Rede von
Heinz
Lanfermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Liberalen haben uns immer zu den im Einigungsvertrag niedergelegten Grundsätzen „Rückgabe vor Entschädigung" sowie „Investitionen vor Rückgabe" bekannt. Bei allen rechtlichen Regelungen, die zur Klärung der offenen Vermögensfragen bereits geschaffen worden sind, geht es insbesondere darum, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Betroffenen zu erreichen.
Ich darf Sie von der PDS darauf hinweisen, daß die automatische Gleichsetzung von betroffenen Nutzern mit Ostbürgern und betroffenen Alteigentümern mit Westbürgern doch zumindest für den größeren Kreis von Menschen nicht zutrifft, die durch Ihre Vorgängerpartei schließlich aus diesem Lande vertrieben worden sind oder vor dem Unrechtsstaat geflüchtet sind.
Wir haben in den letzten Jahren versucht, den Fehler zu vermeiden, in einem komplizierten, durch einen Unrechtsstaat über 40 Jahre hinweg herbeigerufenen, nicht mehr vernünftig greifbaren Rechtszustand einseitig auf die Interessen des Eigentums zu setzen. Wir hätten es uns einfacher machen können,
') Anlage 2
wenn wir nur nach der einfachen Eigentumsformel des Grundgesetzes vorgegangen wären. Genau das haben wir nicht getan.
Verfallen Sie jetzt bitte umgekehrt nicht in den Fehler, nun alles wiederum nur zugunsten der Nutzer sehen zu wollen. Es ist in diesem Hause immer, gerade von dieser Koalition, darauf geachtet worden, daß es zu einem vernünftigen, angemessenen Interessenausgleich zwischen beiden Gruppen von Betroffenen kommt. Wir werden uns in der Mühe, dies auch weiterhin zu tun, von Ihnen gewiß nicht überbieten lassen.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Sachenrechtsänderungsgesetz, das Schuldrechtsänderungsgesetz und das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz nach langen, intensiven und schwierigen Beratungen beschlossen. Sie sind alle erst um die Jahreswende in Kraft getreten.
Eine Bewertung des Erfolgs dieser Regelungen ist zum jetzigen Zeitpunkt - März 1995 - schlechterdings noch nicht möglich. Deshalb sieht die F.D.P.-Bundestagsfraktion auch keinen Anlaß, überstürzt neue gesetzliche Regelungen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, auch wer sich für die Rechte der Mieter stark machen möchte, darf zum Vergleich nicht die sogenannte Datschen-Regelung nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz heranziehen, wo übrigens die Verdienste durchaus auch auf der rechten Seite des Hauses liegen. Es sitzen Leute hier, die sich sehr verdient gemacht haben.
- Der Kollege Türk z. B., danke für den Hinweis, Herr Kollege Weng.
Aus guten Gründen hat dieses Hohe Haus mit großer Mehrheit für die Datschen Kündigungsfristen bis zum Jahre 2015 beschlossen. Hier haben wir auf eine Besonderheit Ostdeutschlands Rücksicht genommen. Das Wochenendhaus war sowohl Ersatz für den vom Staat verweigerten Auslandsurlaub als auch die Insel für viele Menschen, um in einem totalitären System zu überleben. 53 % aller Haushalte in der DDR verfügten über ein solches Refugium.
- Es waren auch Ihre Parteifreunde dabei, keine Sorge. Sie sind auch alle mitbegünstigt. Wir sind ja nicht so.
Diese Besonderheit zu würdigen war die eine Sache, die Regelung für Wohn- oder gewerbliche Zwecke ist eine andere und deswegen auch davon zu unterscheiden. Ich darf noch einmal erwähnen, daß auf Dauer überhaupt keinem Mieter damit geholfen ist, lediglich neue Kündigungsschutzfristen zu erlassen. Entscheidend ist, durch verstärkten Woh-
Heinz Lanfermann
nungsbau und gerade durch private Investitionen in den neuen Ländern neuen Wohnraum zu schaffen. Wir verstehen etwas mehr davon, so etwas anzukurbeln, als einige der Antragsteller, die sich heute hier zum Fürsprecher machen wollen.
Meine Damen und Herren, den Menschen in Ostdeutschland - darum geht es hier heute in der Tat zuallererst - wird durch überstürzten Aktionismus nicht geholfen. Die beschlossenen Gesetze, die ich bereits erwähnt habe, müssen zunächst greifen und ihre Wirkung entfalten. Eine uneinheitliche Rechtsprechung - wobei die Sachen etwas komplizierter liegen, als es manchmal dargestellt wird - oder eine Rechtsprechung, die in Teilen uneinheitlich ist oder uneinheitlich scheint, fordert nicht unmittelbar und sofort ein Handeln des Gesetzgebers heraus. Im Gegenteil: Es ist durchaus möglich - das ist gerade von meinem Vorredner angesprochen worden -, daß wir durch eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe vielleicht doch eine Klärung in den Grenzfällen bekommen, die im Augenblick einige Gemüter bewegen.
In eine sich gerade erst entwickelnde Rechtsprechung muß nicht sofort mit Gesetzesänderungen eingegriffen werden, die es manchmal mit sich bringen - auch das zeigt langjährige Erfahrung -, daß sie durchaus neue Probleme aufwerfen. Es ist ja nicht damit getan, daß man Regelungen selbst dann, wenn sie problematisch sind, einfach ändert und glaubt, damit sei das Problem gelöst. Oft verschiebt man das Problem nur auf eine andere Ebene oder auf andere Grenzfälle, die dann wieder neue schaffen. Neue Grenzen schaffen auch neue Grenzfälle. Auch das sollten Sie von der Rechtssystematik her einmal bedenken.
Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal darauf hinweisen: Eine gesetzliche Regelung kann nur generelle Lösungen vorsehen, während sich die Rechtsprechung, die sich jetzt sehr bemüht, natürlich an dem jeweiligen Einzelfall orientieren muß, der eine differenzierte Entscheidung verlangt. So besteht für den Einzelfall eine wesentlich größere Chance, auf eine rechtliche Regelung letzten Endes hinzuwirken oder sie sogar durch Gerichtsurteil zu gestalten. Diese Entwicklung werden wir in der Tat mit großer Aufmerksamkeit weiter verfolgen. Daß ein Moratorium zum gegenwärtigen Zeitpunkt gewiß nicht geeignet ist, bedarf eigentlich keiner näheren Ausführung.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.