Rede von
Andrea
Lederer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mehrfach betont worden, daß die Rede des Präsidenten der Tschechischen Republik bemerkenswert sei. Eine große Rede. Ich kann mich dem nur anschließen. Ich halte sie für herausragend, wenn man sie intensiv liest. Ich hatte keine Gelegenheit, sie selbst zu hören.
Ich will noch einmal darauf zurückkommen, was der Bundesaußenminister, der gerade den Raum verläßt - Herr Staatsminister Schäfer wird es ihm vielleicht ausrichten -, erklärt hat. Er hat das Attribut „enttäuschend" für Passagen dieser Rede verwendet - enttäuschend, wohlgemerkt. Mir ist völlig unerklärlich, wie man diesen Begriff für die Aussagen in dieser Rede überhaupt verwenden kann.
Der Bundesminister sprach auch davon, daß er Gesten von der tschechischen Seite erwartet. Ich frage mich, wo die Gesten des Bundesaußenministers waren.
Er hätte hier und heute erklären sollen, daß sofort, ohne jede Vorbedingung und ohne jedes Junktim Entschädigungsleistungen für die Opfer des Nationalsozialismus geleistet werden und daß das Dialogangebot seitens der Bundesregierung umfassend aufgegriffen wird und alles dafür getan wird, die Beziehungen, die tatsächlich in einer Krise stecken, zu verbessern. Das hat er versäumt. Statt dessen hat er alte Dinge wiederholt bestätigt, die leider absolut nicht förderlich sind. Die Beziehungen sind in der Tat in einer Krise. Sie sind getrübt. Auch unserer Auffassung nach sind die Blockaden vor allem in der aktuellen Politik der Bundesregierung zu suchen, wenn sie auch historisch begründet sind.
Es sind vor allem zwei Vorwürfe zu machen. Zum einen - ich komme gleich zu dem schlimmeren Punkt -: Meines Erachtens werden die Beziehungen auf eine sehr enge Basis gestellt. Sehr schnell wer-
Andrea Lederer
den beispielsweise Rückschiebeabkommen geschlossen und umgesetzt. Es wird sehr viel über die Einbeziehung in die NATO diskutiert, es werden Manöver durchgeführt. Aber gerade auf dem Gebiet der Aussöhnung, auf dem Gebiet der Verständigung, des Dialogs, der wirtschaftlichen Kooperation passiert sehr wenig. Das heißt, dem Freundschaftsvertrag, den alle hier begrüßt haben, muß erst einmal Leben eingehaucht werden. Das geschähe besser in anderen politischen Bereichen als ausgerechnet im Bereich des Abschiebens von Flüchtlingen und des Einbeziehens in Militärbündnisse.
Noch schwerwiegender allerdings ist - Herr Kollege Verheugen, da fand ich die Rede des Außenministers nicht ambivalent, sondern sehr deutlich -: Nach wie vor hält die Bundesregierung daran fest, ein Junktim zwischen deutschen Entschädigungsleistungen für tschechische NS-Opfer und der Unterstützung eigentumsrechtlicher Forderungen der Sudetendeutschen herzustellen. Er hat das hier noch einmal so festgestellt. Genau das muß in der tschechischen Bevölkerung den Eindruck erzeugen, die Politik ziele auf die Rückgängigmachung bestehender Eigentumsverhältnisse in der Tschechischen Republik ab. Solange diese Politik der Bundesregierung fortgesetzt wird, werden die deutschtschechischen Beziehungen nicht den Charakter annehmen, der für beide Bevölkerungen wünschenswert ist.
Es wäre also angebracht gewesen - das habe ich eingangs bereits gesagt -, heute und hier zu erklären, daß sofort und ohne Vorbedingung, ohne Junktim Entschädigungsleistungen für die tschechischen NS-Opfer angeboten werden. Dazu gehört, unmißverständlich festzustellen, daß die Bundesregierung auf keinerlei Weise eigentumsrechtliche Forderungen von deutscher Seite aus unterstützt. Es wäre ebenfalls wichtig gewesen, die vielen Punkte, die vor allem von den GRÜNEN aufgegriffen wurden, als Angebot zu unterbreiten, um hier weiterzukommen.
Herr Kollege Irmer, Ihre Rede fand ich, ehrlich gesagt, ziemlich peinlich, weil sie der Sache absolut nicht angemessen war.
Ich will zum Schluß meiner Rede da weiterzitieren, wo Sie aufgehört haben. Präsident Havel hat folgendes erklärt:
Und wir sind nicht so töricht, den heutigen Generationen des demokratischen Deutschlands Rechnungen für all das Unrecht zu senden, welches einige von deren Vätern, Großvätern oder Urgroßvätern vor vielen Jahren begangen haben, ebenso wie wir den Völkern der ehemaligen Sowjetunion für die in den Jahrzehnten des Kommunismus an unserem Land sowie an unseren Seelen angerichteten Schäden keine Rechnungen aufstellen. Und weil das so ist, halten wir all die Versuche, von uns entweder in materieller oder anderer Form Ersatz für die Nachkriegsaussiedlung zu verlangen, für um so absurder.
Dem ist meines Erachtens nichts hinzuzufügen. Daran sollte sich die deutsche Politik orientieren.
Ich danke.