Nein, ich möchte hier erst einmal reden, bevor ich Zwischenfragen zulasse.
- Gut. Das vertiefen wir im Ausschuß.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat überhaupt keinen Zweck, darum herumzureden: Mieterhöhungen sind immer ungeliebte Aktionen, und wer diese zu vertreten hat und dem Volk zu verkünden hat, ist sicherlich nicht in einer beneidenswerten Lage.
Es gehört aber gleichermaßen dazu, daß die Betroffenen offen und ehrlich über das Wie und Warum informiert werden. Es ist völlig unfair, wenn demgegenüber politische Kräfte den Mietern einreden wollen, daß die Regelungen im Mietenüberleitungsgesetz nur deshalb beschlossen werden sollen, um die reichen Hausbesitzer noch reicher zu machen und um die Verdienste der Banken weiter ins Unermeßliche zu steigern. Eigentlich sei dies alles überhaupt nicht notwendig, wird den Menschen suggeriert.
Ich kann da auf diverse Flugblätter der PDS und auf Zeitungen zurückgreifen; ich habe hier eine und komme darauf noch zurück. Vielfach wird mit der Unkenntnis der Bürger gerechnet, manipuliert und diskutiert.
Kürzlich schrieb mir eine verängstigte ältere Bürgerin aus meinem Wahlkreis, weil sie nun die 40prozentige Mieterhöhung nicht bezahlen könne, müsse sie die Wohnung räumen. Ich denke, es ist höchste Zeit, daß wir in einer breiten Informationskampagne diesen Unsinn beseitigen, daß wir offen und ehrlich informieren; ich gucke da besonders in Richtung Regierung. Diese Informationskampagne, die sachliche Information der Bevölkerung, ist längst überfällig.
Welchen Schaden Unkenntnis und vermutlich bewußte Desorientierung verursachen können, erleben jetzt über 1 000 Mieter der Thüringer Stadt Greiz. Ein dortiges Wohnungsunternehmen hatte sich 1993 nicht dem Altschuldenhilfegesetz angeschlossen. Sie wollten selber ihre Schulden tilgen; immerhin waren das 22 Millionen DM für das Wohnungsunternehmen in dieser Mittelstadt. Jetzt ist in diesem Unternehmen Heulen und Zähneknirschen ausgebrochen.
Norbert Otto
Lapidar teilen nun die Herren Geschäftsführer ihren Mietern mit einem Schreiben vom 28. Februar mit - ich zitiere kurz -:
Wie Sie wissen, haben wir den Beschluß gefaßt, das Altschuldenhilfegesetz nicht in Anspruch zu nehmen, das bedeutet, daß unsere Genossenschaft keine Geschoßwohnung verkauft. Damit übernehmen wir Altschulden in Höhe von 22,5 Millionen DM. Das entspricht 288 DM pro Quadratmeter. Bei einer Wohnungsgröße von 60 Quadratmetern betragen die Altschulden demnach 17 000 DM. Wir bieten Ihnen an, diese Schuld ab Mai 1995 als Einmalbetrag abzulösen oder im Mietumlageverfahren zu tilgen. Die Miete würde sich beim Umlageverfahren damit um 2,40 DM pro Quadratmeter und Monat erhöhen.
Es wird dann angeboten, die Schuld im Umlageverfahren über einen Zeitraum von 22 Jahren zu tilgen. Dann wären es ganz locker 35 000 DM pro Wohnung. Wem hier nicht der Kragen platzt, der hat offensichtlich keinen Sinn für Realismus.
Ich sage noch deutlicher: Was da geschehen ist, ist - mit Verlaub gesagt, Frau Präsidentin - eine Riesenschweinerei.
Die jetzt eintretende Protestwelle der Mieter läßt aber auch vermuten, daß die Vorinformation doch nicht so gründlich war, wie sie eigentlich hätte sein müssen. Mit der jetzt auf die Mieter zukommenden Belastung wäre ohne weiteres der Einstieg in das privat genutzte Wohneigentum möglich gewesen.
Demgegenüber zahlen die Mieter im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes, also des heute zur Diskussion stehenden Gesetzentwurfs, 0,70 DM/m2 bzw. 0,90 DM/m2, also - ich will es abkürzen - rund 37 DM pro Wohnung und Monat im Durchschnitt der neuen Bundesländer. Meine Damen und Herren, das war es dann auch schon bei den Wohnungen im Bestand und bei unveränderter Qualität.
Es schlägt aber geradezu dem Faß den Boden aus, wenn die PDS den Mietern in einer Potsdamer Zeitung suggerieren will, daß die Mieten explodieren. - Ich mache Wahlwerbung für Sie.
Wenn darüber hinaus von der PDS die traditionsreichen Montagsdemonstrationen, die gerade zur Beseitigung der SED-Herrschaft beigetragen haben, ausgenutzt werden, um die Mieter zu verunsichern, dann ist das mehr als eine Unverschämtheit. Wie chaotisch die Vorschläge der PDS in Richtung bezahlbarer Wohnungen sind, kann ich aus dieser Zeitung auch zitieren. Da steht also:
Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit: Der Staat garantiert allen Individuen ein solches monatliches Einkommen, daß sie sich die monatliche Miete oder eben 100 % Eigenkapital leisten können.
Sozialismus in Reinkultur läßt grüßen. Ich frage mich: In welcher Welt leben denn diese Autoren?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn auch schon viel getan wurde, weist der Wohnungsbestand in den neuen Bundesländern nicht gerade einen umfassenden qualitativen Höchststand aus. Modernisierungen müssen also schrittweise und maßvoll in den nächsten Jahren erfolgen. Wird Wohnraum modernisiert, können dann bis zu 3 DM/m2 auf die Miete umgelegt werden. Aber Art. 1 § 13 weist auch eine Tücke aus. Ich weise bewußt darauf hin, damit wir auch im Ausschuß noch Verhandlungsmasse haben. Es gibt nämlich eine Reihe von Leistungen, die außerhalb dieser Kappungsgrenze von 3 DM durchzuführen sind.
- Ja, die lesen das im Protokoll nach. Von Ihren Kollegen werden meine Kollegen abgelenkt.
Ich möchte also darauf hinweisen, daß es neben den Leistungen, die durch die Kappungsgrenze gedeckelt sind, auch solche gibt, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Das sind z. B. Wärmeschutzverglasungen , feuerhemmende Türen, Wärmemengezähler, Umstellung von Elektro- und Gassystemen, und solche Leistungen können über die 3 DM hinaus umgelegt werden. Hier müssen wir aufpassen, daß uns dann die Mieten nicht „abhauen", daß also die Belastungen nicht zu hoch werden. Hierüber haben wir im Ausschuß sicherlich noch zu verhandeln.
Ein ähnliches Problem - das ist heute schon angesprochen worden - ist das des Umzuges von einer großen in eine kleine Wohnung. Hier muß wieder die berühmte alte Frau herhalten, die in der großen Dreiraumwohnung wohnt. Wenn aber die Aufschläge bei Neuvermietung die Mietreduzierung letztlich auffressen, wird es nicht zu einem Umzug kommen. Hier müssen Kommunen und Länder mit in die Speichen greifen, um ein Programm zu finden, damit sich ein Umzug lohnt. Wir haben, früher gesagt: Der materielle Hebel muß angesetzt werden.
- Nein, Herr Gysi, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit möchte ich Ihnen keine Frage beantworten. Wir wollen ja alle langsam Schluß machen.
Ein anderes Problem sind die kommunalen Abgaben. Auch hier haben wir eine Verantwortung - zwar nicht direkt als Bund, aber doch in unseren Wahlkreisen -, dafür, daß wir aufpassen, daß uns hier nicht die Kosten weglaufen. In meinem Wahlkreis haben sich die Wassergebühren von 2,60 DM/m3 auf bis zu 8 DM/m3 erhöht. Dafür sind nicht wir, dafür ist nicht der Bund verantwortlich, sondern verantwortlich dafür sind die dortigen kommunalen Gebietskörperschaften, die hier in die Pflicht genommen werden müssen. Insofern begrüße ich es, daß sich in Thürin-
Norbert Otto
gen Bürgerinitiativen zu einem Dachverband zusammengeschlossen haben, der gegen unsoziale und überzogene Kommunalabgaben zu Felde ziehen wird.
- Ja, das ist sehr schlimm. Aber da sitzen alle Parteien in einem Boot. Das Ding heften wir uns als CDU nicht allein an die Jacke.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wieder die Zeit der Rattenfänger. Sie ziehen durch das Land, verunsichern mit Halbwahrheiten und Fehlinformationen die Mieter. Uns ist deswegen sehr daran gelegen, daß über den Entwurf des Mietenüberleitungsgesetzes in der Öffentlichkeit offen und ehrlich informiert wird. Wir möchten einen möglichst breiten Konsens für den Gesetzentwurf der Koalition erreichen, dies auch zwischen den Fraktionen. Wir sind bereit, über manche Ecken und Kanten dieses Entwurfes noch zu verhandeln. Dazu sind Sie alle eingeladen, insbesondere meine Kolleginnen und Kollegen der SPD im Bauausschuß.
Vielen Dank.
- Nein, wir werden nie Anhörungen verhindern.