Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger! Herr Minister Töpfer! Nun haben wir das - das ist in den ersten Beiträgen und letztlich indirekt sogar durch Herrn Luther gesagt worden - wirklich mit heißer Nadel gestrickte Mietenüberleitungsgesetz auf dem Tisch. Als erstes frage ich mich, was da eigentlich noch „Überleitung" heißt. Außer der Begrenzung von Erhöhungen, die durch Modernisierung bewirkt sind, sehe ich praktisch keine Oberleitungen. 15 % Mieterhöhung in anderthalb Jahren entsprechen 30 % in drei Jahren. Den Menschen im Osten wird das ohne irgendeinen Mietspiegel serviert, und rechtlich werden sie sogar noch schlechtergestellt als diejenigen, für die das westdeutsche Miethöhegesetz gilt.
Unsere Fraktion hat bereits Mitte Februar einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Es wäre wirklich gut gewesen, wenn Sie - damit meine ich die Damen und Herren von der Regierungsbank - sich diesen einmal angeschaut hätten. Wir haben Ihnen vorgemacht, wie ein sozialverträglicher Übergang erfolgen
Franziska Eichstädt-Bohlig
und gleichzeitig ein methodisch sauberes Gesetz die Überleitung in das Miethöhegesetz organisieren kann. Da hätten Sie wirklich einmal etwas lernen können.
Als zweites frage ich mich, warum Sie sich bisher noch nie das Westberliner Mietüberleitungsrecht angesehen haben. Den Westberliner Altbaumietern sind sieben Jahre Übergangszeit gewährt worden und 5 % Mietsteigerung pro Jahr sowie - wir haben es eben von Iris Gleicke gehört - mit 10 % Kappung bei Neuvermietung. Aber offenbar ist es wie mit allen bisherigen Gesetzen; auch hier gilt: Quod licet Iovi, non licet bovi; und „bovi" gilt wieder einmal für die Ostdeutschen. Ich finde das langsam peinlich.
Ich muß der Regierung acht Vorwürfe machen und sage sie ziemlich kurz und klar; denn wir haben hier immer relativ wenig Redezeit. Das hat den Vorteil, daß sie zur Prägnanz zwingt.
Der erste Punkt ist - ich sage ihn wirklich so hart und klar, wie ich ihn meine -: Das Gesetz ist ein Stück Verrat am Einigungsvertrag; die Einkommensentwicklung hält mit den geplanten Mietsteigerungen nicht Schritt.
Die heutigen Durchschnittseinkommen in den neuen Ländern liegen bei 70 % der Durchschnittseinkommen West. Über die Hälfte der ostdeutschen Haushalte ist sozialwohnungsberechtigt, 16 % sind Wohngeldempfänger, 10 % leben an und unter der Armutsgrenze.
Die Einkommenssteigerungen für dieses Jahr werden mit nominal 4,5 % und real 2 % angesetzt. Woher nehmen Sie da eigentlich die Frechheit, 15 % Mietsteigerung, 3 DM Modernisierungsumlage und Neuvermietungen an der Wuchergrenze als sozialverträglich zu bezeichnen? Ich halte das schlicht für skandalös.
Auf diese Art treiben Sie Tausende von Mietern ins Wohngeld, das Sie dann aber nicht gewähren. Der Effekt ist: Sie treiben die Mieter in großer Zahl in die Sozialhilfe. An der Stelle ist Ihr Gesetzestext bzw. die Einleitung über den Faktor Kosten entlarvend - auch wenn Sie nicht bereit sind, die ganze Wahrheit darzustellen -: Im Endeffekt sollen die ostdeutschen Kommunen wieder das ausbaden, was die Bonner ihnen einbrocken.
Der zweite Punkt: Die sogenannte Übergangsfrist ist skandalös kurz. Ich habe es eben gesagt: Unser Gesetzentwurf sieht fünf Jahre Übergang vor. Alle Experten sagen, daß ein Übergang von fünf Jahren die einzige seriöse untere Marge ist. Den Westberlinern wurden sieben Jahre gewährt. Doch den Menschen im Osten wird wieder einmal im Hauruckverfahren gezeigt, wie die Segnungen und die Härten der Marktwirtschaft in der Realität aussehen.
- Herr Kansy, Sie können es ja das nächste Mal besser machen.
- Die Anhörung zum Mietrecht kommt erst noch.
Der dritte Punkt - darauf hat auch Frau Gleicke eben schon hingewiesen -: Die Mieterhöhungen werden wieder einmal nach dem Gießkannenprinzip gewährt. Eigentlich haben wir eine Art dritte Grundmietenerhöhung; pauschaler geht es nicht. Ich finde es charmant, wie Herr Luther sagt: Die Vermieter brauchen keine Mieterhöhung vorzunehmen; sie dürfen es nur. Es hängt sozusagen von ihrer Gnade ab, ob sie es nicht machen.
Tatsache ist, daß in Ihrem Entwurf zum Mietrecht weder nach Lage noch nach Wohnwert, noch nach Gemeindegröße unterschieden wird. Alle dürfen zulangen - sie müssen natürlich nicht. Auch die, die schon satte Modernisierungsumlagen kassiert haben, dürfen noch einmal voll ins Klavier reingreifen. Beschaffenheitszuschläge gibt es sowieso noch dazu. Da werden Grundmietenverordnungen mit dem Miethöhegesetz gemixt, daß es toller nicht geht.
Das einzige: Für Substandardwohnungen werden 5 % Abschlag gefordert, und bei Einfamilienhäusern und Wendewohnungen dürfen es 5 % mehr sein. Wie aus diesem Mix ein Mietspiegel entstehen soll, ist mir schleierhaft. Im Endeffekt zeigt sich, daß die Neumieter gebraucht werden, um den Mietspiegel nach oben zu treiben.
Unser Gesetz sieht demgegenüber differenzierte Mieterhöhungen nach Wohnwert, Lage und Gemeindeklassen vor, also das, was auch methodisch gefordert wird, was Sie selber nach § 11 des Miethöhegesetzes zitieren.
Entscheidend ist in unserem Gesetz: Wir kappen die Mieten durch klare Mietobergrenzen, während sie bei Ihnen nach oben schießen und sprießen dürfen, wie es nur geht. Ich denke, klare Mietobergrenzen sind genau das, was die Menschen brauchen, sowohl um der Klarheit willen als auch um einer Sicherheit willen, um die Mieten überhaupt kalkulierbar zu halten.
- Das ist das erste; aber die Wohnungen müssen auch bezahlbar sein, Herr Kansy.
Die Mieterhöhungen für Modernisierung sind zunächst auf 3 DM pro Quadratmeter begrenzt. Im Endeffekt kommt mindestens noch 1 DM für die Modernisierungswünsche des Gesetzgebers hinzu. Nach zweieinhalb Jahren Befristung kann weiter zugelangt werden. Also, jeder Hausbesitzer wird entspre-
Franziska Eichstädt-Bohlig
chend kalkulieren, und die nächsten 3 DM pro Quadratmeter Mieterhöhung kommen dann zum 1. Januar 1998. Das ist doch kein Übergangsgesetz, sondern das ist ein Betrug an den Menschen.
Zur Freigabe der Betriebskosten will ich aus Zeitgründen jetzt nichts sagen. Aber auch das wird ein Problem werden, weil die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Betriebskostenfreigabe überhaupt noch nicht gegeben sind.
Jetzt komme ich zu dem Punkt, den ich wirklich am allerschlimmsten und gemeinsten finde, und es war toll, daß Iris Gleicke das schon etwas deutlicher ausgeführt hat. Ich sage es einmal so hart, wie es ist: Die Wohnungssuchenden werden als Trüffelschweine zum Hochtreiben der Mietspiegel mißbraucht, und das ist wirklich ein politischer Skandal.
Nach den Regelungen des Miethöhegesetzes, wie es auch im Westen gilt, werden die Schwächsten am Wohnungsmarkt, die Wohnungssuchenden, den dreistesten und kaum kontrollierbaren Mietforderungen ausgesetzt. Die Diskussion über die Wirkungsfähigkeit des Wucherparagraphen ist hier ja schon geführt worden. Das ist Ausdruck von fast atemberaubendem wirtschaftlichen Machtmißbrauch. Das kann man überhaupt nicht mehr mit dem Begriff Marktwirtschaft kennzeichnen.
- Ich trage so dick auf, um klarzumachen, was das für die Menschen eigentlich bedeutet, und ich fände es gut, wenn Sie sich das auch einmal klarmachten, worum es geht.
Die Tatsache, daß der Gesetzgeber diesen Markt- und Machtmißbrauch rechtlich sanktioniert und darüber sogar das gesamte Regelwerk permanenter Mietsteigerungen legitimiert, sagt wirklich ziemlich viel über die moralische Verfaßtheit unserer Gesellschaft aus. Ich fände es gut, wenn Sie einmal ernsthaft darüber nachdächten, was dieses Miethöhegesetz eigentlich im Kern politisch besagt.
Ganz nebenbei - auch das ist eben dargestellt worden - ist es volkswirtschaftlich, wohnungswirtschaftlich und ökologisch widersinnig; denn viele Mieter werden gezwungen, einfach in zu großen Wohnungen zu bleiben.
Ein weiterer Punkt: Das Gesetz ist juristisch unsauber formuliert und provoziert vielfachen Rechtsstreit. Die Fristen für die Mieterhöhungen sind ungünstiger als im Westen, Mieter mit neuem Vertrag haben praktisch gar keine Chance zum Widerspruch, die Freigabe der Betriebskostenumlage zwingt zu Rechtsstreitereien, und der Mieter selbst trägt noch die Beweislast, wenn er sich nicht mit einer Mieterhöhung einverstanden erklären will.
Der nächste Punkt: Die Wohngeldregelung - dazu wird hoffentlich von anderen Kollegen noch mehr gesagt - ist mehr als beschämend. Sie berufen sich immer darauf, daß die Wohngeldregelung die Probleme auffängt. Tatsache ist, daß nicht einmal das aufgefangen wird, was zum 1. Juli an Wohngeld gekürzt wird. Das Ganze ist bis Ende Dezember dieses Jahres befristet. Was danach kommt, weiß kein Mensch; das steht einmal wieder in den Bonner Sternen. Ich habe es eben schon betont: Die Mieter werden in die Sozialhilfe getrieben; denn die Sozialhilfe bietet als einziges Instrument sicheres Wohngeld. Das finde ich beschämend.
Das größte Bubenstück in Sachen Wohngeld ist: Um die von Ihnen vorausgeschätzten 63 Millionen DM an Wohngeldbedarf für dieses halbe Jahr zu bekommen, haben Sie schlicht 43 Millionen DM aus dem ohnehin mickrigen Etat des ostdeutschen sozialen Wohnungsbaues herausgeholt. Das ist schlicht eine Schweinerei.
Wir haben ja den Antrag gestellt, daß das neue Mietrecht mit der Wohngelderhöhung einhergehen muß. Aber das, was Sie jetzt als Wohngeldverbesserung anbieten, ist mehr als peinlich.
Der siebte Punkte betrifft eine Grundsatzfrage: Wo bleiben die Sozialwohnungen Ost? Mit dem Altschuldenhilfegesetz und dem jetzigen Mietüberleitungsgesetz bezwecken Sie zugleich, daß in Ostdeutschland kein Bestand an Sozialwohnungen mit dauerhaften Miet- und Belegungsbindungen eingeführt wird. Die historisch einmalige Chance, hier unterschiedliche Rechtskonstruktionen für städtische und genossenschaftliche Wohnungen sowie private Mietwohnungen zu schaffen, wird von Ihnen trotz aller Warnungen systematisch vertan. Wenn von Ihnen das Auslaufen der Sozialbindungen West beklagt wird, dann müssen Sie sich fragen lassen, was Sie für die Sozialbindungen Ost tun.
Mein letzter Punkt: Für die Finanzierung der baulichen Erneuerung braucht man mehr Phantasie und darf sich nicht auf Mieterhöhungen beschränken. Wir haben mehrfach gefordert und werden es auch im Jahressteuergesetz tun, daß endlich auch Privatdarlehen in zinsgünstiger Form mit Steuerbegünstigung für die ostdeutsche Wohnungswirtschaft bereitgestellt werden, damit nicht immer nur der Vermögenstransfer in Richtung Westen und der Verkauf an westdeutsche Kapitalanleger subventioniert werden. Auch hier fordern wir Sie auf, endlich etwas mehr politische Phantasie zu entwickeln und unsere Ideen ernsthaft zu prüfen.
Unsere Forderungen und Vorschläge sind einfach: Nehmen Sie unseren Gesetzentwurf für ein fünfjähriges Mietüberleitungsrecht zur Grundlage der weiteren Arbeit - das ist meine erste Empfehlung -, geben
Franziska Eichstädt-Bohlig
Sie dem Wohngeld eine solide Grundlage und vor allem Kontinuität - auch das ist nötig -, schaffen Sie endlich einen Sozialwohnungsbestand Ost, und fassen Sie den Mut zu neuen Finanzierungsformen für die Sanierung und den Wohnungsbau Ost. Last, but not least: Das Miethöhegesetz West, das auch hier für viele Mieter unerträgliche Bedingungen bringt, muß endlich im Interesse der Mieter reformiert werden. Ich fände es gut, wenn Sie über die Argumente auch einmal nachdächten und nicht immer nur pauschal dagegenstünden.