Rede von
Manfred
Kanther
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der diskutierte Aspekt der Rückführung von
Bundesminister Manfred Kanther
Kurden in die Türkei muß in den Kontext des deutschen Asyl- und Ausländerrechts eingeordnet werden. Dazu gehört, daß unser Land der Zuwanderung nicht beliebig ausgesetzt werden kann. Dies ist die Grundlage des Asylkompromisses.
Aus diesem Grund betreiben wir Grenzsicherung, Absprachen mit unseren Nachbarn und Außengrenzsicherungen nach dem Schengener Abkommen. Das war der wichtigste Aspekt des Asylkompromisses, der hier eingegangen worden ist.
Er lebt davon, daß ein bundeseinheitliches Prüfungsverfahren bei einer dafür besonders eingerichteten Bundesbehörde stattfindet, wenn es um die Feststellung geht, welche allgemeinen, politischen, humanitären, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse in einem Herkunftsland herrschen.
Es war das Wesen des Asylkompromisses, die zentrale Prüfung mit zentralen Möglichkeiten der Recherche, die ein einzelnes Land oder gar eine einzelne Ausländerbehörde beim besten Willen nicht haben können, festzuschreiben. Dazu gehört, daß, wenn nach einem aufwendigen Asylverfahren kein Bleiberecht festgestellt wird, der Ausländer das Bundesgebiet wieder verlassen muß.
Sonst träte die absurde Situation ein, daß im Bundesgebiet derjenige bleibt, der Asyl erhält - das ist selbstverständlich -, aber auch derjenige, der kein Asyl erhält, aber nicht abgeschoben wird. Das kann nicht wahr sein.
Das heißt, daß gerade diese Prüfung nicht zur Verfügung der Länder oder der Ausländerbehörden stehen soll. Wenn wir es anders machten, muß im Interesse sowohl der betroffenen und maßlos ausgebeuteten und betrogenen Menschen, die ins Land hineingeschleppt werden, und angesichts all der Folgen, die damit für unser Land eintreten, eine schlimme Situation befürchtet werden. Der Zusammenhang zwischen Grenzsicherung, Verweilbedingungen im Inland und der Konsequenz der Rückführung, wenn kein Bleiberecht da ist, muß beachtet werden.
In dieses Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Ausländer und des Gastlandes gehört dann § 54 des Ausländergesetzes, der es den Bundesländern ermöglicht, einen sechsmonatigen Abschiebestopp zu verhängen, der nur dann über sechs Monate hinaus verlängert werden kann, wenn der Bundesinnenminister zustimmt. Hier überwiegt das Interesse des Ausländers, bei - so formuliert es das Gesetz, ähnlich die Europäische Menschenrechtskonvention - konkreter Gefahr für Leib und Leben, bei der Gefahr erniedrigender oder menschenunwürdiger Behandlung, bei Folter oder Tod geschützt zu sein. Genau dies ist der Punkt, dem im Einzelfall nachgegangen werden muß. Hier teile ich die Meinung des Kollegen Hirsch.
Es ist doch das Wesen unserer Rechtsordnung in diesem Bereich, daß die Gruppenaussage die seltene Ausnahme ist, wenn die Gesamtverhältnisse eines Landes zu einer Gruppenaussage Anlaß geben, und daß die Einzelfallprüfung in einem optimal geordneten rechtsstaatlichen Verfahren den Grundsatz darstellt.
Dazu haben wir in einer mühevollen Arbeit der Bundesregierung, basierend auf den Erkenntnissen des neuesten Lageberichtes des Auswärtigen Amtes, alles zusammengefügt, was sich zur Lebenssituation der Kurden in der Türkei erreichen läßt. Dazu ist mit dem Auswärtigen Amt festzustellen - das ist in gar keiner Weise etwa durch die Aussagen bei der Anhörung erschüttert, die insoweit nur bekannte Standpunkte gefestigt hat und nichts Neues dazu gebracht hat -, daß es in der Türkei keine Gruppenverfolgung für Kurden gibt, daß sie nicht ethnisch verfolgt werden, daß sie in der Westtürkei in Millionen mit den anderen Türken zusammenleben, daß es insoweit in unserer Begrifflichkeit eine innerstaatliche Fluchtmöglichkeit in der Türkei von den Notstandsgebieten her gibt und deshalb auch eine Möglichkeit der Rückführung in diesen Teil gibt, in dem die Kurden mit anderen Türken nicht beschwert zusammenleben.
Aus diesem Grunde ist die Abschiebung der abgelehnten Asylbewerber oder sonstiger sich bei uns illegal aufhaltender Ausländer - jetzt ohne den Teil der PKK-Verdächtigen - in die Türkei möglich und notwendig, um den Zusammenhang zwischen Hineinkommen und Herausgehen zu erhalten. Denn angesichts der Situation, in der die überwiegende Mehrheit dieser Menschen ins Land gebracht wird, gäbe es kein Halten, wenn die deutsche Ausländerpolitik auf das Mittel der Rückführung verzichtete.
Das gilt - alle sozialdemokratischen Innenminister wissen das - in der Argumentation übrigens auch für viele andere Herkunftsländer. Es gibt leider so gut wie kein Herkunftsland, in dem etwa optimale oder gar mit unseren Verhältnissen zu vergleichende Lebensbedingungen vorhanden wären. Das ist gerade der Grund dafür, warum die Menschen ihre Länder verlassen, denn sie glauben, hier bessere Lebensbedingungen zu finden.
Bei der zweiten Gruppe, die das Problem angeht, handelt es sich um jene, die hier oder in der Türkei wegen Zusammenwirkens mit der PKK strafverdächtig sind. Da haben wir eine Vereinbarung getroffen, an deren Einhaltung durch die Türkei ich keinen Zweifel habe.
Ich finde es unvertretbar, wie hier mit den Zusagen eines der ältesten Verbündeten unseres Landes umgegangen wird. Das finde ich unvertretbar.
Bundesminister Manfred Kanther
Ich will Ihnen sagen, was das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 9. Februar 1995 - das ist gerade einmal fünf Wochen her - dazu erklärt hat: „In einem Abschiebefall hatten die türkischen Stellen mitgeteilt, daß Herr ... kein Strafregister hat und auch nicht auf der Fahndungsliste steht. Er werde bei der Einreise in die Türkei nach der üblichen Befragung freigelassen. " Begründung des Bundesverfassungsgerichts unter Bezugnahme auf diese Passage: „Das Bundesverfassungsgericht geht auf Grund dieser amtlichen Mitteilung davon aus, daß dem Antragsteller bei einer Rückkehr in die Türkei keine staatlichen Maßnahmen drohen, die ein Abschiebungshindernis nach § 53 Ausländergesetz begründen könnten. "
Wie kommen Sie dazu - einige von Ihnen; nicht alle, wie ich weiß -, die Zusicherung der Türkei fünf Wochen nach diesen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts pauschal so anders zu beurteilen?