so breite Wirkung auch auf die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland haben, nicht isoliert in 16 Bundesländern unterschiedlich entschieden werden.
Bundesminister Manfred Kanther
Deshalb sagen wir: Wir stellen uns der Verantwortung der Überprüfung der Lebensverhältnisse in allen Ländern in dem ausgefeiltesten Rechtsverfahren der Welt. Es wird niemand etwas weggenommen; da wird nichts beschönigt und nichts begütigt, wo die Lebensverhältnisse nicht so sind wie bei uns; da wird im Einzelfall geprüft, ob sich daraus ein Bleiberecht entwickeln kann. Aber es geht nicht, daß für jedermann ein Bleiberecht besteht, der es erreicht hat, in dieses Land zu gelangen. Sonst hebeln wir die Grundlagen des Asylkompromisses aus. Das wollen wir nicht.
Danke.
Das Wort hat die Abgeordnete Cornelie Sonntag-Wolgast.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Vorbemerkung zum Innenminister machen. Herr Kanther, Sie haben über weite Strecken Ihrer Rede - vor allen Dingen im ersten Teil - offenbar das Thema nicht getroffen.
Es geht nicht um die gesteuerte Zuwanderung, es geht heute morgen um die Lage der Menschenrechte für die Menschen, die in dieses Land zurückkehren sollen. Sie wollten offenbar von dem Vorwurf, den wir gegen Sie erheben, mit dieser Argumentation ablenken. Sie trifft nicht den Kern der heutigen Debatte.
Eine zweite Anmerkung richte ich an den Kollegen Hirsch, aber auch an Sie, Herr Kanther. Sie beklagen den Tiefstand des Föderalismus. Ich frage Sie umgekehrt, ob es Ihnen nicht zu denken gibt, wenn Sie sich, wie am 25. November 1994 in der Innenministerkonferenz geschehen, über das breite Mehrheitsvotum der Länder hinwegsetzen, sich ausschließlich hinter dem Rücken des Landes Bayern verschanzen und dann auf Bundeseinheitlichkeit pochen. Das muß den Föderalismus stören.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Wenn Sie bitte auf die Zeit achten, dann gern.
Ich bitte insgesamt um ein bißchen mehr Ruhe.
Frau Kollegin, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir die Auffassung vertreten, daß die Entscheidung, ob ein Abschiebestopp verkündet werden soll oder nicht, von einer qualifizierten Mehrheit des Bundesrates im Sinne des kooperativen Föderalismus getroffen werden sollte und daß kein Land in dieser Frage ein Vetorecht haben sollte?
Wenn Sie damit der Forderung Nachdruck verleihen wollen, daß künftig nicht mehr das einheitliche Votum nach der Sechsmonatsfrist, sondern ein mehrheitliches ausschlaggebend sein soll, dann können wir uns darüber durchaus verständigen.
Meine Damen und Herren, diese Debatte bestätigt einmal mehr, wie recht wir damit hatten, ein solches Hearing zu beantragen; denn es hat Öffentlichkeitsbewußtsein, Problembewußtsein geschärft und auch Druck auf die Bundesregierung ausgeübt. Ich bedauere nur, daß es kein heilsamer Druck gewesen ist.
Denn das Parlament, die geladenen Experten und die betroffenen Menschen hätten wahrhaftig mehr Sorgfalt, Zeit und Ruhe bei der Auswertung dessen verdient, was wir gehört haben, und nicht die Hauruckmethoden, die Sie, Herr Minister, in dieser Frage an den Tag gelegt haben.
Das gilt leider nicht nur für Sie, sondern beispielsweise auch für den heute nicht anwesenden Fraktionschef der Union, Herrn Schäuble, der schon zwei Tage vor dem Hearing, nämlich am Montag, mit seiner Meinungsbildung fertig war und den Schluß des Abschiebestopps verkündet hat. So kann es nicht gehen, das ist ein schlechter Dienst am Parlament.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, manche fragen uns in der Tat, warum wir denn gerade mit der Kurdenfrage so viel Aufhebens machen. Das will ich erklären.
Es geht erstens um einen grundsätzlichen Disput darüber, ob eine Gruppe allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt wird oder, ironisch gesagt, erst dann, wenn sie aus der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auch Forderungen ableitet. Darum geht es im Kern. Das betrifft übrigens nicht nur die Kurden, sondern auch andere religiöse Minderheiten, die auch im Hearing behandelt wurden.
Es geht zweitens durchaus um das Verhältnis der Bundesrepublik zur Türkei, zu unserem NATO-Partner. Es geht auch um das Verhältnis zu etwa zwei Millionen türkischen Bewohnern hier im Land. Es muß uns die Frage beschäftigen, ob und wie dieser Staat in die Europäische Union hineinwachsen kann und was umgekehrt wir, die Bundesrepublik, dazu beitragen, wenn wir etwa mit Waffenlieferungen in Gesamthöhe von 7 Milliarden DM die Türkei dazu
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
befähigen, ihre internen Konflikte eher militärisch als politisch zu lösen.
Natürlich, Herr Marschewski, haben wir uns alle auf die Anhörung vorbereitet, und vieles, was wir da gehört haben, hat uns auch nicht überrascht. Aber ich weiß nicht, wie es Ihnen über die vielen Stunden des Hearings hinweg ging; ich war schon beeindruckt von der ungeheuren Wahrnehmungskluft zwischen den Vertretern der Menschenrechtsorganisationen und Sprechern der Kurden und anderer Minderheiten einerseits und den Parlamentariern andererseits. Das alles, verbunden mit den jüngsten Unruhen in Istanbul und anderen Orten, zeigt doch, wie problemgeladen und unübersichtlich die Lage ist und daß wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, keinen Anlaß haben, uns in unserem Urteil in Sicherheit zu wiegen.
Ich möchte Ihnen erklären, warum wir Zeit und Ruhe sowie die Rückkoppelung mit den Ländern brauchen, die ja schließlich für die Abschiebung zuständig sind.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Irmer?
Ja. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte.
Frau Kollegin, da Sie wohl die letzte Rednerin Ihrer Fraktion in dieser Debatte sind, würde mich interessieren, von Ihnen zu erfahren, wie sich denn Ihre Fraktion zu der Tatsache verhält, daß in der Bundesrepublik Deutschland und in Nachbarländern wie der Schweiz Tag für Tag Anschläge brutalster Natur auf türkische Einrichtungen stattfinden, und ob Sie nicht auch das Problem erkennen wollen, daß Kurden hier auf unserem Staatsgebiet in krimineller Weise tätig werden. Mich würde sehr interessieren, die Einstellung Ihrer Fraktion auch zu diesem Phänomen zu erfahren.
Herr Kollege, wenn Sie und auch der Kollege Hirsch Ihre Ungeduld hätten bezähmen können, dann hätten Sie gewartet, bis ich in wenigen Minuten auf dieses Thema eingehe. Das tue ich nun aus meinem eigenen Empfinden heraus und nicht, weil Sie es so gerne hier haben wollen. Ich bitte herzlich darum, diese beiden Themen nicht miteinander zu vermischen. Das ist der Sache abträglich.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen,
welche Schäden die gewalttätigen Aktionen dem Anliegen der friedlich hier lebenden Kurden und auch dem Schicksal derjenigen zufügen, die zurückgeschickt werden.
Das muß man hier eindeutig sagen. Ebenso deutlich muß man sagen - das geht auch aus unseren Forderungen hervor -, daß wir straffällig gewordene Kurden von dem Abschiebestopp ausschließen müssen. Das muß hier eindeutig klar sein.
- Darf ich jetzt zu meiner Rede zurückkehren?
Ich möchte an Akin Birdal erinnern, den mutigen Präsidenten des Menschenrechtsvereins der Türkei, der bei unserem Hearing dabei war und dem übrigens fünf Jahre Haft drohen, wie wir gerade hören. Er hat in seinen klugen Beiträgen beim Hearing immer wieder darauf hingewiesen, daß Menschenrechte universal sind. Das heißt doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, sie sind übergreifend und keiner Einschränkung durch andere Rechte unterworfen. Ein bißchen Menschenrechte gibt es nicht; wenn sie nur auf dem Papier stehen, dann sind sie schon verletzt.
Wenn die Einhaltung der Menschenrechte nicht zweifelsfrei feststeht, muß es heißen: Im Zweifel für den Menschen.
Dieser Grundsatz bedeutet in der Konsequenz: sorgfältigst nachprüfen, nachhaken, intensiv nachdenken.
Noch gelten - und das ist wichtig - Separatismus und separatistische Propaganda als Straftatbestand. Das ist im Hearing von niemandem bestritten worden. Der Begriff „Separatismus" wird weit und schwammig ausgelegt. Wer für ein eigenständiges Gemeinwesen der Kurden eintritt, riskiert schon Strafe. Ein Sachverständiger sagte, selbst eine Bemerkung wie „Mit mir kannst du es ja machen, ich bin Kurde", sei schon riskant. Meine Damen und Herren, wenn sich das hinter der Formel verbirgt, nach der unmittelbare Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe nicht stattfindet, dann sollten wir bitte eine klarere Sprache wählen, und die lautet: Ein Kurde ist nur so lange sicher, wie
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
er nicht den Mund zu politischen Äußerungen aufmacht.
Wollen wir das hinnehmen, oder wollen wir vielmehr versuchen, auf unseren NATO-Partner, die Türkei, einzuwirken, daß sie die ethnischen, die kulturellen und die religiösen Belange der unterschiedlichen Volksgruppen auf ihrem gesamten Territorium respektiert und achtet?
Meine Damen und Herren, wir haben im Dezember im Bundestag einstimmig eine Resolution verabschiedet. Wir haben - das gerät oft in Vergessenheit - darin auch gefordert, daß zunächst die Urteile gegen acht kurdische Parlamentarier ausgewertet werden müßten. Ich wehre mich gegen die Nonchalance, mit der diese alte, im breiten demokratischen Konsens vereinbarte Vorbedingung weggefegt wird, als ob es sie nie gegeben hätte.
Wir kritisieren scharf die Lässigkeit, mit der diese Regierung und die Unionsfraktion, deren Haltung bekannt war, nach Ende der Anhörung ihre - offenbar ohnehin schon vorher gefaßte - politische Meinung selbstzufrieden bestätigt sahen und postwendend zur Tat schritten.
Noch eine Anmerkung zu den Bundestagskollegen und -kolleginnen, vor allen Dingen zu denen auf den Bänken der Union: Liebe Kollegen und Kolleginnen, wenn Sie ein wichtiges Forum parlamentarischer Meinungsfindung wie eine Anhörung nur als lästigen Pflichttermin abhaken, dann entwerten Sie das parlamentarische Instrument der Anhörung. Sie stoßen die geladenen Experten vor den Kopf und entrechten uns alle hier im Parlament. Das wollen wir Ihnen nicht durchgehen lassen!
Als nächster spricht der Kollege Dietmar Schlee.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach meinem Informationsbesuch in der Türkei und nach der Anhörung im Innenausschuß steht für mich folgendes fest:
Erstens. Die Türkei ist ein demokratischer Staat,
ein Rechtsstaat mit Defiziten,
wie unsere türkischen Freunde uns immer wieder sagen. Die Defizite liegen zum einen in den rechtlichen Grundlagen, zum anderen aber auch in der tagtäglichen Praxis.
Was sind die Defizite? Das Parlament in Ankara versucht, die Verfassung zu ändern. Alles spricht dafür, daß die Verfassungsänderung noch vor der Sommerpause verwirklicht wird.
Des weiteren liegt dem Parlament ein Gesetzespaket zur weiteren Demokratisierung des Landes vor. Dessen Behandlung hat sich verzögert, weil die politischen Verhältnisse - auch im Parlament - labil sind. Aber alles spricht dafür, daß man auch in diesem Punkt weiterkommt.
Natürlich gibt es konkrete Defizite, was die Meinungsäußerungsfreiheit angeht. Die Mehrheit der Abgeordneten will das ja auch ändern. Es hat doch gar keinen Sinn, es so zu machen wie Sie, nämlich das Kind mit dem Bade auszuschütten, Frau Sonntag. Was hilft denn das den Menschen in der Türkei?
Zweitens. Defizite - das ist bei dem Besuch in Ankara und in Istanbul deutlich geworden - gibt es auch, was die Polizei angeht. Dies festzustellen ist das eine. Die Türkei bei der Lösung der Probleme zu unterstützen ist das andere.
Wir alle in diesem Hause müßten uns eigentlich einig sein, daß der Türkei im polizeilichen Bereich Hilfe geleistet wird, damit sie ihre Probleme lösen kann. Denn es gibt offensichtlich besondere Probleme im Umgang mit den Bürgern. Mit einer entsprechenden Ausbildung könnte ein Teil dieser Probleme minimiert werden. Mißhandlungen könnten reduziert werden. Damit würden wir etwas Konkretes zur Lösung der Probleme in der Türkei tun.
Darüber hinaus müßte alles nur Denkbare versucht werden, die Entwicklung im Südosten voranzubringen: durch wirtschaftliche Hilfe, dadurch, daß wir unsere Hilfe anbieten, die kommunale Selbstverwaltung weiter auszubauen, die Verwaltung zu dezentralisieren, eine gezielte Regionalpolitik zu machen. Das wäre etwas, was die Türkei konkret weiterbrächte, was die Situation im Innern entscheidend verbessern könnte.
Drittens. Die Anhörung hat deutlich gemacht, daß es für den generellen Abschiebestopp überhaupt keine Argumente mehr gibt. Die weit überwiegende Zahl der Sachverständigen hat das doch konkret gesagt.
Dazu: Erstens. Es gibt in der Türkei keine generelle ethnische Verfolgung, was der Ansatz für einen generellen Abschiebestopp wäre. Kurden werden nicht verfolgt, weil sie Kurden sind.
Zweitens. Die innerstaatliche Fluchtalternative ist doch leicht einsehbar. Zwei Drittel der Kurden leben im Westen und im Süden des Landes, wo sie mit den Türken im wesentlichen ohne Probleme zusammenleben. Zu sagen, es gebe keine innerstaatliche Fluchtalternative, ist einfach falsch.
Dietmar Schlee
Drittens. Wir müssen auch daran denken, was passiert, wenn wir es bei diesem generellen Abschiebestopp lassen: Der Zuwanderungsdruck wird größer. Hunderttausende, die arbeitslos sind, die in Armut leben, werden sich auf den Weg in unser Land machen. Das können wir nicht vertreten, meine Damen und Herren.
- Lieber Herr Fischer, es gibt offensichtlich Leute wie Sie, die über das Beibehalten des generellen Abschiebestopps den Asylkompromiß aushebeln wollen. Dann stellen Sie sich hier hin und sagen Sie, daß Ihnen die ganze Richtung nicht paßt!
Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Ländern sagen. Die Frage der Abschiebung der Kurden ist eine Frage, die bundeseinheitlich geregelt werden muß. Da kann man Neugierige in dem einen oder anderen Land nur warnen.
Früher war das so, Herr Kollege Körper, daß man im Kreise der Innenminister einig war, so einen Vorgang wie diesen tunlichst zu vermeiden, nicht zuletzt deshalb - das sollte man auch Herrn Schnoor und Herrn Zuber so sagen -, weil wir eine Wanderungsbewegung - ich will es mal so nennen - innerhalb der Republik verhindern wollten. Ich bin einmal gespannt, was Herr Schnoor und Herr Zuber sagen, wenn eine solche Wanderungsbewegung in ihre Länder in Gang kommt.
Schlußbemerkung, meine Damen und Herren: Die Türkei ist natürlich ein nicht ganz einfach einzuordnendes Land. Es gibt Positives, es gibt Negatives. Es gibt Bemühen, die Situation zu verbessern, es gibt Erfolge, es gibt Versagen. Wir müssen die Menschen in der Türkei ermutigen, die dieses Land modernisieren wollen,
die die Gesamtsituation verbessern wollen. Es kann doch nicht angehen, daß wir die westlich orientierten Türken entmutigen, daß wir sie in die Arme der Islamisten treiben. Was sich in den letzten Tagen in der Türkei und bei uns abgespielt hat, macht deutlich, wie labil die Situation ist. Wer sich in unserem Land strafbar macht, wer das Gastrecht mißbraucht, muß abgeschoben werden. Deshalb muß der generelle Abschiebestopp weg, und zwar sofort, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Schlee, Ihre Redezeit ist beendet.
Einen letzten Satz, Frau Präsidentin.
Frau Kollegin Sonntag, Sie müßten mehr an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger denken, an die Lasten, die sie zu tragen haben. Sie sollten auch mehr daran denken, daß in diesem Lande zwei Millionen Türken leben, von deren Schicksal wir mit abhängig sind. Sie müßten sich mehr auf Ihre Klientel besinnen, meine Damen und Herren.
Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Abgeordnete Angelika Beer.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister Kanther! Die Beiträge, die heute von der Regierungskoalition gekommen sind, sind ein Schlag in das Gesicht der Menschen, die tagtäglich der Verfolgung in der Türkei ausgesetzt sind.
Sie sind für mein Empfinden ein Affront gegen dieses Parlament. Kein Mensch von Ihnen hat in der heutigen Debatte einen einheitlichen Beschluß dieses Bundestages vom Dezember erwähnt, als wir uns entschieden für einen Abschiebestopp ausgesprochen haben, weil es ein Urteil gegen Abgeordnete gegeben hat und wir verlangt haben, daß dieses Urteil überprüft wird.
Das Ziel der Bundesregierung ist, wenn hier mit dem Asylkompromiß agiert wird, nicht „Ausländer raus", sondern, Herr Kanther, Sie praktizieren das scheibchenweise und fangen mit „Kurden raus" an. Sie haben heute ebensowenig wie in der Anhörung des Innenausschusses die Not in der Türkei, die Vertreibungen und die gezielte Verfolgung nicht nur der Kurden, die sich politisch betätigen, sondern auch der sich bekennenden Christen und Kurden zur Kenntnis genommen.
Sie haben damit einer Praxis eine Vorlage geliefert und versuchen auf unzulässige Art und Weise eine Vorverurteilung und Kriminalisierung von Taten in Deutschland, die wir alle verurteilen, bei denen aber noch in keiner Weise klargestellt ist, wer dafür verantwortlich ist. All das wird Kurden in die Schuhe geschoben - unter voller Ignoranz der Probleme in der Türkei, auch im Westen, in Istanbul, wie wir sie jeden Tag erleben.
Ich kann das nicht akzeptieren. Sie versuchen damit, eine einstimmige Entschließung dieses Parlaments zu revidieren. Sie benutzen diese Anhörung und instrumentalisieren sie, um diese Parlamentsentschließung auszuhebeln. Das heißt, daß Sie auf dem Rücken der Menschenrechte Ihre ausländerfeind-
Angelika Beer
liche diskriminierende Innenpolitik weiter betreiben wollen.
Zunächst hat, wenn Herr Minister Kanther nicht unmittelbar Stellung nehmen möchte, Herr Kollege Graf das Wort zu einer Kurzintervention.
Ich will hier in aller Deutlichkeit für mich feststellen, daß ich mich als Angehöriger der SPD-Bundestagsfraktion zutiefst betroffen fühle, wenn die Redner und die Fragesteller der Koalition - mit Ausnahme des Kollegen Hirsch; ich möchte das ausdrücklich betonen - versuchen, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als wollten wir den Asylkompromiß aushebeln, als wollten wir diejenigen, die bei uns in der Bundesrepublik Deutschland Straftaten begehen, schützen und beschützen.
Ich halte das schlichtweg nicht nur für eine Irreführung der deutschen Öffentlichkeit, sondern gegenüber uns als SPD-Bundestagsfraktion für ein ganz miserables und schäbiges Verhalten. Das stelle ich für mich persönlich fest.
Im übrigen scheint sich die Koalition gar nicht so richtig darüber im klaren zu sein, worum es heute ging. Es ging um Anträge der SPD-Bundestagsfraktion und um einen Antrag vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Anhörung, die wir vorgestern durchgeführt haben, auszuwerten.
Wer sich so verhält wie Sie, mit einer vorgefertigten Meinung auftritt, läßt Anhörungen zu einer Farce verkommen. Das kostet den Steuerzahler übrigens auch eine Menge Geld. Es ist eine Mißachtung des Parlaments. Wer so mit Parlamentariern umgeht, hat es nicht verdient, ernstgenommen zu werden.
Herr Kollege Marschewski zu einer Kurzintervention.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Graf, Ihre Rede war entlarvend. Sie wollen vom bisher beschlossenen Asylrecht Abstand nehmen.
Sie wollen davon generell Abstand nehmen. Sie wollen eine neue Altfallregelung. Sie wollen neues Bleiberecht. Sie wollen das Asylrecht von den Füßen auf den Kopf stellen, meine Damen und Herren. Das Macht diese Koalition nicht mit. Es ist bedauerlich, was Sie hier aufgeführt haben.
Frau Kollegin von den GRÜNEN, dieses Land Bundesrepublik Deutschland ist ein freies Land, ein demokratisches Land, ein Land, das Flüchtlinge aller Länder und Nationen aufnimmt. Das steht einwandfrei fest.
Meine Damen und Herren, wir wollen niemanden zurückschicken, der politisch bedroht ist, dem Folter droht, dem unmenschliche Behandlung droht, dem Todesstrafe droht. Das ist der Sinn und Zweck einer Einzelfallregelung. Diese ist gerechter, weil sie auf jeden Einzelfall Rücksicht nimmt. Sie ist rechtsstaatlich und entspricht unserem Grundgesetz.
Meine Fraktion wird deswegen dieser Einzelfallregelung zustimmen, weil sie das Leben der Betroffenen schützt. Ich wehre mich dagegen, daß die SPD- Fraktion heute ausdrücklich von den Beschlüssen des Asylrechts offensichtlich - gegen die Bevölkerung - Abstand nimmt.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Abstimmungen.
Ich weise darauf hin, daß wir zunächst zwei namentliche Abstimmungen zum Abschiebestopp haben werden. Zwei weitere namentliche Abstimmungen zum Klimaschutz schließen sich unmittelbar an. Danach werden noch zahlreiche weitere strittige Abstimmungen folgen. Sie können zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen, wenn Sie unmittelbar nach der Stimmabgabe wieder Ihre Plätze einnehmen.
Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Abschiebestopp für Kurden und syrisch-orthodoxe Christen aus der Türkei auf Drucksache 13/737 ab. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. -
Haben alle ihre Stimmkarte abgegeben? - Noch nicht.
Haben alle ihre Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Da die nächste Abstimmung im Zusammenhang mit dem Ergebnis dieser Abstimmung steht, unterbreche ich die Sitzung bis zur Vorlage des Ergebnisses.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen: 648. Mit Ja haben gestimmt: 85. Mit Nein haben gestimmt: 334. Enthaltungen: 229. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 647; davon:
ja: 84
nein: 334
enthalten: 229
Ja
SPD
Dr. Marliese Dobberthien Uwe Hiksch
Markus Meckel
Dr. Edelbert Richter
Günter Rixe Margitta Terborg
Inge Wettig-Danielmeier Uta Zapf
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Elisabeth Altmann
Gila Altmann
Marieluise Beck Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken-Deipenbrock Michaele Hustedt
Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Jessica Probst Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Christine Doris Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz Rainder Steenblock Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such
Dr. Antje Vollmer
Ludger Volmer
Helmut Wilhelm Margareta Wolf-Mayer
PDS
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Dr. Uwe-Jens Heuer
Dr. Barbara Höll Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Dr. Günther Johannes
Maleuda
Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter H. Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell
Ulf Fink
Dirk Fischer Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein
Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet
Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Claire Marienfeld Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels Elmar Müller
Dr. Gerd Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer
Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst
Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler Dietmar Schlee
Ulrich Schmalz
Bernd Schmidbauer Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr
von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederik Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr
von Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Simon Wittmann
Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn
Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann
Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Joachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch
Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Enthalten
SPD
Brigitte Adler Gerd Andres Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Dr. Ulrich Böhme Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Dagmar Freitag Anke Fuchs
Katrin Fuchs Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Eugen Hampel Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Reinhold Hiller Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Maria Anna Hovermann Lothar Ibrügger
Wolfgang Ilte
Barbara Imhof
Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck Ulrike Mehl
Herbert Meißner
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Kurt Neumann (Berlin) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Doris Odendahl
Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich von Margot Renesse Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
Gerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Günter Schluckebier Horst Schmidbauer
Ursula Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt Walter Schöler
Ottmar Schreiner
Gisela Dorothea Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz Volkmar Schultz (Köln)
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr.. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Günter Verheugen
Ute Vogt Josef Vosen
Hans Georg Wagner Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heide Wright
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion der SPD zu einem Abschiebestopp für Kurdinnen und Kurden aus der Türkei auf Drucksache 13/804 ab. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung.
Aus gegebenem Anlaß darf ich alle bitten, zu überprüfen, ob auf Ihrer Stimmkarte auch Ihr Name steht; denn auf Grund falscher Einordnungen sind Verwechslungen vorgekommen. Ich bitte diejenigen, die beim ersten Abstimmungsgang ihre Stimme mit falscher Stimmkarte abgegeben haben, sich zu melden.
Ich eröffne die Abstimmung.
Kann ich davon ausgehen, daß alle ihre Stimmkarte abgegeben haben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. *)
Wir kommen jetzt zu bereits gestern debattierten Tagesordnungspunkten zurück:
3 g Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Michaele Hustedt, Gila Altmann , Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Internationaler Klimaschutz zu dem Klimagipfel in Berlin
- Drucksachen 13/143, 13/758 -
hier: Abstimmung über Entschließungsanträge auf Drucksachen 13/790 und 13/831
ZP1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der PDS
Besteuerung von Flugkraftstoffen
- Drucksache 13/102 -
ZP3 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- zu dem Schlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre"
Mehr Zukunft für die Erde - Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz -
- zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P.
Klimaschutz - Erste Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention vom 28. März bis 7. April 1995 sowie Umsetzung des nationalen CO2-Minderungsprogramms
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Monika Ganseforth, Brigitte Adler, Dr. Liesel Hartenstein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zum Schlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre"
Mehr Zukunft für die Erde - Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz -
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Michaele Hustedt, Gila Altmann , Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Schlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre"
*) Seite 1980 B
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Mehr Zukunft für die Erde - Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz -
- Drucksachen 12/8600, 13/232, 13/242, 13/ 260, 13/821 -
Berichterstattung: Abgeordnete
Dr. Klaus W. Lippold
Horst Kubatschka Wolfgang Behrendt Michaele Hustedt Birgit Homburger
Zu Tagesordnungspunkt 3 g liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor.
Wir kommen zunächst zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/790.
Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an diese namentliche Abstimmung eine weitere namentliche Abstimmung haben werden und über weitere Vorlagen abstimmen werden.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied im Hause, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich gebe Ihnen in der Zwischenzeit das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD - Abschiebestopp für Kurdinnen und Kurden aus der Türkei auf Drucksache 13/804 - bekannt. Abgegebene Stimmen: 640. Mit Ja haben gestimmt: 307. Mit Nein haben gestimmt: 333. Enthaltungen: keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 640; davon:
ja: 306
nein: 333
enthalten: 1
Ja
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Robert Antretter
Hermann Bachmaier Ernst Bahr
Dons Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Hans Berger
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Dr. Ulrich Böhme Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Eberhard Brecht Ursula Burchardt Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Maria Anna Hovermann Lothar Ibrügger
Wolfgang Ilte
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen Renate Jäger
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning
Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl
Volker Kröning
Thomas Krüger
Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick
Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster
Brigitte Lange
Detlev von Larcher Waltraud Lehn
Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Kurt Neumann (Berlin) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Winfried Penner
Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer
Ursula Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Walter Schöler Ottmar Schreiner
Gisela Dorothea Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Margitta Terborg Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Günter Verheugen
Ute Vogt Josef Vosen
Hans Georg Wagner Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heide Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann Elisabeth Altmann
Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken-Deipenbrock Michaele Hustedt
Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cern Özdemir
Gerd Poppe
Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Christine Doris Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Albert Schmidt Wolfgang Schmitt (Langenfeld)
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz Rainder Steenblock Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such
Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Helmut Wilhelm Margareta Wolf-Mayer
PDS
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi Dr. Uwe-Jens Heuer
Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz
Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lath
Dr. Günther Johannes
Maleuda
Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam Peter Altmaier
Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter H. Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjörgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell
Ulf Fink
Dirk Fischer Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich
Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Helmut Jawurek
Dr. Dionys Jobst
Dr. -Ing. Rainer Jork Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet
Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Werner Lensing
Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach
Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun Löwisch
Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Claire Marienfeld
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Erwin Marschewski
Günter Marten
Dr. Martin Mayer Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer Hans Michelbach Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Elmar Müller Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost
Eduard Oswald Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler Dietmar Schlee . Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr
von Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederik Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr
von Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Simon Wittmann
Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van Essen
Dr. Olaf Feldmann Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich
Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Joachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Enthalten
SPD
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Bevor wir weitermachen können, müssen wir das Ergebnis der soeben durchgeführten namentlichen Abstimmung abwarten.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Sitzung fort. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zur Großen Anfrage „Internationaler Klimaschutz" auf Drucksache 13/790 bekannt: Abgegebene Stimmen: 631. Mit Ja haben gestimmt: 76, mit Nein haben gestimmt: 326, Enthaltungen: 229. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 629; davon:
ja: 76
nein: 324
enthalten: 229
Ja
SPD
Uwe Hiksch
Christoph Matschie
Michael Müller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln)
Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Amke Dietert-Scheuer
Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken-Deipenbrock Michaele Hustedt
Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld
Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger Kerstin Müller Winfried Nachtwei Christa Nickels
Cem Özdemir Gerd Poppe
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Simone Probst
Dr. Jürgen Rochlitz Halo Saibold
Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz Rainder Steenblock Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such
Dr. Antje Vollmer Ludger Volmer
Margareta Wolf-Mayer
PDS
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Gregor Gysi
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam Peter Altmaier Anneliese Augustin
Jürgen Augustinowitz Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter H. Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert
Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Ulf Fink
Dirk Fischer
Leni Fischer
Klaus Francke Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken
Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer Jork
Michael Jung
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Wolfgang Krause Andreas Krautscheid
Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger
Reiner Krziskewitz Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus Editha Limbach
Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Claire Marienfeld Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Elmar Müller
Engelbert Nelle
Bernd Neumann Johannes Nitsch
Claudia Nolte
Dr. Rolf Olderog
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch Ulrich Petzold
Anton Pfeifer
Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber
Peter Harald Rauen Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik Roland Richter
Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu
Norbert Schindler Dietmar Schlee
Ulrich Schmalz
Bernd Schmidbauer Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederik Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert Rudolf Seiters Johannes Selle Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr
von Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil
Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Simon Wittmann
Dagmar Wöhrl Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Hildebrecht Braun
Günther Bredehorn
Jörg van Essen
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke Hans-Dietrich Genscher Joachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
Enthalten
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger
Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Dr. Ulrich Böhme Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Walter Brecht
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Freimut Duve
Ludwig Eich
Peter Enders
Gernot Erler
Annette Faße
Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski Dagmar Freitag Anke Fuchs Katrin Fuchs (Verl) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Norbert Gansel Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann Reinhold Hemker Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Maria Anna
Hovermann
Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte
Barbara Imhof
Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Brigitte Lange
Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Christa Lörcher Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher
Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Jutta Müller Christian Müller (Zittau) Kurt Neumann (Berlin) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus
Leyla Onur
Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse
Renate Rennebach Otto Reschke Bernd Reuter
Dr. Edelhert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe Gerhard Rübenkönig
Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Günter Schluckebier
Horst Schmidbauer
Ursula Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Walter Schöler Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz
Volkmar Schultz (Köln)
Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Günter Verheugen
Ute Vogt Josef Vosen
Hans Georg Wagner Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen Gunter Weißgerber
Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heide Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
F.D.P.
Dr. Olaf Feldmann
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/831.
Dazu liegen Erklärungen zur Abstimmung vor. Als erster hat Kollege Uldall das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Den SPD-Antrag auf Drucksache 13/831 haben wir erst gestern abend zu später Stunde erhalten. Es konnte deswegen bei uns eine Beratung weder in der Fraktion noch in der zuständigen Arbeitsgruppe Finanzen stattfinden. Über Nacht war die nicht mehr zu organisieren. Deswegen werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. Dies bedeutet allerdings keine inhaltliche Aussage zu diesem Thema.
Als nächster hat Kollege Albert Schmidt das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende SPD-Entschließungsantrag auf Drucksache 13/831 ist in den Nrn. II 1 und 2 für uns schon deshalb zustimmungsfähig, weil er in diesen Punkten mit dem, was wir bereits Anfang der Woche eingebracht haben, dekkungsgleich ist. In den Nrn. II 3 und 4 wird, anstatt die Steuerprivilegien beim Kerosin zu kürzen, aus unserer Sicht ein neues Privileg, faktisch ein neuer Subventionstatbestand in Sachen Mineralölsteuer, in diesem Fall zugunsten der Schiene, eingeführt. Dies erscheint uns finanzpolitisch unüberlegt und kein geeigneter Beitrag zur gewünschten Verringerung des Luftverkehrs zu sein.
Wir können summa summarum dem vorliegenden Antrag in dieser Form nicht zustimmen.
Zur dritten Erklärung zur Abstimmung hat Kollegin Elke Ferner das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Ich möchte, obwohl der Antrag von uns zugegebenermaßen erst relativ spät eingebracht worden ist - den Antrag der GRÜNEN hatten wir aber auch nicht rechtzeitig vorliegen -,
darum werben, diesen Antrag nicht abzulehnen.
Es geht - Herr Kollege Schmidt hat das eben gesagt - erstens darum, daß vor Wirksamwerden der Revisionsklausel auf europäischer Ebene die Bundesregierung eine europaweite Initiative ergreift, um bei der Kerosinbesteuerung voranzukommen.
Bei den Nrn. II 3 und 4 gebe ich zu, daß sie auch für uns nur die zweitbeste Lösung darstellen. Es gibt Belastungen der Bahn im Vergleich zum Flugverkehr, nämlich daß beim Verkehr ins Ausland der Inlandsanteil der Umsatzsteuerpflicht unterliegt und daß sie, wo sie in Dieseltraktion fährt, der Mineralölsteuerpflicht unterliegt. Die anderen Geschichten sind leider nur international zu regeln. Deshalb sollten wir uns darauf verständigen, die Wettbewerbsbedingungen der Bahn so lange durch eine niedrigere Besteuerung zu verbessern, bis eine internationale Regelung für den Flugverkehr Platz greift.
Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, die SPD verlangt namentliche Abstimmung.
Ich eröffne die Abstimmung.
Haben alle ihre Stimmkarte abgegeben, auch die Kolleginnen und Kollegen draußen vor der Tür? - Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur Abstimmung über den zweiten Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/789 zum Klimaschutz.
- Ich kann eine Abstimmung nur übersehen, wenn Sie auf Ihren Plätzen sitzen. Ich bitte Sie deshalb, für die Abstimmung per Handzeichen Ihre Plätze einzunehmen.
*) Seite 1992 B
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Wir stimmen über den zweiten Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/789 zum Klimaschutz ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.
Wir kommen zu weiteren Abstimmungen, die von gestern auf heute verschoben worden sind, und zwar zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der PDS zur Besteuerung von Flugkraftstoffen auf Drucksache 13/102. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Schlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre", Drucksache 13/821 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Schlußbericht auf Drucksache 12/8600 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung einstimmig angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum Klimaschutz, Drucksache 13/821 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/232 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Schlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre", Drucksache 13/821 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/242 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Schlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre", Drucksache 13/821 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/260 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist auch diese Beschlußempfehlung angenommen.
Interfraktionell ist vereinbart, den Zusatzpunkt 8, Wahl eines Mitgliedes der Gruppe PDS in den Gemeinsamen Ausschuß gemäß Art. 53a des Grundgesetzes, von der Tagesordnung abzusetzen. Wer ist damit einverstanden? - Wer ist nicht einverstanden? - Enthaltungen? - Damit ist der Zusatzpunkt 8 gegen die Stimmen der PDS abgesetzt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12a bis 12g auf: Abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -3. SGB V-Änderungsgesetz -
- Drucksachen 13/340, 13/736, 13/807 - Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuß)
- Drucksache 13/807 -
Berichterstattung:
Abgeordneter
Wolfgang Lohmann
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 sowie des Übereinkommens vom 29. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens
- Drucksachen 13/193, 13/696 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr (15. Ausschuß)
- Drucksache 13/696 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Konrad Kunick
c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - §§ 44, 69b StGB -
- Drucksache 13/198 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)
- Drucksache 13/635 -
Berichterstattung:
Abgeordnete
Dr. Wolfgang Frhr. von Stetten
Alfred Hartenbach
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft Heinrich-Mann-Allee 107 in Potsdam, Flur-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
stücke 347/1 und 347/5 der Flur 6 mit einer Gesamtgröße von 65 191 m2 an das Land Brandenburg
- Drucksachen 13/210, 13/603 -
Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller
Susanne Jaffke Oswald Metzger Jürgen Koppelin
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen
Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung einer Teilfläche der bundeseigenen Liegenschaft Vauban-Kaserne in Freiburg an die Stadt Freiburg
- Drucksachen 13/91, 13/604 -
Berichterstattung: Abgeordnete Karl Diller
Susanne Jaffke Oswald Metzger Jürgen Koppelin
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Harmonisierung der Bedingungen für den Erwerb einzelstaatlicher Schifferpatente für den Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr in der Gemeinschaft
- Drucksachen 13/218 Nr. 95, 13/695 -
Berichterstattung: Abgeordneter Hubert Deittert
g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
MwSt
Endgültige Einfuhren von Gegenständen - Drucksachen 13/218 Nr. 16, 13/723 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ludwig Eich Gisela Frick
Christine Scheel
Wolfgang Steiger
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, Drucksachen 13/340, 13/736 und 13/807. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetz-
entwurf ist damit in zweiter Beratung bei einigen Enthaltungen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf bei Enthaltung der GRÜNEN angenommen.
Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/807 außerdem die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung bei Enthaltung der GRÜNEN angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ausführungsgesetzes zum Seerechtsübereinkommen, Drucksachen 13/193 und 13/696. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Enthaltung der GRÜNEN und der PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS angenommen.
Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes, Drucksache 13/198: Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Gegenstimmen der Gruppe der PDS und Enthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf bei Gegenstimmen der PDS und Enthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft in Potsdam, Drucksachen 13/210 und 13/603: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung einstimmig angenommen.
Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Veräußerung einer bundeseigenen Liegenschaft in Freiburg, Drucksachen 13/91 und 13/604: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN angenommen.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zum Richtlinienvorschlag der EU zur Harmonisierung der Schifferpatente, Drucksache 13/695: Wer
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN angenommen.
Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu einem Richtlinienvorschlag der EU zur Mehrwertsteuer bei der endgültigen Einfuhr von Gegenständen, Drucksache 13/723: Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung bei Enthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Damit sind diese Abstimmungen abgeschlossen.
Ich komme jetzt zu einer Erklärung zum fünften Jahrestag der ersten freien Volkskammerwahlen.
Meine Damen und Herren, der 18. März 1990 - wie viele erinnern sich noch in unserem Land? - war und ist ein Schlüsseldatum, das aus der deutschen Geschichte künftig nicht mehr wegzudenken ist, ein Datum für eine selbsterstrittene Demokratie.
Nach knapp 60 Jahren hatten die rund 12,2 Millionen wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger im anderen Teil Deutschlands endlich die Chance, ihr Schicksal und ihre politische Zukunft in freien, gleichen und geheimen Wahlen selbst zu bestimmen.
Endlich frei, endlich sind wir das Volk, ein Volk, selbst befreit und selbst bestimmt, unterwegs zur Demokratie, zur Einheit, zu Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft. Das war das Lebensgefühl vieler, vieler Menschen.
Der 18. März, das war ein Feiertag im wahrsten Sinne des Wortes, und so wurde er begangen. Schon in den frühen Morgenstunden und dann in den Vormittagsstunden machten sich die Menschen, viele mit ihren Kindern, auf den Weg zu den Wahllokalen, begegneten sich - befreit, freudig, oft mit Tränen in den Augen. Zu den Bildern vor unserem Auge gehören die 80jährigen vor den Wahlurnen, die zum ersten Mal frei und geheim wählen konnten.
Unser Dank gilt vor allem jenen, die diesen Tag ermöglicht haben, in unserem Land und außerhalb des Landes, vor allem aber jenen, die sich - angeführt durch die Bürgerrechtsbewegung und die neuen demokratischen Gruppen - spontan und hochmotiviert aus dem Stand heraus beteiligt haben, um diese Wahlen zu ermöglichen.
Es ist unvorstellbar, was in den Wochen vor und nach der Wahl von den politisch engagierten Bürgerinnen und Bürgern geleistet wurde.
Einige der in der Volkskammer und am Runden Tisch Engagierten sind heute weiterhin in unserem Parlament. Wir danken ihnen stellvertretend für die vielen, die nicht in diesem Saal versammelt sind. Sie alle haben Außergewöhnliches geleistet.
Das Recht auf freie, gleiche, allgemeine und geheime Wahlen hatten sich die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam und mutig erstritten: in Leipzig, Dresden, Ost-Berlin und in vielen anderen Städten der früheren DDR, auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Kirchen und am Runden Tisch. Es war eine friedliche und erfolgreiche Revolution, ein Kampf um Freiheit, Bürgerrechte und um ein doppelt nachhaltiges Bekenntnis: „Wir sind das Volk - Wir sind ein Volk".
Der 18. März 1990 stand unter dem Zeichen von Freiheit und Einheit, verbunden mit großen Hoffnungen, gewiß auch mit Angsten und Ungewißheiten.
Nicht nur die Menschen in der DDR, auch wir im Westen haben auf diesen Tag mit großer Spannung gewartet. Daß unsere gemeinsame Zukunft immer noch Schmerzen beim Zusammenwachsen verursacht, Schmerzen vor allem bei unseren Landsleuten in den neuen Bundesländern, daran hat uns dieser Tage Richard Schröder aus seinen ebenfalls in der Volkskammer und danach geprägten Erfahrungen erinnert. Und doch sind die Chancen größer als die Schmerzen.
Der Ausgang der Wahl war damals unbestimmt. Niemand wußte, wie viele Menschen zur Wahl gehen würden. Niemand wußte, für welches Programm sie sich in freier und geheimer Wahl entscheiden würden. In kürzester Zeit war es zur Bildung neuer politischer Parteien und Gruppierungen gekommen. 27 Parteien standen am 18. März zur Wahl.
Um so überraschender und eindrucksvoller war das Ergebnis: 93,3 % der Wahlberechtigten hatten gewählt. Der Selbstbefreiung im Herbst 1989 war die Selbstbestimmung am 18. März 1990 gefolgt. Die Wahlentscheidung war ein Votum für das Programm Deutschland: für eine freiheitliche Demokratie und - möglichst rasch - für ein geeintes Deutschland, das von Anbeginn in die europäische Einheit eingebunden sein sollte.
Die junge Demokratie nach Jahrzehnten der Unfreiheit und Diktatur aufzubauen, mit Leben zu füllen und über den Weg zu einem wiedervereinigten Deutschland zu entscheiden war die wichtigste Aufgabe der an jenem Tag in die freie Volkskammer Gewählten. Sie, die sich meist weder untereinander kannten noch wußten, wo sie jeweils standen, hatten in kürzester Zeit Entscheidungen von größter Tragweite zu treffen. Sie wußten, daß sie mit den Mitteln der Demokratie die alten Strukturen beseitigen mußten.
Es waren Entscheidungen, die den Abgeordneten höchsten persönlichen Einsatz abverlangten. Es waren Entscheidungen, bei denen es auch um die Identität und die Würde der Menschen im Osten Deutschlands, um ihre bitteren und stolzen Erfahrungen unter der 40jährigen Diktatur ging. Lothar de Maizière, der erste frei gewählte Ministerpräsident der ehemaligen DDR, hat es in seiner Regierungserklärung vor der Volkskammer am 19. April 1990 auf den Punkt gebracht. Er sagte:
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Wir bringen unsere Identität ein und unsere Würde. Unsere Identität, das ist unsere Geschichte und Kultur, unser Versagen und unsere Leistung, unsere Ideale und unsere Leiden. Unsere Würde, das ist unsere Freiheit und unser Menschenrecht auf Selbstbestimmung.
Gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, was in wenigen Wochen nach dem 18. März 1990 von der Volkskammer geleistet worden ist: ein Koalitionsprogramm zur grundlegenden Umgestaltung aller Lebensbereiche, die Bereitschaft der Parlamentarier, sich selbst überprüfen zu lassen, und die weltweit beachtete Erklärung bei der Konstituierung zur Mitverantwortung und zur Übernahme geschichtlicher Schuld an Juden, Polen und anderen Völkern.
Die Träger der friedlichen Revolution im Herbst 1989 verdienen einen herausragenden Platz in der deutschen Geschichte, stellte Ministerpräsident de Maizière damals in seiner Regierungserklärung fest. Dies gilt unverändert. Der 18. März 1990 bleibt für immer ein guter, ein glücklicher Tag in unserer Geschichte. Diese ersten allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahlen zur Volkskammer am 18. März 1990 stehen nicht nur für Selbstbestimmung, sie stehen für Würde und Identität und haben den Weg zur deutschen Einheit gebahnt, die wir am 3. Oktober 1990 vollziehen konnten.
Ich danke Ihnen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 7 und die Zusatzpunkte 9 bis 11 auf:
7. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Dr. Helmut Lippelt, Gerd Poppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Beseitigung der Blockade in den deutschtschechischen Beziehungen
- Drucksache 13/760 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß Innenausschuß
ZP9 Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zu den deutschtschechischen Beziehungen
ZP10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, Steffen Tippach und der Gruppe der PDS
Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen
- Drucksache 13/785 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß Innenausschuß
ZP11 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen
- Drucksache 13/805 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuß Innenausschuß
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache im Anschluß an die Regierungserklärung eine Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zehn Minuten erhalten soll. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Entschuldigung, Herr Minister! Ich möchte, daß Sie wenigstens vor einem ruhigen Haus sprechen können.
Vielen Dank.
Bitte nehmen Sie Platz. - Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 8. Mai begehen wir den 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Der Fall des Eisernen Vorhangs hat uns Deutschen das Geschenk der Einheit und die Chance der Versöhnung mit unseren Nachbarn gebracht. Europa hat die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Neuanfang in Frieden und Freiheit erhalten.
Seit dem Fall der Mauer bemüht sich Deutschland wie kaum ein anderes Land, diese Chance für ein vereintes Europa zu nutzen.
Wir sind der Anwalt unserer östlichen Nachbarn, auch unserer tschechischen, bei ihrer Rückkehr nach dem Europa, nach dem sie sich jahrzehntelang gesehnt haben. Der Europäische Rat von Essen, an dem auch der tschechische Ministerpräsident Klaus teilgenommen hat, war ein Meilenstein auf dem Weg in die Europäische Union.
Auch bilateral haben wir unser Verhältnis zu allen östlichen Nachbarn auf eine neue Stufe gestellt. So auch gegenüber der Tschechoslowakei mit dem Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 27. Februar 1992. Mit unserem wichtigen tschechischen engen Nachbarn ins Reine
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
zu kommen ist uns, ist insbesondere dem Bundeskanzler und mir ein ganz besonderes Anliegen.
Was Deutsche einst Tschechen angetan und was später die Sudetendeutschen von Tschechen zu erleiden hatten, darf uns nicht den Blick in die gemeinsame Zukunft verstellen.
Wir sind auf der Grundlage des Nachbarschaftsvertrages ein gutes Stück vorangekommen. Natürlich hat sich der Blick der Tschechen nach der Trennung von den Slowaken zunächst stärker nach innen gerichtet. Inzwischen ist es anders geworden. Wir begrüßen das sehr.
Die bilateralen Regierungs- und Parlamentskontakte sind von großer Dichte und Intensität. Deutschland ist heute der mit weitem Abstand wichtigste Handelspartner der Tschechischen Republik. Deutsche Firmen sind dort mit weitem Abstand die wichtigsten Investoren. Gott sei Dank ist nach anfänglichen Problemen heute von Überfremdungsangst kaum noch die Rede. Die Modernisierung bestehender und die Öffnung neuer Grenzübergänge kann gar nicht schnell genug gehen, und zwar für beide Seiten.
Besonders erfreulich ist auch, daß sich der Jugendaustausch sehr gut entwickelt hat. 6 000 junge Deutsche und Tschechen haben 1994 an vom Bund finanzierten Austauschprogrammen teilgenommen. Noch einmal so viele Jugendliche nehmen erfahrungsgemäß an Programmen teil, die von Ländern, Kommunen, Kirchen und privaten Trägern gefördert werden.
Mehr als eine halbe Million Tschechen lernen heute Deutsch. Wir entsenden von uns aus Lehrkräfte, Fachberater in die Tschechische Republik, die sich schwerpunktmäßig der Lehreraus- und -fortbildung widmen.
Auch das 1993 von mir eingeweihte Goethe-Institut in Prag trägt neben seinem Kulturprogramm zur Verbreitung der deutschen Sprache bei. Zwei Drittel seines großen Stammpublikums gehören der jungen und mittleren Generation an - für uns eine große kulturpolitische Chance.
Zugang zur deutschen Sprache und Kultur wird auch in den 13 von der Bundesregierung finanzierten Begegnungszentren geboten. Das sind keine Inseln. Sie dienen dem Austausch zwischen deutscher Minderheit und ihrem tschechischen Umfeld und stehen deutschen Besuchern als Anlaufpunkt zur Verfügung.
Umgekehrt wächst in Deutschland erfreulicherweise das Interesse an unserem tschechischen Nachbarn ständig, natürlich besonders im Grenzgebiet. In Bayern und in Sachsen gibt es nicht nur Tschechischunterricht an weiterführenden Schulen, sondern auch die Möglichkeit zur Ausbildung als Tschechischlehrer. Auch grenzferne Länder wie Hamburg und Nordrhein-Westfalen haben umfangreiche Austausch-
und Patenschaftsprogramme mit der Tschechischen Republik entwickelt.
Wir hoffen, daß die tschechische Seite auch bald zur Gründung einer bilateralen Regierungskommission für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bereit ist. Ich habe besonders darauf gedrängt. Leider sind wir noch nicht ganz so weit. Ich hoffe, daß das in Kürze der Fall sein wird.
Die verstreut lebende deutsche Minderheit wird heute von beiden Seiten gefördert. Sie stand sehr lange unter einem massiven Anpassungsdruck. Heute ist sie auf dem nicht ganz einfachen Weg der Wiedergewinnung ihrer kulturellen Identität. Die Bundesregierung und auch die sudetendeutschen Verbände helfen ihr dabei. Das wird von der Tschechischen Regierung anerkannt und nicht etwa beargwöhnt, was besonders erfreulich ist.
Meine Damen und Herren, dieses insgesamt positive Bild der bilateralen Beziehungen wird noch verstärkt, wenn man die europäische Dimension hinzunimmt und sich ansieht. Die Tschechische Republik ist der Europäischen Union assoziiert und wird noch in diesem Jahr - das steht fest - ihren Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union einreichen. Wir werden sie dabei unterstützen.
Mit Recht sind die Tschechen stolz auf das, was sie in kurzer Zeit geleistet haben. Wir haben ihnen dabei geholfen. Auch wir freuen uns über ihren Erfolg.
Kein Zweifel: Die Tschechische Republik wird zu den ersten Anwärtern der Osterweiterung der Europäischen Union gehören, auch wenn noch vieles - z. B. im Bereich der Rechtsangleichung - zu tun bleibt. Auf die deutsche Unterstützung und gerade auch auf die Unterstützung des Bundeskanzlers und meine Unterstützung kann Prag weiterhin bauen.
Das gilt ganz genauso für die Frage eines künftigen NATO-Beitritts. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat im November 1994 im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden das erste deutsch-tschechische Manöver im Grenzbereich stattgefunden - ohne irgendwelche Probleme. Ich finde, das ist ein Beispiel guter, normaler Nachbarschaft.
Die Heranführung unserer östlichen Nachbarn - das sagen wir insbesondere unseren tschechischen Nachbarn - an die Europäische Union und die NATO bleibt die historische Herausforderung und Aufgabe für alle Europäer, vor allem aber für uns Deutsche.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Wir haben unsere Einheit auch den Menschen zu verdanken, die in Prag und anderswo für die Freiheit auf die Straße gingen. Das haben wir nicht vergessen.
Wir bleiben deshalb in besonderer Weise der Zusammenführung der europäischen Familie verpflichtet.
Im UN-Bereich, wo im Augenblick Deutsche und Tschechen zusammen Mitglied des Sicherheitsrates sind, arbeiten wir gut und eng zusammen. Ich darf ausdrücklich sagen, daß wir das mutige tschechische Engagement im früheren Jugoslawien in besonderer Weise schätzen.
Meine Damen und Herren, zum deutsch-tschechischen Verhältnis gehören aber eben auch die Probleme einer jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte mit ihren Höhen und mit ihren Tiefen, vor allem auch die Schatten der jüngsten, unheilvollen Vergangenheit.
Wir Deutsche haben den Tschechen schlimmes Unrecht getan. Die Sudetendeutschen haben aber eben dann am Ende des Zweiten Weltkrieges auch Unrecht durch Vertreibung und Enteignung erlitten. Dies alles hat Wunden geschlagen, die noch nicht voll verheilt sind und auf beiden Seiten heute noch sehr schmerzen.
Soll das alles vergessen werden? Kann man einfach einen Schlußstrich ziehen, das Buch einfach zuschlagen? Ich meine, nein. Geschichte kennt keine Endpunkte. Sie bleibt uns, sie ist Teil unseres Lebens. Aber pauschale Urteile gehen eben auch fehl, und kollektive Schuld gibt es nun mal nicht.
Unser gemeinsames Ziel muß es sein, den Teufelskreis von Unrecht und Gegenunrecht, von Schuldvorwürfen und Gegenrechnungen zu durchbrechen. Dazu gehört die Einsicht, daß es weder eine vollkommene Gerechtigkeit gibt noch irgend jemand die Wahrheit gepachtet hat. Einfache Lösungen, wie sie in den vorliegenden Anträgen ein wenig anklingen und durchschimmern, gibt es in diesem Zusammenhang nicht.
Wir wollen - das ist das Wesentliche - das Verhältnis zu unserem so wichtigen tschechischen Nachbarn so eng, partnerschaftlich und freundschaftlich gestalten, wie es uns auch gegenüber unseren westlichen Partnern Gott sei Dank gelungen ist.
Wenn es eine Persönlichkeit gibt, die geradezu zum Symbol einer zukunftsgerichteten, versöhnenden Politik zwischen Deutschen und Tschechen geworden ist, dann ist dies Präsident Vaclav Havel. Beide Völker haben ihm viel zu verdanken.
Gerade weil wir so hohe Achtung vor ihm haben und - ich wiederhole es - beide Völker ihm soviel zu verdanken haben, sage ich, daß wir über manches in seiner kürzlich gehaltenen Rede in der Prager KarlsUniversität enttäuscht sind. Wir sehen natürlich in dieser Rede den ernsthaften Willen zu einer wirklich tiefgreifenden Versöhnung. Wir sehen die ausgestreckte Hand, und wir wollen diese Hand ergreifen. Das setzt aber Bereitschaft auf beiden Seiten voraus.
Ich zitiere aus der gemeinsamen Erklärung der deutschen und tschechischen Bischöfe:
Wiedergutmachtung zwischen den Menschen verschiedener Völker ist vor allem ein geistiger Vorgang. Eine Revision all dessen, was vor 50 Jahren geschah, ist kaum möglich. Nur solche Lösungen werden Bestand haben, die dem Gemeinwohl beider Staaten und Europas verpflichtet sind. Sie müssen die jeder menschlichen Gerechtigkeit gesetzten Grenzen beachten; deshalb dürfen sie nichts Unerfüllbares fordern und müssen die Folgen für alle Betroffenen bedenken.
So die gemeinsame Erklärung der deutschen und tschechischen Bischöfe.
Ich weiß, daß die große Mehrheit der Sudetendeutschen in unserem Land das heute auch so sieht.
In der Tschechischen Republik leben heute noch Opfer schweren nationalsozialistischen Unrechts, das von Deutschen begangen wurde. Wir schulden diesen Menschen Gerechtigkeit und Genugtuung. Dementsprechend wollen und werden wir auch handeln, so wie wir es in vergleichbaren anderen Fällen getan haben. Und wir wissen: Die Zeit drängt. Aber es ist eben auch anderen Unrecht geschehen. Wer heilen will, muß die ganze Wunde, nicht nur einen Teil von ihr versorgen. In der Frage des nationalsozialistischen Unrechts bemüht sich die Bundesregierung und bemühen sich der Bundeskanzler und ich mich wahrhaftig mit großem Ernst um eine Lösung, die wirklich zum Frieden, zum Ausgleich und zur Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen führt und nicht zum Gegenteil.
Präsident Havel bietet den vertriebenen Sudetendeutschen an, als Gäste willkommen zu sein. Wir würden uns wünschen, daß die tschechische Regierung noch einen Schritt weitergeht und von den „früheren Landsleuten" spricht, die, wenn sie es denn wollen, auch wieder Landsleute werden könnten. Wir haben mit großer Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen, was mein tschechischer Kollege vor wenigen Tagen dazu gesagt hat. Das ist bemerkenswert. Ein solcher Schritt wäre ein Zeichen von Größe und von wirklich europäischem Denken für die Zukunft.
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Wir wünschen uns vor allem sehr, daß sich die tschechische Seite von sich aus bemüht, auf das verletzte Rechtsgefühl vieler Sudetendeutscher einzu-
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
gehen. Dazu gehört vor allem, nicht das Gespräch zu verweigern.
Ich habe das Gefühl, das ist das Mindeste. Ich habe mich auch persönlich in vielen Gesprächen darum bemüht; es ist leider nur ansatzweise gelungen. Ich bitte die tschechische Seite, mindestens das Gespräch nicht zu verweigern.
Unabhängig von der rechtlichen Würdigung der Beneš-Dekrete: Ein klares Wort der Distanzierung von der kollektiven Schuldzuweisung und zu dem fragwürdigen Charakter damaliger Amnestieregelungen wäre ebenfalls eine wichtige Geste. Ich will ganz offen sagen, daß uns das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts zur Rechtsgültigkeit des Beneš-Dekrets Nr. 108 betroffen macht. Gewiß, wir haben das Urteil eines unabhängigen Gerichts zu respektieren. Wir appellieren jedoch an die tschechische Regierung, aus diesem Urteil keinen neuen Unfrieden entstehen zu lassen.
Meine Damen und Herren, Präsident Havel fordert, die Zeit der Monologe durch einen „wahren Dialog" zu ersetzen. Genau darum geht es auch uns. Wir sollten uns, so finde ich, gegenseitig beim Wort nehmen, um die noch offenen Fragen in unserem Verhältnis bald zu lösen, im Interesse der Bürger in beiden Ländern, im Interesse unserer beiden Völker und im Interesse Europas.
Vielen Dank.
Bevor ich die Aussprache eröffne, gebe ich das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Michaele Hustedt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema Internationaler Klimaschutz vor dem Klimagipfel in Berlin auf der Drucksache 13/831 bekannt: Abgegebene Stimmen 647. Mit Ja haben gestimmt 267; mit Nein haben gestimmt 373. Enthaltungen 7. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 646; davon:
ja: 266
nein: 374
enthalten: 6
Ja
CDU/CSU
Wolfgang Krause SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Robert Antretter
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr Doris Barnett Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt
Hans Berger Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher Rudolf Bindig
Lilo Blunck
Dr. Ulrich Böhme Arne Börnsen (Ritterhude) Anni Brandt-Elsweier
Tilo Braune
Dr. Walter Brecht
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Hans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi
Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann
Karl Diller
Dr. Marliese Dobberthien Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Freimut Duve Ludwig Eich Peter Enders Gernot Erler Annette Faße Elke Ferner
Lothar Fischer Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Dagmar Freitag
Anke Fuchs
Katrin Fuchs
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Norbert Gansel
Konrad Gilges
Iris Gleicke Günter Gloser
Günter Graf Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck
Achim Großmann Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Klaus Hasenfratz
Dr. Ingomar Hauchler
Dieter Heistermann
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter
Erwin Horn
Eike Maria Anna Hovermann
Lothar Ibrügger Wolfgang Ilte Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung Sabine Kaspereit Susanne Kastner
Ernst Kastning Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose
Dr. Hans-Hinrich Knaape Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Konrad Kunick Christine Kurzhals Dr. Uwe Küster Brigitte Lange Detlev von Larcher Waltraud Lehn Robert Leidinger Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard Klaus Lohmann Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß Winfried Mante Dorle Marx
Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel
Ulrike Mehl
Herbert Meißner Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Kurt Neumann (Berlin) Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese Doris Odendahl
Günter Oesinghaus Leyla Onur
Manfred Opel Adolf Ostertag Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein
Dr. Eckhart Pick Joachim Poß
Rudolf Purps
Karin Rehbock-Zureich
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Margot von Renesse Renate Rennebach Otto Reschke
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter Günter Rixe
Reinhold Robbe
Gerhard Rübenkönig Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Dieter Schanz
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild
Otto Schily
Günter Schluckebier Horst Schmidbauer
Ursula Schmidt Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt Walter Schöler
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann
Brigitte Schulte Reinhard Schultz (Everswinkel)
Volkmar Schultz Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Lisa Seuster
Horst Sielaff
Erika Simm
Johannes Singer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge
Wolfgang Spanier Dr. Dietrich Sperling Jörg-Otto Spiller
Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Dr. Bodo Teichmann Margitta Terborg
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Günter Verheugen
Ute Vogt Josef Vosen
Hans Georg Wagner Hans Wallow
Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Jochen Welt
Hildegard Wester Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz
Berthold Wittich
Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf
Heide Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley
PDS
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Ruth Fuchs Dr. Gregor Gysi
Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara Höll
Dr. Willibald Jacob Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Andrea Lederer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth
Dr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Winfried Wolf
Gerhard Zwerenz
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Anneliese Augustin Jürgen Augustinowitz Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter Basten
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank
Dr. Heribert Blens Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Rudolf Braun Paul Breuer
Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Klaus Bühler Dankward Buwitt
Manfred Carstens Peter H. Carstensen
Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert Deß
Renate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjörgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst Eylmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser Jochen Feilcke
Dr. Karl H. Fell Ulf Fink
Dirk Fischer Leni Fischer (Unna)
Klaus Francke Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler Michael Glos
Wilma Glücklich
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer Joachim Gres
Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred Grund
Horst Günther Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt Rainer Haungs
Otto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig Ernst Hinsken Peter Hintze
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster
Hubert Hüppe Peter Jacoby
Susanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst
Dr.-Ing. Rainer Jork Michael Jung Ulrich Junghanns
Dr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Manfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker Kauder
Peter Keller
Eckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Hans Klein
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl Hans-Ulrich Köhler
Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Rudolf Kraus
Andreas Krautscheid Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner Krziskewitz
Dr. Hermann Kues Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert Helmut Lamp
Armin Laschet
Herbert Lattmann Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann Werner Lensing Christian Lenzer Peter Letzgus
Editha Limbach Walter Link Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun Löwisch Heinrich Lummer Dr. Michael Luther
Erich Maaß Dr. Dietrich Mahlo
Claire Marienfeld Erwin Marschewski Günter Marten
Dr. Martin Mayer
Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz
Rudolf Meyer
Hans Michelbach Meinolf Michels Elmar Müller
Dr. Gerd Müller Engelbert Nelle Bernd Neumann
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Johannes Nitsch Claudia Nolte Dr. Rolf Olderog Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto
Dr. Gerhard Päselt Dr. Peter Paziorek Hans-Wilhelm Pesch
Ulrich Petzold Anton Pfeifer Angelika Pfeiffer Dr. Gero Pfennig
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Dr. Winfried Pinger Ronald Pofalla
Dr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff
Dr. Albert Probst Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer Rolf Rau
Helmut Rauber Peter Harald Rauen
Otto Regenspurger
Christa Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold Reinartz
Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik
Roland Richter Roland Richwien Dr. Norbert Rieder
Dr. Erich Riedl Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith Adolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe
Dr. Jürgen Rüttgers
Roland Sauer Ortrun Schätzle
Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte
Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Ulrich Schmalz Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr
von Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Dr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederik Schulze Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer
Wilfried Seibel Heinz-Georg Seiffert
Rudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen Sikora
Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr
von Stetten
Dr. Gerhard Stoltenberg Andreas Storm
Max Straubinger Michael Stübgen Egon Susset
Dr. Rita Süssmuth Michael Teiser
Dr. Susanne Tiemann
Dr. Klaus Töpfer Gottfried Tröger
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst Waffenschmidt
Dr. Theodor Waigel
Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen Warnke
Kersten Wetzel
Hans-Otto Wilhelm Gert Willner
Bernd Wilz
Willy Wimmer Matthias Wissmann
Simon Georg Wittmann
Dagmar Wöhrl Michael Wonneberger
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Elisabeth Altmann
Gila Altmann Marieluise Beck (Bremen) Angelika Beer
Matthias Berninger
Annelie Buntenbach
Amke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau Kristin Heyne
Ulrike Höfken-Deipenbrock Michaele Hustedt
Dr. Manuel Kiper Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke
Vera Lengsfeld Dr. Helmut Lippelt Oswald Metzger
Kerstin Müller Winfried Nachtwei Cern Özdemir
Gerd Poppe
Dr. Jürgen Rochlitz
Christine Scheel Rezzo Schlauch
Albert Schmidt Wolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe
Werner Schulz Rainder Steenblock
Marina Steindor Christian Sterzing Manfred Such Ludger Volmer
Helmut Wilhelm Margareta Wolf-Mayer
F.D.P.
Ina Albowitz
Dr. Gisela Babel Günther Bredehorn
Jörg van Essen Gisela Frick
Paul K. Friedhoff Horst Friedrich Rainer Funke
Hans-Dietrich Genscher Joachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Burkhard Hirsch Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Detlef Kleinert Roland Kohn
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Heinz Lanfermann
Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe Lühr
Jürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer Ortleb
Lisa Peters
Dr. Günter Rexrodt Dr. Klaus Röhl
Helmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Sohns
Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Weng
PDS
Ulla Jelpke
Enthalten
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Volker Beck
Christa Nickels
Simone Probst
Halo Saibold
Irmingard Schewe-Gerigk
F.D.P.
Dr. Olaf Feldmann
Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Günter Verheugen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesaußenminister hat soeben in seiner Regierungserklärung ein insgesamt positives Bild der deutsch-tschechischen Beziehungen gezeichnet. Herr Kinkel, ich kann dieser Beschreibung nicht folgen, ich kann diese Auffassung nicht teilen. Ihre Regierungserklärung war beschönigend, verharmlosend und vertuschend;
denn in Wahrheit befinden sich die deutsch-tschechischen Beziehungen in einer Krise, in einer Blockade.
Günter Verheugen
Diese Blockade haben Sie, hat die Bundesregierung zu verantworten.
Der tschechische Präsident hat am 17. Februar vor der Karls-Universität in Prag jene denkwürdige und bedenkenswerte Rede gehalten, die letztlich auch der Anlaß zu dieser Debatte heute ist. Sie richtete sich in erster Linie an seine Landsleute. Sie mußte aber uns aufhorchen lassen. Havels Ausführungen waren geprägt von Beunruhigung und leider sogar von Resignation über den derzeitigen Stand des deutsch-tschechischen Verhältnisses.
Dennoch ist es keine resignative Rede gewesen; denn gleichzeitig rief er dazu auf, die Stagnation in den bilateralen Beziehungen zu überwinden, die Angebote zu einem zukunftsorientierten Dialog aufzunehmen. Wenn also der Präsident unseres Nachbarlandes von Stagnation redet, wenn er dazu auffordert, den Dialog endlich aufzunehmen, dann ist mir nicht verständlich, wie unser Außenminister hier so tun kann, als gäbe es diese Probleme nicht. Präsident Havel hat sich in seiner Rede ausdrücklich zu seinem Glauben an ein demokratisches, liberales, europäisches Deutschland bekannt, das sich der Bedeutung des deutsch-tschechischen Verhältnisses bewußt ist und sich der Aufforderung zur konstruktiven Zusammenarbeit nicht entziehen wird.
Wir teilen die Sorge Havels über die Tristesse in den deutsch-tschechischen Beziehungen, wir teilen aber auch seine Hoffnungen. Diese Sorgen und Hoffnungen liegen unserem Antrag zugrunde. Sie sind Inhalt der heutigen Debatte, Inhalt unserer Forderungen an die Bundesregierung zur grundlegenden Verbesserung unserer Beziehungen zur Tschechischen Republik.
Meine Kritik richtet sich in erster Linie an die Bundesregierung. Sie hat die Bedeutung des deutschtschechischen Verhältnisses nicht erfaßt.
Sie hat es versäumt, die herrschende Sprachlosigkeit zu überwinden. Sie haben es aus kleinlichen innenpolitischen Gründen zugelassen, daß die bilateralen Beziehungen verludert sind.
Und am Schlimmsten: Sie haben sich bisher nicht einmal bereit gefunden, sich zu der dringend notwendigen Geste gegenüber den tschechischen NaziOpfern aufzuraffen. Heute, Herr Kinkel, haben Sie nun gesagt: „Die Zeit eilt." Ja, die Zeit eilt wirklich. Dann handeln Sie doch endlich, machen Sie ein Angebot!
Ihr tschechischer Kollege hat heute einen Vorschlag unterbreitet, der sich auch in dem Antrag meiner Fraktion wiederfindet, nämlich die Gründung einer Stiftung, aus der neben zukunftsbezogenen Projekten zur Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen auch die tschechischen Nazi-Opfer mit einer Geste - mehr als eine Geste wird es ja nicht sein können - entschädigt werden können. Wenn wir das aber nicht endlich umsetzen, dann ist alles Reden über die deutsch-tschechischen Beziehungen unnütz, weil uns niemand glauben wird, daß wir es ernst meinen.
Die Bundesregierung hat mit der Herstellung eines Junktims zwischen der Entschädigung tschechischer NS-Opfer und dem tschechischen Entgegenkommen in der Frage der Sudetendeutschen viel Unheil angerichtet.
Und auch Ihre Regierungserklärung, Herr Kinkel, war in dieser Frage wieder genauso ambivalent wie alles, was die Regierung in den letzten Jahren in dieser Frage getan hat.
Sie reden von der ausgestreckten Hand, die Sie ergreifen wollen, und sagen dann, das setze Bereitschaft auf beiden Seiten voraus. Lieber Herr Kinkel, entweder ist die Hand ausgestreckt - dann ist die Bereitschaft da -, oder sie ist nicht ausgestreckt. Was Sie gesagt haben, ist auch logisch - verzeihen Sie bitte - einfach Unsinn.
Ergreifen Sie die Hand!
Der Bundeskanzler hat ja irgendwann einmal gesagt, diese Angelegenheit sei Chefsache. Das heißt nach aller Erfahrung: Sie bleibt liegen. Das deutschtschechische Verhältnis ist von überragender Bedeutung. Daran möchte ich sowohl den Bundeskanzler, der Historiker ist,
als auch den Bundesaußenminister, der Jurist ist, erinnern. Denn der verheerende Stand dieser Beziehungen ist beiden anzulasten. Ich brauche hier nicht zu erklären -
- weil das Haus ganz gewiß genug Geschichtsbewußtsein hat, um die Bedeutung der tausendjährigen gemeinsamen Geschichte unserer beider Völker anzuerkennen, um zu ermessen, was die gemeinsame Grenze und die enge Nachbarschaft, die wir heute haben, bedeutet, und um zu ermessen, welche große Aufgabe die Gestaltung unserer Beziehungen als gemeinsame europäische Perspektive ist.
Günter Verheugen
Das Verhältnis zwischen unseren beiden Völkern ist nicht nur ein Problem der Tschechen und der Deutschen, es ist ein zentrales Problem des europäischen Friedens und der europäischen Zukunft.
Meine Damen und Herren, für die positive Weiterentwicklung der deutsch-tschechischen, aber auch der deutsch-slowakischen Beziehungen bietet der bilaterale Vertrag vom Februar 1992 eine hervorragende Grundlage. In der Präambel dieses Vertrags sind die Verbrechen und das Leid erwähnt, die wechselseitig beiden Völkern angetan worden sind. Aber die Möglichkeiten, die dieser Vertrag bietet, sind bisher keineswegs ausgeschöpft worden.
Wir haben dem Vertrag seinerzeit im Bundestag zugestimmt, ihn sogar als einen besonders guten Vertrag gelobt. Das ist er auch. Deshalb will ich Ihnen nicht verschweigen, daß ich geradezu erbittert bin, wenn ich sehe, daß die Bundesregierung diesen Vertrag offenbar als einen unwichtigen Fetzen Papier ansieht, von Verantwortung in der Welt schwadroniert und schon beim Nachbarn diese Verantwortung vergißt. Ich finde das jämmerlich.
Heute sprechen wir über das deutsch-tschechische Verhältnis. Mit den deutsch-slowakischen Beziehungen werden wir uns gesondert beschäftigen müssen. Ich plädiere nachdrücklich für eine Intensivierung des deutsch-tschechischen Dialogs auf allen Ebenen, um die Sprachlosigkeit zu überwinden, Mißverständnisse zu vermeiden und gemeinsame, nach vorn gewandte Lösungen zu finden. Dieser Dialog darf nicht als Exklusivveranstaltung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen verstanden werden, er muß aber die Sudetendeutschen einschließen.
Bei der Revitalisierung des bilateralen Vertrages sollten Jugendaustausch, Sprachkompetenz durch die Gründung bilingualer Schulen und grenzüberschreitende Euro-Regionen zu besonderen Schwerpunkten gemacht werden.
Ich bitte Sie noch einmal dringlich, der Regierung der Tschechischen Republik das Angebot einer gemeinsamen Stiftung zu unterbreiten, die zukunftsgerichtet zur Verbesserung unserer Beziehung tätig wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das künftige Europa kann nicht auf Begriffen von Kollektivschuld und Kollektivverurteilung aufgebaut werden. Präsident Havel gebührt das Verdienst, das Unrecht der Vertreibung der Sudetendeutschen beim Namen genannt zu haben. Wir kommen in Europa nur weiter, wenn wir Unrecht auch als Unrecht benennen. Eine Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat ist moralisch nicht zu rechtfertigen und juristisch nicht zu legitimieren.
Das Prinzip gilt auch, wenn, wie im Fall der BenesDekrete, ein noch größeres Unrecht durch den Angriff Hitler-Deutschlands auf die Tschechoslowakei vorangegangen war. Es geht in dieser prinzipiellen Frage nicht allein um die Sudetendeutschen, die vor einem halben Jahrhundert vertrieben wurden. Es geht auch um das Schicksal von Millionen von Menschen in Europa, die heute vertrieben werden oder morgen vertrieben werden könnten.
Wir bedauern deshalb die Tatsache, daß sich das tschechische Verfassungsgericht nicht dazu durchringen konnte, die entsprechenden Artikel der Beneš-Dekrete, die heute noch in Kraft sind, für Unrecht zu erklären. An dieser Stelle haben auch wir Bitten an die tschechische Regierung und an das tschechische Parlament.
Zu bedauern aber bleibt, daß auf den ersten mutigen Schritt zur Aussöhnung durch Vaclav Havel, der, wie wir alle wissen, mit seiner kritischen Haltung zur Vertreibung allein oder ziemlich allein stand, keine adäquate deutsche Reaktion erfolgt ist.
Die Anerkennung der deutschen Verbrechen am tschechischen Volk durch den nationalsozialistischen Überfall und die Besetzung der Tschechoslowakei hat eben nicht zu einem Verzicht von Teilen der Sudetendeutschen auf ihre Rückgabeforderung geführt. Ein Teil dieser Landsmannschaft blockiert immer noch eine nach vorne gewandte, auf Aussöhnung gerichtete Politik mit Forderungen nach materieller Entschädigung.
Diese lauthals erhobenen Ansprüche, die, wie auch die Sudetendeutschen wissen, keinerlei Aussicht auf Realisierung haben, führen zu Angst und Unsicherheit in den betroffenen Gebieten der Tschechischen Republik und stärken die Versöhnungsunwilligen auf beiden Seiten.
Die Bundesregierung weiß ganz genau, daß der tschechische Staat auseinanderbrechen würde, wollte er anfangen, eine solche Entscheidung in Aussicht zu stellen. An einem solchen Auseinanderbrechen kann niemandem bei uns gelegen sein.
Wir sollten jeden Eindruck vermeiden, als gäbe es in unserer Einschätzung der Beziehungen zum tschechischen Volk eine kleinkrämerische Aufrechnungsmentalität. Darum ist es unerläßlich, daß sich die Bundesregierung endlich dazu aufrafft, die Geste zur Entschädigung der wenigen überlebenden tschechischen NS-Opfer zu machen. Sie darf nicht auf Druck von sudetendeutschen Scharfmachern das Junktim zwischen der Entschädigung von NS-Opfern und Vertriebenen akzeptieren.
Denn auf diese perfide Weise spielen sich die Versöhnungsunwilligen auf beiden Seiten gegenseitig in die Hände. Es sollte auf gar keinen Fall durch Zeitablauf der Eindruck erweckt werden, daß man viel-
Günter Verheugen
leicht gar auf eine biologische Lösung dieses Problems hofft. Je länger wir mit der Lösung dieser Frage warten, desto größer wird die Schande für unsere Politik und für unser Land.
Meine Damen und Herren, wir fordern die Bundesregierung auf, ohne Vorbedingungen die Entschädigungen der Betroffenen entsprechend den Entschädigungsregelungen für Polen, Rußland und andere Länder durchzuführen. Gleichzeitig appellieren wir an das tschechische Parlament, mit einer symbolischen Geste Hilfen für die enteigneten, noch in der tschechischen Republik verbliebenen Deutschen zu ermöglichen.
Die Angebote Havels, beispielsweise was das Recht auf Rückkehr in die Tschechoslowakei angeht, sind bisher nicht ausführlich gewürdigt worden. Herr Kinkel hat heute in seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen. Wir treten für Ehrlichkeit ein. Wir sagen, jeder Sudetendeutsche sollte, wenn er dies wünscht, in seine Heimat zurückkehren dürfen. Aber er muß wissen, daß das eine Rückkehr in die Tschechische Republik ist, die, wie wir hoffen, bald ein vollgültiges Mitglied der Europäischen Union sein wird.
Ich habe am Anfang von Sorge und Hoffnung gesprochen, was die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und Völkern angeht. Ich glaube, daß die Hoffnung obsiegt. Ich habe guten Grund, daran zu glauben, weil es doch gerade unter den Sudetendeutschen Vertriebene gibt, die sich seit Jahrzehnten um die Verständigung und Aussöhnung unserer Völker bemühen.
Ich möchte hier beispielhaft die verdienstvolle Arbeit der sozialdemokratischen Seliger-Gemeinde nennen. Die deutschen Sozialdemokraten, die für den tschechischen Staat eintraten, gehörten nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei zu den ersten Opfern der Nazis. 30 000 von ihnen sind in deutschen Konzentrationslagern umgekommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist großartig, daß viele Nachkommen unserer ehemaligen Mitbürger deutscher Nationalität sich heutzutage selbstlos und geduldig für die Versöhnung zwischen unseren beiden Völkern einsetzen.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Verpflichtung, die für uns alle gilt.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Koschyk.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sein Wunsch sei es, so Johann Wolfgang von Goethe in einem Brief an Grüner aus dem Jahr 1826, „immer in inniger Verbindung mit dem lieben Böhmen zu bleiben". Viele in unserem Land wissen nicht, daß Goethe zu keinem anderen Land und zu keinem anderen Nachbarn der Deutschen ein solch nahes Verhältnis gehabt hat wie zu Böhmen und daß gerade Goethe von Anfang an den tschechischen nationalen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts positiv gegenüberstand, zu den führenden Männern der tschechischen nationalen Wiedergeburt in einer regen Verbindung stand, sich öffentlich für die Entwicklung der tschechischen Nationalkultur einsetzte und stolz auf seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft des Vaterländischen Museums in Böhmen war.
Die Rede des tschechischen Präsidenten Vaclav Havel vom 15. Februar 1995 in der Prager Karls-Universität, aber auch und gerade das gemeinsame Wort der tschechischen und der deutschen Bischöfe aus Anlaß des 50jährigen Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Beziehungen zu unseren tschechischen Nachbarn wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Deshalb begrüßen wir, daß die Bundesregierung heute in Form einer Regierungserklärung zur Bedeutung der deutsch-tschechischen Beziehungen Stellung genommen hat.
Ich finde, Herr Verheugen, Ihre Rede war der Bedeutung des Themas, aber auch den Ausführungen des Bundesaußenministers in keiner Weise angemessen.
Wir danken Ihnen jedenfalls, Herr Bundesaußenminister, für diese Regierungserklärung. Unsere Fraktion findet sich Wort für Wort in ihr wieder.
Die Rede des tschechischen Präsidenten in der Prager Karls-Universität hat ein lebhaftes Echo ausgelöst. Sie wird bis heute diskutiert. Wir begrüßen die Rede des tschechischen Präsidenten. Unsere Fraktion war durch unseren außenpolitischen Sprecher Karl Lamers beim Festakt in der Prager KarlsUniversität vor Ort vertreten. Für uns ist die Rede des tschechischen Präsidenten bedeutend und richtungsweisend für das deutsch-tschechische Verhältnis. Sie paßt in keine Schublade.
Die dort zum Ausdruck kommenden tiefgreifenden Gedanken des tschechischen Präsidenten verdienen eine differenzierte Betrachtung. Es ist unverkennbar, daß sich der tschechische Präsident natürlich an uns Deutsche, aber, ich glaube, in weiten Teilen seiner Rede auch und vielleicht in erster Linie an seine tschechischen Landsleute richtet.
Für uns steht folgender Appell aus der Rede des tschechischen Präsidenten im Mittelpunkt - ich zitiere -
Hartmut Koschyk
So wie die Zeit der Entschuldigungen und der Aufstellung von Rechnungen für die Vergangenheit enden und die Zeit einer sachlichen Debatte über sie beginnen sollte, muß auch die Zeit der Monologe und einsamer Aufrufe enden und durch eine Zeit des Dialogs ersetzt werden.
Wir wollen diesen Appell aufgreifen und den deutsch-tschechischen Dialog erweitern und vertiefen. Das schließt aber auch nicht aus, daß wir kritische Fragen an den tschechischen Präsidenten selbst richten, beispielsweise was den Teil seiner Rede anbelangt, in dem er sich generell gegen eine Aufhebung der nach dem Krieg verhängten sogenannten Beneš-Dekrete gewandt hat.
Lieber Herr Verheugen, Sie haben am Schluß Ihrer Rede die Seliger-Gemeinde, die Gemeinschaft sozialdemokratischer Sudetendeutscher, zitiert. Sie hätten den Kolleginnen und Kollegen hier vielleicht auch einmal deutlich machen sollen, daß es gerade der verdienstvolle Vorsitzende der Seliger-Gemeinde, Ihr Parteifreund Volkmar Gabert, ist, der einige kritische Fragen an die Rede des tschechischen Präsidenten angemeldet hal und der vor allem deutlich gemacht hat, daß es ihm und der Mehrheit der Sudetendeutschen bei der Frage der Beneš-Dekrete nicht um eine Verknüpfung mit Eigentums- und Vermögensfragen geht, sondern daß es um eine politisch-moralische Rehabilitierung und um das verletzte Rechtsgefühl der Sudetendeutschen geht. Ich finde, es ist auch im Hinblick auf die sudetendeutsche Seliger-Gemeinde der Sozialdemokraten nicht richtig, wenn Sie dieses differenzierte Herangehen an die Rede Havels nicht deutlich machen.
In diesem Zusammenhang - darauf hat der Bundesaußenminister hingewiesen - muß auch das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts sehr kritisch gesehen werden. Wir stimmen dem SPD-Antrag in diesem Punkt zu. Wir bedauern es wie Sie, daß das tschechische Verfassungsgericht die Beneš-Dekrete für rechtmäßig erklärt hat. Wir stimmen dem Satz Ihrer Erklärung zu,
daß jegliche Vertreibung von Menschen aus Ihrer Heimat moralisch nicht gerechtfertigt werden kann, auch wenn wie im Falle der Beneš-Dekrete ein noch größeres Unrecht durch den Angriff Hitler-Deutschlands auf die Tschechoslowakei vorausgegangen war.
Der von Präsident Havel geforderte Dialog darf niemanden ausschließen, vor allem nicht diejenigen Gruppen in beiden Völkern, die unter der jüngsten Vergangenheit besonders gelitten haben. Über ihre Köpfe hinweg kann es keine Aussöhnung und keine Verständigung geben. Es sind dies auf tschechischer Seite diejenigen Menschen, denen unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft bitteres Unrecht geschehen ist. Es sind dies auf deutscher Seite
die Sudetendeutschen. Wir müssen beide Gruppen in den Dialog und in das Bemühen um einen Fortschritt unserer Beziehungen und um einen wirklichen Ausgleich intensiv einbeziehen.
Deshalb begrüßen wir es außerordentlich, daß gerade auch die Sozialdemokraten für direkte Gespräche zwischen den Repräsentanten der in Deutschland lebenden Sudetendeutschen und der tschechischen Seite eintreten. So jedenfalls haben sich der SPD-Vorsitzende Scharping bei seinem Besuch im April des vergangenen Jahres in Prag und auch der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende und heutige Vizepräsident des Bundestages Klose im März des vergangenen Jahres in einem Brief an eine sudetendeutsche Organisation geäußert. Herr Klose hat sich dabei auch für die Einbeziehung von Eigentumsfragen in derartige Gespräche ausgesprochen.
Wir begrüßen dies. Wir verstehen dann allerdings nicht, daß Herr Rau, der jetzt ebenfalls in Prag gewesen ist, meinte, dem tschechischen Präsidenten sagen zu müssen, die Frage der Sudetendeutschen sei in der deutschen Politik nur ein bayerisches Problem.
Das ist diesem Thema nicht angemessen. Bayern ist das Schirmland der Sudetendeutschen. Bayern hat intensive jahrhundertelange traditionelle Beziehungen zu Böhmen. Sie sollten nicht auf der einen Seite selbst so tun, als seien Sie ein Förderer direkter sudetendeutsch-tschechischer Gespräche, und dann das Ganze in Prag als ein bayerisches Anliegen abstempeln. Das wird der Bedeutung dieser Frage nicht gerecht.
Gerade direkte Gespräche - darüber sollten wir uns doch einig sein - werden es schaffen, auch Mißverständnisse auszuräumen. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, sudetendeutsche Positionsbeschreibungen der letzten Jahre durchzusehen, z. B. des Sudetendeutschen Rates, dem auch Vertreter der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD angehören. Weil Herr Horacek nicht mehr hier im Parlament ist, ist zur Zeit leider kein Vertreter der GRÜNEN da.
Als Herr Horacek noch Mitglied des Bundestages war - ich begrüße ihn hier oben auf der Tribüne -, hat er sich übrigens auch für Ihre Fraktion - und das hat Ihnen gutgetan; da haben Sie zur Zeit ein Defizit - um die Einbeziehung der sudetendeutschen Problematik in diese Gespräche bemüht; denn er versteht etwas mehr von der Problematik, als in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommt.
Wenn man sich z. B. die Entschließungen des Sudetendeutschen Rates ansieht, dann wird man erkennen, daß da Eigentums- und Vermögensthemen in
Hartmut Koschyk
keiner Weise im Vordergrund stehen, sondern daß die Sudetendeutschen in diesen Erklärungen immer wieder betont haben: Wir wollen am Schluß Lösungen, denen beide Seiten zustimmen können.
Ich will auch hier ein Zitat aus einer Entschließung des Sudetendeutschen Rates vom April des vergangenen Jahres vortragen. Dort heißt es:
Gerade wegen der vielen Mißverständnisse verweisen wir noch einmal darauf, daß der Sudetendeutsche Rat schon vor langer Zeit erklärt hat, daß sich für ihn die Grenzfrage nicht stellt. Das heißt, daß bei allen Gesprächen davon ausgegangen werden muß, daß alle diskutierten Lösungsmodelle innerhalb der Tschechischen Republik überlegt werden müssen.
Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung für diesen Dialog. Der Sudetendeutsche Rat hat auch vorgeschlagen, daß man jetzt mit Gesprächen zwischen dieser Organisation und den demokratischen Parteien auf tschechischer Seite beginnen sollte. Wir sollten uns bemühen, diesen Dialog zu fordern und zu unterstützen. Wir könnten ihn auch, wenn es gewünscht wird, parlamentarisch politisch begleiten. Vielleicht könnte auch gerade eine parlamentarischpoltitische Ebene geeignet sein, den Weg für in die Zukunft gerichtete Lösungen der noch offenen Fragen zu bereiten.
Herr Verheugen, auch hier muß man sagen: Jetzt auf einmal machen Sie sich die Idee der Stiftungslösung zu eigen. Wissen Sie denn, da Sie jetzt so tun, als würde jetzt erstmals über eine solche Lösung nachgedacht, daß gerade eine solche bilaterale Stiftungslösung seit langem im Gespräch ist und daß es die tschechische Seite gewesen ist, die in diesen Verhandlungen wieder von dem Modell einer solchen Stiftungslösung abgerückt ist? Wenn die tschechische Seite jetzt in dieser Frage wieder bereit ist, über ein solches Modell nachzudenken, dann sollten wir dies aufgreifen.
Ich glaube, was diese ungelösten Eigentums-, Vermögens-, aber auch die berechtigten Entschädigungsfragen anbelangt, so war es wichtig, daß der Bundesaußenminister hier an das gemeinsame Wort der deutschen und der tschechischen Bischöfe erinnert hat.
Ich wiederhole noch einmal ein paar Sätze:
Wiedergutmachung zwischen den Menschen verschiedener Völker ist vor allem ein geistiger Vorgang. Eine Revision all dessen, was vor 50 Jahren geschah, ist kaum möglich. Wiedergutmachung zwischen Tschechen und Deutschen ist daher in erster Linie die Bereitschaft, sich innerlich von alter nationaler Feindschaft abzuwenden und zu helfen, daß Verletzungen geheilt werden, die anderen aus solcher Feindschaft zugefügt worden sind.
Entscheidend ist das Wort:
Dabei müssen die berechtigten Anliegen aller beteiligten Seiten Gehör finden. Nur solche Lösungen werden Bestand haben, die dem Gemeinwohl beider Staaten und Europas verpflichtet sind.
Auf diesem Weg sollten wir versuchen, für die offenen Fragen eine gemeinsame Basis zu finden.
Wir dienen den deutsch-tschechischen Beziehungen am besten, wenn wir hier, im Deutschen Bundestag, nicht den Eindruck erwecken: Es gibt diejenigen, die die deutsch-tschechischen Beziehungen fördern wollen; es gibt diejenigen, denen die deutschtschechischen Beziehungen ein Herzensanliegen sind; es sind die bösen Deutschen, die dies blockieren. Das ist das Bild, das Sie hier zu zeichnen versuchen, das aber diesem Thema nicht angemessen ist. Wir alle sollten uns bemühen, und zwar miteinander, daß der notwendige Dialog zustande kommt.
Sie selber als Sozialdemokraten haben im vergangenen Jahr eine interfraktionelle Kleine Anfrage nach dem Stand der deutsch-tschechischen Beziehungen mitunterzeichnet. Die Antwort auf diese Kleine Anfrage macht deutlich - darauf hat der Außenminister verwiesen -, wie viel sich in den letzten Jahren entwickelt hat.
Sie, Herr Verheugen, sollten hier nicht sagen, daß diese Bundesregierung und wir alle gemeinsam die Verpflichtungen aus dem deutschtschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag nicht ernstgenommen und ihn nur als einen Fetzen Papier angesehen haben. Es war diese Bundesregierung, die, wie keine andere Regierung in Europa, mit der Heranführung unserer mittelosteuropäischen Nachbarn und auch der Tschechen an die Europäische Union Ernst gemacht hat.
Sie wissen doch, wie man in anderen westeuropäischen Staaten darüber denkt.
Ohne den Bundeskanzler und den Bundesaußenminister hätte es beim Essener Gipfel die Einladung der Regierungschefs der mittelosteuropäischen Staaten und auch die Einladung von Vaclav Havel nicht gegeben. Sie wissen das. Tun Sie jetzt nicht so, als bräuchten wir Nachhilfe, wie wir unsere Verpflichtung gerade gegenüber der tschechischen Seite ernst zu nehmen haben!
Auch und gerade im sicherheitspolitischen Bereich möchten wir dem Bundesverteidigungsminister für seine Bemühungen um die Heranführung unserer tschechischen Nachbarn an die Sicherheitsstrukturen der nordatlantischen Gemeinschaft danken. Dieses erste gemeinsame deutsch-tschechische Manöver hat eine große Symbolhaftigkeit für diesen berechtigten sicherheitspolitischen Wunsch der Tschechen.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch einmal aus dem gemeinsamen Wort der Bischöfe zitieren:
Versöhnung ist nicht nur eine Aufgabe zwischen Sudetendeutschen und Tschechen und zwischen den Menschen in der Grenzregion. Deutsche und Tschechen sind in ihrer Gesamtheit dazu aufgerufen, in einem zusammenwachsenden Europa ein Beispiel gelingender Verständigung zu ge-
Hartmut Koschyk
ben. Das Wissen voneinander muß in der Breite unserer beiden Gesellschaften noch vielfältig vertieft und bereichert werden, damit gemeinsam mit unseren Nachbarn in Europa der Weg zu einer wirklichen Einheit unseres Kontinents fortgesetzt werden kann.
Das Wort hat die Kollegin Antje Vollmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt keine Erbfeindschaften, so wie es keine Erbsünde gibt. Es gibt auch keine Kollektivschuld, sondern nur individuelle Verantwortung. Allerdings war dieses Jahrhundert, das zu Ende geht, in der Erzeugung von Feindschaften, Schuld, gigantischen Verbrechen - besonders durch die Deutschen - sehr produktiv. Damit haben die Völker zu tun.
Daß sie damit ewig zu tun haben müssen, ist nicht wahr. Das sind alles nur Mythen. Erbfeindschaften sind in friedliches Nebeneinander verwandelbar, wenn man sich darum kümmert. Das zeigen die deutschfranzösischen Beziehungen und die Freundschaft der Deutschen mit ihren Nachbarn im Westen.
Natürlich braucht es seine Zeit, bis Völker, die sich gegenseitig großes Unrecht zugefügt haben, wieder in Frieden miteinander leben können. Es braucht aber vor allem eines, nämlich eine Politik, die sich um Verständigung, Freundschaft, gute Nachbarschaft und, wenn es geht, um Versöhnung bemüht.
50 Jahre nach Kriegsende, Herr Kinkel, ist das die Hauptaufgabe deutscher Außenpolitik.
Jahrhundertelang war das Verhältnis zwischen den Deutschen und den Tschechen enger und inniger als mit vielen anderen unserer Nachbarn. Wenn diese gemeinsame Geschichte nicht wieder ins gute Lot geraten will, so hat das mit den Versäumnissen in der Gegenwartspolitik zu tun, nicht nur mit der Schuld in der Vergangenheit. Darum geht es heute: um das Ankommen in der Gegenwart und um Perspektiven für die Zukunft. Darauf bezogen, Herr Kinkel, war Ihre Rede für mich eine vertane große Chance.
Vaclav Havel hat in seiner großen Rede gesagt: Wir müssen die Vergangenheit kennen, auch ihre Schuld. Aber wir können nicht immer in den Nervenkostümen und Gedankenwelten unserer Vorfahren leben.
Sonst würden wir auf Dauer den Gesetzen der Rache und des Aufrechnens unterliegen, bis immer wieder neue Enkel anderen Enkeln das Unrecht aufrechnen müssen, das ihren Großvätern von deren Großvätern getan worden ist.
Viel ist davon die Rede, Havel habe sich durch seine letzte Rede mit seinem Volk versöhnt. Ein komischer Vorwurf! Havel mußte sich nicht mit seinem Volk versöhnen. Er brachte nur den Mut auf und ging - und zwar schon vor fünf Jahren - das Wagnis ein, sich bei den Sudetendeutschen für deren Vertreibung zu entschuldigen, ohne damals zugleich oder zuvor, wie das sonst bei Profis üblich ist, alle Ansprüche der Sudetendeutschen zu verneinen. Als aber keine inhaltlichen Antworten kamen, sondern nur diese materiellen Ansprüche hat er diese Ansprüche der Sudetendeutschen, und zwar zu Recht, zurückgewiesen.
Er hat also nichts anderes getan, als den sonst üblichen zweiten Schritt vor dem ersten zu tun.
Denen, die damals nicht reagiert haben, aber jetzt in seiner Rede moralischen Verrat wittern, sei gesagt: Wäre denn ein solches Dialogangebot eines Präsidenten denkbar, wäre es überhaupt erfolgversprechend, wenn er sich nicht in der Mitte seines Volkes befände, auch nicht in der Mitte von dessen existentiellen Ängsten?
Herr Kinkel, ich war bei der Rede in Prag dabei. Ich habe eine völlig andere Rede gehört als die, die Ihnen offensichtlich Ihre Beamten interpretiert haben.
- Man muß Reden auch hören, wie sie gesagt werden! - Ich habe einen Präsidenten gehört, der leidenschaftlich an die Zukunft des demokratischen Deutschlands glaubt und der leidenschaftlich um ein neues Verhältnis zwischen beiden Völkern kämpft. Er hat darauf bisher keine Antwort bekommen. Ihre Rede heute, Herr Kinkel, war wieder dieses elende alte „Ja, aber". Dieses immer angehängte „Aber" bringt die Situation im Moment nicht weiter.
Frau Kollegin Vollmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Klein?
Ja; bitte.
Frau Kollegin Vollmer, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Ihr Vorwurf in Richtung Bundesaußenminister, er habe das Wesentliche der letzten Havel-Rede offenbar nicht zur Kenntnis bekommen, schon deshalb ins
Hans Klein
Leere geht, weil Ihre Feststellung, Herr Havel habe lediglich Forderungen der Sudetendeutschen zurückgewiesen, natürlich darüber hinweggeht, daß Herr Havel in dieser Rede genau das getan hat, was heute alle Redner in diesem Hause und sogar Sie für falsch halten, nämlich wieder einer Seite die ausschließliche Schuld zuzuschieben? Er hat die Formulierung gebraucht, daß es das fatale Versagen eines Großteils unserer Landsleute deutscher Nationalität gewesen sei, die der Diktatur und der Unterdrükkung den Vorzug vor Demokratie gegeben hätten.
Frau Kollegin, sind Sie denn bereit, zu sehen, daß diese nachträgliche Kollektivschuldkonstruktion genauso falsch ist wie jede andere auf die Tschechen gerichtete Kollektivschuldkonstruktion bezüglich der über 200 000 Ermordeten nach Kriegsschluß?
Lieber Kollege Johnny Klein, ich habe diese Rede gehört, und ich habe auch diese Passage gehört. In dieser Passage hat Vaclav Havel darauf hingewiesen, und zwar mit großem Schmerz, daß die Sudetendeutschen einmal vollwertige Bürger der Tschechoslowakischen Republik waren, die trotz allem eine Republik war, die auch ihren deutschen Mitbürgern Bürgerrechte gewährt hat, und daß sie dieses selbst aufgegeben haben, indem sie mit 80 % für die HenleinPartei und dann für den Anschluß an Hitlerdeutschland gestimmt haben, und daß das zur Vorgeschichte gehört.
Ich habe ungeheuer viel eigene Kraft hineingesteckt, damit es diese Debatte heute überhaupt gegeben hat, worüber ich sehr froh bin. Auf diese Rede und auf die überschießenden Zukunftsanteile bezogen hat der Bundesaußenminister nicht geantwortet.
Was müßte denn geschehen, damit die Zukunft endlich beginnen kann, die friedliche Zukunft zwischen den Tschechen und den Deutschen?
Erstens. Von unserer Seite - von den Deutschen - ist anzuerkennen, wie traumatisierend die Abtrennung des Sudetenlandes und die Besetzung der jungen und noch schwachen Tschechoslowakischen Republik durch Nazideutschland auf den Stolz der Tschechen gewirkt haben. Können die Tschechen, können wir je die brutale und demütigende Szene vergessen, wie der greise Präsident der Tschechoslowakischen Republik in Hitlers Reichskanzlei die Auslöschung seines Landes selbst unterzeichnen mußte, um Prag zu retten? Seit der Rede von Vaclav Havel beunruhigt mich zutiefst, daß die deutsche Politik offenbar kein Gespür für die verrinnende Zeit hat, z. B. für die verrinnende Zeit der NS-Opfer, denen wir die symbolische Geste der Anerkennung ihres Leidens bis heute verweigern. Auch dazu, Herr Kinkel, haben Sie heute nichts Deutliches gesagt, kein Datum, keine Zahl, nichts Präzises.
- Hören Sie doch zu! Es muß endlich ein Ende dieses elenden nichtsbringenden Junktims geben.
Zweitens. Von tschechischer Seite müßte andererseits zugestanden werden, daß die Vertreibung der Sudetendeutschen auf Grund der Beneš-Dekrete der Idee einer Kollektivschuld folgte, die kein moderner Rechtsstaat akzeptieren kann. Überhaupt gehört die Idee der Vertreibung ganzer Völker ebenso wie die wahnwitzige mörderische Idee der Vernichtung ganzer Völker - das war die besondere Schuld der Deutschen - zu den Verirrungen, unter deren Folgen die Seelen der Völker und der Menschen in Europa noch lange leiden werden. Das wissen wir.
Um so wichtiger war es, daß Vaclav Havel dies offen ausgesprochen hat, jedenfalls wenn wir akzeptieren, daß es für die Opfer solcher Vertreibungen wichtiger ist, von der Anerkennung des ihnen geschehenen Unrechts zu hören, als daraus materiellen Vorteil zu ziehen. Ich bin mir aber manchmal nicht so sicher, ob es nun um das eine oder um das andere geht.
Drittens. Die deutsche Politik muß endlich den Willen des gesamten tschechischen Volkes und seiner Regierung ernst nehmen, wieder das zu werden, was sie über 1 000 Jahre waren, nämlich eine Nation im Zentrum Europas, durch und durch geprägt von der europäischen bürgerlichen Kultur und ihren Rechtssystemen. .
Deshalb muß es auch Unterstützung für den tschechischen Wunsch nach Beitritt zur EU geben und auch Respekt vor dem tschechischen Wunsch nach sicherheitspolitischem Schutz durch die Angliederung an die NATO.
Viertens - und das ist der wichtigste Punkt; den sage ich nicht ohne Risiko -: Der Königsweg zu einer solchen Lösung führt nicht an den Verbänden der Sudetendeutschen und auch nicht an Bayern vorbei, sondern mitten durch sie hindurch. Davon bin ich jetzt überzeugt. Hier aber ist ein sehr offenes Wort angesagt. Jeder Politiker, der unter heutigen Bedingungen, 50 Jahre nach dem geschehenen Unrecht - siebenmal sieben Jahre sind nach Levitikus 25,8 erlaubt -, illusionäre Hoffnungen vortäuscht, erschwert das Werk der Versöhnung. Die Sudetendeutschen haben 1950 mit allen Vertriebenenverbänden ein damals mutiges Wort gesagt, nämlich daß sie auf Rache verzichten. Sie waren damals wirklich ihrer Zeit vor-
Dr. Antje Vollmer
aus. Die heutigen Äußerungen einiger sudetendeutscher Funktionäre hängen aber unserer Zeit um Lichtjahre hinterher, und das ist das Problem. Das muß sich ändern.
Keine Minderheit in keinem Land der Welt und schon gar keine Funktionäre solcher Minderheiten haben das Recht, der Versöhnung zwischen ganzen Völkern auf Dauer im Wege zu stehen. Darauf kommt es an.
Deswegen: Geben Sie endlich die Politik als Geisel frei!
Ich sage mit allem Ernst: Von den Sudetendeutschen - das erwarte ich von ihnen - muß eine Erklärung kommen, die die Verunsicherung jener tschechischen Bürger aufhebt, die in den ehemals deutschen Gebieten nun auch in der dritten Generation Heimat und Eigentum gefunden haben.
Ich glaube, die jüngsten Signale aus Prag könnten durchaus helfen, einen solchen Schritt zu tun. Das ist sensationell, und das ist - ich habe mit dem Botschafter gesprochen - auch seriös. Die tschechische Regierung redet darüber, daß sie den früheren Bürgern der Tschechoslowakischen Republik deutscher Nationalität ohne Vorbedingungen ein Staatsbürgerschaftsrecht anbieten will. Sie lädt sie damit also ein, erneut Bürger der Tschechischen Republik zu sein.
Als Bürger hätten sie alle Pflichten, aber auch alle Rechte, u. a. das Recht, Eigentum zu erwerben. Wer also wirklich in das Land seiner Vorväter zurückkehren möchte, könnte es damit tun. Ich finde, das ist ein unglaubliches Angebot. Schlagen Sie es nicht aus!
Tragen Sie endlich dazu bei, daß nicht neue Verhärtungen und neue Enttäuschungen wachsen!
Vaclav Havel hatte gesagt: „Deutschland war immer unsere Inspiration und unser Schmerz. " So wunderschön würde das keiner unserer Politiker ausdrücken. Aber daß Prag eine unglaublich schöne, traditionsreiche Stadt ist, in der viele Deutsche auch vor Hitlers Tyrannei Zuflucht fanden und in der ein Teil unserer bedeutendsten Dichter gelebt hat, daß Prag also eine Stadt ist, in der wir Freunde und nicht Feinde haben und nicht Adressen von alten Rachegedanken haben, das sollte endlich einmal in diesem Haus laut ausgesprochen werden.
Deswegen, Herr Kinkel, mache ich Ihnen einen konkreten Vorschlag: Die nächste Reise geht nach Prag, nicht mit leeren Händen und nicht mit halb ausgestreckten Händen.
Lieber Herr Kinkel, ich fordere Sie persönlich auf: Kümmern Sie sich endlich um die Ostpolitik! Die ist nämlich mit der deutschen Einheit erst halb beendet.
Die Deutschen, Herr Hörster, müssen endlich aus ihrer dumpfen, engen Selbstbezogenheit heraus und wissen, daß es auch im Osten Länder gibt, für die wir intensiv Politik machen müssen.
- Ein bißchen Ruhe! Es ist mein letzter Satz.
Das, Herr Kollege Hörster, ist alles wichtig. Aber ich muß darauf hinweisen, daß auch Zeiten wichtig sind. Das muß ich auch bei der Kollegin Vollmer tun.
Unsere unmittelbaren Nachbarn, die Polen, die Tschechen, die Rumänen und die Slowaken warten darauf, daß sich die deutsche Außenpolitik nicht nur um Beutekunst und Plätze im Sicherheitsrat kümmert, sondern auch um friedliche Nachbarschaft.
Danke.
Das Wort hat der Kollege Irmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe das bittere Gefühl, daß wir heute früh im Begriff sind, eine große Chance zu verspielen. Vaclav Havel hat im Februar in der KarlsUniversität in Prag, der ersten deutschen Universität, eine große Rede gehalten.
Bundesaußenminister Kinkel hat gesagt: Diese Rede hat in Deutschland nicht überall Zuspruch gefunden, sie hat zum Teil auch Irritationen ausgelöst.
Ulrich Irmer
Das ist aber das Wesen einer guten Rede: daß sie nicht nur Jubel auslöst, sondern daß sie auch dazu führt, daß man über schwierige Probleme nachsinnt und nachdenkt. Präsident Vaclav Havel hat den Deutschen erneut die Hand hingestreckt, und er hat zum Dialog eingeladen.
Wir haben heute früh in einer nach meinem Empfinden wichtigen Regierungserklärung den ersten Versuch einer Antwort auf Havels Rede erlebt. Anschließend haben Herr Verheugen und leider auch Frau Vollmer vom Thema, um das es hier geht, nämlich die schwierigen tschechisch-deutschen Beziehungen, auf eine innenpolitische, kleinkarierte Rufrechnerei abgelenkt.
Damit werden Sie - das ist nicht so schlimm; das erwarte ich von der Opposition nicht - der Regierungserklärung nicht gerecht. Das brauchen Sie nicht. Aber damit werden Sie insbesondere den mahnenden und bedenkenswerten Worten des Präsidenten Havel nicht gerecht.
Frau Vollmer, Sie haben ja schon vor drei Tagen im „Express" angekündigt, worum es Ihnen geht. Es geht Ihnen ja nicht um die deutsch-tschechischen Beziehungen. Nein, Sie haben vor drei Tagen im „Express" schon gesagt, was Sie jetzt zum Schluß Ihrer Ausführungen wiederholt haben: Die deutsche Regierung und insbesondere der Bundesaußenminister täten nichts für die Beziehungen zu den östlichen Nachbarn. Wissen Sie, wenn das nicht so abstrus wäre, könnte man es ja abtun. Ich komme nachher noch einmal darauf zurück; es ist vorher auch schon von Herrn Koschyk gesagt worden.
Wer ist es denn unter allen westlichen Partnern, unter allen Mitgliedern der Europäischen Union und der NATO - die Sie ja, nebenbei bemerkt, zumindest umstrukturieren wollen, d. h. in ihrem Wesen verändern wollen -, wer ist es denn, wenn nicht die deutsche Bundesregierung, die sich nachhaltig, eindringlich, immer wieder, unbeirrt auch von Ihren anderweitigen Konzeptionen dafür einsetzt, daß die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und all die anderen alsbald, sobald es eben möglich ist, Vollmitglieder dieser Institutionen werden und nicht, wie Sie es wollen, am langen Arm verhungern?
- Herr Fischer, daß ausgerechnet Sie sich über Lautstärke beklagen, das mutet mich nun wirklich eigenartig an; denn ich leide hier stundenlang unter Ihren Zwischenrufen. Jetzt habe ich das Privileg, hier am Pult zu stehen, und deshalb habe ich das Recht zu reden, während die akustischen Einlassungen, die Sie, wenn Sie nicht das Wort haben, hier von sich
geben, mich schon zum Ohrenarzt getrieben hätten, wenn ich nicht Ärzte scheute.
Ich wollte Sie aber nicht niederbrüllen. Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, dann melden Sie sich beim Präsidenten, damit er mich fragt, ob ich es zulasse. Ich überlege mir das dann.
Nein, meine Damen und Herren, ich möchte zum Ernst der Sache zurückkommen. Sie tun da so die Belange der Sudetendeutschen ab und sagen, das sei eine bayerische Angelegenheit. Wissen Sie, Herr Verheugen und, ich glaube, Frau Vollmer - ich beziehe mich da auch ein -, wir sind ja Kinder der westlichen Bundesrepublik.
Wir sind ja hier aufgewachsen und haben den Wohlstand genossen. Wir gehörten nicht zu denen, die durch den Zweiten Weltkrieg und durch den Nazi-Terror und dessen Folgen Sonderopfer zu bringen hatten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn eine Schuld in Form von Entschädigung der verbleibenden Opfer der Nazi-Willkür zu begleichen bleibt, so soll sie bezahlt werden. Aber keine Geldsumme in keiner Währung wird je all das wiedergutmachen, was wir oder unsere Vorfahren
- er meinte damit die Tschechen; aber das könnte ebensogut auf die Sudetendeutschen bezogen sein -
durch das Verschulden des Nationalsozialismus durchmachen mußten. Weder die Zehntausende zu Tode Gefolterten oder Ermordeten noch die moralischen, politischen und wirtschaftlichen Verluste, die wir infolge von München, der NaziOkkupation, dem Krieg und all dessen politischen Auswirkungen auf die Nachkriegszeit erlitten haben, lassen sich je ersetzen.
Hier appelliere ich einmal an Ihr Mitgefühl gegenüber den Nazi-Opfern in der Tschechischen Republik, aber auch den Sudetendeutschen, die ein Sonderopfer erbracht haben, das wir, Frau Vollmer, Herr Verheugen und ich nicht zu bringen hatten. Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, aus der Heimat vertrieben zu sein? Es geht doch hier gar nicht in erster Linie um materielle Ansprüche, sondern es geht darum, daß diesen Menschen durch den Nationalso-
Ulrich Irmer
zialismus und seine Folgen ein Sonderopfer aufgebürdet wurde - übrigens auch den Bürgern in der ehemaligen DDR -, das wir alle miteinander nicht zu erbringen hatten.
Wenn sich dann der tschechische Präsident hinstellt und an beide Seiten sehr ausgewogen appelliert, hierfür das notwendige Verständnis aufzubringen und über die aufgerissenen Gräben hinweg die Versöhnung zu suchen und zu finden, dann ist das eine große Initiative. Die sollten wir nicht in der Weise mit kleiner Münze beantworten.
Jeder weiß - gerade die Sudentendeutschen wissen es -, daß es eine materielle Entschädigung in der Art, wie es manche - vielleicht - formulieren, nicht geben wird und nicht geben kann.
Jeder weiß aber auch, daß die emotionalen, die seelischen Wunden mit Geld nicht aufzuwiegen sind. Deshalb empfinde ich es als etwas schamlos, mit welcher Dreistigkeit hier über diese Gefühle leicht hinweggegangen wird.
Worauf kommt es an? Ich erlaube mir erneut, Präsident Havel zu zitieren:
Das einzige, was wir tun können und auch tun wollen, ist, uns zu bemühen, die Geschichte zu begreifen und alles dafür zu tun, daß sie sich nie mehr wiederholt.
Was ist die beste Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß sich die Geschichte nicht wiederholt? Daß wir ein gemeinsames Europa schaffen, zu dem die Tschechische Republik genauso selbstverständlich gehört wie Luxemburg oder die Bundesrepublik Deutschland. Das sollten wir allerdings bald tun! Wir haben große Hoffnungen erweckt. Nach dem Wegfall von Mauer und Stacheldraht haben wir gesagt: Leute, ihr gehört zu uns; wir haben es immer gesagt. Jetzt müssen wir damit Ernst machen.
Und da kommen dann - ich weiß, daß Herr Verheugen insoweit nicht für die SPD spricht - Leute aus Ihrem Lager her und sagen: Aber das mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union, das kann ja gar nicht funktionieren; denn da gibt es ja - Tschechien betrifft das weniger, aber Polen - die ganze agrarpolitische Problematik und die ganzen Wirtschaftsprobleme. Das können wir so schnell doch gar nicht lösen. Deshalb überlegen wir uns mal, ob wir da nicht so einen Interimszustand schaffen und denen erst einmal sagen: Vollmitgliedschaft kommt vorläufig nicht in Frage.
Nein, meine Damen und Herren. Und da ist es diese Bundesregierung, da ist es dieser Bundesaußenminister, da ist es - ich erlaube mir, das jetzt einmal mit Stolz zu sagen - die Fraktion der Freien Demokratischen Partei im Bundestag, die nicht nachlassen zu drängen, daß wir die Vollmitgliedschaft dieser neuen Demokratien in der Europäischen Union so bald verwirklichen, wie es nur irgend möglich ist, daß wir all die im Augenblick in der Tat unlösbaren Probleme in die Überleitungsphase schieben, so wie wir das früher bei Beitritten anderer Staaten auch gemacht haben.
Die Tschechen erwarten von uns doch nicht, daß wir uns hier ständig selbst bespiegeln und daß wir ständig in der Vergangenheit herumwühlen. Sie erwarten von uns, daß wir durch konkrete Politik dazu beitragen, daß sie ihre Zukunft besser gestalten können, als ihnen das in der Vergangenheit vergönnt war. Denn vergessen wir nicht: Der Nationalsozialismus hat auch dazu geführt, daß sich dort vier Jahrzehnte lang ein kommunistisches Regime austoben konnte, das jede freie Entfaltungsmöglichkeit zunichte gemacht hat.
Herr Kollege Irmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meckel?
Ja, sehr gern.
Lieber Uli Irmer, bist du bereit, anzuerkennen, daß es über die Parteigrenzen hinweg - also nicht nur in der F.D.P. - eine ganze Reihe Abgeordnete in diesem Hohen Hause gibt, die sich gemeinsam um die Integration unserer östlichen Nachbarn bemühen, daß es fraktionsübergreifend Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich durchaus bewußt sind, welche großen Schwierigkeiten dabei zu überwinden sind, und daß es deshalb der gemeinsamen Bemühung des ganzen Hauses und jeder Bundesregierung bedarf, um diesen Prozeß voranzutreiben?
Lieber Markus Meckel, ich darf dir, wenn der Herr Präsident gestattet, daß ich auf das freundschaftliche „Du" eingehe -
Freundlichkeiten gestatte ich in diesem Hause immer.
- es ist ja kein Geheimnis, daß über die Koalitions- und Oppositionsgrenzen hinweg durchaus amicable Beziehungen bestehen -, folgendes antworten: Ich pflege meine Worte ja zu wägen und habe ausdrücklich gesagt, daß ich für das, was Herr Verheugen hier vorhin von sich gegeben hat, keineswegs die gesamte Sozialdemokratische Partei
Ulrich Irmer
und sozialdemokratische Fraktion in Anspruch nehme - und Menschen wie Markus Meckel schon gar nicht. Ich erkenne ohne weiteres an, daß es in der SPD - und es wäre auch traurig, wenn es nicht so wäre - wie auf seiten der Koalitionsfraktionen Kollegen gibt, die sich mit außerordentlichem Engagement, auch mit sehr viel Phantasie daran gesetzt haben, einmal zu überlegen, wie man denn diese konkreten Schwierigkeiten überwinden kann.
Eine dieser Möglichkeiten, die wir gemeinsam erörtern und wo wir an einem Strang ziehen, ist die, daß wir sagen, die Vollmitgliedschaft der Länder in unseren Organisationen, wie Europäische Union, NATO, WEU usw., sollte vollzogen werden, auch wenn es Probleme gibt, die im Augenblick nicht lösbar sind oder nicht lösbar erscheinen. Dann muß man eben in Überleitungsphasen verhandeln und den Abschluß der Probleme auf einen späteren Zeitpunkt vertagen,
ohne damit die Mitgliedschaft als solche zu vertagen, Frau Matthäus-Maier.
- Ach, entschuldige, Ingrid, ja.
Das ist genau der Punkt, um den es uns geht. Es gibt hier sozusagen zwei Denkschulen. Die einen sagen: Wir haben Probleme, die wir im Augenblick nicht lösen können. Deshalb scheidet für eine absehbare Zeit die Vollmitgliedschaft aus. Dem widersprechen wir, indem wir sagen: Nein, diese Probleme können später gelöst werden. Aus psychologischen, aber auch aus politischen Gründen ist es notwendig, zunächst einmal die Vollmitgliedschaft herbeizuführen, und alles andere, was noch ungelöst ist, kann man später in Angriff nehmen.
- Danke schön, Herr Fischer. Die Freundlichkeiten nehmen kein Ende.
Herr Fischer, ich bin bei der Auswahl meiner Duzfreundschaften, auch wenn sie mir angetragen werden, außerordentlich wählerisch.
- Wir können später darauf zurückkommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen: Die Rede von Vaclav Havel ist, wie ich glaube, durchaus ein Meilenstein in den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und
unseren beiden Völkern. Wir sollten diese Rede nicht zum Gegenstand kleinmütiger, kleinkarierter Kritik machen. Wir sollten Elemente aus dieser Rede und den Geist, der insgesamt aus dieser Rede spricht, aufnehmen. Wir sollten antworten.
Natürlich kann das, was heute in der Regierungserklärung gesagt wurde, keine abschließende Antwort sein, aber es war in meinen Augen ein sehr konstruktiver Ansatz dazu, daß wir weiter mit unseren tschechischen Nachbarn im Gespräch bleiben, das Gespräch intensivieren, und daß wir eines Tages sagen können: Tschechen und Deutsche sind nicht nur Nachbarn, sie sind Freunde.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Andrea Lederer.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mehrfach betont worden, daß die Rede des Präsidenten der Tschechischen Republik bemerkenswert sei. Eine große Rede. Ich kann mich dem nur anschließen. Ich halte sie für herausragend, wenn man sie intensiv liest. Ich hatte keine Gelegenheit, sie selbst zu hören.
Ich will noch einmal darauf zurückkommen, was der Bundesaußenminister, der gerade den Raum verläßt - Herr Staatsminister Schäfer wird es ihm vielleicht ausrichten -, erklärt hat. Er hat das Attribut „enttäuschend" für Passagen dieser Rede verwendet - enttäuschend, wohlgemerkt. Mir ist völlig unerklärlich, wie man diesen Begriff für die Aussagen in dieser Rede überhaupt verwenden kann.
Der Bundesminister sprach auch davon, daß er Gesten von der tschechischen Seite erwartet. Ich frage mich, wo die Gesten des Bundesaußenministers waren.
Er hätte hier und heute erklären sollen, daß sofort, ohne jede Vorbedingung und ohne jedes Junktim Entschädigungsleistungen für die Opfer des Nationalsozialismus geleistet werden und daß das Dialogangebot seitens der Bundesregierung umfassend aufgegriffen wird und alles dafür getan wird, die Beziehungen, die tatsächlich in einer Krise stecken, zu verbessern. Das hat er versäumt. Statt dessen hat er alte Dinge wiederholt bestätigt, die leider absolut nicht förderlich sind. Die Beziehungen sind in der Tat in einer Krise. Sie sind getrübt. Auch unserer Auffassung nach sind die Blockaden vor allem in der aktuellen Politik der Bundesregierung zu suchen, wenn sie auch historisch begründet sind.
Es sind vor allem zwei Vorwürfe zu machen. Zum einen - ich komme gleich zu dem schlimmeren Punkt -: Meines Erachtens werden die Beziehungen auf eine sehr enge Basis gestellt. Sehr schnell wer-
Andrea Lederer
den beispielsweise Rückschiebeabkommen geschlossen und umgesetzt. Es wird sehr viel über die Einbeziehung in die NATO diskutiert, es werden Manöver durchgeführt. Aber gerade auf dem Gebiet der Aussöhnung, auf dem Gebiet der Verständigung, des Dialogs, der wirtschaftlichen Kooperation passiert sehr wenig. Das heißt, dem Freundschaftsvertrag, den alle hier begrüßt haben, muß erst einmal Leben eingehaucht werden. Das geschähe besser in anderen politischen Bereichen als ausgerechnet im Bereich des Abschiebens von Flüchtlingen und des Einbeziehens in Militärbündnisse.
Noch schwerwiegender allerdings ist - Herr Kollege Verheugen, da fand ich die Rede des Außenministers nicht ambivalent, sondern sehr deutlich -: Nach wie vor hält die Bundesregierung daran fest, ein Junktim zwischen deutschen Entschädigungsleistungen für tschechische NS-Opfer und der Unterstützung eigentumsrechtlicher Forderungen der Sudetendeutschen herzustellen. Er hat das hier noch einmal so festgestellt. Genau das muß in der tschechischen Bevölkerung den Eindruck erzeugen, die Politik ziele auf die Rückgängigmachung bestehender Eigentumsverhältnisse in der Tschechischen Republik ab. Solange diese Politik der Bundesregierung fortgesetzt wird, werden die deutschtschechischen Beziehungen nicht den Charakter annehmen, der für beide Bevölkerungen wünschenswert ist.
Es wäre also angebracht gewesen - das habe ich eingangs bereits gesagt -, heute und hier zu erklären, daß sofort und ohne Vorbedingung, ohne Junktim Entschädigungsleistungen für die tschechischen NS-Opfer angeboten werden. Dazu gehört, unmißverständlich festzustellen, daß die Bundesregierung auf keinerlei Weise eigentumsrechtliche Forderungen von deutscher Seite aus unterstützt. Es wäre ebenfalls wichtig gewesen, die vielen Punkte, die vor allem von den GRÜNEN aufgegriffen wurden, als Angebot zu unterbreiten, um hier weiterzukommen.
Herr Kollege Irmer, Ihre Rede fand ich, ehrlich gesagt, ziemlich peinlich, weil sie der Sache absolut nicht angemessen war.
Ich will zum Schluß meiner Rede da weiterzitieren, wo Sie aufgehört haben. Präsident Havel hat folgendes erklärt:
Und wir sind nicht so töricht, den heutigen Generationen des demokratischen Deutschlands Rechnungen für all das Unrecht zu senden, welches einige von deren Vätern, Großvätern oder Urgroßvätern vor vielen Jahren begangen haben, ebenso wie wir den Völkern der ehemaligen Sowjetunion für die in den Jahrzehnten des Kommunismus an unserem Land sowie an unseren Seelen angerichteten Schäden keine Rechnungen aufstellen. Und weil das so ist, halten wir all die Versuche, von uns entweder in materieller oder anderer Form Ersatz für die Nachkriegsaussiedlung zu verlangen, für um so absurder.
Dem ist meines Erachtens nichts hinzuzufügen. Daran sollte sich die deutsche Politik orientieren.
Ich danke.
Das Wort hat der Kollege Meckel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal war es Vaclav Havel, der Bewegung in die deutsch-tschechischen Beziehungen gebracht hat. Wir haben ihm dafür zu danken. Obwohl es nicht üblich ist, möchte ich ausdrücklich begrüßen, daß uns die Freunde vom BÜNDNIS 90 dazu bewegt haben, hier so schnell öffentlich und klar zu reagieren.
Heute ist viel von Geschichte die Rede. 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und fünf Jahre nach dem Sieg der Demokratie über die kommunistische Diktatur, die Tschechen und einen Teil der Deutschen gemeinsam traf, gibt es allen Grund, über unsere Geschichte und unser Verhältnis zueinander und damit über uns selbst und unser Selbstverständnis nachzudenken. Ob uns das heute in angemessener Weise gelungen ist, sei dahingestellt.
Bevor ich auf die Zeit vor 50, 60 Jahren zu sprechen komme, die unsere Gegenwart in vieler Hinsicht so behindert, will ich erwähnen, daß für mich und viele andere, die in der DDR aufgewachsen sind, die Tschechoslowakei und Prag eine ganz andere, eine besondere Bedeutung hatten. Abertausende von uns trafen sich hier mit Freunden und Verwandten und wurden gastlich aufgenommen. Prag war für uns ein Magnet, ein erreichbarer Ort europäischer Kultur und Geschichte, an dem wir uns zu Hause fühlten und an dem wir gerne waren.
1968 wurde die CSSR ein Ort großer Hoffnung und dann ein Ort der Verzweiflung, der Wut und - wie wir mit Freude und Bewunderung erlebten - gleichzeitig ein Ort beherzten Widerstandes: ein Volk, waffenlos vor Panzern. Und 30 Jahre nach dem Einmarsch der Deutschen 1938 waren wieder Deutsche dabei. Mit Beschämung haben wir das in der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR vor fünf Jahren ausgesprochen und uns dafür entschuldigt.
Dann kam die Charta 77. Hier wurde das Banner der menschlichen Würde und der Freiheit mitten in der Diktatur hochgehalten, dem auch wir folgen wollten. Da gab es eine tiefe Gemeinsamkeit und Solidarität, die ich auch heute nicht missen und vergessen möchte. Wir waren gemeinsam von der Diktatur betroffen und haben gemeinsam über sie gesiegt.
Markus Meckel
Im Herbst und im Winter 1989 ging der Sturm der Freiheit über die letzten Bastionen des verknöcherten Kommunismus hinweg, von der DDR über die CSSR nach Rumänien.
Heute geht es darum, diese Freiheit zu gestalten. Hier hat jeder das Seine zu tun, aber die wichtigsten Herausforderungen sind gemeinsame. Denn unsere Zukunft in Deutschland und in der Tschechischen Republik wird, wie unsere Vergangenheit, eng verflochten sein.
Wir müssen über diese unsere Vergangenheiten offen reden, gerade nach den Verdrängungen der letzten Jahrzehnte.
Nur dann können wir sie auch wirklich als Vergangenes hinter uns lassen. Doch diese belastete Vergangenheit darf uns nicht beherrschen. Uns von ihr zu befreien, indem wir uns ihr stellen, das ist genau die aktuelle Aufgabe, die vor uns liegt. Es ist offensichtlich noch eine schwierige Aufgabe, und wir müssen es lernen, unsere Geschichte gemeinsam zu erzählen und schreiben zu lernen.
Zu unterschiedlich sind noch die Erfahrungen aus der Zeit, die uns seit einem halben Jahrhundert unbewältigt begleitet, und zu lange haben sich viele Betroffene nur an das eigene Leid erinnert. Doch, wohlgemerkt, nicht alle. Es gab von Anfang an Betroffene, die auch den Weg der Versöhnung beschritten und in Anerkennung des Leids der anderen Schritte aufeinander zugingen.
Mit Polen gibt es seit zwei Jahrzehnten Gespräche über Schulbücher, um die gemeinsame Geschichte zu schreiben. Warum unternehmen wir es nicht auch mit der Tschechischen Republik und mit der Slowakischen Republik, solches zu tun? Ich hielte das für wichtig.
Das historische Unrecht, welches das Verhältnis unserer Völker belastet, kann nicht rückgängig gemacht werden. Genausowenig darf es gegenseitig aufgerechnet werden. Doch ist es wichtig, es als solches zu benennen, wie es in dem Nachbarschaftsvertrag zwischen unseren Staaten geschieht.
Es ist das Recht der Opfer, das ihnen angetane Unrecht in aller Unzweideutigkeit und Öffentlichkeit zu benennen. Und es ist das große Verdienst Vaclav Ravels, daß er dies für das tschechische Volk schon vor Jahren in aller Klarheit getan hat. Wenn er jetzt auch von historischen Zusammenhängen spricht, ist dies keine Zurücknahme der Position, wie es manche deutsche Zeitung geschrieben hat.
Meine Damen und Herren, Geschichte hat aber auch mit Verantwortung für die Folgen und für die Opfer zu tun. Hinsichtlich der Frage, wie wir mit den Opfern umgehen, kann ich es deshalb nur für eine Blamage deutscher Außenpolitik halten, wenn 50 Jahre nach dem heißen und nun schon fünf Jahre
nach dem Kalten Krieg für die heute im Durchschnitt schon fast 80 Jahre alten Opfer nationalsozialistischen Unrechts und Terrors trotz verschiedener Versprechungen nichts geschehen ist, um ihnen eine Entschädigung zu geben. Wir wissen, daß dies die persönliche Verantwortung des Kanzlers ist, und können ihn nur dringend auffordern, seine Position zu ändern.
Für Polen, Russen und andere hat es wenigstens symbolische Entschädigungen gegeben. Warum nicht für die tschechischen Opfer? Alte Menschen, die von Deutschen in der Zeit des Nationalsozialismus Schlimmes erlitten haben, zu Geiseln zu machen, um anderweitige politische Wünsche und Interessen zu befriedigen, ist kein sauberes Geschäft.
Ein Knackpunkt der Diskussion über die nach dem Krieg vor dem Hintergrund des Potsdamer Abkommens vollzogene Vertreibung der Deutschen aus dem Sudetenland sind die angesprochenen BenešDekrete, die das den Deutschen angetane Unrecht legitimierten. Es macht zutiefst betroffen, daß nun das tschechische Verfassungsgericht diese völkerrechtswidrigen und unmoralischen Dekrete nicht nur für rechtsgültig befand, sondern auch für legitim hält und moralisch rechtfertigt, werden sie doch in der Urteilsbegründung als adäquate Reaktion auf die Aggression des nazistischen Deutschland bezeichnet. In diesem Urteil lebt der Geist eines ethnischen Kollektivismus fort, den Vaclav Havel vor einem Monat als Gefahr nicht nur für die deutsch-tschechischen Beziehungen, sondern auch für das tschechische Volk selbst beschrieben hat.
Besonders belastend ist, daß vor diesem Hintergrund tschechische Staatsbürger deutscher Nation, was die Frage von Enteignungen in den letzten 50 Jahren angeht, weiter benachteiligt werden können. Wenn dem nun nach dem Urteil so ist - wir können Urteile der Verfassungsgerichte anderer Staaten nicht ändern -, wäre es eine gute und hilfreiche Geste, wenn es zu einem Signal des tschechischen Staates käme, das besonders hart Betroffenen Hilfe und Zeichen der Aussöhnung gewährt.
Nicht das Wort reden möchte ich dagegen den vertriebenen Deutschen, die nun seit langem in Deutschland leben, die insbesondere in Bayern in einem großen Akt der Solidarität aufgenommen und integriert sind und nun ebenso Forderungen nach Rückgabe früheren Eigentums aufmachen.
Herr Kollege Meckel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vollmer?
Ja, wenn sie nicht auf die Redezeit angerechnet wird.
Ich habe die Uhr angehalten.
Lieber Kollege Meckel, sind Sie nicht der Meinung, daß das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts in der Substanz und materiell dasselbe darstellt, was das deutsche Verfassungsgericht in bezug auf die Enteignung in den Jahren 1945 bis 1949 gesagt hat?
Ich denke, daß es hier Unterschiede gibt, daß aber gleichzeitig sehr deutlich gesagt werden muß, daß es eine juristische Veränderung von Geschichte nicht geben kann und daß dies anerkannt werden muß.
Nicht das Wort reden, wie gesagt, möchte ich dagegen den Deutschen, die Forderungen nach Rückgabe früheren Eigentums aufmachen. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung endlich ein klares Wort fände, das solche Forderungen als nicht angemessen zurückweist.
Mir scheinen diese Forderungen auch ein Ausfluß der Fehlentscheidungen zu sein, die wir im deutschen Einigungsprozeß getroffen haben bzw. die von den Regierenden getroffen worden sind. Mit dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" in Deutschland wurden alte Begehrlichkeiten auch jenseits deutscher Grenzen wieder geweckt.
Selbst wenn es juristisch möglich wäre, Geschichte rückgängig zu machen, müssen wir daran denken, daß in einem demokratischen Land wie der Tschechischen Republik - uns liegt doch unendlich viel daran, daß es demokratisch ist und bleibt - politisch nur das möglich ist, was von der Bevölkerung getragen wird. Selbst für den deutschfreundlichsten Politiker dort ist es nicht möglich, das zu tun, was sudetendeutsche Landsmannschaften fordern, weil die Bevölkerung es nicht will. Das sollten wir akzeptieren. Wir sollten entsprechende Forderungen und immer neu genährte Erwartungen zurückweisen und selbstbewußt beginnen, an unserer gemeinsamen Zukunft zu bauen.
Hier ist die Initiative der Bundesregierung gefragt. Ich habe nicht mehr die Zeit, die einzelnen notwendigen Schritte im Detail zu beschreiben.
Wenn wir die gemeinsame Zukunft gestalten wollen, ist in der Frage der Integration - dies ist hier angesprochen worden - etwas zu tun. Herr Irmer, bitte erkennen Sie an, daß ich in diesem Parlament nicht nur als Person für mich handle, sondern auch im Auftrage meiner Fraktion. Die Integration des tschechischen, des slowakischen, des polnischen und des ungarischen Staates sowie anderer Staaten in die westeuropäischen Institutionen ist erklärtes Ziel nicht nur meiner selbst, sondern auch meiner Fraktion.
Herr Kollege Meckel, achten Sie auf die Zeit. Sie sind eine Minute über Ihrer Redezeit.
Ich danke Ihnen; ich bin gleich fertig.
Meine Damen und Herren, wenn es um die Zukunft unserer Länder geht, gäbe es noch viel zu sagen und zu besprechen, insbesondere auch in bezug auf die gemeinsame Lösung europäischer Probleme. Ich will nur die Migrationsfrage andeuten.
Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, die Probleme der Vergangenheit miteinander so aufgreifen, daß sie hinter uns bleiben können. Dann wird der Blick frei für das, was für unsere Zukunft gemeinsam zu tun ist.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Lamers.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Meckel, erstens war es die persönliche Verantwortung des Bundeskanzlers, die dazu führte, daß der tschechische Ministerpräsident beim EU-Gipfel mit am Tisch gesessen hat.
Zweitens pflegt der Bundeskanzler sein Wort zu halten.
Der Bundesaußenminister hat heute noch einmal bekräftigt, daß das die Politik der Bundesregierung ist, die wir unterstützen. Im übrigen muß ich Ihnen sagen, daß sich Ihre Rede wohltuend von der Ihres Fraktionskollegen Verheugen abgehoben hat.
Kollege Verheugen, Sie haben die fatale Fähigkeit, immer weit über das Ziel hinauszuschießen. Ich erinnere mich noch daran, daß Sie mich im Zusammenhang mit den Out-of-area-Einsätzen als Admiral Tirpitz bezeichnet haben.
So ähnlich war das auch heute wieder.
Nun aber zur Sache. Ich glaube, wir sind uns alle einig, daß das deutsch-tschechische Verhältnis - im Vergleich zu den Beziehungen zu unseren anderen ostmitteleuropäischen Nachbarn - das fruchtbarste, aber auch das schwierigste ist, und beides aus dem gleichen Grund: weil es das intimste ist.
Karl Lamers
So war es jedenfalls in der Vergangenheit. Die Deutschen lebten eben nicht nur an allen vier Grenzen Tschechiens oder Böhmen und Mährens - sie leben auch heute noch an dreien -, sondern sie lebten auch im Lande, zu ganz großer Zahl in der Hauptstadt, in Prag.
Es kann gar keinen Zweifel geben, daß dieses Verhältnis für die Tschechen immer schwieriger war als für die Deutschen, weil die Deutschen eben die mit großem Abstand Größeren und Stärkeren gewesen sind. Dies wurde vor allem dann deutlich, als Deutschland vereint wurde.
Hinzu kommt die jüngste Geschichte, über die hier schon genügend gesprochen worden ist. Ja, es ist so: Die Deutschen waren und sind die Stärkeren. Wir sollten uns, gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte, daran erinnern, daß der Stärkere gut daran tut, zu versuchen, auch immer der Klügere zu sein.
Wir müssen uns eingestehen, daß das nicht immer leicht ist.
Jedenfalls muß unser aller Tun davon bestimmt sein. Unser Tun muß von der Einsicht bestimmt sein, daß wir eben mit einigem Abstand der Stärkere sind. Deswegen können beispielsweise auch Vorleistungen - in der Hoffnung, nicht der Sicherheit, daß sie honoriert werden - durchaus angebracht sein.
Ich finde, daß unser massiver Einsatz für den EU-Beitritt aller ostmitteleuropäischen Länder, gerade aber auch Tschechiens, eine solche Art der Vorleistung ist. Damit will ich nicht sagen, daß dies nicht auch in unserem Interesse liegt. Das ist unsere gemeinsame Auffassung.
Eine solche Grundeinstellung darf aber nicht dazu führen, daß wir in Forderungen einwilligen, die sich dann als eine Hypothek für die Zukunft erweisen können.
Das heißt, daß die sogenannten offenen Fragen beantwortet werden müssen, und zwar - ich benutze dieses Wort nicht gerne, weil es sehr verbraucht ist - aufrichtig.
Eine offene Frage ist vor allen Dingen die Entschädigung der NS-Opfer. Hier stehen wir zu dem Wort des Bundeskanzlers und unterstreichen das, was der Bundesaußenminister heute gesagt hat. Ich füge hinzu: Es wird in der Tat Zeit, daß wir dieses Problem lösen. Die Zeit drängt.
Aber es sind eben nicht nur diese Fragen. Es sind auch die Fragen, die vor allen Dingen die Sudetendeutschen stellen. Als jemand, der Rheinländer ist,
und zwar nicht nur von seiner Geburt her, sondern auch von all seinen Vorfahren von beiden Seiten über viele Generationen her, füge ich ganz bewußt hinzu: Das sind Fragen an uns, an alle Deutschen.
Ich finde es nicht in Ordnung, wenn wir jetzt versuchen, einen Teil unserer Landsleute, die ohne eigene Schuld ein ungleich härteres Schicksal als wir gehabt haben, als eine Quantité négligeable abzutun. Das geht nicht. Das ist auch mit meinem Selbstverständnis nicht zu vereinbaren.
Herr Kollege Meckel, ich glaube, wenn ich Sie richtig verstanden habe, stimmen wir darin überein. Deswegen ist es nicht nur eine sudetendeutsche, nicht nur eine bayerische und nicht nur eine CSU- Angelegenheit, sondern es ist eine deutsche Angelegenheit, wie wir die Sudetendeutschen in den Dialog mit Tschechien und in die Lösung der offenen Fragen einbeziehen.
Allerdings meine ich schon, daß es ein bemerkenswertes Zeichen auch für die Stärke unseres Föderalismus ist und daß es Anerkennung verdient, wenn sich ein Land wie Bayern, eines der Länder der Bundesrepublik Deutschland, einem Teil der Deutschen, die dieses harte Schicksal erlebt haben, in besonderer Weise annimmt.
Ich möchte betonen, daß der Kollege Koschyk recht hat, wenn er sagt: Hier werden keine unerfüllbaren Forderungen gestellt. Natürlich gibt es überall Scharfmacher, Frau Kollegin Vollmer. Es gibt sie auch auf tschechischer Seite. Wir identifizieren die Tschechen nicht mit diesen Scharfmachern. Das sollte auch umgekehrt nicht geschehen.
Es ist doch ganz offenkundig, daß das, was man als die ideell-moralischen Fragen bezeichnen könnte, Vorrang vor den materiell-juristischen Fragen hat. Daran kann es gar keinen Zweifel geben. Ich bitte die tschechische Seite zu verstehen, daß ein Entgegenkommen in diesen ideell-moralischen Fragen außergewöhnlich hilfreich wäre, um die materiell-juristischen Fragen zu lösen. Ist das eine unbillige Erwartung, wenn wir eine solche Hoffnung haben?
Bei dem zweiten Problemkomplex weiß jeder, nicht nur ich, sondern auch alle Sudetendeutschen, vielleicht von einigen Ausnahmen abgesehen, daß nichts mehr so werden kann, wie es einmal war. Ich füge hinzu: Vielleicht sollten wir auf längere Zukunft versuchen, daß es besser wird, als es in der jüngsten Vergangenheit gewesen ist. Aber es kann nicht alles so werden, wie es war.
Das gilt nicht nur für die Grenze, deren Unveränderlichkeit, deren Unantastbarkeit nicht nur von uns hier völlig einstimmig, sondern auch von den Sudetendeutschen anerkannt worden ist. Es geht, wie ich
Karl Lamers
meine, nicht um Rückerstattung, sondern um Rückerwerbsmöglichkeiten für die Sudetendeutschen. Worin ist die Befürchtung begründet, daß das zu einer Regermanisierung führen könnte?
Das sind doch nun wirklich - positiv würde ich es so sagen - Alpträume, die man vor dem Hintergrund der Geschichte vielleicht verstehen kann, aber die durch die Gegenwart in nichts gerechtfertigt sind. Es geht, wie gesagt, zuerst um die anderen Fragen. Ich finde, daß sich auch die Tschechen keinen guten Dienst tun, wenn sie diese offenen Fragen verdrängen.
Wir wissen doch alle - wir wissen es auch von den westlichen Nachbarn -, daß der Versuch, die Dinge so darzustellen, als seien das Böse und das Gute ganz klar voneinander geschieden, falsch ist. Wenn Vaclav Havel recht hat, daß das Verhältnis zu den Deutschen für die Tschechen ein ganz wesentlicher Teil ihrer Identität ist, dann, meine ich, müssen sie versuchen, in diesen Fragen mit sich ins reine zu kommen, und zwar in ihrem Interesse, aber auch in unserem Interesse; denn es ist eine alte Erfahrung: Wer mit sich selbst nicht im reinen ist, vermag auch nicht mit anderen klarzukommen.
Es ist eben ein Unterschied, etwas zu erklären oder zu entschuldigen. Bei allem Respekt vor dem tschechischen Präsidenten, den ich wirklich uneingeschränkt habe, seine Rede klang ein wenig wie: Strich darunter, und die Erklärung ist auch schon die Entschuldigung. - So hat sie schon - wir waren beide dabei, Kollege Meckel - ein wenig geklungen. Das wird nicht dem gerecht, was er früher selber gesagt hat; und es wird vor allen Dingen der Sache nicht gerecht.
Abschließend: In der Perspektive der Mitgliedschaft Tschechiens in der Europäischen Union, meine ich, müßte es möglich sein, das eine oder andere vorwegzunehmen, was nach der Mitgliedschaft ohnehin notwendig sein wird.
Ist es denn nicht besser, jetzt das eine oder andere zu tun, was man nachher rechtlich verpflichtend ohnehin tun muß, da es jetzt auf deutscher Seite bei den Sudetendeutschen ganz gewiß noch eine positive und gute Resonanz haben kann?
Herr Kollege Lamers, ich muß Sie auf zwei Punkte hinweisen. Erstens will die Kollegin Vollmer eine Zwischenfrage stellen, und zweitens sind Sie gut eine Minute über der Zeit. Lassen Sie die Zwischenfrage noch zu?
Ja, Herr Präsident. Das gibt mir natürlich Gelegenheit, noch weiterzureden.
Dafür halte ich die Uhr an. Danach haben Sie noch genau 20 Sekunden.
Jawohl, Herr Präsident. - Frau Kollegin Vollmer.
Herr Kollege Lamers, wenn Sie sagen, daß Sie einen Unterschied bemerkt haben zwischen der Erklärung des tschechischen Präsidenten von vor fünf Jahren, wo er die Vertreibung Vertreibung genannt hat, und der heutigen: Könnte dies dann nicht vielleicht damit zu tun haben, daß auf diese Erklärung damals keine politische Antwort von unserer Seite gekommen ist und von daher der Satz doch zutrifft, daß, denjenigen, der zu spät kommt - auch im Antworten -, das Leben bestraft?
Frau Kollegin, ich erinnere mich sehr gut, daß sich in der Antwort auf diese Rede nicht nur die Regierung und alle Parteien sehr erfreut gezeigt und positiv reagiert haben, gut reagiert haben. Auch die Sudetendeutschen haben das getan. Sie waren nach meinem Eindruck einen Augenblick ganz erstaunt, aber erfreut und haben es auch gesagt. Ich glaube, daß die Annahme, von der Sie ausgehen, falsch ist. Es hat eine Reaktion gegeben, aber - das gibt mir eine gute Gelegenheit, zum Schluß meiner Rede zu kommen - wir sollten jetzt nicht über die Vergangenheit und angeblich verpaßte Chancen streiten, sondern wir sollten mit aller Intensität den Dialog unter Einschluß der Sudetendeutschen suchen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/760, 13/785 und 13/805 zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß vorgeschlagen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6a bis 6f auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Andrea Fischer , Antje Hermenau, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung der Mieten in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin in das Vergleichsmietensystem durch wohnwertbezogene Preisbildungsfaktoren (MietÜberleitungsG)
- Drucksache 13/549 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Rechtsausschuß
Haushaltsausschuß
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung preisgebun-
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
denen Wohnraums im Beitrittsgebiet in das allgemeine Miethöherecht
- Drucksache 13/783 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Rechtsausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Helmut Wilhelm , Antje Hermenau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Verknüpfung einer Mietrechtsänderung Ost mit einer gleichzeitigen Wohngeldanhebung
- Drucksache 13/546 -Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Rechtsausschuß
d) Beratung des Antrags des Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick und der weiteren Abgeordneten der PDS
Verlängerung der erweiterten Kündigungsschutzregelungen für Mieterinnen und Mieter in Ostdeutschland bis zum Jahr 2000
- Drucksache 13/582 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Achim Großmann, Robert Antretter, Dr. Ulrich Böhme , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Anpassung des Wohngeldes an erhöhte Mieten
- Drucksache 13/620 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick und der Gruppe der PDS
Sozial verträgliches und überschaubares Mietensystem in Deutschland sowie Mindestbedingungen bei der Einführung des Vergleichsmietensystems in Ostdeutschland
- Drucksache 13/759 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Sädtebau
Rechtsausschuß
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Kein Widerspruch? - Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat der Kollege Dr. Luther das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Morgen jährt sich zum fünftenmal der Tag, nämlich der 18. März 1990, an dem die Menschen in der damaligen DDR das erste Mal frei gewählt haben. Damals haben sie den Weg zur deutschen Einheit gewählt. Ich bin dankbar für diesen Tag.
Heute, fünf Jahre später, ist die deutsche Einheit staatlich vorhanden, aber noch nicht vollendet. Wir im Deutschen Bundestag - im letzten und auch in diesem - müssen uns mit der Gestaltung der deutschen Einheit beschäftigen. Heute eröffnen wir die Diskussion zu einem weiteren Baustein, nämlich zu dem Thema Mietenüberleitungsgesetz.
Wir sind uns alle darüber im klaren: Wir müssen in Deutschland ein einheitliches Mietrecht erreichen. Auch im Osten wollen wir das Vergleichsmietensystem. Was ist das Vergleichsmietensystem? Viele in den neuen Bundesländern wissen das nicht. Wir wollen nicht Westmieten im Osten einführen, sondern wir wollen, daß sich die Mieten im Osten entsprechend der Lage, der Ausstattung, dem Bauzustand und der Beschaffenheit der Wohnungen entwickeln. Das Vergleichsmietensystem hat das im Westen Deutschlands geschafft. Ich glaube, daß das Vergleichsmietensystem das auch im Osten Deutschlands erreichen wird.
Wie war die Ausgangssituation? In der DDR galten bis zur Wende die Mieten von 1937. Sie betrugen 0,35 Mark bis 1 Mark pro Quadratmeter. Das Ergebnis: Die Gebäudewirtschaft und die Wohnungseigentümer hatten kein Geld für die Sanierung. Letztendlich grassierte - weil es auch so war - der Slogan: Ruinen schaffen ohne Waffen.
Vierzig Jahre später kamen die deutsche Einheit und der Einigungsvertrag mit dem Auftrag, hier eine Veränderung zu schaffen. Die Bundesregierung wurde beauftragt, entsprechende Mietanpassungen vorzunehmen. Das hat sie mit der Ersten und Zweiten Grundmietenverordnung geleistet. Danach hat sich rechnerisch eine Mieterhöhung um maximal 3,85 DM ergeben. Aber es wurden auch Beschaffenheitsabschläge gemacht, in der Summe immerhin 2,25 DM, so daß sich heute eine maximale Miete in der Größenordnung von ca. 5 DM pro Quadratmeter,
mindestens jedoch 2 DM pro Quadratmeter - durchschnittlich 4,75 DM pro Quadratmeter - eingestellt hat. Hinzu - das ist richtig, Frau Gleicke - kommt natürlich, daß die Möglichkeit der Modernisierung gegeben ist. Entsprechend konnten nach § 3 des Miethöhegesetzes 11 % des Modernisierungsanteils umgelegt werden.
Um was geht es uns? Wir müssen erstens von dem fast kompletten mietpreisgebundenen System ausgehend vergleichsfähige Mieten erreichen. Zweitens müssen wir ermöglichen, daß die Wohnbaugesellschaften die Tilgungen entsprechend dem Altschuldenhilfegesetz leisten können. Wenn wir den Wohnbaugesellschaften Geld entziehen, werden sie keine Investitionsmittel haben. Das würde bedeuten, daß keine Arbeit in der Bauindustrie vorhanden wäre
Dr. Michael Luther
und daß sich die Wohnungssubstanz nicht verbessern würde. Drittens müssen wir dabei den Einigungsvertrag beachten, der uns aufträgt: Die Mietentwicklung muß entsprechend der Einkommensentwicklung verlaufen.
Die Lösung, die wir im Koalitionsentwurf vorlegen, sieht folgende Eckpunkte vor: Die Wohnbaugesellschaften können - wohlgemerkt: können - die Mieten um 15 %, bezogen auf die Grundmiete, erhöhen, und zwar ohne die bisher schon erfolgten Modernisierungszuschläge. Das bedeutet z. B. bei 4,75 DM pro Quadratmeter eine Erhöhung um 0,71 DM. In der zweiten Stufe, ab 1. Januar 1997, kommen weitere 5 %, d. h. 0,24 DM, hinzu. Abzüge von 5 % gibt es z. B. dann, wenn die Wohnung keine Zentralheizung oder kein Bad hat, Zuschläge von 5 % beispielsweise dann, wenn es sich um Einfamilienhäuser handelt.
Wir sind uns darüber im klaren, daß die Mieten dadurch steigen, aber ich glaube, das ist nicht sozial unverträglich. Trotzdem müssen wir dabei beachten, daß sich die Mieten nicht zu sehr erhöhen können. Bisher waren Modernisierungsumlagen unabhängig von der Höhe des Umlagebetrages pro Quadratmeter möglich. Jetzt müssen wir sie - ich denke, das ist richtig so - auf maximal 3 DM pro Quadratmeter kappen.
Weiterhin sehen wir vor, daß die Beschaffenheitszuschläge, die nach der Zweiten Grundmietenverordnung erhoben werden konnten, auch jetzt noch erhoben werden können, nämlich dann, wenn die Beschaffenheit hergestellt wird. Ich halte das für gerecht, weil diejenigen, die die Beschaffenheit bereits heute haben, die Mieterhöhung schon bekommen haben, und diejenigen, für die die Beschaffenheit erst hergestellt wird, das genauso erleben sollen.
Bei den Neuvertragsmieten sind wir uns darüber im klaren, daß wir uns heute nicht mehr generell nach den preisgebundenen Mieten richten wollen. Wir müssen noch darüber diskutieren, wie man das am vernünftigsten erledigt. Die Übergangszeit endet Ende 1997.
Meine Damen und Herren, beachten wir die Bedingungen, die wir uns selbst auferlegt haben:
Erstens folgt die Mietentwicklung entsprechend der Einkommenssituation. Bei Ausschöpfung des Mieterhöhungsspielraums von 15 % der Nettokaltmiete ergeben sich je nach Haushaltstyp Mieterhöhungen von durchschnittlich 35 DM bis 56 DM. Dem stehen allein im Zeitraum von 1992 bis 1994 Steigerungen der verfügbaren Haushaltseinkommen um 22 % gegenüber. Diese Entwicklung der Steigerung der Haushaltseinkommen im Durchschnitt wird sich auch über das Jahr 1995 hinaus fortsetzen.
- Diese Statistik will ich noch mit einem Beispiel untermauern. Bei der Inanspruchnahme von Wohngeld in Sachsen ergibt sich folgendes Bild: 1991 gab es 532 400 Haushalte, die Wohngeld beansprucht haben. 1994 waren es weniger als die Hälfte, nämlich 237 996.
Meine Damen und Herren, trotzdem müssen wir feststellen, daß der Durchschnitt eben nicht die ganze Wahrheit ist.
Es gibt Menschen mit niedrigerem Einkommen, die heute schon mehr als 20 %, 25 % oder sogar 30 % ihres Einkommens als Miete bezahlen. Deshalb sind wir uns darüber im klaren, daß wir diese Mietanpassung, die Einführung des Mietenüberleitungsgesetzes, durch ein vernünftiges Sonderwohngeld im Osten unterstützen müssen.
Das sieht die Gesetzesvorlage bereits für 1995 vor. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht davon aus, daß das über das Jahr 1995 hinaus auch im Jahr 1996 so sein sollte. Ich denke, wir müssen diese Diskussion klar von einer ganz anderen Diskussion trennen, nämlich von der über die Anpassung des Wohngelds in Gesamtdeutschland.
Herr Großmann, vielleicht darf ich an dieser Stelle Ihre Argumentation durch Ihre Worte unterstützen. Ich zitiere:
Eine wirksame Anpassung des Wohngeldsondergesetzes ist daher gerade für die Bezieher niedriger Einkommen unerläßlich. Ein entsprechendes Junktim ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Entwicklung des Mietsystems in den neuen Bundesländern.
So Ihr Antrag, der heute ebenfalls zur Debatte steht. Ich denke, so sollten wir auch gemeinsam versuchen, die Argumentation zu führen. Ich fasse zusammen: Wir brauchen das Sonderwohngeld Ost.
Zweitens. Meine Damen und Herren, folgendes müssen wir dringend tun. Zu DDR-Zeiten hatten Miete und Wohnen keinen Wert. Deshalb war es z. B. nicht notwendig, Wohnungen zu tauschen, wenn sie denn zu groß waren. Dies war auch gar nicht möglich, weil der Wohnungsbestand dies gar nicht hergab.
Wenn heute z. B. eine alte Frau wünscht, aus einer großen Wohnung in eine kleine umzuziehen, dann müssen wir ihr das ermöglichen. Wenn der momentan bestehende maximale Spielraum bei Neuvertragsmieten dann für diese Frau wirksam wird, ist völlig klar, daß dann der Mietspareffekt des Umziehens weg ist. Deswegen denke ich, daß wir darüber nachdenken müssen, wie man Wohnungstausch erleichtern kann.
Drittens. Es ist festzustellen - ich habe viele Gespräche dazu in den neuen Bundesländern geführt -, daß der Umgang mit dem Begriff „ortsübliche Ver-
Dr. Michael Luther
gleichsmiete" unbekannt ist. Wir müssen wissen: Das Vergleichsmietensystem schützt den Mieter vor unkontrollierbarer Mieterhöhung im Bestandsmietvertrag.
Hier tut Aufklärung in den neuen Bundesländern not.
Ich fordere deshalb den Bundesminister auf, hierzu eine einfache und lesbare Informationsbroschüre zu erstellen.
Meine Damen und Herren, eine andere Seite will ich dabei gar nicht außer acht lassen. Auch bei der jetzt kommenden beschränkten Mieterhöhung müssen wir wissen, daß es für die Fortsetzung der Sanierungs-, der Instandsetzungs- und der Modernisierungstätigkeit in den neuen Bundesländern weiterhin staatlicher Fördermittel bedarf. Ich denke hier an KfW-Kredite, aber auch an die Kulminierung der Bundesmittel mit Landesmitteln.
Meine Damen und Herren, die Mietrechtsangleichung verlangt den Bürgern viel ab. Es ist ungewohnt, daß für Wohnen ein erheblicher Teil des Familieneinkommens ausgegeben wird. Das Mietrecht ist kompliziert, und sein Recht zu kennen, zu behaupten und auch durchzusetzen muß von vielen in den neuen Bundesländern erst gelernt werden. Auch das Suchen einer seiner persönlichen Situation entsprechenden Wohnung erfordert Zeit.
Das Mietenüberleitungsgesetz, das wir im ersten Halbjahr des Jahres 1995 verabschieden wollen, muß und kann das leisten. Wir brauchen dazu eine breite Zustimmung. Deshalb denke ich, daß wir uns in den Ausschußberatungen bemühen sollten, diese zu suchen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Iris Gleicke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor nunmehr zweieinhalb Jahren haben die ostdeutschen Bauminister mit der damaligen Bundesbauministerin den sogenannten Magdeburger Kompromiß ausgehandelt. Bestandteil dieses Kompromisses war nicht nur die Mieterhöhung nach den Grundmietenverordnungen; man vereinbarte darüber hinaus, 1995 den Übergang in das Vergleichsmietensystem in den neuen Bundesländern anpacken zu wollen.
Alle Beteiligten waren sich damals einig und sind es auch heute noch, daß es keine dritte Grundmietenverordnung geben darf. Eine dritte Grundmietenverordnung wäre nichts anderes als eine weitere flächendeckende Mieterhöhung ohne Rücksicht auf die unterschiedliche Ausstattung und Lage der Wohnungen.
Ich erinnere hier an die gängige Praxis der Wohnungsunternehmen, fast immer sämtliche Beschaffenheitszuschläge zu verlangen. Dieses Verfahren führte zwischen Vermietern und Mietern zum Teil zu erbitterten und endlosen Streitereien um den Begriff „erheblicher Mangel "; denn allein von der Definition dieses Begriffs hing es ab, ob die Beschaffenheitszuschläge erhoben werden durften.
Wir wissen, daß die Wohnungsunternehmen in den kommenden Jahren Milliardenbeträge in ihren Wohnungsbestand investieren müssen, wenn sich die Wohnqualität verbessern soll. Jedem aber, der sich nur ein bißchen mit Wohnungsfragen beschäftigt, muß klar sein, daß den Wohnungsunternehmen ab dem 1. Juli dieses Jahres noch geringere Mittel für diese dringend notwendigen Investitionen zur Verfügung stehen werden; denn ab diesem Datum müssen sie gemäß den Regelungen des Altschuldenhilfegesetzes die Kapitalkosten für die gekappten Altschulden leisten.
Wohl deshalb kam der 1. Juli 1995 als Stichtag für die Überleitung in das Vergleichsmietensystem ins Gespräch. Das erscheint zunächst einmal logisch; denn niemand hat etwas davon, wenn die Wohnungswirtschaft außerstande ist, etwas für den Bestand zu tun - ganz zu schweigen von ihrer Aufgabe, die Bevölkerung mit dringend benötigtem Wohnraum zu versorgen. Dafür aber dürfen nicht allein die Mieter zur Kasse gebeten werden. Man kann auch nicht einfach einen Stichtag für die Einführung des Vergleichsmietensystems setzen und das entsprechende Gesetz dann auf Teufel komm raus durch die parlamentarischen Instanzen peitschen wollen.
Bei diesem Gesetz geht es vielmehr darum, einen guten, vernünftigen und tragfähigen Kompromiß zwischen den berechtigten ökonomischen Interessen der Wohnungswirtschaft - übrigens auch Teilen der Bauwirtschaft - und den schutzwürdigen Interessen der Mieterinnen und Mieter in den neuen Ländern zu finden.
Einen solchen Kompromiß zu finden braucht Zeit. Die Bundesregierung hat diese Zeit verplempert. Sie hat es fertiggebracht, zweieinhalb Jahre nichts, aber auch gar nichts an Vorbereitung zu leisten.
Erst Anfang diesen Jahres kündigte Bauminister Töpfer öffentlich eine Regelung an. Eine Vorlage aus seinem Ministerium ließ weiter auf sich warten.
Nachdem der Minister mit seinen ostdeutschen Länderkollegen ein erstes Gespräch geführt hatte, in dem es um die Festlegung von Eckpunkten dieses Gesetzes ging, versprach er dem zuständigen Ausschuß des Bundestages am 18. Januar dieses Jahres,
Iris Gleicke
schnell einen Entwurf vorzulegen. Tatsächlich gingen noch weitere sieben Wochen ins Land, bis den Parlamentariern dieses Hauses ein Gesetzentwurf der Bundesregierung als Beratungsgrundlage zugeleitet wurde; denn es gab offenbar Schwierigkeiten mit dem Koalitionspartner.
Zunächst kam ein Referentenentwurf des Bundesbauministeriums und des Bundesjustizministeriums in Umlauf, der bei den Länderministern zu großem Unmut führte, weil in ihm von den getroffenen Vereinbarungen nicht viel übriggeblieben war. So wurde ein zweites Gespräch zwischen dem Bundesbauminister und den ostdeutschen Bauministern notwendig. Die daraus resultierenden zeitlichen Verzögerungen halten wir für ein starkes Stück. So kann, so darf man mit dem Parlament einfach nicht umgehen.
Ihr jetzt endlich vorliegender Entwurf, Herr Töpfer, ist leider keineswegs durchgängig von einem vertieften Verständnis der Verhältnisse in Ostdeutschland geprägt. Da heißt es in bester Bürokratenmanier z. B., daß der Anstieg der Mieten in den neuen Ländern von hohen Einkommenszuwächsen begleitet worden sei. So seien die Realeinkommen von Februar 1992 bis Juli 1994 um 22 % gestiegen. In Ihren Statistiken mag das gut aussehen. Aber die Wirklichkeit orientiert sich eben nicht an Rechenschiebern und Statistiken. Sie sieht tatsächlich anders aus
Auch Ihnen, Herr Minister, muß doch eigentlich klar sein, daß von diesen Einkommenssteigerungen nur eine Minderheit der ostdeutschen Bevölkerung profitiert hat. Sie waren doch neulich in der Gethsemane-Kirche am Prenzlauer Berg, in der „Höhle des Löwen", wie eine Zeitung schrieb. Gibt Ihnen das, was Sie dort erlebt haben, nicht zu denken? Sie haben am Prenzlauer Berg gesagt, Sie seien dort hingekommen, um zu lernen. Herr Minister, ich will Ihnen den guten Willen und die Lernfähigkeit nicht absprechen. Sie sind in den vergangenen Wochen unseren Forderungen und denen der ostdeutschen Bauminister bereits ein Stück weit entgegengekommen. So beabsichtigen Sie, den Übergangszeitraum wenigstens um ein halbes Jahr zu verlängern und eine Kappungsgrenze von 3 DM bei der Modernisierungsumlage einzuführen. Aber das reicht uns noch nicht. Wir fordern weitere Verbesserungen.
Bei den Wiedervermietungen bestehen wir auf einer Kappungsgrenze. Wir müssen auch hier dafür sorgen, daß die Kirche im Dorf bleibt. Mehr als 10 % halten wir für unzumutbar. Man erwartet von Arbeitslosen, daß sie für einen neuen Arbeitsplatz umziehen. Man möchte, daß Alleinstehende ihre großen Wohnungen für Familien mit Kindern frei machen und sich eine kleinere Wohnung nehmen. Wie soll das alles denn funktionieren, wenn die Mieten bei jeder Neuvermietung automatisch in die Höhe schnellen?
Glauben Sie im Ernst, daß dieses Problem allein mit § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes zu lösen ist? Ihnen sollte bekannt sein, daß sich dieser Paragraph in den alten Bundesländern längst als völlig untaugliches Mittel erwiesen hat.
Dieser Paragraph bezieht sich bekanntlich auf die ortsübliche Vergleichsmiete, also auf etwas, was bei uns mit dem Gesetz, über das wir hier reden, erst eingeführt werden soll. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luther?
Selbstverständlich.
Frau Kollegin Gleicke, ich habe folgende Frage. Es wird immer so viel von der Bewährung des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes geredet. Wissen Sie, wann § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes in dieser Fassung überhaupt entstanden ist, und halten Sie die seither vergangene Zeit hinsichtlich einer Bewährung für ausreichend?
Ich weiß, wann § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes in die Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland Eingang gefunden hat. Aber ich weiß auch, daß es nach wie vor keinerlei Zahlen gibt - ich habe die Bundesregierung gefragt -, wie viele Verfahren zugunsten der Kläger entschieden worden sind. Deshalb ist es nach wie vor ein untaugliches Mittel, zumal es, wie ich eben gesagt habe, im Osten noch gar keine ortsübliche Vergleichsmiete gibt. Wir wollen sie erst jetzt einführen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Braun? - Bitte.
Ich höre, daß auch Sie der Meinung sind, daß § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes im Grunde ein untaugliches Mittel ist. Verstehe ich Sie richtig, daß die SPD eventuell bereit wäre, dieses untaugliche Mittel auch wieder abzuschaffen?
Wenn wir dafür eine Kappungsgrenze bei Neuvermietungen bekommen, sind wir dazu gern bereit.
Bei den Bestandsmieten wollen wir eine Differenzierung nach Ausstattung und Beschaffenheit und eine regionale Differenzierung. Sonst bekommen wir wiederum eine flächendeckende Mieterhöhung von 20 %, und das wäre im Endeffekt nichts anderes als
Iris Gleicke
eine dritte Grundmietenverordnung, die doch niemand wollen kann. Es ist ein Unterschied, ob jemand in einer großen Stadt mit einem relativ breiten Angebot an Arbeitsplätzen oder in einem ländlichen, strukturschwachen Raum lebt. Selbst ein Sachverständiger aus Ihrer Expertenkommission, Herr Professor Wulkopf vom Institut für Wohnen und Umwelt, hat in einer unserer letzten Anhörungen klipp und klar gesagt, daß auf Grund dieser regionalen Unterschiede im Osten mancherorts längst marktübliche Mieten gezahlt werden. Dort gibt es überhaupt keinen Spielraum für weitere Mieterhöhungen.
Wir wollen den Wohnungsunternehmen wirksam helfen. Deshalb fordern wir, daß das Kumulationsverbot bei der Förderung aufgehoben wird. Wir wollen, daß die Plattenbauprogramme länger gelten und daß für Altbauten entsprechende Förderprogramme aufgelegt werden.
Eine Frage, Herr Minister: Was um alles in der Welt versprechen Sie sich eigentlich davon, die Rechte der Mieterinnen und Mieter in Ostdeutschland zu beschneiden? Die Mieter im Westen haben acht Wochen Zeit, um einer Mieterhöhung zu widersprechen; im Osten sollen es nur vier Wochen sein. Im Westen muß der Vermieter den Beweis dafür antreten, daß eine Mieterhöhung berechtigt ist; im Osten sollen demnächst die Mieter beweisen, daß die Wohnung weniger wert ist, als der Vermieter verlangt. Das stößt auf unseren entschiedenen Widerstand.
Abgesehen von Bedenken ganz grundsätzlicher Art muß das bei den ostdeutschen Mietern, gerade in der schwierigen Phase des Übergangs in das Vergleichsmietensystem, zu Angst und Unsicherheit, zu Wut und Empörung führen. Jede Regelung, die auch nur den Verdacht auf sich lenkt, die ostdeutschen Mieter gegenüber den westdeutschen zu benachteiligen, ist Wasser auf die Mühlen der populistischen Vereinfacher.
Wir müssen den Menschen die Angst nehmen, daß sie mit der Einführung der Vergleichsmiete aus ihren Wohnungen vertrieben werden.
Deshalb verlangen wir - gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund und den ostdeutschen Ländern - die Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes über 1995 hinaus.
Ihr Wohngeldvorschlag entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Mogelpackung. Die von Ihnen vorgeschlagenen Freibeträge gleichen die Verschlechterungen beim Wohngeld, die am 1. Juli eintreten, nicht aus.
Wenn das Sonderwohngeld am 31. Dezember 1995 ausläuft, gilt Ihre sogenannte Abfederung nur für ganze sechs Monate. Wollen Sie etwa die Mieterinnen und Mieter in Ostdeutschland nach diesen sechs Monaten auf das Niveau des Wohngeldes im Westen abstürzen lassen, auf ein Wohngeldniveau, das über Jahre hinweg nicht an die Entwicklung der Mietpreise und der Einkommen angepaßt worden ist?
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Wir haben in der Vergangenheit verschiedentlich erlebt, wie von diesem Parlament verabschiedete Gesetze in Ostdeutschland auf Unverständnis und Empörung gestoßen sind. Man sollte selbstkritisch sein und aus den begangenen Fehlern lernen.
Wir haben die Pflicht, die Einführung des Vergleichsmietensystems mit viel Fingerspitzengefühl zu gestalten. Dieses Gesetz muß Gerechtigkeit schaffen, ohne Unverständnis hervorzurufen. Es muß einen Interessenausgleich schaffen, ohne endlose Streitereien und Prozeßlawinen auszulösen. Es muß dem Umstand Rechnung tragen, daß eine Wohnung nicht irgendein x-beliebiges Wirtschaftsgut ist. Sie ist nicht einfach nur eine lohnende Kapitalanlage, ein Abschreibungs- oder Verlustobjekt. Für den Menschen, der in seiner Wohnung lebt, ist sie der Ort, wo er sich ein Heim schafft und seine Privatsphäre bewahrt.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Eichstädt-Bohlig.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger! Herr Minister Töpfer! Nun haben wir das - das ist in den ersten Beiträgen und letztlich indirekt sogar durch Herrn Luther gesagt worden - wirklich mit heißer Nadel gestrickte Mietenüberleitungsgesetz auf dem Tisch. Als erstes frage ich mich, was da eigentlich noch „Überleitung" heißt. Außer der Begrenzung von Erhöhungen, die durch Modernisierung bewirkt sind, sehe ich praktisch keine Oberleitungen. 15 % Mieterhöhung in anderthalb Jahren entsprechen 30 % in drei Jahren. Den Menschen im Osten wird das ohne irgendeinen Mietspiegel serviert, und rechtlich werden sie sogar noch schlechtergestellt als diejenigen, für die das westdeutsche Miethöhegesetz gilt.
Unsere Fraktion hat bereits Mitte Februar einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Es wäre wirklich gut gewesen, wenn Sie - damit meine ich die Damen und Herren von der Regierungsbank - sich diesen einmal angeschaut hätten. Wir haben Ihnen vorgemacht, wie ein sozialverträglicher Übergang erfolgen
Franziska Eichstädt-Bohlig
und gleichzeitig ein methodisch sauberes Gesetz die Überleitung in das Miethöhegesetz organisieren kann. Da hätten Sie wirklich einmal etwas lernen können.
Als zweites frage ich mich, warum Sie sich bisher noch nie das Westberliner Mietüberleitungsrecht angesehen haben. Den Westberliner Altbaumietern sind sieben Jahre Übergangszeit gewährt worden und 5 % Mietsteigerung pro Jahr sowie - wir haben es eben von Iris Gleicke gehört - mit 10 % Kappung bei Neuvermietung. Aber offenbar ist es wie mit allen bisherigen Gesetzen; auch hier gilt: Quod licet Iovi, non licet bovi; und „bovi" gilt wieder einmal für die Ostdeutschen. Ich finde das langsam peinlich.
Ich muß der Regierung acht Vorwürfe machen und sage sie ziemlich kurz und klar; denn wir haben hier immer relativ wenig Redezeit. Das hat den Vorteil, daß sie zur Prägnanz zwingt.
Der erste Punkt ist - ich sage ihn wirklich so hart und klar, wie ich ihn meine -: Das Gesetz ist ein Stück Verrat am Einigungsvertrag; die Einkommensentwicklung hält mit den geplanten Mietsteigerungen nicht Schritt.
Die heutigen Durchschnittseinkommen in den neuen Ländern liegen bei 70 % der Durchschnittseinkommen West. Über die Hälfte der ostdeutschen Haushalte ist sozialwohnungsberechtigt, 16 % sind Wohngeldempfänger, 10 % leben an und unter der Armutsgrenze.
Die Einkommenssteigerungen für dieses Jahr werden mit nominal 4,5 % und real 2 % angesetzt. Woher nehmen Sie da eigentlich die Frechheit, 15 % Mietsteigerung, 3 DM Modernisierungsumlage und Neuvermietungen an der Wuchergrenze als sozialverträglich zu bezeichnen? Ich halte das schlicht für skandalös.
Auf diese Art treiben Sie Tausende von Mietern ins Wohngeld, das Sie dann aber nicht gewähren. Der Effekt ist: Sie treiben die Mieter in großer Zahl in die Sozialhilfe. An der Stelle ist Ihr Gesetzestext bzw. die Einleitung über den Faktor Kosten entlarvend - auch wenn Sie nicht bereit sind, die ganze Wahrheit darzustellen -: Im Endeffekt sollen die ostdeutschen Kommunen wieder das ausbaden, was die Bonner ihnen einbrocken.
Der zweite Punkt: Die sogenannte Übergangsfrist ist skandalös kurz. Ich habe es eben gesagt: Unser Gesetzentwurf sieht fünf Jahre Übergang vor. Alle Experten sagen, daß ein Übergang von fünf Jahren die einzige seriöse untere Marge ist. Den Westberlinern wurden sieben Jahre gewährt. Doch den Menschen im Osten wird wieder einmal im Hauruckverfahren gezeigt, wie die Segnungen und die Härten der Marktwirtschaft in der Realität aussehen.
- Herr Kansy, Sie können es ja das nächste Mal besser machen.
- Die Anhörung zum Mietrecht kommt erst noch.
Der dritte Punkt - darauf hat auch Frau Gleicke eben schon hingewiesen -: Die Mieterhöhungen werden wieder einmal nach dem Gießkannenprinzip gewährt. Eigentlich haben wir eine Art dritte Grundmietenerhöhung; pauschaler geht es nicht. Ich finde es charmant, wie Herr Luther sagt: Die Vermieter brauchen keine Mieterhöhung vorzunehmen; sie dürfen es nur. Es hängt sozusagen von ihrer Gnade ab, ob sie es nicht machen.
Tatsache ist, daß in Ihrem Entwurf zum Mietrecht weder nach Lage noch nach Wohnwert, noch nach Gemeindegröße unterschieden wird. Alle dürfen zulangen - sie müssen natürlich nicht. Auch die, die schon satte Modernisierungsumlagen kassiert haben, dürfen noch einmal voll ins Klavier reingreifen. Beschaffenheitszuschläge gibt es sowieso noch dazu. Da werden Grundmietenverordnungen mit dem Miethöhegesetz gemixt, daß es toller nicht geht.
Das einzige: Für Substandardwohnungen werden 5 % Abschlag gefordert, und bei Einfamilienhäusern und Wendewohnungen dürfen es 5 % mehr sein. Wie aus diesem Mix ein Mietspiegel entstehen soll, ist mir schleierhaft. Im Endeffekt zeigt sich, daß die Neumieter gebraucht werden, um den Mietspiegel nach oben zu treiben.
Unser Gesetz sieht demgegenüber differenzierte Mieterhöhungen nach Wohnwert, Lage und Gemeindeklassen vor, also das, was auch methodisch gefordert wird, was Sie selber nach § 11 des Miethöhegesetzes zitieren.
Entscheidend ist in unserem Gesetz: Wir kappen die Mieten durch klare Mietobergrenzen, während sie bei Ihnen nach oben schießen und sprießen dürfen, wie es nur geht. Ich denke, klare Mietobergrenzen sind genau das, was die Menschen brauchen, sowohl um der Klarheit willen als auch um einer Sicherheit willen, um die Mieten überhaupt kalkulierbar zu halten.
- Das ist das erste; aber die Wohnungen müssen auch bezahlbar sein, Herr Kansy.
Die Mieterhöhungen für Modernisierung sind zunächst auf 3 DM pro Quadratmeter begrenzt. Im Endeffekt kommt mindestens noch 1 DM für die Modernisierungswünsche des Gesetzgebers hinzu. Nach zweieinhalb Jahren Befristung kann weiter zugelangt werden. Also, jeder Hausbesitzer wird entspre-
Franziska Eichstädt-Bohlig
chend kalkulieren, und die nächsten 3 DM pro Quadratmeter Mieterhöhung kommen dann zum 1. Januar 1998. Das ist doch kein Übergangsgesetz, sondern das ist ein Betrug an den Menschen.
Zur Freigabe der Betriebskosten will ich aus Zeitgründen jetzt nichts sagen. Aber auch das wird ein Problem werden, weil die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Betriebskostenfreigabe überhaupt noch nicht gegeben sind.
Jetzt komme ich zu dem Punkt, den ich wirklich am allerschlimmsten und gemeinsten finde, und es war toll, daß Iris Gleicke das schon etwas deutlicher ausgeführt hat. Ich sage es einmal so hart, wie es ist: Die Wohnungssuchenden werden als Trüffelschweine zum Hochtreiben der Mietspiegel mißbraucht, und das ist wirklich ein politischer Skandal.
Nach den Regelungen des Miethöhegesetzes, wie es auch im Westen gilt, werden die Schwächsten am Wohnungsmarkt, die Wohnungssuchenden, den dreistesten und kaum kontrollierbaren Mietforderungen ausgesetzt. Die Diskussion über die Wirkungsfähigkeit des Wucherparagraphen ist hier ja schon geführt worden. Das ist Ausdruck von fast atemberaubendem wirtschaftlichen Machtmißbrauch. Das kann man überhaupt nicht mehr mit dem Begriff Marktwirtschaft kennzeichnen.
- Ich trage so dick auf, um klarzumachen, was das für die Menschen eigentlich bedeutet, und ich fände es gut, wenn Sie sich das auch einmal klarmachten, worum es geht.
Die Tatsache, daß der Gesetzgeber diesen Markt- und Machtmißbrauch rechtlich sanktioniert und darüber sogar das gesamte Regelwerk permanenter Mietsteigerungen legitimiert, sagt wirklich ziemlich viel über die moralische Verfaßtheit unserer Gesellschaft aus. Ich fände es gut, wenn Sie einmal ernsthaft darüber nachdächten, was dieses Miethöhegesetz eigentlich im Kern politisch besagt.
Ganz nebenbei - auch das ist eben dargestellt worden - ist es volkswirtschaftlich, wohnungswirtschaftlich und ökologisch widersinnig; denn viele Mieter werden gezwungen, einfach in zu großen Wohnungen zu bleiben.
Ein weiterer Punkt: Das Gesetz ist juristisch unsauber formuliert und provoziert vielfachen Rechtsstreit. Die Fristen für die Mieterhöhungen sind ungünstiger als im Westen, Mieter mit neuem Vertrag haben praktisch gar keine Chance zum Widerspruch, die Freigabe der Betriebskostenumlage zwingt zu Rechtsstreitereien, und der Mieter selbst trägt noch die Beweislast, wenn er sich nicht mit einer Mieterhöhung einverstanden erklären will.
Der nächste Punkt: Die Wohngeldregelung - dazu wird hoffentlich von anderen Kollegen noch mehr gesagt - ist mehr als beschämend. Sie berufen sich immer darauf, daß die Wohngeldregelung die Probleme auffängt. Tatsache ist, daß nicht einmal das aufgefangen wird, was zum 1. Juli an Wohngeld gekürzt wird. Das Ganze ist bis Ende Dezember dieses Jahres befristet. Was danach kommt, weiß kein Mensch; das steht einmal wieder in den Bonner Sternen. Ich habe es eben schon betont: Die Mieter werden in die Sozialhilfe getrieben; denn die Sozialhilfe bietet als einziges Instrument sicheres Wohngeld. Das finde ich beschämend.
Das größte Bubenstück in Sachen Wohngeld ist: Um die von Ihnen vorausgeschätzten 63 Millionen DM an Wohngeldbedarf für dieses halbe Jahr zu bekommen, haben Sie schlicht 43 Millionen DM aus dem ohnehin mickrigen Etat des ostdeutschen sozialen Wohnungsbaues herausgeholt. Das ist schlicht eine Schweinerei.
Wir haben ja den Antrag gestellt, daß das neue Mietrecht mit der Wohngelderhöhung einhergehen muß. Aber das, was Sie jetzt als Wohngeldverbesserung anbieten, ist mehr als peinlich.
Der siebte Punkte betrifft eine Grundsatzfrage: Wo bleiben die Sozialwohnungen Ost? Mit dem Altschuldenhilfegesetz und dem jetzigen Mietüberleitungsgesetz bezwecken Sie zugleich, daß in Ostdeutschland kein Bestand an Sozialwohnungen mit dauerhaften Miet- und Belegungsbindungen eingeführt wird. Die historisch einmalige Chance, hier unterschiedliche Rechtskonstruktionen für städtische und genossenschaftliche Wohnungen sowie private Mietwohnungen zu schaffen, wird von Ihnen trotz aller Warnungen systematisch vertan. Wenn von Ihnen das Auslaufen der Sozialbindungen West beklagt wird, dann müssen Sie sich fragen lassen, was Sie für die Sozialbindungen Ost tun.
Mein letzter Punkt: Für die Finanzierung der baulichen Erneuerung braucht man mehr Phantasie und darf sich nicht auf Mieterhöhungen beschränken. Wir haben mehrfach gefordert und werden es auch im Jahressteuergesetz tun, daß endlich auch Privatdarlehen in zinsgünstiger Form mit Steuerbegünstigung für die ostdeutsche Wohnungswirtschaft bereitgestellt werden, damit nicht immer nur der Vermögenstransfer in Richtung Westen und der Verkauf an westdeutsche Kapitalanleger subventioniert werden. Auch hier fordern wir Sie auf, endlich etwas mehr politische Phantasie zu entwickeln und unsere Ideen ernsthaft zu prüfen.
Unsere Forderungen und Vorschläge sind einfach: Nehmen Sie unseren Gesetzentwurf für ein fünfjähriges Mietüberleitungsrecht zur Grundlage der weiteren Arbeit - das ist meine erste Empfehlung -, geben
Franziska Eichstädt-Bohlig
Sie dem Wohngeld eine solide Grundlage und vor allem Kontinuität - auch das ist nötig -, schaffen Sie endlich einen Sozialwohnungsbestand Ost, und fassen Sie den Mut zu neuen Finanzierungsformen für die Sanierung und den Wohnungsbau Ost. Last, but not least: Das Miethöhegesetz West, das auch hier für viele Mieter unerträgliche Bedingungen bringt, muß endlich im Interesse der Mieter reformiert werden. Ich fände es gut, wenn Sie über die Argumente auch einmal nachdächten und nicht immer nur pauschal dagegenstünden.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Frau Eichstädt-Bohlig, wir werden auf Ihren Vorschlag nicht eingehen
und Ihren Gesetzentwurf nicht zur Grundlage der Beratungen machen; denn er bietet keine Hilfestellungen bei der schwierigen Herausforderung, die wir zu bewältigen haben, nämlich in einem überschaubaren Zeitraum von dem jetzt noch preisgebundenen, dirigistischen Mietensystem, wie wir es in der ehemaligen DDR hatten - wir haben versucht, es zunächst einmal durch Grundmietenverordnungen etwas umzubauen,
ohne wirkliche Änderungen vornehmen zu können -, wegzukommen hin zu einem Vergleichsmietensystem, das erst dann, wenn die Übergangsfrist abgelaufen sein wird, nämlich in zweieinhalb Jahren, zu greifen beginnt: im Jahre sieben nach der deutschen Einheit. Ich glaube nicht, daß man hier den Vorwurf erheben kann, wir versuchten nicht wirklich - gerade auch unter Berücksichtigung des so wichtigen Zeitfaktors -, einen Interessenausgleich vorzunehmen, und zwar einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Mieter und den berechtigten Interessen der Vermieter. Letztere sind in Ihren Ausführungen überhaupt nicht aufgetaucht.
Sie sagen: Wir brauchen eine funktionierende Wohnungswirtschaft mit gut ausgestattetem Wohnungsbestand, am besten zu ganz niedrigen Preisen. Aber dann muß man auch einmal die Frage beantworten: Wie wollen wir das erreichen?
Das geht nur, wenn wir eine funktionierende Wohnungswirtschaft, auch und gerade in den neuen Bundesländern, haben und alles tun, um nicht Blockaden, Hemmnisse aufzubauen, die letztendlich dazu führen können, daß es zu einem Investitionsstopp kommt; daß gerade die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen, die wir alle gemeinsam wollen, nicht vorgenommen werden; daß es damit teilweise bei dem qualitativ sehr schlechten Wohnungsbestand, den wir in den neuen Bundesländern - regional unterschiedlich - haben, noch längere Zeit bleibt. Daß wir beides nicht gleichzeitig bekommen, ein Mietenniveau, wie es jetzt ist, und Modernisierung und damit besser ausgestattete Wohnungen, das wissen wir, glaube ich, alle.
Deshalb ist die Zielvorgabe, in einem angemessenen Zeitraum zum Vergleichsmietensystem zu kommen, richtig. Richtig ist auch die Zielvorgabe, mit möglichst wenig Folterinstrumenten zu arbeiten, die zum einen natürlich die Mieter betreffen können. Dazu gehören gerade auch Kappungen; denn Kappungen sind nicht nur etwas Mieterfreundliches, sondern sie verleiten gerade dazu, daß man sie voll ausschöpft - zu Lasten des Mieters.
Auf der anderen Seite führen Kappungen natürlich dazu, daß die Vermieter im Zweifel nicht das tun, was sie aus ihrer Verantwortung - und nicht aus Gründen der Ausbeutung - für den Wohnungsbestand wirklich tun wollen.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir diese beiden berechtigten Anliegen berücksichtigen. Das tut der Entwurf der Koalitionsfraktionen, auch wenn man von einzelnen Lösungsansätzen bestimmt unterschiedlich begeistert sein kann.
Die Mieterhöhungen, die hier vorgesehen sind, sind wirklich moderat; denn es sind maximal 15 % ab Juli 1995 bzw. ab dem - rechtzeitigen - Inkrafttreten des Gesetzes. Aber da auch wir nach der Ausstattung und dem Zustand der Wohnung differenzieren, kann es sein, daß gerade bei Wohnungen ohne Bad und ohne Zentralheizung nur eine Mieterhöhung von maximal 10 % zulässig ist. Hinzu kommt dann noch eine 5%ige Mieterhöhung zu einem späteren Zeitpunkt, so daß nach den Vorgaben, die in unserem Gesetzentwurf enthalten sind, in zweieinhalb Jahren eine Mieterhöhung von 15 % - das bedeutet also eine Mieterhöhung zwischen 25 und 45 DM, maximal 50 DM - zu erwarten ist. Eines wird meist nicht erwähnt oder geht in der Diskussion vollkommen unter: Bei Wohnungen und Häusern mit ganz erheblichen Mängeln wird überhaupt keine Mieterhöhung zugelassen.
Ich meine, daß wir uns mit dieser Staffelung auch im Bereich dessen bewegen, was für die Mieter sehr wohl verträglich ist - denn es werden Erhöhungen durch die Wohngeldsonderregelungen aufgefangen -, was aber auch unter dem Gesichtspunkt einer funktionierenden Wohnungswirtschaft gerade noch hingenommen werden kann, denn die Erhöhungen werden sich auf durchschnittlich 70 Pfennig pro m2 belaufen.
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Die Belastung durch das Auslaufen des Altschuldenmoratoriums wird durchschnittlich bei 1 DM liegen.
Sicher, es gibt Härtefälle. Es gibt auch Fälle, wo wir vielleicht überhaupt keine Kappungen brauchen. Aber wir müssen uns an statistischen Werten orientieren und versuchen, durch die Regelungen, wie wir sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen haben, durch die Wohngeldsonderregelung flexibel reagieren zu können.
Auch ich halte die vorgesehenen Modernisierungsmöglichkeiten für notwendig. Hier arbeiten wir mit dem Instrument der Kappung auf 3 DM je m2 Wohnfläche pro Monat, um die Mieterhöhungen in einem bestimmten Bereich zu belassen. Für diese Kappungsgrenze gilt das, was ich zu Anfang generell zu Kappungsregelungen gesagt habe. Wir tragen diese Kappungsregelung von 3 DM mit. Wir finden es auch richtig, daß der Gesetzentwurf vorsieht, daß hier die staatlich initiierten Maßnahmen zur besseren Ausstattung und Modernisierung der Wohnungen, gerade im Zusammenhang mit dem Wärmeschutz, von dieser Kappungsgrenze ausgenommen worden sind.
Der dritte Eckpfeiler des Gesetzentwurfes, der bei der Opposition besonders auf Kritik stößt, zeigt aus meiner Sicht in die richtige Richtung, nämlich bei Neuvertragsmieten nicht noch andere Regelungen in unser Mietrecht aufzunehmen, als wir sie derzeit schon haben. Da kann man sich sehr wohl einmal intensiv über den § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes unterhalten. Das war damals ein Kompromiß, über den man auch unterschiedlicher Meinung sein konnte. Auch ich finde ihn nicht glücklich, aber die Alternative, die Sie dazu sehen, ist, generell Kappungsgrenzen - 10 % sind im Gespräch - für Neuvermietungen ins Miethöhegesetz aufzunehmen
mit dem Ziel, das natürlich nach Ablauf der Übergangszeit am liebsten generell in unser Mietrecht hineinzunehmen. Da kann ich nur sagen: Das halte ich für politisch vollkommen verkehrt. Das ist ein Weg, den wir auf keinen Fall beschreiten wollen.
Wir sind der Meinung, daß wir, wenn wir das Vergleichsmietensystem haben und in den neuen Bundesländern in das Vergleichsmietensystem kommen wollen, die Chancen nutzen müssen, daß sich dort überhaupt Vergleichsmieten entwickeln. Das ist zunächst nur in einem kleinen Bereich der Fall. Ungefähr 5 bis 6 % des Wohnungsbestandes werden es sein. Daß es hier nicht zu Wuchermieten kommen kann, daß es hier nicht zu Mieten kommt, wo erst luxussaniert wird, die Menschen vertrieben werden und dann utopische Mieten gefordert werden, ist aus meiner Sicht ganz klar schon darin zu sehen, daß wir im Wirtschaftsstrafgesetz eine generelle Kappungsmöglichkeit - wie immer man zu dieser Regelung stehen mag - haben. Diese Bestimmung wird auch in den neuen Bundesländern gelten.
Aber wenn wir überhaupt nicht die Chancen nutzen, einmal in ein Vergleichsmietensystem schrittweise hineinzukommen und Mieten sich entwickeln zu lassen und frei vereinbar zu machen, dann werden wir in zwei oder zweieinhalb Jahren hier stehen und sagen: Jetzt machen wir am liebsten das System der Grundmietenverordnung; der Staat legt Mieten fest; im Zweifel kappen wir alles, und der Rest wird subventioniert durch den Bundeshaushalt.
Das ist aus meiner Sicht ein falscher Weg. Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gregor Gysi.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Immer dann, wenn man über Mietrecht, über Wohnungsbaupolitik spricht, stößt man an eine Grundfrage, um die man sich auch nicht drücken sollte - nicht bei uns, nicht bei der SPD, nicht bei den GRÜNEN, allerdings auch nicht bei Konservativen -, nämlich an die Frage: Als was betrachtet man denn nun letztlich die Wohnung? Betrachtet man sie als ein Marktobjekt oder als ein Sozialobjekt, oder ist man unfähig, sich zwischen beidem zu entscheiden?
Ich darf daran erinnern, daß die UNO einmal einen Beschluß gefaßt hat, daß die Wohnung ein Sozialobjekt zu sein hat; denn sie dient in erster Linie der Befriedigung sozialer und kultureller Bedürfnisse; sie stellt meines Erachtens ein Grund- und ein Menschenrecht dar.
Ihre gesamte Mietpolitik geht in eine völlig andere Richtung. Sie geht in die Richtung, die Wohnung immer mehr zu einem Marktobjekt zu machen, zu einer Verdienstmöglichkeit, zu einer Kapitalanlage, und sie eben nicht in erster Linie als etwas anzusehen, das der Befriedigung eines sozialen Grundbedürfnisses dient.
Das war in der Bundesrepublik nicht immer so. Ich darf daran erinnern, daß bis 1960 in der Bundesrepublik 6 Millionen Wohnungen gebaut wurden, darunter 3,6 Millionen Sozialwohnungen. Erst zu diesem Zeitpunkt ist dann schrittweise das Vergleichsmietensystem eingeführt worden - übrigens mit erheblichen Übergangsfristen. Seitdem haben wir es mit einer unerträglichen Mietenexplosion in den alten Bundesländern zu tun. Wohnen wird immer mehr zum Luxus, obwohl es doch ein soziales Grundbedürfnis ist.
Deshalb habe ich auch meine Bedenken. Die Mieten- und die Wohnungsbaupolitik der DDR waren in
Dr. Gregor Gysi
der alten Form nicht länger durchsetzbar. Das ist völlig klar.
Da bedurfte es grundlegender Korrekturen.
Aber ich sage Ihnen auch folgendes: Ihre West\x7fietenpolitik kann mich keineswegs überzeugen.
Wenn wir nicht in der Lage sind, eine Vereinigung zu nutzen, um über etwas Neues nachzudenken,
sondern immer wieder nur den Maßstab der alten Bundesländer ansetzen, dann führt das auch zu einer entsprechend verfehlten Politik in den neuen Bundesländern.
Allein in diesem Winter erfroren 19 Männer und Frauen, die kein Dach über dem Kopf hatten. Ca. 800 000 Menschen sind obdachlos, darunter 50 000 Kinder. Es fehlen 2 Millionen Wohnungen. Vor allem bei Neuvertragsmieten sind Preise von 15 bis 25 DM pro Quadratmeter in den Ballungsgebieten der alten Bundesländer inzwischen die Regel.
Das soll das Vorbild sein? Dahin sollen wir auch in den neuen Bundesländern kommen? Das soll ein Anreiz sein? Ich glaube, dem muß ein Riegel vorgeschoben werden, um so etwas zu verhindern.
Keine der Chancen, die es gab, ist genutzt worden. Betrachten wir doch einmal den volkseigenen Wohnungsbestand: Wer hat eigentlich die Bundesregierung, die Koalitionsmehrheit daran gehindert, daraus einen beachtlichen Bestand an Sozialwohnungen zu machen?
Das wäre doch möglich gewesen.
Nicht die Hälfte der Wohnungen, nicht ein Drittel, nein, nicht eine einzige dieser Wohnungen ist zur Sozialwohnung erklärt worden, sondern nur die, die seitdem neu gebaut worden sind; das sind 50 000. Das heißt, wir haben so gut wie überhaupt keine Sozialwohnungen in den neuen Bundesländern, obwohl es dafür eine einzigartige Möglichkeit gegeben hätte.
Noch nie war die Bundesrepublik Deutschland in so großem Umfang Eigentümer von Wohnungen. Man hätte das realisieren können, aber Sie haben das sehr absichtsvoll verstreichen lassen, nämlich um jetzt die Mieten entsprechend anzuheben.
Sie begründen die Notwendigkeit von Mietsteigerungen u. a. mit Investitionen. Aber die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern sehen: Seit 1990 ist ganz beachtlich saniert worden. Also muß es ja auch mit den bisherigen Mieten gegangen sein. Sie können sie nicht davon überzeugen, daß Mietsteigerungen zwingend erforderlich sind, um bestimmte Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.
Es gibt noch ein zweites Argument, das noch viel wichtiger ist: Die Genossenschaften können deshalb so wenig Sanierungsmaßnahmen durchführen, weil noch immer die Altschulden auf ihnen lasten. Dabei waren es doch Sie, die sich geweigert haben, eine Regelung zu finden, die die Genossenschaften endgültig von den Altschulden entlastet und ihnen damit Sanierungs- und Baumöglichkeiten gegeben hätte.
- Wissen Sie, Sie müssen in Ihrer Polemik immer aufpassen, daß Sie sich nicht zu sehr widersprechen. Ich sage Ihnen einmal ein Beispiel: Seit 1990 erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern in den neuen Bundesländern, daß ihre Wohnungen in einem miserablen Zustand sind - marode!
- Ja, danke schön. Ich habe dem nie widersprochen. Ich frage mich nur, wie Sie dann dazu kommen, solche maroden Dinger für einen Quadratmeterpreis von 2 000 DM zu privatisieren,
und wie Sie darauf kommen, dann dafür Mieten zu nehmen, als ob es sich um Luxuswohnungen handeln würde.
Was denn nun? Entweder Sie reden die Wohnungen herunter, dann müssen Sie auch die alten Mieten lassen;
oder Sie reden die Wohnungen dann hoch, wenn Sie die Mietsteigerungen durchführen wollen!
Dr. Gregor Gysi
- Wenn Sie etwas fragen wollen, müssen Sie sich an das Mikrophon begeben.
Ich nenne Ihnen noch einen Vergleich, den Sie natürlich auch nie zitieren. Von Januar 1991 - Ausgangspunkt sind die DDR-Zahlen - bis Januar 1994 sind die Nettoeinkünfte in den neuen Bundesländern um 82 % gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die Mieten um 626 % gestiegen.
Sie können mir nicht im Ernst erzählen, daß das sozial angemessen und einkommensverträglich ist.
Jetzt wollen Sie ab 1. Juli die Mieten durchschnittlich um 15 %, in einigen Fällen - bei Einfamilienhäusern - sogar um 20 % erhöhen. Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie die Ist-Zahlen sind, da Sie es ja flächendeckend gestalten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ermittelt, daß die Mieten in Gemeinden mit unter 2 000 Einwohnern inzwischen bei 90 % des Westniveaus liegen, bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die freistehend sind, bei 97 % des Westniveaus. Da hauen Sie noch einmal 15 bis 20 % drauf! Sie müssen sich doch überlegen, was dabei herauskommt: eine Miete, die weit über dem Westniveau liegt.
Was Sie immer vergessen, sind die sogenannten Nebengebühren. Denn die Betriebskosten steigen erheblich und werden ja auch auf die Miete aufgerechnet. Hinzu kommen die Wasser- und Abwassergebühren.
Wir haben in den neuen Bundesländern jetzt schon einen Preis von 3,50 DM pro m3 Wasser, im Westen von 2,50 DM. Das heißt, das alles ist schon teurer, obwohl die Einkommen nach wie vor wesentlich niedriger sind. Und sie wollen die Preise noch einmal steigern!
Wenn Sie sagen, das Ganze sei sozial verträglich, will ich Sie auch noch an zwei andere Zahlen erinnern. Von weiblichen Personen unter 65 Jahren müssen 55 V. Wohngeld in Anspruch nehmen. Bei weiblichen Personen von 65 und mehr Jahren handelt es sich um 45,9 %, bei Alleinerziehenden um 47,2 %.
Herr Kollege Gysi, Ihre Redezeit ist weit überschritten.
Ich bin sofort fertig.
Abgesehen davon, daß Sie das Wohngeld noch kürzen, müßte es doch selbst Ihnen zu denken geben: Es kann etwas mit dem Mietensystem nicht stimmen, wenn man bei solchen Gruppen an die Hälfte der Personen Wohngeld zahlen muß.
Deshalb sage ich Ihnen: Sie wollen, daß die Mieten explodieren. Wir werden dafür kämpfen, daß die Mieter explodieren und nicht zulassen, daß die Mietsteigerungen, die Sie einplanen, Realität werden.
Das Wort hat jetzt der Kollege Hildebrecht Braun.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gysi,
ich glaube, wir sollten einmal gemeinsam ein wohnungswirtschaftliches Grundlagenseminar besuchen. Danach hätten wir es miteinander viel leichter.
Denn ich habe das dringende Gefühl, daß hier eine ganze Menge Nachholbedarf da ist. Ich werfe Ihnen das nicht vor. Sie sind ja für so viele Bereiche zuständig.
Aber man sollte einfach einmal Grundkenntnisse in diesem Bereich an Land ziehen, damit man es leichter hat, hier sinnvoll zu sprechen.
Meine Damen und Herren, von einem guten Anwalt erwartet man, daß er sowohl die Pro-Seite als auch die Gegenseite vertreten kann. Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf am liebsten nur die Kontra-Seite vertreten. Nachdem aber die für die Kontra-Seite zuständige Opposition aus einem ganz anderen, nämlich dem entgegengesetzten Blickwinkel Kritik am vorliegenden Entwurf übt, will ich zu Beginn auf die drei Pluspunkte hinweisen, die dafür entscheidend sind, daß auch wir von der F.D.P. den Entwurf, wenn auch mit großen Bedenken, mittragen.
Erstens. Der Gesetzentwurf zeigt zumindest in die richtige Richtung. Er enthält erste Ansätze für eine Überleitung des staatlich festgelegten Mietenniveaus in das System der Vergleichsmiete. Dieses Vergleichsmietensystem - das möchte ich ganz deutlich sagen - ist zwar auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Es ist aber eben um Längen besser als jedes Grundmietenverordnungssystem.
Zweitens. Die Wohnungsgesellschaften, die ab dem 1. Juli 1995 die ohnehin in einem deutschlandweiten Vergleich geringen Altschulden von 150 DM pro m2 verdienen müssen, bekommen wenigstens einen Teil dieses zusätzlichen Aufwandes erstattet.
Hildebrecht Braun
Drittens. Ganz schlicht: Es hätte noch viel schlimmer kommen können. Einige Fehler im Konzept konnten in den letzten Wochen abgemildert werden. Insofern ergeben sich, wie gesagt, eben doch drei unbestreitbare Pluspunkte.
Dennoch, die große Freude will bei dem Gesetzentwurf nicht aufkommen. Wenn wir nämlich den Entwurf an einem guten Gesetz mit dem liberalen Gütesiegel messen, müssen wir feststellen:
Erstens. Statt einer Mietrechtsbereinigung bekommen wir nicht zuletzt wegen der uneinsichtigen Ministerpräsidenten in den neuen Bundesländern eine massive Verkomplizierung. Statt weniger Staat im Mietrecht gibt es mehr Staat,
nämlich in Form von Kappungsgrenzen, die neu eingeführt werden.
Erstmals im deutschen Mietrecht wird bei der Modernisierung eine Kappungsgrenze eingeführt. Man reibt sich verwundert die Augen, daß ausgerechnet in den neuen Bundesländern, wo Hunderttausende von unsanierten Wohnungen dringendst der Modernisierung bedürfen, damit nicht komplette alte Stadtteile endgültig zerfallen, die Modernisierung massiv erschwert wird. Ist nicht bereits viel zuviel alte Wohnsubstanz, die den Charakter der schönen ostdeutschen Städte ausmacht, im Krieg kaputtgegangen? Ist nicht nach dem Krieg in einer zweiten Zerstörungswelle ein erheblicher Teil der schönen alten Städte, z. B. in Gera, plattgemacht worden, um Fläche für die Architektur der neuen Zeit, nämlich die Platte, zu gewinnen? Müssen wir nun in einem dritten Durchgang mit ansehen, daß erhaltbare, denkmalwürdige Altbausubstanz durch staatliche AntiSanierungspolitik dem Verfall preisgegeben wird?
Jeder Praktiker weiß, daß eine vernünftige Modernisierung von Wohnungen mit Wärmeschutzfenstern, Heizung und Innenbad eben nicht mit 327 DM Modernisierungsaufwand pro m2 zu schaffen ist. Das aber wird die Grenze bei 3 DM modernisierungsbedingter Mieterhöhung pro m2 sein. Es wird also wegen der Kappung deutlich weniger Modernisierungen geben, und diese werden auch noch in Raten erfolgen müssen. Die Konsequenz: Die Mieter werden mehrmals hintereinander durch Umbauten belastet und belästigt, und die Sanierung wird viel, viel teurer.
Ich möchte auch eines deutlich machen. Viele Betriebe, die sich in den letzten vier Jahren in den neuen Bundesländern im Ausbaugewerbe eine Existenz aufgebaut haben, Betriebe mit weit mehr als 10 000 Mitarbeitern, werden in ihrer Existenz gefährdet; sie werden nicht überleben können,
weil zwar Arbeit da ist, die Aufträge aber mangels Rentierlichkeit nicht erteilt werden können.
Welch ein klägliches Bild gibt eine Baupolitik ab, die auf der einen Seite eine Modernisierung steuerlich fördert und sie auf der anderen Seite mietrechtlich ebenso massiv behindert.
Soll wirklich das Markenzeichen der Wohnungspolitik der kommenden Jahre die Widersprüchlichkeit sein - statt Klarheit über Konzepte und Finanzierung?
Wir geben mit den scheinbar mieterfreundlichen Kappungsgrenzen bei der Modernisierung den Mietern Steine statt Brot. Es gilt das, was die Sachverständigen von rechts bis links gesagt haben: Kappungsgrenzen sind nicht hilfreich. Sie richten sich gegen den Markt; sie richten sich gegen Investitionen; sie richten sich letztlich gegen die Mieter selbst.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Großmann?
Bitte sehr.
Herr Braun, ist Ihnen das Gutachten bekannt, das die Bundesregierung selbst in Auftrag gegeben hat und aus dem hervorgeht, daß sich fünf Sechstel der Modernisierungen in den neuen Bundesländern in dem Bereich von 1,52 DM und 2,12 DM pro m2 abgespielt haben?
Es ist ja eigentlich kein Gutachten, sondern die Stellungnahme einer Bank, die bei der Finanzierung kräftig mitgewirkt hat. Diese Angaben sind mir wohlbekannt. Sie sind aber außerordentlich unrealistisch, wenn es darum geht, zu erkennen, was im Einzelfall zu tun ist. Es ist ein Riesenunterschied, ob wir große Bestände in einem Aufwasch sanieren können oder ob wir sehr viel schwierigere Altbaubestände vor uns haben, bei denen individuell vorgegangen werden muß. Mit einem Aufwand von 20 000 DM - sagen wir es deutlich - läßt sich eine 60 qm große Wohnung mit Außentoiletten auf dem Halbstockwerk eben nicht in den Zustand bringen, der langfristig dringend notwendig ist, damit die Mietbedingungen angeglichen werden.
- Bitte sehr, Frau Gleicke.
Herr Kollege Braun, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sich um ein Gutachten handelt, das von einer Expertenkommission der Bundesregierung und nicht von einer Bank angefertigt wurde? Und sind Sie des weiteren bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß das, was der Kollege Großmann geschildert hat, in den letzten zwei Jahren Praxis war?
Erinnern Sie sich an die Anhörung, die wir erst vor wenigen Tagen zu diesem Zusammenhang hatten! Nahezu alle Sachverständigen äußerten sich vor dem Bauausschuß dahin gehend, daß die Modernisierung durch die Kappungsgrenze in Höhe von 3 DM massiv behindert wird. Ist Ihnen das noch erinnerlich?
Ich möchte eines nochmals deutlich machen: Wir Liberalen wollen keine „Luxusmodernisierungen",
was immer sich dahinter verbergen mag.
Wir wollen aber die notwendige und sozial verträgliche Heranführung des Wohnstandards Ost an den Wohnstandard West.
Ich möchte einige weitere Bedenken gegen den angesprochenen Gesetzentwurf deutlich machen: Wir haben Bedenken gegen die für viele Teilräume in den neuen Bundesländern zu geringen und insbesondere zu pauschalen Mietanhebungsspielräume. Es wird nicht nach Einkommen differenziert. Wohlhabende zahlen dasselbe wie diejenigen, die sich die Miete nur unter größten persönlichen Opfern leisten können. Warum dieser Schutz für Leute mit höherem Einkommen? Wir lassen den Wohnungsgesellschaften aber nicht einmal eine Chance zur Abdeckung der Verpflichtungen aus der Altschuldenhilfe durch die neue Miete. Mit welchem Recht setzt der Staat den Vertragspartnern solche Grenzen? Führen diese scheinbar mieterfreundlichen Bestimmungen nicht wieder zu einer Verknappung des Guts Wohnung?
Hier wird ein falsches Signal an die Mieter gerichtet: Es sei nur eine Frage des guten Willens der Politiker, dafür zu sorgen, daß jedermann, unabhängig von seinem Einkommen, in jeder Stadt auf Dauer für DM 5,50 pro qm in renovierten und sanierten Wohnungen wohnen könne. Diese Botschaft wird sich rächen; denn zukünftig notwendig werdende Mieterhöhungen werden von den Mietern noch viel weniger verstanden und akzeptiert werden als die jetzt vorgesehenen Erhöhungsspielräume. Außerdem erschweren wir die nötige und angeblich von allen hier im Hause gewollte Privatisierung, weil bei gesichert niedrigen Mieten jeder Kaufanreiz entfällt.
Ich möchte im Zusammenhang mit dem vorliegenden Entwurf auch etwas zum § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes sagen: Ich halte diesen Passus für juristisch bedenklich und wohnungspolitisch verfehlt. Er behindert den Übergang zur Marktmiete - der aber auf Dauer notwendig sein wird - und verstellt den Blick für die Realitäten. Da das Wohngeldsondergesetz Ost von der Koalition verlängert wird, ist die Sozialverträglichkeit der erforderlichen Mietanpassungen mindestens so gut gewährleistet wie in den Brennpunkten der Wohnungsproblematik in Deutschlands Westen. Klagen über zu hohe Neumieten sind deshalb unberechtigt.
Herr Kollege, Sie müssen leider zum Schluß kommen.
Ich möchte nur noch einen Punkt zum Schluß ansprechen. Ich glaube, daß das Zustimmungsverfahren, welches im Gesetzentwurf vorgesehen ist, zur Folge hat, daß den Mietern Steine statt Brot gegeben wird. Tausende und Abertausende werden die unterschriebenen neuen Mietverträge nicht rechtzeitig zurücksenden. Sie werden alle vor den Richter gezerrt werden, und das wird im Einzelfall zu riesigen Problemen führen. Das können wir so nicht wollen. Ich hoffe, daß wir diesen Fehler des Gesetzentwurfs im Wege der parlamentarischen Beratung vielleicht noch gemeinsam korrigieren können, im Interesse aller.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Minister für Wohnungsbau, Städtebau und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Jürgen Heyer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte zum Mietenüberleitungsgesetz wird in Sachsen-Anhalt und in den anderen neuen Ländern aufmerksam verfolgt. Es liegen hohe Erwartungen auf dieser Debatte und auf den Beratungen in den nächsten Wochen.
Das Allensbacher Institut hat im Februar das Rechtsbewußtsein in West- und Ostdeutschland erforscht. Die Ergebnisse hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 8. März unter dem Titel „Kein Schutz, keine Gleichheit, keine Gerechtigkeit" veröffentlicht.
Im Osten meinen 73 %, die Bürger seien vor dem Gesetz nicht gleich. 60 % sind mit den Gesetzen und der Rechtsprechung in Deutschland nicht zufrieden, und 72 % fühlen sich durch das Recht nicht gut geschützt. „Wie muß den Ostdeutschen in diesem Staat zumute sein?", so fragt die „FAZ".
Richard Schröder hat am Donnerstag in der „Zeit" die Ursachen für die tiefe Rechtsunsicherheit erläutert. Seine Schlußfolgerung: „Dagegen helfen nur bessere Erfahrungen."
Der Übergang, meine Damen und Herren, in das Vergleichsmietensystem ist eine Chance für uns alle, solche besseren Erfahrungen möglich zu machen. Die Chance wurde jedoch von der Bundesregierung bisher noch nicht ausreichend genutzt, bei aller An-
Minister Dr. Jürgen Heyer
erkennung, Herr Töpfer, für Ihre bisherigen Bemühungen.
Dazu einige wenige Punkte: Was sollen die Mieterinnen und Mieter im Osten davon halten, daß für sie die Frist, eine Mieterhöhung auf ihre Berechtigung zu überprüfen, nur einen Monat beträgt?
Die Mieter im Westen, seit Jahrzehnten mit dem Vergleichsmietensystem vertraut, haben dazu zwei Monate Zeit. Jetzt ist Eile geboten, das ist uns allen klar. Aber ist das ein. Grund und darf das ein Grund sein, die Rechtsposition der Mieter in den neuen Ländern zu verschlechtern? Man durfte den Mieterinnen und Mietern vor der Bundestagswahl eben nicht versprechen, es gebe im Jahr 1995 keine Mieterhöhungen, wie es die Bundesregierung getan hat, um sie dann jetzt mit verkürzten Fristen zu überfallen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Braun?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, gerne, Frau Präsidentin.
Ist Ihnen bekannt, daß die Zweimonatsfrist nach dem Miethöhegesetz den Mietern deswegen eingeräumt werden mußte, weil diese bei der Überprüfung der Vergleichbarkeit der angegebenen Vergleichswohnungen in Wohnungen hinein müssen, wo die Mieter oft nicht da sind,
weswegen einfach vom Zeitablauf für die Überprüfung ein ganz anderer Aufwand erforderlich ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Braun, das ist mir bekannt. Aber ist Ihnen bekannt, daß sich die Mieter in den neuen Ländern an dieses neue System gewöhnen müssen, daß sie Beschaffenheitskriterien überprüfen müssen und daß sie deshalb erst recht diese Zeit brauchen, um sich über die Wirksamkeit und die Berechtigung dieser Mieterhöhungen klarzuwerden?
Nur wenn wir das tun, Herr Abgeordneter, dann werden wir das vermeiden, was Sie uns an die Wand gemalt haben, daß es flächendeckend zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt; und daran kann uns allen nicht gelegen sein.
Ein zweiter Punkt: Man wird den Mietern im Osten auch schlecht erklären können, sie seien durch § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes - das ist hier schon debattiert worden - vor übermäßigen Mietsprüngen bei Neuvermietungen ausreichend geschützt. Jedermann weiß: Diese Vorschrift ist in den westlichen Ländern niemals richtig gelaufen. Wir müssen aus meiner Sicht durch eine klare Kappungsgrenze bei Neuvermietungen Sicherheit für die Mieter und für die Wohnungswirtschaft schaffen.
Eine „Wucherdiskussion" schadet allen Beteiligten.
Der Abgeordnete Luther hat hier gefragt: Wie können wir dazu beitragen, daß der Wohnungstausch erleichert wird? Genau das ist der richtige Weg.
Wenn Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger gesagt hat, diese Mieterschutzrechte, die die Kappungsgrenze vom Ansatz her ist, seien Folterinstrumente, dann sollten wir uns einmal vor dem Hintergrund der Diskussion über das Rechtsbewußtsein überlegen, ob wir mit diesen Termini weiterarbeiten.
Wir waren uns über die Parteigrenzen im Kreis der Bauminister einig, daß die Einführung des Vergleichsmietensystems durch eine Wohngeldregelung für Härtefälle, um es vereinfacht zu sagen, abgefedert werden muß. Wir sind davon ausgegangen, daß die Verlängerung des Wohngeldsondergesetzes für die Dauer der Übergangsregelung gelten muß, und zwar so lange, bis die Übergangsregelung durch eine Wohngeldnovelle für alle Länder abgelöst wird. Die Bundesregierung ist ja von den Ländern wiederholt gebeten worden, einen Gesetzentwurf für ein gemeinsames Wohngeld vorzulegen. Bis heute ist uns allerdings nichts bekannt geworden. Deshalb können wir es nicht hinnehmen, daß die Wohngeldregelung im Mietenüberleitungsgesetz bis zum Ende des Jahres 1995 begrenzt ist. Ich frage die Bundesregierung deshalb: Wie werden Sie Vorsorge treffen, daß die Mieter, die auf das Wohngeld angewiesen sind, ihre Ansprüche auch dann behalten, wenn es nicht gelingen sollte, das neue Gesetz zum 1. Januar 1996 in Kraft treten zu lassen?
Bitte speisen Sie uns nicht mit Good-will-Erklärungen ab, regeln Sie diese Frage in diesem Gesetz!
Wenn die westlichen Länder, meine Damen und Herren, sagen, daß es entsprechende Härtefälle auch in ihren Ländern gibt, habe ich Verständnis, daß im Vorgriff auf die Wohngeldnovelle eine Härtefallregelung für alle Länder getroffen wird. Wir fordern gern den Gleichheitssatz für die neuen Länder ein. Das
Minister Dr. Jürgen Heyer
Grundrecht gilt jedoch auch in umgekehrter Richtung. Deshalb wird Sachsen-Anhalt die westlichen Länder dabei unterstützen, erste Verbesserungen im Wohngeldgesetz festzuschreiben.
Natürlich kostet eine Wohngeldregelung Geld. Sachsen-Anhalt hat im Haushalt 1995 dafür Sorge getragen, daß der Landesanteil vorhanden sein wird. Bitte ersparen Sie es uns aber, daß wir auch noch den Bundesanteil mitfinanzieren müssen. Darauf läuft nämlich Ihre Absicht hinaus, das Sonderwohngeld durch Kürzungen der Zuwendungen für den sozialen Wohnungsbau zu erwirtschaften.
Weniger Sozialwohnungen für mehr Wohngeld? Das wäre absurd.
Der Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung kürzlich gebeten, sich dafür einzusetzen, daß dieses Gesetz sozialverträglich ausgestaltet wird.
Ich habe der Opposition zu Hause versprochen, daß wir alles tun werden, daß dieses wichtige Gesetz den sozialen Frieden stärkt. Das wiederhole ich auch hier.
Deshalb bitte ich Sie eindringlich: Setzen Sie sich über die Änderungsvorschläge des Bundesrates nicht hinweg. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, daß der Eintritt in ein marktwirtschaftliches Mietensystem im Interesse der Mieter und der Wohnungswirtschaft so schnell wie möglich - das heißt für mich, ohne Vermittlungsausschuß - verwirklicht wird. Lassen Sie uns gemeinsam die Chance ergreifen, den Mietern über die Angst vor dem Unvertrauten zu helfen. Ein gut gestaltetes Mietenüberleitungsgesetz gibt Rechtssicherheit. Das werden die „besseren Erfahrungen" mit dem Rechtsstaat sein, die Richard Schröder zu Recht einfordert.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort für die Bundesregierung hat jetzt Herr Minister Töpfer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht zuletzt meine Teilnahme an der Diskussion in der Gethsemane-Kirche im Prenzlauer Berg hat mir bestätigt, daß wir alle gut beraten sind, wenn wir uns mit dieser Thematik sachlich und, wo immer möglich,
Herr Kollege Heyer, ehrlich und in der Konsequenz des bisher Gesagten beschäftigen.
Ich habe mich von Beginn meiner Tätigkeit an darum bemüht, hier eine gemeinsame Position aufzubauen. Daß ich das ehrlich meine, können Sie alleine aus der schlichten Tatsache ableiten, daß ich von allem Anfang an gesagt habe: Wir legen hier ein Artikelgesetz vor. Wer das sagt, der weiß: Er braucht dafür den Bundesrat. Wer das sagt, weiß auch: Er braucht dazu einen parteiübergreifenden Konsens.
Das haben wir getan. Jeder weiß, daß wir das mit Blick auf das Mietrecht eigentlich nicht hätten machen müssen.
- Wissen Sie, Herr Kollege Gysi: Ich habe in der Gethsemane-Kirche wirklich viel gelernt. Ich habe viel von der Betroffenheit älterer Menschen gelernt. Ich habe aber vor allen Dingen eines gelernt: wie man skrupellos Ängste politisch instrumentalisieren kann.
Das sollten Sie Ihren Freunden dort genauso deutlich gesagt haben. Auch das habe ich dort kennengelernt.
Ihren Schlußsatz sollten Sie sich wirklich noch einmal genau überlegen.
Sie sollten sich überlegen, was das für den inneren Frieden in unserem Land für Konsequenzen haben kann. Wenn Sie auf diese Weise da herangehen, wollen Sie etwas ganz anderes erreichen, als die Sicherheit von Mietern in den Zielen Ihrer Politik wiederzufinden.
Jetzt komme ich wieder zur Sachlichkeit der Auseinandersetzung mit dem Kollegen Heyer, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zurück. Denn bei aller Härte der Töne, die ich auch dort gehört habe - -
- Ja, die Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig ist an solchen Stellen mit ihrer Begrifflichkeit etwas weiter als mit der Sachlichkeit.
Was haben wir denn getan? Wir waren uns von allem Anfang an darüber klar, daß wir bei diesem Mietüberleitungsgesetz fünf Punkte bewältigen müssen. Über diese Punkte sind wir uns bis auf einen einig geworden. Herr Kollege Braun, wenn manche Dinge dabei sind, die nicht das liberale Gütesiegel tragen, dann werden wir das trotzdem gemeinsam überstehen.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Wir haben uns über diese fünf Punkte auseinandergesetzt und uns in allen bis auf einen wirklich geeinigt. Bei dem einen Punkt handelt es sich um die Frage der Neuvertragsmieten, sicherlich ein wichtiges, ein schwieriges Thema. Weil das so schwierig ist, hat die Bundesregierung bei der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes im Bundeskabinett die Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger und mich aufgefordert, mit den Ländern weiter darüber nachzudenken und zu einer Übergangsregelung zu kommen. Wir haben Ihnen also bereits das Signal gegeben, daß wir weiter daran arbeiten wollen. Es wäre doch eigentlich ganz gut, wenn Sie auch das erwähnten, damit wir nicht mit denen, die mit Emotionen etwas ganz anderes machen wollen, identifiziert werden. Darum geht es mir. Lassen Sie uns doch überlegen, wie wir das sinnvoll hinbekommen. Denn die gesamte Diskussion wird sonst zu schnell wieder zu einer Ost und West auseinanderdividierenden Diskussion.
Nehmen Sie doch die Diskussion über das Wohngeld. Mir liegen jetzt die Ergebnisse der ersten Erörterung im Bundesrat vor. Herr Kollege Heyer, der Antrag von Brandenburg und Sachsen-Anhalt auf eine unbefristete Verlängerung der Geltungsdauer des WoGSoG ist doch im Bundesratsbauausschuß abgelehnt worden.
- Ich komme auf den Finanzausschuß noch zu sprechen, ganz sicher.
Der Antrag ist im Bauausschuß abgelehnt worden, weil die westlichen Länder die östlichen Länder dafür in Beugehaft nehmen wollen, daß sie anderes mit durchsetzen.
Sie können sich doch nur auf eines einigen: Entweder werfen Sie mir vor, ich schriebe den 1. Januar 1996 ins Gesetz und würde mir dann keine Gedanken darüber machen, wie es hinterher weitergeht; oder ich schreibe es nicht rein, weshalb mir die anderen den Vorwurf machen würden, ich würde mir keine Gedanken darüber machen, wie wir mit dem Wohngeld West vorankommen. Auf eines müssen Sie sich schon einigen.
Jetzt komme ich zu dem faszinierenden Ergebnis des Finanzausschusses des Bundesrates. Im Bundesrat - nicht im Unterausschuß, sondern im Finanzausschuß - ist gestern über die Verlängerung abgestimmt worden. Ergebnis: Beschluß mit 16:0, durch Änderung des § 1 des Wohngeldsondergesetzes das Gesetz nicht zum 31. Dezember 1995 auslaufen zu lassen, sondern unbefristet, d. h. praktisch bis
Inkrafttreten der großen Novelle, weiterlaufen zu lassen.
- Sehen Sie, da kommt nämlich zum Tragen, daß möglicherweise sogar die Finanzminister der neuen und der alten Bundesländer der Meinung sein könnten, daß sie eine Novelle des Wohngeldgesetzes zum 1. Januar 1996 gar nicht brauchen können. Denn die gute Regelung des Wohngeldes besteht darin, daß es von Bund und Ländern hälftig bezahlt wird. Da sind sich auf einmal alle Finanzminister gegen die Bauminister einig, das möglicherweise etwas länger strekken zu wollen.
Ich will also nur darauf hinweisen, daß wir diese Dinge sehr genau bedenken sollten. Ich bin und bleibe der Überzeugung, daß natürlich auch das Wohngeldgesetz so lange gelten muß, bis wir einen Anschluß an ein gesamtdeutsches Wohngeld haben, in das diese Regelungen nahtlos Eingang finden. Ich will gar keine andere Diskussion.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Großmann?
Mit großer Freude, Frau Präsidentin.
Da Sie, Herr Minister, die Beschlußlage so gut kennen, wie Sie das hier dargestellt haben: Ist Ihnen denn auch bekannt, daß sowohl von der SPD-Bundestagsfraktion als auch von seiten des Bundesrates Anträge zum Haushaltsplan kommen werden, die bedeuten, daß das Wohngeld bereits in diesem Jahr angehoben wird, daß also auch die westdeutschen Finanzminister durchaus mit den Wohnungspolitikern der Meinung sind, daß nach fünf Jahren Tatenlosigkeit das Wohngeldgesetz endlich novelliert werden muß?
Herr Kollege Großmann, ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie mir das noch einmal bestätigen. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, daß alle Länderfinanzminister einstimmig gesagt haben, wir sollten es verlängern. Damit haben sie ja wohl das Signal gegeben, daß das Wohngeld insgesamt bis dahin nicht kommt.
Nur das war meine Aussage.
Aber ich bin Ihnen herzlich dankbar, daß Sie auf den Haushalt hinweisen, denn das war mein nächster Punkt, den ich ansprechen wollte. Wissen Sie, Herr Kollege Großmann - das möchte ich auch dem
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Kollegen Gysi sagen -, ich habe mir die Mühe gemacht und bin - was immer ein Gewinn ist - in die Bereinigungssitzung unseres Haushaltsausschusses gegangen. Es war Mitternacht, als mein Haushalt behandelt wurde.
Ich bin dahin gegangen wegen des Wohngeldsondergesetzes. Ich habe gedacht, jetzt kommt da die große Diskussion über die Höhe, über die Finanzierung usw. Ich wiederhole: Ich bin dagewesen. Diese unsere Finanzierung in der Höhe ist einstimmig angenommen worden.
Vom Vertreter der GRÜNEN ist dies mit einigen sehr positiven Worten begleitet worden, was ich sehr geschätzt habe, weil es sehr sachlich erfolgte. Dieser Kollege war gut informiert.
Ich sage weiter - damit Sie nicht glauben, es wäre von der PDS niemand dagewesen -: Die Frau Kollegin Luft war anwesend und hat dieses ebenfalls angenommen. Der Beschluß war einstimmig. Vielleicht sagen Sie das demnächst in Ihren Reden, bevor Sie etwas zur Explosion bringen lassen.
- Nun habe ich doch zunächst einmal klargemacht, daß diese Qualität der Wohngelderhöhung ganz offenbar richtig gesehen worden ist.
- Wissen Sie, dafür sind wir doch eigentlich engagierte Parlamentarier, daß wir in solchen Zeiten auch einmal bis Mitternacht arbeiten. Das gilt ja insgesamt. Sie machen das häufig auch. Ich glaube nicht, daß wir einem oder einer im Haushaltsausschuß unterstellen können, er oder sie wäre gegen Mitternacht möglicherweise nicht mehr genau über das informiert gewesen, was zu beschließen sei. Das muß ich weit von mir weisen. So etwas kann ich gar nicht denken.
- Das ist keine Trickserei, sondern eine schlichte Mitteilung aus dem Haushaltsausschuß.
- Es ist eine schlichte Mitteilung aus dem Haushaltsausschuß, und dies kann ich Ihnen doch wohl deutlich machen, weil ja auch über die Deckungsfrage ebenso wie über die Frage der Regelung für Obdachlose gesprochen worden ist. All das ist da breit diskutiert worden.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gysi?
Ja, bitte.
Bitte.
Ich habe zwei Fragen.
Meine erste Frage ist, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, daß auch in unseren Vorschlägen durchaus Mieterhöhungen, aber wesentlich sozialverträglicher als in diesem Gesetzentwurf, vorgesehen sind.
Meine zweite Frage geht in die Richtung, daß eine Politik doch in sich geschlossen sein muß. Wenn nämlich nur die Mietsteigerungen in Frage kämen, die wir vorgeschlagen haben, dann wäre die Wohngeldsumme, die insgesamt vorgesehen ist, angemessen. Sie wird natürlich dann falsch, wenn wir danach ein Mietenüberleitungsgesetz zur Hand bekommen, das völlig andere Mietsteigerungen vorsieht. Deshalb kann man das Verhalten im Haushaltsausschuß nicht gleichsetzen mit den Forderungen, die wir hier gestellt haben. Jetzt ist durch die Pläne zur Mietsteigerung eine andere Situation gegeben.
Herr Kollege Gysi, es ist natürlich verständlich, daß Sie alle Bemühungen unternehmen, um das Verhalten Ihrer Gruppe im Haushaltsausschuß zu erläutern. Nur, wir haben - ich hatte es am Anfang gesagt - diesen Entwurf als ein Artikelgesetz eingebracht. Es waren also sowohl die Mietseite als auch die Wohngeldseite sehr genau bekannt. Insofern gehen Ihre Fragen ins Leere.
- Ich habe doch überhaupt keine Probleme damit. Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß die Situation so gewesen ist und daß wir - das möchte ich noch einmal sagen - damit eine soziale Flankierung in hohem Maße erreichen.
Den Herrn Kollegen Heyer möchte ich wieder erinnern: Wir haben in Berlin zusammengesessen und uns um das Wohngeld gekümmert. Ich habe in Anwesenheit aller Kollegen aus den neuen Bundesländern gesagt: Wir wollen die Wohngeldnovelle so ausgestalten, daß damit ein zusätzliches Wohngeldvolumen von etwa 120 bis 130 Millionen DM verbunden ist. Das ist von allen Kollegen akzeptiert worden.
Wir haben genau das gemacht. Wir liegen jetzt bei 126 Millionen DM.
- Ja, bis 130 Millionen DM fehlen noch 4 Millionen; das ist wahr.
- Nein, 120 bis 130 Millionen DM. Nach den übereinstimmenden Regelungen sind wir jetzt bei 126 Millionen DM.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Ich habe Verständnis dafür, daß Sie aus einer solchen Besprechung Fakten mitnehmen, nichts dazu sagen und dann nach Hause kommen und sagen: Verdammt noch mal, das ist möglicherweise zu wenig. Wäre es dann aber gerade mit Blick auf das Werben um Vertrauen in das Rechtsbewußtsein der neuen Bundesländer, was Sie hier mit so großem Nachdruck eingefordert haben, nicht sinnvoll, daß man zum Hörer greift, den Kollegen in Bonn anruft und ihm sagt: Paß mal auf, möglicherweise sind 126 Millionen DM nicht ausreichend; wir schlagen anderes vor!, anstatt jetzt hierherzukommen und zu sagen, dies sei nicht in Ordnung, es sei viel zuwenig? Wäre das nicht richtiger?
Sie haben in all unseren Diskussionen nicht mit einem Halbsatz darauf hingewiesen, daß Sie daran denken, die Sonderwohngeldregelung dieses Gesetzes mit irgendwelchen Forderungen der alten Bundesländer zu verbinden. Dies höre ich hier zum allerersten Mal. Im Gegenteil, wir haben uns geradezu nachhaltig vergewissert, daß wir alles tun sollten, damit eine solche Ost-West-Diskussion nicht auftritt, damit die unleidige Diskussion, die wir etwa über die Fehlinvestitionen geführt haben, nicht noch einmal stattfindet.
Hochverehrter Herr Kollege Heyer, ich werde auch weiterhin alles daransetzen, daß wir zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Über alles, was hier Kritisches gesagt wurde, hinweg sage ich noch einmal: Ich bin dazu bereit. Ich werde die Kollegen aus den neuen Bundesländern in einer der kommenden Wochen einladen. Wir werden uns bemühen, hier gemeinsame Wege zu finden. Ich werde das natürlich in enger Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus den zuständigen Ausschüssen unseres Parlamentes machen.
Am Ende einer solchen Debatte sollte man zumindest festhalten, daß wir gemeinsam einen Weg finden müssen, der uns nicht auseinanderdividiert, sondern zusammenbringt; denn die Gewinner dieser Emotionen sind nicht diejenigen, denen der innere Frieden Deutschlands in der Zukunft besonders am Herzen liegt.
Ich danke Ihnen sehr.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Spanier.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte große Lust, einen kleinen Exkurs über Trüffelschweine vorauszuschicken - vielleicht trauen Sie mir da einen gewissen Sachverstand zu -, habe aber gerade gehört, daß meine Zeit sehr knapp bemessen ist. Deswegen verkneife ich mir das.
Zur Sache: Herr Töpfer, Sie haben an dieser Stelle am 25. November 1994, so glaube ich, die Grundsätze Ihrer Wohnungs- und Städtebaupolitik formuliert und dabei ganz besonders zwei Grundsätze herausgehoben: Erstens, Wohnungs- und Städtebaupolitik ist angewandte Familienpolitik. Zweitens, Wohnungs- und Städtebaupolitik ist angewandte Sozialpolitik.
An diesen Maßstäben muß sich Ihre Politik natürlich messen lassen. Wenn man diese Maßstäbe an die wichtige Entscheidung, um die es in dieser Debatte geht, anlegt, dann sind Sie Ihren eigenen Ansprüchen - das muß ich Ihnen sagen, Herr Töpfer -, dann ist auch die Koalition ihren Ansprüchen mit diesem Gesetzentwurf nicht gerecht geworden:
Die soziale Abfederung - ich bleibe in diesem Bild - reicht nicht. Die Harten, die mit der Einführung der Vergleichsmiete vorgesehen sind, schlagen voll durch.
Wir fordern im Zusammenhang mit der Einführung der Vergleichsmiete - Herr Luther, da haben Sie etwas falsch verstanden; zumindest habe ich das Ihren Worten entnommen - ein doppeltes Junktim, nämlich eine Verbesserung beim Wohnsondergeld und Verbesserungen beim Wohngeld West. Beides muß zusammen gesehen werden.
- Natürlich steht das in unserem Antrag. Das müssen Sie überlesen haben.
Ich werde Ihnen gern ein Viertelstündchen Nachhilfe leisten. Vom Beruf her, denke ich, habe ich da eine gewisse Qualifikation einzubringen.
Wenn wir dieses Junktim nicht beachten, dann laufen immer mehr Menschen in den neuen wie in den alten Bundesländern Gefahr, daß die Mieten zur Armutsfalle werden, dann werden sich Verunsicherung und Angst bei Mieterinnen und Mietern zunehmend breit machen. Verunsicherung und Angst ist bereits jetzt nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern auch in den alten Bundesländern, wie ich in meinem Wahlkreis festgestellt habe, in durchaus besorgniserregender Weise verbreitet.
Auf die Auswirkung der Einführung der Vergleichsmiete ist heute schon mehrfach hingewiesen worden, ebenso darauf, daß es natürlich zu erhöhten Mietbelastungen kommen wird und daß „natürlich" Haushalte mit niedrigen Einkommen von diesen wachsenden Mietbelastungen besonders betroffen werden.
Wir halten den Koalitionsvorschlag zum Wohngeld für unzureichend. Wir haben dafür mehrere Gründe. Zum einen: Wir haben Zweifel, ob der vorgesehene Freibetrag - das ist der eine Baustein - tatsächlich ausreichend ist, um die Mieterhöhungsspielräume wirklich aufzufangen.
Wolfgang Spanier
Wir haben zweitens die Sorge, daß die Regelung, daß schon ab einer Mieterhöhung von 30 DM das Wohngeld neu beantragt werden kann - zugestanden sei, daß dies eine Verwässerung bedeutet -, natürlich bürokratischen Aufwand schafft und das Ganze nur funktioniert, wenn alle, vor allen Dingen die Betroffenen, auch tatsächlich informiert sind, daß es diese Neuregelung gibt. Das ist - das ist vorhin schon angesprochen worden - angesichts der verkürzten Frist aber auch ein grundsätzliches Problem. Im Gutachten der Expertenkommission, die sich ausführlich zum Wohngeld äußert, wird auf Schätzungen hingewiesen, daß ca. 50 % der Wohngeldberechtigten ihren Anspruch nicht geltend machen. Dies ist ähnlich wie bei der Sozialhilfe und geschieht übrigens aus ähnlichen Motiven, gerade bei älteren Menschen aus Scham, schon bei der Miete von der Unterstützung durch den Staat abhängig zu sein.
Wir kritisieren an Ihrem Vorschlag natürlich besonders die Finanzierung; darauf ist schon hingewiesen worden. Es ist in der Tat für uns absolut nicht akzeptabel, daß 43 Millionen DM dadurch erwirtschaftet werden, daß sie beim sozialen Wohnungsbau gekürzt werden. Das bedeutet - ich hoffe, die Zahl ist richtig; man mag mich korrigieren, wenn sie falsch ist -, daß in den neuen Bundesländern ca. 500-1000 Sozialwohnungen weniger gefördert werden können. Diese Zahl wird in etwa stimmen.
Das politisch Brisante, weil es hier in gehörigem Maße um ein Stück Psychologie geht, ist, daß Wohnungssuchende einerseits und Mieter andererseits gegeneinander ausgespielt werden, daß aus der einen Tasche etwas genommen wird, um es in die andere zu stecken. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung. Gerade bei diesem brisanten Thema halten wir das für einen ganz entscheidenden Fehler.
In Ihrem Antrag fehlt völlig die Wohngeldanpassung West. Ich darf Ihnen dazu ein paar Fakten nennen.
- Sie müssen unseren Antrag lesen, lieber Kollege - ich kenne Ihren Namen leider noch nicht -, dann werden Sie sehen, worin der Zusammenhang besteht. Wenn Sie mir gütigerweise in den nächsten Minuten zuhören, wird es Ihnen vielleicht auch durch meinen Beitrag deutlich.
Ich darf ein paar Fakten zur Mietsituation in den alten Bundesländern anführen. Dort sind die Mieten seit 1990 um etwa 22 % gestiegen. Ende 1992 lagen 48 % der Mieten über den Miethöchstbeträgen; Ende 1995 werden es deutlich mehr als 65 % sein.
Eine weitere Zahl: Zwischen 1992 und 1993 ist die Zahl der wohngeldberechtigten Haushalte um sage und schreibe 28 % gesunken. Die Einkommen sind gestiegen, aber - das wissen alle, die sich näher damit beschäftigt haben - sie sind nur nominal gestiegen. Zumindest bei den Arbeitnehmerhaushalten hat es in den letzten Jahren einen realen Kaufkraftverlust gegeben.
Also: Die Miethöchstbeträge, die Einkommensgrenzen beim Wohngeld West stimmen hinten und vorne nicht mehr. Sie müssen dringend angepaßt werden.
Weitere Schwächen: Die Kinderkomponente ist ungerecht. Benachteiligt sind vor allem Ein- und Zweipersonenhaushalte und damit wieder einmal Gruppen in unserer Gesellschaft, die auch auf anderen Feldern benachteiligt sind: Alleinerziehende und alte Menschen.
Ein weiteres Problem ist - ich meine, auch dieses müssen wir in einer solchen Diskussion offen ansprechen -: Es gibt Verwerfungen zwischen dem Wohngeld Ost und dem Wohngeld West. Das sollten wir nicht verschweigen, obwohl dieses Thema sicherlich auch eines gewissen politischen Fingerspitzengefühls bedarf.
- Ich bemühe mich darum. Ich hoffe, daß Sie mir das hinterher zugestehen werden.
Die Rentnerin West mit 1 000 DM Rente, die monatlich 400 DM Miete bezahlen muß, hat einen Wohngeldanspruch von 133 DM. Ich weiß, man müßte die Wohnung differenzierter betrachten; das ist mir alles klar. Das Beispiel stammt übrigens ebenfalls aus dem Expertengutachten zur Wohnungspolitik.
Die Rentnerin Ost mit einer Rente und einer Miete in derselben Höhe bekommt 244 DM.
Das ist ein problematisches Verhältnis. Das hat, lieber Herr Luther - diesen Namen habe ich mir gemerkt -, überhaupt nichts mit der durchschnittlichen Rentenhöhe zu tun. Das wissen Sie selbst ganz genau.
Um deutlich zu machen, wer durch die Wohngeldregelung West in der Tat benachteiligt ist, und um zu verdeutlichen, daß wir da von angewandter Familien- und Sozialpolitik weit entfernt sind, folgendes Beispiel. Ein 28jähriger in den alten Bundesländern, verheiratet, ein Kind, mit einem Einkommen in Höhe von 2 500 DM und einer monatlichen Mietbelastung von 800 DM - das sind ganz normale durchschnittliche Zahlen - hat einen Wohngeldanspruch von sage und schreibe null Mark.
Wolfgang Spanier
Hier müssen dringend Anpassungen erfolgen. Ich möchte ausdrücklich sagen, damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Die besonderen Leistungen des Wohnsondergeldes in den neuen Bundesländern waren notwendig, waren dringend geboten wegen der außergewöhnlichen Situation in den neuen Bundesländern. Daran will niemand rütteln. Das will ich nicht in Frage stellen. Ich sage das deutlich, damit sich gar nicht erst etwas anderes in irgendeinem Hinterkopf festsetzt.
Aber genauso gilt: Die Wohngeldanpassung in den alten Bundesländern ist längst überfällig.
Längst überfällig ist die zehnte Novelle des Wohngeldgesetzes für ganz Deutschland. Ihr Gesetzentwurf ist demgegenüber nur Flickschusterei. Es paßt natürlich in die ganze Richtung, daß Sie das Wohngeld im Haushalt 1995 um sage und schreibe 800 Millionen DM gekürzt haben.
Herr Minister Töpfer - leider ist er nicht mehr anwesend -, Sie waren in Ihrem Ministerium offensichtlich schon ein Stückchen weiter. Ich habe etwas mitgebracht.
Nein, Herr Kollege, Ihre Redezeit geht zu Ende. Das dürfen Sie jetzt nicht mehr machen.
Ich habe leider kein Gedicht parat; dann hätte ich vielleicht ein bißchen mehr Zeit.
Ich darf kurz aus dem Verlaufsplan für die zehnte Wohngeldnovelle aus dem Hause Töpfer zitieren. Festlegung des Finanzvolumens: Januar 1995, Referentenentwurf: Februar 1995, Einladung an Länder, Verbände und Ressorts: Ende Februar. So geht das weiter. Ich frage mich: Warum haben Sie diesen Weg nicht beschritten? Die Bereitschaft der Länder, auch die finanzielle Bereitschaft, ist deutlich geworden.
Leider kann ich Herrn Töpfer nicht an das Schreiben von Frau Brusis, der Landesbauministerin von Nordrhein-Westfalen, vom 13. Februar erinnern, in dem sie genau das niedergelegt hat, was ich heute hier gefordert habe, und in dem sie die Bereitschaft der Länder, finanziell mitzumachen, dem Bundesbauminister und den anderen Landesbauministern gegenüber erklärt hat.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist jetzt wirklich weit überschritten. Sie müssen mir auch noch ein bißchen Zeit lassen, damit ich Ihnen zu Ihrer ersten Rede gratulieren kann. Deswegen war ich ja auch großzügig.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Großzügigkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Spanier, zuerst zu Ihnen: Ich halte es für nicht geeignet, das Wohngeld Ost und West zu einer Neiddebatte Ost und West zu machen.
Ich halte auch nichts von dem Junktim, daß wir das Wohngeld Ost jetzt in erpresserischer Weise nur verlängert bekommen, wenn daran auch das Wohngeld West geknüpft wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Großmann?
Nein, ich möchte hier erst einmal reden, bevor ich Zwischenfragen zulasse.
- Gut. Das vertiefen wir im Ausschuß.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat überhaupt keinen Zweck, darum herumzureden: Mieterhöhungen sind immer ungeliebte Aktionen, und wer diese zu vertreten hat und dem Volk zu verkünden hat, ist sicherlich nicht in einer beneidenswerten Lage.
Es gehört aber gleichermaßen dazu, daß die Betroffenen offen und ehrlich über das Wie und Warum informiert werden. Es ist völlig unfair, wenn demgegenüber politische Kräfte den Mietern einreden wollen, daß die Regelungen im Mietenüberleitungsgesetz nur deshalb beschlossen werden sollen, um die reichen Hausbesitzer noch reicher zu machen und um die Verdienste der Banken weiter ins Unermeßliche zu steigern. Eigentlich sei dies alles überhaupt nicht notwendig, wird den Menschen suggeriert.
Ich kann da auf diverse Flugblätter der PDS und auf Zeitungen zurückgreifen; ich habe hier eine und komme darauf noch zurück. Vielfach wird mit der Unkenntnis der Bürger gerechnet, manipuliert und diskutiert.
Kürzlich schrieb mir eine verängstigte ältere Bürgerin aus meinem Wahlkreis, weil sie nun die 40prozentige Mieterhöhung nicht bezahlen könne, müsse sie die Wohnung räumen. Ich denke, es ist höchste Zeit, daß wir in einer breiten Informationskampagne diesen Unsinn beseitigen, daß wir offen und ehrlich informieren; ich gucke da besonders in Richtung Regierung. Diese Informationskampagne, die sachliche Information der Bevölkerung, ist längst überfällig.
Welchen Schaden Unkenntnis und vermutlich bewußte Desorientierung verursachen können, erleben jetzt über 1 000 Mieter der Thüringer Stadt Greiz. Ein dortiges Wohnungsunternehmen hatte sich 1993 nicht dem Altschuldenhilfegesetz angeschlossen. Sie wollten selber ihre Schulden tilgen; immerhin waren das 22 Millionen DM für das Wohnungsunternehmen in dieser Mittelstadt. Jetzt ist in diesem Unternehmen Heulen und Zähneknirschen ausgebrochen.
Norbert Otto
Lapidar teilen nun die Herren Geschäftsführer ihren Mietern mit einem Schreiben vom 28. Februar mit - ich zitiere kurz -:
Wie Sie wissen, haben wir den Beschluß gefaßt, das Altschuldenhilfegesetz nicht in Anspruch zu nehmen, das bedeutet, daß unsere Genossenschaft keine Geschoßwohnung verkauft. Damit übernehmen wir Altschulden in Höhe von 22,5 Millionen DM. Das entspricht 288 DM pro Quadratmeter. Bei einer Wohnungsgröße von 60 Quadratmetern betragen die Altschulden demnach 17 000 DM. Wir bieten Ihnen an, diese Schuld ab Mai 1995 als Einmalbetrag abzulösen oder im Mietumlageverfahren zu tilgen. Die Miete würde sich beim Umlageverfahren damit um 2,40 DM pro Quadratmeter und Monat erhöhen.
Es wird dann angeboten, die Schuld im Umlageverfahren über einen Zeitraum von 22 Jahren zu tilgen. Dann wären es ganz locker 35 000 DM pro Wohnung. Wem hier nicht der Kragen platzt, der hat offensichtlich keinen Sinn für Realismus.
Ich sage noch deutlicher: Was da geschehen ist, ist - mit Verlaub gesagt, Frau Präsidentin - eine Riesenschweinerei.
Die jetzt eintretende Protestwelle der Mieter läßt aber auch vermuten, daß die Vorinformation doch nicht so gründlich war, wie sie eigentlich hätte sein müssen. Mit der jetzt auf die Mieter zukommenden Belastung wäre ohne weiteres der Einstieg in das privat genutzte Wohneigentum möglich gewesen.
Demgegenüber zahlen die Mieter im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes, also des heute zur Diskussion stehenden Gesetzentwurfs, 0,70 DM/m2 bzw. 0,90 DM/m2, also - ich will es abkürzen - rund 37 DM pro Wohnung und Monat im Durchschnitt der neuen Bundesländer. Meine Damen und Herren, das war es dann auch schon bei den Wohnungen im Bestand und bei unveränderter Qualität.
Es schlägt aber geradezu dem Faß den Boden aus, wenn die PDS den Mietern in einer Potsdamer Zeitung suggerieren will, daß die Mieten explodieren. - Ich mache Wahlwerbung für Sie.
Wenn darüber hinaus von der PDS die traditionsreichen Montagsdemonstrationen, die gerade zur Beseitigung der SED-Herrschaft beigetragen haben, ausgenutzt werden, um die Mieter zu verunsichern, dann ist das mehr als eine Unverschämtheit. Wie chaotisch die Vorschläge der PDS in Richtung bezahlbarer Wohnungen sind, kann ich aus dieser Zeitung auch zitieren. Da steht also:
Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit: Der Staat garantiert allen Individuen ein solches monatliches Einkommen, daß sie sich die monatliche Miete oder eben 100 % Eigenkapital leisten können.
Sozialismus in Reinkultur läßt grüßen. Ich frage mich: In welcher Welt leben denn diese Autoren?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn auch schon viel getan wurde, weist der Wohnungsbestand in den neuen Bundesländern nicht gerade einen umfassenden qualitativen Höchststand aus. Modernisierungen müssen also schrittweise und maßvoll in den nächsten Jahren erfolgen. Wird Wohnraum modernisiert, können dann bis zu 3 DM/m2 auf die Miete umgelegt werden. Aber Art. 1 § 13 weist auch eine Tücke aus. Ich weise bewußt darauf hin, damit wir auch im Ausschuß noch Verhandlungsmasse haben. Es gibt nämlich eine Reihe von Leistungen, die außerhalb dieser Kappungsgrenze von 3 DM durchzuführen sind.
- Ja, die lesen das im Protokoll nach. Von Ihren Kollegen werden meine Kollegen abgelenkt.
Ich möchte also darauf hinweisen, daß es neben den Leistungen, die durch die Kappungsgrenze gedeckelt sind, auch solche gibt, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Das sind z. B. Wärmeschutzverglasungen , feuerhemmende Türen, Wärmemengezähler, Umstellung von Elektro- und Gassystemen, und solche Leistungen können über die 3 DM hinaus umgelegt werden. Hier müssen wir aufpassen, daß uns dann die Mieten nicht „abhauen", daß also die Belastungen nicht zu hoch werden. Hierüber haben wir im Ausschuß sicherlich noch zu verhandeln.
Ein ähnliches Problem - das ist heute schon angesprochen worden - ist das des Umzuges von einer großen in eine kleine Wohnung. Hier muß wieder die berühmte alte Frau herhalten, die in der großen Dreiraumwohnung wohnt. Wenn aber die Aufschläge bei Neuvermietung die Mietreduzierung letztlich auffressen, wird es nicht zu einem Umzug kommen. Hier müssen Kommunen und Länder mit in die Speichen greifen, um ein Programm zu finden, damit sich ein Umzug lohnt. Wir haben, früher gesagt: Der materielle Hebel muß angesetzt werden.
- Nein, Herr Gysi, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit möchte ich Ihnen keine Frage beantworten. Wir wollen ja alle langsam Schluß machen.
Ein anderes Problem sind die kommunalen Abgaben. Auch hier haben wir eine Verantwortung - zwar nicht direkt als Bund, aber doch in unseren Wahlkreisen -, dafür, daß wir aufpassen, daß uns hier nicht die Kosten weglaufen. In meinem Wahlkreis haben sich die Wassergebühren von 2,60 DM/m3 auf bis zu 8 DM/m3 erhöht. Dafür sind nicht wir, dafür ist nicht der Bund verantwortlich, sondern verantwortlich dafür sind die dortigen kommunalen Gebietskörperschaften, die hier in die Pflicht genommen werden müssen. Insofern begrüße ich es, daß sich in Thürin-
Norbert Otto
gen Bürgerinitiativen zu einem Dachverband zusammengeschlossen haben, der gegen unsoziale und überzogene Kommunalabgaben zu Felde ziehen wird.
- Ja, das ist sehr schlimm. Aber da sitzen alle Parteien in einem Boot. Das Ding heften wir uns als CDU nicht allein an die Jacke.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wieder die Zeit der Rattenfänger. Sie ziehen durch das Land, verunsichern mit Halbwahrheiten und Fehlinformationen die Mieter. Uns ist deswegen sehr daran gelegen, daß über den Entwurf des Mietenüberleitungsgesetzes in der Öffentlichkeit offen und ehrlich informiert wird. Wir möchten einen möglichst breiten Konsens für den Gesetzentwurf der Koalition erreichen, dies auch zwischen den Fraktionen. Wir sind bereit, über manche Ecken und Kanten dieses Entwurfes noch zu verhandeln. Dazu sind Sie alle eingeladen, insbesondere meine Kolleginnen und Kollegen der SPD im Bauausschuß.
Vielen Dank.
- Nein, wir werden nie Anhörungen verhindern.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der in der Tagesordnung aufgeführten Vorlagen an die dort genannten Ausschüsse vorgeschlagen.
Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/549 soll zusätzlich dem Haushaltsausschuß, der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. auf Drucksache 13/783 soll zusätzlich dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und nach § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der Fraktion der SPD mit dem Titel „Vorrang für die Nutzer in Ostdeutschland" auf Drucksache 13/803 zu erweitern. Der Antrag soll jetzt gleich mit Tagesordnungspunkt 10 beraten werden. Sind Sie mit dieser Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 und den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt auf:
10. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Klaus-Jürgen Warnick und der weiteren Abgeordneten der PDS
Moratorium zum Schutze der redlichen Nutzer und Nutzerinnen vor der zivilrechtlichen Durchsetzung von Rückübertragungsansprüchen im Beitrittsgebiet
- Drucksache 13/613 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
ZP13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Hans-Joachim Hacker, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Vorrang für die Nutzer in Ostdeutschland
- Drucksache 13/803 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der SPD 15 Minuten und die Gruppe der PDS 5 Minuten Redezeit erhalten soll. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnick.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor 14 Tagen nahm ich, auf dem Friedhof in Zepernick, an der jährlich stattfindenden Trauerfeier zu Ehren des Kommunalpolitikers Dr. Dalk teil. Er, der sich aus Resignation, Protest und Mahnung angesichts der Folgen des verheerenden Prinzips „Rückgabe vor Entschädigung" 1992 das Leben genommen hat, ist für viele in Ostdeutschland zum Symbol für die gescheiterte innere Einheit der Deutschen geworden. Denn auch nach viereinhalb Jahren deutscher Einheit beschäftigt das Problem der offenen Vermögensfragen noch immer Millionen Bürger in Ost und West. Noch nicht einmal 50 % aller Fälle sind abgearbeitet - und hiervon auch nur die unkompliziertesten. Der Graben zwischen Anspruchstellern aus dem Westen und betroffenen Mietern, Nutzern, Pächtern und umstrittenen Neueigentümern aus dem Osten ist tiefer denn je.
Die in den letzten Jahren durch den Bundestag verabschiedeten Gesetze konnten aus unserer Sicht zwar die allergrößten Ungerechtigkeiten vermeiden, doch zu einem wirklichen Rechtsfrieden haben sie nicht beigetragen. Wie sollten sie auch? Treffen doch bei den umstrittenen Eigentumsfragen noch immer Welten im Denken aufeinander. Sachen- und Schuldrecht, das Vermögensgesetz mit seinen vielen Änderungen, sie alle haben das Problem nur teilweise gelöst.
Eine neue Sorge erfüllt die Betroffenen in Ostdeutschland. Clevere Anwälte suchen zugunsten der Alteigentümer nach immer neuen Lücken in den oft in großer Eile gestrickten Gesetzen. Dies gelingt zunehmend. Nur noch für wenige hochspezialisierte Insider ist diese Gesetzgebung überhaupt noch be-
Klaus-Jürgen Warnick
herrschbar. Mit den Mitteln des Zivilrechts versuchen Rechtsanwälte der Alteigentümer, gestützt auf Präzedenzurteile des Bundesgerichtshofes, durch den Bundesgesetzgeber gewollte Absicherungen der jetzigen Nutzer und Eigentümer zu unterlaufen. In Fachseminaren und Fachzeitschriften wird dieses Expertenwissen einer immer größeren Anzahl von Anwälten vermittelt.
In völliger Verkennung der realen Zustände in der DDR werden Verträge so betrachtet, als ob sie unter bundesdeutschen Verhältnissen zustande gekommen wären. Verwaltungstechnische und juristische Fehler in Vertragsgestaltung und -durchführung werden zum Anlaß genommen, die gesamte Vertragsgestaltung für nichtig zu erklären, so als wüßte nicht jeder Ostdeutsche - und mittlerweile sollte es sich auch bei westdeutschen Richtern herumgesprochen haben -, daß die DDR-Behörden es leider oftmals mit ihren eigenen Gesetzen und Vorschriften nicht so ernst genommen haben. In der DDR war es allerdings auch nicht von so großer Bedeutung. Doch den Normalbürgern im Osten, die auf diese Verträge gebaut haben und sich wohl auch schwerlich anders verhalten konnten - ich glaube, etwas anderes kann nur jemand behaupten, der nicht in der DDR gelebt hat -, kann man jetzt nicht dafür die Schuld zuschieben.
Richter versuchen irritiert, die vielen Fragen, die diese Gesetze immer noch offengelassen haben, in speziellen Einzelfällen nach ihren Vorstellungen auszufüllen. Mit jedem gerichtlichen Erfolg der einflußreichen Lobby der Alteigentümer wächst die berechtigte Angst der Betroffenen. Sie, die sich nach jahrelanger Ungewißheit über ihr weiteres Schicksal endlich einigermaßen gesichert sahen, müssen nun oft wieder bangen. Schrecken ohne Ende!
Es besteht dringender Handlungsbedarf, die entstandene Rechtsunsicherheit durch den Gesetzgeber zu beseitigen. Die Menschen in den östlichen Bundesländern haben keinerlei Verständnis dafür, daß es in einem Rechtsstaat möglich sein soll, durch eine Verwaltungsbehörde bzw. ein Gericht einen Anspruch zuerkannt zu bekommen, der dann von einem Gericht eines anderen Rechtsweges wieder aufgehoben wird. Dies fördert sozialen Unfrieden so wie Sorge und Angst um die Wohnung. Das Vertrauen in den Rechtsstaat wird nachhaltig gestört.
Da es auf der einen Seite dringend notwendig ist zu reagieren, auf der anderen Seite aber schwierig sein wird, diese Gesetzeslücken in kurzer Zeit zu schließen, plädieren wir für ein Moratorium. Bis zur Erarbeitung spezieller Gesetzesinitiativen sollte die Umgehung der Entscheidung der Ämter für offene Vermögensfragen und der Verwaltungsgerichte auf dem Zivilrechtsweg ausgeschlossen werden.
Vielen Dank.
Nach einer Vereinbarung der Geschäftsführer erteile ich zur Einbringung seines Antrags dem Abgeordneten Rolf Schwanitz das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als vor einigen Tagen der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Zusammenhang mit dem ostdeutschen Rentenrecht kurioserweise empfahl, den Einigungsvertrag zu ändern, haben die meisten eher belustigt zur Seite gesehen. Anders die sächsische Staatsregierung in Dresden. In einer Agenturmeldung von Montag war folgendes zu lesen:
Sachsens Justizminister Heitmann hat die Vorschläge des CDU/CSU-Fraktionschefs im Bundestag, Schäuble, zur nachträglichen Änderung des Einigungsvertrages begrüßt. Neben Rentenfragen sei auch in der Eigentumsproblematik eine Nachbesserung notwendig, sagte Heitmann heute im MDR 1 - Radio Sachsen. Das Prinzip „Rückgabe von Entschädigung" habe Folgen, die der Deutschen Einheit nicht förderlich seien.
Meine Damen und Herren, bei manchen kommt die Erkenntnis spät, aber immerhin. In der Tat waren die offenen Vermögensfragen in den vergangenen vier Jahren das zentrale investive, soziale und mentale Hemmnis im inneren Vereinigungsprozeß der Deutschen.
Die offenen Eigentumsfragen und der „Geburtsfehler der deutschen Vereinigung", wie Lothar de Maizière sagte, das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung", haben den Deutschen Bundestag folglich wie kein anderes ostdeutsches Thema in den letzten vier Jahren beschäftigt.
Es begann 1991 mit der Debatte um das sogenannte Enthemmungsgesetz, gefolgt vom Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz im Jahre 1992; dann die Anpassungsgesetze im Sachen- und im Schuldrecht. Ich erinnere an das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz. Trotz eineinhalb Jahre dauernder Auseinandersetzung und eineinhalb Jahre dauerndem Gezerre in der Koalition um die Alteigentümeransprüche im Zusammenhang mit der Bodenreform ist es im September letzten Jahres, quasi kurz vor Toresschluß der letzten Legislaturperiode, endlich zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz gekommen.
Fast alle diese Gesetze haben massiv in die Lebenssphären der Menschen eingeschnitten, ohne daß deren Inhalt bis heute auch nur annähernd vom Kreis der Betroffenen erfaßt worden ist. Daß der Gesetzgeber nahezu permanent mit der Korrektur und Ausbesserung dieser Verhältnisse beschäftigt werden mußte, hat etwas damit zu tun, wie mit den Interessen der Ostdeutschen im Einigungsprozeß umgegangen worden ist.
Rolf Schwanitz
Wer sich die Mühe macht und sich heute in der Rückschau die Debatten zu diesen Gesetzen noch einmal ansieht, stellt vor allen Dingen eines fest: Während die Opposition sowie die ostdeutschen Länder - vor allem sei hier das Land Brandenburg erwähnt - stets kritisch, aber konstruktiv an diese Fragen herangegangen sind, gefiel sich die Bundesregierung in passivem Optimismus, statt sich schnell der Lösung der offenen Vermögensfragen zuzuwenden. Sie mußte von der Opposition - in sehr vielen Fällen von der SPD - zum Handeln getrieben werden.
Die Regierungserklärung, die wir im vergangenen November debattierten, steht hier in gerader Tradition. Der Kanzler und die Justizministerin haben in dieser Debatte weder Ostdeutschland im allgemeinen noch die offenen Vermögensfragen und Nutzerrechte im besonderen auch nur mit einem Wort erwähnt. Mit uns ist eine solche Strategie des Aussitzens und des Verdrängens existentieller Probleme der Menschen in Ostdeutschland nicht zu machen, meine Damen und Herren.
In wenigen Wochen wird das Land Brandenburg einen Gesetzentwurf zu den Nutzerrechten und zum Abbau von Investitionshemmnissen im Bundesrat einbringen. Dieser Gesetzentwurf greift die Fragen auf, mit denen die SPD-Bundestagsfraktion die Justizministerin bereits in der Novemberdebatte konfrontiert hat. Wir fordern die Bundesregierung mit unserem Antrag auf, sich endlich diesen Problemen zuzuwenden und ihre Vorstellungen auf den Tisch zu legen. Oder sollen die Interessen der ostdeutschen Nutzer endgültig zu den Akten gelegt werden, frei nach dem Motto: Was interessiert mich mein Gerede in der Vergangenheit; gewählt wird in diesem Jahr schließlich in anderen Ländern? Nein, meine Damen und Herren, so kann man mit den Menschen nicht umgehen. Sie haben sich gegenüber den neu auftretenden Problemen im Osten genauso wie gegenüber den Konsequenzen Ihres bisherigen Handelns zu stellen.
Meine Damen und Herren, worum geht es?
Erstens. Die Umgehung und Aushöhlung des Vermögensgesetzes muß gestoppt werden. Seit 1990 ringen wir darum, wie beim Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" die Interessen des redlichen Erwerbers gewahrt werden können und wie er vor Restitution geschützt werden kann. Unter großen Anstrengungen haben wir beispielsweise die Härte der sogenannten Stichtagsregelung mehrfach abgemildert. Wir haben damit dafür gesorgt, daß zunehmend weniger Personen pauschal als unredliche Erwerber eingestuft werden und um ihr Eigentum bangen müssen.
Es war dabei immer unstrittig, daß redlicher Erwerb von Eigentum durch den heutigen Nutzer den Restitutionsanspruch des Alteigentümers abwehrt. Die Entwicklung im Osten geht heute jedoch in eine andere Richtung. Seit geraumer Zeit weichen Alteigentümer zunehmend häufig auf den Zivilrechtsweg
aus. Sie lassen feststellen, ob der damalige Eigentumserwerb überhaupt rechtswirksam zustande gekommen ist. Wird dies vom Gericht verneint, war der Erwerb mit Mängeln behaftet und zivilrechtlich unwirksam, so spielt die Redlichkeit des Erwerbers überhaupt keine Rolle mehr.
Die mühsam aufgebauten Schutzmechanismen des verwaltungsrechtlichen Vermögensgesetzes greifen nicht. Geradezu grotesk ist dies dort, wo der heutige Besitzer, der heutige Eigentümer das Haus vom Staat, also aus Volkseigentum, erworben hat. Diesen Erwerb heute nach den Grundsätzen des Rechtsstaates und nicht im Lichte der damaligen politischen Verhältnisse und verwaltungsseitigen Praktiken in der DDR zu betrachten stellt die Situation auf den Kopf und gefährdet in massiver Weise die berechtigten Interessen der heutigen Eigentümer.
Wir fordern deshalb eine gesetzgeberische Maßnahme, damit all jene redlichen Erwerber, die im berechtigten Vertrauen auf das korrekte Handeln der staatlichen Stellen den Immobilienkauf getätigt haben, ihr Haus oder ihr Grundstück behalten können. Eine solche Umgehungsstrategie der Alteigentümer können wir nicht tatenlos hinnehmen, meine Damen und Herren.
Es geht zweitens um den Bereich der Kündigungsschutzrechte. Bereits Ende letzten Jahres haben wir Sozialdemokraten uns für die Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes bei Gewerberäumen eingesetzt. Es war eine sehr sinnvolle Regelung, daß der Mieter von Gewerberäumen einer Kündigung dann widersprechen konnte, wenn sie eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen zur Folge gehabt hätte.
Der Vermieter war bei Kündigungen im Zusammenhang mit Mieterhöhungen an die ortsübliche Miete bei vergleichbaren Gewerberäumen gebunden.
Wir appellieren in unserem Antrag erneut an Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sich im Interesse des ostdeutschen Mittelstandes für eine Wiederauflage dieser Regelung zu entscheiden. Revidieren Sie Ihre ablehnende Haltung, und verschließen Sie sich nicht länger einem bewährten Instrument, das wir viele Jahre erfolgreich genutzt haben.
Noch wesentlich drückender schwebt über den Ostdeutschen das Auslaufen des Schutzes der Mieter vor Eigenbedarfskündigungen zum Jahresende. Die Lage am ostdeutschen Wohnungsmarkt wird sich bis zum 31. Dezember dieses Jahres nicht entscheidend entspannt haben. Wir sollten deshalb undogmatisch wie 1992 erneut eine Verlängerung der Schutzfristen ins Auge fassen. Vogel-Strauß-Politik hilft uns da nicht weiter. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, können die Folgen Ihrer Irrtümer von damals, die Folgen der falschen wirtschaftlichen Pro-
Rolf Schwanitz
gnosen von damals nicht heute auf dem Rücken der ostdeutschen Mieter abladen. Wir jedenfalls werden einer solchen Strategie nicht folgen. Wir werden das nicht mitmachen, meine Damen und Herren.
Aber die Frage des Wegfalls des Kündigungsschutzes stellt sich nicht nur bei den Mietverträgen. Unter schwierigen Diskussionen haben wir im September 1994 den Kündigungsschutz für Datschennutzer im Schuldrechtsanpassungsgesetz umfangreich geregelt. Für die Ostdeutschen ist damit gesichert, daß sie über viele Jahre hinweg, einige Personen zeit ihres Lebens, über das Grundstück für Freizeit und Erholung Nutzungsrecht in Anspruch nehmen können.
Wesentlich schlechter gestellt sind hingegen Nutzer, die das Grundstück zu Wohnzwecken verwenden. Ich erinnere z. B. an Inhaber von Überlassungsverträgen zu Wohn- oder gewerblichen Zwekken, soweit die Nutzer nur geringfügig in das Gebäude investiert haben. Hier laufen Schutzrechte Ende dieses Jahres aus.
Wir können doch nicht zusehen, wie Tausende durch Eigenbedarfsklagen zwar ihre Datschen behalten, ihren Wohnraum oder ihre gewerbliche Existenz jedoch verlieren. Wo bleibt da das richtige Maß zwischen den schützenswerten Gütern! Diese Schief-lagen müssen wieder ins Lot gebracht werden, meine Damen und Herren. Eine Erweiterung der Schutzrechte ist hier unumgänglich.
Ein dritter Bereich, über den dringend geredet werden muß, ist der Bereich der Beseitigung von Investitionshemmnissen. Dabei geht es nicht nur um die Verlängerung des Investitionsvorranggesetzes; denn dieses Gesetz läuft bekanntlich zum Jahresende aus. Es geht darüber hinaus auch um schnellere und einfachere Entscheidungen dort, wo nach geltendem Recht ohnehin nicht mit einer Restitution zu rechnen ist.
Gemeint sind Objekte, die zwischen 1945 und 1949 enteignet wurden oder die als Komplettierungskäufe geschützt sind. In beiden Fällen scheidet die Restitution aus, weshalb solche Anträge, die Investitionen oder Veräußerungen verhindern, weiterhin nicht mehr geschützt werden müssen. Dies betrifft sowohl die allgemeine Verfügungssperre als auch die erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung. Wir brauchen eine weitere kritische Durchleuchtung der Investitionsblockaden im geltenden Recht. Dort, wo Zweckbestimmungen zu eng erscheinen, muß erweitert werden; dort, wo wir Klarheit über den Vorrang des Erwerbers haben, müssen möglichst schnell und rechtlich zwingend die Investitionstätigkeit und die Investitionsfähigkeit des Objektes hergestellt werden. Darum geht es.
Die offenen Vermögensfragen begleiten uns als Ballast der ökonomischen und sozialen Entwicklung im Osten noch über viele Jahre hinweg. Sie treten dabei in verschiedenen Erscheinungsformen zutage, anfangs als Welle von Restitionsanträgen mit enormen Belastungen für Verwaltung, Justiz und Investitionen, dann als sozialer Einschnitt bei Wohnungen,
Haus und Grundstücken und letztlich auch als Infrastruktur- und Standortproblem der Städte und Gemeinden im Osten mit negativer Wirkung für die künftigen Jahre.
Lösen Sie sich, meine Damen und Herren von der Koalition, vom Wunschtraum, daß dieses Thema vom Tisch ist und Ihnen in der Zukunft erspart bleibt. Kommen Sie zurück zur Realität; stellen Sie sich diesen Problemen auch hier im Bundestag, und handeln Sie.
Recht herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Michael Luther.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwanitz, ich möchte kurz auf Ihren Antrag eingehen. Er ist als Zusatztagesordnungspunkt bei mir leider etwas spät angekommen, so daß ich mich mit ihm inhaltlich nur wenig beschäftigen konnte.
Folgendes: Der Einigungsvertrag - Sie haben recht - ist kein Dogma. In der Zeit vom 18. März 1990 bis zum August 1990, als der Einigungsvertrag abgefaßt wurde, wurde vieles festgestellt und aufgeschrieben; aber bei weitem nicht alles konnte vom Einigungsvertrag erfaßt werden. Deshalb haben wir uns in der letzten Legislaturperiode vorgenommen - ich denke, auch in dieser -, das, was neu erkannt wird, anzufassen, aufzugreifen, zu überdenken und dann entsprechende Bestimmungen zu korrigieren. Über solche Dinge denken wir in unseren Arbeitsgruppen nach; auch Sie tun das. Darüber freue ich mich. Sie sind recht herzlich zu diesen Diskussionen eingeladen. Sie werden verstehen, daß nicht alles, was Sie in den Antrag hineingeschrieben haben, aus meiner Sicht sinnvoll erscheint. Ich denke, wir sollten darüber in den Ausschüssen reden. Vielleicht können Sie das nächste Mal, wenn Sie einen Antrag im Deutschen Bundestag einbringen, ihn uns etwas früher zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren, Hauptgrund, warum wir heute zu diesem Thema reden, ist ein Antrag der PDS. Dieser Antrag spricht von der Vertreibung ostdeutscher Bürger durch Westdeutsche.
Passend zu Ihrem Antrag auf der vorliegenden Drucksache, meine Damen und Herren von der PDS, ist Ihre Kleine Anfrage mit dem Titel: „Vertreibung der ostdeutschen Nutzer mit Hilfe des Zivilrechts". Demnach beziehen Sie sich auf Aussagen von „Verbänden der ostdeutschen Nutzer restitutionsbehafteter Grundstücke, vor allem aus dem Berliner Raum", die darauf hinweisen, daß „durch bestimmte Lücken in den rechtlichen Regelungen" die Gefahr bestünde, daß „die redlich erworbenen Nutzungs- und Eigentumsrechte ostdeutscher Eigenheim- und Grundstücksbesitzer" verlorengehen würden.
Dr. Michael Luther
Weiterhin reden Sie von „Seminaren der Anwälte der Alteigentümer" und von „Massenveranstaltungen mit Hunderten von Teilnehmern" - schon die Semantik kommt mir sehr bekannt vor -, in denen „die Umgehung der Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen auf dem Zivilrechtsweg mit Hinweisen auf die einschlägigen Urteile des BGH geübt und propagiert" wird. Zumindest das letzte Wort, „Propadanda", paßt. Was Sie, meine Damen und Herren von der PDS, betreiben, ist Propaganda. Ihre weitere Argumentation dient nur dem einen Zweck, nämlich Angst unter den Menschen in den neuen Bundesländern zu schüren.
Unter dem Vorwand, helfen zu wollen, verunsichern Sie die Menschen absichtlich. Damit die von Ihnen verbreitete Unsicherheit auch den richtigen Nachdruck bekommt, legen Sie Ihrem Antrag eine vermeintliche Schätzung zugrunde, die angeblich 40 % der Grundstücke betrifft, bei denen durch fehlerhafte Rechtsgeschäfte in der DDR der redliche Erwerber heute gefährdet sei.
Lassen Sie mich einiges zur grundsätzlichen Klärung sagen. Der Einigungsvertrag besagt in Art. 19 ganz klar:
Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrages unvereinbar sind. Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.
Den größten Eingriff in die Verwaltungsakte der DDR stellt - richtig! - das Vermögensgesetz dar. Dadurch sollen Enteignungen aufgehoben werden, da Enteignungen eben im höchsten Maße nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen in Übereinklang gebracht werden können. Dabei schützt jedoch das Vermögensgesetz den redlichen Eigentümer und Nutzer aus der DDR-Zeit. In diesem Fall ist, wie Sie wissen, eine Restitution nicht möglich, und der Alteigentümer muß sich mit der Entschädigung nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zufriedengeben.
Der Bundesgerichtshof selbst hat mehrfach betont, daß das Vermögensgesetz dem sozialverträglichen Ausgleich sogenannten Teilungsunrechtes dienen soll. Es bezwecke nicht, allgemeine Risiken des Rechtsverkehrs aus der Zeit der DDR aufzufangen.
Das Bundesverwaltungsgericht spricht in einem Urteil vom 30. Juni 1994 klare Worte - ich zitiere sinngemäß -: Ebenso wie sich der Alteigentümer seinerzeit mit dem Verlust seiner Vermögenswerte abfinden mußte, konnte der Erwerber grundsätzlich darauf vertrauen, daß es bei seinem Eigentum bleiben würde, und sich darauf einrichten. Für ihn stand gleichfalls im Vordergrund, daß es der Staat war, der ihm an Stelle des Voreigentümers den Vermögenswert verschaffte.
Daß sich dieses nach dem Herbst 1989 änderte, gehörte nicht zu den allgemeinen Rechtsrisiken in der DDR; denn dieses Risiko verwirklichte sich erst und nur infolge der Änderung der politischen Verhältnisse. Dieser besonderen Interessenlage des Erwerbers trägt das Vermögensgesetz Rechnung, indem es in seinem § 4 Abs. 2 den redlichen Erwerber schützt.
Bei der staatlichen Veräußerung von Vermögenswerten Geflüchteter, die zu einem tatsächlichen Eigentümerwechsel geführt haben, gebietet daher sowohl die Situation des Geschädigten wie die des Erwerbers die Anwendung des Vermögensgesetzes, gleichgültig, welcher weitere Mangel dem Rechtsgeschäft anhaftet, und unbeschadet der Frage, ob ein solcher Mangel zivilrechtliche Ansprüche auslösen kann oder nicht. Sofern solche Ansprüche bestehen, ist die Restitution nicht auf die Rückübertragung des zivilrechtlich verlorengegangenen Eigentumsrechts, sondern auf die verbindliche Feststellung der Eigentümerposition nach dem Vermögensgesetz gerichtet. - Soweit zu dem Zitat; ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.
Etwas anders wirkt allerdings - ich gebe es zu - auf den ersten Blick die Position des BGH im Urteil vom 24. Juni 1994.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Warnick?
Nein. - Hier scheinen Mängel des Eigentumübertragungsverfahrens zivilrechtlich vor dem Restitutionsverfahren zu greifen. Es wurden jedoch im beschriebenen Fall gravierende Fehler begangen, weil im Verkaufsakt des Treuhänders des Eigentums des Ausgereisten an den Rat des Kreises eben nicht, wie nach der allgemeinen Gesetzeslage der DDR vorgeschrieben, die Form der notariellen Beurkundung gewahrt blieb. Demzufolge ist der Rat des Kreises nicht berechtigt gewesen, dem Major der Grenztruppen der DDR das Eigentum an dem Einfamilienhaus zu verkaufen, weil der Rat des Kreises eben nicht Eigentümer des Einfamilienhauses war.
Die durch das Vermögensgesetz geschaffene Rechtslage erscheint mir also in diesem Sinne eindeutig, weil das Gesetz alle Rückgabeansprüche erfaßt, die auf Teilungsunrecht beruhen. Hiervon gehen die obersten Gerichtshöfe in beiden Urteilen aus. Bei dem zweiten von mir zitierten Fall handelte es sich um einen Mangel bei der Grundstücksübertragung, der nach meiner Ansicht nicht dem spezifischen Teilungsunrecht zuzuordnen ist. Zugegeben, mir scheint trotzdem der zweite Fall sehr an der Grenze der Unterscheidung zwischen Teilungsunrecht auf der einen Seite und dem Risiko des allgemeinen Rechtsverkehrs auf der anderen Seite zu liegen.
Bisher jedoch stimmen die Auffassungen beider Gerichte grundsätzlich überein. Somit war eine Ein- Schaltung des Gemeinsamen Senates bislang nicht erforderlich. Bei weiteren Entscheidungen sollten jedoch die beiden Gerichtshöfe auch diese Möglichkeit
Dr. Michael Luther
prüfen, um in diesen Fällen zu einer abgestimmteren und damit klareren Aussage zu kommen. Sollte sich eine Entwicklung ergeben, die die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährdet erscheinen ließe, wird es sicherlich zu einer Entscheidung des Gemeinsamen Senates und damit zur Klärung dieser Frage kommen.
Ich komme somit zu folgendem Ergebnis:
Erstens. Der Antrag der PDS verweist auf ein Problem, welches im Hinblick auf die zukünftige Rechtsprechung durchaus durch uns, dem Gesetzgeber, zu beobachten ist.
Zweitens. Grundsätzlich zeigen die Urteile der obersten Gerichte, daß der Geist des Einigungsvertrags umgesetzt wird, der den redlichen Erwerber schützt.
Drittens. Ein gesetzlicher Schutz aller Verwaltungsvorgänge ohne die schon innerhalb der DDR- Praxis mögliche zivilrechtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsvorgängen ist nicht gerechtfertigt.
Viertens. Die Polemik Ihres Antrags ist unerträglich; von 40 % aller redlichen Erwerber, deren Vertrauensschutz nicht gewährt wird, kann keine Rede sein. Deshalb hilft Ihr Antrag niemandem, er schadet.
Danke schön.
Der Kollege Gerald Häfner hat seine Rede zu Protokoll gegeben. *)
Ich erteile jetzt dem Kollegen Heinz Lanfermann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Liberalen haben uns immer zu den im Einigungsvertrag niedergelegten Grundsätzen „Rückgabe vor Entschädigung" sowie „Investitionen vor Rückgabe" bekannt. Bei allen rechtlichen Regelungen, die zur Klärung der offenen Vermögensfragen bereits geschaffen worden sind, geht es insbesondere darum, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Betroffenen zu erreichen.
Ich darf Sie von der PDS darauf hinweisen, daß die automatische Gleichsetzung von betroffenen Nutzern mit Ostbürgern und betroffenen Alteigentümern mit Westbürgern doch zumindest für den größeren Kreis von Menschen nicht zutrifft, die durch Ihre Vorgängerpartei schließlich aus diesem Lande vertrieben worden sind oder vor dem Unrechtsstaat geflüchtet sind.
Wir haben in den letzten Jahren versucht, den Fehler zu vermeiden, in einem komplizierten, durch einen Unrechtsstaat über 40 Jahre hinweg herbeigerufenen, nicht mehr vernünftig greifbaren Rechtszustand einseitig auf die Interessen des Eigentums zu setzen. Wir hätten es uns einfacher machen können,
') Anlage 2
wenn wir nur nach der einfachen Eigentumsformel des Grundgesetzes vorgegangen wären. Genau das haben wir nicht getan.
Verfallen Sie jetzt bitte umgekehrt nicht in den Fehler, nun alles wiederum nur zugunsten der Nutzer sehen zu wollen. Es ist in diesem Hause immer, gerade von dieser Koalition, darauf geachtet worden, daß es zu einem vernünftigen, angemessenen Interessenausgleich zwischen beiden Gruppen von Betroffenen kommt. Wir werden uns in der Mühe, dies auch weiterhin zu tun, von Ihnen gewiß nicht überbieten lassen.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Sachenrechtsänderungsgesetz, das Schuldrechtsänderungsgesetz und das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz nach langen, intensiven und schwierigen Beratungen beschlossen. Sie sind alle erst um die Jahreswende in Kraft getreten.
Eine Bewertung des Erfolgs dieser Regelungen ist zum jetzigen Zeitpunkt - März 1995 - schlechterdings noch nicht möglich. Deshalb sieht die F.D.P.-Bundestagsfraktion auch keinen Anlaß, überstürzt neue gesetzliche Regelungen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, auch wer sich für die Rechte der Mieter stark machen möchte, darf zum Vergleich nicht die sogenannte Datschen-Regelung nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz heranziehen, wo übrigens die Verdienste durchaus auch auf der rechten Seite des Hauses liegen. Es sitzen Leute hier, die sich sehr verdient gemacht haben.
- Der Kollege Türk z. B., danke für den Hinweis, Herr Kollege Weng.
Aus guten Gründen hat dieses Hohe Haus mit großer Mehrheit für die Datschen Kündigungsfristen bis zum Jahre 2015 beschlossen. Hier haben wir auf eine Besonderheit Ostdeutschlands Rücksicht genommen. Das Wochenendhaus war sowohl Ersatz für den vom Staat verweigerten Auslandsurlaub als auch die Insel für viele Menschen, um in einem totalitären System zu überleben. 53 % aller Haushalte in der DDR verfügten über ein solches Refugium.
- Es waren auch Ihre Parteifreunde dabei, keine Sorge. Sie sind auch alle mitbegünstigt. Wir sind ja nicht so.
Diese Besonderheit zu würdigen war die eine Sache, die Regelung für Wohn- oder gewerbliche Zwecke ist eine andere und deswegen auch davon zu unterscheiden. Ich darf noch einmal erwähnen, daß auf Dauer überhaupt keinem Mieter damit geholfen ist, lediglich neue Kündigungsschutzfristen zu erlassen. Entscheidend ist, durch verstärkten Woh-
Heinz Lanfermann
nungsbau und gerade durch private Investitionen in den neuen Ländern neuen Wohnraum zu schaffen. Wir verstehen etwas mehr davon, so etwas anzukurbeln, als einige der Antragsteller, die sich heute hier zum Fürsprecher machen wollen.
Meine Damen und Herren, den Menschen in Ostdeutschland - darum geht es hier heute in der Tat zuallererst - wird durch überstürzten Aktionismus nicht geholfen. Die beschlossenen Gesetze, die ich bereits erwähnt habe, müssen zunächst greifen und ihre Wirkung entfalten. Eine uneinheitliche Rechtsprechung - wobei die Sachen etwas komplizierter liegen, als es manchmal dargestellt wird - oder eine Rechtsprechung, die in Teilen uneinheitlich ist oder uneinheitlich scheint, fordert nicht unmittelbar und sofort ein Handeln des Gesetzgebers heraus. Im Gegenteil: Es ist durchaus möglich - das ist gerade von meinem Vorredner angesprochen worden -, daß wir durch eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe vielleicht doch eine Klärung in den Grenzfällen bekommen, die im Augenblick einige Gemüter bewegen.
In eine sich gerade erst entwickelnde Rechtsprechung muß nicht sofort mit Gesetzesänderungen eingegriffen werden, die es manchmal mit sich bringen - auch das zeigt langjährige Erfahrung -, daß sie durchaus neue Probleme aufwerfen. Es ist ja nicht damit getan, daß man Regelungen selbst dann, wenn sie problematisch sind, einfach ändert und glaubt, damit sei das Problem gelöst. Oft verschiebt man das Problem nur auf eine andere Ebene oder auf andere Grenzfälle, die dann wieder neue schaffen. Neue Grenzen schaffen auch neue Grenzfälle. Auch das sollten Sie von der Rechtssystematik her einmal bedenken.
Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal darauf hinweisen: Eine gesetzliche Regelung kann nur generelle Lösungen vorsehen, während sich die Rechtsprechung, die sich jetzt sehr bemüht, natürlich an dem jeweiligen Einzelfall orientieren muß, der eine differenzierte Entscheidung verlangt. So besteht für den Einzelfall eine wesentlich größere Chance, auf eine rechtliche Regelung letzten Endes hinzuwirken oder sie sogar durch Gerichtsurteil zu gestalten. Diese Entwicklung werden wir in der Tat mit großer Aufmerksamkeit weiter verfolgen. Daß ein Moratorium zum gegenwärtigen Zeitpunkt gewiß nicht geeignet ist, bedarf eigentlich keiner näheren Ausführung.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, die Geschäftsordnung verlangt es, daß ich Einvernehmen herstelle, wenn jemand seine Rede zu Protokoll geben möchte. Selbstverständlich sollen wir hier möglichst frei sprechen und Reden nicht zu Protokoll geben. Haben Sie etwas dagegen,
daß der Kollege Gerald Häfner seine Rede zu Protokoll gegeben hat? -
Ich danke Ihnen. Dann bin ich richtig verfahren.
Ich gebe jetzt dem Staatssekretär Rainer Funke das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge von PDS und SPD behandeln im wesentlichen vier Anliegen, die aber alle von der Bundesregierung - wenigstens zur Zeit - abgelehnt werden.Erstens. SPD und PDS möchten zunächst die zivilrechtlichen Übertragungsmängel nach DDR-Recht geheilt bzw. durch ein Moratorium unbeachtet gelassen wissen. Es geht hier um die Frage, ob Form- und Verfahrensmängel bei der Verfügung über das Eigentum oder bei der Enteignung den Alteigentümer berechtigen, auf Grundlage der Zivilrechtslage die Rückgabe, also die Herausgabe oder die Grundbuchberichtigung, zu verlangen, oder ob ausschließlich und unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Eigentumsverlustes eine Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz zu erfolgen hat.Es ist bereits erwähnt worden, daß die Zivilgerichte und die Verwaltungsgerichte hier eine unterschiedliche Rechtsprechung haben. Es ist auch erwähnt worden - gerade vom Kollegen Lanfermann -, daß man gegebenenfalls den Gemeinsamen Senat und dessen Rechtsprechung abwarten muß. Auch ich finde es in der Tat nicht bedenklich, daß eine unterschiedliche Rechtsprechung von Verwaltungsgerichtsbarkeit und Zivilgerichtsbarkeit vorliegt. Das ist durchaus natürlich. Ich glaube, man muß deswegen nicht gleich nach Heilungsvorschriften rufen; denn die typischen Fehler, die zu dieser unterschiedlichen Rechtsprechung geführt haben, sind bei dem Abschluß von Datschen- und Garagenverträgen gerade erst mit dem Schuldrechtsanpassungsgesetz geheilt worden. Im Sachenrechtsbereinigungsgesetz haben wir an die bauliche Investition angeknüpft, also an einen Umstand, für den die Beachtung von Förmlichkeiten unerheblich ist. Ob darüber hinaus überhaupt ein Regelungsbedarf besteht, muß sich erst noch erweisen. Erst dann kann man entscheiden, ob man zur Absicherung ein Moratorium braucht.Die zweite Forderung der SPD ist eine Verlängerung des Investitionsvorranggesetzes. Die Abarbeitung der vermögensrechtlichen Ansprüche sei nach ihrer Meinung noch nicht weit genug fortgeschritten. Das ist aber, glaube ich, nicht ganz der richtige und treffende Punkt. Das Investitionsvorranggesetz hat im Grunde genommen - darauf haben Sie hingewiesen - bereits ausgedient. Es ist geschaffen worden, als es in der ehemaligen DDR noch keinen funktionierenden Grundstücksmarkt gab. Damals mußte man damit rechnen, daß ein Investor kein Grundstück für seine Investition bekam und deswegen abgesprungen ist.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 28. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. März 1995 2039
Parl. Staatssekretär Rainer FunkeDas ist heute ganz anders. Heute scheitert keine Investition mehr daran, daß ein Investor für sie kein Grundstück findet. Heute brauchen wir das Investitionsvorranggesetz nur noch, um die Zeit zu überbrücken, bis die Anmeldebelastung aus dem Grundbuch ersichtlich ist und danach die letzte Hürde für den Grundstücksverkehr, nämlich die Grundstücksverkehrsordnung, ganz aufgehoben werden kann. Das ist sicherlich besser, als an der Grundstücksverkehrsordnung - wie die SPD vorschlägt - weiter herumzukorrigieren.Das dritte Thema ist die Aushöhlung der Verfügungssperre, die das Vermögensgesetz zum Schutz der Alteigentümer vorsieht. Hier sollen nach den Vorstellungen der SPD Investitionen durch den derzeitigen Nutzer ermöglicht werden. Wir sagen dazu: Dem Nutzer kann zugemutet werden, die Vornahme bloßer Modernisierungsmaßnahmen, die über notwendige Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsmaßnahmen hinausgehen, bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Restitutionsanspruch zu unterlassen.Viertens soll nach den Vorstellungen der SPD der Mieterschutz ausgeweitet werden. Über die kleinen Gewerbetreibenden haben wir bereits in den Ausschüssen lange beraten. Dabei hat sich herausgestellt, daß die Preise für Gewerbemieten fallen und daß es sogar nicht unerhebliche Leerstände gibt. Schutzbedarf besteht also nicht. Der besondere Kündigungsschutz für die Wohnungsmieter muß nicht noch einmal verlängert werden. Der Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts reicht völlig aus. Die Mieter kennen diesen Schutz. Bei dem Kündigungsschutz des Schuldrechtsanpassungsgesetzes sind wir nun wirklich an die Grenze des Vertretbaren gegangen. Jetzt noch eine weitere Ausdehnung des Schutzes zu verlangen ist in unseren Augen unangemessen. Die vorgeschlagene Änderung liefe nämlich darauf hinaus, daß Überlassungsnehmer bessergestellt würden als Mieter, obwohl sie nicht investiert haben und sich von Mietern auch nur durch die Art ihres Vertrages unterscheiden.. Lassen Sie mich abschließend feststellen: Wir haben genügend Gesetze. Nicht jeder Einzelfall - von denen es in den neuen Bundesländern sehr viele gibt - ist regelbar. Im übrigen vertraue ich auch auf die Sachkunde der erkennenden Gerichte, die die vorhandenen Gesetze auszulegen und anzuwenden haben.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/613 und 13/803 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 und Zusatzpunkt 12 auf:
9. Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Hans-Joachim Hacker, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Vereinheitlichung des Bergrechts nach der deutschen Einheit
- Drucksache 13/550 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft
Rechtsausschuß
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
ZP12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Vera Lengsfeld und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Neuregelung des Bundesbergrechts - Drucksache 13/787 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft
Rechtsausschuß
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Hacker.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte sich der Bundestag mit Anträgen der SPD-Fraktion zur Herstellung der Rechtseinheit bei grundeigenen Bodenschätzen befaßt. Diese Anträge wurden in den Ausschüssen und im Plenum abgelehnt. Das ist ein außerordentlicher Vorgang, wenn wir uns vor Augen halten, daß seit 1990 ein Rechtsanpassungsprozeß gestaltet wurde und wird und dabei insbesondere die Eigentumsschutzgarantien einen Schwerpunkt darstellen.
Über die Grundfrag en der Eigentumsregelungen in den neuen Ländern an dieser Stelle zu reden würde die Zeit überschreiten. Ich will nur feststellen: Der bislang bestehende Zustand der Rechtsspaltung bei mineralischen Bodenschätzen benachteiligt die ostdeutschen Bodeneigentümer und räumt den Kommunen nicht den gebotenen Mitwirkungsrahmen bei der Erschließung von Lagerstätten ein.
Zur Bewertung der rechtlichen Problematik rufe ich in Erinnerung, daß während der DDR-Zeit feste Teile der Erdkruste, die u. a. als Baustoffe Verwendung fanden, wie gewöhnliche Kiese, Tone und Sande, keine volkseigenen Bodenschätze waren. Das heißt: Es bestand Privateigentum - nach der damaligen DDR-Terminologie: persönliches Eigentum - an diesen Bodenbestandteilen.
Hans-Joachim Hacker
Diese Rechtssituation, meine Damen und Herren, wurde durch das Verfassungsgrundsätzegesetz der Volkskammer vom Juni 1990 noch aufgewertet, da mit diesem Gesetz der Eigentumsschutz in der DDR der Werteordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland angepaßt wurde.
Es bleibt eine Spekulation, an der ich mich hier nicht beteiligen möchte, wie es zu der Verordnung des DDR-Ministerrats am 15. August 1990 kam,
wonach Bergwerkseigentum an die Treuhandanstalt übertragen werden konnte,
die wiederum ein Veräußerungsrecht erhielt. Ein eigenartiger Vorgang.
Damit wurde meines Erachtens unter Bruch der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in das Vermögen der Grundeigentümer der DDR eingegriffen.
Meine Damen und Herren, das als Begründung für diesen Eingriff beigezogene Argument, die Wirtschaftskraft der Treuhandanstalt zu stärken, ist sowohl rechtlich mehr als fragwürdig als auch praktisch weitestgehend gegenstandslos, da die tatsächlichen Gewinne aus diesen Verkäufen den privaten Kiesbauunternehmen zufließen.
Es ist auch mehr als fragwürdig, daß sich die Koalition bislang der Herstellung der Rechtseinheit bei den mineralischen Bodenschätzen mit dem Hinweis auf die Störung des wirtschaftlichen Aufschwungs in den neuen Ländern verweigert hat. Meine Damen und Herren, ich glaube im Gegenteil, daß die Entscheidungen der Koalition in den letzten Jahren in Verbindung mit der Ausarbeitung des Einigungsvertrages entscheidende Hemmnisse für den Wirtschaftsaufschwung gesetzt haben.
Diese Entscheidungen haben dann auch zu einer enormen Investitionsblockade geführt. Ich verweise insbesondere auf drei Bereiche, und zwar erstens auf den Bereich der Vermögensfragen, über den wir zu dem vorherigen Tagesordnungspunkt diskutiert haben, und hierbei insbesondere auf das fehlerhafte Prinzip Rückgabe vor Entschädigung.
Ich verweise zum zweiten auf das Fehlen - das haben wir auch lang und breit in diesem Haus diskutiert - einer Wirtschaftsstrukturpolitik in den neuen Ländern und den Wirkungen aus der Treuhandpolitik. Hierbei bin ich mir mit unserem Kollegen Kolbe aus Sachsen völlig einig, der feststellt: Die kommende Generation wird schwer an den Folgen der Treuhandpolitik zu tragen haben. Birgit Breuel hinterläßt das größte Fiasko der bundesdeutschen Politik seit 1949.
Hier wurden nicht nur Fehler gemacht, sondern eine grundfalsche Politik betrieben. Es ist eine reine Filialwirtschaft in den neuen Ländern entstanden, und die Industrieforschung kränkelt herum. Wer denkt, daß Herr Kolbe Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion ist, der irrt. Zur Erklärung: Herr Kolbe ist Mitglied der CDU/CSU-Fraktion.
- Das meine ich auch. Er hat trotzdem recht!
Wenn in der Koalition jetzt endlich eingesehen wird - und ich komme noch zu einem dritten Punkt und will die Verschleppung der Regelung der Altschuldenprobleme ansprechen, die ja bis zum heutigen Tage teilweise ungelöst sind; ich meine jetzt insbesondere den Bereich der sogenannten Gesellschaftsbauten -, daß im Einigungsprozeß Fehler gemacht wurden, begrüße ich diese Erkenntnis. Uns liegen ja auch Signale vor, daß man vielleicht jetzt doch Interesse hätte, unseren Antrag intensiver zu prüfen. Das möchte ich ausdrücklich begrüßen.
Nach Pressemitteilungen will Herr Kollege Schäuble
- Herr Kollege Schwanitz ist schon darauf eingegangen - sogar den Einigungsvertrag ändern und verweist auf rentenrechtliche Regelungen. Der sächsische Justizminister, Herr Heitmann, stimmt diesen Vorschlägen eigenartigerweise zu und bringt Vorschläge ein, Probleme hinsichtlich des Eigentums einer Nachbesserung zu unterwerfen.
Meine Damen und Herren, für mich und sicherlich auch für die betroffenen Bürger in den neuen Ländern stellt sich die Frage: Sind das wieder Ankündigungen zur Seelenberuhigung für die Gruppen in den neuen Ländern, deren Rechte im Einigungsprozeß nicht ausreichend berücksichtigt wurden, oder besteht eine ehrliche Handlungsabsicht der Bundesregierung? Die Koalition sollte bei diesen grundsätzlichen Fragen endlich konkret sagen, ob sie aus diesen nebulösen Andeutungen praktische Politik macht, und das Herumschwadronieren in diesen existentiellen Fragen aufgeben.
Einen Bereich der Ungleichheit, der scheinbar auch von Herrn Heitmann und Herrn Schäuble gesehen wird, könnten wir sicher schnell lösen, wenn Ihre verbalen Erklärungen ernstgemeint sind, nämlich die bisherige Rechtsspaltung im Bergrecht. Sie können nicht länger auf das Bundesverfassungsgericht schielen und hoffen, daß das Problem durch Richterspruch gelöst wird.
Hans-Joachim Hacker
Die Regierung de Maizière hat einen Fehler gemacht, der mit dem Einigungsvertrag leider nicht korrigiert wurde. Die Bundeswirtschaftsminister Möllemann und Rexrodt haben das Problem trotz entsprechender Hinweise nicht aufgegriffen, verstecken sich hinter dem Einigungsvertrag und tragen pseudowirtschaftliche Argumente vor. Wir, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, müssen jetzt handeln und die Mängel beseitigen.
Der SPD-Antrag zur Vereinheitlichung des Bergrechtes nach der deutschen Einheit zielt darauf ab, erstens, die in den neuen Ländern wohnenden Grundeigentümer gleichzustellen, zweitens, die dringend notwendige Beteiligung der Kommunen im Entscheidungsprozeß über den beabsichtigten Rohstoffabbau zu sichern und drittens, daß bei betriebsplanpflichtigen Vorhaben Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren, mit der Ablehnung der SPD-Anträge in der 12. Legislaturperiode haben Sie den Grundeigentümern und den Kommunen in den neuen Ländern einen schlechten Dienst erwiesen. Jetzt ist Gelegenheit zur Korrektur. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben selbstverständlich das Recht zum Irrtum, meines Erachtens jedoch jetzt auch die Pflicht zum Handeln bei besserer Einsicht. Ich bin zuversichtlich, daß uns die Korrektur der unglücklichen Regelung in der Verordnung des DDR-Ministerrates vom 15. August 1990 gelingen wird.
Was die künftige Zuordnung dieser mineralischen Rohstoffe betrifft, so betrachten wir Sozialdemokraten aufmerksam, was sich im Bundesrat tut. Der Freistaat Thüringen und das Land Brandenburg haben Anträge gestellt, die das Regelungsziel der parlamentarischen Initiative der SPD-Bundestagsfraktion unterstützen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hörster?
Aber gern, lieber Herr Kollege Hörster.
Herr Kollege Hacker, ich möchte auch der Opposition das Recht auf Nachbesserung zubilligen
und frage Sie: Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, daß der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu keinem Zeitpunkt eine Änderung des Einigungsvertrages gefordert hat - auch ich kenne die verkürzten Agenturmeldungen -, sondern daß er gesagt hat, es gebe an einigen Stellen im Gesetzgebungsverfahren Unschärfen?
Herr Hörster, war das Ihre scharfe Frage?
Es gibt im Lichte der Realität einige Unschärfen, die nachgebessert werden können.
Sind Sie auch bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Einigungsvertrag selbst gar nicht mehr geändert werden kann, weil es den einen Vertragspartner nicht mehr gibt?
Herr Hörster, wir wollen an dieser Stelle nicht in eine Grundsatzdiskussion eintreten. Wir haben den Einigungsvertrag mehrfach geändert; insofern verstehe ich Ihre Frage nicht.
Ich meine, daß Herr Schäuble ganz konkret das Rentenrecht angesprochen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir hier über partielle, untergeordnete Änderungen des Rentenrechtes mehr Gerechtigkeit schaffen können. Hier wäre schon eine Zäsur im Vergleich zu Ihrer bisherigen Rechtsposition zum Rentenrecht, insbesondere zum Rentenüberleitungsgesetz, nötig. Wenn sich Herr Schäuble schon aufrafft, eine solche Änderung des Einigungsvertrags oder von bestimmten Teilen des Einigungsvertrags anzusprechen, dann muß er den Gegenstand auch konkret nennen und kann die Öffentlichkeit vor allen Dingen in den neuen Ländern, nicht im Nebel herumstochern lassen. Bitte, Herr Hörster, leisten Sie einen Beitrag, daß hier mehr Klarheit hineinkommt!
Vielen Dank für Ihre Frage, Herr Hörster.
Ich bin vor der Zwischenfrage auf den Stand der Diskussion im Bundesrat eingegangen. Ich stelle fest, daß die Diskussion im Bundesrat noch nicht abgeschlossen ist. Für uns ist allerdings wichtig, daß die Entscheidung, ob die als bergfrei eingestuften Rohstoffe auch künftig dem Bundesberggesetz unterliegen, mit den neuen Ländern erörtert werden muß und unter keinen Umständen über die Köpfe der neuen Länder hinweg getroffen werden darf.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, eine breite Koalition der Vernunft bildet sich heraus, die den SPD-Antrag unterstützt. Meine Damen und Herren von der Koalition, ich lade Sie ein: Schließen Sie sich im Interesse der Beseitigung von Konflikten in den neuen Ländern unserem Antrag an!
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ulrich Petzold.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon etwas Bedenken. So ganz einheitlich ist die Po-
Ulrich Petzold
sition der SPD beim Eigentum nicht. Ich denke dabei an das, worüber wir vorhin beim Wohnungseigentum diskutiert haben. Im Gegensatz dazu wollen wir jetzt die Rechte der Grundeigentümer stärken.
- Auf jeden Fall.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hacker?
Ja, bitte.
Herr Kollege Petzold, ich möchte keine unnötige Schärfe in die Diskussion tragen, aber ich muß Sie einmal fragen: Nehmen Sie zur Kenntnis, daß selbst die grundsätzlich nicht eigentumsfreundliche DDR-Verfassung das Eigentum an den Bodenschätzen geschützt hatte, daß wir nach dem Verfassungsgrundsätzegesetz der Volkskammer diesen Eigentumsschutz auf ein viel höheres Niveau gehoben haben und erst dann der Eigentumseingriff erfolgte? Dies ist der Kernpunkt unserer Kritik an der damaligen Verordnung.
Herr Hacker, auf diese Frage hatte ich schon fast gehofft. Sie haben bei Ihren letzten Ausführungen die Kommentierung des Art. 12 der Verfassung der DDR erwähnt, die wohl klar besagt, daß der Eigentümer von Grund und Boden auch Eigentümer des darunterliegenden Bodenschatzes ist. So weit, so gut. Aber Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, daß der Abbau von Bodenschätzen in der DDR nicht von irgendwelchem Eigentum abhängig war, sondern von einer staatlichen Vorratskommission gesteuert wurde. Sie teilte nämlich Plankennziffern zu, und jedes Gramm eines Bodensschatzes durfte nur nach diesen Plankennziffern abgebaut werden. In der DDR stand also nie das Eigentumsrecht, sondern das Verfügungsrecht im Vordergrund. Ich hatte Wald, und ich durfte zum Bau meines Hauses aus meinem Wald nicht einen einzigen Baum herausholen. So etwa sollten wir diese Thematik verstehen. Eigentumsrechte wurden den Bürgern aus den neuen Ländern dadurch eigentlich nicht genommen.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Hacker?
Selbstverständlich.
Herr Petzold, trotz der fortgeschrittenen Zeit bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern, ob es hier nicht um Vorgänge geht, die nicht aus der Alt-DDR-Zeit stammen,
sondern aus einer Zeit, in der der Eigentumsschutz der DDR auf einem viel höheren Niveau stand, nämlich dem Jahr 1990?
Herr Kollege Hacker, auch dies führten Sie in Ihrer Rede vorhin an. Deswegen wollte ich darauf gern zurückkommen. Auf der anderen Seite sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Eigentümer von Grund und Boden in den neuen Bundesländern, unter denen Bodenschätze lagerten, unerwartet zu einem wesentlich höheren Vorteil gekommen sind als Eigentümer in den Altbundesländern. Die Exploration von Bodenschätzen war in der DDR nämlich außerordentlich weit fortgeschritten und wurde vollständig auf Staatskosten durchgeführt. Das heißt, jeder Grundeigentümer konnte, zumindest 1990, erfahren, was unter seinem Grund und Boden lag, und war dadurch natürlich in einer wesentlich besseren Ausgangsposition als jeder Grundeigentümer aus den Altbundesländern. Dies ist Punkt Nummer eins.
Nummer zwei: Sie können wirklich davon ausgehen, daß wir die Interessen der Grundeigentümer durchaus immer gesehen haben und daß die abbauberechtigten Betriebe die Grundeigentümer nicht irgendwie geknebelt bzw. so abgefertigt haben, wie Sie es hier manchmal darstellen. Es gibt eine Untersuchung der Universität Leipzig, eine Diplomarbeit, dazu, in der die Preise für den - -
- Ich dachte, ich beantworte Ihre Frage noch.
Liebe Kollegen, nur eine Bitte. Es ist sehr spät. Wenn wir Fragen fünf Minuten lang beantworten, dann schaffen wir es wirklich nicht.
Gut. Dann fahre ich in meiner Rede fort. Ich hoffe, mir ist die Zeit nicht angerechnet worden.
Auf den ersten Blick scheint der SPD-Antrag, über den wir heute beraten wollen, eine Wiederholung Ihres Antrags aus der 12. Legislaturperiode zu sein, doch nur auf den ersten Blick. Geringe, unscheinbar wirkende Änderungen, vorgenommen durch Praktiker aus den Wirtschaftsministerien der Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Saarland, ergeben einen ganz neuen Sinn und machen den Antrag diskussionswürdig, insbesondere wenn man ihn im Zusammenhang mit den in dieser Woche eingebrachten Anträgen mehrerer Bundesländer sieht.
Um den Antrag in der jetzigen Form würdigen zu können, muß man wissen, daß Bodenschätze in den alten Bundesländern in drei Kategorien eingeteilt werden: erstens die bergfreien Bodenschätze gemäß § 3 Abs. 3 des Bundesberggesetzes, über deren Lagerstätten voll und ganz das jeweilige Bundesland
Ulrich Petzold
verfügt und die von den Bergämtern beaufsichtigt werden; zweitens die grundeigenen Bodenschätze gemäß § 3 Abs. 4 des Bundesberggesetzes, über deren Lagerstätten der Grundeigentümer verfügt, die jedoch von den Bergämtern beaufsichtigt werden; drittens die Grundeigentümerbodenschätze, über die uneingeschränkt der Grundeigentümer verfügt und die - wenn überhaupt - von kommunalen Behörden beaufsichtigt werden.
Die Bodenschätze, über die wir heute reden, gehören in den alten Bundesländern zu den Grundeigentümerbodenschätzen. Eine Vereinheitlichung des Rechts hätte noch nach dem vorletzten Antrag der SPD bedeutet, daß z. B. etwa 90 % der Kiesvorkommen in den neuen Bundesländern von kommunalen Behörden hätten beaufsichtigt werden müssen. Bedenken Sie dabei bitte, daß die Kreis- und Gebietsreform nach einem Hauruckverfahren in den meisten neuen Bundesländern erst im vergangenen Sommer durchgeführt wurde.
Fast unmerklich wurde in dem vorliegenden Antrag der SPD der letzte Satz zur Begründung des ersten Antragspunkts geändert. Dort heißt es - etwas verkürzt wiedergegeben -: Wir gehen davon aus, daß die dann grundeigenen Bodenschätze weiterhin der Bergaufsicht unterliegen.
Das würde nicht wie in den alten Bundesländern eine Einordnung in die Grundeigentümerbodenschätze bedeuten, sondern eine Einordnung aus den bergfreien in die grundeigenen Bodenschätze nach § 3 Abs. 4 des Bundesberggesetzes.
Im Rückkehrschluß müßte das, wenn Sie eine Vereinheitlichung in der Bundesrepublik anstreben, in den alten Bundesländern heißen: Viele der bisherigen Grundeigentümerbodenschätze werden der Aufsicht der kommunalen Behörden entzogen und als grundeigene Bodenschätze gemäß § 3 Abs. 4 des Bundesberggesetzes den Bergämtern unterstellt. Nun gut, wenn das Ihre Alt-Bundesländer mitmachen, können wir darüber reden.
Schleierhaft ist mir dann natürlich, weswegen Sie in Ihrem Antrag den Punkt 2 eingefügt haben. Hierin fordern Sie die frühestmögliche Einbeziehung der kommunalen Behörden in die Entscheidung über den beabsichtigten Rohstoffabbau. Durch Ihren ersten Antragspunkt würden Sie in den Altbundesländern die betroffenen Bodenschätze der direkten und unmittelbaren Aufsicht der Kommunen entziehen. In den neuen Bundesländern jedoch wären die kommunalen Behörden und Vertretungen durch den Wegfall des Erlaubnis- und Bewilligungsverfahrens bei der Abminderung vom bergfreien in das grundeigene Bodenrecht sowieso sofort in der ersten Stufe des Genehmigungsverfahrens beteiligt. Brandenburg hat das anscheinend voll erkannt und hat diesen Punkt in seinen Antrag erst gar nicht eingefügt.
Wieweit übrigens die frühzeitige Beteiligung der Kommunen eigenständig von den Bundesländern selber gelöst werden kann, dazu ist nicht nur, wie
von Ihnen erwähnt, Sachsen ein Beispiel. Auch das Land Brandenburg hat das mit der Entwicklung eines Rohstoffsicherungskonzeptes hervorragend gelöst.
Ein Blick in die Landespolitik der eigenen Partei, Herr Hacker, wäre da sicher sehr hilfreich gewesen. Ich glaube doch, daß auch Sie etwas vom Subsidiaritätsprinzip halten, also davon, Probleme dort zu lösen, wo man sie lösen kann.
Der dritte Antragspunkt wurde gar um einen ganzen Absatz verkürzt und die Forderung nach einer UVP auch bei kleineren Abbauvorhaben fallengelassen. Die Forderung nach der Bekämpfung der sogenannten Salamitaktik, d. h. eines Unterlaufens der UVP-Verordnung durch Vorlage von Betriebsplänen für räumliche Teilabschnitte, unterstütze ich ganz nachdrücklich. Dies ließe sich jedoch durch eine Regelung zur UVP-Verordnung Bergbau machen. Ein Herangehen an das Bergrecht als solches wäre dazu wohl nicht erforderlich.
Für meine Fraktion schlage ich die Überweisung zur Federführung an den Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages vor.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Vera Lengsfeld.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine Crux, daß wir über die Fehler und Mängel des Einigungsvertrages immer vor leeren Bänken diskutieren. Es ist auch bedauerlich, daß wir zwar jahrelang über die Fehler und Mängel des Einigungsvertrages diskutieren, daß wir aber dann, wenn man glaubt, daß jetzt die Erkenntnis, daß etwas geändert werden muß, bei der CDU/CSU angelangt ist, wobei sich Herr Schäuble auch offiziell äußert, hier gesagt bekommen: Das war alles nicht so gemeint.
Herr Kollege Schwanitz, Sie haben vorhin von den Fehlgeburten im Einigungsvertrag geredet. Eine der gravierendsten Fehlentscheidungen dieses Einigungsvertrages ist in der Öffentlichkeit bisher leider fast unbeachtet geblieben, obwohl sie 6 - ich wiederhole: 6 %! - der Landesoberfläche der neuen Bundesländer betrifft. Das Bergrecht Ost ist eine besonders scheußliche Mißgeburt, weil sich in ihm die Festschreibung des alten DDR-Unrechts mit der Aushebelung demokratischer Mitbestimmungsrechte, wie sie in den letzten Jahrzehnten in der alten BRD entwickelt wurden, paart.
Mitte der 70er Jahre hatte die DDR-Führung zur strategischen Rohstoffsicherung - wie sie das nannte -großflächige sogenannte Bergbauschutzgebiete ausgewiesen, in denen der Abbau von Rohstoffen Vorrang vor allem anderen hatte,
Vera Lengsfeld
Nach der Wende war es eine der ersten Taten der frei gewählten Kreistage der DDR, diese Bergbauschutzgebiete für ungültig zu erklären; denn alle hatten das abschreckende Beispiel des Braunkohletagebaus in der Lausitz vor Augen.
Obwohl diese Bergbauschutzgebiete für ungültig erklärt wurden, sind sie dennoch zum Eigentum der Treuhand gemacht worden. Die Treuhand hat diese Bergbauschutzgebiete dann genehmigt.
Aber damit nicht genug: Im Einigungsvertrag wurde gleichzeitig eine Regelung festgeschrieben, die den Bergbauunternehmen nach erfolgreicher Erkundung fast einen Automatismus bis zur Genehmigung an die Hand gibt. Diese Regelung hat bewirkt, daß heute z. B. in Thüringen 10 % der Landesoberfläche zum Abbau beantragt sind.
Wie dramatisch die Situation ist, läßt sich am besten am Beispiel des Rennsteigs erläutern.
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht hören Sie einmal zu; der Rennsteig ist schließlich einer der bekanntesten Wanderwege Deutschlands, und Ihr Finanzminister Waigel hat ihn sehr medienwirksam bewandert.
Irgendwann wurde einmal festgestellt, daß große Teile dieses Wanderweges zum Abbau freigegeben waren. Daraufhin mußte man die Notbremse ziehen, die so aussieht, daß man 50 m auf jeder Seite des Wanderweges nicht abbauen darf.
Man kann sich vorstellen, wie die Thüringer Waldidylle aussieht, wenn der Wanderweg zum Steg über Riesentagebaue wird.
Wir haben es hier mit Abbauvorhaben in einem gigantischen Ausmaß zu tun. Bergwerksfelder von ca. 500 ha und größer sind keine Seltenheit. Oft werden auch diese Bergwerksfelder ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und Raumordnungsverfahren genehmigt.
Lassen Sie mich Ihnen erklären, wie so etwas in Olbersleben in Thüringen praktiziert wird.
Ein Bergbauunternehmen beantragt 9,9 ha Fläche zum Kiesabbau mit einer vorläufigen Betriebsgenehmigung. Wenn sie damit fertig sind, lassen sie einen 10-m-Streifen. Dann beantragen sie wieder 9,9 ha mit einer vorläufigen Betriebsgenehmigung zum Abbau. So soll das weitergehen. Insgesamt ist dort eine Abbaufläche von 347 ha in einem eben renaturierten Riedgebiet vorgesehen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, jeder, der einmal in einem solchen Superabbaufeld gestanden hat, ist erschrocken. So erging es Bundesbauminister Töpfer, als er vor drei Jahren einmal mit dem Gipsabbau der Firma Knauf in Nordhausen konfrontiert wurde. Bedauerlicherweise ist es beim Schrecken geblieben, und es folgten keine Taten, obwohl Herr Töpfer der betroffenen Bevölkerung solche medienwirksam angekündigt hatte.
Denn wer versucht, das Bergrecht Ost zu ändern, muß auf härtesten Widerstand gefaßt sein. Die Unternehmen haben für 0,92 DM/m2 Flächen erworben,
unter denen Rohstoffe mit Millionenwert liegen. Da lohnt es sich sogar, daß ein Unternehmen Strafe in Millionenhöhe wegen Marktmanipulation durch Gebiets- und Mengenaufteilung an die EU zahlt, wie es die Heidelberger Zement Ende letzten Jahres getan hat.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluß kommen.
Ja, ich komme sofort zum Schluß.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland läßt sich nicht erhalten, indem man gesetzliche Regelungen der DDR weiter gelten läßt. Wir brauchen vielmehr innovative Verfahrenstechniken, die dem Anspruch der langwierigen Nutzung und Schonung von nicht regenerativen Ressourcen gerecht werden. Wir brauchen Recycling von Baustoffen, Substitution von Rohstoffen z. B. durch Einsatz von REA-Gips. Die Verwertungsquote bei Bauschutt lag in der Bundesrepublik Deutschland 1990 unter 20 %. Das angestrebte Ziel von 60 % Verwertung rückt angesichts des Bergrechts in weite Ferne.
Sie schaffen die Seite nicht mehr. Machen Sie doch einfach Schluß.
Frau Präsidentin, es ist wirklich nur noch ganz wenig.
Kein Unternehmen, dem Raubbaurechte für die nächsten 100 Jahre zugesichert sind, wird auch nur einen Pfennig in innovative Verfahren stecken. Wir brauchen deshalb eine Neuregelung des Bergrechts.
Unsere Fraktion hat einen entsprechenden Antrag vorgelegt, und ich hoffe, daß er in den Ausschüssen positiv beraten wird.
Danke.
Ich konnte keine Zwischenfrage mehr zulassen, weil die Redezeit vorbei war. Verstehen Sie das bitte.
Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Türk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Einigungsvertrag hat die Koalition beim Bergrecht gezielt einen anderen Weg als in der Alt-Bundesrepublik eingeschlagen.
Nicht nur die klassischen Mineralien wie Kohle, Erdöl und Kali sind als bergfrei erklärt worden, sondern auch die hochwertigen Baurohstoffe wie Betonkies oder Kalkstein. Die Konsequenz daraus ist, daß die Grundstückseigentümer nicht das Verfügungsrecht über den Abbau besitzen und infolgedessen keine Einnahmemöglichkeiten haben.
Der Grund für die Abspaltung der wichtigsten Baurohstoffe vom Oberflächeneigentum war die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Rohstoffe. Das ist nachvollziehbar; denn sie sind die Produktionsgrundlage der ostdeutschen Bauwirtschaft.
Unbestreitbar, die Bauwirtschaft ist eine tragende Säule des wirtschaftlichen Aufbaus. Diese Position konnte die Bauwirtschaft nur erringen, weil wir die Rohstoffzufuhr von langwierigen Eigentumserklärungen befreit haben. Diese Probleme hatten wir ja; das ist doch unbestritten. Außerdem machten die fehlenden Verwaltungsstrukturen diese Ausnahme von der Regel notwendig.
- Sie wollten es ja generell machen. Hätten wir das in der Umstrukturierungsphase anders geregelt, so - da bin ich mir sicher - würden heute viele sanierte, restaurierte und neugebaute Gebäude zwischen Rostock und Zittau nicht stehen.
Nein, die Vorfahrtsregelung für die Bauwirtschaft durch die Regelungen im Bergrecht war richtig. Aber die Regelungen haben Ausnahmecharakter. Sie entstanden durch die Besonderheit der Situation. Sie dürfen nicht zur Regel werden.
Damit komme ich zu Ihnen.
Das Bergrecht in den neuen Ländern muß überprüft und letztlich vereinheitlicht werden; der Zeitpunkt ist gekommen.
Ist der Grund für die Ausnahmeregelung nicht mehr gegeben, muß sie abgeschafft werden.
Hier muß tatsächlich, wie gesagt, eine Überprüfung erfolgen. Bisher war das Ergebnis, das die Gründe für ein geteiltes Bergrecht noch gegeben waren, viele Eigentumsfragen noch der Klärung bedurften. Darum waren früher gestellte Anträge der SPD, lieber Herr Schwanitz, übereilt.
Nun liegen mit beiden Anträgen der Opposition wieder Prüfvorschläge auf dem Tisch. Konsens wird sicherlich darüber bestehen, daß der Aufbau Ost noch nicht abgeschlossen ist. Es stellt sich aber in diesem Zusammenhang die wichtigere Frage, wie es nach heutigem Stand mit den Eigentumsverhältnissen steht. Nach meinem Kenntnisstand hat sich die Eigentümerproblematik weiter entspannt. Die Grundeigentümer können die vom Staat für sie übernommene Aufgabe der Bereitstellung von Baurohstoffen jetzt selbst übernehmen, ohne daß damit die Aufbauarbeit der ostdeutschen Wirtschaft gestört wird. Außerdem sehe ich den Grund der fehlenden Verwaltungsstrukturen seit 1994 nicht mehr als gegeben an.
Damit ist eine bessere Voraussetzung gegeben. Darum möchte ich die Bundesregierung auffordern, zu überprüfen, ob diese Beurteilung die Sachlage richtig widerspiegelt. Denn darin sind wir doch alle einer Meinung: daß den Eigentümern im Osten ein Verfügungsrecht keinen Tag länger ohne Grund vorenthalten werden darf, während es in Westdeutschland gewährt wird.
In der Tat steht eine Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts an. Dabei begrüße ich die im SPD- Antrag vorgenommenen Korrekturen, wonach die grundeigenen Steine und Erden weiterhin der Bergaufsicht unterliegen sollen. Diesen Ansatz haben wir auch in unseren Überlegungen, weil das die richtige, sich am Sachverhalt orientierende Behörde ist und damit Verfahrensvereinfachungen einhergehen. Sollte die Beurteilung des Wegfalls der Gründe für ein zweigeteiltes Bergrecht richtig sein - wie gesagt, das muß tiefgreifend überprüft werden -, so bin ich sehr zuversichtlich, daß wir in den Ausschüssen und mit der Bundesregierung schnell zu einer einvernehmlichen Lösung kommen können.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gerhard Jüttemann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte
Gerhard Jüttemann
Besucher! Ich möchte die Besucher einbeziehen. Wie man sieht, sind sie eindeutig in der Mehrzahl.
Wenn ich an Bergbau denke und an Recht, dann fällt mir - das werden Sie mir nicht übelnehmen - zuerst Bischofferode ein. Wir haben dort bestes Kali gefördert, wir hatten Vorräte, die noch 40 Jahre gereicht hätten,
und wir waren wirtschaftlich überlebensfähig. Dennoch wurde die Grube geschlossen. Denn das Recht war nicht auf unserer Seite.
Wenn ich an Bergbau denke und an Recht, dann sind da die Kohlekumpel aus Nordrhein-Westfalen und dem Saarland.
Die fürchten, wie Sie wissen, gegenwärtig sehr um ihre Arbeitsplätze und damit um ihre Existenz.
Denn auf beides haben sie kein einklagbares Recht.
Und schließlich denke ich an riesige deindustrialisierte Gebiete der neuen Bundesländer. Zum Beispiel Thüringen: Wer von Ihnen schon einmal dort war, kennt die Schönheit der Landschaft. Da andere Existenzchancen kaum noch vorhanden sind, hoffen viele auf den Ausbau des Tourismus. Doch statt der Touristen kommen westdeutsche Unternehmer und wollen Sand, Kies, Gips und Ton abbauen. Ins schöne Ohmgebirge sollte z. B. ein 100 Meter tiefer Krater mit einem Durchmesser von 1,5 Kilometern gerissen werden, um dort über 50 Jahre lang Kalkstein abzubauen. Können Sie sich dieses reizende Urlaubsziel vorstellen?
1994 hat das Oberbergamt Thüringen bereits 1 600 Anträge dieser Art registriert; inzwischen dürften es über 2 000 sein.
Was ist der Kern des Problems? In der DDR herrschte dem Wort nach Volkseigentum, den Tatsachen nach Staatseigentum an Grund und Boden und am Bergwerk. Dies schloß aus, daß Unternehmer aus privaten Gewinngründen Landschaften ruinieren konnten.
Nun gelten die Maßstäbe der DDR fort, nur daß das Staatserbe, Treuhand plus Nachfolger, die alten Bestimmungen nicht nutzt, um Profitinteressen auszuschließen, sondern im Gegenteil den Profit zum Maßstab aller Dinge macht. Das Recht ist wieder nicht auf der Seite der Betroffenen.
Nun liegen Anträge vor, das Bergrecht in Ostdeutschland zu ändern. Wir begrüßen das sehr, denn wenn diese Gesetzesanträge angenommen würden, ließen sich damit eine Reihe von Problemen in den neuen Bundesländern klären. Aber leider gehen die Anträge nicht weit genug. Sie laufen wie so oft darauf hinaus, dem Osten einfach das westdeutsche Recht überzustülpen. Dabei hätten wir gerade jetzt die Chance, mit einer entsprechenden Änderung des Bundesberggesetzes Raubbau an der Natur nicht nur im Osten, sondern auch im Westen wirksam zu unterbinden.
Denn über die wahren Ursachen für den Raubbau an der Natur, meine Damen und Herren, wollen wir uns doch nichts vormachen. Sie haben doch nichts damit zu tun, ob die Bodenschätze bergfrei oder grundeigen sind. Es gibt genügend Grundeigentümer, die ihr Grundeigentum überhaupt nur zum Zwecke des profitablen Raubbaus erwerben.
Frau Lengsfeld vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird das natürlich abstreiten. Sie hat ja nun endlich in ihrer Presseerklärung vom 13. März auch das Hohelied des Grundeigentums gesungen.
Die nachtschwarzen Thesen, die sich diese 1989 für eine bessere DDR angetretene Frau auf ihre Fahne schreibt, lassen immerhin interessante Rückschlüsse auf die eingeschlagene Richtung zu.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.
Ich bin gleich am Ende. - Kurz und knapp unser Standpunkt: Das ostdeutsche Bergrecht muß geändert werden und das westdeutsche gleich mit. Es geht um Demokratisierung. Es geht darum, Kommunen, Bürgerbewegungen, Interessenverbände an den Planfeststellungsverfahren und an den Abbauentscheidungen umfassend zu beteiligen. Die PDS wird dazu in Kürze einen eigenen Antrag einbringen.
Danke schön.
Liebe Kollegen, das war die erste Rede des Kollegen Jüttemann im
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Plenum. Wie bei allen anderen wollen wir das auch bei ihm mit Glückwunsch vermerken.
Als letzter hat der Parlamentarische Staatssekretär Lammert das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der fast unwiderstehliche Reiz von Bundestagsdebatten am fortgeschrittenen Freitagnachmittag
besteht sicher darin, daß sich in aller Regel ein sehr überschaubarer Kreis von Kolleginnen und Kollegen versammelt, die zum einen eine kaum noch zu überbietende Pflichtauffassung von der Mandatswahrnehmung, zum anderen wahrscheinlich die Leidenschaft für den Tagesordnungspunkt und vielleicht auch die Aussicht eint, ganz ungestört miteinander reden zu können, weil außer den angemeldeten Rednern andere potentielle Störer längst nicht mehr vorhanden sind.
Ich will mich sozusagen auf dem Hintergrund einer so friedlichen Debattenlage auch entsprechend gestimmt mit einem kurzen Beitrag an diesen Überlegungen beteiligen, wobei im übrigen der Gegenstand dieser Debatte fraglos komplizierter ist als die Debattensituation. Er ist im übrigen nicht neu. Er war bereits Gegenstand verschiedener Initiativen und Beratungen in der letzten Legislaturperiode.
Ich will nichts von dem wiederholen, was hier die Kolleginnen und Kollegen zum Problemstand vorgetragen haben. Ich will mich darauf beschränken, zum einen zu registrieren, daß sich der Antrag, den die SPD heute vorlegt, vom Vorläuferantrag vom Juli 1994 in einigen Punkten durchaus unterscheidet. Ich will auch ausdrücklich einräumen, daß diese Veränderungen in der Antragslage der SPD auch nach Einschätzung der Bundesregierung Verbesserungen darstellen und daß, wir auf dieser Basis sicher auch eine von der Antragslage her neue Beratungssituation haben. Ich muß allerdings hinzufügen, daß der Antrag, so wie er vorliegt, in sich nach wie vor unausgewogen und nach unserer Meinung nicht beschlußreif ist, da die Forderungen in ihrer jetzigen Formulierung teilweise ins Leere gehen.
Wenn z. B. unter Punkt 2 verlangt wird, die Beteiligung der Kommunen an Entscheidungen über Rohstoffabbau sicherzustellen, so muß natürlich festgestellt werden, daß dies nach § 54 des Bundesberggesetzes bereits jetzt geltendes Recht ist. Die Umsetzung dieser Vorgabe ist Sache der Bergbehörden der Länder.
Das gleiche gilt für die angemahnte Verhinderung des Unterlaufens der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung für Großtagebaue über 10 Hektar. Auch insoweit sind die Bergbehörden der Länder gefordert, einen eventuellen Mißbrauch zu verhindern.
Wenn man das zusammenfaßt, was in der Debatte vorgetragen wurde, und auch das, was noch nicht gesagt wurde, kann man als Fazit sicher feststellen: Wir haben hier eine ungewöhnliche Rechtssituation, die unabhängig von der Beurteilung der Frage, was für die Vergangenheit zwingend notwendig oder jedenfalls wirtschaftspolitisch hilfreich war, für die Zukunft neu geprüft werden muß. Ein solcher Sachverhalt ganz offensichtlich unterschiedlicher Rechtslage ist rechtfertigungsbedürftig. Er muß mit zwingenden Gründen belegt werden können, wenn er als Dauerzustand aufrechterhalten werden soll. Das müssen wir miteinander unvoreingenommen prüfen.
Mich hat allerdings - das will ich wenigstens in Parenthese sagen - schon fasziniert, mit welcher Einstimmigkeit - auf der einen wie auf der anderen Seite des Hauses - heute das Hohelied der Eigentümerrechte gesungen worden ist.
Das hat man in dieser wirklich homogenen Melodie und Harmonie ganz selten in diesem Hause und verdient schon unter dem Gesichtspunkt eines seltenen Ereignisses der Parlamentsgeschichte festgehalten zu werden.
- Auch dieser Zwischenruf rechtfertigt diese Debatte; denn darauf wäre ja auch nicht jeder von alleine gekommen.
Ich bin im übrigen nicht ganz sicher, ob die zum Teil sehr außergewöhnlichen Überlegungen des Kollegen Jüttemann die Konsensfindung befördern, um die wir uns in den nächsten Monaten miteinander bemühen sollten. Die Bundesregierung wird sich an den Beratungen, die nach der Überweisung dieses Antrages an die Ausschüsse nun erst beginnen, gerne und mit der Bereitschaft zur unvoreingenommenen Prüfung möglicher Veränderungen und Verbesserungen für die Zukunft beteiligen. Es wäre ganz sicher schön, wenn es gelänge, die heute in der Debatte angemeldeten Veränderungserfordernisse auf eine möglichst breite - wenn eben möglich gemeinsame - Basis zu stellen, um auf diese Weise ein unbestreitbares Problem überzeugend zu lösen.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/550 und 13/787 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
geschlagen. Der Antrag der Fraktion der SPD soll zusätzlich an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, 28. März 1995, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen ein schönes Wochenende, ebenso den Besuchern. Grüßen Sie Ihre Familien!