Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 53. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte den Schriftführer Herrn Dr. Zawadil, die Liste der fehlenden Mitglieder des Hauses zu verlesen.
Wegen Erkrankung sind folgende Damen und Herren des Hauses abwesend: die Abgeordneten Schütz, Dr. Dr. Müller , Frau Dr. Probst, Frau Dr. Gröwel, Kemper, Dr. Gerstenmaier, Bettgenhäuser, Dr. Gülich, Marx, Schönauer, Revenstorff, Frau Schroeder, Fisch, Wittmann, Dirscherl, Dr. Becker (Hersfeld), Frau Dr. Ilk, Margulies, Dr. Middelhauve und Zinn. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Bucerius, Dr. Dresbach, Dr. Orth, Even, Müller (Worms), Reitzner, Kriedemann, Dr. Nölting, Henßler, Dr. Veit, Keuning, Roth, Neumann, Brandt, Imig, Steinhörster, Görlinger, Dr. Falkner, Dr. Richter, Müller (Offenbach), Sander, Lübke und Reimann. Außerdem fehlen die Abgeordneten Heiland und Wehner.
Meine Damen und Herren! An geschäftlichen Mitteilungen habe ich lediglich die folgende zu machen.
In den heutigen Unterlagen, die Sie vor sich haben, befinden sich die Drucksachen Nr. 770 und Nr. 630; ich bitte, diese für die morgige Sitzung wieder bereit zu halten, da sie aus drucktechnischen Gründen nicht noch einmal verteilt werden können; sie betreffen den Entwurf eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Ersten Wohnungsbaugesetzes .
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Brönner als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für den Wohnungsbau hat zwei Gesetzentwürfe zur Beratung überwiesen erhalten: die Drucksache Nr. 352, Antrag der Fraktion der SPD, Entwurf eines Gesetzes über den Sozialen Wohnungsbau, und die Drucksache Nr. 567, Regierungsentwurf eines Ersten Wohnungsbaugesetzes mit zwei Anlagen. Dazu kam dann die Drucksache „zu Drucksache Nr. 567" mit den von der Bundesregierung angenommenen Empfehlungen des Bundesrats als Arbeitsgrundlage im Bundestag. Schließlich ist die neue Drucksache Nr. 703 anzuführen mit den Änderungen gegenüber den genannten Drucksachen und mit dem Antrag des Ausschusses, diesen Entwurf nach der Vorlage zu genehmigen und die angeführten Entschließungen anzunehmen.
Der Ausschuß hat den Regierungsentwurf seit der Überweisung am 24. Februar intensiv beraten. Wir haben diesen Entwurf innerhalb genau eines Monats durchberaten und sind im Ausschuß zu einstimmig gefaßten Beschlüssen und Anträgen gekommen. Am Mittwoch, dem 22., waren wir uns einig, daß in der folgenden Nacht so lange gearbeitet werden muß, bis der Entwurf zu Ende beraten und einstimmig angenommen sei.
Wir 'haben uns wie in einem Konklave in Rom bei der Papstwahl
verpflichtet, hier eine Arbeit zu leisten, die sich sehen lassen kann.
Meine Damen und Herren! Wir hätten sehr gewünscht, daß der Regierungsentwurf uns schon früher zugegangen wäre; aber der Herr Wohnungsminister wollte eine möglichst vollkommene Arbeit vorlegen. Ich darf bemerken, daß der Herr Minister bei der Ausschußberatung fast immer anwesend war und überaus wertvolle Arbeit geleistet hat.
Ebenso haben sich die Beamten dieses Ministeriums mit aller Kraft eingesetzt, um diesen Entwurf und diese Ausschußberatungen zu fördern.
Über die dringende Notwendigkeit dieses Gesetzes zur Förderung des Wohnungsbaus, über die Ungeduld, mit der man im ganzen deutschen Volk auf dieses Gesetz wartet, und über die Hoffnungen, die man an dieses Gesetz hängt, brauche ich nicht weiter zu reden. Ich darf nun das Gesetz und die Beschlüsse des Ausschusses etwas näher erläutern.
Die Überschrift lautet: „Entwurf eines Ersten Wohnungsbaugesetzes". Daraus ist zu schließen, daß weitere Wohnungsbaugesetze folgen sollen. Der Gesetzentwurf wie auch die Beratungen waren nicht einfach. Es fehlte vor allem ein Vorgang, wie andere Gesetze ihn vielfach haben. Dazu kam die Schwierigkeit, den fließenden Strom des Wohnungsbaues in starre gesetzliche Formen einzuordnen. Was in diesem Jahr richtig ist, kann in einem Jahr oder in zwei Jahren überholt sein. Mit diesem Gesetz sollen die Bauwirtschaft und das Wohnungswesen nicht vergewaltigt, sondern gefördert werden. Deshalb soll dieses Gesetz
nicht nur richtunggebend, sondern auch anpassungsfähig sein.
Dieser Wille zur Anpassung kommt in den vorgelegten Entschließungen — Drucksache Nr. 703 — zum Ausdruck. Sie weisen in die Zukunft und bilden schon eine Brücke zu einem Zweiten Wohnungsbaugesetz, das auf Grund der Erfahrungen in diesem Baujahr im kommenden Winter beraten werden muß. Diese Einsicht und diese Absicht kommen in der Überschrift „Erstes Wohnungsbaugesetz" zum Ausdruck.
Der Text des Gesetzentwurfes gliedert sich in vier Abschnitte: Teil I mit den allgemeinen Vorschriften, Teil II über den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau, Teil III über den steuerbegünstigten und frei finanzierten Wohnungsbau und Teil IV mit den Schlußvorschriften. Die Aufgabe des Gesetzes wird in § 1 festgelegt: die Förderung des Wohnungsbaues überhaupt und die bevorzugte Förderung des sozialen Wohnungsbaues mit tragbaren Mieten. Über diese Aufgabe gab es im Ausschuß keine Meinungsverschiedenheit, weil der Wiederaufbau der kriegszerstörten Wohnungen im wesentlichen auch im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues geschieht. Dann wird aber auch die Größe der Aufgabe herausgestellt, nämlich das Ziel, in 6 Jahren möglichst 1,8 Millionen Wohnungen im Sektor des sozialen Wohnungsbaues zu erstellen. Diese Zielsetzung ist im Regierungsentwurf nicht enthalten, weil man nicht mit Unrecht der Auffassung war, auf so viele Jahre könne man vor allem keinen Finanzierungsplan aufstellen. Im Ausschuß wurde lange darüber debattiert; es wurde aber mit Mehrheit diese Bestimmung beschlossen, um die große Verpflichtung der öffentlichen Verwaltungen im Wohnungsbau zu unterstreichen, um der Bauwirtschaft einen Anhaltspunkt für ihre Investitionen zu bieten und den Wohnungsuchenden die Hoffnung zu geben, daß sie im Laufe der nächsten Jahre, wenn nicht im ersten, so im zweiten, wenn nicht im dritten, so im vierten, zu einer Wohnung kommen können. Da diese Zielsetzung einen gewissen deklamatorischen Charakter hat, wurde im Ausschuß darüber debattiert, ob sie nicht als Präambel vor das Gesetz gestellt werden sollte. Um aber der hohen Zielsetzung mehr Nachdruck zu geben, wurde beschlossen, diese Willenskundgebung und diesen Auftrag an die öffentlichen Körperschaften in den Gesetzentwurf hineinzunehmen.
Schließlich wird in § 1 noch ganz allgemein gesagt, für welche Gruppen von Wohnungsuchenden vor allem gebaut werden soll, nämlich für die Heimatvertriebenen an Orten, wo sie Arbeit finden können, und dann für jene Menschen, die ihre Wohnungen durch Kriegsfolgen verloren haben. Ich darf betonen, daß sich der Ausschuß in dem Willen einig war, für den kleinen Mann, für die schlecht untergebrachten Familien, für die Heimatvertriebenen und Ausgebombten Wohnungen zu schaffen, entweder zu tragbaren Mieten oder noch besser in der Form eines eigenen Häuschens oder einer Kleinsiedlung. Natürlich ist dabei der Wiederaufbau kriegszerstörter Städte besonders im Auge zu behalten.
In § 2 des Gesetzentwurfs wird in der Form eines Katalogs eine Übersicht über die Förderung des Wohnungsbaus gegeben, wie diese nach den einzelnen Abschnitten des Gesetzes erfolgt: durch den Einsatz öffentlicher Mittel, durch die Über-
nahme von Bürgschaften, durch Steuervergünstigungen, durch Bereitstellung von Bauland und durch Auflockerung der Wohnungszwangswirtschaft.
Eine der wichtigsten Fragen des Gesetzentwurfes ist die der Unterstützung des Wohnungsbaus durch öffentliche Mittel. Öffentliche Mittel im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 3 Mittel öffentlicher Körperschaften, die als zinsverbilligte oder zinslose Darlehen oder als verlorene Zuschüsse für die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus gegeben werden. Nicht als öffentliche Mittel im Sinne dieses Gesetzes gelten erstens: die in öffentlichen Haushalten gesondert ausgewiesenen Wohnungsfürsorgemittel für Verwaltungsangehörige, z. B. der Post und Eisenbahn; zweitens: die nach § 7 c der Einkommensteuernovelle als zinslose Darlehen oder Zuschüsse gegebenen Gelder; drittens: die Grundsteuervergünstigungen.
Um diese Unterscheidung gab es im Ausschuß reichlich Auseinandersetzungen. Streng genommen sind alle Mittel aller öffentlichen Haushalte öffentliche Mittel. Ferner stecken in den unverzinslichen Darlehen und Zuschüssen gemäß § 7 c der Einkommensteuernovelle die ersparten Einkommensteuern und in den Grundsteuervergünstigungen die ersparten Grundsteuern. Auch diese ersparten Steuern könnten als öffentliche Mittel bezeichnet werden. Weiter könnte man sagen: die öffentlichen Sparkassen, die öffentlichen Hypothekenbanken und die öffentlichen Lebensversicherungsanstalten vergeben in ihren ersten Wohnungsbauhypotheken gewissermaßen auch öffentliche Mittel. Trotzdem gelten diese Darlehen nicht als öffentliche Mittel im Sinne dieses Gesetzes. Ja sogar die Darlehen von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden gelten dann nicht als öffentliche Mittel, wenn sie zu marktüblichen Bedingungen gewährt werden. Die Bezeichnung „öffentliche Mittel" kommt im Gesetz so häufig vor, daß man sich über den Sinn dieses Begriffes ganz klar sein muß.
Nun kommen wir zu einem der umstrittensten Paragraphen des Gesetzentwurfes, zu § 4, der die ersten Hypotheken für den sozialen Wohnungsbau sicherstellen soll. Wir waren uns im Ausschuß darüber klar, daß das schönste und beste Wohnungsbaugesetz wertlos ist, wenn die notwendigen Baudarlehen nicht rechtzeitig und nicht hinreichend zur Verfügung stehen. In dem Willen, daß der Wohnungsbau daran nicht scheitern darf, waren wir uns alle einig. Die Auseinandersetzungen liefen darauf hinaus, ob die Realkreditinstitute in dem Gesetz verpflichtet werden sollen, einen bestimmten Prozentsatz ihrer langfristigen Kapitalanlagen als erste Hypotheken für den sozialen Wohnungsbau herzugeben. Diese Frage wurde gemeinsam mit dem Ausschuß für Geld und Kredit erörtert. Dabei wurden die Gefahren einer teilweisen Zwangswirtschaft im Kreditwesen und die möglichen ungünstigen Auswirkungen auf die Spartätigkeit herausgestellt; sie führten zu ernsten Bedenken.
Der Wohnungsbauminister hat uns immer wieder die Versicherung gegeben, daß die Finanzierung auch ohne Zwang gesichert sei. Wir waren aber in diesem Punkt etwas ungläubig und aufdringlich,
weil wir uns für das Gelingen des Wohnungsbauprogramms mitverantwortlich fühlten. Schließlich erklärte uns der Herr Wohnungsbauminister am 16. März wörtlich — ich darf es wohl anführen, Herr Minister —: „Ich hafte mit meinem Kopf dafür,
daß die ersten Hypotheken da sind."
Das war ein schwerwiegender Satz, der Eindruck machte.
Es wurde ihm geantwortet, daß wir diesen für unser Wohnungsbauprogramm so notwendigen Kopf nicht gefährden dürfen und nicht gefährden wollen.
Wir haben daher gemeinsam mit dem Ausschuß für Geld und Kredit dem Herrn Minister diese Haftung leichter gemacht und die Entschließung zu § 4 des Gesetzentwurfes formuliert, die Sie in der Drucksache Nr. '703 finden. In der Ziffer
1 dieser Entschließung werden verbindliche Erklärungen der Realkreditinstitute verlangt, die nach Ziffer 5 der Entschließung bis zum 25. März 1950 vorliegen müssen. Diese Forderungen der Entschließung sehen ja etwas gewalttätig aus. sind aber aus dem festen Willen entstanden, die Finanzierung der ersten Hypotheken unter allen Umständen sicherzustellen.
Tatsächlich haben die Vertreter der Spitzenverbände der Realkreditinstitute am 21. März in Bonn eine solche Erklärung schriftlich bestätigt. Da sie in den Drucksachen nicht enthalten ist, darf ich sie wörtlich vorlesen:
Die Verbände werden mit allem Nachdruck auf ihre Mitglieder dahin einwirken, daß diese im Kalenderjahr 1950 mindestens 50 % ihrer Mittel, die im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs zur langfristigen Anlage bestimmt und geeignet sind, dem Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Dabei wird der Bedarf an ersten Hypotheken für den sozialen Wohnungsbau im Rahmen der durchführbaren Bauvorhaben, deren Gesamtfinanzierung gesichert ist, unter Einrechnung der ERP-Mittel gedeckt werden.
In der Entschließung, die in der Drucksache Nr. 703 enthalten ist, haben wir zu § 4 in Ziffer
2 außerdem zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung von der Ermächtigung zum Anlagezwang rechtzeitig Gebrauch macht, wenn die Institute ihre Zusagen nicht halten. Das Wörtchen „rechtzeitig" ist dabei sehr wichtig. Damit soll gesagt werden, daß der Wohnungsbauminister den Fortgang der Darlehensgewährung genau verfolgt, gegebenenfalls die Institute auf ihre Verpflichtung hinweist und, wenn notwendig, so rechtzeitig von seiner Ermächtigung Gebrauch macht, daß kein Finanzierungsvakuum entsteht. Wir wollen auch schon für die Finanzierung des Wohnungsbaus im Jahre 1951 Vorsorge treffen und haben dies in der Entschließung zu § 4 in Ziffer 3 dahin festgelegt:
Die Bundesregierung legt dem Ausschuß bis
zum 30. November 1950 die Erklärung der
Spitzenverbände gemäß Ziffer 1 für 1951 vor.
Wir sind uns natürlich bewußt, daß die Realkreditinstitute nur im Rahmen ihrer langfristigen Geldeingänge auch langfristige Hypotheken geben können. Was wir aber wollen, ist ein Vorrang der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus. Dazu gehört natürlich auch der Wiederaufbau.
Im Ausschuß wurde u. a. auch besprochen, daß die gewerbliche Wirtschaft auch ihre berechtigten Geldbedürfnisse hat, die zu befriedigen sind. Darüber waren wir uns auch einig. Daher verbleiben gewissen Geldinstituten wie zum Beispiel den öffentlichen Sparkassen die Giroeinlagen für kurzfristige Kredite und allen Realkreditinstituten etwa 50 % für langfristige Darlehen an die Wirtschaft. Außerdem stehen die Privatbanken, die Volksbanken, die Darlehnskassen und andere Geldinstitute für die Finanzierung von Gewerbe und Landwirtschaft zur Verfügung. Man darf daher annehmen, daß die Gesamtwirtschaft durch die vorgesehene Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus nicht gestört wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
von den Sparkassen und Girozentralen 300 Millionen DM, von den Lebensversicherungsunternehmen 125 Millionen DM, von den privaten Hypothekenbanken 125 Millionen DM, von den öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten 100 Millionen DM, aus ERP-Mitteln 250 Millionen DM, zusammen 900 Millionen DM für erste Hypotheken.
Wenn wir einen Gesamtaufwand von 2,5 Milliarden DM annehmen für 250 000 Wohnungen, dann kommt auf eine Wohnung für 10 000 DM eine erste Hypothek in Höhe von 3600 DM, also von etwas mehr als ein Drittel des Gesamtaufwandes. Nach der Entschließung zu § 4 Ziffer 4 können auch im Raum der ersten Hypotheken öffentliche Mittel gegeben werden, natürlich gegen marktübliche Zinsen, wenn die Finanzierung des Bauvorhabens sonst nicht möglich ist. Gegen zweite Hypotheken werden die privaten und die öffentlichen Bausparkassen etwa 200 Millionen DM zuteilen, in denen rund 100 Millionen DM Darlehen enthalten sind. Die restlichen, noch notwendigen zweiten Hypotheken werden aus öffentlichen Mitteln zu marktüblichen oder verbilligten Zinssätzen gegeben werden müssen.
Schließlich muß noch der unrentierliche Teil der Baukosten durch unverzinsliche Darlehen aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden. Für diesen nachstelligen Raum der zweiten Hypotheken und der unrentierlichen Kosten stehen nach dem Schreiben des Herrn Ministers zur Verfügung: die oben genannten Bauspardarlehen von 100 Millionen DM, aus Umstellungsgrundschulden 400 Millionen DM, aus Münzgewinn 400 Millionen DM, aus den Haushalten der Länder 400 Millionen DM, zusammen 1,3 Milliarden DM.
Wir haben demnach an Mitteln für die ersten Hypotheken 900 Millionen DM, für die zweiten Hypotheken und zur Deckung der unrentierlichen Kosten 1,3 Milliarden DM, zusammen 2,2 Milliarden DM. Es fehlen also bis zu den 2,5
Milliarden DM für die 250 000 Wohnungen noch rund 300 Millionen DM, die als Eigenleistung der Bauherren aufzubringen sind in der Form von Geld, Bauplatz oder Selbsthilfe.
Nach diesen Darlegungen sieht die Finanzierung einer Wohnung mit einem Aufwand von 10 000 DM etwa folgendermaßen aus: Erste Hypothek in Höhe von 36 % mit 3600 DM, zweite Hypothek und unrentierliche Kosten 52 %, also 5200 DM, Eigenleistung 1200 DM, zusammen 10 000 DM.
In der Praxis wird bei jedem Wohnungsbau die Finanzierung etwas anders aussehen. Vielleicht fehlt es auch in dem einen oder anderen Lande an ersten Hypotheken, weil die Sparkraft der Bevölkerung geringer ist oder weil aus dringenden Gründen mehr gebaut werden muß. Hier wird es Aufgabe der Bundesregierung sein, für einen Ausgleich unter den Ländern zu sorgen.
Es steckt natürlich noch ein anderes großes Risiko in der ganzen Berechnung, nämlich daß die zu erstellenden 250 000 Wohnungen im Durchschnitt mehr als 10 000 DM je Wohnung kosten. Dann müßte mehr Eigenkapital aufgebracht werden, oder die ersten Hypotheken müßten höher sein, da ja die öffentlichen Mittel kaum erhöht werden können. Damit würden aber gleichzeitig die Zinslasten steigen, und die Höchstmieten könnten nicht eingehalten werden oder nur dann, wenn die öffentlichen unverzinslichen Darlehen erhöht werden.
Wir wollen hoffen, daß das Wohnungsbauprogramm nicht durch einen steigenden Baukostenindex gestört wird.
Nun muß ich noch von einer anderen Seite der Wohnungsbaufinanzierung sprechen, nämlich vom Darlehnszins. Über diesen Zinssatz steht in dem Gesetz kein Wort, obwohl er von ganz weittragender Bedeutung ist. In dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 352, wird ein Zinssatz von 41/4 % für einen Darlehnsnehmer beantragt. In der Praxis beträgt der Zinssatz der ersten Hypotheken heute 6 % oder etwas mehr. Dieser hohe Zinssatz verteuert das Bauern sehr und belastet die Mietpreise erheblich. Wir haben alle den Wunsch, daß der Satz bald auf etwa 5 % heruntergeht. Diese Frage wurde im Ausschuß eingehend erörtert und auch mit dem Ausschuß für Geld und Kredit beraten. Das Ergebnis dieser Aussprache ist in der Entschließung niedergelegt, die Sie in der Drucksache Nr. 703 unter Ziff. 2 Buchst. a) finden. Hier heißt es:
Die Bundesregierung wird ersucht, geeignete, nicht zwangswirtschaftliche Maßnahmen einzuleiten, die die Gewinnung von 1. Hypotheken für den Wohnungsbau zu einem billigen, dem Vorkriegsstand entsprechenden Zinsfuß herbeiführen können, und dem Bundestag hierüber bis zum 1. Oktober 1950 zu berichten.
Wir hoffen, daß es der Bundesregierung gelingt, solche Maßnahmen einzuleiten, die zu einer Senkung des Zinssatzes für erste Hypotheken führen.
Meine Damen und Herren, ich habe über § 4 des Gesetzentwurfes und die Finanzierung desWohnungsbauprogramms ausführlicher berichtet, weil aus dem Gesetzestext nur sehr wenig zu ersehen ist und weil ich es für wichtig halte, daß die breite Öffentlichkeit und die Presse
von diesen Erwägungen und Beschlüssen Kenntnis erhält.
Ich komme zu § 5 des Gesetzes mit der Ermächtigung der Bundesregierung, Bürgschaften und Gewährleistungen für Darlehnsverpflichtungen zur Förderung von Maßnahmen auf dem Gebiete des Wohnungs- und Siedlungswesens und der damit verbundenen städtebaulichen Maßnahmen zu übernehmen. Damit soll den kriegszerstörten Städten beim Wiederaufbau geholfen werden, wenn die bankmäßige Sicherstellung von Darlehen sonst nicht möglich ist. Die Bürgschaften für einzelne Bauvorhaben übernehmen die Länder. Sie sollen bis zur Höhe von 90 % des Beleihungswertes zugelassen werden. Durch diesen hohen Prozentsatz wird die Finanzierung erleichtert, vorausgesetzt, daß ein Geldgeber da ist.
In § 6 des Gesetzentwurfes wird eine Frage angeschnitten, die uns allen große Sorge macht, nämlich die Senkung der Baukosten. Unser großes Wohnungsbauprogramm führt zu einer starken Nachfrage in der Bauwirtschaft und brine die Gefahr der steigenden — statt umgekehrt, wie wir es wünschen — Baukosten mit sich. Der Gesetzentwurf behandelt die Senkung der Baukosten zunächst im § 6 Abs. 1. Danach fördert die Bundesregierung die Rationalisierung des Bauvorganges, und zwar a) die Bauforschung, b) die Schaffung von Normen für Baustoffe und Bauteile, c) die Entwicklung von Typen für Bauten und Bauteile. Damit dies tatsächlich geschehen kann, muß ein entsprechender Betrag in den Haushaltsplan 1950 eingesetzt werden.
Ferner ist im § 18 Abs. 1 eine Vorschrift zur Senkung der Baukosten enthalten. Sie lautet:
Die Bewilligung der öffentlichen Mittel und
die Übernahme von Bürgschaften sollen an
Bedingungen geknüpft werden, die der Senkung der Baukosten dienen.
Die Feststellung dieser Bedingungen bleibt
den Ländern überlassen. Diese mageren Bestimmungen versprechen keine große Wirkung. Wir waren im Ausschuß auch nicht recht damit zufrieden. Wir wollen und können aber auch keine zwangswirtschaftlichen Höchstpreise für die Bauwirtschaft in dieses Gesetz einfügen. Es bleiben also nur noch marktwirtschaftliche Maßnahmen übrig. Eine solche Maßnahme haben wir in der Entschließung — Drucksache Nr. 703 — zu § 18 vorgeschlagen. Darin ist die Rede von Konferenzen, die zwischen den großen Auftraggebern der öffentlichen Körperschaften, dann der Bauwirtschaft, den Gewerkschaften usw. stattfinden sollen. Diese Konferenzen sollen die Höhe der Aufwendungen je Leistungseinheit aufeinander abstimmen und Richtlinien aufstellen. Sie sollen die Baupläne aufeinander abstimmen mit dem Ziel, eine Senkung der Baukosten zu erreichen. Von diesen Bemühungen werden auch die privaten Bauherren Nutzen haben.
Schließlich darf ich noch auf eine Maßnahme hinweisen, die zu einem größeren Angebot in der Bauwirtschaft und zu einer Senkung der Baukosten führen könnte nämlich auf die Gewährung von langfristigen und zinslich tragbaren Darlehen an die Bauwirtschaft zur Vergrößerung ihrer Kapazität. Es ist ja heute schon fraglich, ob die Bauwirtschaft leistungsfähig genug ist, um das große Wohnungsbauprogramm überhaupt zu erfüllen und daneben noch die übrigen Bauten
zu erstellen. Die Gefahr der steigenden Baukosten ist daher sehr groß. Der Herr Wohnungsbauminister wird sich verdient machen, wenn er zusammen mit dem Herrn Wirtschaftsminister den Bauindex laufend überwacht und wirksame Maßnahmen gegen preissteigernde Tendenzen trifft.
Nun komme ich zu einem anderen wichtigen Punkt im Wohnungsbau, nämlich zur Grundsteuervergünstigung, die in den §§ 7-9 geregelt ist. Die Bestimmungen dieser Paragraphen haben uns im Ausschuß lange beschäftigt. Die Meinungen gingen weit auseinander. Die einen wollten recht großzügig sein und einen starken Anreiz zum Wohnungsbau überhaupt geben; die anderen wollten diese Steuergeschenke nur im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues genehmigen. Man ist zu einem Kompromiß gekommen, der folgendermaßen aussieht:
Erstens : die Dauer der Grundsteuervergünstigung Sie läuft auf 10 Jahre. Im Regierungsentwurf waren 20 Jahre vorgesehen. Der Bundesrat hat 10 Jahre beantragt, und die Regierung wie auch der Ausschuß haben zugestimmt. Die Gemeinden
bringen damit ein großes Opfer; denn sie müssen für den Wohnungsbau zusätzliche Aufwendungen machen. Gemeinden mit erheblichen Kriegsschäden werden von den Ländern Ausgleichsbeiträge erhalten müssen.
Zweitens die Höhe der Steuervergünstigung. Sie umfaßt den Wert des neuerstellten oder wiederaufgebauten Wohngebäudes. Die Grundsteuer wird also wie früher nur für den Bauplatz oder für das teilweise zerstörte Wohngebäude erhoben.
Drittens: Welche Gebäude kommen in den Genuß der Grundsteuervergünstigung? Alle Wohnungen und Wohngebäude, die durch Neubau, Wiederaufbau, Ausbau oder Erweiterung' geschaffen werden, wenn sie
1. nach dem 31. Dezember 1949 bezugsfertig werden, wenn
2. ihre Wohnfläche 80 qm nicht übersteigt und wenn
3. bei einer Vermietung nur die Kostenmiete erhoben wird.
Die Wohnfläche kann bis auf 120 qm überschritten werden, wenn die Wohnung für eine größere Familie bestimmt ist oder die Mehrfläche beim Wiederaufbau durch eine wirtschaftlich notwendige Grundrißgestaltung bedingt ist.
Die Höhe der Kostenmiete ist in § 27 Abs. 1 behandelt. Sie soll nur die üblichen Kosten decken, die mit dem Wohnungsbau und seiner Verwaltung entstehen. Die Landesregierung kann nähere Vorschriften erlassen.
Nun gibt es auch Wohnungen, die zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken mitbenutzt werden. Wenn diese Wohnungen nicht größer als 80 bzw. 120 qm sind und wenn nicht mehr als die Hälfte der Wohnfläche gewerblichen oder beruflichen Zwecken dient, dann ist die ganze Wohnung grundsteuerbegünstigt. Durch diese Bestimmung soll der Kleingewerbetreibende, der Heimarbeiter und der freiberuflich tätige Mieter oder Kleinhausbesitzer etwas begünstigt werden. Wenn aber in einem mehrstöckigen Gebäude teils begünstigte, teils nichtbegünstigte Räume geschaffen sind, dann wird für die nichtbegünstigten Räume die volle Grundsteuer erhoben.
Seit der Währungsreform bis zum 31. Dezember 1949 sind viele Häuser mit D-Mark gebaut worden, die nach den erwähnten Bestimmungen die Grundsteuervergünstigungen nicht genießen, weil sie vor dem 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden sind. Die Berücksichtigung derartiger Gebäude ist im § 8 geregelt. Die Länder können nähere Bestimmungen erlassen. Die Grundsteuervergünstigung tritt aber erst vom 1. April 1950 ab ein; denn eine Rückvergütung der bisher gezahlten Grundsteuer kann nicht in Frage kommen.
Wenn auf diesem Wege in Zukunft die Grundsteuer erlassen wird, die bisher in die Miete eingerechnet war, dann muß die Miete entsprechend gesenkt werden. Eine Grundsteuervergünstigung darf aber bei solchen Wohnbauten nicht gewährt werden, die zinsverbilligte oder zinslose Darlehen erhalten haben und bei deren Bewilligung die Grundsteuer mit eingerechnet war. Für die künftigen Wohnbauten beginnt die Grundsteuervergünstigung mit dem 1. April desjenigen Jahres, das auf die Fertigstellung folgt. Wenn die Voraussetzungen für die Grundsteuervergünstigungen teilweise oder ganz wegfallen, dann ist vom kommenden 1. April ab die Grundsteuer teilweise oder voll zu bezahlen.
Damit nun der Bauherr einen Finanzierungsplan für den Bau eines Wohnhauses mit Grundsteuervergünstigung aufstellen kann, ist ihm nach § 10 auf Antrag schon vor Baubeginn eine entsprechende Bescheinigung auszustellen. Im Lande Bayern finden nach § 11 diese Bestimmungen über die Grundsteuervergünstigung zunächst keine Anwendung, weil dort schon ein entsprechendes Gesetz besteht.
Eine andere wichtige Frage im Rahmen dieses Gesetzes ist die der Beschaffung von Bauland. Sie wird in § 12 behandelt. Dem Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden wird die Verpflichtung auferlegt, eigene Grundstücke als Bauland für den Wohnungsbau, namentlich für den sozialen Wohnungsbau, zu angemessenen Preisen oder im Erbbaurecht zu überlassen. Falls sie keine solchen Grundstücke besitzen, haben sie die Aufgabe, solche Grundstücke zu beschaffen. Aus dieser Bestimmung kann jedoch niemand einen Rechtsanspruch auf einen Bauplatz ableiten. Diese Regelung wird vielen Baulustigen nicht recht gefallen, besonders dort nicht, wo der Mangel an Bauplätzen groß ist. Andererseits kann man 'den öffentlichen Körperschaften die Beschaffung von Bauplätzen nicht unbedingt zur Pflicht machen. Es ist also praktisch eine Sollvorschrift, der sich aber die öffentlichen Körperschaften nicht ohne wichtige Gründe entziehen dürfen.
Diese Frage der Beschaffung von Bauland wurde im Ausschuß eingehend besprochen. Nach dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD über den sozialen Wohnungsbau sollten die Stadt- und Landkreise das Recht haben, im Bedarfsfalle geeignete Grundstücke gegen angemessene Entschädigung zu enteignen. Es hat sich aber bei der Behandlung dieser Frage herausgestellt, daß eine Enteignung nach Art. 14 des Grundgesetzes eine sehr schwierige Angelegenheit ist. Sie ist grundsätzlich nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig, also nicht zum Wohle eines Einzelnen, der gerade bauen möchte. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art
und Ausmaß der Entschädigung regelt. Der Ausschuß war sich darüber klar, daß ein solches Gesetz noch wochenlange Beratungen gekostet hätte. Solange durfte aber die Verabschiedung dieses Gesetzes nicht hinausgeschoben werden. Trotzdem mußte aber sofort etwas geschehen; denn der Wohnungsbau darf an dem Mangel an Bauplätzen nicht scheitern.
Der Ausschuß schlägt daher im Antrag Drucksache Nr. 703 die Annahme einer Entschließung zu § 12 des Gesetzes vor, nach der die Regierung den Entwurf eines entsprechenden Gesetzes bis zum 30. September dieses Jahres vorlegen soll. Wir hoffen, daß durch ein solches Gesetz den Bauplatzsorgen, die in manchen Gegenden der Bundesrepublik sehr groß sind, in entsprechender Weise Rechnung getragen wird.
Ich komme nun zum Teil II des Gesetzes, zum öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau. Zur Erfüllung des großen Wohnungsbauprogramms — es sind insgesamt etwa 300 000 Wohnungen im Jahre — ist nach § 13 eine rechtzeitige Planung und Abstimmung der Bauvorhaben unter den Ländern notwendig. Das muß jedes Jahr bis zum 1. Oktober für das darauffolgende Jahr geschehen.
In § 14 wird die Verteilung der Bundesmittel an die Länder geregelt. Sie steht dem Bundesminister für Wohnungsbau zu, und zwar im Benehmen mit den Ländern. In der gestrigen gemeinsamen Beratung mit dem Wohnungsbauausschuß des Bundesrats wurden starke Bedenken gegen diese Formulierung geltend gemacht. Die beiden Ausschüsse haben sich dann auf den Text geeinigt, der in dem neuen Antrag Drucksache Nr. 773 vorgelegt wird. Die Mittel des Bundes für 1950 sind nach Mitteilung des Herrn Ministers schon an die Länder verteilt. Neben diesen Mitteln sind die Rückflüsse aus Wohnungsbaudarlehn des Reiches und des ehemaligen Landes Preußen zur Förderung des sozialen- Wohnungsbaus zu verwenden.
Derjenige, der das Geld gibt, kann aber auch Auflagen hinsichtlich der Verwendung machen. Dieses Recht des Bundesministers wird in Abs. 3 festgelegt. Die Auflage kann sich auf den zu begünstigenden Personenkreis, auf die Sicherung dieser Mittel sowie auf die Zins- und Tilgungsbedingungen beziehen. Die Länder können diese Mittel nach ihren eigenen Bestimmungen weitergeben.
In § 15 werden die Zinsen und Tilgungsbeträge aus den Umstellungsgrundschulden und die Mittel aus den Soforthilfefonds aufgeführt, die ebenfalls dem sozialen Wohnungsbau zugeleitet werden müssen. Sie werden im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern auf die Länder verteilt, die angemessene Teilbeträge zur Förderung der Flüchtlingssiedlung zu verwenden haben. In Abs. 2 wird bestimmt, daß Zinsen und Tilgungsbeträge aus Umstellungsgrundschulden auf Grund von Schiffshypotheken nicht für den Wohnungsbau zu verwenden sind. In Abs. 3 werden die Gesetze genannt, durch welche die Umstellungsgrundschulden und die Soforthilfeabgaben begründet werden.
Nachdem nun die verschiedenen Quellen bezeichnet sind, aus denen die öffentlichen Mittel fließen, werden in § 16 die Wohnungsbauten aufgeführt, bei welchen diese öffentlichen Mittel einzusetzen sind, nämlich erstens bei Neubauten
Dr. Brönner)
als Eigenheime, Kleinsiedlungen oder Mietshäusern, zweitens für wiederaufgebaute und aufzubauende Wohnhäuser, drittens für Ausbauten an Wohnhäusern und viertens bei Neubauten für alleinstehende Personen. Dabei ist immer Voraussetzung, daß es sich um Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues handelt. In den Eigenheimen sollen berufstätige Frauen mit Kindern und betagte und alleinstehende Personen ein Unterkommen finden, wodurch deren bisherige Wohnungen für andere Familien frei werden.
In Abs. 2 und 3 werden zwei bei der Förderung zu bevorzugende Gruppen genannt: einmal der Wieder aufbau von kriegszerstörten Wohnungen und dann die Wohnungen, die unter erheblichem Einsatz von Selbsthilfe gebaut werden. Die Eigenheime mit Gärten und Kleinsiedlungen sollen nicht an sich bevorzugt gefördert werden, sondern nur dann, wenn eine erhebliche Selbsthilfeleistung vorliegt.
Diese Bestimmung ist auch nicht ganz befriedigend. Wir sind alle der Überzeugung, daß ein Mann der ein eigenes Häuschen besitzt staatspolitisch, volkswirtschaftlich und von der Familie her gesehen ganz anders dasteht und viel zufriedener und viel glücklicher im Leben ist als einer, der ewig zur Miete wohnt. Aber wir dürfen diese Eigenheime auch nicht besonders fördern, denn wenn sie bevorzugt finanziert werden müßten, bliebe vielleicht überhaupt kein oder nur wenig Geld übrig, um die mehrstöckigen Wohnungsbauten in den Städten zu erstellen, in denen die Masse der Arbeiterschaft untergebracht werden muß. Daher konnte auch der Bau von Eigenheimen nur dem sozialen Wohnungsbau gleichgestellt werden.
Was hier besonders betont wird, ist die Selbsthilfe. Wenn eine erhebliche Selbsthilfe vorliegt, dann soll eine bevorzugte Förderung erfolgen. Damit wird die Selbsthilfe ganz laut aufgerufen, und sie wird gleichzeitig auch belohnt. Wir haben dabei besonders an die Flüchtlinge gedacht. Die bevorzugte Förderung der Eigenheime ohne solche Selbsthilfe ist also aus dem angeführten Bedenken nicht beschlossen worden.
In § 17 wird die Größe der Wohnfläche für den öffentlich geförderten Wohnungsbau festgelegt. Sie soll mindestens 32 und höchstens 65 qm betragen. Sie kann unterschritten werden bei Wohnungen für Alleinstehende, sie kann überschritten werden bei Wohnungen für größere Familien und beim Wiederaufbau in der notwendigen Rücksicht auf die Grundrißgestaltung. Mit diesem Maß von 65 qm hört der Zwang zu Kleinstwohnungen auf, und es ist eine angemessene Grenze nach oben festgelegt. Diese Grenze ist aber nicht ganz starr, denn die Länder können weitere Ausnahmen zulassen. Über 120 qm Wohnfläche hinaus dürfen die Länder aber auch nicht gehen. Mit diesen Vorschriften ist eine hinreichende Bewegungsfreiheit gegeben, so daß der fließende Strom des wirklichen Lebens und berechtigte Forderungen nicht vergewaltigt werden.
In Abs. 2 des § 17 wird die Quadratmeterfläche für die Wohnungen im sozialen Wohnungsbau festgelegt. Dabei muß grundsätzlich das Durchschnittseinkommen der in Frage stehenden Interessenten beachtet werden. Die Landesregierungen haben mit Zustimmung der Bundesregierung
Richtsätze für die Mieten zu erlassen. In diesen Richtsätzen sind zu beachten und zu berücksichtigen: erstens die Gemeindegrößenklassen, zweitens die Lage und Ausstattung der Wohnung, drittens die ortsüblichen Mieten und viertens der monatliche Höchstbetrag von 1 Mark, in Ausnahmefällen von 1,10 Mark je Quadratmeter Wohnfläche.
Ein besonderes Mietpreisproblem ist dort vorhanden, wo im Zentrum von zerstörten Städten auf Grund der Städteplanung größere Wohnungen gebaut werden müssen, die wegen der teuren Bauplätze auch höhere Mieten einbringen müssen. In diesem Punkte haben sich die Mitglieder des Ausschusses darauf geeinigt, daß die Mieten so hoch sein dürfen wie die früheren Mieten vor der Zerstörung des Hauses. Diese Regelung trägt den Notwendigkeiten vielleicht nicht genug Rechnung. Wenn sie sich als unzulänglich erweist, werden wir bei der Beratung des zweiten Gesetzes darauf zurückkommen müssen.
In Abs. 3 des § 17 wird bestimmt, in welcher Höhe und mit welcher Verzinsung die öffentlichen Mittel eingesetzt werden sollen. Die Antwort lautet kurz und bündig: in d e r Höhe, daß unter Berücksichtigung der laufenden Kosten eine Miete mit höchstens 1,10 Mark pro qm Wohnfläche herauskommt. Zu den einzurechnenden Kosten gehören erstens die Bewirtschaftungskosten, zweitens die Verzinsung des Fremdkapitals, drittens die Verzinsung des Eigenkapitals oder der eigenen Leistung, viertens die Instandhaltungskosten und fünftens eine ordnungsgemäße Abschreibung. Die Eigenleistung soll dabei bis zu 15 °/o der Herstellungskosten mit 4 % verzinst werden, die Mehrleistung in Höhe des marktüblichen Zinssatzes für erststellige Hypotheken.
Wenn man die Mieten auf diese Weise berechnet, stellt sich heraus, daß die öffentlichen Mittel um so höher eingesetzt werden müssen, je höher die Zinsen für die eigene Leistung und für fremdes Geld eingerechnet werden und je niedriger die Miete gehalten wird. Die öffentlichen zinslosen Darlehen können kleiner sein: erstens wenn man auf die Verzinsung des Eigenkapitals verzichtet, zweitens wenn die Zinsen für die erststelligen Hypotheken niedriger wären, drittens wenn die Baukosten gesenkt würden, und viertens wenn man den Mietern eine höhere Miete zumuten könnte. Da wir nun Wert darauf legen müssen, daß mit den vorhandenen öffentlichen Mitteln möglichst viele Wohnungen gebaut werden, sind sowohl die Bundesregierung als auch jeder Bauherr an der Senkung der Darlehenszinsen und der Baukosten stärkstens interessiert. Vorläufig ist noch nicht abzusehen, in welcher Höhe die öffentlichen Gelder zur Finanzierung einer Wohnung gegeben werden müssen, um bei den bestehenden Kosten die Höchstmietsätze zu halten.
Gerade dieser § 17 hat im Ausschuß stundenlange Debatten ausgelöst. Er ist auch mit der Feststellung der Wohnflächen, der Mieten und der öffentlichen Förderung das Herzstück des ganzen Wohnungsbaugesetzes. Die getroffenen Regelungen sind das Ergebnis ernster und gewissenhafter Beratungen. Es ist ein Kompromiß, der nicht alle Beteiligten gleichmäßig befriedigte, der aber doch den allgemeinen Belangen im Wohnungswesen in hohem Maße Rechnung trägt.
Ich komme zu § 18. Den Inhalt von Abs. 1 habe ich bei der Frage der Senkung der Baukosten schon behandelt. In Abs. 2 wird die Bewilligung der öffentlichen Mittel und die Übernahme von Bürgschaften davon abhängig gemacht, daß an die Grundstückserschließung und an den Straßenbau keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Wenn das nämlich geschieht, müßten die öffentlichen Mittel um so höher sein, damit die Höchstmietsätze nicht überschritten werden.
In § 19 wird das Erbbaurecht behandelt. Dieses Erbbaurecht hat den Vorteil, daß der Bauende den Bauplatz nicht zu bezahlen braucht, sondern nur einen mäßigen Jahreszins entrichtet. Wenn aber jemand auf einem solchen Grundstück baut, das ihm nicht zu Eigentum gehört, dann muß er einen langfristigen Vertrag haben. Nach dem Gesetzentwurf muß das Erbbaurecht auf 99 Jahre bestellt sein, wenn ein darauf zu bauendes Wohnhaus mit öffentlichen Mitteln gefördert werden soll. Nur wenn besondere Gründe vorliegen, kann die Dauer auf 75 Jahre herabgesetzt werden.
Nach § 20 Abs. 1 dürfen die Höchstmieten von 1,10 Mark je qm Wohnfläche während der Laufzeit des öffentlichen Darlehens nicht erhöht werden. Der Hauseigentümer darf also in der ganzen Zeit keine zusätzlichen Gewinne machen außer der Verzinsung seines Eigenkapitals.
Einen ganz wichtigen Punkt regelt der Abs. 2 dieses Paragraphen. Es handelt sich hier um die Koppelung von Miet- und Arbeitsverträgen in Werkswohnungsbauten. Durch solche Verträge kann bei der Wohnungsnot ein Druck auf die Angestellten oder Arbeiter ausgeübt werden, in einem Betrieb zu bleiben, in dem sie sich nicht wohlfühlen. Es gibt natürlich auch Werkwohnungen, die für den Arbeiter eine Wohltat sind. Trotzdem soll die Gefahr des Mißbrauchs von Werkwohnungen möglichst ausgeschlossen werden. Daher ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, daß öffentliche Förderungsmittel für Werkswohnungsbauten mit der Auflage zu verbinden sind, daß mit den Betriebsangehörigen Mietverhältnisse zu vereinbaren sind, die nach Ablauf von fünf Jahren vom Bestehen des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an unabhängig werden. Das gleiche gilt für die Erstellung von Wohnungen, zu der gewisse gewerbliche Betriebe verpflichtet sind.
In Art. 21 Abs. 1 wird die Gleichberechtigung aller Arten von Bauherren festgelegt. Dieser Grundsatz ist wichtig zur Anregung der Privatinitative. Jeder soll beim gleichen Wohnungsbau gleiche Hilfen und gleiche Rechte haben. Wir wünschen sogar einen gesunden und lebendigen Leistungswettbewerb.
Die Bewilligung öffentlicher Mittel wird jedoch von den folgenden Bedingungen abhängig gemacht. Erstens: die Wohnungsbauvorhaben müssen den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechen. Zweitens: die Bauherren müssen die erforderliche Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Drittens: sie müssen sich verpflichten, die öffentlich geförderten Wohnungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu verwalten. Schließlich wird ausdrücklich bestimmt, daß kein Rechtsanspruch auf öffentliche Förderung besteht, auch wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind.
In Abs. 2 wird die Sollvorschrift gegeben, daß öffentliche Körperschaften nicht selber bauen, sondern sich in der Regel eines geeigneten Wohnungsunternehmens oder eines Organs der staatlichen Wohnungspolitik bedienen sollen.
In § 22 wird in sieben Absätzen die Vergebung der öffentlich geförderten Wohnungen behandelt. Dabei soll eine gewisse Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft eingeleitet werden. Nach Abs. 1 sollen sie in der Regel solchen Personen zugeteilt werden, deren Jahreseinkommen die jährliche Arbeitsverdienstgrenze der Angestelltenversicherung nicht übersteigt. Das sind heute die Bruttomonatseinkommen von 600 DM. Damit diese Grenze in besonderen Fällen nicht starr eingehalten werden muß, heißt es: in der Regel. Es sind also Ausnahmen zugelassen.
Nach Abs. 2 wird dem Verfügungsberechtigten über eine Wohnung eine Vorschlagsliste mit mindestens drei Wohnungsuchenden zur Auswahl eines Mieters vorgelegt. In Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern müssen es mindestens fünf sein. Damit aber gewisse Kreise der Wohnungsuchenden nicht zu kurz kommen, darf die Vorschlagsliste nur solche Wohnungssuchende enthalten, deren Lebensverhältnisse gleichartig sind. Sonst würde jeder von den dreien die Rosinen, wie man wohl sagen kann, herauspicken, und die Menschen, die das geringste Einkommen haben und unter den ungünstigsten Verhältnissen leben müssen, würden immer abgelehnt werden und überhaupt nicht zu einer Wohnung kommen. Ein solches Auswahlrecht ist bisher schon in einzelnen Städten geübt worden und hat sich bewährt. Auf diese Weise wird ein gewisses Mitbestimmungsrecht für den Verfügungsberechtigten geschaffen, und es wird etwas von der Diktatur der Wohnungsämter abgerückt.
In Abs. 3 wird etwas weitergegangen in der Berechtigung des Bauherrn. Bei Eigenbedarf ist ihm die gewählte Wohnung zuzuteilen. Das gleiche gilt für Wohnungssuchende, die zur Finanzierung einer Wohnung einen angemessenen Beitrag geleistet haben, in der Regel 20 % des steuerpflichtigen Jahreseinkommens. Durch dieses Entgegenkommen soll ein starker Anreiz gegeben werden, für den Wohnungsbau oder eine Wohnung zu sparen, wodurch gleichzeitig die Wohnungsnot gelindert wird, indem diese Leute ihre bisherige Wohnung für andere Wohnungssuchende freimachen.
Nach Abs. 4 erhalten die Inhaber von gewerblichen, land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben das Recht, die von ihnen für die Betriebsangehörigen erstellten Wohnungen nach ihrem Vorschlag zu vergeben. Das gilt auch für Genossenschaften, deren Wohnungen satzungsgemäß nur an Mitglieder abgeben werden dürfen.
In Abs. 5 wird den Bauenden und Finanzierungshelfern eine weitere Vergünstigung gewährt. Sie erhalten mindestens einen Raum mehr, als ihnen sonst zusteht. Der Finanzierungsbeitrag soll in der Regel die Baukosten für einen Wohnraum decken.
Nach Abs. 6 darf in den Fällen der Abs. 3 und 4 die Zuzugsgenehmigung für Familienangehörige nicht versagt werden. In Abs. 7 wird bestimmt, daß die Landesregierungen nähere Vorschriften über die Vergebung dieser Wohnungen erlassen. Durch diese Vorschriften ist auch für die kleinen Leute unter den Wohnungssuchenden gesorgt.
Ich komme zum dritten Teil des Gesetzes, zum steuerbegünstigten und frei finanzierten Wohnungsbau. In § 23 Abs. 1 wird dargelegt, welche Wohnungsbauten und unter welchen Voraussetzungen Wohnungen von der Erfassung und Zuteilung durch die Wohnungsbehörden freigestellt sind. Der himmellange Satz hat kein schönes Gesicht.
Ich darf die folgenden Erläuterungen geben. Es müssen Wohnungen sein, die erstens durch Neubau, Wiederaufbau usw. geschaffen wurden. Zweitens müssen sie die Grundsteuervergünstigung in Anspruch nehmen dürfen. Das ist der Fall, wenn die Wohnfläche 80 qm oder höchstens 120 qm beträgt und wenn nur die Kostenmiete für diese Wohnungen erhoben wird. Drittens können sie mit nach § 7c der Einkommensteuernovelle steuerbegünstigten Mitteln finanziert werden. Maßgebend dafür ist die Durchführungsverordnung zum Gemeinnützigkeitswohnungsgesetz. Es spielt also hier ein Gesetz hinein, das nicht in diesem Wohnungsbaugesetz steht. Aber durch dieses Wohnungsbaugesetz werden keine Einchränkungen von Bedeutung gegenüber der genannten Durchführungsverordnung angeordnet.
Viertens: sie müssen ohne öffentliche Mittel erstellt worden sein, und fünftens: sie müssen nach dem 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden sein.
Zu diesen Bedingungen wären noch mancherlei Ausführungen zu machen, was aber zu weit führen würde; ich darf auch den folgenden Debatterednern noch einigen Stoff überlassen. Jedenfalls wird damit eine weitere erhebliche Lockerung der Zwangswirtschaft und ein verstärkter Anreiz für den Wohnungsbau erreicht.
In den Ausschußberatungen kamen aber auch Bedenken zum Ausdruck, daß dieser § 23 sich ungünstig auf den Wohnungsbau für den kleinen Mann auswirken könnte. Deshalb wurde die Entschließung zu § 23 gefaßt, die in der Drucksache Nr. 703 enthalten ist und lautet:
Die Auswirkungen des § 23 Absatz 1 werden Anfang November 1950 überprüft. Ergeben sich dabei soziale Bedenken, so sind diese für zukünftige Bauten durch Änderung des § 23 Absatz 1 zu beheben.
Absatz 2 besagt, daß zu dieser Freistellung nicht notwendig die Grundsteuervergünstigung oder zinslose Darlehen und Zuschüsse nach § 7 c Einkommensteuernovelle in Anspruch genommen werden müssen.
In § 24 wird noch ein anderer Weg aufgezeigt um im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung mehr Raum zu erhalten, nämlich wenn der Hauseigentümer oder der Hauptmieter eine andere Wohnung schafft oder schaffen läßt, in die der Mieter auf Grund freier Vereinbarung einzieht. Auch diese Bestimmung dient dem Zweck, zum Wohnungsbau anzuregen und mehr Kapital dahin fließen zu lassen.
Nach § 25 bleiben die Vorschriften der Länder mit noch weitergehenden Lockerungen der Zwangswirtschaft durch dieses Gesetz unberührt. Wieder eine Bestimmung zur Förderung der Neubautätigkeit.
Im § 26 werden Änderungen des Mieterschutzgesetzes angeführt, die durch dieses Wohnungsbaugesetz notwendig werden. Ich kann mir ersparen, auf diese formellen Einzelheiten einzugehen. Bei all diesen Vergünstigungen haben aber die kleinen Wohnungssuchenden nicht die Vorteile der kapitalkräftigen Interessenten. Deshalb finden Sie in der Drucksache Nr. 703, 2 b) eine Entschließung, nach der der Sparer, der nur wenig verdient, der aber doch später eine eigene Wohnung oder ein eigenes Häuschen haben möchte, steuerlich in höherem Maße begünstigt werden soll, als es nach der Einkommensteuernovelle möglich ist. Er soll bis zu 25 0/o seiner Einzahlungen für diese Zwecke von seiner Einkommensteuer absetzen können bzw. eine entsprechende Prämie erhalten. Hier kommt
der Wille zum Ausdruck, auch dem kleinen Mann zu helfen, damit er durch seine Selbsthilfe und durch sein zusätzliches Sparen eines Tages zu einer eigenen Wohnung oder zu einem eigenen Häuschen kommen kann.
In § 27 wird die Miete bestimmt, die für Wohnungen genommen werden darf, die mit Grundsteuervergünstigungen und mit Mitteln nach § 7 c der Einkommensteuernovelle finanziert sind. Es darf grundsätzlich nur die Kostenmiete erhoben werden. Diese Kostenmiete darf aber nicht höher sein als 1,50 DM im Monat je Quadratmeter Wohnfläche, wenn bei dem Wohnungsbau Mittel nach § 7 c der Einkommensteuernovelle in Anspruch genommen worden sind. Diese Einschränkung ist festgesetzt worden, weil Gelder nach § 7 c entweder als zinslose Darlehen oder als verlorene Zuschüsse gegeben wurden, so daß die Lasten aus dem Wohnungsbau nicht so groß sind wie bei den normal finanzierten Wohnungsbauten. Da aber jeder Fall wieder verschieden liegen kann, können die obersten Landesbehörden Ausnahmen zulassen. Schließlich werden die Länderregierungen ermächtigt, nähere Vorschriften über die Kostenmiete zu erlassen.
Im Abs. 2 wird bestimmt, daß freifinanzierte Wohnungen im Sinne von § 23 Abs. 2, also ohne Grundsteuerermäßigung und ohne Finanzierungsbeiträge nach § 7 c, den Vorschriften über die Mietpreisbildung nicht unterworfen sind. Es kann also eine freie Marktmiete genommen werden.
Die drei Paragraphen des Teiles IV enthalten die Schlußvorschriften. In § 28 wird bestimmt, daß dieses Gesetz auch für einzelne Wohnräume gilt. § 29 regelt nach Drucksache Nr. 773 die Behandlung der in den Ländern angelaufenen Bauvorhaben im Hinblick auf dieses neue Wohnungsbaugesetz des Bundes. Die in der Einleitung genannten Gesetzesparagraphen 3, 16 bis 20 enthalten die Vorschriften über die Förderung des sozialen Wohnungsbaues. Auf diese Mittel können diejenigen Bauherren keinen Anspruch erheben, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits einen Antrag bei einer Bewilligungsstelle auf Gewährung eines öffentlichen Darlehens oder Zuschusses gestellt haben oder deren Wohnungsbau beim Inkrafttreten dieses Gesetzes im Gange war. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden iedoch Anwendung erstens, wenn der Bau noch nicht begonnen ist, zweitens, wenn der Bau begonnen wurde, aber noch kein Bewilligungsbescheid erteilt ist, drittens, wenn der Bauherr binnen eines Monats nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes einen Bescheid nach diesem Gesetz beantragt. Der Schlußsatz bezieht sich auf die Verzinsung des Eigenkapitals, die in diesem Gesetz mit 4 % festgelegt ist, während diese Verzinsung in den Ländern vielfach niedriger ist. Mit dem Paragraphen wird das Ziel verfolgt, das neue Wohnungsbaugesetz in den Ländern möglichst bald wirksam werden zu lassen.
Meine Damen und Herren! Damit bin ich am Ende meines Berichts. Lassen Sie mich noch ein paar Worte sagen. Der Gesetzentwurf wurde im Ausschuß von den Mitgliedern aller Fraktionen mit größter Sachlichkeit behandelt und so gut wie einstimmig angenommen.
Wir haben uns auf einen Kompromiß geeinigt, der nicht die Wünsche aller Fraktionen erfüllt und auch nicht alle Wünsche der Menschen, die heute eine Wohnung suchen. Es wurde aber ernstlich versucht, doch ein brauchbares Instrument zu schaffen, brauchbare gesetzliche Bestimmungen herauszubringen, um dem Wohnungsbau einen kräftigen
Anstoß und eine starke Förderung zu geben. Bei der Beratung dieses Gesetzes gab es weder Besiegte noch Sieger.
Wir wollten alle nur helfen, daß möglichst viele Wohnungen zu tragbaren Mieten für die breiten Schichten des Volkes schnell gebaut werden. Dieser Gesetzentwurf erscheint uns als ein geeigneter Weg zu diesem Ziel. Der Wiederaufbauausschuß des Bundesrats hat grundsätzlich seine Zustimmung gegeben.
Im Namen des Wohnungsbauausschusses beantrage ich, diesen Gesetzentwurf möglichst ohne weitere Anträge einstimmig anzunehmen.
Ferner beantrage ich, die folgenden dem Auschuß überwiesenen Anträge als erledigt zu erklären. Einmal die Drucksache Nr. 352, Antrag der SPD-Fraktion: Entwurf eines Gesetzes über den Sozialen Wohnungsbau. Als Begründung ist dazu angegeben worden: Der Gesetzentwurf kann als erledigt angesehen werden, weil in den jetzigen Gesetzentwurf wesentliche Gedanken des Entwurfs der SPD übernommen worden sind. Erledigt sind zweitens Drucksache Nr. 285, Antrag der Abgeordneten Dr. Brönner und Genossen, betreffend Sicherstellung der Wohnungsbaufinanzierung und drittens der Antrag des Abgeordneten Wirths und Genossen betreffend Förderung des Wohnungsbaus, Drucksache Nr. 214.
Die FDP wird unter Umständen zu gegebener Zeit auf ihre Anträge zurückkommen.
Endlich liegt ein Abänderungsantrag Drucksache Nr. 773 vor. Der Inhalt dieses Antrages ist das Ergebnis der Beratungen, die gestern zwischen dem Ausschuß für Wohnungsbau und dem Wiederaufbau-Ausschuß des Bundesrats stattgefunden haben. Im Namen des Ausschusse beantrage ich daher, die erwähnten Anträge zu genehmigen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen eingehenden Bericht.
Ehe wir zur Ausspache kommen, gestatten Sie mir einige geschäftsmäßige Bemerkungen. Wir waren im Ältestenrat dahin übereingekommen, daß die Aussprachezeit insgesamt 120 Minuten beträgt. Ich lege Ihnen diesen Vorschlag gemäß § 88 der Geschäftsordnung vor und bitte um Ihre Zustimmung. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen. Dabei bleibt es den einzelnen Fraktionen überlassen, wenn sie zwei Redner vorschicken, sich die Redezeit einzuteilen. Oder wenn einige Fraktionen Zeitüberschüsse haben, bleibt es den Beteiligten ebenfalls überlassen, diese eventuell miteinander auszutauschen.
Ich habe festzustellen, daß für die Aussprache folgende Abänderungsanträge vorliegen. Zunächst der gemeinsame Antrag der Abgeordneten Lücke, Klabunde und Genossen Drucksache Nr. 773. Ferner ist inzwischen ein Abänderungsantrag der Bavernpartei. Drucksache Nr. 783, im Druck verteilt worden. Schließlich liegt mir ein Abänderungsantrag der KPD vor, der eben vervielfältigt wird. und gerade jetzt hat mir der Herr Berichterstatter noch einen Zusatzantag überreicht, den ich auch gleich — es ist wohl so beabsichtigt. Herr Abgeordneter Brönner — zur Verteilung geben werde.
Ich eröffne nunmehr die Aussprache. Sie findet nach dem festgesetzten Verteilungsschlüssel statt. Als erster hat das Wort der Herr Abgeordnete Klabunde, — 25 Minuten!
Meine Damen und Herren! Als wir vor einigen Wochen die Vorlage der SPD und kurz danach die Vorlage der Regierung in der ersten Lesung erörterten, habe ich erklärt, daß eine gemeinsame Lösung möglich ist, wenn eine Reihe wesentlicher Korrekturen erfolgt. Diese Korrekturen sind erfreulicherweise in dem Ausschuß zustande gekommen, und ich verzeichne es mit Genugtuung, daß dieses Gesetz offenbar die einheitliche Zustimmung des Hauses finden wird, was die deutsche Bevölkerung, glaube ich, besonders anerkennen wird. Hier ist nicht irgendein beliebiges Gesetz geschaffen worden, sondern — gestatten Sie mir den Vergleich -- sozusagen ein Grundgesetz auf dem Gebiet des Wohnungswesens, wenigstens soweit es sich um den Wohnungsbau handelt.
Dieses Grundgesetz hat nun eben auch die Tugenden und Fehler unseres anderen größeren Grundgesetzes, d. h. es ist nicht möglich, zu jeder Bestimmung mit gleicher Begeisterung ja zu sagen. Es ist aber wohl möglich, zu dem gesamten Werk ja zu sagen.
Sie wissen, daß sich noch in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit eine ganze Reihe von Kritiken ergeben haben. Ich darf insbesondere auf die Sorgen hinweisen, die der Deutsche Gewerkschaftsbund geäußert hat und die insbesondere auch die Sorgen meiner Partei sind. Wenn wir dennoch an dieser Fassung, die der Ausschuß gefunden hat. festhalten, so geschieht es, weil wir zwar eine ganze Reihe von in der Zukunft notwendigen Änderungen sehen, aber im Augenblick unter allen Umständen eine sichere Basis des Beginnens haben wollen. Diese sichere Basis ist gerade dadurch erzielt worden, daß die sehr allgemein gehaltenen Wendungen des Regierungsentwurfs letzt sehr konkretisiert sind, weswegen erfreulicherweise auch der Herr Bundeswohnungsminister gestern sagen konnte, er halte dieses Gesetz für eine gute Fassung. Ich glaube, er stimmt mir zu, wenn ich sage: im Vergleich zu dem Regierungsentwurf sind auch eine Reihe echter sachlicher Verbesserungen erzielt worden.
Dabei möchte ich keinen Zweifel darüber lassen, daß für uns — und hoffentlich auch für das ganze Haus — die Entschließungen zu dem Gesetz mindestens die gleiche Bedeutung haben wie der Gesetzestext selbst. Wenn man daraus, daß nicht alles in Paragraphen gefaßt worden ist, folgern wollte, es gäbe Fragen von größerer Dringlichkeit im Gesetz und geringerer Dringlichkeit außerhalb des Gesetzes „nur" in der Form der Entschließung, dann wäre das eine völlig falsche Betrachtung der Dinge. Denn dieses Gesetz funktioniert nicht automatisch. Das Gesetz funktioniert nur, wenn alle Beteiligten, die Bundesregierung, die Länderregierungen, der Bundestag, die Länderparlamente, die Kommunen usw. ständig und unaufhörlich das ihre tun, um den in dem Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen in die Tat umzusetzen.
Das Gesetz ist nicht ein toter Buchstabe und kann als toter Buchstabe nicht existieren — wie wir es von anderen Bestimmungen kennen —, sondern das Gesetz muß täglich neu praktiziert werden. Es ist wohl eine grundsätzliche Entscheidung für sechs Jahre gefallen. Aber diese grundsätzliche Entscheidung heißt eben nur: Es ist ein Wille da, ein Wille, der täglich in die Tat umgesetzt werden will und werden soll.
Für uns sind beispielsweise die Entschließung betreffend die Enteignung von Bauland und der Erlaß eines besonderen Gesetzes darüber im Herbst
dieses Jahres heute schon elementarer Bestandteil des Wohnungsbaugesetzes. Wir wissen, daß all die Schwierigkeiten, die bei der Erörterung dieses Themas entstehen werden, gelöst werden müssen, und ich möchte sagen, hoffentlich mit der gleichen Einmütigkeit, die wir bei diesem Gesetz erleben. Denn wir können beim Wohnungsbau alle Schwierigkeiten auf der Materialseite und in der Frage der Finanzierung überwinden; aber wir können nicht den Boden herbeischaffen, wenn uns die Handhabe dafür nicht gegeben wird. Dazu gehört leider, so große Achtung wir alle vor dem Bonner Grundgesetz haben, daß eine Reihe von Positionen dieses Gesetzes durch ein neues Gesetz so interpretiert und gegebenenfalls geändert werden, daß wir zur Baulandbeschaffung kommen.
Der Fall ist nicht nur denkbar, er steht unmittelbar vor uns, daß wir trotz Geldes, trotz vorhandener Arbeitskräfte und Baustoffe, trotz besten Willens einfach nicht bauen können, wenn das Bauland nicht beschafft wird. Wir wollen zugeben: auf die Dauer gesehen, ist Bauland in Deutschland die knappste Ware.
Wir halte,. die Fixierung von Höchstmieten für
einen außerordentlich wesentlichen Faktor, nicht nur für den Wohnungsbau, sondern für das soziale Leben des deutschen Volkes überhaupt, weil hier ein wesentlicher Posten in der Ausgabenrechnung jedes einzelnen auf lange Sicht stabilisiert wird und weil wir den Mieter von 1950 mit dem Mieter, der erst 1955 seine Wohnung bekommt, gleichstellen können, so daß wir denen, die jetzt in diesem Jahr und im nächsten Jahr nicht bedacht werden können, nicht weitere Nachteile — aus der Entwicklung steigender Kosten — in bezug auf die spätere Miete zumuten müssen.
Lassen Sie mich nun einen Punkt berühren und ganz klarstellen, der in der öffentlichen Debatte jetzt in den Vordergrund tritt. Man sagt, es sei alles subventionierter Wohnungsbau. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat gestern auf seiner Pressekonferenz die Frage schon angesprochen; ich möchte sie noch einmal mit aller Deutlichkeit und auch ausführlicher, als es gestern geschehen ist, präzisieren. Ich möchte Ihnen sagen: bei den im Gesetz vorgesehenen Mieten wäre ein rentabler Wohnungsbau ohne jede öffentliche Hilfe dann möglich, wenn wir die Zinssätze hätten, wie sie etwa in Holland anzutreffen sind. Wenn wir einen 3 %igen Hypothekenzinssatz hätten, brauchten wir keine öffentlichen Gelder im Wohnungsbau, vorausgesetzt, daß die private Kapitalbildung groß genug ist. Das ist heute allerdings nicht der Fall. Das erforderliche Geld für den Wohnungsbau kommt, wie Sie alle wissen, nur zum geringeren Teil aus privaten Quellen. Die Mittel der Realkreditinstitute belaufen sich im Augenblick nur auf 500 Millionen DM. Die erwarteten und geschätzten Mittel der Privaten betragen, wenn wir jetzt einmal die in ihnen enthaltenen Steuerbegünstigungen ausklammern, 300 Millionen DM. Von einem Programm in Höhe von 2,7 Milliarden DM sind also im Augenblick nur 0,8 Milliarden DM privates Geld, und der übrige Betrag in Höhe von fast 2 Milliarden DM ist öffentliches Geld oder kommt aus der Vorfinanzierung durch die Bank deutscher Länder. Wir sehen es als einen außerordentlichen Erfolg an, daß es gelungen ist, diese Vorfinanzierungsmittel in einer solchen Höhe herbeizuschaffen. Denn ohne sie wäre der Wohnungsbau nicht auf die Dimensionen zu bringen, die wir erwarten und die wir fordern müssen. Ich stelle also fest: die These von den Subventionen stammt aus einer völlig falschen Sicht. Selbst wenn wir den 3 %igen Hypothekenzinssatz hätten, wäre die öffentliche Leistung notwendig, weil die private Kapitalbildung jetzt nicht oder sagen wir — da ja alle Möglichkeiten in der Entwicklung liegen — noch nicht ausreicht.
Wir haben nun für dieses Gesetz eine Zielsetzung auf sechs Jahre gewählt. Wir sind uns sicher, obwohl wir in diesem Hause noch nicht darüber gesprochen haben, sehr schnell einig, daß ein weiteres Gesetz etwa von gleicher Dauer, von fünf bis sechs Jahren, erforderlich sein wird — das ist eine rein statistische Überlegung —, damit die durch den Krieg entstandene Lücke im Wohnungswesen geschlossen werden kann. Erst dann sind die bei Kriegsende fehlenden 41/2 Millionen Wohnungen wieder geschaffen. Aber danach, d. h. in zehn bis zwölf Jahren, können wir wohnungspolitisch nicht etwa die Hände in den Schoß legen. Gerade wer die Entwicklung im Ausland einmal als Beispiel verfolgt, stellt vielmehr fest, daß auch kriegsverschonte Länder eine Wohnungsnot haben, weil das Wohnbedürfnis der Bevölkerung sich schneller entwickelt, als die Bevölkerungszahl steigt. Mit anderen Worten, wir werden uns auch in künftigen Parlamenten mit der Wohnungspolitik immer neu zu befassen haben, und es ist richtig, wichtig und zweckmäßig, wenn wir heute schon einmal einen Blick auf diese Zukunft werfen. Das möchte ich kurz tun.
Bedenken Sie bitte, das jetzt beginnende und das folgende Wohnungsbauprogramm umfassen insgesamt 41/2 Millionen Wohnungen oder eine Summe von 45 Milliarden DM. Ich glaube, die deutsche Bevölkerung hat sich bisher noch nicht klar vorgestellt, um welche ungeheure Summe es sich hier handelt. Wir haben jeden Anlaß, nun beispielsweise an die Frage der Baukostensenkung zu gehen. Denn wir wissen, daß ein einziges Prozent bereits annähernd 1/2 Milliarde DM bedeutet. Lassen Sie mich meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß Baukostenverbilligungen möglich sind, insbesondere durch geeignete organisatorische Maßnahmen. Ich denke jetzt gar nicht an neue technische Erfindungen. Diese kommen von selbst und werden sich hoffentlich eines Tages auszahlen. Wir haben es aber seit vielen Jahren versäumt, die Frage der organisatorischen Lösungen überhaupt anzupacken. Die Lösung würde beispielsweise mit einer Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Umsatzsteher beginnen. Bedenken Sie bitte, daß allein die Umsatzsteuer letzter Phase sich hei einer Wohnung, die 10 000 DM kostet, auf 300 DM beläuft. Wir können es sogar so formulieren: die dankenswerte Hilfe, die der Bund dem Wohnungsbau leistet, fließt 7U einem nennenswerten Teil als Umsatzsteuer wieder in die Kassen des Bundes zurück. Wir müßten also — das konnte in dieses Gesetz noch nicht einbezogen werden — möglichst bald zu dieser Lösung kommen. Das wäre ein Einbruch in das Kostengefüge — gemessen an der Gesamtsumme von 45 Milliarden —, der sich auf annähernd 11/2 Milliarden DM belaufen würde. aber allerdings auch zeigt. wie groß das Opfer des Rundes wäre, wenn er auf diese Umsatzsteuer verzichten würde.
Wir können andere Kostenelemente untersuchen; ich behaupte, es ist binnen Jahresfrist möglich, durch geeignete organisatorische Maßnahmen linter Einbeziehung der Umsatzsteuer, die heute der Bund erhält. zu einer Kostensenkung von etwa 1000 DM ie Wohnung — gleich 10 % der kalkurierten Summe — zu kommen. Da ist dann natürlich jeder Posten unter die Lupe zu nehmen, auch die Posten,
die durch ständische Gebührenordnungen usw. festgelegt sind.
Ich will den Punkt nicht näher behandeln, Ihnen aber schon heute sagen: wenn wir die Wohnungspolitik nicht so dynamisch betreiben, daß wir die einzelnen Faktoren, mit denen wir zu rechnen haben, weil wir aus ihnen zu der ungeheuren Summe von 45 Milliarden kommen, nicht ständiger öffentlicher Kontrolle unterziehen, dann wird der Wohnungsbau nicht für 45 Milliarden durchzuführen sein, sondern die Summe wird erheblich steigen müssen. Das aber wollen wir gerade deswegen verhindern, weil wir wissen, wie stark wir die öffentlichen Finanzen zu entlasten vermögen. Wenn es gelingt, die Kosten von 10 000 auf 9000 DM zu reduzieren, bedeutet das, daß allein die öffentlichen Finanzen diesen Vorteil haben, da ja die Miete als solche fixiert ist, wir also in der Lage sind, bei den öffentlichen Finanzen jährlich 250 000 bis 300 000 mal 1000 DM, d. h. mehr als eine Viertelmilliarde, einzusparen oder, anders ausgedrückt, mit der gleichen Summe, die heute an öffentlichen Förderungsbeträgen in den Wohnungsbau fließt, ein wesentlich größeres Volumen des Wohnungsbaus zu finanzieren.
Mit der Wohnungsbaufinanzierung in diesem ungeheuren Ausmaß schaffen wir für die Bauwirtschaft und die zu ihr gehörenden Branchen eine Konjunkturgarantie über sechs Jahre. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, daß aus dieser Konjunkturgarantie ein Preisauftrieb folgt, wie er rein psychologisch naheliegt. Hier hat das Parlament eine Aufgabe völlig außerhalb des zwangswirtschaftlichen Denkens, was ich ausdrücklich klarstellen möchte, denn die Wahrnehmung der Interessen der Steuerzahler kann in keiner Weise bedeuten, daß schon diese Wahrnehmung in den Verdacht gesetzwidriger Manipulationen kommt, obwohl eine solche Äußerung kürzlich durch das Bundeswirtschaftsministerium gemacht wurde. Denn da ist von der Gefahr gesprochen worden, daß die Konferenz der öffentlichen Auftraggeber — das ist in den Entschließungen des Ausschusses niedergelegt, und über diese Entschließungen haben Sie heute abzustimmen — als ein Kartell angesehen werden könnte, das gegen kartellpolitische Bestimmungen verstößt. Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich bitte die groteske Situation vor: wir wollen, daß mit den öffentlichen Geldern sparsam umgegangen wird; wir wollen, daß Fehler in der Verwendung öffentlicher Gelder vermieden werden. Dazu soll diese Konferenz der öffentlichen Auftraggeber unter Beteiligung der Wohnungs- und Bauwirtschaft und der Gewerkschaften dienen. Man bringt diese Institutionen in den Verdacht, daß sie gegen Kartellgesetzbestimmungen verstoßen könnten. Hat denn das Kartellgesetz die Aufgabe, die Preise zu erhöhen, oder Preissenkungen zu verhindern? Das ist doch die Frage, die hier zu stellen ist. Ich hoffe, daß sie bei möglichst naher Gelegenheit, nämlich bei der Erörterung des Kartellgesetzes, in aller Ausführlichkeit diskutiert werden kann.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen nicht den ganzen Katalog unerfüllter sozialdemokratischer Wünsche vortragen, ich möchte nur mit einem schließen: Seien Sie überzeugt, daß das Gesetz nur eine Grundsatzregelung darstellt. Seien Sie überzeugt, daß dieses Gesetz eine sehr müde Angelegenheit werden kann, wenn kein heißer Wille — ein heißer Wille, der mit sehr viel Sachkunde verbunden sein muß — zu seiner Erfüllung dahinter steht. Hier liegt eine Aufgabe des Bundestags, die auch über die Termine der zweiten und dritten Lesung hinausreicht. Wir brauchen die Beteiligung aller, und wir kommen nur zu dieser Beteiligung, wenn wir vom Wohnungsbau in Deutschland ununterbrochen reden und den Reden entsprechend handeln. Wir müssen nämlich davon sprechen, damit die Fehler erkennbar werden und wir sie beheben können. Wir müssen aber in bisher unerhörter Weise handeln, wenn wir das durchführen wollen, was wir uns zum Ziel gesetzt haben. Die 1,8 Millionen Wohnungen für sechs Jahre aus dem sozialen Wohnungsbau zuzüglich eines gewissen Volumens privaten Wohnungsbaus bedeuten ja — wenn wir im Jahre 1950 nur 250 000 bis 270 000 Wohnungen bauen —, daß in jedem der fünf folgenden Jahre im Durchschnitt 360 000 Wohnungen gebaut werden müssen. Das sind Dispositionen in einer Höhe, die heute schon zwingt, die Überlegungen nicht nur für das nächste, sondern auch für die folgenden Jahre anzustellen. Denn wir werden das Programm nur allmählich steigern können. Wir müssen dahin kommen, daß wir, sagen wir, vom vierten Jahr an jährlich 400 000 Wohnungen in Deutschland produzieren, sonst ist das Programm nicht durchzuführen. Die Kapazität der Bauwirtschaft reicht dazu heute nicht aus. Ich nehme an, daß die Kapazitätsausdehnung sich auf mindestens 25 Prozent des heutigen Volumens belaufen muß; d. h. also, daß wir uns nicht nur die Sorgen um die Herstellung der Wohnungen, sondern auch um den Herstellungsapparat, der entsprechend erweitert werden muß, zu machen haben. Es heißt, daß entsprechende Finanzierungsmittel bereitgestellt werden müssen. Der Herr Bundeswohnungsbauminister ist in der Lage, sicher — wie ich glaube — in Aussicht stellen zu können, daß in diesem Jahr die erforderlichen 2,7 Milliarden vorhanden sind. Die Summe muß um 50 Prozent erhöht werden, damit wir auf rund 400 000 Wohnungen je Jahr gelangen.
Wir haben also im Augenblick, so schwierig die gegenwärtigen Aufgaben sind, damit nur die kleineren Aufgaben; die größeren kommen noch. Diese Ausführungen und diese Zahlen sollen Sie zunächst nur darüber informieren, welche großen Themen wir auf dem Gebiet des Wohnungsbaus in den nächsten Jahren zu bewältigen haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Nach den eingehenden und ausgezeichneten Ausführungen unseres Herrn Berichterstatters braucht man wirklich nicht mehr intensiv in die einzelnen Paragraphen des Gesetzes einzusteigen.
Aber es scheint mir doch notwendig zu sein, zu einigen Punkten einige grundsätzliche Feststellungen zu machen. Es ist ja leider so, daß in der breiten Öffentlichkeit immer noch keine richtige Vorstellung darüber besteht, was eigentlich sozialer Wohnungsbau heißt. Ich möchte hier an einen Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 27. März 1950 anknüpfen. Überschrift: „Gemeinnütziger Wohnungsbau bevorzugt". Hier wird die ganz falsche Gleichsetzung sozialer Wohnungsbau gleich gemeinnützige Genossenschaften gleich SPD vollzogen. Das ist vollkommen falsch. Wenn der Herr Berichterstatter dieser Zeitung sich einmal die Mühe gemacht hätte, das Gesetz genau durchzusehen, dann hätte er feststellen müssen, daß sich der Begriff des sozialen Wohnungsbaus
nach der Größe, der Miete und der Ausstattung richtet und daß für die Errichtung solcher sozialen Wohnungsbauten sowohl die öffentliche Hand wie die Genossenschaften wie der private Hausbesitzer und die privaten Wohnungsunternehmen absolut gleichberechtigt sind.
Wir müssen auch einmal darauf aufmerksam machen, daß es nicht geht, gemeinnützige Genossenschaften nun etwa falsch gleichzusetzen mit SPD. Ich erinnere hier daran, daß eine der ältesten Baugesellschaften in Form einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft im Mai des Jahres 1872 von der privaten Wirtschaft gegründet worden ist und bis heute im Besitz dieser privaten Wirtschaft ist. Das ist die bekannte Barmer Baugesellschaft für Arbeiterwohnungen. Ich erinnere daran, daß eine ganze Reihe von Genossenschaften gemeinnütziger Art besteht, die entweder von den Kommunen oder von den Kommunen mit der privaten Wirtschaft gegründet und aufgezogen worden sind, so daß man davor warnen muß, hier eine solche absolute Gleichsetzung vorzunehmen.
Weiter liegt ein großer Irrtum in der Auffassung, Wohnungsbauten sozialer Art — also beschränkt nach der Größe und der Miete — würden nur durch diese Genossenschaften ausgeführt. Ich verweise darauf, daß im Lande Nordrhein-Westfalen — ich kann das an Hand der Monatszahlen nachweisen, die vom Statistischen Landesamt Nordrhein-Westfalen im vorigen Jahr herausgegeben worden sind, es liegen mir allerdings nur die ersten drei Vierteljahre vor — der Anteil der gemeinnützigen Gesellschaften an den Wohnungen, die insgesamt erstellt worden sind — Neubau plus Wiederherstellung — lediglich 10 Prozent im Durchschnitt der gesamten neu erstellten oder wiederaufgebauten Wohnungen war, daß der private Anteil also rund 90 Prozent betragen hat. Und Sie sehen aus einer anderen Aufstellung, daß der private Anteil gerade an diesen Wohnungen mit nicht mehr als etwa vier Zimmern ebenfalls ungefähr 90 Prozent beträgt, wobei gerade die Wiederherstellung im Vordergrund steht. Die Wiederherstellung, Wiederaufbau sowie An-, Um- und Ausbau von Wohnungen, machen mehr als zwei Drittel der Gesamtzahlen aus. Sie ersehen daraus, daß sich gerade die private Hand nach der Währungsreform außerordentlich angestrengt hat, um hier mitzuwirken, und sie hat auch den Erfolg zu verzeichnen. Ich bin fest davon überzeugt, daß nach diesem Wohnungsbaugesetz auch ein großes Feld der Betätigung für den privaten Unternehmer, für die privaten Wohnungsunternehmen und für den ausgebombten Hausbesitzer in unseren Großstädten vorhanden ist.
Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau soll ja an allererster Stelle stehen, wie das Gesetz in § 16 sagt. Es sollen Eigenheime und Kleinsiedlungen, die unter wesentlichem Einsatz von Selbsthilfe gemacht werden, bevorzugt werden. Das ist auch richtig. Ich brauche darauf nicht einzugehen; das hat der Herr Kollege Dr. Brönner vorhin eingehend ausgeführt. Wir sind auch der Auffassung, daß nicht in erster Linie der Städtebau, sondern der Wiederaufbau den Vorrang hat. Aber es muß beides Hand in Hand gehen. Ich erinnere daran, daß die Großstädte jetzt im großen und ganzen ihre Neuplanung fertiggestellt haben. Der ausgebombte Hausbesitzer hat leider Gottes, weil die Arbeiten sehr schwierig waren, jahrelang warten müssen, bis er nun endlich weiß: ich kann wieder aufbauen. Hier müssen wir helfend eingreifen. Hier muß also der Wiederaufbau mit den Planungsabsichten der Städte konform gehen. Denn wir wollen ja vermeiden, daß immer wieder und immer noch Gebäude nur mit Erdgeschoß in den Zentren unserer Städte errichtet werden. Wir werden diesen Wiederaufbau nicht etwa nur mit dem sogenannten begünstigten Wohnungsbau oder freien Wohnungsbau machen können. Wir müssen auch hier Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus schaffen und müssen hierzu auch öffentliche Förderungsmittel in Anspruch nehmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Blick auf das Problem der Baukostensenkung werfen. Es ist bereits ausgeführt worden, daß Senkungsmöglichkeiten da sind. Herr Klabunde hat das große Problem der Umsatzsteuervergünstigung angeschnitten, die ja bisher nur bei Kleinsiedlungen in Kraft war. Ich glaube, man verfällt bei den Vergleichen der Bau-Indices von vor 1933 und heute einem großen Irrtum. Wenn man die jetzt dreiprozentige Umsatzsteuer auf den verschiedenen Stufen zusammenrechnet, dann kommen allein mindestens 10 bis 15 Prozent der Gesamtukosten heraus. Dieses Problem muß nach
meinem Dafürhalten also für das nächste Wohnungsbaugesetz, vielleicht auch schon vorher, ganz intensiv bearbeitet werden.
Wir haben in das Gesetz die Verpflichtung der Gemeinden hereingebracht, zu billigen Preisen Bauland zur Verfügung zu stellen. Das gilt natürlich nur für die, die es noch können. Wir haben aber eine ganze Reihe von Gemeinden, die noch sehr viel Bauland haben, und wir müssen leider Gottes in einigen Fällen feststellen, daß sie einmal mit den Preisen noch sehr hoch sind und andererseits an den Ausbau der Straßen zu große Anforderungen stellen. Das Gesetz sieht hier vor, daß die Anforderungen an den Straßenausbau nicht zu hoch sein dürfen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Artikel der „Deutschen Kommentare" aus den letzten Tagen zu sprechen kommen. Ich erwähne ihn nur, weil er auf Unterhaltungen mit dem Leiter einer hohen Stelle der Bundesregierung Bezug nimmt. Es werden da Vorschläge für die Senkung der Baukosten gemacht, zu denen man seitens der Bauwirtschaft Stellung nehmen muß. Einmal wird hier als Vorbild angeführt, daß angeblich — nach meinen Informationen ist das nicht ganz richtig — bei den großen Sonderbauvorhaben in Schleswig-Holstein der Einkauf der Baustoffe durch die GEG vorgenommen werden soll. Ich bin der Meinung, daß das keine Regel sein darf; denn wir haben den seit Jahrzehnten vorhandenen und seine Aufgabe durchaus erfüllenden Baustoffachhandel, den wir nicht ausschalten dürfen. Wir haben ja nicht nur Großbauvorhaben, sondern wir haben auch an den Wiederaufbau einzelner Häuser in den Städten zu denken. Wir können also eine Baukostensenkung durch die Ausschaltung des berufenen Fachhandels nicht befürworten.
Weiter wird darauf hingewiesen, man habe sich
— das ist wahrscheinlich der Leiter dieser hohen
Stelle der Bundesregierung gewesen — darüber
ausgelassen, daß sich die Bauwirtschaft dagegen
sträube, neue Erfindungen un moderne Baugeräte
Erfindungen und moderne Baugeräte
einzuführen. Meine Damen und Herren, wie ist
denn da die Lage? Wir haben seit Jahrzehnten
solche Erfindungen gehabt. Sie sind mal auf den
Markt gekommen, sie wurden mal hier und mal da
gebraucht, und dann verschwanden sie wieder.
Wenn man hier auf ein neues, modernes Schnellmauergerät Bezug nimmt, dann muß das erst ein-
mal ausprobiert werden. Es kann der Bauwirtschaft aber nicht zugemutet werden, nun das Versuchskaninchen für die Tausende von Erfindungen abzugeben, die wir heute haben. Es müßte durch die Bundesstellen oder durch die Landesstellen geprüft werden, ob diese neuen Geräte nun wirklich praktikabel sind oder nicht, und dann müßten sie nach der Ausprobierung dem Markt so billig angeboten werden, daß die bauausführende Wirtschaft sie kaufen kann. Es kann dieser nicht zugemutet werden, Modellpreise für solche Geräte zu bezahlen. Wenn man sich davon aber eine Senkung der Baukosten verspricht — von geringeren Handelsspannen erwartet man 6 Prozent Ersparnis, ferner durch das moderne Baugerät 14 Prozent —, so ist das eine Milchmädchenrechnung.
So geht es wirklich nicht. Ich möchte feststellen, daß die Bauwirtschaft doch gerade, weil sie öffentliche Gelder zu verbauen hat, unter Kontrolle steht. Alle Kalkulationen liegen den auftraggebenden Stellen offen, und ich glaube, es wäre eine sehr gute Aufgabe gerade dieses in einer Entschließung geforderten Ausschusses, hier zusammenzuarbeiten und zusammenzuwirken, um zu erreichen, daß ein ungerechtfertigtes Steigen der Baukosten vermieden wird. Dazu kommt eine ganze Reihe von anderen Gesichtspunkten, die im Gesetz niedergelegt sind, etwa die Einführung von neuen Bauarten, von Normen, und eine einheitliche Regelung des Verdingungswesens.
Meine Damen und Herren! Noch ein kurzer Satz zu einem weiteren Problem, das durch das Gesetz nicht geregelt ist und auch nicht geregelt werden kann. Wir sind froh, glaube ich, daß endlich einmal ein Gesetz geschaffen worden ist. das die breiteste Öffentlichkeit interessiert und das vom Bundestag mit einer großen Mehrheit verabschiedet werden kann. Das dient ganz zweifellos dem Ansehen der Arbeit dieses Bundestages. Aber die Leute draußen müssen nun auch etwas sehen. Sie müssen sehen, daß die Bauten jetzt aus der Erde wachsen. Ich glaube, daß sich nun sowohl der Herr Bundesminister wie die verantwortlichen Länderminister und die Gemeinden über das Problem der Zwischenfinanzierung Gedanken machen: denn es scheint mir noch nicht in allen Teilen restlos gelöst zu sein. Ich glaube weiter, daß der Herr Bundesminister das Ergebnis der Verhandlungen mit der sehr starren Bank deutscher Länder einmal veröffentlichen müßte, um hier die Verantwortlichkeit genau festzulegen. Die Zwischenfinanzierung darf nicht daran scheitern, daß die BdL ihre Taschen zugeknöpft hält. Sie braucht es nicht zu tun. weil ja das Gesamtvolumen oder der finanzielle Rahmen da ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe in diesem Augenblick die 12 Millionen — vielleicht sind es 14 Millionen — Menschen, die durch diesen wahnsinnigen Krieg in Westdeutschland ohne Wohnung dastehen, und darum drücke ich als Vorsitzender des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen vor dem Hohen Hause meine Freude darüber aus, daß . es in diesem ersten Bundesparlament in Bonn in dieser wichtigen Frage möglich war, Einmütigkeit zu erzielen, daß der Ausschuß es vermocht hat, über alle Sonderinteressen hinaus die Not zu sehen, unter der seit vier Jahren etwa 12 bis
14 Millionen Menschen unseres Volkes leiden. Wer von Amts wegen die Probleme in ihrer ganzen Auswirkung studiert hat, wer erlebt hat, wie Familien in der Enge der Räume zugrunde gingen, wer erlebt hat, wie in Köln, in München und in Hamburg die Menschen in Bunkern zugrunde gingen, wer erlebt hat, wie die Flüchtlinge in die kleinen Wohnungen hineingepfercht wurden, der wird mit mir der Auffassung sein, daß dieses Hohe Haus keine vornehmere Aufgabe hat, als alle Kräfte einzusetzen, damit diese Frage mit der notwendigen Beschleunigung erledigt wird.
Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung diese Frage als das Problem Nr. 1 bezeichnet und damit den Willen der Regierung ausgedrückt, dieser Frage die gebührende Beachtung zu schenken und sie gemeinsam mit dem Hohen Haus baldmöglichst zu lösen.
Dieses Gesetz ist das erste Wohnungsbaugesetz in Deutschland überhaupt. Jeder, der in der Bauwirtschaft oder in der Verwaltung steht, wird ermessen können, daß die Aufgabe, vier Millionen Wohnungen zu bauen, keine Randfrage ist, daß sie doppelt schwer ist, wenn auf der andern Seite die Besatzungskosten zu tragen, acht Millionen Flüchtlinge und sechs Millionen Kriegshinterbliebene zu versorgen sind. Dennoch wollen wir, daß diese vier Millionen Wohnungen mit der notwendigen Beschleunigung gebaut werden.
Zu dem materiellen Inhalt des Gesetzentwurfs brauche in nicht mehr Stellung zu nehmen, nachdem es Freund Dr. Brönner in seinem Bericht bereits ausreichend getan hat. Aber ich möchte für unsere Fraktion — und ich glaube, daß ich dabei auch über den Rahmen meiner Fraktion hinaus für alle Fraktionen spreche - ein Besonderes sagen: daß wir in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen den Menschen, der in der Vergangenheit geschändet worden ist, stellen und ihm wieder zu seiner Würde zurückverhelfen müssen. Um diesen Menschen geht es in diesem Gesetz in erster Linie.
In den Artikeln 1 bis 6 des Grundgesetzes sind die Grundrechte festgelegt worden. Artikel 6 sagt, daß die Familien den besonderen Schutz des Staates genießen sollen. Meine Damen und Herren, wer draußen die Situation unserer Familien kennt, die keinen Raum haben, wird sicherlich mit uns der Auffassung sein, daß wir richtig handeln, wenn wir bei allen Beratungen über diesen Gesetzentwurf den Menschen und die Familie in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen stellen, denn der Aufbau des Staates ist nur möglich, wenn die Familien gesund sind und wachsen können. Daraus resultieren alle unsere Forderungen und Wünsche — und ich darf bekennen, daß hier alle Parteien mitgemacht haben —, daß wir nicht Kleinstwohnungen, nicht Primitivwohnungen bauen wollen, daß wir uns nicht auf einen Lebensstandard einer Zeit vor 50 oder 100 Jahren zurückschrauben lassen, sondern daß wir alle modernen Erkenntnisse der Bauwirtschaft im Wohnungsbau verwirklichen wollen. Vor allem sollen die Wohnungen eine Größe bekommen, daß sich darin ein normales Familienleben überhaupt entwickeln kann.
Wir haben im Gesetz eine Größenordnung von 32 bis 65 Quadratmeter festgelegt. Bei kinderreichen Familien ist darüber hinaus die Möglichkeit gegeben, bis auf 120 Quadratmeter zu gehen. So stellt also dieses Gesetz einen Fortschritt dar,
über den wir uns — und ganz besonders ich persönlich, weil ich seit Jahren um dieses Anliegen kämpfe — sehr freuen.
Die Voraussetzung ist jetzt geschaffen, und es liegt an uns, daß die Gleise des Wohnungsbaus weiterhin richtig gelegt werden. Es sollen keine Provisorien geschaffen werden. Die Wohnungen, die jetzt mit den wenigen zur Verfügung stehenden Geldern erstellt werden, müssen so sein, daß sich darin ein Familienleben entwickeln kann, und daß die Familien, die das Kind bejahen, in ihren Wohnungen Raum dafür erhalten.
So enthält dieses Gesetz den Grundgedanken, den Familien den erforderlichen Lebensraum zu schaffen. Unsere Wünsche in dieser Richtung sind in diesem Gesetz im wesentlichen verankert. Die Familie und die Persönlichkeit müssen wir als die Grundlage, als die Keimzelle des Staates ansehen; darauf baut sich der Staat auf. Aus dieser Betrachtung folgt auch zwangsläufig unsere Forderung, daß wir zu einem Eigentum der breiten Volksschichten auch im Wohnungsbau kommen. Damit entsprechen wir einem Verlangen das in unserem
Volk zutiefst verankert ist. Wir möchten, daß im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus, wo Bauvorhaben mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Wohnungen und die Kleinsiedlungen und die Eigenheime in das Eigentum der breiten Volksschichten überführt werden, soweit es irgend möglich ist.
Wir möchten. daß unsere Bevölkerung auch durch dieses Wohnungsbaugesetz auf lange Sieht krisenfest gemacht wird, indem ihr die Möglichkeit gegeben wird. Eigentum zu erwerben. Bedenken Sie, daß es sich ja nicht nur um die Ausgebombten handelt. die wohnungslos dastehen. sondern daß ja auch die namenlosen unzähligen Flüchtlinge dazu zählen. die einmal Eigentum hatten, mag auch dieses Eigentum noch so klein gewesen sein. Wir wünschen, daß die breiten Schichten des Volkes zu Eigentum kommen. Deswegen ist in das Gesetz auch die Bestimmung aufgenommen. daß der Staat in all den Fällen, in denen die Wohnungssuchenden verschiedener Art sich ans Werk machen. Wohnungen durch verstärkten Einsatz der Selbsthilfe 711 bauen. aus öffentlichen Mitteln eine bevorzugte Förderung gewähren soll. Meine Damen und Herren. wir haben damit, glaube ich. einen Wunsch verwirklicht, der - unausgesprochen. aber auch tausendfältig ausgesprochen — draußen im Volk besteht. Daher wünschen wir die Selbsthilfe der Wohnungssuchenden in jeglicher Form. um das Tempo des Wohnungsbaues mit aller Kraft zu beschleunigen.
Wir müssen deshalb unterstützen, was Kollege Klabunde sagte, nämlich über unser gestecktes Ziel hinaus durch Anwendung moderner Bauformen und eine Forcierung der Bauvorhaben eine Konzentrierung der Baukapazität vorzunehmen, damit wir vielleicht in acht bis zehn Jahren die ärgste Wohnungsnot beseitigt haben. Dabei haben wir immer den Menschen zu sehen, der in menschenunwürdigen Wohnungen leben muß und in Gefahr ist, zugrunde zu gehen. Ich glaube, daß wir auf diesem Wege gerade mit der Selbsthilfe sehr viel erreichen können. Das vorliegende Gesetz anerkennt diese Selbsthilfe und stellt die besondere Förderung dieses Gedankens heraus.
Über diesen Raum hinaus möchte ich allen Wohnungssuchenden zurufen, daß es für den Bund allein unmöglich ist, das Wohnungsbauprogramm mit der notwendigen und wünschenswerten Beschleunigung durchzuführen. Daher sind alle aufgerufen, Länder, Gemeinden, Bauherren aller Art, ja, das ganze deutsche Volk, alle Kräfte und Möglichkeiten einzusetzen, die dazu beitragen, die Wohnungsnot zu beseitigen.
Ich darf hei dieser Gelegenheit im Auftrage der CDU/CSU-Fraktion etwas nachholen, was bei der Generaldebatte versäumt worden ist. Es ist mir zugleich ein persönliches Anliegen. Ich möchte den Dank an die Länder, an die Städte und Gemeinden, die die Last des Wohnungsbaues bis jetzt allein getragen haben, an die freien und gemeinnützigen Genossenschaften, die Kirchen, aber auch an die vielen Einzelbauherren aussprechen, die unter verzweifelten Umständen im Lande draußen oft mit großem Erfolg versucht haben, das Problem zu lösen. Diesen Dank auszusprechen, ist heute der rechte Anlaß, und ich glaube. daß ich für Sie alle spreche, wenn ich diesen Dank ausspreche und Sie bitte. nun weiter mit uns zu arbeiten, um nunmehr auf der Bundesebene gemeinsam das Problem zu lösen.
Ich darf dann noch den Realkreditinstituten unseren Dank aussprechen, die in den letzten Monaten und Wochen unseren Wünschen — und sie waren, wie unser Berichterstatter schon ausgedrückt hat, manchmal sehr weitgehend — Rechnung getragen haben, so Rechnung getragen haben, daß für dieses Jahr die erststelligen Hypotheken für den sozialen Wohnungsbau gesichert sind. Wer die wirkliche finanzielle Situation im Gebiet der Pundesrenublik kennt, wird sich über das gezeigte Verständnis freuen. — Ich darf die Gelegenheit benutzen, über dieses Haus hinaus das Ausland zu bitten, uns durch Gewährung von langfristigen Darlehen die Möglichkeit zu verschaffen, die Finanzierung des Wohnungsbaues in den nächsten Jahren in verstärktem Umfange zu ermöglichen.
Wir bitten auch das Ausland, daß es uns hilft, die Aufgabe zu lösen, die uns zusätzlich neben dem Aufbau der bombardierten Städte erwachsen ist durch den Zuzug von rund 8 Millionen Ostvertriebenen. Wir bitten das Ausland und hören nicht auf zu bitten, uns die Möglichkeiten zu geben, die primitivsten Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben überhaupt zu schaffen, Wohnungen bauen zu können, daß man uns mit Krediten und Darlehen auch vom Ausland her hilft, diese Aufgabe zu lösen.
Ich darf berichten von den vielen, vielen Verhandlungen, die ich als Vorsitzender dieses Ausschusses in den letzten Tagen mit den am Wohnungsbau interessierten Kreisen führen durfte, die nicht mit dem Gesetz in der jetzigen Fassung völlig einverstanden sind und die Verwirklichung ihrer Sonderwünsche anstrebten.
Meine Damen und Herren, es handelt sich bei diesem Gesetz um ein erstes Gesetz, und weder unsere Fraktion noch alle anderen Fraktionen, noch die Gewerkschaften, noch der Haus- und Grundbesitzerverein, noch die Banken, noch unser Bundesminister für Wiederaufbau sind wohl im letzten mit diesem Gesetzentwurf ganz zufrieden. Das ist einfach unmöglich. Ich möchte all diesen Gruppen sagen, daß wir das Menschenmögliche getan haben, um alle Sonderwünsche zu berücksichtigen. Aber, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir hierzu eine Bemerkung. Der Abgeordnete des Deutschen Bundestages, meine sehr verehrten
Damen und Herren, ist nicht in erster Linie Vertreter einer Interessengruppe, er ist in erster Linie Vertreter des deutschen Volkes und hat bei all seinen Entscheidungen das gesamte deutsche Volk zu sehen.
Wir bitten doch diese Gruppen, die nun wirklich glauben, zu kurz gekommen zu sein — tatsächlich stimmt es nicht —, doch erst einmal diese zweite Lesung abzuwarten und sich den Bericht von Herrn Kollegen Dr. Brönner zur Hand zu nehmen. Da werden ja alle diese Fragen geklärt, die in den letzten Tagen in einigen Zeitungen vorzeitig und sinnentstellend, wie es nicht mehr zu verantworten war, behandelt wurden. Die Mitglieder des Ausschusses haben bewiesen, daß sie sich dieser Grundforderung bewußt waren, sonst wäre es nicht möglich gewesen, in den zahlreichen kritischen Punkten zu einer Einstimmigkeit in diesem Gesetz zu kommen, wie es geschehen ist. Mit dem Kollegen Klabunde darf ich sagen: es gab bei den Beratungen über dieses Gesetz keine Sieger und Besiegte, wie das so manche Zeitungen glaubten berichten zu dürfen.
Ich darf meine Ausführungen schließen, weil es meine Absicht nicht ist, von der hier gewährten Redezeit in vollem Umfange Gebrauch zu machen. Ich darf schließen mit einem Aufruf — und darf mich in diesem Augenblick als Sprecher derer fühlen, die auf eine Wohnung seit Jahren warten. Meine Damen und Herren dieses Hohen Hauses! Das deutsche Volk hat unter dem Diktator Hitler in einer phantastisch kurzen Zeit Autobahnen gebaut, einen Westwall und Ostwall gebaut, Industrien aus dem Boden gestampft und bis 1938 90 Milliarden in eine wahnwitzige Rüstung hineingesteckt. Es hat dann einen noch unseligeren Krieg geführt. Das vermochte der Diktator Hitler.
Wir lehnen eine Diktatur ab. Aber, meine Damen und Herren, hinter uns steht eine Diktatur, die ernster zu nehmen ist als die eines einzigen wahnsinnigen Menschen, wie es damals bei Hitler der Fall war. Hinter uns steht die Diktatur der Not, der Not von zwölf Millionen, die ohne Heim und ohne menschenwürdige Wohnung sind. Ich bitte das Hohe Haus und auch unseren Bundesminister für Wohnungsbau und die Bundesregierung, sich bei den kommenden Maßnahmen immer dessen eingedenk zu sein, daß wir dieser Diktatur „Not" gern unser Herz und unser Ohr und unseren Verstand leihen wollen, und nehme an, daß dieses Hohe Haus alles daransetzen wird, diese Schlüssel zur sozialen Frage zu formen und zu schaffen.
Ich glaube, auf diesem Wege gibt es keine Meinungsverschiedenheiten; und ich glaube, die heutige Sitzung wird manches gutmachen, was in den letzten Monaten auch von diesem Hohen Hause versäumt worden ist. Ich glaube, es wäre auch für das zwanzigste Jahrhundert mit diesem Gesetz etwas gutzumachen, was in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts versäumt worden ist. Es wäre vielleicht möglich, daß die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sich ihrer sozialen Verantwortung bewußt würde und daß spätere Geschichtsschreiber einmal sagen würden, daß die letzte Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts das Jahrhundert des sozialen Wohnungsbaus genannt wird.
Wenn uns das gelingt, meine Damen und Herren, haben wir die Notwendigkeiten der Stunde erkannt und die Erkenntnisse aus der Vergangenheit richtig verwirklicht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.
Ich kann in dieses Loblied auf dieses Wohnungsbaugesetz nicht einstimmen.
Das vorliegende Gesetz entspricht keineswegs den Bedürfnissen und den Hoffnungen, die die Bevölkerung an dieses Gesetz geknüpft hat.
Die Propaganda, die um dieses Gesetz gemacht wurde, steht in keinem Vergleich zu dem materiellen Inhalt dieses Gesetzes. Man hat in der Öffentlichkeit außerdem die Dinge so dargestellt, als sei dieses Gesetz geeignet, wesentlich die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Der Herr Arbeitsminister Storch sprach davon, daß 600 000 bis 700 000 Arbeiter dadurch zusätzlich beschäftigt werden könnten. Wie ist in Wirklichkeit die Lage? — Im vergangenen Jahr wurden schätzungsweise 220 000 Wohnungen wiederhergestellt. Hinzu kamen große Vorhaben an Hotel- und Luxusbauten, die jetzt zum Teil auslaufen. Es ist auf Grund dieses Gesetzes gar nicht anzunehmen, daß in der Bauwirtschaft wie in der Zubringerindustrie in diesem Jahr mehr Leute Beschäftigung fänden, als es im vergangenen Jahr der Fall war. Das muß jedenfalls festgestellt werden, um denen zu begegnen, die jetzt versuchen, über die wirklichen Ursachen der Arbeitslosigkeit hinwegzutäuschen.
Nun zu den Finanzierungsfragen des Gesetzes. Es wurde hier gesagt, die Finanzen seien gesichert. Wir als Kommunisten können dieser Beteuerung des Herrn Ministers keinen Glauben schenken. Selbst die Kapitalsammelstellen haben ja nur erklärt, daß sie auf ihre Institute einwirken würden; also so bindend ist die Erklärung nicht, daß sie 600 bis 800 Millionen DM aufbringen werden.
Hinzu kommt, daß man 400 Millionen aus den Münzgewinnen eingesetzt hat. Wir halten das für keine sichere Finanzgrundlage; wurde doch vor Wochen selbst gesagt, daß diese Münzgewinne in diesem Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach nicht voll zum Einsatz gelangen würden. Wir sind der Meinung, um einen Grundstock für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen, sollte das Haus unserem Abänderungsantrage zustimmen, daß 10 Prozent der Bundeseinnahmen jährlich für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden.
— Ja, man sagt: mehr, aber Sie haben sich im Ausschuß nicht auf eine ganz bestimmte Summe des Haushalts festlegen wollen. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß das dringend erforderlich ist. Wir befinden uns hier in voller Übereinstimmung auch mit den Gewerkschaften.
Wir sind weiter der Auffassung, daß es untragbar ist, wie es in den §§ 2 und 3 heißt, daß Mittel
aus Steuervergünstigungen und solche, die in öffentlichen Haushalten für Angehörige der Verwaltungen ausgewiesen sind, nicht als öffentliche Mittel deklariert werden sollen. Wir haben einen diesbezüglichen Abänderungsantrag eingebracht, um sicherzustellen, daß auch diese Mittel in erster Linie dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Auch darin stimmen wir mit den Gewerkschaften überein.
Überall im ganzen Gesetz, bei der Beratung der Gesetzesvorlage, als es darum ging, daß die Koalitionsparteien, wie hier gesagt wurde, Kompromisse in der Richtung des sozialen Wohnungsbaus machen sollten, hat man sich auf die Annahme von Entschließungen beschränkt. Aber Entschließungen sind leere Deklarationen. Wenn man ehrlich gewillt gewesen wäre, hätte man diese Grundsätze ja im Gesetz verankern können! Daß man es nicht getan hat, ist ein Beweis dafür, daß man nicht ernstlich gewillt ist, den sozialen Wohnungsbau vorwärtszutreiben. Man hat auf unsere Forderung, die Steuervergünstigungen gemäß § 7c des Steuergesetzes und die Mittel für die Bauten der Verwaltungsangehörigen als öffentliche Mittel zu deklarieren, geantwortet, dann würden eben die Mittel aus den Steuervergünstigungen nicht in den Wohnungsbau gehen. Das ist doch eine vollständige Verkennung der wirklichen Sachlage. Die Unternehmer, die Gelder abzweigen, weil sie die Steuervergünstigung gemäß § 7c in Anspruch nehmen wollen, tun das nicht in erster Linie, um Wohnungen zu bauen, sondern um ihren Gewinn zu steigern, um ihr Vermögen anzuhäufen. Das ist doch der wahre Sinn auch des Steuergesetzes.
Dann zur Landbeschaffung. Der § 12, der sich mit der Landbeschaffung beschäftigt, ist in Wirklichkeit nur eine Empfehlung an die Länder, die Gemeinden, die Genossenschaften und sonstige Körperschaften. Wenn man hier in Westdeutschland jene demokratischen Maßnahmen durchgeführt hätte, die in der Deutschen Demokratischen Republik
durchgeführt wurden, nämlich die Bodenreform und die Enteignung der Großkapitalisten, dann würde man mit der Beschaffung von Bauland weniger Sorgen haben. Man hat die Bodenreform hintertrieben. Aber in der Deutschen Demokratischen Republik wurden Hunderttausende Neubauern und Flüchtlinge neu angesiedelt.
— Diese Tatsache kann keiner aus der Welt schaffen.
Ein wichtiges Kapitel in diesem Gesetz ist die Miethöhe. Es wurde festgelegt, daß die Miethöhe von einem Mietrichtsatz bis zu einer Mark pro Quadratmeter ausgehen soll. Wir sind der Meinung, daß man im Gesetz festlegen sollte,
daß die Miete 50 Pfennig pro Quadratmeter bis 1 DM betragen soll, nur in Ausnahmefällen bis 1,10 DM. Legt man aber schon 1 DM zugrunde, dann werden die Mieten sehr bald anziehen. Aber jeder, der das wirkliche Leben kennt — und man sollte ja annehmen, daß die Mitglieder des Hauses das wirkliche Leben kennen —, muß doch zugeben, daß ein Arbeiter mit einem Wochenlohn von 40 DM oder noch weniger nicht in der Lage ist, monatlich eine Miete von 60 und mehr DM für 60 oder 70 Quadratmeter Wohnraum zu zahlen.
— Ich habe gesagt: bis 1 DM; aber wir wünschen, daß der Satz von 50 Pfennig, der von den Gewerkschaften vorgeschlagen wird, noch hineingenommen wird.
Im § 20 Absatz 2 befaßt man sich mit der Bereitstellung von öffentlichen Mitteln und mit der Übernahme von Bürgschaften für den sogenannten Werkswohnungsbau. Außerdem will man durch diesen Paragraphen erlauben, daß die Arbeiter und Angestellten fünf Jahre durch Arbeits- oder sonstige Verträge an die einzelnen Fabriken gebunden werden. Das ist untragbar. Wir sind der Auffassung, daß der Werkswohnungsbau nichts mit einem echten sozialen Wohnungsbau zu tun hat. Man sollte für den Werkswohnungsbau keinerlei öffentliche Mittel oder sogar Bürgschaften geben oder übernehmen. Wir haben Ihnen durch einen Abänderungsantrag und einen Streichungsantrag vorgeschlagen, diese Gefahren abzuwenden. Auch in der Denkschrift der Gewerkschaften wird dieses Kapitel mit aller Deutlichkeit, und zwar auch im Sinne meiner Ausführungen, angezogen.
Wir sind damit einverstanden, daß derjenige, der die Grundsteuerermäßigung in Anspruch nimmt, eine gewisse Erleichterung erhält auch in bezug auf die Wohnungsgröße; man soll ihm einen Raum mehr geben, als es nach der üblichen Zuteilung zulässig wäre.
Einer vollständigen Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung aber, wie sie nach Teil III dieses Gesetzes vorgesehen ist, können wir nicht zustimmen, solange Millionen Menschen noch keine anständigen Wohnräume haben. Wir haben entsprechende Vorschläge unterbreitet. Seien Sie sich dessen bewußt: wenn Sie den III. Abschnitt des Gesetzes so annehmen, wie er jetzt festgelegt ist, wird das zu sozialen Auseinandersetzungen erheblicher Art führen. Die Arbeiter und die Flüchtlinge werden kein Verständnis für eine solche Formulierung aufbringen.
Wie gesagt, wir haben in den Abänderungsanträgen unsere Meinung dargelegt. Wir werden unsere endgültige Stellungnahme zu diesem Gesetz von der Behandlung unserer Abänderungsanträge abhängig machen, hoffen jedoch, daß sie angenommen werden. Wir denken aber nicht daran, uns mitverantwortlich zu machen für ein Gesetz, das im großen und ganzen doch nur eine Begünstigung der besitzenden Kreise mit sich bringen muß. Wir werden uns über dieses Gesetz in der Öffentlichkeit und auch in den Gewerkschaften noch unterhalten.
Das Wohnungselend ist ein Teil des allgemeinen deutschen Elends. Wir müssen versuchen, den nationalen Notstand zu beseitigen, und zwar dadurch, daß wir zu einem Friedensvertrag kommen, der uns unsere nationale Souveränität zurückgibt, und dadurch, daß wir von den Besatzungskosten loskommen. Nur in einem einheitlichen und freien Deutschland werden wir auch für die Menschen, die ausgebombt sind und heute keine Wohnung haben, wieder anständige Heimstätten schaffen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung vom September vorigen Jahres ausgeführt:
Wir wollen mit allen Mitteln den Wohnungsbau in der energischsten Weise fordern, nient indem der Bund selbst baut, sondern indem er Gelder zur Verfügung scent Und darauf dringt, dais von den Landein alle Möglichkeiten auf dem Gebiete des Wohnungsbaus erschöpft werden.
Damit war erfreulicherweise zum Ausdruck gebracht, der Bund selbst wolle sich auf die Beschaffung und Bereitstellung der Gelder und auf sonstige Initiativen besenranken und auf weitgenende eigene Reglementierung verzichten.
Die Konsequenz der Regierungserklärung wäre gewesen, daß der Gesetzentwurf sich auf Rahmenvorschritten beschrankt hatte. statt dessen ist ein umfangreicher Entwurf entstanden. Fur seine Bearbeitung und Verabschiedung durch die Bundesregierung, den Bundesrat und den Bundestag ist kostbare Zeit in Anspruch genommen worden, ist eine iur den Beginn des Wohnungsbaus wesentliche Zeit verlorengegangen, denn die Jahreszeit ist bereits allzuweit vorangeschritten.
Überdies ist der Entwurf zentralistisch. Er hat den Ehrgeiz, das Verfahren bis in letzte Einzelheiten zu regeln. Infolge dieser weitgehenden, nahezu an Bevormundung grenzenden Einzelregelung besteht die Gefahr, daß die freie Entraltung eines zugigen Wohnungsbaus in den Ländern eher gehemmt als gefördert wird.
Jeder Abgeordnete hat das Recht, zu sagen, was er für gut befindet!
Wir haben beantragt, die Fassung der Regierungsvorlage in Absatz 1 des § 1 wiederherzustellen, und zwar aus folgenden Gründen. § 1 in der Fassung des 18. Ausschusses sieht ein Programm auf sechs Jahre vor. Wir sind an und für sich argwöhnisch und mißtrauisch gegen Vier-, Fünf- oder Sechsjahrespläne. In der Tat können wir von heute aus noch nicht beurteilen, was im nächsten, im übernächsten oder im dritten Jahr sein wird, welche Verhältnisse bestehen und welche Möglichkeiten dann gegeben sind, ob ein Programm, wie es hier aufgestellt ist, überhaupt ausgeführt werden kann. Psychologische Enttäuschungen von Hoffnungen, wie sie durch derartige Ankündigungen erweckt werden, sind politisch bedenklich.
Weiter halten wir es für verfehlt, wesentliche Bestimmungen aus dem Teil II schon in § 1 vorwegzunehmen. Wenn das richtig wäre, dann hätte auch die Begriffsbestimmung für den frei finanzierten Wohnungsbau schon in diese allgemeine Vorschrift des § 1 aufgenommen werden müssen. Vor allem aber sehen wir in der Fassung des 18. Ausschusses eine Benachteiligung des frei finanzierten Wohnungsbaus. Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung vom September ausgeführt:
Wenn es nicht gelingt, das Privatkapital wieder für den Wohnungsbau zu interessieren, ist eine Lösung des Wohnungsproblems nicht möglich.
Wir sind durchaus dieser Auffassung. Es ist nicht so, daß die Leistungen des frei finanzierten Wohnungsbaus hinter denen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus zurückstünden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind der Meinung, daß die wirklichen Impulse für die Beseitigung der Wohnungsnot und für Arbeitsbeschaffung von einer allmählich immer
stärker werdenden Freisetzung der eigenen Kräfte der Wirtschaft ausgehen.
Es geht nicht an, daß auf dem einen Sektor eine
freie, soziale Marktwirtschaft besteht, auf dem
anderen aber weitgehend eine reglementierte Wirtschaft aufrechterhalten oder neu eingerührt wird.
Unter diesem Gesichtspunkt bedauern wir auch die Fassung des § 23. Auch dieser hat eine weitgehende Zurücksetzung des frei finanzierten Wohnungsbaues vorgenommen, dessen Funktionieren wir für die unerläßliche Voraussetzung eines Gelingens des Wohnungsbauprogramms halten.
Ich halte auch gesetzestechnisch die Fassung des § 23 für nicht möglich, da diese das steuerbegunstigte und das frei finanzierte Wohnungsbauen einander gegenüberstellt. Das sind hier keine Gegensätze. Eine freie Wirtschaft hört nicht dadurch auf, frei zu sein, daß für sie in den Steuergesetzen oder anderen Bestimmungen gewisse Vorschriften steuerbegünstigender Natur enthalten sind. Wenn in den Steuergesetzen gesagt wird: nicht entnommener Gewinn wird soundso bevorzugt behandelt, so hört dadurch die freie Wirtschaft nicht auf, frei zu sein. ich würde also zu bedenken geben, die gesetzestechnische Fassung des § 23 anders zu formulieren, abgesehen davon, daß wir es für höchst bedenklich halten, daß auch in ihm die wesentliche wirtschaftliche Funktion des frei finanzierten Wohnungsbaues in zu geringem Maße zum Ausdruck kommt.
Ich darf nur kurz noch zu § 6 ein Wort sagen. Ich erkenne an, daß die Fassung, wie sie durch den Achtzehner-Ausschuß erarbeitet worden ist, gegenüber der streng zentralistischen, durch den freigebigen Gebrauch der Rechtsverordnung zu bürokratischen Regelung einen Fortschritt bedeutet. Insbesondere sind durch die Fassung des Achtzehner-Ausschusses die Bauforschung, die Schaffung von Normen für Baustoffe und Bauteile und die Entwicklung von Typen für Bauten und Bauteile als Gegenstand einer Rechtsverordnung herausgenommen worden, d. h. der Bund soll sich auf die Förderung dieser Dinge beschränken. Dagegen sollen zum Inhalt einer Rechtsverordnung gemacht werden die Zulassung von Baustoffen und Bauarten, die Anwendung von Normen des Deutschen Normenausschusses und die einheitliche Regelung des Verdingungswesens. Wir sind der Meinung, daß der Absatz 2 des § 6 gestrichen werden soil. Es kann dann bei der Vorbereitung und Vorberatung eines zweiten Wohnungsbaugesetzes über diese Dinge eingehender und mit größerer Überlegung gesprochen und verhandelt werden.
Die Entwicklung von Typen für Bauten und Bauteile wird auch von einem so zentralistischen Organ -- wenn ich so sagen darf — wie dem Arbeitsausschuß für Bauwirtschaft nicht für notwendig gehalten. Er erklärt:
Die einheitliche Anwendung von Typen für Bauten und Bauteile über die durch die Normung gegebenen Grenzen hinaus wird nicht als notwendig erachtet.
Dieser Meinung sind auch wir. Wir sind durchaus der Auffassung, daß man unten an der Wasserkante anders baut als oben in Schliersee.
I Ich darf mich auf diese Bemerkungen beschränken, weil ich der Meinung bin, daß auch wir unsererseits dazu beitragen sollen, die Erledigung dieses Gesetzes möglichst zu erleichtern und die Erwartungen der Wohnungs- und Arbeitslosen nicht zu enttäuschen, die mit einer sofortigen Verabschiedung rechnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Reindl. — Sie haben zehn Minuten, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus ist im Begriff, einen Gesetzentwurf zu verabschieden, der von weitestgehender Bedeutung für unser westdeutsches Wirtschaftsgebiet ist, ein Gesetz, auf das schon lange Millionen Menschen unseres Volkes sehnsüchtig warten, weil in ihm die Voraussetzungen zum Wiederaufbau und zur wirtschaftlichen Gesundung gegeben sind. Das Gesetz wird deshalb nicht nur von den Heimatvertriebenen, von den Kriegsgeschädigten, Fliegergeschädigten, Spätheimkehrern und von der gesamten Bauwirtschaft, sondern auch von allen anderen Wirtschaftszweigen begrüßt werden. Wir von der WAV sind aber der Auffassung, daß dieses Gesetz auch der Schlüssel zur Behebung der Arbeitslosigkeit ist, vorausgesetzt, daß es richtig angewendet wird.
Meine Damen und Herren, der nun vorliegende Entwurf eines Ersten Wohnungsbaugesetzes stellt eine glückliche parlamentarische Arbeit dar, die entstanden ist — —
Herr Abgeordneter verlesen Sie eine Erklärung, oder halten Sie eine Rede?
Ich halte eine Rede.
Dann bitte ich Sie, sich nicht so ausschließlich an das Manuskript zu halten.
Ich glaube auch, daß gerade dieses Gesetz dazu angetan ist, die Zweifler in unserem Volke davon zu überzeugen, daß hier tatsächlich gut gearbeitet wird. Wir wollen aber trotz der guten und glücklichen Lösung, die der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen gefunden hat, versuchen, den Fehlern, die auch durch dieses Gesetz entstehen können und entstehen werden, zu gegebener Zeit abzuhelfen.
Wir begrüßen es, daß in § 1 eine Frist von sechs Jahren gesetzt worden ist, damit das deutsche Volk endlich einmal erkennt, daß tatsächlich Wohnungen gebaut werden. Das ganz besondere Augenmerk gilt aber dem sozialen Wohnungsbau, und zwar aus dem Grunde, weil die meisten dieser kleinen Wohnungen von 32 bis zu 60 Quadratmeter darunter fallen.
Wohl die meisten der betreffenden Wohnungen haben eine geringe Miete, die beim Neubau unbedingt gehalten weiden muß. Wenn man von 60 Pfennig bis 1 DM spricht, so sollten gerade diese Wohnungen nur den Familien mit geringem Einkommen zugutekommen.
Der Regierung darf ich sagen, daß sie alles daran setzen möge, damit die Durchführung dieses Gesetzes beginnen kann. Denn nur so kann unserem Wohnraummangel abgeholfen werden. Und wenn ich für meine Fraktion die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck bringe, dann möchte ich an die Ministerien, an die Verwaltungsstellen und untere Behörden sowie an die Beamten die dringende Mahnung richten, „brandeilig" jede Verzögerung zu vermeiden, damit der Erfolg gesichert ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Determann.
Meine Damen und Herren! Man kann bei der Beratung eines jeden Gesetzes ein Für und Wider finden. Aber ich bin der Meinung, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes so dringend notwendig ist, daß wir uns nicht mehr lange darüber zu unterhalten brauchen, ob wir überhaupt etwas tun wollen. Wir wollen etwas tun! Wir lassen allerdings keinen Zweifel darüber — der Herr Berichterstatter hat das bereits heute morgen sofort zum Ausdruck gebracht —, daß dies nur ein erster Schritt zum Wohnungsbau sein kann. Die Zentrumsfraktion ist der Meinung, daß es zwar ein erster Schritt vorwärts ist, daß es aber trotzdem noch viele Lücken offenläßt. Insbesondere lassen wir keinen Zweifel darüber, daß uns dieser Gesetzentwurf noch viel zu starr ist. Nach unserer .Meinung muß man viel mehr Möglichkeiten eröffnen, vor allen Dingen in bezug auf den kleinen und mittleren Wohnungsbau, um hier das notwendige Interesse zu wecken. Es wäre zu überlegen, ob man nicht überhaupt die Gelder, die wir für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen, als langfristige Kredite hätte zur Verfügung stellen können. Denn ich bin der Meinung, daß hier der lange bürokratische Weg der Behörden viel zu hemmend wirkt. Vor allen Dingen möchte ich dem Herrn Minister ans Herz legen, daß er nicht allein die Institute überwacht, sondern auch die Behörden, und da vor allem die in den Regierungsbezirken. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß diese Behörden ungefähr ein halbes Jahr brauchen, um das Geld, obwohl es da ist, an den Mann zu bringen.
Da möchte ich den Herrn Minister bitten, vor allen Dingen erst einmal sämtliche Erlasse zu überprüfen. Ich halte das für unbedingt erforderlich, weil ich der Meinung bin, daß wir viel zu viel auf Erlassen fußen. Wir wollen doch den Bauherrn persönlich mehr einschalten und ihm mehr Freiheit geben, damit er selbst mehr Initiative entwickelt. Auf diesem Wege werden wir am besten zum freien Wohnungsbau kommen. Gerade dies soll auch mit dazu beitragen, um endlich einmal von den Vorschriften loszukommen und das Eigeninteresse mehr in den Vordergrund zu schieben.
Das Zentrum hat sich entschlossen, mit Rücksicht darauf, daß das Gesetz schnell verabschiedet werden soll und daß es nur ein erster Schritt ist, keinen Abänderungsantrag zu stellen. Bei der Beratung des zweiten Wohnungsbaugesetzes wird allerdings auch das Zentrum wesentliche Anträge stellen. Das Zentrum begrüßt es vor allem, daß unser Antrag, für Familien mit einer größeren Kinderzahl auch größere Wohnungen zu bauen, berücksichtigt worden ist. Das Zentrum stimmt also dieser Gesetzesvorlage zu.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bahlburg.
Meine Damen und Herren! Ich hätte es begrüßt, wenn nach den so aufschlußreichen Ausführungen des Herrn Berichterstatters Dr. Brönner kaum etwas zu diesem Gesetzentwurf gesagt worden wäre. Aber weil es nun geschehen ist, fühlen auch wir uns verpflichtet, zum Ausdruck zu bringen, daß dieses Gesetz mit aller Energie durchgeführt werden sollte. Dieses Gesetz ist ja nicht nur irgendein beliebiges Gesetz. Zum ersten Male in unserem deutschen Vaterlande wurde es erforderlich, ein derartiges Gesetz zu erstellen. Bei der Ausschußarbeit haben sich alle weitgehend Mühe gegeben, diesem Gesetz eine Form zu geben, damit es weitgehend brauchbar ist. Ich bin davon überzeugt, daß nicht alle Abgeordneten diesem Gesetz in seinem vollen Wortlaut zustimmen. Auch wir von der Deutschen Partei hätten Wünsche anzumelden, besonders in bezug auf den Eigentumsbegriff. Wir haben uns aber gesagt, es soll jetzt versucht werden, das Beste herauszuholen und das Gesetz möglichst schnell in diesem Jahre zum Zuge kommen zu lassen. Wir haben uns gefreut, daß der Herr Bundeskanzler den Wohnungsbau in seiner Regierungserklärung besonders hervorgehoben hat. Deshalb war es unsere Pflicht, .diesem Gesetz eine solche Form zu geben, daß wir dieser Anregung gerecht werden konnten.
Ich bin nicht der Meinung, daß dieses Gesetz ein ausgesprochen zentralistisches ist. Es ist weitgehend versucht worden, den Ländern Freiheit zu geben; die letzte Durchführung liegt auf der untersten Stufe. Wenn wir alle, die wir aus dem ganzen deutschen Bundesgebiet hier zusammenkommen, ) uns jetzt bemühen, diese unteren Stufen zu beeinflussen, daß sie mit aller Energie versuchen, dieses Gesetz zum Austrag zu bringen, dann wird der Erfolg nicht ausbleiben. Tausende von Menschen warten darauf, daß es durchgeführt wird und daß die Wohnungen erstehen. Es sind die vielen, die sich in unzureichenden Wohnungen befinden. Die Heimatvertriebenen warten darauf. Die Städte, die zerstörten Wohnstätten sind wiederaufzubauen. Auch hieran ist gedacht worden; ein ergiebiger Passus ist hierfür gefunden worden, so daß es möglich ist, die Städte weitgehend auch ihren Wünschen entsprechend zu gestalten und sie wieder Wohnungsmöglichkeiten schaffen zu lassen. Wo neue Wohnungsgruppen, Siedlungsgruppen erstellt werden, muß in erster Linie darauf geachtet werden, daß auch Arbeitsmöglichkeiten vorhanden sind und nicht blindlings irgendwo Wohnungen eingebaut werden. Wir als Ausschußmitglieder sind von allen Seiten, von den verschiedensten interessierten Gruppen, vor allem Verbänden, mit vielen Eingaben bedacht worden. Es sind von den verschiedenen Verbänden viele Sorgen zum Ausdruck gebracht worden. Ich glaube, wir alle haben uns bemüht, diese Sorgen weitgehend zu berücksichtigen, und können wohl mit ruhigem Gewissen diesen interessierten Gruppen sagen, daß dieses Gesetz ihnen und uns allen Möglichkeiten gibt, die Befriedigung der Menschen zu schaffen, wenn wir es nur dem Sinne nach richtig anzuwenden wissen.
Es ist der Anreiz für Privatkapital gegeben. Es kann sich weitgehend einschalten. Auch das Eigentum kann weitgehend zu seinem Ziel gelangen. Es ist auf das bestmögliche versucht worden, von jedem Zwangseingriff abzusehen. Wenn wir dieses Gesetz nun richtig zum Austrag bringen, dann
werden wir das Ziel erreichen, das erreicht werden muß.
Wie ich schon sagte, hätten auch wir von der Deutschen Partei einiges anzumelden gehabt; wir haben davon Abstand genommen, um dieses Gesetz jetzt und schnellstens durchzuführen. Das Gesetz ist für ein Jahr geschaffen, wenn auch in Aussicht genommen ist, Richtlinien zunächst auf sechs Jahre zu erlassen. Dieses eine Jahr soll uns jetzt die `Fehler und Mängel aufzeigen, die wir vielleicht in den nächsten Jahren bestmöglich ausmerzen können. Wir alle sollten hier den Glauben an unser Tun und Lassen zum Ausdruck bringen und sollten mit aller Energie das Volk aufrufen, alles zu tun, damit dieses Gesetz schnell und wirkungsvoll zum Austrag kommt.
Das Wort hat der Abgeordnete Klabunde.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Antrag der Bayernpartei nicht im einzelnen auseinandersetzen, aber doch einen sehr erheblichen Fehler — ich möchte in der Kenntnis der Verhältnisse der Wohnungswirtschaft sagen — anprangern, der in der Rede des Kollegen Dr. Etzel enthalten war.
Man kann nämlich die Freiheit in der Wohnungswirtschaft nicht dadurch herstellen, daß man sozusagen auf die öffentliche Förderung verzichtet. Die heutige Situation — ich habe mir ja bereits vorhin erlaubt, das zu streifen — ist so, daß genügend privates Kapital, auch wenn man höchste Zinssätze zahlen wollte, nicht parat ist. Wir wissen, daß die Realkreditinstitute von sich aus im Augenblick nur 500 Millionen DM für den Wohnungsbau anbieten können. Dazu kann man mit einigen Hundert Millionen DM der Privaten rechnen. Sie werden sehr viel Mühe haben, den durch Vorfinanzierung an Sie gelangenden Betrag der Bank deutscher Länder in Höhe von 350 Millionen DM im Laufe des restlichen Jahres und im Anfang des nächsten bis zur Mitte des nächsten Jahres wieder abzudecken. Der private Kapitalmarkt hat einen Mangel, der nur durch öffentliche Hilfe beseitigt werden kann. Im übrigen haben wir — das ist gerade ein sozialdemokratischer Antrag gewesen — einen außerordentlich großen Anreiz dadurch geschaffen, daß in Zukunft alles Eigenkapital dessen, der baut, gleichgültig ob es der Bauherr oder der Mieter ist, in einer erheblichen Höhe verzinst wird, und zwar bei den ersten 15 Prozent mit 4 Prozent Zinsen und bei dem Geld, das darüber hinausgeht — Herr Dr. Brönner stellte das schon dar —, zum marktüblichen Hypothekenzinssatz, d. h. also mit 6 Prozent; eine Regelung, die wir deshalb glaubten schaffen zu sollen, damit das Interesse der Bevölkerung, Geld herzugeben, nicht etwa durch höhere Zinsgebote an anderer Stelle vom Wohnungsbau abgelenkt wird. Das ist aber der Weg, den Sie neben der Steuerbegünstigung allein gehen können. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat ja neulich im Ausschuß sagen müssen, daß das Interesse der Privaten, die Steuerbegünstigung zu benutzen, hinter seinen Erwartungen zurückbleibt. Wenn Sie dann also nicht durch Kredite — sei es der Bank deutscher Länder, sei es aus Mitteln der Haushalte — dafür wirken, daß genug Geld zur Verfügung steht, dann müssen Sie das Entstehen der freien Finanzierung abwarten und können mehrere Jahre lang nicht das für den Wohnungsbau tun, was der Wohnungsbau braucht.
A) Ich glaube nicht, daß die Bayernpartei diesen Standpunkt einnehmen möchte. Wir sind alle davon überzeugt, daß jetzt, im Augenblick schon, und in den nächsten Jahren viel gebaut werden muß. Wenn das Geld dafür aus privatem Sektor leider nicht genügend kommt, dann müssen eben zusätzlich Mittel geschaffen werden. Ob sie zinsbegünstigt gegeben werden oder nicht, das ist eine Frage für sich. Es fehlen einfach diese Mittel. Sie können nur durch diese Hilfe des Staates kommen. Sie wissen, privat sind im Augenblick nur 800 Millionen und 1,9 Milliarden DM. Also mehr als zwei Drittel dieser insgesamt benötigten Summe fliessen aus öffentlichen Krediten und aus den Krediten der Bank deutscher Länder. So ist die Situation. Und mit dieser Situation müssen Sie sich auseinandersetzen. Deswegen ist der Einwand, den Sie vorgetragen haben, kein Einwand, der das Thema irgendwie berührt. Es ist ein Einwand, der, glaube ich sagen zu können, auf einer nicht genügenden Kenntnis der Verhältnisse des Kreditmarktes und des Wohnungsmarktes beruht. Da ein solcher Einwand aber oft erhoben werden wird, da wir ihn auch draußen in der Öffentlichkeit hören werden, habe ich es für richtig gehalten, diesen Punkt ausdrücklich zu unterstreichen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist eine große Sache, wenn eine Vorlage der Bundesregierung von so großer wirtschaftspolitischer und allgemeiner Bedeutung, wie es das erste Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaues ist, in gemeinsamer Arbeit schließlich eine Form bekommen hat, die I) eine Zustimmung zu diesem Gesetz auf so breiter Basis, wie es sich aus der Debatte gezeigt hat, ermöglicht. Das ist um so erstaunlicher, als es sich um ein Gebiet handelt, auf dem sieh grundsätzliche Auffassungen von großer Verschiedenheit entgegenstehen, und das außerdem als eine besonders schwer zu regelnde Materie, die dem Gesetzgeber besondere Schwierigkeiten bietet, bekannt ist. Die Situation scheint in Deutschland so ungewohnt, daß sie draußen in der Öffentlichkeit Beunruhigung erregt hat und Kreise verschiedener Grundauffassung oder verschiedener Interessen glaubten, hier müsse es sich um ein ganz faules Kompromiß handeln, bei dem man entweder Grundsätze aufgegeben oder wichtige Interessen preisgegeben habe. So ist es gar nicht. Das, was jetzt hier vorliegt, ist kein faules Kompromiß, sondern das ist das Ergebnis einer sehr guten Gemeinschaftsarbeit.
Man sagt uns Deutschen ja nach, daß wir uns so gern in theoretischen und weltanschaulichen Gegensätzen versteifen. Hier ist es aber anders gewesen. Gewiß hat man die Gegensätze abgesteckt, und es hat in den Verhandlungen manche Momente gegeben, in denen man wohl glauben konnte, daß eine grundsätzliche Einigung nicht möglich wäre. Aber wir Deutschen haben ja auch eine andere Eigenschaft, das ist die, uns in eine Sache hineinzuknien, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun. Ich glaube, dieses sachliche Interesse hat in den Verhandlungen sowohl im Bundestag wie im Bundesrat die Brücke über alle Gegenasätze hinweg gefunden.
Es war nicht nur die SPD als Oppositionspartei, die einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt hatte; nein, es haben auch andere Gruppen, die sonst in schroffem Gegensatz zur Regierung stehen, hier ganz ordentlich mitgearbeitet. Ich möchte zum Beispiel dem Abgeordneten Paul keine Verlegenheiten bei seiner Parteileitung oder seiner Fraktion bereiten, aber er hat hier doch mehrfach auch guten und erfahrenen Rat gegeben, und ich glaube, einmal sogar eine ganz kritische Situation mit einem Vermittlungsvorschlag überbrückt. .
Ich möchte auch ausdrücklich betonen, daß es möglich wurde, mit dem Bundesrat eine gemeinsame Plattform zu finden. Es hat sich als eine sehr gute Lösung von Schwierigkeiten erwiesen, daß zuletzt der Bundestagsausschuß und der Bundesratsausschuß für Wohnungswesen und Wiederaufbau gemeinsam getagt haben. Im Grundgesetz ist das vielleicht nicht vorgesehen oder vorgeschrieben, aber vielleicht haben wir hier einen Weg verfassungsmäßiger Entwicklung gefunden, der für die Zukunft Möglichkeiten bietet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
das war die Sicherung des sozialen Wohnungsbaues, dabei seine begriffliche Festlegung, und die Möglichkeit eines guten Starts für den privaten Wohnungsbau. Dabei mußten wir in den Bestimmungen - hin und her — Rücksicht auf das Grundgesetz nehmen.
Hier möchte ich doch auf einige Anregungen, die hier in der Debatte gefallen sind, antworten. Ich habe kein Anweisungsrecht an die Länder. Ich kann die Bestimmungen von Ländern oder Gemeinden nicht nachprüfen und vor mein Forum ziehen, sondern hier muß Selbstverwaltung und Demokratie auf einer anderen Ebene als der des Bundes einsetzen. Hier müssen in den Ländern und in den Gemeinden die Organe der Demokratie nun ihrerseits die Kontrolle, die sie für nötig halten, ausführen.
Ich darf mich noch zu einzelnen besonderen Bestimmungen des Gesetzes äußern. Die Bundesregierung hat Bedenken gehabt, in ihren Entwurf ein Programm auf mehrere Jahre aufzunehmen, ohne genaue Bestimmungen über die Finanzierung zu treffen. Aber grundsätzlich steht sie selbstverständlich — ich möchte sagen — wie jeder, der sich mit dieser Materie eingehend beschäftigt hat, auf dem Standpunkt, daß nur ein langfristiges Programm den Wünschen nicht nur der Wohnungsuchenden, sondern auch insbesondere der Bauwirtschaft gerecht werden kann.
Besonders lange Debatten waren um den § 4 notwendig, der die Ermächtigung für den Bundeswirtschaftsminister und den Bundeswohnungsbauminister enthält, Anlagevorschriften für die Kapitalsammelstellen zu schaffen. Das ist nicht verwunderlich; denn hier ist, wenn ich so sagen darf, die Gelenkstelle, an der sich ein straff geplanter und geführter sozialer Wohnungsbau, der in diesem Jahr mit einem Aufwand von etwa 1200 Millionen DM finanziert werden kann, mit dem freien und beweglichen Markt des Kapitals trifft, der heute noch ein sehr sorgfältig zu schonendes Pflänzchen ist. Ich glaube aber, daß wir die Schwierigkeiten, die hier sicher noch bestehen, überwinden werden, daß wir am Ende dieses Baujahres befriedigt auf das Resultat zurückblicken werden und daß ich nicht, wie Herr Kollege Brönner bei seiner Berichterstattung gefürchtet hat, meinen Kopf verlieren werde, nicht nur deswegen, weil gestern der Bundestag mit Mehrheit die Todesstrafe abgelehnt hat, sondern auch deswegen, weil ich glaube, daß die Finanzierung klappen wird.
Es ist auch möglich, die Münzgewinne in der vorgesehenen Höhe einzusetzen, nämlich bis zu 400 Mil-
lionen DM, weil hier eine Vorfinanzierung der Bank deutscher Länder vorliegt. Ich möchte in diesem Hause überhaupt betonen, daß die Bank deutscher Länder sich für die Durchführung dieses Wohnungsbauprogramms sehr wesentlich eingesetzt hat. Sie hat bestimmte Refinanzierungszusagen an Realkreditinstitute gegeben, sie hat die Vorfinanzierung von 250 Millionen DM ERP-Mitteln übernommen, die sonst erst gegen Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres zur Verfügung stehen würden, und sie ist bereit, den zu erwartenden Münzgewinn des Bundes bis zu einer Höhe von 400 Millionen DM vorzufinanzieren.
Der § 6 ist in diesem Hause auch angegriffen worden. Er beschäftigt sich mit der Rationalisierung im Bauwesen und mit der Stellung der Bundesregierung dazu. Ich muß Ihnen gestehen, daß mir die Baukosten und ihre Entwicklung gelegentlich ernste Sorge machen. Es besteht natürlich die Gefahr, daß ein Wirtschaftszweig, der auf der einen Seite so starke Subventionen erhält, auf der anderen Seite steuerlich so stark begünstigt wird, daß die Preise und die Kosten sich erhöhen. Dieser Kostenerhöhung kann auch durch Rationalisierung entgegengearbeitet werden, auf deren Einzelheiten ich mich nicht einlassen will. Aber ich möchte dem Herrn Kollegen von der Bayernpartei entgegenhalten, daß ich gestern, als wir die Frage des § 6 gemeinsam mit dem Bundesrat besprochen haben, erklärt habe, daß wir nicht daran denken, hiervon einen ausschweifenden Gebrauch zu machen, sondern daß wir nur im Einvernehmen und unter Mitarbeit der Länder vorgehen wollen. Darauf wurde von bayerischer Seite erklärt, daß man dann die Bedenken, die man bislang gehabt habe, zurückstellen könne. Herr Kollege Dr. Etzel, wir denken nicht daran, etwa von Bundes wegen Normen für die Größe der bayerischen Kammerfenster zu erlassen. Wir werden nur das gemeinsam regeln, was unbedingt notwendig ist, und das Übrige dem örtlichen Brauch und dem landschaftlichen Charakter überlassen.
Ich komme zu § 7, der die Grundsteuer betrifft. Die Bundesregierung hätte es lieber gesehen, wenn die Grundsteuerfreiheit auf 20 Jahre ausgesprochen worden wäre. Hier waren aber ernste Bedenken des Bundesrats nicht zu überwinden. Von seiten der Gemeinden und Gemeindeverbände sind gegen diese Bestimmung schwere Bedenken geäußert worden, und es ist auch klar, daß hier von den Gemeinden große Opfer verlangt werden. Ich glaube aber, daß diese Opfer, allein durch die Ausdehnung des Wohnungsbaus und die Wiederherstellung der zerstörten Städte, sich für die Gemeinden wieder bezahlt machen.
Zum sozialen Wohnungsbau habe ich folgendes zu bemerken. Es mag von Wichtigkeit sein, noch einmal festzustellen, daß der soziale Wohnungsbau objektiv nach seiner Art umrissen ist, daß subjektiv jeder soziale Wohnungsbauten ausführen kann, der dazu lustig und fähig ist und der die Bedingungen erfüllt, die vorausgesetzt werden. Es gibt kein Monopol im sozialen Wohnungsbau, und ich möchte hinzufügen: es ist auch von keiner Seite eines verlangt worden.
Die Bestimmungen über den Werkswohnungsbau und den werkgeförderten Wohnungsbau sind angefochten worden. Ich möchte dazu anführen, daß gerade die Bestimmungen, die den Arbeitsvertrag und den Mietvertrag nicht länger als fünf Jahre koppeln lassen, einer Vereinbarung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen entsprechen. Wir haben keinen Grund gehabt, aus Anlaß dieses Gesetzes von dieser Vereinbarung abzuweichen.
Es sind weiter Einwendungen — ich glaube, nicht hier in der Debatte — gegen § 22 des Gesetzes erhoben worden, der eine Einkommensobergrenze als Regel für die Zuteilung von sozialem Wohnraum schafft. Die Obergrenze liegt bei 7200 DM; sie erfaßt mehr als 80 Prozent der Bevölkerung. Ich habe deswegen die Bedenken, die ich gegen diese Bestimmung eine Zeitlang hatte, zurückgestellt.
Ich komme nun zu dem sogenannten steuerbegünstigten Wohnungsbau. Er ist natürlich bis zu einem gewissen Grade auch ein freier Wohnungsbau. Aber man mußte einen Ausdruck finden, der ihn von dem vollkommen frei finanzierten Wohnungsbau unterscheidet, der nicht nur nicht öffentliche Darlehen, sondern auch nicht Steuerbegünstigung in Anspruch nimmt. Hier scheint es mir wesentlich zu sein, daß dieser Wohnungsbau von der Erfassung und Zuteilung durch die Wohnungsämter frei ist. Dagegen haben schwere Bedenken auf seiten der Opposition und auch in Kreisen der Regierungsparteien bestanden. Ich bin sehr froh darüber, daß diese Bedenken zunächst zurückgestellt worden sind. Denn wie wir gestern in der Ausschußsitzung erfahren haben, hat z. B. das Land Rheinland-Pfalz diese Bestimmung schon seit über einem Jahr und hat damit gute und keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht auf weitere Einzelheiten wie die Fragen der Kostenmiete, die wir geregelt haben, eingehen. Der Satz von 1,50 DM erscheint durchaus ausreichend, wenn man bedenkt, daß ja die nach § 7c Einkommensteuergesetz gewährten Mittel entweder zinslose Darlehen oder Zuschüsse sind. Dadurch entstehen Mieten, die mit 1,50 DM als Obergrenze durchaus allen Kostenfaktoren ausreichend Rechnung tragen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Nach der parlamentarischen Lage sieht es so aus, daß, wenn wir heute noch zur dritten Lesung kommen, der Bundesrat seinerseits unter Verzicht auf seine Einlassungsfrist schon am nächsten Donnerstag bereit ist, seine Zustimmung zu dem Gesetz zu geben.
Damit kommen wir der Lösung einer großen Aufgabe näher. Wir wissen, daß die Frage des Wohnraums eine entscheidende Frage für das Leben und den Lebensstandard unseres Volkes ist. Wir wollen diese gemeinsame Frage in demselben Wunsch zur Gemeinschaftsarbeit, zur Verständigung und zum sachlichen Interesse weiterführen, wie wir jetzt die Grundlage dazu in diesem Gesetz gelegt haben. Ich halte es für eine gute Vorbedeutung für unsere junge deutsche Bundesrepublik, daß diese Grundsteinlegung des Wohnbaus mit einer so allgemeinen Zustimmung erfolgt, wie sie jetzt erfolgen soll. Ich hoffe, daß mit diesem Gesetz ein Anfang für eine Leistung gemacht ist, die im Inland und im Ausland zeigt, daß wir Deutsche in Einigkeit ein Wesentliches dazu beitragen können, den Menschen in unserem Lande zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen.
Meine Damen und Herren! Wenn weitere Wortmeldungen nicht vorliegen — und ich stelle fest, dies ist der Fall —, dann erkläre ich die Aussprache der zweiten Beratung der Drucksache Nr. 703 für geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, sich folgende Abänderungsanträge
bereitzulegen. Nr. 773 Lücke, Klabunde und Genossen; ferner Nr. 783 Dr. Etzel, Dr. Seelos und Genossen; ferner Nr. 784 Abänderungsantrag der Fraktion der KPD.
Wir beginnen mit § 1. Zu § 1 liegt auf Drucksache Nr. 783 der Abänderungsantrag der Ziffer 1 dieser Drucksache vor. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt. Wir haben noch einen Abänderungsantrag.
- Auf Drucksache Nr. 784 liegt ebenfalls ein Zusatzantrag zu § 1 vor. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt, -
Wer nunmehr für § 1 in der vorliegenden Fassung der Drucksache Nr. 703 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 2, zu dem keine Abänderungsanträge vorliegen, und darf das Einverständnis des Hauses mit § 2 annehmen. — Ich höre keinen Widerspruch; demgemäß ist so beschlossen.
Zu § 3 liegt ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt. Es liegt ferner ein weiterer Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 zu Absatz 2 vor. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt. — Wer nunmehr für § 3 in der Fassung der Drucksache Nr. 703 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — § 3 ist angenommen.
Ich darf das Einverständnis des Hauses zu den unveränderten §§ 4 und 5 annehmen. — Ich höre keinen Widerspruch.
- Es ist gegen wenige Stimmens so beschlossen.
Zu § 6 bitte ich wiederum die Drucksache Nr. 783 zur Hand zu nehmen, und zwar handelt es sich dabei um die Ziffer 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt. Wer nunmehr für § 6 in der vorliegenden Fassung nach der Drucksache Nr. 703 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
— Angenommen!
— Ja, natürlich! Gar keine Frage! —
Zu § 7 liegt ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
- Abgelehnt!
— Ich bitte sehr um Entschuldigung! — Wer nunmehr für § 7,— 8, -9, -10, -11, -12—und 13 — in der vorliegenden Fassung der Drucksache Nr. 703 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zu § 14; Antrag Nr. 773 Ziffer 1 der Abgeordneten Lücke und Genossen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Wer nunmehr für § 14 in der vorliegenden Fassung der Drucksache einschließlich der soeben beschlossenen Abänderung, ferner, wer für § 15 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich stelle die Annahme fest.
Zu § 16 liegt der Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 773 Ziffer 2 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. -
Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Zu § 17 liegen folgende Abänderungsanträge vor: erstens Drucksache Nr. 773 Ziffer 3. — Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -
Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen angenommen. Zweitens der Abänderungsantrag Drucksache Nr. 784; er bezieht sich ebenfalls auf § 17. —
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr für § 17 in der soeben durch Annahme des Abänderungsantrags Drucksache Nr. 773 Ziffer 3 entstandenen Fassung, wer für die §§ 18 und 19 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Zu § 20 liegt auf Drucksache Nr. 784 ein Abänderungsantrag vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr für § 20, — § 21 in der vorliegenden Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Beide Paragraphen sind angenommen.
Zu § 22 liegt ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 vor. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Gegenprobe. - Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr für § 22 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Mit eindeutiger Mehrheit
— gegen eine kleine Minderheit beschlossen und angenommen.
Zu § 23 liegt wiederum ein Abänderungsantrag Drucksache Nr. 783 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist„ den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Danke. Gegenprobe! — Mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
— Setzen Sie sich mal hier herauf! — Also, mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Wer für § 23 in der Ausschußfassung und für § 24 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Zu § 25 liegt ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 vor. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Gegenprobe! - Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Wer für § 25 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Zu § 26 liegt wiederum ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 784 vor. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit ist dieser Abänderungsantrag abgelehnt.
Wer für § 26 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Zu § 27 liegt wiederum ein Abänderungsantrag aus Drucksache Nr. 784 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Gegenprobe! — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Wer für § 27 und § 28 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Zu § 29 liegt ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 773 Ziffer 4 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen mit eindeutiger Mehrheit angenommen. § 29 ist in dieser Fassung angenommen.
Wer für § 30 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer für die Einleitung und die Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
— Mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Damit erkläre ich das Gesetz auf Drucksache Nr. 703 in zweiter Beratung für angenommen.
Es ist mir nunmehr mitgeteilt worden, daß auf Grund eines interfraktionellen Agreements unmittelbar in die dritte Beratung eingetreten werden soll. Darf ich das Einverständnis des Hauses dazu feststellen? — Ich stelle fest: es erhebt sich kein Widerspruch.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache der dritten Beratung und rufe nunmehr die §§ 1 bis 30 in der soeben in zweiter Lesung angenommenen Fassung auf. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen angenommen. Wer für die Überschrift und die Einleitung ist, den bitte ich ebenfalls, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
- Nach der Schlußabstimmung die Entschließungen und außerdem die Drucksache Nr. 703!
Meine Damen und Herren! Wer nunmehr — und damit kommen wir zur Schlußabstimmung -
für das soeben in zweiter und dritter Einzellesung angenommene Erste Wohnungsbaugesetz im ganzen ist, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Zusatzantrag zu Drucksache Nr. 703, der Ihnen allen vorliegt. Wer für diesen Zusatzantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. -- Mit eindeutiger Mehrheit bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nunmehr, bevor wir über die Entschließungen abstimmen, noch einmal auf den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 783 Ziffer 3 zurück. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Wer nunmehr für die auf der ersten und zweiten Seite der Drucksache Nr. 703 abgedruckten Entschließungen im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen eine kleine Minderheit und bei einigen Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe wohl der Auffassung des Hohen Hauses Ausdruck, wenn ich vor der Öffentlichkeit feststelle, daß das Hohe Haus mit der Annahme und mit dieser Form der Annahme des Ersten Wohnungsbaugesetzes eine klare und eindeutige Dokumentation seiner sozialen und menschlichen Verpflichtung gegenüber unserem Volke gegeben hat.
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zum nächsten Punkt der Tagesordnung. Punkt 2, die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof, fällt aus, weil aus den gestern bekanntgegebenen Gründen die endgültige Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs morgen früh zu Beginn der Haushaltsberatung erfolgt.
Punkt 3 der Tagesordnung — betreffend Rechtsverhältnisse der Bundestagsabgeordneten aus dem Beamtenverhältnis — fällt ebenfalls aus. Die zweite und dritte Beratung dieses Gesetzentwurfs wird voraussichtlich am Freitag, eventuell noch heute abend stattfinden können, falls der Beamtenrechtsausschuß im Laufe des Tages noch Gelegenheit hat, dazu Stellung zu nehmen.
Wir kommen damit zu Punkt 4:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Änderung des Soforthilfegesetzes .
Ich erteile Herrn Abgeordneten Wartner als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Drucksache Nr. 82 hat die Fraktion der Zentrumspartei an die Bundesregierung das Ersuchen gerichtet, unverzüglich einen Gesetzentwurf einzubringen, wonach bei der Soforthilfeabgabe — —
Einen Moment bitte, Herr Abgeordneter! — Meine Damen und Herren, ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir bei Punkt 4 und 5 wieder zu Abstimmungen kommen. Ich bitte deshalb, das Haus nur gruppenweise zu verlassen, damit ich Sie nachher beim Schellen nicht mitten im Mittagessen zu stören brauche.
Bitte, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort.
— — die wirklichen Wiederherstellungskosten und nicht bloß Teile vom Einheitswert berücksichtigt und abgesetzt werden können. In Ziffer 2 verlangt die Fraktion des Zentrums, daß Steuerpflichtige freigestellt werden, die 50% und mehr ihres vor dem Kriege vorhandenen Vermögens durch Kriegsereignisse verloren haben. Drittens fordert die Zentrumsfraktion in ihrem Antrag, daß zerstört gewesene Vermögenswerte bei der Vermögensfeststellung außer Betracht bleiben, die der Steuerpflichtige in der Zeit vom 1. Mai 1945 bis zum 20. Juni 1948 auf eigene Kosten wiederhergestellt hat, wenn und soweit seine Kriegsverluste trotz der Wiederherstellung noch mindestens 30 % seines Vorkriegsvermögens betragen.
Dieser Antrag der Zentrumsfraktion wurde im Lastenausgleichsausschuß sehr eingehend behandelt. Es erging ihm aber ebenso, wie es allen Abänderungsanträgen der anderen Parteien bis jetzt im Lastenausgleichsausschuß ergangen ist: er wurde der Regierung als Material für das kommende Lastenausgleichsgesetz überwiesen. Ich glaube, im Anschluß hieran den Wunsch aussprechen zu dürfen, daß dieses Gesetz recht bald kommen möge, damit man in diesem Ausschuß zu einer wirklich positiven Arbeit kommen kann. Ich stelle fest, daß diese Überweisung als Material vom ganzen Ausschuß einschließlich des Vertreters der Antragsteller einstimmig angenommen worden ist.
Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Im Ältestenrat ist vorgesehen worden, die Ziffern 5, 6 und 7 wegen des Zusammenhanges der Angelegenheit gemeinsam mit Ziffer 4 zu beraten. Ich nehme Ihre Zustimmung dazu an.
Ich möchte noch darauf aufmerksam machen, daß im Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 180 Minuten für die Beratung und Beschlußfassung über die Punkte 4, 5, 6 und 7 der Tagesordnung vorgeschlagen worden ist.
- Die Punkte sollen zusammen beraten werden. Infolgedessen wird jetzt auch zunächst die Gesamtaussprache über die vier Punkte durchgeführt und noch nicht abgestimmt.
Zur Begründung des
Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Stücklen und Genossen betreffend Durchführung des Soforthilfegesetzes hei der Landwirtschaft
hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den ich mit einer großen Anzahl von Freunden auf Drucksache Nr. 543 eingebracht habe, entspringt
keinerlei Agitationsbedürfnis — ich möchte das in erster Linie feststellen —, sondern er entspringt der ernsten Sorge um eine rechte Regelung der Angelegenheit.
— Das ist eine Frage für sich, Herr Kollege Baumgartner. In diesem Ausschuß war ich nicht vertreten.
— Das ist auch eine Frage, die hier nicht zur Erörterung steht. Ich bitte, mich jetzt zunächst einmal ruhig anzuhören; denn es ist eine so ernste Frage, daß es besser ist, man hört zunächst einmal die Rede dessen an, der den Antrag gestellt hat.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch eines klar hervorheben: Ich möchte mich von denen weit entfernen, die solche Angelegenheiten unseres Volkes zu demagogischen Zwecken benutzen.
Je nachdem es gerade paßt, wird es gemacht. Beispielsweise spricht man in einer Bauernversammlung radikal: Lastenausgleich heißt „Laß den Ausgleich",
und in einer Flüchtlingsversammlung sagt man das
Gegenteil davon und stellt seine Forderungen im
Interesse der zuhörenden Flüchtlinge auf das
Höchstmaß. Dieses Vorgehen heiße ich Demagogie.
— Ich nehme an, Herr Kollege — ich bin Ihnen für den Zwischenruf dankbar —, daß hier keiner von denen im Hause ist; aber Gedanken sind ja zollfrei.
Gedanken können sich immer frei bewegen. Dafür gibt es keine behördlichen Vorschriften, auch keine Vorschriften der Geschäftsordnung.
Nach dieser Abschweifung kehre ich zur Sache zurück. Der Lastenausgleich als solcher ist durch die Gesamtlage bedingt, wie sie entstanden ist. Die Forderung nach einem Lastenausgleich ist auch in unserem Volk verwurzelt. Es ist ja unmöglich, daß derjenige, der von keinerlei Bombenschaden betroffen wurde, dem gar nichts gibt, dem alles. ausgebombt wurde, und daß derjenige leer ausgehen soll, der durch die Währungsverhältnisse am schwersten Schaden gelitten hat, oder daß der Ausgewiesene, der das schreckliche Los des Verlustes seiner Heimat ertragen muß, nicht mit einer Hilfe bedacht werden soll. Das sind Gesichtspunkte, die in unserem Volk lebendig sind. Das sind Dinge, die wir gewissermaßen als gegebene Tatsachen hinnehmen müssen. Deswegen wende ich mich gegen den radikalen Ruf so bequemer und radikaler Redner draußen, wenn sie denen, die die Belastungen mit tragen müssen, das Schlagwort zurufen: Lastenausgleich heißt: „Laß den Ausgleich". Es wäre gut, wenn jeder Redner einer jeden Partei verpflichtet würde, vor gemischtem Publikum zu reden und in der Stadt genau so zu sprechen, wie er draußen auf dem Lande redet,
damit die Bevölkerung sehen würde, ob es sich hier um eine wirkliche Volkspartei handelt oder ob es sich um die Aufspaltung zu rein agitatorischen Zwecken handelt. Radikal reden kann der Dümmste; das ist keine Kunst.
Aber bei der Not des Volkes vernünftig reden, das ist die Kunst! Bei der noch etwas mangelhaften politischen Bildung unseres Volkes ist es sehr gefährlich, radikal zu reden, weil das Volk nicht
immer in der Lage ist, den Demagogen von dem Träger einer echten anderen Gesinnung zu unterscheiden.
Das ist das, was wir so sehr beklagen müssen: die Doppelzüngigkeit der Reden draußen auf dem Land einerseits und in der Stadt andererseits.
Ich möchte, daß ein gerechter tragbarer Ausgleich der Verhältnisse zustande kommt. Ich sage ausdrücklich: ein gerechter, tragbarer Ausgleich. Wenn ich dafür ein Beispiel anführen soll, dann ist es dieses: wenn ich an einen grünen Ast, der an sich sehr stark ist, zuviele Belastungen hänge, dann bricht mir der Ast ab, und der ganze Baum kommt in Gefahr. Oder wenn ich den Blutspender für einen anderen mache, der schwächer ist als ich, dann kann mich auch niemand verpflichten, das ganze Blut herzugeben, weil ja sonst auch meine Existenz und meine Lebensgrundlage vernichtet wird. Die Verhältnisse nötigen uns, es vernunftgemäß dahin zu bringen, daß hier eine gerechte Regelung herbeigeführt wird.
Es hat mich gefreut, daß der Herr Bundesfinanzminister auf eine Anfrage dieses Hohen Hauses in seiner Antwort davon gesprochen hat, daß es sich bei der Soforthilfe um eine bewußt rohe Regelung handelt, d. h. mit andern Worten um eine Regelung, die auf die individuellen Verhältnisse und Gesichtspunkte nicht die genügende Rücksicht nimmt, wie es bei einem so schwerwiegenden Steuergesetz notwendig wäre.
Wenn man das Soforthilfegesetz, wie es jetzt besteht, genau studiert. erkennt man, daß es eine nicht vollständig durchdachte Regelung darstellt. Es kann nur ein Provisorium sein, das aber nach meiner Uberzeugung sobald wie möglich durch einen endgültigen, vernünftigen Lastenausgleich abgelöst werden muß. Dieses Soforthilfegesetz hat eine ganze Reihe schwerwiegender Fehler. Ich würde bitten. mit mir einmal den Gang 7U machen und rein objektiv die unterschiedlichen Verhältnisse bei den verschiedenen Wirtschaftskreisen festzustellen. Die lassen sich durchaus in ihrer wirtschaftlichen Methode, in ihrer wirtschaftlichen Arbeit nicht alle auf eine Stufe stellen. Das Soforthilfegesetz wirkt bei der Landwirtschaft ganz anders als bei einem großen Teil anderer Berufsstände. Man hat hier vielfach eine vollständig falsche Vorstellung vom Landleben. Der kleine und mittlere Bauer hat zwar seine Lebensexistenz, was seine Nahrungsmittelversorgung für sich und seine Familienangehörigen anlangt, gesichert. Aber die hundert Mark und noch mehr. die zum monatlichen Unterhalt der Familienmitglieder hereingebracht werden müssen. und die mehreren Hundert Mark zum Unterhalt des Betriebes müssen erst durch gemeinsame Arbeit verdient sein. Das ist hier eine außerordentlich schwierige Angelegenheit.
Ich kann das auch so bezeichnen: jeder sieht gern auf den Bauern, besonders in schwierigen Zeiten. Aber ich habe noch nie gefunden, daß sich große Massen, wenn Arbeitermangel in der Landwirtschaft herrscht. zur landwirtschaftlichen Arbeit hindrängen würden. auch in der schwierigen Zeit nicht. Daraus sieht man. daß es doch eine besondere Bewandnis damit haben muß. Im übrigen sehe ich in diesem Hohen Hause. daß auch der Andrang zu landwirtschaftlichen Beratungen nicht sehr groß ist.
Das ist das gleiche Vorhaben; wie draußen bei der
Arbeitssuche bei der Landwirtschaft, so suche ich
hier die Zuhörer zusammen, die hier bereit sind, zu
einem ernsten Thema wirklich Stellung zu nehmen, zu einem Thema, nach dessen gerechter Erledigung sich Hunderttausende und Millionen von kleinen und mittleren Bauern sehnen. Ich bedaure daher außerordentlich, daß diese Verhältnisse hier in diesem Hause bei so schwachem Besuch erörtert werden müssen.
Ich habe mich auch außerordentlich gefreut, daß auch in der städtischen Presse die Stimmen jetzt vernünftiger werden bezüglich der Einstellung zur Landwirtschaft. Da war beispielsweise in der „Süddeutschen Zeitung" in letzter Zeit ein Artikel, in dem es heißt: Der Patient braucht frisches Blut. Dort wurde darauf hingewiesen, daß auch die Kapitalbildung für den Bauernbetrieb eine wichtige Angelegenheit ist, daß wir, wenn wir bis zum Jahre 1952 das Ziel erreichen wollen, möglichst viel Devisen in unserem gesamten Haushalt durch die Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu ersparen, hier alles daransetzen müssen, um das zu ermöglichen. Wir müssen ja hier über die Produktionsgrundlage vom Jahre 1936 bis 1938 hinausgehen, um das Ziel zu erreichen. Es genügt nicht allein, die Produktionshöhe vom Jahre 1938 wieder zu erreichen, sondern es ist notwendig, hier mindestens um 20 bis 25% darüber hinauszukommen, damit wir die Verhältnisse dann einigermaßen meistern können, wenn die Marshallplanhilfe aufhört.
Dabei ist bei der Landwirtschaft und beim Bauerntum noch eines zu bedenken, daß hier die unterschiedlichen Verhältnisse gegeben sind, beispielsweise gegenüber leistungsfähigen Gewerbeoder gar größeren Fabrikbetrieben oder gar Großbetrieben. Hier spielen verhältnismäßig hohe Belastungen im größeren Betrieb nie die Rolle wie bei den kleinen Bauernbetrieben. Und zwar warum nicht? — Weil hier bei der Landwirtschaft das Betriebsvermögen im Gegensatz zum Umsatz viel schwerer ins Gewicht fällt als bei größeren Unternehmungen. Deswegen muß auch diesen gesonderten Verhältnissen Rechnung getragen werden.
Auch sind die Rationalisierungsbestrebungen bei der Landwirtschaft begrenzt. Es wird viel darüber gesprochen und geredet. Gewiß, eine technische Verbesserung ist notwendig. Das wird niemand bestreiten und wird auch im Interesse des Bauern liegen, wenn er diese schwierigen Zeiten durchkämpfen will. Aber sie sind begrenzt durch die Natur der Verhältnisse. Ich kann über ein gewisses Höchstmaß der Maschinenanwendung nicht hinauskommen, ganz anders als im Industriebetrieb. Wir sind hier auf die Naturverhältnisse so angewiesen, daß uns hier gewisse Grenzen gesetzt sind.
Ich kann auch die Betriebe nicht beliebig verlegen, sondern wir sind in den Westzonen darauf angewiesen, daß das kleinste Stückchen Grund und Boden in Bewirtschaftung bleibt, weil das notwendig ist, um unsere Bevölkerung im Arbeitsprozeß drinzuhalten.
Deswegen müssen besonders die Verhältnisse auf dem Lande einer besonderen Beurteilung unterzogen werden. Es sind also schon unterschiedliche Gesichtspunkte da, die uns veranlassen, das Soforthilfegesetz, das seinerzeit unter ganz anderen wirtschaftlichen Verhältnissen noch erlassen wurde, einer Korrektur zu unterziehen, und zwar nach verschiedenen Richtungen hin und sobald wie möglich.
Was die Höhe der steuerlichen Belastung anlangt, so habe ich eine Reihe von Beispielen vor
mir liegen aus einer ganzen Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe, kleinerer und größerer. Sie sehen daraus, wie sich die Verhältnisse gegenüber dem Jahre 1938 gewandelt haben.
Da habe ich vor mir einen Betrieb in einer Hektargröße von 7 Hektar; Steuerbelastung im Jahre 1938: 17 Mark pro Hektar, 1949: 88 Mark pro Hektar. Ein Betrieb mit 10 Hektar 1938: 19 Mark, heute: 77 Mark; ein Betrieb mit 12 Hektar damals: 13 Mark, heute: 62 Mark; ein Betrieb mit 14 Hektar damals: 9,70 Mark, heute: 33 Mark; ein Betrieb mit 16,7 Hektar damals: 9,84 Mark, jetzt: 35,47 Mark; ein Betrieb mit 18,5 Hektar damals: 20,58 Mark, heute: 91,23 Mark; ein Betrieb mit 39,7 Hektar damals 30,69 Mark, heute: 168,92 Mark; und ein Betrieb mit 53,7 Hektar damals: 37,54 Mark, heute: 142,44 Mark; also je nach Bodengüte und nach Ertragsfähigkeit eine vervielfachte Steuerbelastung.
Dabei ist bei der Landwirtschaft besonders auch noch das zu beachten, was auch auf den kleineren und mittleren Gewerbebetrieb zum Teil zutrifft. Auf dem Lande draußen haben sich die Verhältnisse in der steuerlichen Belastung total verschoben. Hier kommt insbesondere hinzu, daß durch die Grundsteuer mit ihren Zuschlägen viele_ s an Fürsorgelasten draußen auf dem flachen Lande getragen werden muß, was früher nicht der Fall gewesen ist. Insofern ist die Grundsteuer bedeutend gestiegen, so daß wir neben den Personalsteuern die gestiegenen Grundsteuerverhältnisse vor uns haben und dazu noch als Hauptblock die neue Steuer der Soforthilfeabgabe.
Ich könnte die Ziffern noch weiter ausdehnen, will Sie aber nicht im einzelnen damit aufhalten. Ich habe mir nur erlaubt, Ihnen hier die Grundziffern bekanntzugeben, damit Sie sehen, worum es sich bei dem Antrage im einzelnen handelt. Deswegen ist jetzt hier in meinem Antrag darauf hingewiesen worden, daß zunächst die Finanzämter angewiesen werden sollen, bei der jetzigen Rate der Soforthilfeabgabe, die für die Landwirtschaft am 20. Februar fällig war, im weitesten Umfange durch Stundungen entgegenzukommen.
Ich weiß, daß der Herr Finanzminister einen Stundungserlaß herausgegeben hat; aber dieser Erlaß trägt den Verhältnissen nicht vollständig Rechnung. Ich habe darauf auch im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt" vom 18. März 1950, das in München erscheint, unter der Überschrift: „Was ist jetzt zu tun?" hingewiesen. Ich habe hier betont, daß die Finanzbehörde hier unbedingt entgegenkommen muß: denn wo die Belastungen unerträglich sind, muß aus einer ganzen Reihe von Gründen, Entgegenkommen gezeigt werden, besonders aber aus dem Grund, damit in der Produktionssteigerung der Landwirtschaft keine Unterbrechung eintritt. Ich habe es gewissermaßen mit auf meine Kappe genommen und habe in zahlreichen Artikeln und Versammlungen den Bauern gesagt: Reicht eure Stundungsgesuche ein, aber ich bitte euch dringend darum, geht in euer Produktion nicht zurück, denn das wäre das Ungeschickteste. Man muß doch von der Finanzbehörde letzten Endes auch so viel vernünftiges Empfinden erwarten können, daß sie hier den Verhältnissen Rechnung trägt.
Besonders empörend hat es gewirkt, daß es draußen einzelne Finanzbeamte gibt, die meines Erachtens nicht geeignet und in der Lage sind, das Vertrauensverhältnis zwischen Behörden und den Besuchern der Behörden herzustellen. Gerade bei den Finanzämtern sollte der Umgang mit den
Besuchern besonders menschlich gepflegt werden.
Wenn da ein Bauer kommt und man sagt ihm: Wenn du die Soforthilfe nicht bezahlst, dann übergibst du deinen Betrieb einem Flüchtling, dann ist das, glaube ich, ein sehr gefährliches Wort.
— Ich wende mich auch an den Finanzminister! Das ist eine Sache, die meines Erachtens unbedingt entsprechend aufgeklärt werden muß; denn das sind Dinge, die nach meiner Überzeugung bei den Verhältnissen, wie sie nun einmal draußen auf dem Lande bestehen, unter keinen Umständen ertragen werden können. Hier ist gerade der persönliche Verkehr mit den Steuerpflichtigen eine der wichtigsten Grundlagen, um die Verhältnisse einigermaßen in Ordnung zu halten.
Ich könnte noch eine Reihe von Beispielen erwähnen. So herrscht ein besonderer Notstand dort, wo die Finanzbehörden von den landwirtschaftlichen klein- und mittelbäuerlichen Betrieben die Soforthilfeabgabe rigoros verlangen, obgleich diese Betriebe kriegsbeschädigte Betriebe sind. Ich spreche hier auch ganz offen aus: Mit den Anträgen, die dort teilweise vorliegen, man solle die Berücksichtigung der kriegsgeschädigten Betriebe eintreten lassen, wenn sie über 50 Prozent kriegsgeschädigt sind, bin ich nicht einverstanden. Das geht mir viel zu wenig weit; denn wenn einmal ein Betrieb kriegsgeschädigt ist, dann hat so ein klein- und mittelbäuerlicher Betrieb ohnehin genug zu tun, um wieder vorwärtszukommen, um wieder aufzubauen und wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen. Hier wäre es notwendig, daß die aufgewendeten Beträge unter allen Umständen von der verlangten Soforthilfe in Abzug gebracht werden, damit den Verhältnissen entsprechend Rechnung getragen werden kann. Diese Berücksichtigung der kriegsgeschädigten Betriebe möchte ich dem Herrn Bundesfinanzminister besonders ans Herz legen und ihn dringend bitten, daß die Finanzämter die Anweisung erhalten, bei den Verhältnissen der Landwirtschaft und bei der übermäßigen Steuerbelastung hier entsprechendes Entgegenkommen zu zeigen.
Ich habe in dem von mir und meinen Freunden gestellten Antrag darauf verzichtet, im einzelnen bestimmte Gesichtspunkte aufzuführen und diese bis ins einzelne darzulegen; denn das hätte meines Erachtens doch in dem Zusammenhang zu weit geführt, wo es zunächst einmal darauf ankommt, den Bundesfinanzminister zu veranlassen, daß er hier den veränderten Verhältnissen so rasch wie möglich Rechnung trägt. Ich sage ausdrücklich: den „veränderten" Verhältnissen der Landwirtschaft. Deswegen habe ich ihn auch gebeten, hier geeignete Vorschläge zu unterbreiten, damit eine entsprechende Änderung und Durchführung des Soforthilfegesetzes Platz greifen kann.
Auch kann ich mich mit der Antwort des Bundesfinanzministers, die er auf eine Anfrage der Bayernpartei erteilt hat, nicht in allen Punkten einverstanden erklären. Das bedarf noch der genauen Nachprüfung; denn die Berücksichtigung beispielsweise der Altenteile ist doch eine so spezifische Angelegenheit der Landwirischaft, daß darauf Rücksicht genommen werden muß. Auch die Ansprüche, die die auf dem Hofe arbeitenden eigenen Familienangehörigen des Bauern an den Hof haben, stellen ebenfalls eine Frage dar, die endlich einmal einer ernsten Prüfung bedarf, damit hier für die mit-
arbeitenden eigenen Arbeitskräfte des Bauern die Rückstellungen erfolgen können, auf die sie Anspruch erheben können, weil hier die Lohnanteile, die sie für ihr späteres Leben brauchen, drinstecken.
Dann kommt noch eine ganze Reihe anderer Gesichtspunkte hinzu, die aus mehreren Anträgen des Hohen Hauses hervorgegangen sind und denen ich im Grundgedanken durchaus zustimme. All das muß aber geprüft werden.
Was mir aber dann darüber hinaus besonders wichtig erscheint, ist, daß unter allen Umständen alle Bemühungen darangesetzt werden müssen, daß dieses Soforthilfegesetz so rasch wie möglich durch ein vernünftiges endgültiges Lastenausgleichgesetz abgelöst wird.
Denn so, wie das Soforthilfegesetz jetzt besteht, ist es auf einer Reihe von Gebieten absolut untragbar. Nehmen wir einmal ein Beispiel aus der Landwirtschaft her. Ich habe zum Beispiel einen Einheitswert von 100 000 DM. Ich nehme bloß diese runde Ziffer — das ist schon ein größerer bäuerlicher Betrieb —, um mich leichter zu tun. Hier wird durch die dreiprozentige Verzinsung des gesamten Vermögens — das bedeutet nämlich die Soforthilfeabgabe — die ganze Rendite auf einen Sitz weggenommen. Mit anderen Worten: jede Kapitalverzinsung und Kapitalbildung wird diesem bäuerlichen Betrieb weggenommen. Das heißt weiter: bei der gesamten übrigen Steuerlast ist es ihm beinahe unmöglich, zu einer vernünftigen Kapitalreserve in seinem eigenen Betriebe zu kommen. Wenn man aber schon bei der Einkommensteuer der größeren Betriebe das Argument ins Feld führt, daß auf die Kapitalbildung Rücksicht genommen werden müsse, dann muß man doch zugeben, daß diese Kapitalbildung bei unseren bäuerlichen Betrieben noch viel nötiger ist,
weil diese Betriebe besonders in den kommenden Jahren die Garanten für die Sicherung unserer Volksernährung sind.
Diesem Gesichtspunkt ist meiner Überzeugung nach zu wenig Rechnung getragen worden. Denken Sie einmal an das endgültige Lastenausgleichsgesetz. Nehmen Sie än, ein Teil des Vermögens — ich nenne jetzt absichtlich keine bestimmten Zahlen — sei belastet und die Tilgungsquote sei auch noch darin enthalten. Nehmen Sie von der ganzen Wirtschaft, über der diese Furcht wie ein Damoklesschwert hängt, die niederdrückenden Sorgen wegen der Soforthilfeabgabe und des noch in der Schwebe befindlichen endgültigen Lastenausgleichs. Wir müssen den Mut haben, in diesem Bundestag zur Verabschiedung einer vernünftigen, tragbaren Lösung zu kommen, indem wir nämlich jene Sicherungen in unserem Wirtschaftsleben schaffen, die für ein geordnetes Wirtschafts- und Gesellschaftsleben in den Westzonen Deutschlands notwendig sind.
Ich rufe nun die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung auf:
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Soforthilfeabgabe
und
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Lastenausgleich .
Die interpellierende Fraktion hat mir mitgeteilt, daß sie auf eine Begründung der Interpellationen verzichtet.
Zur Beantwortung der Interpellationen hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst die Interpellation Drucksache Nr. 536 zu beantworten. Sie beginnt wie folgt:
Nach Zeitungsmeldungen hat die Bundesregierung in Beantwortung des alliierten Memorandums die Auffassung vertreten, daß die Zunahme der Arbeitslosigkeit in direktem Zusammenhang mit den „Milliarden-Beträgen" stehe, die der deutschen Wirtschaft und der Landwirtschaft durch die Soforthilfeabgabe entzogen worden seien.
Es ist richtig, daß diese Zeitungsmeldungen erschienen sind. Ich glaube aber, keine allzu kühne Behauptung aufzustellen, wenn ich sage: die Tatsache, daß eine Behauptung in der Zeitung gestanden hat, ist noch kein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß die Behauptung richtig ist.
Auch diese Behauptung ist nicht richtig.
Soviel ich feststellen konnte, ist die Presseveröffentlichung zuerst im Deutschlanddienst der United Preß vom 23. Februar erschienen. Am 23. Februar war das Memorandum der Regierung noch gar nicht fertiggestellt. Das Memorandum der Regierung ist erst in den ersten Tagen des März fertiggestellt und veröffentlicht worden, und zwar am 3. März dieses Jahres. Die Veröffentlichung steht dem Hohen Haus zur Verfügung. Sie werden sehen, daß in dem Memorandum nicht ein Satz enthalten ist, der in dem Sinne ausgelegt werden könnte, wie das in den Pressemeldungen geschehen ist.
Ich darf damit zu dem zweiten Teil übergehen, zu den Fragen, die sich auf das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe, auf die Rückstände usw. beziehen. Ich darf dazu etwas vorausschicken. Mein Herr Vorredner hat eben von den Sorgen der Landwirtschaft gesprochen, hat auch davon gesprochen, daß die Formen im Verkehr zwischen den Steuerzahlern und den Finanzbeamten manchmal hart seien, daß es aufreizend wirke, wenn der Finanzbeamte den Steuerzahler darauf verweise, daß die Soforthilfeabgabe nach dem Buchstaben des Gesetzes nun einmal als Vermögensabgabe anzusehen sei. Dabei kam dann der Zwischenruf:„ Das muß der Bundesfinanzminister hören!"
Ich darf den Zwischenrufer zunächst darauf hinweisen, daß bis zum 31. März 1950 alle Finanzbeamten Länderfinanzbeamte sind, daß also etwaige Beschwerden über das Benehmen eines Finanzbeamten bis heute noch an den Landesfinanzminister und nicht an den Bundesfinanzminister zu richten sind.
Der Bundesfinanzminister ist sehr gern bereit, von dem Tage an, da seine Einflußnahme beginnt, dahin zu wirken — wie das übrigens überall auch schon geschehen ist —, .daß sich der Verkehr zwischen dem häufig in Not befindlichen Zahlungspflichtigen und dem Finanzamt gerade in schwierigen Zeiten und bei schwierigen Fällen möglichst reibungslos und in möglichst guten Formen abspielt. Dazu bedarf es eines Appells weiterhin nicht.
Es ist ganz klar, daß in der Zeit, als das Soforthilfegesetz geschaffen wurde, sichere Unterlagen über das Erträgnis dieser Abgabe nicht zur Verfügung standen. Die ersten sehr hohen Schätzungen haben natürlich über die Wirklichkeit hinausgegriffen; man erhoffte mehr als das, was man heute auf Grund der Meldungen als Aufkommen erwarten kann. Es entstand infolgedessen ein Gefühl der Unsicherheit, ob die gestellten Aufgaben aus den Erträgnissen der Soforthilfeabgabe befriedigend gelöst werden könnten. Ich werde Ihnen nachher die Gegenüberstellung dieser Zahlen geben, und Sie werden sehen, daß diese Aufgabe für das erste Jahr geleistet worden ist.
Dabei möchte ich auf eines besonders hinweisen: die Soforthilfeabgabe war für ein ganzes Rechnungsjahr, für 1949/50, gedacht. Wegen des späten Inkrafttretens des Gesetzes sind die gesamten Abgaben, die auf 12 Monate berechnet waren, auf 4 Monate zusammengedrängt worden. Das bedeutet eine große Erschwerung und hat vielleicht tatsächlich das zur Folge, was in der Interpellation angedeutet ist, daß nämlich der Geldentzug und
damit die Einschränkung der Liquidität in der
Wirtschaft zu rasch und damit unter Folgen geschehen muß, die bedauerlich und für die Wirtschaft schwer zu tragen sind.
Wir haben uns mit dieser Frage, ob die Soforthilfeabgabe — die ja neben der allgemeinen, bestimmt nicht kleinen Steuerlast zu tragen ist und die an sich schon die Gefahr in sich birgt, das Aufkommen dieser Steuern stark zu beeinflussen —in geordneten Bahnen beigebracht werden kann, beschäftigt. Ich habe bereits in den ersten Tagen meiner Amtstätigkeit einen Aufruf an die Öffentlichkeit, an die Abgabepflichtigen gerichtet, sie möchten, obwohl das Soforthilfeabgabegesetz nur ein vorläufiges Gesetz ist, das bewußt Härten und Ungerechtigkeiten in Kauf genommen hat, über alle diese Schwierigkeiten hinweg dem sozialen Gedanken dieses Gesetzes Rechnung tragen und ihr Möglichstes tun. Ich möchte als meine Überzeugung auch feststellen, daß der Eingang der ersten und zweiten Rate der Soforthilfeabgabe im wesentlichen bewiesen hat, daß ein Zahlungswille besteht. Auch möchte ich weiterhin feststellen, daß gerade in den Landesoberfinanzamtsbezirken, in denen die Landwirtschaft als Steuerzahler stark vertreten ist, der Eingang vielleicht sogar noch günstiger ist als in anderen Oberfinanzamtsbezirken. Dabei muß ich aber zugleich feststellen, daß sich, wie es in der Natur der Sache liegt, die Schwierigkeiten bei der dritten Rate im allgemeinen häufen.
Wir haben, um die Dinge in die richtige Bahn zu lenken, bereits am 5. November 1949 einen Runderlaß hinausgegeben, durch welchen — u. a. auch, um rechtzeitig Maßnahmen treffen zu können — von den Finanzverwaltungsbehörden vierteljährliche Berichte angefordert wurden. Der erste Bericht sollte am 30. April erstattet werden mit Wirkung für den 31. März. Wir haben später, als die ersten Berichte, Eingaben und dergleichen Sorgen zu uns drangen, diese Berichterstattung vorverlegt, und ich habe für den 8. März dann sogar eigens eine Konferenz der Oberfinanzpräsidenten des Bundesgebietes einberufen, um persönlich von Mensch zu Mensch die Schwierigkeiten zu besprechen. In einem Erlaß vom 2. Dezember 1949 wurde bezüglich der Zahlungspflichtigen, die nur ganz kleine Einkommen von monatlich zwischen 100 und 150 Mark haben, eine Richtlinie für die zu gewährende Stundung gegeben. Außerdem wurde
in diesem Erlaß auch die Möglichkeit eröffnet, in Härtefällen, in denen die Zahlungspflichtigen selbst schweren Kriegsschaden erlitten haben, etwas entgegenkommender zu sein, um die Soforthilfeabgabe nicht dadurch zu gefährden, daß in der Bevölkerung durch solche Ungerechtigkeiten einer allzu harten Eintreibung eine dem sozialen Gedanken des Soforthilfegesetzes feindselige Stimmung entstehen würde. Ich glaube, daß dieser Erlaß gut gewirkt
und daß er dazu beigetragen hat, den Zahlungswillen aufrechtzuerhalten, weil eben in solchen ausgesprochenen Härtefällen ein Ausweichen möglich war. Der Zwischenrufer mit seinem Nein hat wahrscheinlich gar nicht diesen Erlaß vom 2. Dezember gemeint, sondern vermutlich den Erlaß, um den es später gegangen ist und der sich auf die Abgabe der Landwirtschaft am 20. Februar bezogen hat.
Sie haben eben meinen Herrn Vorredner gehört; er hat die Nöte und die Sorgen der Landwirtschaft auf diesem Gebiete deutlich und klar zum Ausdruck gebracht. Ich bin persönlich der Überzeugung, daß die Verwendung des Formblattes für Stundungsanträge — die übrigens nicht neu ist, sondern die es bei anderen Berufszweigen früher auch schon gegeben hat — in diesem Falle zur Folge gehabt hat, daß eine gewisse Krise überwunden wurde. Den Kampf der Radikalismen sehen wir auf diesem Gebiet besonders, Radikalismus hier und Radikalismus da. Wir haben in Hessen sehr ernst zu nehmende radikale Erscheinungen in der Landwirtschaft schon damals bemerkt. Es mußte dafür gesorgt werden, daß diese Dinge in geordnete Bahnen und wieder in die Hand der Finanzverwaltung kommen, und ich glaube, daß dieses Ziel erreicht worden ist.
Ich möchte Ihnen nun in Beantwortung der Anfragen die gewünschten Zahlen geben. Es ist gefragt worden, wie hoch das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe geschätzt wird. Ich darf zunächst einmal das bis zum 8. März eingegangene Aufkommen mitteilen. In den Ländern der amerikanischen und britischen Zone sind an Soforthilfeabgaben eingegangen 854,218 Millionen, in den Ländern der französischen Zone 117,831 Millionen. Ich bemerke, daß die Länder der französischen Zone eine eigene Gesetzgebung haben und daß sie sowohl auf dem Gebiet der Umstellungsgrundschulden als auch auf diesem Gebiet nicht nur eine eigene Gesetzgebung, sondern auch eine eigene Verwaltung haben, daß also die Schaffung einer gemeinsamen Gesetzgebung und einer gemeinsamen Verwaltung noch der Zukunft obliegt.
Über die Soforthilfe-Sonderabgabe liegen folgende Ziffern vor: in der amerikanischen und britischen Zone 165,68 Millionen, in der französischen Zone 19,89 Millionen.
Insgesamt ergeben sich für die Soforthilfeabgabe 972,05 Millionen DM, für die Soforthilfesonderabgabe 185,57 Millionen DM; das sind zusammen 1 157,62 Millionen DM nach den Zahlen, die mir vom 8. März 1950 vorliegen.
Weiter darf ich auf ein naheliegendes Gebiet verweisen. Das sind die Umstellungsgrundschulden. Sie bringen regelmäßig im Monat als laufende feste Einnahmen in der amerikanischen und der britischen Zone rund 30 Millionen DM. Für die französische Zone kann ich sie nur schätzen. Sie werden dort zwischen 3 Millionen und 4 Millionen
DM monatlich erbringen. Insgesamt haben sie in der amerikanischen und britischen Zone bisher 430 Millionen DM gebracht. Diese Einnahmen aus Umstellungsgrundschuld en werden in der amerikanischen und britischen Zone ausschließlich für Bauzwecke verwendet. Auch in den Ländern der französischen Zone sollen sie überwiegend für diese Zwecke verbraucht werden.
Ich darf dem einmal gegenüberstellen, wie die Mittel des Soforthilfefonds, die sich hier angesammelt haben, bisher verwendet wurden. An Unterhaltshilfe sind bisher ausbezahlt worden 401,7 Millionen DM. Bis zum 31. März sind noch Zahlungen mit etwa 40 Millionen DM zu leisten, so daß bis dahin die Zahlungen etwa 441,7 Millionen DM betragen werden.
An Hausratshilfe sind bisher in bar 200,4 Millionen DM ausbezahlt worden. Zurückgestellt sind und werden im Laufe des Monats März anfallen 9,6 Millionen DM. Das sind insgesamt 210 Millionen DM.
Für den Wohnungsbau sind bisher in bar ausgegeben 44,1 Millionen DM. Es sind Zusagen in Höhe von 115,9 Millionen DM für den Wohnungsbau gegeben. Bereitgestellt ist für das Jahr 1950/51 ein Betrag von 50 Millionen DM, so daß sich auch hier die Gesamtsumme mit 210 Millionen DM errechnet.
An Ausbildungshilfe sind bisher 10,4 Millionen DM ausbezahlt. Bereitgestellt und im März noch zu zahlen sind rund 14,6 Millionen DM, und für die Zukunft ist noch ein Betrag von 25 Millionen DM gesichert. Zusammen sind das also 50 Millionen DM.
Für den Existenzaufbau wurde jetzt zum ersten Mal ein Betrag von 100 Millionen DM gesichert, der bereits bewilligt wurde und für die Zukunft zur Verfügung steht. Damit sind rund 1051,7 Millionen DM verbraucht. Der Rest des Aufkommens von 90-100 Millionen muß für die Monate April und Mai zur Bezahlung der laufenden Unterhaltshilfe zurückgestellt werden; denn die nächste Rate wird erst am 20. Mai fällig. In den Zwischenmonaten muß infolgedessen für die laufenden gesetzlichen Verpflichtungen noch ein Sicherheitsfonds zur Verfügung stehen.
Nun die Frage nach den Rückständen. Ich kann hier vor dem 15. April nur Schätzungsziffern geben, die ich bisher von den deutschen Oberfinanzpräsidenten erhalten habe, die aber nach meiner Überzeugung in der großen Linie ein sicheres Bild ergeben. Ihre Zahl selbst wird sich wahrscheinlich noch ändern. Einige Oberfinanzpräsidenten waren nicht in der Lage, die Ziffern abschließend zu dem gewünschten Termin — das war damals der 16. März — zu geben. Ich kann also nur ein unvollständiges Bild vermitteln und muß mir eine Richtigstellung dieser Ziffern für Mitte April vorbehalten. Das Gesamtbild aber bitte ich als richtig anzunehmen.
Die Rückstände an Soforthilfeabgabe sind danach etwa zu schätzen auf 285 Millionen DM, die Rückstände an Soforthilfesonderabgabe auf etwa 55 Millionen DM. In beiden Fällen gestaltet sich also das Bild so, daß von dem Aufkommen etwa ein Drittel Rückstände vorhanden sind. Dabei dürfen Sie damit rechnen, daß von diesen Rückständen --- das sind zusammen 30 Prozent — etwa 17 Prozent gestundet und die entweder überhaupt nicht gestundeten Beträge oder noch unerledigte Stundungsanträge 13 Prozent ausmachen, die nicht eingerechnet wurden.
Das sind die Ziffern, die ich Ihnen heute geben kann. Dabei sage ich ganz offen: Ich hatte gewisse Bedenken — nachdem aber die Interpellation in-gereicht war, konnte ich nicht anders handeln —, diese Ziffern wegen der psychologischen Rückwirkungen auf die Öffentlichkeit bekanntzugeben. Ich habe mich mit diesem Thema schon seit längerer Zeit beschäftigt und habe deshalb bereits vor einiger Zeit dem Kontrollausschuß im Hauptamt für Soforthilfe, der das erste Interesse an diesen Ziffern hat, ein Bild über die Entwicklung gegeben und ihm nicht nur über das berichtet, was die Herren der Finanzverwaltung mir gegenüber als Schlußfolgerung ausgesprochen haben. Ich habe vielmehr auch über die Stellung berichtet, die ich persönlich zu diesen Vorschlägen einnehme.
Meine Auffassung ist: Trotz der Klagen, die von den Abgabepflichtigen kommen; trotz der Tatsache, daß dieses Gesetz — wie niemand verschweigen kann — als rein vorläufiges Übergangsgesetz gedacht und so aufgebaut ist, daß es Härten enthält; trotzdem es in einer Zeit geboren ist, die anders war als heute, wo wir in bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung im allgemeinen eine Periode sinkender Preise haben und die Zeit der leichten Gewinne und der überhöhten Gewinnspannen — Gott sei Dank — sich ihrem Ende zu nähern scheint und infolgedessen das Geld wieder schwerer erworben, ja sogar in der Wirtschaft allgemein die Klage der Illiquidität erhoben wird; trotzdem man in jener Zeit, als das Gesetz entstand, diese Schwierigkeiten unmöglich hat voraussehen können, trotz alle dem also wird es notwendig sein, daß ich meiner Verwaltung den Hinweis gebe — damit nicht, ich darf das wieder so sagen, der Böswillige den Vorteil hat und der Gutwillige bestraft wird —,
ihre ganze Kraft darauf zu verwenden, daß sie die Rückstände beizutreiben versucht; in erster Linie die nicht gestundeten Rückstände. Die gestundeten Beträge, bei denen die Verhältnisse des Antragstellers überprüft sind, sind ja meistens nur auf kurze Zeit gestundet. Ich hoffe, daß die Kreise, die um Stundung nachgesucht haben, ihre Verhältnisse jederzeit dem Finanzamt klarlegen. Dann kann man von Einzelfall zu Einzelfall eine menschlich tragbare Entscheidung fällen. Aber ich bin gezwungen, meine Verwaltung gerade darauf hinzuweisen, daß die nichtgestundeten Beträge mit größter Energie beizutreiben sind, und daß dieser Aufgabe die Arbeit der Finanzverwaltung in den nächsten Wochen zu widmen ist.
Das kann ich über den Stand der Soforthilfeabgabe heute sagen. Ich darf gleich zu der zweiten Interpellation Stellung nehmen, die mit diesem Thema in engem Zusammenhang steht.
Ich habe es nie vermieden, in der Öffentlichkeit meine Überzeugung dahin auszusprechen, daß die Soforthilfeabgabe in der Form, wie sie heute erhoben wird, auf die Dauer nicht möglich ist, und daß es unsere Aufgabe sein muß, diese Soforthilfeabgabe sobald als menschenmöglich durch ein Gesetz zu ergänzen, das einen Dauerzustand und eine wirkliche Klärung der Verhältnisse in der deutschen Volkswirtschaft und in dem Verhältnis von Abgabepflichtigen zu Empfangsberechtigten schafft, um nicht nur ein gefährliches Auseinandergleiten der Stimmungen im deutschen Volke zu vermeiden, sondern insbesondere auch, um unserer Volkswirtschaft in einer Zeit, da sie mit letzter Kraft gegen Arbeitslosigkeit und derartige Erscheinungen kämpfen muß, die notwendige Klarheit darüber zu
geben: Welches Vermögen ist überhaupt für mich, welches Vermögen ist für den Betrieb, welches Vermögen ist für das Wirtschaften verfügbar? Das muß die deutsche Wirtschaft einmal wissen! Auf der anderen Seite muß der andere, der Empfangsberechtigte, wissen, womit er rechnen kann, in welcher Zeit und in welcher Form er damit rechnen kann. Ich bin überzeugt, wenn diese Klarheit geschaffen ist, wird dem Radikalismus viel Wind aus den Segeln genommen.
Allerdings verlangt die Lösung dieser Aufgabe, wie ich immer betont habe, Menschen, die ohne Leidenschaft, nüchtern und in Erkenntnis der Wirklichkeit an ihre Aufgabe herangehen. Ich habe deshalb seinerzeit auch die Denkschrift des Bundesministeriums der Finanzen vorgelegt, um in erster Linie die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß das Bundesministerium der Finanzen mit der Bundesregierung der Überzeugung ist, daß das Thema Lastenausgleich trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller Gefahren angeschnitten und eine endgültige Lösung dieser Frage noch in diesem Jahr versucht werden muß.
Ich habe kürzlich in einem anderen Kreise — ich glaube, es war der Kontrollausschuß — auch schon
offen erklärt, daß der Entwurf eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich in meinem Hause in Vorbereitung und in seinem Gedankengang bereits fertiggestellt ist. Ich hatte gehofft, daß auf Grund der Denkschrift, die das Bundesfinanzministerium der Öffentlichkeit und auch dem Hohen Hause vorgelegt hatte, zu dieser Zeit, da diese Arbeiten in meinem Hause beginnen, schon eine gewisse Klärung erzielt sei, nach welcher Richtung die öffentliche Meinung sich neige gegenüber den verschiedenen großen Problemen, die in dieser Denkschrift als Fragen angeschnitten waren und auf die man eine Antwort erhoffte.
Nur einige Fragen will ich einmal aufwerfen. Ist die deutsche Öffentlichkeit der Meinung, daß die Lösung des endgültigen Lastenausgleichs rasch erfolgen müsse, und daß deshalb alle Lösungen, die noch einen langen Zeitraum beanspruchen und beide Teile noch lange im ungewissen lassen würden, zurückgestellt werden sollten? Ist sie der Meinung, daß der raschere und klarere Weg bevorzugt werden müsse? Ich gestehe offen, daß ich für meine Person der Überzeugung bin: es ist notwendig, das Thema Lastenausgleich trotz seiner Schwierigkeiten bald
und entschlossen anzugreifen und den Mut zu haben, in der deutschen Öffentlichkeit über dieses Thema zu sprechen. Ich kann auf meine Denkschrift verweisen und auf die Übersicht und Würdigung, die darin gegeben ist. Ich verweise auf den letzten Punkt, in dem Sie auch gewisse Grundsätze angedeutet finden. Ein Lastenausgleich muß stattfinden. Er darf die Produktivkraft der deutschen Volkswirtschaft nicht tödlich treffen.
Der endgültige Lastenausgleich soll in der Form gewählt werden, daß derjenige, der eine Existenzgrundlage, die Erwerbsmöglichkeit und Erwerbsfähigkeit infolge Kriegsschadens verloren hat, doch in Anerkennung der Tatsache, daß dieser Umstand durch den Kriegsschaden eingetreten ist, nicht allein auf die Fürsorgehilfe angewiesen ist, sondern als Kriegsschadenausgleichsberechtigter eine öffentliche Hilfe, die ihm ein lebenswertes Leben erlaubt, erwarten kann. Hauptgewicht aber ist darauf gelegt, daß die erwerbsfähigen und erwerbs-
und arbeitswilligen Kräfte der Kriegsgeschädigten
aller Art die Möglichkeit haben sollen, in der deutschen Volkswirtschaft selbst wieder produktiv mitzuarbeiten, durch ihre Mitarbeit die Produktivkraft der deutschen Volkswirtschaft zu stärken und damit mitzuhelfen, den allgemeinen Wohlstand zu heben, der dem gesamten deutschen Volk — gleichgültig, ob Alt- oder Neubürger — zur Verfügung stehen soll.
Das ist ungefähr die Linie, die in der Denkschrift zum Ausdruck gekommen ist.
Die Arbeit am Lastenausgleich, die in meinem Hause erfolgte, kann ich in den Einzelheiten — das wird das Hohe Haus verstehen — heute noch nicht erläutern. Das würde voraussetzen, daß, da es sich dabei um Steuergesetze handelt, die auch — in ihrer Rückwirkung wenigstens — tief in die Einnahmen und Einkünfte der Länder eingreifen müssen, dies mit den Ländern wegen der Rückwirkung auf das Einkommensteueraufkommen und dergleichen besprochen werden muß. Mit den Ländern muß unter Umständen auch das Thema Fürsorge und Gestaltung der öffentlichen Fürsorge im Zusammenhang mit einem solchen Werk besprochen werden. Diese Besprechungen mit den Ländern und die notwendigen Besprechungen mit den Wirtschaftsverbänden — von den Gewerkschaften über die Landwirtschaft zur Industrie und zum Handel hinüber — haben noch nicht begonnen oder konnten noch nicht abgeschlossen werden. Eine Erörterung in der Öffentlichkeit aber würde diese Arbeiten wahrscheinlich sehr erschweren. Außerdem war ich noch nicht in der Lage, dem Kabinett einen wirklich fertigen Gesetzentwurf vorzulegen. Da es sich also immer nur um den Gedankengang einer künftigen Gesetzgebung handeln kann, kann ich Einzelheiten noch nicht bekanntgeben. Aber ich darf darauf verweisen, daß derjenige, der zu lesen versteht, in der Denkschrift des Bundesministeriums der Finanzen vielleicht schon gewisse Hinweise darauf gefunden hat, was als möglich und was als weniger möglich erachtet wird.
Wenn nun die Frage gestellt wird, wie die dazu erforderlichen Mittel beschafft werden sollen, so muß ich natürlich sagen: diese Mittel können nur dadurch beschafft werden, daß, nachdem es sich um eine Art Vermögensersatz handelt, eine Belastung des Vermögens des deutschen Volkes erfolgt, die an die Stelle der jetzigen Regelung, der Soforthilfeabgabe, treten muß. Wenn ich dem Hohen Hause den Gesetzentwurf der Bundesregierung vorlege — und ich hoffe, daß ich ihn bereits in der zweiten Hälfte des Monats April vorlegen kann —, weiß ich ganz genau, daß dieser Gesetzentwurf eine Frage anschneidet, bei der eine einhellige Zustimmung von vornherein nicht zu erwarten sein wird. Ich fürchte, daß der Gedanke an die Interessen vielfach doch stärker ist als der Gedanke an unsere gemeinsame deutsche Aufgabe. Ich kann Sie aber versichern: der Gesetzentwurf wird so der Not, die im deutschen Volk vorhanden ist, mit all dem abzuhelfen versuchen, was gegeben werden kann, ohne in der deutschen Volkswirtschaft einen neuen schweren Schaden anzurichten. der diejenigen treffen würde, denen geholfen werden soll. Ich glaube, wenn der Gesetzentwurf in dem Geiste, in dem er ausgearbeitet wird, und in diesem Hohen Hause behandelt wird, könnten wir vielleicht alle Gegensätze überwinden und uns zu einer Einheit in der Not zusammenfinden.
Nach der Beantwortung der Interpellationen, Punkt 6 und 7 unserer
heutigen Tagesordnung, treten wir nunmehr in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer an diesen Komplex der Soforthilfe und des Lastenausgleichs herangeht, der muß sich zunächst, wenn er nicht selbst betroffen ist, einmal in die Lage der Personen hineinversetzen, die am Ende des Krieges vor den Trümmern eines Vermögens standen, das sie sich entweder selbst erarbeitet hatten oder das durch Generationen von Fleiß und Sparsamkeit zustande gekommen war; in die Lage der Personen, die ihre Heimat haben verlassen müssen und mit einem Päckchen von Lumpen und zerrissenen Kleidern in einer fremden Landschaft angekommen sind, in der nicht die geringste Vorsorge für sie getroffen war; muß sich in die Lage der Personen hineinversetzen, die alles, auch die persönlichen Andenken verloren hatten, und die nur unter ungeheuren Schwierigkeiten überhaupt wieder Fuß fassen konnten.
Wer an diese Frage herangeht, der muß bereit sein, selber einen Teil dieser Lasten auf sich zu nehmen, die vorläufig — auf Vorschuß — nur einen beschränkten Kreis von Personen getroffen haben. Dieser, wenngleich nur der Zahl nach beschränkte Kreis von Personen ist aber immerhin von einer so großen Zahl, daß, geladen mit der Explosivkraft der Verzweifelten, die Menge der so Getroffenen so groß ist, daß die Gefahr des Extremismus, des Radikalismus so groß ist, die sich aus ihren Reihen ergibt, wie nie zuvor. Nach den Andeutungen, die der Herr Bundesfinanzminister soeben gemacht hat, und namentlich dann, wenn man willens und in der Lage ist, zwischen den Zeilen zu lesen, wozu er aufgefordert hat, dann muß man sagen, daß einen Furcht befällt vor dem, was er uns demnächst hier vortragen wird, und daß uns die Sicherheit, jetzt, heute, erwachsen müßte, daß dieses Ministerium, das Finanzministerium, auf keinen Fall geeignet ist, dieses Ressort weiterhin zu vertreten. Es scheint, daß er nur nach fiskalischen Gesichtspunkten sich die Frage überlegt hat, daß er nur nach fiskalischen Gesichtspunkten sich über die Deckung Gedanken gemacht hat und nicht auf den Gedanken gekommen ist, daß man auch auf einem anderen Wege als über die Steuern dieser Frage nahe kommen könnte.
Es handelt sich hier zunächst einmal um die Frage der Soforthilfe. Aber lassen Sie mich im Anschluß an die Ausführungen, die der Herr Finanzminister soeben gemacht hat, auch einmal am Rande hier das Problem des endgültigen Lastenausgleichs nur streifen, weil der Herr Finanzminister das soeben auch getan hat. Es wäre um den endgültigen Lastenausgleich schlecht bestellt, wenn man ihn nur durch Steuern aufbringen wollte. Es gibt viele andere Möglichkeiten, wobei man von einem Finanzminister in erster Linie auch erwarten sollte, daß er sich über die anderweitige Finanzierung Gedanken gemacht hat. Natürlich wird man nicht umhin können, einen Vermögensvergleich zwischen Anfang 1939 oder der Zeit des Kriegsbeginns und Ende 1939 anzustellen. Als der Herr Bundesfinanzminister von der steuerlichen Deckungsmöglichkeit und der Notwendigkeit für den Lastenausgleich sprach, da habe ich vermißt, daß er von diesem Vermögensvergleich gesprochen hat. Wenn Millionen von Menschen ihr Leben verloren haben und andere Millionen von Menschen bei uns und anderswo ihre Existenz, ihre Heimat,
ja ihr Leben verloren haben, darf sich niemand wundern, daß derjenige, der Überschüsse verdient hat, der Kriegsgewinne gemacht hat, erheblich dazu beitragen muß, die Lasten auszugleichen, die auf anderer Leute Schultern gelegt worden sind.
Herr Bundesfinanzminister, ich erinnere Sie hieran und daran, daß man immer noch nicht auf die Hortungsgewinne zurückgekommen ist. Ich hätte erwartet, daß Sie auch diese Frage am Rande gestreift hätten.
Ich erinnere daran, daß der Bund Reichsvermögen übernommen hat, und daß nach einer überschläglichen Aufstellung — ich glaube, sie stammt aus der Denkschrift des Bundesfinanzministeriums — dieses Reichsvermögen mit einem Betrage von etwa 5 Milliarden DM veranschlagt wird. In ungefähr gleicher Höhe, schätzt man, sind Mobiliarverluste durch Bombenschäden während des Krieges eingetreten. Also weist sich hier schon eine naheliegende Möglichkeit aus, auf die man zurückgreifen könnte.
Weiter sind Tag für Tag Millionenbeträge und insgesamt Milliardenbeträge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wie auch für den Wiederaufbau unserer Heimat erforderlich. Diese Gelder müssen irgendwie aus allgemeinen Steuermitteln aufgebracht werden. Sie fließen zurück und werden verzinst. Es ist absolut nicht erforderlich, daß der Staat sich um diese Beträge bereichert. Sie können sehr wohl in der Form von Wertpapieren den Gläubigern zur Verfügung gestellt werden, die bislang nichts erhalten und nicht einmal den Anspruch auf die Anerkennung dieser ihrer Rechte durchgesetzt haben. Wir müssen uns hei der Frage des Lastenausgleichs doch darüber klar sein, daß es sich nicht um eine Frage der Verteilung, der distributiven Gerechtigkeit, sondern um eine Frage der Anerkennung schon bestehender Rechte handelt, eine Anerkennung von Rechten, die genau so gut bestehen wie beispielsweise die Rechte der Beamten auf ihre Besoldung oder auf ihre Pension, die genau so gut bestehen wie die Ansprüche von Personen, die jetzt ihr heutiges Eigentum geltend machen und in ihrem heutigen Besitz und Eigentum geschützt werden wollen und müssen. Wenn die Regierung oder Mitglieder dieses Hauses in der Zukunft diesen Boden verlassen, handeln sie unrecht und verlassen den Boden des Rechts und der Gerechtigkeit.
Wir dürfen auch nicht vergessen, daß die öffentliche Hand durch die Währungsreform und das, was voraufgegangen ist, in einem Ausmaß bereichert worden ist, wie es nur nach der Inflation Anfang der zwanziger Jahre der Fall war. Sie hat alle Schulden abgestoßen. Nach allen Grundsätzen der Finanzwirtschaft ist für unsere Verhältnisse eine innerdeutsche Verschuldung von etwa 50 Milliarden DM durchaus tragbar. Ich sage: eine innerdeutsche Verschuldung. Denn um die Transferierung, um die Überführung ins Ausland handelt es sich hier nicht. Wenn der daraus resultierende Fluß des Geldes in richtiger Weise gelenkt wird, könnte eine solche Verschuldung sowohl für eine sparsame Finanz- und Ausgabenwirtschaft als auch für die Belebung unserer Wirtschaft überhaupt nur heilsam sein, und zwar infolge der Konsumkraft, die durch eine Ausgabe von Schuldscheinen an Geschädigte und deren Verzinsung gerade den bisher absolut konsumlosen und auf das engste in ihren Bedürfnissen eingeschränkten Kreisen zukommen würde.
Alle diese Möglichkeiten wolle der Herr Bundesfinanzminister mit seinem Apparat in Betracht ziehen, der sich bisher ganz einseitig auf die steuertechnische Seite festgelegt zu haben scheint. Das unterstützt den Gedanken, der in dem Antrag der Bayernpartei zum Ausdruck gekommen ist, daß das Bundesfinanzministerium gar nicht geeignet ist, mit dem Herzen an diese Sache heranzugehen. Es soll - ut aliquid fieri videatur — der Öffentlichkeit etwas vorgezaubert werden, was in Wirklichkeit, wenn nicht alle Anzeichen trügen, ein Gesetz werden wird, das gegen den Lastenausgleich gerichtet ist.
Die beiden wesentlichen Punkte der heutigen Tagesordnung, die Anlaß zu diesen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers gegeben haben, sind Punkt 4 betreffend den Antrag der Zentrumsfraktion und Punkt 5 betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen. Ich darf den Standpunkt der Fraktion des Zentrums im Bundestag hier wie folgt zum Ausdruck bringen.
Wir sind keineswegs damit einverstanden, daß dieser Antrag der Regierung als Material überwiesen wird. Wenn zeitweise — ich sage ausdrücklich: zeitweise - ein Mitglied unserer Fraktion im Ausschuß dieser Ansicht gewesen ist, so hat das Mitglied dabei nicht für die Fraktion gesprochen; und ich darf sagen, daß es auch heute diese Ansicht nicht mehr vertreten würde, nachdem es die soeben von dem Herrn Bundesfinanzminister gemachten Ausführungen gehört hat. Als Material also so il das überwiesen werden. Viel weniger konnte es nicht werden, denn das ist eine Beerdigung dritter Klasse in Papier. Damit ist das Zentrum nicht einverstanden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir bedauern und betrachten es als ein Übel, daß die Soforthilfe, die nötig war, nach diesem Gesetz weder „Sofort" noch „Hilfe" geworden ist, daß sie überhaupt mit einem besonderen Steuergesetz, mit einer besonderen Abgabe gekoppelt wurde. Es war die Verpflichtung der gesamten deutschen Öffentlichkeit, diesen Leuten unter die Arme zu greifen, die als die schwächsten zuerst und auf Vorschuß eine Last auf sich und ihre Schultern genommen hatten, die sie allein unmöglich tragen können. Man darf das ebensowenig mit einer besonderen Abgabe zusammenkoppeln, wie man doch auch bisher nicht auf den Gedanken gekommen ist, etwa die Versorgung von Beamten oder solche Lasten, die durch die Folgen des Krieges verursacht sind, mit einer besonderen Abgabe zu verkoppeln. Es handelt sich um eine Belastung der gesamten Öffentlichkeit, für die wir alle einzustehen und aufzukommen haben.
Nachdem aber einmal dieses Gesetz von dem unserem Parlament voraufgehenden Wirtschaftsrat beschlossen ist, müssen wir bestrebt sein, die ganz zweifellos bestehenden Ungerechtigkeiten und besonderen Härten dieses Gesetzes abzustellen, und nicht etwa die Betroffenen auf den Sankt-Nimmerleinstag zu vertrösten. Vielleicht kann das noch ein Jahr dauern. Es ist uns gesagt worden, noch in diesem Jahr solle der Lastenausgleich kommen. Vielleicht dauert es noch länger. Wir dürfen die Betroffenen auch nicht auf eine Regierung vertrösten, in welcher dieser Herr Finanzminister mit den eben dargelegten und auch von mir charakterisierten Bestrebungen für dieses Thema federführend ist. Wir dürfen uns vor unserem eigenen Gewissen damit -nicht zufrieden geben, daß -die Regierung — so gesonnen, wie sie ist — sich demnächst dieser Frage schon annehmen werde, und noch nicht einmal mit einer ausgesprochenen Empfehlung.
Ich wiederhole: es handelt sich hier nicht um eine Frage der verteilenden Gerechtigkeit, sondern es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn man die, die schon Gläubiger des Staates sind, jetzt auch noch die Lasten tragen lassen will für die, die noch schlimmer als sie selbst betroffen sind. Es ist jetzt so, daß einer, der selber die schwersten Verluste erlitten hat, jetzt noch aus den kleinen bescheidenen Resten, die ihm vielleicht noch geblieben sind, die Soforthilfe mit aufzubringen hat.
Deshalb haben wir vom Zentrum verlangt -
das ist der Kern unseres Antrags, Drucksache Nr. 82 —, daß die Steuerpflichtigen- freigestellt werden sollen, die die Hälfte und mehr von ihrem vor dem Krieg vorhandenen Vermögen durch Krieg und Kriegsereignisse verloren haben. Der Gerechtigkeit dieser Forderung kann sich nach meiner Meinung niemand im Hause widersetzen oder entziehen. Und warum wollen wir denn das nicht zum Ausdruck bringen Warum sollen wir nicht die Regierung auffordern, dem Hause alsbald eine Vorlage zur Änderung des Gesetzes vorzulegen? Ist es so, dann müßten wir jetzt schon in diesem Sinne Stellung nehmen. Ist es falsch, was ich gesagt habe, dann haben Sie als Gegner dieser Anschauung, wenn Sie es sind, den Mut, das hier vor dem Hause, der Öffentlichkeit Westdeutschlands und gerade vor der Öffentlichkeit der Geschädigten zu bekennen.
- Nein, im Wirtschaftsrat haben nur die Abgeordneten des Zentrums dagegen gesprochen, die jetzt bei der CDU sind und heute in diesem Hause in den Reihen der CDU sitzen.
— Ist nicht etwa Herr Spiecker unter schwersten Differenzen aus der Zentrumspartei ausgeschieden, weil er sich der Linie der Zentrumspartei nicht fügen wollte, weil er der Zentrumspolitik seinen Stempel aufprägen wollte?
- Meine Herren, ich habe nicht vor, mich auf eine
Erörterung über Spiecker und andere einzulassen, die die Linie unserer Politik nicht weiter verfolgen wollten. .
Das hat gar nichts mit dieser Frage zu tun. Äußern Sie sich zu dieser Gretchen-Frage: Sind Sie dafür, daß die am meisten Geschädigten die Soforthilfe aufbringen oder sind Sie — —
— Ich hoffe, daß bei Ihnen die entsprechende Vernunft überhaupt kommt!
Ich hoffe, daß bei Ihnen die entsprechende Vernunft überhaupt kommt, meine Herren auf der Rechten! Ich würde damit zufrieden sein.
— Meine Herren, Sie haben ja später Gelegenheit, zu der Frage zu sprechen — —
Ich lasse mich von Ihnen nicht weiter von dem Thema ablenken.
Bei der Abstimmung haben Sie Gelegenheit; da können Sie zeigen, wie Sie zu der Frage stehen.
Ich frage jetzt jeden hier im Hause, ob er es vor seinem eigenen Gewissen verantworten kann, sich der Zentrumsforderung zu widersetzen, die dahin geht, daß nicht diejenigen, die schwere Verluste erlitten haben, jetzt auch selber noch — das ist, als wenn man sie verspotten wollte — wesentlich zu diesem Lastenausgleich mit beitragen, also daß man die trifft, die in der gleichen Zeit nicht nur nichts verloren, sondern noch gewonnen haben. Ihre Stellungnahme dazu werden Sie bei der Abstimmung mit Ihrer Stimme offen zu bekennen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dann weiter: Nachdem die Soforthilfe einmal da war, wurden große Betrage eingespart, da die Hilfe, die diese Soforthilfe einbrachte, eigentlich nur den Gemeinden gewahrt wurde. Die Gemeinden konnten auf diese Weise die Bezieher der früheren Wohlfahrtsunterstützung von ihrem Wohlfahrtsetat absetzen und bekamen das Geld anderswoher. Wo sind die Gelder geblieben? Sie könnten durchaus fur den allgemeinen Lastenausgleich eingesetzt werden.
Wenn also dieses unvollkommene SoforthilfeGesetz schon einmal da ist, sind wir in gewissem Sinne — im Sinne unseres Antrags Nr. 8. — verpflichtet, eine mindestens sofortige, wenn auch nur vorlaufige Milderung dieser Ungerechtigkeiten des Gesetzes herbeizufuhren. Man spreche nicht bloß von Härte, wie es der Herr Finanzminister getan hat. Himmelschreiende Ungerechtigkeit ist das, was hier den Geschädigten widerfahren ist.
Dann hat der Herr Bundesfinanzminister auf seinen Erlaß vom 2. Dezember 1949 hingewiesen. Da sagt er, die Finanzämter sollten diesen Kriegsgeschadigten in etwas mehr entgegenkommender Art und Weise Erleichterungen gewähren. Weiß denn der Herr Bundesfinanzminister nicht, wie das praktisch geschieht? Wenn nicht, dann wird es höchste Zeit, daß er sich um die Ausführung seiner Erlasse kümmert! Die Ausführung geschieht so, daß nur bei denen nicht geradezu vollstreckt wird, bei denen Unpfändbarkeit vorliegt. Solange noch ein Pfennig und eine Mark zu holen sind, wird der Betrag auch von den Kriegsgeschädigten eingezogen. Ich habe es als Anwalt in meinem eigenen Bezirk oft genug erfahren, und die Leute, die darunter zu leiden hatten, haben es mir aus dem ganzen Lande geschrieben. Wenn das so ist und vom Bundesfinanzministerium ernsthaft eine Änderung verlangt wird, dann möge das Finanzministerium einen Erlaß herausbringen, in dem eine vernünftige und weitergehende Regelung befohlen und nicht bloß angeregt wird.
Ihre Redezeit läuft ab.
Zum Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen! Das Zentrum begrüßt mit allem Nachdruck, daß für die Landwirtschaft und die Steigerung und Förderung ihrer Produktion und Produktivkraft staatliche und öffentliche Mittel- eingesetzt werden. Wir wünschen das mit allem Nachdruck, und wir hätten erwartet, daß das Landwirtschafts- und Ernährungsministerium in dieser Hinsicht längst etwas unternommen hätte. Aber ich frage Sie: was hat das mit der Soforthilfe zu tun? Und die Koppelung mit dem Gedanken der Soforthilfe ist es, der sich das Zentrum widersetzt. Es handelt sich hier um die Freistellung besonderer Mittel für diese Ausgaben, deren Notwendigkeit wir nicht bezweifeln. Aber die Koppelung hat zur Folge, daß die Mittel auf die angeregte Art und Weise völlig falsch geleitet werden. Denn sie werden nach der Größe des Besitzes verteilt. Je reicher der Bauer ist, um so mehr wird ihm an Vorteilen gewährt und nicht nach der Größe des Bedarfs. Es wird nach der Vorlage weniger darauf ankommen, ob Bedarf vorhanden ist.
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Herr Abgeordneter Dr. Horlacher hat zuwenig von Kunstdünger und landwirtschaftlichen Maschinen und zuwenig von den Soforthilfebeziehern und zuviel von den Bauern an sich gesprochen. Denn nach dieser Vorlage haben ja — das muß man schließlich erkennen — die größten und reichsten Besitzer die größten Vorteile davon.
— Prüfen Sie die Vorlage durch! Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese die größten Vorteile davon haben. — Wodurch ist man nach dieser Vorlage sicher, daß das Geld, das dann gespart wird, das dem Bauern vergütet wird, das er nicht einzahlen muß, auch wirklich für die Anschaffung bäuerlicher Produktionsmittel Verwendung findet? Das ist in keiner Weise gewährleistet. Und wenn man schon staatliche Gelder zur Verfügung stellt, so muß doch darüber eine Kontrolle ausgeübt werden. Es muß sichergestellt werden, daß nur für die beabsichtigten Zwecke die staatlichen Gelder, die zur Verfügung gestellt werden, auch Verwendung finden.
Aus diesem Grunde wird die Zentrumsfraktion nicht in der Lage sein, dem Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen ihre Zustimmung zu geben. Man muß diese beiden Probleme — Soforthilfe und Hilfe für die Landwirtschaft—trennen und kann nur auf solche Art und Weise der Notwendigkeit Rechnung tragen, daß der Landwirtschaft in ihrer Produktionskraft Unterstützung zuteil wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wartner. — 15 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Horlacher hat den Wunsch ausgesprochen, daß diese so überaus ernste Frage in aller Sachlichkeit behandelt werden möchte und daß keine Demagogie zum Ausdruck kommen solle. Ich werde mich bemühen, wirklich sachlich zu sein und so zu sprechen, wie ich allen gegenüber mich für verpflichtet halte.
Der Herr Kollege Horlacher hat weiter den Wunsch ausgesprochen, man sollte einmal nicht bloß vor Bauern sprechen können, sondern in einer großen Versammlung, wo sie alle beieinander wären, die Gebenden und die Nehmenden, die Bauern, die Städter und auch die Flüchtlinge. Ich hatte am vergangenen Sonntag die Gelegenheit, eine solche Versammlung in einer Stadt abzuhalten, wo tatsächlich alle Kreise vertreten waren, und ich glaube, ich habe bewiesen, daß dort meine Ausführungen nicht demagogisch waren, weil mir nicht ein einziger Zwischenruf entgegengebracht worden ist, und selbst die Diskussionsredner, die sich dann zu Wort gemeldet hatten, mußten meine Sachlichkeit anerkennen.
Ich bin der Meinung, daß auch im Lastenausgleichsausschuß — das darf ich wohl sagen — bis jetzt nur überaus sachlich gearbeitet worden ist. Ich bedauere nur, daß wir immer noch das Soforthilfegesetz haben und daß jeder Abänderungsantrag zu irgendeiner Erleichterung immer damit abgetan werden muß, daß wir das Lastenausgleichsgesetz als solches abwarten müssen und daß wir an dem heute bestehenden Soforthilfegesetz keine Änderungen mehr vornehmen können. Deshalb ist es mein dringlichster Wunsch, daß uns endlich einmal alsbald, um die Unruhe auf beiden Seiten — auf der nehmenden und auf der gebenden — beseitigen zu können, das endgültige Lastenausgleichsgesetz vorgelegt wird. Der Herr Finanzminister hat ja bereits angekündigt, daß er es in absehbarer Zeit vorlegen will, um dann endlich einmal die Dinge zur Ruhe und zur Befriedigung für alle Teile kommen zu lassen.
Ich habe davon gesprochen, daß im Lastenausgleichsausschuß immer größte Sachlichkeit
herrschte, und ich möchte besonders betonen, daß
in der letzten Sitzung es der Vertreter der SPD,
Herr Kriedemann, war, der folgendes sagte:
Es wäre mir ein Leichtes, hier Anträge zu stellen, denen gegenüber ein Nein Ihnen sehr schwer fallen würde, aber ich will es nicht tun. Die Frage des Lastenausgleichs und der Soforthilfe ist mir viel, viel zu ernst, als daß ich sie zum Gegenstand solcher Auseinandersetzungen haben möchte.
Meine Herren, dieses Wort von der Opposition hat mich gefreut. Ich bin dankbar dafür, daß man auf dieser Seite Verständnis für den Ernst der Lage aufbringt und bereit ist, eine Aufgabe lösen zu helfen,
wozu wir alle gemeinsam verpflichtet sind.
—Herr Loritz, das überlasse ich Ihnen, mich zu korrigieren. Ich habe jetzt hier bloß gesagt, daß wir im Ausschuß positive Arbeiten geleistet haben, soweit als es uns möglich ist.
Ich bin Mitglied dieses Ausschusses, und als solches fühle ich mich nicht etwa verpflichtet, bloß nein zu sagen, wo ein Ja notwendig ist,
und ja zu sagen, wo ein Nein notwendig ist, sondern ich fühle mich verpflichtet, die Dinge so zu
sehen und so zu behandeln, wie wir es vor unserem ganzen Volke verantworten können.
Ich habe aber auch — und das möchte ich dem Herrn Loritz sagen — mit Unterstützung meiner Fraktion Anträge positiver Art gestellt,
die bestimmt nicht demagogisch waren, die so gehalten waren, daß jeder erklären muß: es wird nur das verlangt, was im äußersten Falle verlangt werden muß.
Meine Herren, ich will nicht große und lange Ausführungen über die Notlage der Landwirtschaft machen. Ich habe das vor 14 Tagen hier getan, und ich verweise bloß auf die Aussprache, die vor etwa 6 Wochen über die Landwirtschaft und ihre Nöte hier stattgefunden hat und bei der das ganze Haus von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken eine Einmütigkeit gezeigt hat, wie wir sie nur in der Saarfrage und heute wieder in der Wohnungsfrage erlebt haben. Ich glaube, wenn es allen diesen Kreisen mit der Notlage der Landwirtschaft ernst ist, die man zugegeben hat, und wenn man aus dieser Anerkennung die Folgerungen und die Konsequenzen zieht, dann werden Sie einem Lastenausgleichsgesetz beipflichten, das auf die besondere Lage der Landwirtschaft — ich will gar nicht von der besonderen Notlage sprechen — Rücksicht nehmen wird.
—Bestimmt, aber Sie können doch nicht verbieten, daß andere das gleiche wollen. Ich muß aber feststellen, daß ich von keiner Seite eine Unterstützung für meine Anträge gefunden habe, die das wollten, was vorhin auch erwähnt worden ist, nämlich die Berücksichtigung der Altenteile und die Berücksichtigung der mitarbeitenden Kinder vom achtzehnten Lebensjahr an, die ja ohne Lohn arbeiten, sondern deren Lohn in Form einer Aussteuer abgegolten werden soll; diese sollten einen Vermögensanteil an dem Besitz haben. Alle diese Forderungen sind abgelehnt worden bzw. die Anträge sind als Material überwiesen worden. Aber wir haben dafür ja noch Zeit, und ich möchte daher vor allem die Bundesregierung und das Finanzministerium
bitten, daß dieses Material, das so reichlich hinübergegeben worden ist, auch in das neue Gesetz hineingearbeitet wird.
Wir sind auch Ihnen, Herr Loritz, ganz bestimmt
dankbar, wenn Sie mit uns in dasselbe Horn blasen
und wenn auch Sie und Ihre Fraktion uns unterstützen, damit diese berechtigten Forderungen tatsächlich einmal verwirklicht werden.
Ich darf heute auch darauf verweisen, daß unser Antrag sehr bescheiden war, als wir forderten, daß die Freigrenze von 3 000 auf 5 000 DM erhöht werden sollte. Ich habe ja letzthin erklärt und wiederhole es heute: Wer fällt denn auch bei 5 000 DM unter diese Freigrenze? Es sind die kleinen Leute, die kleinen Hausbesitzer, vielleicht eine Witwe, die ein Häuschen mit einem Einheitswert von 7 000 DM
hat. Diese Witwe ist aber vielleicht ohne jedes Einkommen, und trotzdem muß sie Soforthilfe bezahlen, während in ihrem Hause ein Mieter wohnt — nehmen wir irgendein Beispiel —, ein Dentist oder ein Arzt, der eventuell 15- oder 20 000 DM im Jahr verdient. Der braucht keine Soforthilfe zu bezahlen; aber die arme Witwe muß für diese Dinge aufkommen. Wir sind der Meinung, daß diese Last, die aufgebracht werden muß, um den Heimatvertriebenen wenigstens das Allernotwendigste zukommen zu lassen, auf breitere Schultern gelegt werden muß, als dies jetzt im Soforthilfegesetz vorgesehen ist. Ich glaube, wenn man von Vermögen spricht, dann darf man auch darauf verweisen, daß ein Aktienbesitz ebenfalls ein Vermögen darstellt und daß dieses eine viel mühelosere Rente abwirft als etwa ein Bauernhof, wo die Bäuerin von frühmorgens bis spätabends in der schwersten Arbeit steht.
Ich habe vor 14 Tagen in einer Versammlung gesprochen, und da ist nach meinen Ausführungen eine junge Heimatvertriebene gekommen und hat gesagt: Sie haben es so dargestellt, als ob das Soforthilfegesetz nur für die Heimatvertriebenen da sein sollte. Es ist doch auch für die Einheimischen nötig, die der Unterstützung bedürfen. Ich gab ihr recht, und dann sagte sie mir: ich wohne zur Zeit bei einem Bauern mit 80 Tagewerk und sehe, wie die Bäuerin dort von früh bis spätabends in der Arbeit steht. Schließlich fügte sie hinzu: ich sage Ihnen offen und ehrlich: obwohl ich Heimatvertriebene bin und jetzt mit einem ganz kärglichen Einkommen durchkommen muß, möchte ich mit dieser Bäuerin nicht tauschen. Meine Herren, es ist in Wirklichkeit so, daß die Arbeit, die hier geleistet werden muß, viel zuwenig gewürdigt wird.
Ich möchte nochmals auf meinen Antrag wegen der Freigrenze zurückkommen und dazu noch folgendes sagen: es sind kleine Leute, kleine Gewerbetreibende und auch kleine Bauern bis zu 3 oder höchstens 4 Hektar. Wenn einer mehr hat, wird er nicht mehr unter diese Freigrenze fallen. Wenn im Lastenausgleichsausschuß auch das Wort gefallen ist, daß das Arbeitseinkommen zur Soforthilfe nicht herangezogen werden darf, so sage ich demgegenüber: es ist nichts anderes als ein Arbeitseinkommen dieser kleinen Leute, die zwar ihr Leben fristen, die aber — ich wiederhole es — auf all das verzichten müssen, was das Leben lebenswert macht, die jahraus, jahrein kein Kino, kein Theater sehen, sondern nur besorgt sind, wie sie durchkommen, wie sie die paar Mark Steuern aufbringen, wie sie sich das Allernotwendigste, was sie brauchen, wieder anschaffen können. An diese kleinen Leute denkt der Antrag der Bayernpartei. Leider ist auch er den Weg gegangen, den alle anderen Anträge gegangen sind: Überweisung als Material für den kommenden Lastenausgleich.
Meine Redezeit ist zu kurz, um weitere Ausführungen machen zu können. Ich möchte nur noch einmal erklären, daß das Lastenausgleichsgesetz baldmöglichst kommen muß. Wir sagen nicht etwa, daß die Landwirtschaft als solche befreit werden muß. Das kann man nicht verlangen; kein verantwortlicher Mensch wird das verlangen. Wir müssen aber fordern, daß auf die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft Rücksicht genommen wird. Der Landwirt hat bloß einmal im Jahr eine Ernte. Dagegen ein Geschäft setzt seine Ware im Jahre fünf- oder sechs- oder zehnmal um. Bei jedem Umsatz erzielt er einen gewissen Gewinn, der vorher einkalkuliert ist und zweifellos mehr als die 3 oder
4 O/o beträgt, wie die Landwirtschaft rentiert. Für eine gerechte Beurteilung müssen diese Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich sagen, daß wir in der Erkenntnis, daß die Heimatvertriebenen nicht der Verzweiflung überlassen werden dürfen, bereit sind, in gemeinsamer Arbeit an einem Lastenausgleichsgesetz mitzuarbeiten. Dieses Gesetz muß aber so gestaltet sein, daß die eigene Existenz der einheimischen Bauern nicht gefährdet ist. Wenn das erreicht wird — und es kann bei gutem Willen erreicht werden —, dann wird auch, wie ich glaube, innerhalb des gesamten deutschen Volkes wieder eine Befriedung eintreten. Wir brauchen einen wirklich sozialen Ausgleich. Das heißt allerdings nicht, daß alle Härten beseitigt werden können. Aber wenn der gute Wille vorhanden und man wirklich bestrebt ist, einen wahrhaft sozialen Ausgleich zu schaffen, dann wird das Werk auch gelingen und wird zur Befriedung unseres Volkes beitragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Die Erklärungen des Herrn Finanzministers haben eigentlich die Befürchtung bestätigt, die wir bereits bei der Debatte über den Lastenausgleich in den letzten Tagen geäußert haben. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß man diesem kommenden endgültigen Lastenausgleich einigermaßen mit Bedenken entgegensehen muß. Was der Herr Bundesfinanzminister heute vormittag zum besten gab, war darauf abgestellt, keine Hoffnungen zu erwecken; denn dieser endgültige Lastenausgleich wird so aussehen, daß aus diesem Haus starker, entscheidender Widerspruch auftauchen muß. Ich bin nicht w e der Redner des Zentrums der Meinung, daß der Herr Finanzminister Schäffer nicht der geeignete Mann ist, um das Gesetz über den endgültigen Lastenausgleich zu formulieren. Ich bin viel eher der Meinung, daß es im Kabinett wohl kaum einen Minister gibt, der auf Grund seiner politischen Grundeinstellung in der Lage ist, diesem Hohen Haus ein Lastenausgleichsgesetz vorzulegen, das nach der sozialen Seite hin die Bedingungen erfüllt, die daran geknüpft werden müssen.
Man muß im Zusammenhang mit der Rede des Herrn Bundesfinanzministers einmal auf die Regierungserklärung hinweisen. Es dürfte die Verpflichtung dieses Hauses sein, auch die Durchführung und Realisierung dessen zu überwachen, was in der Regierungserklärung als politische Grundlage, als Arbeitsgrundlage für die Regierung niedergelegt ist. Herr Dr. Adenauer hat damals in der Regierungserklärung gesagt:
Wir werden bemüht sein, den endgültigen Lastenausgleich bald zu verabschieden, um die Ungewißheit zu beseitigen, die sofft so langer Zeit sowohl auf den Geschädigten wie auch auf der zu belastenden Wirtschaft liegt. Die gesetzliche Regelung muß sich in die allgemeine Steuer- und Finanzreform sinnvoll einordnen.
Meine Damen und Herren, die „sinnvolle Einordnung", wie sie diese Regierung versteht, haben wir bereits bei der Verabschiedung des Einkommensteuergesetzes erlebt.
Wir werden die andere „sinnvolle Einordnung", wie sie eben die Regierung Adenauer versteht, bei der Debatte um den endgültigen Lastenausgleich erleben.
Es ist nicht von ungefähr, daß sogar der Deutsche Städtetag in einer Eingabe vom 20. März den Bundesfinanzminister und damit die Regierung darauf hinweist, daß die Verhältnisse auf dem Gebiete der Soforthilfe sich in einer einfach untragbaren Weise gestaltet haben, so daß der Deutsche Städtetag eine sofortige Änderung des Soforthilfegesetzes verlangt, um soziale Schäden unter allen Umständen zu verhindern. Er macht dabei eine Reihe von Vorschlägen und sagt u. a. auch, daß der § 37 gestrichen werden muß, weil er in seiner ganzen unsozialen Tendenz einfach nicht mehr tragbar ist.
Ich habe hier einige sehr interessante Statistiken aus der Stadt Essen, die uns einmal deutlich illustrieren, wie die Dinge in Wirklichkeit draußen aussehen. Das Amt der Soforthilfe der Stadt Essen hat in einer schematischen Darstellung das wahre Bild der Auswirkungen des Soforthilfegesetzes aufgezeigt. Das Amt stellt in der Frage des Verhältnisses zwischen Unterhaltsbeihilfe und Unterhalts
zuschuß folgendes fest: Nur 35 % der Unterhaltshilfeempfänger gelangten in den Genuß der vollen Unterhaltsbeihilfe. Bei 65 % aller Unterhaltshilfeempfänger wird durch den Bezug einer Sozial- oder Kriegsrente die Unterhaltsrente gekürzt; davon erhalten 16 % eine Unterhaltshilfe von 30 DM und mehr, und 49 % erhalten trotz ihres höheren Schadens weniger als die Empfänger von Unterhaltszuschüssen. Nach der sozialen Seite hin, glaube ich, ist auch diese Statistik von einigem Interesse.
Sie zeigt auf der anderen Seite diesen sehr engen Rahmen des Gesetzes. Nach der sozialen Seite stellt beispielsweise dieses Amt fest, daß die Voraussetzungen der Unterhaltshilfe in Essen — und ich glaube, die Verhältnisse sind in einer Reihe entscheidender Großstädte ähnlich — zahlenmäßig so sind, daß dort wegen Alters 71,8 % Unterhaltshilfe beziehen, wegen Arbeitsunfähigkeit 25 %, wegen Versorgung von drei und mehr Kindern 0,6 °/o, als Vollwaisen 2,6 °/o, also immer in Prozentzahlen genommen für den davon betroffenen Personenkreis. Das ist außerordentlich interessant.
Es ist auch interessant in einer anderen Frage, der der Hausratshilfe. Die Ziffern des Aufkommens wurden von dem Herrn Bundesfinanzminister in der Beantwortung der Interpellation der Sozialdemokratischen Partei genannt. Aber nur zugespitzt einmal auf die Stadt Essen sehen die Dinge, so aus, daß für die Hausratshilfe ungefähr 40 250 Anträge eingereicht worden sind, während davon nur 14 000 Fälle berücksichtigt werden konnten bei einer Auszahlungsquote von 150 DM.
Ich könnte Ihnen noch einige Beispiele aus der Praxis sagen. Ich möchte es aber in diesem Zusammenhang nicht tun.
Aber ich glaube, allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses ist von seiten des Verbandes der Heimatvertriebenen Südwürttemberg-Hohenzollern „Die Heimat" zugeschickt worden, in der ein offener Brief zum Abdruck kam an den Bundestag und an die Bundesregierung. Wenn ich diesen offenen Brief erwähne, so deshalb, weil auch der Herr Bundesfinanzminister bei seiner Rede in das bekannte Arsenal der sogenannten Radikalisierung recht tief hineingegriffen und versucht hat, nun zu beweisen, daß gerade die Heimatvertriebenen, die
unter den Lastenausgleich oder unter das Soforthilfegesetz fallen, den Gedankengängen der Radikalen rechts und links außerordentlich zugänglich sind. Dort stellt man sehr eindeutig fest — Sie gestatten vielleicht, meine Damen und Herren, daß ich einige Zeilen davon verlese —:
Die Heimatvertriebenen — ihrer Heimat, ihres Besitzes, eines großen Teils auch ihrer Rechte beraubt, arm, zum großen Teil in bitterer Not — sie haben nicht die extremen Parteien gewählt, denn sonst würden z. B. die Kommunisten mit einer stattlichen Anzahl von Abgeordneten in das Parlament eingezogen sein, sondern die Parteien der Mitte, der Mäßigung, der, wie sie hofften, sozialen Gerechtigkeit. An Versprechungen dieser Parteien und der Regierung, das Los der Heimatvertriebenen bessern zu wollen, Verständnis für deren besondere Lage zu haben, hat es nicht gefehlt. Überflüssig zu betonen, daß die Heimatvertriebenen und die unter das Soforthilfegesetz Fallenden bestimmt mit einem besseren Lastenausgleich zu rechnen hätten, wenn die Kommunisten ein entscheidendes Wort zu sagen
hätten.
Aber der Herr Bundesfinanzminister fühlte sich doch veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß einige Pressemeldungen nicht den Tatsachen entsprechen. Es scheint wirklich das Schicksal der Regierung Adenauer zu sein — nicht nur des Herrn Bundeskanzlers selbst, sondern darüber hinaus auch seiner einzelnen Mitglieder —, daß gerade auf diesem Gebiet der Wiedergabe von Interviews oder von Versammlungsberichten eine Panne nach der anderen passiert.
Hier stellen wir doch einwandfrei fest, daß beispielsweise „Die Welt" vom 22. 3. eine Rede des Herrn Staatssekretärs im Finanzministerium Hartmann wiedergibt, der auf einer Tagung des Wirtschaftsbeirats der CDU betonte, daß der allgemeine Abgabensatz des Lastenausgleichs von drei vom Hundert auf die Dauer nicht tragbar sei und indirekt Hunderttausende von Arbeitslosen schaffen werde. Auch das Aufkommen für die Soforthilfeabgaben in Höhe von einer Milliarde DM habe der Wirtschaft erheblich geschadet.
Meine Damen und Herren! Diese Feststellungen des Herrn Staatssekretärs — und er dürfte ja bei dem kommenden Lastenausgleichsgesetz in seiner Formulierung und in seinem materiellen Inhalt nicht unbeteiligt sein — lassen die Befürchtung aufkommen, daß er dem Druck der Wirtschaft, so wenig wie möglich zu zahlen, auch in dieser Frage erlegen ist. Es ist doch wirklich eine lächerliche Behauptung, zu sagen, daß die bisher wirklich bescheidene Belastung der besitzenden Klasse durch das Soforthilfegesetz zu einer Schädigung der Wirtschaft geführt habe. Der Herr Staatssekretär weiß genau so gut wie alle Abgeordneten dieses Hauses und die gesamte Öffentlichkeit, daß immerhin seit der Währungsreform — und die Zeitspanne ist für
die Summe, die dabei genannt werden muß, kurz — über 15 Milliarden DM neu in der westdeutschen Wirtschaft investiert worden sind. Und dann zu jammern, dürfte nach meiner Auffassung schon etwas mehr als abwegig sein.
Aber wir sind der Meinung — und ich sage das mit aller Deutlichkeit —, die Befürchtungen könnten laut werden, wenn ich die Stuttgarter Rede des Herrn Finanzministers betrachte. Man macht ihm
auch indirekt in der Öffentlichkeit den Vorwurf, daß er versucht, den Lastenausgleich in dem Soforthilfegesetz auslaufen zu lassen. Ich glaube, daß es einfach nicht anders geht, wenn wir einen gerechten Lastenausgleich wünschen, einen Lastenausgleich, der nach der sozialen Seite hin die Bedingungen erfüllt, die an ihn gestellt werden müssen, daß nicht aus den laufenden Steuereinnahmen diese materielle Seite gedeckt werden kann, sondern daß zwangsläufig ein Einbruch oder ein Eingriff in die Substanz notwendig sein wird. Wir haben uns erlaubt, dazu in unseren Anträgen und in unserer grundsätzlichen Stellung eine ganze Reihe von Vorschlägen zu machen. Wir haben auch darauf hingewiesen, meine Damen und Herren, daß ohne die Durchführung der Bodenreform der Lastenausgleich kein Lastenausgleich sein wird.
Das Finanzministerium und sein Staatssekretär sind viel großzügiger, wenn es gilt, der sogenannten Wirtschaft in Westdeutschland einiges zu versprechen. Ich möchte auch hier wieder die „Welt" zitieren, die heute vormittag von einer Sitzung der Lübecker Kaufmannschaft spricht, an der Herr Staatssekretär Hartmann teilgenommen hat, der dort erklärte, daß eine zweite, großzügige Steuerreform für Ende 1950 in Aussicht stehe. Vordringlich für die Gesundung der Wirtschaft sei aber die Durchführung des endgültigen Lastenausgleiches, der bis Herbst zu erwarten sei. Ich glaube, daß darin eigentlich das gesagt ist, was wir in unseren Befürchtungen schon wiederholt zum Ausdruck gebracht haben: Man ist bereit, bei einer zweiten großzügigen Steuerreform dem Besitz noch mehr zuzuschieben und die Last des verlorenen Krieges auf die abzuwälzen, die bereits genügend zu zahlen haben. Darüber hinaus möchte auch der Herr Staatssekretär eine gewisse Garantie haben, nämlich zuerst den Lastenausgleich unter Dach und Fach und dann die großzügige Steuerreform.
Ein Wort zu dem Antrag des Herrn Kollegen Horlacher. Ich glaube, daß man dem Antrag in dieser Form einfach aus Gründen der Konsequenz nicht zustimmen kann; aber es wäre überflüssig gewesen, diesen Antrag zu stellen, wenn sich der Herr Kollege Horlacher mit seinen Freunden auf den Standpunkt gestellt hätte, den wir als Kommunisten immer wieder vertreten haben, um soziale Ungerechtigkeiten auszuschalten, nämlich auf den Standpunkt, daß die Belastung durch die Soforthilfeabgabe zuerst einzutreten hat bei einem Grundstückseigenwert von 10 000 DM. Man war der Meinung, daß man 3000 DM zu Grunde legen müsse, und hat nun all die sozialen Ungerechtigkeiten in Kauf zu nehmen. Vielleicht haben Sie nun daraus zu lernen, vielleicht erkennen Sie nun, daß unsere Auffassung richtig ist, daß der Bundestag es nicht verantworten kann, das Soforthilfegesetz noch bis zum Herbst laufen zu lassen, bis der endgültige Lastenausgleich unter Dach und Fach gebracht ist, sondern daß der Bundestag nach den Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers nun erst recht die Verpflichtung hat, so schnell wie möglich den Wünschen Rechnung zu tragen, die auf eine Änderung des Soforthilfegesetzes hinauslaufen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt. Sie haben 15 Minuten Zeit, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegen heute verschiedene Anträge der verschiedenen Parteien über das Soforthilfegesetz. Auch wir haben in der letzten Zeit gleichlautende oder ähnliche Anträge gestellt, die im Lastenausgleichsausschuß behandelt wurden. Aber im Lastenausgleichsausschuß war die Stimmung immer so, daß es so weit kommen solle, daß am Soforthilfegesetz nichts gerüttelt werden solle, weil dadurch die Abgabe oder die Ausbezahlung der Beträge in Gefahr kommen könnten. Der Herr Präsident sitzt eben vor mir und lächelt ein wenig.
— Nein, ich meine den Vorsitzenden des Lastenausgleichsausschusses.
Zu den Anträgen möchte ich sagen: Ich bedaure, daß das Haus heute nachmittag nicht vollzähliger beisammen ist, denn der vorliegende Punkt ist genau so wichtig, wie es heute vormittag der Wohnungsbau war. Es hat mich von Herzen gefreut, daß das Haus sich heute so einstimmig in einer Kundgebung zusammengefunden hat. Vielleicht ist es auch möglich, in diesen Fragen eine einmütige und einstimmige Zusammenhaltung durchzudrükken.
Ich glaube, wenn von allen Seiten das Verständnis entgegengebracht wird, dann wird es auch möglich sein.
Wer in diesen Dingen im Wirtschaftsleben mitten drinsteht, der sieht, wie die Dinge eigentlich sind. Wir wissen, daß auf der einen Seite die Not der Heimatvertriebenen, der Flüchtlinge und Bombengeschädigten sehr, sehr groß ist. Darüber ist gar nicht lange zu reden. Ich sage noch einmal: Wer selber im Wirtschaftsleben drinsteht, der hat alle Tage die Gelegenheit, sich davon zu überzeugen. Wir wissen, wie groß die Not ist, und wir wollten. daß wir jedem von den Armen helfen könnten, wenn die Mittel vorhanden wären. Aber wir müssen auch auf der andern Seite die Dinge etwas betrachten, so wie die Anträge hier vorliegen, und nicht bloß die Landwirtschaft — es hat schon vorhin als Vorvorredner auch ein kleiner Bauer zu ihnen gesprochen; ich bin auch nur ein kleiner Bauer —, nachdem diese Anträge heute so gestaltet sind. Wir wissen, daß nicht allein der Bauer in dieser Not ist, sondern daß das gesamte Handwerk und der Mittelstand und auch das Gewerbe in der gleichen Lage sind.
Darum müssen wir diesen Dingen zu Leibe gehen. Wir müssen die Not hei den Flüchtlingen lindern. Es gibt hier verschiedene Wege, die man gehen kann. Ich habe dem Herrn Bundesfinanzminister vor vierzehn Tagen einen Antrag überreicht, der in einer Massenkundgebung formuliert wurde.
In dem Zusammenhang eine Bemerkung gegenüber dem Herrn Kollegen Horlacher, der heute gemeint hat, man müsse vor Bauern anders sprechen als vor Leuten in der Stadt. Das ist nicht wahr, meine Damen und Herren. Wer ehrlich ist, kann seine Ausführungen vor Stadtleuten und vor Bauern gleichlautend machen;
wer aber unehrlich ist, der kann das nicht.
Aus dieser Massenversammlung heraus wurde der Antrag gestellt, die Soforthilfeabgabe formal und in bezug auf den Zeitablauf anders zu gestalten. Es wurde bewiesen, daß die Landwirtschaft in der letzten Zeit nicht in der Lage war und auch in den kommenden Monaten nicht in der Lage sein wird, diese Abgabe zu leisten. Das soll aber nicht heißen , daß
wir das Soforthilfegesetz ablehnen, wie mir vorgeworfen wurde. Nein, im Gegenteil, wir wollen den Armen und Notleidenden schneller helfen, und das ist möglich, wenn wir diese Umlage anders gestalten. Ich glaube, es sind so viele Herren Doktoren und Studierte im Saal, die mehr Verständnis dafür haben als wir kleine Bauern. Es muß da einen Weg geben, und wir sehen ihn darin: man muß diese Abgaben auf längere Zeit verteilen. Wir leisten dafür die Bürgschaft. Nur so kommt der Staat in die Lage, sich die Mittel schnell zu beschaffen. Das also heißt: „zeitlich anders gestalten".
Nun zu der Ausgestaltung in formaler Hinsicht. Ich glaube, ich brauche darüber nicht viel zu reden. Wir meinen, man sollte nicht nur den Bauern, nicht nur den Mittelstand und auch die Industrie im kommenden Lastenausgleich belasten, sondern sollte auch die Stände mit heranziehen, die man bisher immer verschont hat und weiter verschonen will.
— Jawohl, einen praktischen Vorschlag in der Hinsicht, daß wir bei dem Lastenausgleich auch die Kreise heranziehen, die man verschont hat,
die Währungsgewinnler und die Hortungsgewinnler!
Warum nimmt man die nicht heran, Herr Kollege? Ich glaube doch, das ist ein Vorschlag.
Bei dem Lastenausgleich sollen — auch das ist schon zum Ausdruck gebracht worden — auch diejenigen Kreise herangezogen werden, die ein hohes Einkommen haben, die hohen und höchsten Beamten, nicht nur die, die einen Besitz haben. Diese Leute kann man doch auch zum Lastenausgleich heranziehen.
Also in dieser Hinsicht wird es schon einen Weg geben.
Nun zu den Anträgen von Herrn Dr. Horlacher, die die Stundung für die Landwirtschaft verlangen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, mit Stundung allein ist der Landwirtschaft nicht gedient. Es ist dem Bauern nicht gedient, wenn er jetzt einige Monate Zeit hat; denn er hat nachher doch das Geld nicht, um diese Abgabe zu leisten. In dieser Hinsicht muß die Regierung helfen, und ich wende mich da an den Herrn Finanzminister. Wir sind ja beide Bayern und haben uns, glaube ich, schon manchmal gut verstanden. Wir werden uns auch in dieser Frage weiter verstehen lernen
Das muß doch möglich sein!
Weiter sind Vorschläge unterbreitet worden, die den veränderten Verhältnissen formal Rechnung tragen wollen. Wir werden aber in der Hinsicht nicht um den Kern der Sache herumkommen. Auf der einen Seite wollen wir doch einem bestimmten Kreis von Menschen helfen. Machen wir es doch so, wie ich es in meinen Versammlungen mache. Ich sage denjenigen, die besitzen: Schaut euch die armen Teufel an, die alles verloren haben! Denen wollen wir doch helfen. Ich warne auch diejenigen, die glauben, sich hier immer weigern zu müssen. Denen gegenüber sage ich immer: Wolle unser Herrgott verhüten, daß wir einmal das gleiche
Schicksal tragen müssen. Wir wissen ja gar nicht,
was eines Tages noch über uns alle kommen kann.
Denen auf der anderen Seite aber sage ich: Ja, ihr habt alles verloren; ihr dürft mir aber nicht sagen — und das ist mir in Versammlungen oft vorgekommen —: „Wir haben schon alles verloren, und es ist uns ganz gleich, ob der Russe kommt oder der Kommunist oder wer sonst!" Diese Leute werden sich täuschen, sie werden noch einmal viel, viel mehr zu verlieren haben!
Darum stehen wir von der WAV auf dem Standpunkt: wir wollen alle miteinander helfen, wollen diese Frage zusammen lösen. Wir wollen auf der einen Seite die berechtigten Forderungen befriedigen und auf der anderen Seite bis an das Maß des Erträglichen gehen. Da lassen Sie mich mit dem Wort schließen:
Wir wollen schließen ein Freundschaftsband Um alle, die schaffen in Stadt und in Land!
Ich danke Ihnen!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mensing.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich will mich nicht mit dem Lastenausgleich beschäftigen, sondern mit der Soforthilfe und ihren Auswirkungen. Von einigen Rednern ist schon mit Recht betont worden, daß die
Soforthilfeabgabe in der heutigen Form von den
breiten Massen, die Träger dieser Steuer sind, abgelehnt wird, weil sie ungerecht ist. In einem
Exposé, das auch dem Finanzministerium zugeleitet wurde, habe ich unter anderem gesagt: Die nach dem Soforthilfegesetz vorgesehene unterschiedliche Belastung der Mietwohngrundstücke und der gemischt genutzten Grundstücke entbehrt jeder Berechtigung. Die unterschiedliche Behandlung geht offensichtlich davon aus, daß die gemischt genutzten Grundstücke mit dem gewerblichen Teil eine bessere Rentabilität aufweisen als die reinen Mietgrundstücke. Dies ist jedoch nicht der Fall. Man kann die Rentabilität der Grundstücke nicht nach einem kurzen Zeitabschnitt beurteilen, sondern muß für die Beurteilung einen längeren Zeitraum zugrunde legen, um zu einem gerechten Durchschnitt zu gelangen. Es hat Zeiten gegeben, in denen die Wohnungen unangemessen niedrig vermietet werden, mußten, und es hat Zeiten gegeben, in denen die Läden, Büroräume, Werkstätten usw. nur weit unter Preis vermietbar waren oder leer standen. Das gleiche gilt auch für die Zukunft. Beide Mieten haben dann durch die Stoppmieten eine Stabilisierung erfahren. Aufwendungen, Unkosten, die die gewerblichen sowie Büroräume eines Grundstückes belasten, sind im Durchschnitt höher als die gleichen Belastungen, die auf dem Wohnteil des Grundstücks liegen. Dies trifft nicht nur für die Reparaturen usw. zu, sondern insbesondere auch für die öffentlichen Lasten, wie Steuern, Gebühren usw. Bekanntlich wird der Einheitswert der Grundstücke ermittelt, indem die Rohmiete mit einem Multiplikator vervielfacht wird.
Herr Abgeordneter!
Ich glaube, Ihre Rede würde gewinnen, wenn Sie nicht abläsen!
Ich bringe weiter zum Ausdruck: ich kann frei reden und brauche mich deswegen nicht zur Ordnung rufen zu lassen.
Ich habe Sie nicht zur Ordnung gerufen. Ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht, daß Ihre Rede an Wirkung gewinnen würde, wenn Sie frei vortrügen.
Ich fahre fort: Jeder einzelne weiß, welch himmelschreiendes Unrecht es ist, daß auf der einen Seite ein Arzt, der seine Praxis in einem Einfamilienhaus ausübt, nur 2 % Soforthilfeabgabe zu leisten braucht, während auf der anderen Seite ein Arzt, der ein Wohnhaus mit mehreren Mietern besitzt, 3 % zahlen muß. Das ist nach meiner Auffassung eine große Ungerechtigkeit.
Außerdem ist es Tatsache — und um diese Feststellung kommen wir nicht herum —, daß der Althausbesitz durch die Folgen des Krieges so stark gelitten hat und so unrentabel wurde, daß die größte Zahl der Hausbesitzer durch die Soforthilfeabgabe geschädigt wurden, daß sie ihre Renten verloren und vor einem Nichts stehen.
Sie sind buchstäblich um ihre Rente betrogen worden, und 'unter diesen Menschen, Herr Zwischenrufer, befindet sich ein Großteil der Althausbesitzer, die politisch zu Ihnen neigen und die bestimmt kein Verständnis dafür haben, daß in Ihren Kreisen versucht wird, diese Frage ins Lächerliche zu ziehen.
Ich möchte Sie also herzlich bitten, Ihre Auffassung zu korrigieren.
Wie sich diese Belastung auswirkt, können wir daran erkennen, daß unter dieser Unrentabilität des Hausbesitzes die ganze Wirtschaft leidet. Es dürfte für Sie interessant sein, zu hören, daß vor dem zweiten Weltkrieg der deutsche Haus- und Grundbesitz im Altreich dem deutschen Handwerk Reparaturaufträge in Höhe von annähernd 9 Milliarden Mark erteilte.
So wird jedem einsichtigen Menschen die untragbare und unvernünftige Höhe der öffentlichen Belastung des Haus- und Grundbesitzes bewußt. Heute ist der Althausbesitz nicht mehr in der Lage, Aufträge in größerer Höhe zu vergeben. Die Folge hiervon ist eine Steigerung der Arbeitslosigkeit. Im übrigen möchte ich bemerken, daß diese Zahlen von den handwerklichen Organisationen, den Handwerkskammern, als einwandfrei festgestellt worden sind.
Nun hat der Herr Finanzminister hier erklärt, die Soforthilfeabgabe sei verhältnismäßig glatt hereingekommen. Dies ist nur bedingt richtig, denn jeder, der im öffentlichen Leben steht, weiß, daß die Soforthilfeabgabe beim Handwerk und bei den Gewerbetreibenden zu größten finanziellen Schwierigkeiten geführt hat, daß diese Kreise die Soforthilfeabgabe nur deshalb leisten konnten, weil sie — und dazu waren sie gezwungen —zu ihren Volksbanken gingen, dort Kredite aufnahmen und heute erheblich verschuldet sind. Um die Feststellung dieser Tatsache kommen wir nicht herum.
In diesem Zusammenhang muß noch auf etwas anderes hingewiesen werden. Wenn die Soforthilfeabgabe so glatt hereingeholt wurde, dann nur auf Grund abzulehnender Methoden, mit denen die Finanzämter heute arbeiten, Methoden, die von den breiten Massen der Steuerzahler abgelehnt werden. Deshalb möchte ich den Herrn Finanzminister dringend bitten, dafür zu sorgen, daß eine humanere Form der Eintreibung der Steuern angewandt wird.
— Verehrter Herr Kollege! Ich setze ohne weiteres voraus: jeder Mensch, der heute noch über Besitz verfügt, muß sich der Tatsache bewußt sein, daß die Masse unseres Volkes verarmt ist. Deshalb sollte es für ihn eine Selbstverständlichkeit sein, in Auswirkung der kommenden Finanzgesetzgebung auch dieentsprechenden Opfer zu bringen. Ich bin fest davon überzeugt, daß die kommende Steuergesetzgebung die Hortungs- und Kriegsgewinnler, von denen hier die Rede war, entsprechend erfassen wird.
Am Schluß möchte ich folgendes feststellen: das Soforthilfegesetz in der heutigen Form ist nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für das Handwerk, die Gewerbetreibenden und den Althausbesitz unannehmbar und muß beseitigt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reismann hat recht gehabt: der Lastenausgleich ist keine Ressortfrage. Unsere Interpellation dient dem Zweck, einmal ins Bewußtsein zurückzurufen, daß der Lastenausgleich die Grund- und Lebensfrage der Existenz in der Bundesrepublik ist. Darum wollten wir eine Aussprache über das Problem heute haben. Herr Kollege Reismann hatte auch recht, wenn er von den Rechten der Flüchtlinge, der ins Elend gestürzten und geschädigten Menschen sprach. Aber wenn wir an die große Hypothek denken, die auf allem Besitz und aller Wohlhabenheit zugunsten der Flüchtlinge und Währungsgeschädigten nun einmal lastet, diese Hypothek, mit der uns die verbrecherische Kriegführung des Hitlerregimes belastet hat, dann werden wir uns darüber nicht täuschen und keiner Illusion hingeben dürfen, daß sie im Rechtssinne noch nicht gefestigt ist. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit bestehen diese Ansprüche. Rechte werden die Flüchtlinge und Vertriebenen, die Geschädigten, genau so viel haben, wie ihnen dieser Bundestag und diese Mehrheit zubilligen. Von dieser Verantwortung werden wir nicht ausweichen können.
Diese Hypothek ist moralischer Natur, und deshalb ist es eine Lebensfrage, ob moralische Fragen wieder in ihren richtigen Rang eingesetzt werden sollen. Wirtschaft in allen Ehren, — aber die Moral muß der Wirtschaft und vor allen Dingen der Privatwirtschaft und dem Gewinnstreben die Grenzen setzen. In diesem Lastenausgleich handelt es sich deshalb um die Verwirklichung moralischer Forderungen. Da hier im Hause die größte Partei das Wort „Christlich" in ihrem Namen führt, so wollen wir die Hoff-
nung aussprechen, daß diese Lebensfrage gelöst werden kann; und wir wollen sie trotz der Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers nicht verlieren.
Dieses Problem darf freilich nicht isoliert betrachtet werden. Es muß mit dem ganzen Steueraufkommen und dem ganzen wirtschaftlichen Geschehen im Zusammenhang gesehen werden. Es muß aber seinen Rang bekommen. Eine Hypothek, auch wenn sie verwirklicht ist, ist nicht dazu da, in einer Weise eingetrieben zu werden, daß der Schuldner dadurch dem Ruin zugeführt wird, aber die Rangfrage muß feststehen. Wir können über die Einzelheiten, über das Ausmaß und die Beibringung dieser Hypothek hier verhandeln. Wir können aber nicht mit jemand verhandeln, der das Bestehen dieser Hypothek nicht anerkennt.
Hierüber, glaube ich, werden Sie, wie auch der Herr Bundesfinanzminister vorausahnte, noch einige Auseinandersetzungen in diesem Hause erleben.
Denn die Frage, ob der Lastenausgleich bereits
aufhört, wenn die Kapitalverzinsung gefährdet
ist, wird gestellt werden, und leider muß ich
sagen: auch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers haben Anzeichen dafür gegeben,
daß die Überzeugung vom Range des Lastenausgleichs und seiner Forderungen auch in den
höchsten Stellen noch nicht ins Bewußtsein getreten ist. Denn man spricht davon, daß die
Liquiditätslage dadurch angespannt worden sei.
daß die für ein Jahr berechneten Abgaben erst
in den letzten Monaten dieses Jahres bezahlt
worden wären. Wenn die Liquiditätslage dadurch angespannt wird, daß man Abgaben später bezahlt, als man sie hätte bezahlen müssen, so kann das nur darauf zurückzuführen sein, daß die Leute damit gerechnet haben, diese Abgabe, die seit Dezember des Jahres 1948 feststand, doch umgehen zu können. Die Liquiditätslage wäre nicht angespannt gewesen, wenn man, wie es recht und billig gewesen wäre, diese Abgabe rechtzeitig zurückgelegt hätte. Das sind Rangfragen, und wir verlangen eben, daß Wirtschafts- und Finanzpolitik in allererster Linie von dem Bestehen dieses Problems Kenntnis nehmen und ihre sonstigen Maßnahmen darauf einrichten. Damit ist nicht gesagt, daß dieses Problem nicht zum Schaden der Wirtschaft gelöst werden muß. Die Wirtschaft muß sich aber auch klar werden, was sie hier für Verpflichtungen hat.
Verlieren wir doch auch nicht den Maßstab! Wenn wir von den Dingen, die mein Vorredner, der Herr Schlachtermeister Mensing, behandelt hat, als von einem himmelschreienden Unrecht sprechen, - in welchen Ausdrücken sollen wir dann von den Zuständen in den Flüchtlingslagern und von dem Elend der vertriebenen Jugend sprechen?
Verlieren wir doch nicht den Maßstab!
Der Lastenausgleich hat den ersten Rang vor den Bedürfnissen der Privatwirtschaft. Ich muß anfügen: er hat auch seinen Rang vor den laufenden Steuern. Es geht nicht an — dieses Bestreben war zu bemerken —, daß Finanzämter - der Bundesfinanzminister sagte richtig: es sind
noch Länderfinanzämter — mehr Wert darauf legen, die laufende Steuer zugunsten der Behördenkasse als zugunsten der Vertriebenen die Abgabe für den Lastenausgleich beizutreiben.
Dies vorausgeschickt, darf ich zur Beantwortung der Interpellationen Stellung nehmen. Was unsere erste Interpellation anlangt, so können wir uns mit der Beantwortung im großen und ganzen befriedigt erklären. Wir stellen zunächst mit Befriedigung fest, daß die Bundesregierung von Äußerungen, die einen Zusammenhang zwischen der Bezahlung der Soforthilfeabgabe und dem Ansteigen der Arbeitslosigkeit in diesem Winter herstellen wollten, abgerückt ist und abrückt. Das Memorandum vom 3. März liegt vor. Aus dem Datum unserer Anfrage kann die Bundesregierung feststellen, daß diese gestellt wurde, bevor dieses Memorandum in der endgültigen Fassung überreicht wurde. Pressemeldungen mögen immerhin manchmal insoweit ihr Gutes haben, als sie die Regierung davon abhalten, einen Fehler zu begehen, oder die Regierung darauf aufmerksam machen, daß sie einen Gedanken, den sie im Busen trägt, am besten in demselben Busen verschließt und nicht ausspricht.
Die Zahlen, die uns genannt worden sind, entsprechen im Augenblick den Erwartungen. Es hätte zur sachlichen Aufklärung noch beigetragen, wenn der Herr Finanzminister uns hätte sagen können, wie viele von den gestundeten Rückständen auf Stundungen bis auf weiteres entfallen, d. h. auf Stundungen, die aus sachlichen Gründen auf Grund der allgemeinen Stundungserlasse ausgesprochen worden sind und mit deren Eingang wir praktisch nicht mehr rechnen können. Wir hätten dann ersehen können, was wir aus diesen Rückständen, gestundeten und nichtgestundeten, noch zu erwarten haben. Aber ein Drittel des Aufkommens an Rückständen ist doch immerhin eine recht beunruhigende Ziffer. Wir begrüßen es außerordentlich, daß der Bundesfinanzminister die Absicht ausgesprochen hat, sich diesem Beitreibungsproblem mit allem Nachdruck zu widmen. Die Stundungserlasse haben die Billigung der Ausschüsse und des Kontrollausschusses im allgemeinen gefunden. Ich möchte hier sagen, daß auch die für den Grundbesitz und für die Landwirtschaft ausgearbeiteten Formularanträge uns eine brauchbare Grundlage für die Behandlung des Problems, das in der Tat vorliegen mag, zu geben scheinen, vorausgesetzt daß die Maßnahmen auch wirklich so durchgeführt werden, wie es in den Formularen und den Anweisungen dazu vorgesehen ist.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit einflechten, daß die Verwaltung des Lastenausgleichs, sowohl was das Hauptamt für Soforthilfe wie auch die Soforthilfeämter anbelangt, bisher offenbar kaum zu Klagen Anlaß gegeben hat. Ich glaube, wir haben fast über keine Behördengattung so wenig Klagen aus der Bevölkerung, was das Arbeiten selbst angeht, vorliegen, wie gerade über diese Behörden. Das möchte ich hier anerkennend festgestellt haben.
Was die Verwendung der Gelder betrifft, so bedauern wir natürlich, daß produktive und aufbauende Maßnahmen bisher nur in bescheidenem Maße an dieser Verwendung teilhaben konnten. Wir hoffen, daß dies besser gestaltet werden
kann, glauben aber immerhin, daß die Verwendung bisher nach sachlichen und notwendigen Gesichtspunkten durchgeführt worden ist; vielleicht mit einem Vorbehalt: Die Verwendung der Gelder aus den Umstellungsgrundschulden, die für den Wohnungsbau — aber für den Wohnungsbau der Flüchtlinge, der Vertriebenen — bestimmt sind, scheint sich in den einzelnen Ländern doch sehr unterschiedlich gestaltet zu haben. Die Kontrollaufsicht des Hauptamtes ist auf Widerstände gestoßen. In diesem Punkt sind uns allerdings von verschiedenster Seite Klagen bekannt geworden, daß diese Gelder nicht nach den Gesichtspunkten des Lastenausgleichs, sondern etwa im Sinne allgemeiner Aufbauprogramme verwandt worden seien.
Meine Damen und Herren! Bezüglich des Übergangs vom Soforthilfegesetz zum endgültigen Lastenausgleich werden wir uns darüber klar sein müssen — wir waren uns, glaube ich, in diesem Hause immer darüber klar —, daß in der Tat die Soforthilfe nicht nur eine vorläufige Maßnahme, sondern im Verhältnis zum Gesamtproblem des Lastenausgleichs ein Almosen darstellt.
Wir sind allerdings nicht der Ansicht, daß Abänderungen des Soforthilfegesetzes in irgendeiner Form heute das Heil bringen können. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß das Problem durch eine schnelle und durchgreifende und endgültige Regelung des Lastenausgleichs — und nur so — gelöst werden kann.
Aus diesem Grunde vermögen wir dem Antrag des Zentrums, dessen Überweisung an die Regierung der Ausschuß empfiehlt, nicht zuzustimmen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil diese Aufrechnungsfragen nicht mit dem Soforthilfegesetz vereinbar sind.
Meine Damen und Herren! Die Beschäftigung mit dem Lastenausgleich gehört fast seit zwei Jahren. ich kann wohl sagen, zu meinen täglichen Aufgaben, und es gibt eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses, denen es ebenso geht. Derartige Anträge — man muß es immer wieder sagen — verflüchtigen sich einfach in nichts, wenn man nur einmal den praktischen Versuch macht, sie in die Soforthilfe wirklich einzubauen, und wenn man sich klarmacht, welche Unmasse von Vermögensvergleichsarbeiten, Feststellungsarbeiten usw. mit diesen Dingen verbunden sind, die nun einmal im Rahmen der Soforthilfe nicht möglich sind.
Deswegen können wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Was den Antrag zugunsten der Landwirtschaft anlangt, so richtet sich dieser Antrag vielleicht in der Tat nicht allein an den Herrn Bundesfinanzminister. sondern er richtet sich wohl ebensogut an den Herrn Ernährungsminister und an den Herrn Wirtschaftsminister.
Daß die Tandwirtschaft bei der heutigen Wirtschaftspolitik nicht in dem sachlich notwendigen Ausmaße berücksichtigt worden ist, daß sie in eine schwierige Lage geraten ist, ist wohl auf allen Seiten des Hauses klar. Was die Soforthilfe-Maßnahmen anlangt, so wird es allerdings
außerordentlich schwer sein, zu begründen, daß nach einer Rekordernte, die nur zum Teil unverkäuflich geblieben ist, nun dieser Beitrag zum Lastenausgleich nicht gezahlt werden kann. Es sind ja nicht nur die Soforthilfe-Abgaben, sondern es sind eine Reihe von anderen Abgaben, die die Landwirtschaft belasten. Ich denke nur an die seltsamen Abgaben — ich kann sie gar nicht anders nennen —, die in der Milchwirtschaft erhoben werden. Im ganzen schneidet dieser Antrag letzten Endes immer wieder die Gesamtprobleme der Landwirtschaft an. Wir treten deswegen dafür ein, daß er den zuständigen Ausschüssen zur Prüfung überwiesen wird.
Was nun den endgültigen Lastenausgleich anlangt, so beschäftigt sich unsere zweite Interpellation mit diesem Problem. Hier muß ich sagen, daß uns die Beantwortung durch den Herrn Bundesfinanzminister außerordentlich wenig befriedigt hat. Wir haben angefragt, wann ein Lastenausgleichsgesetz vorgelegt wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns in Aussicht gestellt, ein solches Gesetz noch im April vorzulegen und darauf zu sehen, daß der Lastenausgleich bis Ende dieses Jahres verabschiedet wird. Damit können wir zufrieden sein, wenn es eingehalten wird.
Der Herr Bundesfinanzminister hat aber auf die Frage, nach welchen Grundsätzen dieses Gesetz gestaltet werden soll, uns eigentlich nur die eine Antwort gegeben, er erwarte, daß seine Vorschläge in diesem Hause auf heftigen Widerspruch stoßen würden.
Diese Antwort muß uns mit den erheblichsten Befürchtungen erfüllen. Wir müssen erwarten, daß es nicht möglich sein wird, über die Grundsätze des Lastenausgleichs in diesem Hause einig zu werden. Diese Befürchtungen werden allerdings dadurch verstärkt, daß Äußerungen des Bundesfinanzministers und der Bundesfinanzverwaltung bekanntgeworden sind„ die darauf hinauslaufen: schon das Aufkommen der Soforthilfe sei zu hoch gewesen, mehr könne man nicht zumuten; es könne sich allenfalls um eine Verlängerung der Soforthilfe handeln oder, wie der Herr Bundesfinanzminister heute gesagt hat, er denke allenfalls an eine Ergänzung des Soforthilfegesetzes, wobei man sich noch überlegen wird, ob diese Ergänzung nicht etwa nur so gedacht ist, daß die Abgabepflichtigen weitere Erleichterungen bekommen sollen. Diese Befürchtungen werden erst recht dadurch verstärkt, daß der Herr Bundesfinanzminister zu den entscheidenden Punkten seiner Denkschrift, der Denkschrift des Bundesfinanzministeriums, keine Stellung genommen hat; einmal zu dem Punkt, wo er sagt, es werden die Abgaben nicht über das Ergebnis der Soforthilfe hinausgehen können, und sodann zu dem Punkt, wo er sagt, diese Abgaben müßten aus dem Ertrag des Vermögens bestritten werden können, und zwar aus dem Ertrag, der nach Abzug anderer Steuern und Beträge für andere Notwendigkeiten zurückbleibt. Meine Damen und Herren! Das ist die Grundfrage. Das ist die Frage vom Rang des Lastenausgleichs. Wenn man sich vorstellt, daß der Lastenausgleich aus dem Vermögensertrag nebenbei erledigt werden kann, wenn man glaubt, daß er ohne Eingriffe in die Verteilung der Vermögenssubstanz durchführbar ist, wenn man glaubt. daß auf diese Art und Weise der Abwälzung des Lastenausgleichs auf das Arbeits-
einkommen, der Abwälzung vom Besitz auf die Arbeit Tür und Tor geöffnet werden kann, dann ist das allerdings der Punkt, wo sich die Wege scheiden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat angedeutet, daß er vor Vorlage seiner gesetzgeberischen Arbeiten eine gewisse Klärung der Meinungen im Hause oder in der Öffentlichkeit gern abgewartet hätte. Nun, wir wollen einen kleinen Beitrag zu dieser Klärung geben, und wollen in den Punkten, über die der Herr Bundesfinanzminister geschwiegen hat, wenigstens unsere Meinung über die Grundsätze des Lastenausgleichs bekanntgeben. Der Lastenausgleich ist zu allererst — das habe ich an den Anfang meiner Ausführungen gestellt — eine Maßnahme, die zur moralischen und zur wirtschaftlichen Gesundung des Wirtschaftslebens unserer Bundesrepublik in allem Anfang erforderlich ist. Das ist das Fundament, von dem wir ausgehen müssen. In diesem Zusammenhang darf ich Sie an den Satz erinnern, den die Sozialdemokratische Partei bereits auf dem Düsseldorfer Parteitag 1948 ausgesprochen hat:
Nur aus dem Ertrag seiner Arbeit kann das deutsche Volk leben und eine bessere Zukunft aufbauen. Die erste Voraussetzung dafür, daß die Anstrengungen der Arbeitenden einen Sinn haben, ist die Beseitigung des bitteren Elends der Alten und Arbeitsunfähigen und der menschenunwürdigen Verhältnisse, in die Millionen durch den Krieg und seine Folgen gestoßen worden sind.
Wir wissen, daß zu diesem Zweck der Lastenausgleich nach aller Möglichkeit einen produktiven, einen aufbauenden Charakter haben sollte. Wir wissen, daß, ehe er diesen Charakter haben kann, die pure Not der Alten und Erwerbsunfähigen gelindert werden muß. Wir wissen, wenn wir realistisch und nüchtern an das Problem herangehen, daß wir einstweilen damit rechnen müssen, ungefähr die Hälfte der Mittel des Lastenausgleichs für diesen reinen Versorgungszweck einsetzen zu müssen. Wir hoffen allerdings, daß es gelingen wird, dem endgültigen Lastenausgleich einen zunehmend mehr aufbauenden, zunehmend mehr produktiven Charakter zu geben als den, den die Soforthilfe gehabt hat.
Wir halten es zu diesem Zweck für notwendig, daß der Lastenausgleich sich auf der Basis des individuellen Rechtsanspruchs des Geschädigten aufbaut, aber nicht in dem Sinne, daß ein quotaler Lastenausgleich mit einer reinen Wiederherstellung früherer Vermögensverhältnisse ins Auge gefaßt wird. Der Geschädigte soll seine Ansprüche, so wie sie ihm zugesprochen werden, verwenden können, um sich wieder eingliedern und seine eigene Initiative entfalten zu können. Er soll zu diesem Zweck individuelle und rechtlich gesicherte Ansprüche in der Hand haben. Die Verwendung dieser Ansprüche wird allerdings den planmäßig aufbauenden Maßnahmen, die innerhalb des Lastenausgleichs durchzuführen sein werden, auch in der Rangordnung ihrer Tilgung, Rechnung tragen müssen Diese Ansprüche sollen sich nicht quotai und rein auf früheren Vermögensverhältnissen aufbauen, sondern sie sollen die wirkliche, die heutige Lage, die verlorene Existenz sowie die Notwendigkeit und die Möglichkeit, wieder zu einer Existenz
zu kommen, berücksichtigen. Sie sollen deswegen nach sozialen Gesichtspunkten in dem Rahmen gewährt werden, in dem wir überhaupt Entschädigungen gewähren können.
Diese Ansprüche müssen — das muß man immer wieder betonen — zu dem in Verhältnis stehen, was an Kriegsschäden von denjenigen geltend gemacht wird, die heute noch Vermögen besitzen. Wenn man manchmal gewisse Leute hört, meint man, sie gingen davon aus, daß es notwendiger wäre, jeden kleinen Schaden gerade von demjenigen durchsetzen zu lassen, der noch etwas hat, und daß es eine schreiende Ungerechtigkeit wäre, von dem, der Schaden gehabt hat, aber auch noch Besitz hat, eine Zahlung zu verlangen. Unserer Auffassung nach ist es unmöglich, daß derjenige, der noch etwas hat, mehr für seinen Schaden erhält als derjenige, der nichts mehr hat. Die Grenze der Höchstentschädigungen muß hier für beide Teile gelten, den abgebenden Teil und den nehmenden Teil. Wenn die Mittel für den Lastenausgleich knapp sind — und wenn wir das Gesamtproblem und die Gesamtforderung, die hier auf uns lastet, ansehen, werden sie immer knapp sein — , so darf hieraus nicht die Folgerung gezogen werden, diese Mittel durch das Bemühen zu verzetteln, jeden kleinsten Schaden möglichst gerecht auszugleichen. Die Entschädigungen müssen vielmehr auf die wirkliche Heilung der wirklich schwer geschädigten Fälle konzentriert werden.
Das Prinzip der Wiederherstellung früherer Vermögen lehnen wir auch deswegen ab, weil eine Gruppe, in der uns das Problem des Lastenausgleichs am schmerzlichsten konzentriert erscheint, dabei zu kurz kommen würde. Das ist die Jugend der Vertriebenen, die Jugend, die sich heute elternlos oder vom Elternhaus getrennt zu Zehntausenden noch in den Lagern befindet, ohne geregelte Zukunftsmöglichkeit und ohne geregelte Unterkunft. Diese Jugend hat an Vermögen nichts verloren; sie ist daran, ihre Lebensmöglichkeit zu verlieren. Deswegen sehen wir nicht in der Vermögenswiederherstellung, nicht in der Bemessung des Lastenausgleichs nach dem früheren Vermögen, sondern in der Bemessung des Lastenausgleichs nach dem aufbauenden Charakter des Anspruchs und der Leistungen die richtige Lösung.
Wir wissen, daß es äußerst erwünscht wäre, den Vermögenszuwachs, der während der Kriegsund Rüstungszeit erworben worden ist und heute noch übriggeblieben ist, die Währungsgewinne, die Hortungsgewinne besonders scharf,
womöglich über 100 % zu erfassen. Wir werden nicht aufhören, hierfür nach Wegen zu suchen. Wir sind uns aber selbstverständlich über die technischen Schwierigkeiten klar und werden nicht dulden, daß durch Komplikationen in dieser Hinsicht eine schnelle und wirksame Durchführung des Lastenausgleichs gefährdet wird. Wir werden uns darüber klar werden müssen — und der Bericht der Gutachterkommission, der ja wohl dem Herrn Bundesfinanzminister inzwischen auch bekannt ist und der Öffentlichkeit, wenn ich nicht irre, in diesen Tagen übergeben werden wird, ist zu diesem Ergebnis gekommen —, daß die Durchführung des Lastenausgleichs die Ausstellung von Zertifikaten verlangt. Diese Zertifikate werden mit allen not-
wendigen Mitteln davor geschützt werden müssen, Geldcharakter zu bekommen, um unsere Währung nicht zu zerstören und um eine Entwertung der Ansprüche durch Entwertung der Zertifikate selbst zu Lasten der Anspruchsberechtigten hintanzuhalten. Auf der anderen Seite müssen diese Zertifikate echte Rechtsansprüche in ihrer Deckung und ihrer Verzinsung, die absolut erstrangig sind, darstellen. In erster Linie müssen sie zur Bewerkstelligung der Aufbaumaßnahmen verwandt werden, zu denen wir die Flüchtlinge und Vertriebenen auffordern wollen, zu denen wir ihnen die Hand reichen wollen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat nicht nur von diesen Dingen nichts gesagt, er hat auch kein Wort von den Plänen gesagt, die bereits in der Regierungserklärung angesprochen worden sind und die doch ohne Zusammenhang mit dem Lastenausgleich gar nicht gedacht werden können. Es sollen Pläne für eine besondere Aufwertung der Altsparguthaben schweben, und es laufen Pläne zur Regelung der Pensionen der Ostvertriebenen um. Ich brauche nicht zu sagen, wie erwünscht es uns von unserer Seite aus erscheinen würde, diese Probleme einer wirklich gerechten Lösung zuzuführen. Aber ich kann nicht versäumen, an dieser Stelle auf den Zusammenhang solcher Probleme mit dem Gesamtlastenausgleich und auch auf die Gefahren, die eine Aufsplitterung des Lastenausgleichs in Gruppenlastenausgleiche mit sich bringen würde, hinzuweisen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auch nichts darüber gesagt, ob die Regierung an dem Prinzip festhält, daß der Lastenausgleich sich nach dem am Stichtag des am 21. Juni 1948 vorhandenen Vermögens und nicht nach neuerworbenem Vermögen richtet. Er hat nichts darüber gesagt, ob die Bundesregierung gewillt ist, an diesem Prinzip festzuhalten. Wir erinnern uns daran, daß sich die Fraktionen des Wirtschaftsrates in Frankfurt anläßlich der Verabschiedung des Soforthilfegesetzes noch einmal ausdrücklich zu diesem Prinzip bekannt haben. Für uns ist besonders maßgebend, daß jede Abweichung von diesem Prinzip die Gefahr mit sich bringt, daß der Lastenausgleich auf neues Arbeitseinkommen, durch neue Preisforderungen oder auf irgendeine Art und Weise wieder auf diejenigen Schultern abgewälzt wird, die ihn eben nicht tragen sollen. Wir hätten auch hier eine klare und deutliche Äußerung der Regierung sehr gern gehabt.
Meine Damen und Herren! Die Antwort der Regierung auf unsere zweite Interpellation war — ich muß es bedauern - so inhaltlos, daß wir mit unserer Stellungnahme nichts anderes tun konnten, als gewisse Grundsätze, die wir uns erarbeitet haben und über deren Bedeutung man sich vielleicht in der Regierung noch gar nicht klar geworden ist, Ihnen hier darzulegen. Das Bild, das wir aus dieser Antwort erhalten haben, kann nur dazu führen, daß wir unsere Forderungen auf den schnellen, ganz schnellen Lastenausgleich immer erneut und mit allem Nachdruck erheben. Dann wollen wir einmal sehen, ob es wirklich in diesem Hause keine Mehrheit für den Lastenausgleich geben kann.
Ich habe auf die Bitte des Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität bekanntzugeben, daß dieser Ausschuß sich um 16 Uhr im Zimmer 02 des Südflügels versammelt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wackerzapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen in aller Kürze das Problem des Lastenausgleichs schildern, wie es sich vom Standpunkt der Heimatvertriebenen aus darstellt. Für die Heimatvertriebenen ist der Lastenausgleich vielfach die letzte Hoffnung und der letzte Halt. Weite Kreise der Heimatvertriebenen stehen vor der unmittelbaren Gefahr, in ein trostloses Proletariat zu versinken; das böse Wort: die Heimatvertriebenen werden den fünften Stand in unserer sozialen Stufenleiter bilden, droht zur Wahrheit zu werden. Die Masse der Heimatvertriebenen hat, anders als der normale Arbeiter, weder eine eigene Wohnung noch eigenes Mobiliar noch Einrichtungsgegenstände, und sie sind auch nicht in der Lage, sich solche Dinge zu beschaffen. Sie sind in der Mehrzahl erwerbslos oder verdienen wenig oder sind berufsfremd untergebracht. Sie können keine Rücklagen machen. Die Hausratshilfe war wirklich nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.
So sehen die Heimatvertriebenen, wie ihre soziale Stellung immer mehr heruntersinkt. Aber der Heimatvertriebene aus dem Osten will nicht auf die Dauer den polnischen Landarbeiter hier im Westen ersetzen; und der ehemals selbständige Handwerker, Kaufmann und Industrielle aus dem Osten will sich auch nicht ständig mit der Stellung eines kleinen, kümmerlichen Angestellten begnügen oder gar der Erwerbslosigkeit anheimfallen. Und was das Bedenklichste und Bedrückendste ist: man sieht vor allem in der Zukunft keinen Ausweg. Man beobachtet mit Schrecken, wie der Nachwuchs allmählich weiter deklassiert wird, wie hier wertvolles Kulturgut vergeudet wird, weil es nicht mehr möglich ist, der Jugend eine angemessene Ausbildung zu geben, so daß sie auch hierdurch den Einheimischen gegenüber immer mehr ins Hintertreffen gerät. Es handelt sich hier im wesentlichen um die Kreise des Mittelstandes, diejenige Schicht, die immer in der Geschichte als ein unentbehrliches Glied und ein unentbehrlicher Bevölkerungsteil eines jeden gesunden Staatswesens angesehen worden ist. Es sind die Schichten, die früher immer bestrebt gewesen sind, aus eigener Kraft und aus eigener Verantwortung heraus ihr Leben zu formen, die es abgelehnt haben, sich an die öffentliche Fürsorge zu wenden, weil sie ihren- Ehrgeiz darin setzten, durch fleißige Arbeit und Sparsamkeit sich die Mittel zu schaffen, die sie brauchen, um ihren Lebensabend selbständig gestalten zu können.
Das ist nun alles vorüber. Diese Kreise erwarten vom Lastenausgleich nicht, daß er ihnen die frühere Lage auch nur entfernt wiederbringt, aber sie wünschen, daß ihnen der Lastenausgleich so viel gibt, daß sie die Grundlinien ihrer ehemaligen sozialen Existenz wieder aufbauen können, daß der vertriebene Bauer sich hier wieder als Landwirt betätigen kann, der Handwerker und Industrielle sich hier wieder seinem gelern-
ten Können entsprechend zu entwickeln vermag. Wir wollen nicht die unmögliche Wiederherstellung der Verhältnisse, wie sie früher waren, aber wir wünschen, daß die frühere soziale Geltung in ihren wesentlichen Merkmalen erhalten bleibt. Deswegen sind weite Kreise der Vertriebenen der Ansicht, daß das Problem des Lastenausgleichs nur auf dem Wege der individuellen Feststellung der erlittenen Verluste gelöst werden kann und daß darauf der Entschädigungsanspruch als ein rechtlich verfolgbarer Anspruch gegründet wird. Wir sind durchaus der Meinung, daß das Problem der Quotalentschädigung nicht überspannt werden darf, daß hier eine gewisse Elastizität obwalten muß. Aber wir sind anderseits der Ansicht, daß der Boden des Rechts nicht verlassen werden darf, daß man nur auf der Grundlage festgestellter Ansprüche wirklich den Betroffenen zu ihrem Recht verhelfen kann.
Wir sehen eine große Gefahr in dem sogenannten elastischen oder sozialen Ausgleich darin, daß damit ein unbestimmtes Moment eingeschaltet wird. daß wiederum die Verwaltungswillkür eine große Rolle spielen wird und daß man sich in die Entscheidungsgewalt von Behörden geben muß, die für die Bewältigung dieser schwerwiegenden Probleme nicht immer das nötige Verständnis aufbringen. Deshalb halten wir daran fest, daß der Lastenausgleich nicht nur ein moralisches Problem ist, sondern auch auf einer juristischen Grundlage beruht und nach rechtlichen Gesichtspunkten weiter behandelt werden muß.
Wir sind weiter der Meinung, daß die Heimatvertriebenen durch ihre Entwurzelung aus der Heimat Schäden erlitten haben, die ihnen überhaupt niemand ersetzen kann, daß ihnen aber auch das Herausreißen aus den nachbarlichen Beziehungen hier unmittelbaren wirtschaftlichen Schaden zufügt. Ein Heimatvertriebener ist ja kaum in der Lage, sich zum Beispiel auf normalem Bankwege einen Kredit zu verschaffen, weil ihm die Möglichkeit fehlt, die bankmäßigen Sicherheiten zu geben, und weil er als Persönlichkeit nicht genug bekannt ist. Das sind alles schwerwiegende Hinderungen und Hemmungen, diese unsere Leute aus dem Osten zusätzlich noch belasten.
Nun meinen wir, daß das Problem des Lastenausgleichs — und darauf ist ja vorhin schon mit Recht hingewiesen worden — bisher, insbesondere auch von der Regierung, viel zu einseitig als ein reines Finanzproblem betrachtet worden ist. Nach unserer Auffassung liegt der Lastenausgleich wie eine schwere Wolke über unserem ganzen Wirtschaftsleben. Der Lastenausgleich greift in alle unsere wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen tief einschneidend hinein. Er erschöpft sich nicht nur auf dem steuerlichen Gebiet, sondern er wird auch auf dem Gebiet der Siedlung, auf dem des Wohnungsbaus eine erhebliche Rolle spielen. Noch ganz ungeklärt und nicht durchdacht sind die Auswirkungen, die der Lastenausgleich in den Beziehungen zur öffentlichen Fürsorge und Wohlfahrt hervorrufen wird. Wir vermissen also, daß bisher das Problem des Lastenausgleichs noch nicht von einer Gesamtschau aus gesehen worden ist, und in dieser Hinsicht müßte zunächst einmal eine grundlegende Wandlung stattfinden. Es wird
sich dann bald herausstellen, daß mit den Mitteln der gewohnten Steuertechnik und überhaupt mit finanzwirtschaftlichem Denken allein dieses Riesenproblem gar nicht zu lösen ist.
Wir müssen uns darüber klar sein, daß es sich ja letzten Endes darum handelt, eine Vermögensumschichtung allergrößten Ausmaßes, vielleicht in Höhe von 40 bis 50 Milliarden DM vorzunehmen, eine Aufgabe, die einem Wirtschafts- und Staatswesen bisher noch niemals in der Welt gestellt worden ist. Die totalitären Staaten mit kommunistischer Einstellung haben es leicht. Aber wir, insbesondere auch wir Heimatvertriebenen, legen Wert darauf, daß sich der Lastenausgleich in den Formen und unter Respekt vor all den Einrichtungen vollzieht, die im Sinne unserer westlichen Entwicklung für uns ein wertvolles Kulturgut darstellen. Insbesondere legen wir entscheidenden Wert darauf, daß bei der Regelung des Lastenausgleichs die Achtung vor dem Eigentum erhalten bleibt. Aber wenn wir das den Einheimischen zubilligen, müssen wir auf der anderen Seite verlangen, daß man auch unseren Bestrebungen und unseren Wünschen mit demselben Verständnis entgegenkommt.
Ich darf weiter darauf hinweisen, daß bisher die Staatsverwaltung in Sachen des Lastenausgleichs nur Stückwerk geleistet hat. Die Unvollkommenheiten des Soforthilfegesetzes sind ja ausreichend beleuchtet und auch von der Regierung zugegeben worden. Weil es aber ein Notbehelf ist und weil es die vielen Härten und Unvollkommenheiten enthält, die vorhin aufgezeigt worden sind, ist es ungemein notwendig. daß es recht bald durch ein organisch aufgebautes Lastenausgleichsgesetz abgelöst wird. Das i aber setzt voraus, daß sich nunmehr die Kraft der Regierung diesen Problemen zuwendet. Wir sind der Meinung und wir haben den Eindruck, als ob bisher die Regierung ihre Kenntnisse und Erfahrungen, ihre Mühe und Arbeit weniger darauf verwendet hat, dem Lastenausgleich zu einem positiven Erfolg zu verhelfen, als die unbestreitbaren Schwierigkeiten, Hemmungen und Unzulänglichkeiten aufzuzeigen, die diesem gewaltigen Problem der Natur der Dinge nach nun einmal innewchnen. Wir haben den dringenden Wunsch, daß die Regierung hier eine Änderung ihrer Haltung vornimmt, daß sie sich positiv zu dem Problem des Lastenausgleichs einstellt und sich von dem festen Willen beseelen läßt, eine Lösung zu bringen, die wirklich den Verhältnissen gerecht wird. Die besitzenden Kreise werden im Zuge des Lastenausgleichs schwere Opfer bringen müssen, und wir haben volles Verständnis dafür, daß das niemandem leicht fallen kann. Wir wissen selber, daß wir vielfach ein Leben lang gearbeitet haben, um uns Besitz zu schaffen, den wir mit einem Schlage verloren haben; wir wissen, wie schmerzlich es ist, sich von den irdischen Gütern trennen zu müssen. Wir haben bei unserem leidvollen Schicksalsgang die eine Wahrnehmung gemacht, daß von all den Gütern, auf die der Mensch stolz zu sein pflegt, nur das wertbeständig geblieben ist, was man sich durch eigene Arbeit und Bildung an Fähigkeiten und Fertigkeiten angeeignet hat.
Wenn man nun von den Besitzenden Opfer verlangt, so werden sie diese nicht ohne Gegenleistung zu erbringen brauchen. Diese Gegenleistung besteht darin, daß die Besitzenden nun
Klarheit über das erhalten, was ihnen endgültig bleiben wird. Nach vollzogenem Lastenausgleich werden auch sie wieder eine feste Grundlage für ihre Dispositionen erhalten. Die Unsicherheit, die jetzt so lähmend über allen Entschließungen liegt und die zu so vielfachen Fehldispositionen geführt hat, wird schwinden, und gleichzeitig werden die besitzenden Kreise die beruhigende Gewißheit haben können, daß sich bei einer gerechten Regelung des Lastenausgleichs auch der Respekt vor dem Eigentum wieder festigen wird und daß das, was ihnen verblieben ist, ihnen nunmehr auch auf die Dauer erhalten bleiben wird, weil die großen sozialen Spannungen, die sich aus der jetzigen unterschiedlichen Verteilung des Besitzes ergeben haben, dann weitgehend behoben sein werden.
So glauben wir, daß der Lastenausgleich nicht einseitig gesehen werden darf, etwa in dem Sinne, daß die Heimatvertriebenen und die Bombengeschädigten eine Bereicherung von den Besitzenden verlangen, die ihnen nicht zukommt, sondern wir meinen, daß es letzten Endes darum geht, in unserem zerklüfteten Lande einen Ausgleich zu finden, der die Abgründe wiederauffüllt und den Boden für einen neuen Aufbau wieder bereitet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Soforthilfegesetz kann in seiner gegenwärtigen Form nicht mehr lange beibehalten werden. Je länger es in Kraft bleibt, um so größer wird die Gefahr, daß die Wirtschaft darunter zusammenbricht und daß auf der anderen Seite die Erträgnisse daraus so gering werden, daß dem Vertriebenen, dem hier geholfen werden soll, nicht mehr geholfen werden kann. Vielleicht wird eine Gefahr dadurch heraufbeschwosen, daß auch bei einer anderen Regelung nachher wenig übrigbleibt, und zwar so wenig, daß praktisch überhaupt nichts mehr getan werden kann. Meine Freunde im Wirtschaftsrat haben schon auf diese Entwicklung hingewiesen und hinsichtlich der Landwirtschaft erklärt, daß ein Erhebungssatz von 3 % auf die Dauer unmöglich ist; denn er bedeutet, daß die gesamte Rendite weggenommen wird. Wir stehen heute vor der Tatsache, daß nach dem ersten Jahre die Rendite praktisch genommen ist. Es zeigt sich das beim Kauf des Handelsdüngers. In Norddeutschland sind in diesem Jahre nur 23 % des Handelsdüngers abgerufen. In der gesamten Bundesrepublik ist bis jetzt für 480 Millionen DM weniger Handelsdünger gekauft als im letzten Jahre.
Diese 480 Millionen DM stellen genau die Summe dar, die die Landwirtschaft für die Soforthilfe zu bezahlen hat. Ich glaube, das gibt zu denken. Wenn nur 23 % des Handelsdüngers in Norddeutschland abgerufen worden sind,
dann besteht die Gefahr, daß die Produktion nachläßt, und daraus resultiert dann die weitere Gefahr, daß die Abgabemöglichkeit im nächsten Jahre noch geringer wird.
Es ist also notwendig, daß dieses Soforthilfegesetz so schnell wie möglich abgelöst wird, und zwar — das ist ja von allen Seiten des Hauses zum Ausdruck gekommen — durch den Lastenausgleich. Das Soforthilfegesetz war ja überhaupt nur als Übergang für ein Jahr gedacht; denn man war sich von vornherein darüber klar, daß es in seiner rigorosen Erhebungsform niemals etwas Endgültiges bedeuten oder für lange Zeit bestehen dürfe. Die Praxis hat das erwiesen.
Der Lastenausgleich wird von uns gefordert. Wir sind dem Finanzminister dankbar, daß er angekündigt hat, Mitte April eine Vorlage einzubringen. Wir werden uns dann im einzelnen damit beschäftigen und uns darüber unterhalten müssen, wie weit wir mit unseren Forderungen, wie weit wir mit der Belastung im Interesse der Millionen Menschen, die alles verloren haben, gehen können.
Aber es gibt, glaube ich, einen Grundsatz, den wir beherzigen müssen: ein Unrecht, das geschehen ist, kann nicht durch ein anderes Unrecht beseitigt werden. Wenn wir nach diesem Grundsatz handeln, werden wir eine Form finden, die unter dem Zeichen der Gerechtigkeit und unter dem Zeichen der Möglichkeit steht. Der Vertriebene muß sich sagen, daß nicht alle seine Wünsche, die er berechtigterweise hat, erfüllt werden könnnen; und der Besitzende muß sich sagen, daß er weitgehend ein Opfer zu bringen, eine, wie es von Herrn Kollegen Seuffert gesagt wurde, Hypothek zu übernehmen hat, deren Zinsenlast für ihn schwer sein wird, die aber doch so gestaltet werden muß, daß sie zu tragen ist und daß der, der sie tragen muß, nicht selber darunter zerbricht.
Ich glaube, wir werden auch diese Aufgabe lösen. Wir werden sie lösen müssen und uns vielleicht auch über die Form weitgehend verständigen können, da wir gemeinsam in einem Boot sitzen
und gemeinsam die Fahrt in ein neues Leben riskieren wollen, das uns als Deutsche zusammenführen soll, um diese Zeit zu überstehen und einer besseren entgegenzusehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß die Ausführungen, die von dem Kollegen Schmidt von der WAV vorhin gemacht worden sind, in einem Punkt richtigstellen. Herr Kollege Schmidt hat es so dargestellt, als ob Herr Kollege Horlacher gesagt habe, man müsse die Frage der Soforthilfe und des Lastenausgleichs, je nachdem, ob man vor Bauern oder vor Flüchtlingen oder vor Städtern spricht, verschieden behandeln.
Er hat erklärt, daß nur ein Unehrlicher in dieser Weise diese Frage behandele.
- Lesen Sie Ihr Stenogramm durch! Der Herr Kollege Schmidt hat die Äußerungen des Kollegen Horlacher hier falsch verstanden. Um den Eindruck, den die Äußerungen des Kollegen Schmidt hervorrufen mußten, zu beseitigen und die Sache richtigzustellen, wiederhole ich einige wesentliche Sätze aus den Ausführungen des Kollegen Horlacher.
Er sagte nach dem stenographischen Protokoll wortwörtlich:
Ich möchte mich von denen weit entfernen, die solche Angelegenheiten unseres Volkes zu demagogischen Zwecken benutzen. Je nachdem es gerade paßt, wird es gemacht. Beispielsweise spricht man in einer Bauernversammlung radikal: Lastenausgleich heißt: „Laß den Ausgleich", und in einer Flüchtlingsversammlung sagt man das Gegenteil davon und stellt seine Forderungen im Interesse der Flüchtlinge auf das Höchstmaß. Dieses Vorgehen heiße ich Demagogie . . .
Das sind Dinge. die wir gewissermaßen als gegebene Tatsachen hinnehmen müssen. Deswegen wende ich mich gegen den Ruf so bequemer und radikaler Redner draußen, wenn sie denen, die die Belastungen mit tragen müssen. das Schlagwort zurufen: Lastenausgleich heißt: „Laß den Ausgleich". Es wäre gut. wenn jeder Redner einer jeden Partei verpflichtet würde, vor gemischtem Publikum zu reden und in der Stadt genau so zu sprechen, wie er draußen auf dem Lande redet . . . .
Aber bei der Not des Volkes vernünftig zu reden. das ist die Kunst! Bei der noch etwas mangelhaften politischen Bil dung unseres Volkes ist es sehr gefährlich. radikal zu reden . . . Das ist das, was wir so sehr beklagen müssen: die Doppelzüngigkeit der Reden draußen auf dem Land einerseits und in der Stadt andererseits.
Damit hat Herr Kollege Horlacher in seinen Ausführungen genau dem entsprochen. was Kollege Schmidt gefordert hat. Wenn Kollege Schmidt Grund hat, die Unehrlichkeit mancher Redner zu beklagen, mag er sich dorthin wenden, wo solche Unehrlichkeit vorkommt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist eine umstrittene Frage, ob sich die Geschichte wiederholt oder nicht. Es liegt mir völlig fern, zu einer so schwerwiegenden Frage eines andern Fachs, das ich nicht vertrete, Stellung zu nehmen. Aber es ist doch für den, der die neuere politische und wirtschaftliche Geschichte kennt. immerhin wesentlich, festzustellen, daß sich unser Volk und der alte Deutsche Reichstag schon einmal vor einer Lage sahen, die der heutigen sehr ähnelte. Das war in den schweren Jahren 1924/1925, als der Kampf um die Aufwertungsgesetzgebung entbrannte.
Wenn ich heute die Diskussionen und soviele Einwendungen gegen den Lastenausgleich höre, dann habe ich manchmal das Gefühl, als ob man da auf ältere Quellen zurückgriffe und sich Argumente zu eigen mache, die damals gegen eine gerechte Aufwertungsgesetzgebung angeführt worden
sind. Es ist tragisch, zu sehen — ich will im einzelnen keine Namen nennen —, daß heute gar viele bei denen stehen, die leidenschaftlich einen möglichst weitgehenden Lastenausgleich fordern und damals, 1924/25, gar kein Verständnis für die Nöte der Hypothekengläubiger und Sparer hatten. Ich halte es für notwendig, unser Volk einmal an diese Zusammenhänge zu erinnern.
Unsere Vorgänger im alten Reichstag hatten immerhin noch die eine Entschuldigung, daß die Lehre von der Substanzbesteuerung damals noch nicht so wie heute entwickelt war. Es ist ja gerade ein Verdienst der deutschen Finanzwissenschaft der letzten fünfzehn Jahre, diese Lehre ausgebaut zu haben und Zusammenhänge, die man damals Anfang der zwanziger Jahre noch nicht klar erkannte, geklärt zu haben. Ich freue mich ganz besonders, daß es gerade ein Parteifreund von mir war, Dr. Herz, der jetzt in Hersfeld lebt, der in seiner grundlegenden Studie über die „Theorie der Substanzbesteuerung" uns die Wege gewiesen hat, wie im Gegensatz zu den Annahmen früherer Jahrzehnte solche Vermögensabgaben praktisch durchgeführt werden können.
Meine Damen und Herren, es unterliegt für mich bei einer ganz objektiven Prüfung des Für und Wider nicht dem geringsten Zweifel, daß ein Lastenausgleich auch durch Vermögenssubstanzbesteuerung durchführbar ist und keine Rede davon sein kann, daß ein solcher Lastenausgleich die Produktivität der Wirtschaft gefährdet; denn wenn das nämlich der Fall wäre, dann wäre es unverantwortlich von einem deutschen Abgeordneten, gleichgültig, wo er steht, einen solchen Lastenausgleich zu fordern.
Ich habe mich schon einmal an dieser Stelle dagegen verwahrt, daß man immer das ganze Problem der Heimatvertriebenen und des Lastenausgleichs nur als eine Last ansieht. So liegen die Dinge in Wirklichkeit nicht. Gerade durch den Lastenausgleich sollen die produktiven Kräfte, die in den Heimatvertriebenen liegen, zur Wirksamkeit gebracht werden.
Ich sehe es als ein gutes Omen an, daß heute morgen mit Einmütigkeit das erste Wohnungsbaugesetz verabschiedet worden ist, denn es ist ganz klar, daß ein großer Teil des Lastenausgleichsproblems letztlich ein Wohnungsbeschaffungsproblem ist.
Ich freue mich, daß diese Verbindung gerade am heutigen Tage geschaffen worden ist.
Aber ich möchte doch auch noch auf etwas anderes hinweisen. Der Herr Finanzminister hat uns dankenswerterweise bei den Zahlen über die Verwendung des bisherigen Aufkommens der Soforthilfe mitgeteilt, daß bisher nicht weniger als 213 Millionen für die Hausratshilfe verausgabt wurden.
- Richtig! Ich bin ganz Ihrer Ansicht. Ich halte es auch für zu wenig. Ich würde mich freuen a) wegen der Betroffenen und ich würde mich auch freuen
- obgleich ich ja nicht Industrieller bin — b) im Interesse unserer Textilindustrie und unserer Möbelindustrie, wenn diese Summen noch höher wären. Meine Damen und Herren, seien wir doch sehr froh, daß wir in dieser Zeit einer gewissen geschäftlichen Stagnation diese Nachfrage auf
Grund dieses Mitteleinsatzes hatten. Die Dinge müssen doch auch mal so angesehen werden, daß wir auf diese Weise Industrien eine zusätzliche Einnahme verschafft haben.
Gewarnt werden muß davor, den Lastenausgleich immer nur als eine Last anzusehen, um die man möglichst herumkommen will.
Wenn die Maßnahmen richtig angesetzt werden und richtig gelenkt sind, wobei ich den Begriff „lenken" nicht falsch zu verstehen bitte;
nein, ich habe mich nicht versprochen, Herr Kollege!
— Nein, Herr Kollege, ich habe es so gemeint, wie es ein Volkswirtin diesem Falle meint, daß nämlich in volkswirtschaftlich sinnvoller Weise die Kräfte eingesetzt werden. Dann sieht man durchaus, daß der Lastenausgleich keine „Belastung" zu sein braucht, sondern uns allen etwas nützt.
Aber ich möchte auch noch etwas anderes zu den Zahlen sagen, die uns der Herr Minister mitgeteilt hat. Es ist ganz zweifellos eine Leistung der Abgabepflichtigen, wenn immerhin schon bisher über eine Milliarde für die Soforthilfe aufgebracht wurde. Das muß auch einmal dankbar festgestellt werden. Ich weiß, wie schwer es oft vielen kleinen Bäuerlein in meiner Heimat im Taunus mit starkem Parzellenbesitz fällt, die Soforthilfe aufzubringen. Mir sind viele „kleine" Leute begegnet,
die klagten, wie schwer diese Belastung sei, aber die dann doch auch sagten: „Aber wir wissen, daß wir helfen müssen, und wir wollen helfen und werden versuchen, diese Beträge aufzubringen". D a s muß auch einmal betont werden. Der Herr Minister hat ja, was mich sehr interessierte, besonders festgestellt — ich muß das noch einmal unterstreichen —, daß es gerade die Oberfinanzbezirke in den verhältnismäßig armen Gebieten sind, die mit den Stundungen zurückhaltend sein konnten und verhältnismäßig viel aufgebracht haben.
Wenn wir zweifellos in der Wirtschaft überall gewisse Liquiditätsschwierigkeiten beobachteten, so ist es meiner Meinung nach nicht richtig, wenn man diese Liquiditätsschwierigkeiten immer auf die Soforthilfeabgabe zurückführt. Sie haben eine tiefere Ursache. Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich die Geld- und Kreditpolitik des letzten Jahres keineswegs als besonders glücklich empfinde. Wenn schon eine nicht zulängliche Kreditversorgung gerade mit mittel- und langfristigen Krediten besteht, dann ist es natürlich klar, daß eine Abgabe von über einer Milliarde weiter liquiditätsverschärfend wirkt. Ich glaube deshalb, Herr Minister, daß man immer wieder versuchen sollte, auf dem Gebiet der Geld- und Kreditpolitik eine Änderung zu erreichen. Sie können sicher sein, wenn Sie mit Ihrer Vorlage wegen Erhöhung Ihrer Kassenkredite kommen, dann werde ich Ihnen begeistert zustimmen.
Wir können es nicht immer zu allem, was wir von Ihnen gehört haben. Das soll unserer gegenseitigen Verbundenheit in der Koalition nicht Abtrag tun. Diese Denkschrift des Finanzministeriums über den Lastenausgleich zeigt ja, wie umstritten diese Probleme sind. Ich spreche hier kein
Geheimnis aus daß auch unter uns 53 Mitgliedern der FDP bei aller Verbundenheit und aller Freundschaft in diesen Fragen gelegentlich verschiedene Meinungen bestehen.
Das schadet auch gar nichts. Irgendwie werden wir uns schon zusammenraufen. Aber — und ich möchte das auch gegenüber der Regierung betonen — es gibt natürlich für uns ganz bestimmte Grundsätze, wie wir uns den Lastenausgleich denken. Ich darf Sie, Herr Präsident, um die Erlaubnis bitten, ganz kurz noch einmal aus den Beschlüssen unseres Bremer Parteitages vorlesen zu dürfen:
Diese Parteitagsbeschlüsse binden uns politisch
genau so, wie auch die anderen Kollegen durch
ihre Parteitage gebunden sind. Es heißt dort:
Die Freie Demokratische Partei fordert einen Ausgleich der Lasten zwischen denen, die durch den Krieg und seine Folgen ihre Heimat, ihre Existenz und ihr Vermögen ganz oder überwiegend verloren haben, und denjenigen, denen ein gütiges Geschick diese Werte erhalten, vielleicht sogar noch vermehrt hat. Den Krieg hat das gesamte deutsche Volk gemeinsam verloren, und es ist nur recht und billig, wenn es auch seine Lasten gemeinam trägt. Dabei vertreten wir den Grundsatz eines individuellen Lastenausgleiches, der den Geschädigten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten einen Teil ihrer Vermögenswerte zurückgibt und den Einzelnen instand setzt, sich eine neue Existenz unter erträglichen Bedingungen aufzubauen.
Ich will hier nicht auf die Einzelheiten eingehen, auf all die Fülle der Probleme, wie sie uns in der Regierungsdenkschrift dargelegt worden sind; aber es ist natürlich selbstverständlich — und ich hoffe, daß meine Kollegen auf der Linken hier genau so Verständnis für unseren Standpunkt haben, wie ich Verständnis für ihren Standpunkt habe —, daß wir in der Frage des Vermögenssatzes anders eingestellt sind, als es uns hier Herr Kollege Seuffert vom Standpunkt seiner Partei aus dargelegt hat. Das ist eigentlich selbstverständlich. Hier geht es ja um die Grundlagen, auf denen unsere Parteien beruhen!
Meine Damen und Herren! Bei aller Reserve, die wir manchmal gegenüber seinen bisherigen Äußerungen zu den Lastenausgleichsproblemen zu beobachten uns veranlaßt sehen, kann ich dem Herrn Finanzminister unsere vollste Unterstützung zusagen bei seiner Absicht, endlich zum Ziele zu kommen und das Lastenausgleichsgesetz vordringlich zu bearbeiten.
Dabei möchte ich aber auch einmal an uns alle hier im Hause appellieren. Wir müssen uns bei unseren sonstigen Arbeiten die nötige Zeit nehmen, daß wir dieses zweifellos schwierigste Problem, das nach meiner Meinung jemals einem Parlament gestellt wurde, auch lösen können. Wir können nicht, wie bisher, alle möglichen Fragen aufgreifen und zu lösen versuchen. Wir verlieren dadurch die nötige Zeit für interne Fraktionsberatungen und zu der notwendigen gründlichen Durchsicht des schwierigen und komplizierten Materials. Auch in diesem Hohen Hause muß jetzt eine gewisse Rangordnung in der Dringlichkeit der Probleme Platz greifen. Wir müssen uns bei unseren parlamentarischen Arbeiten der nächsten Wochen vordringlich auf die Inangriffnahme dieser schwierigen Aufgabe einstellen.
Ich halte es für um so notwendiger, baldigst zu einer gesetzlichen Regelung des Lastenausgleichs zu kommen, weil auch meine Freunde von Tag zu Tag mehr der Überzeugung sind, daß das Soforthilfegesetz in der jetzt geltenden Fassung unzulänglich ist und seine weitere Durchführung zu volkswirtschaftlichen Gefahren führt. Wir bedauern es, weil wir uns über die inzwischen eingetretene Entwicklung nicht freuen können, daß unsere Freunde im Frankfurter Wirtschaftsrat leider völlig recht behalten haben, als sie ihre schweren Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung der Kriegsverluste bei der Soforthilfeabgabe äußerten. Herr Kollege Seuffert hat vorhin schon darauf hingewiesen, daß jeder, der mit den Dingen näher vertraut ist, weiß, wie schwierig eine befriedigende Lösung des Problems ist. Wir sind deshalb auch nicht ohne weiteres in der Lage, sofort die Änderung des Soforthilfegesetzes nach dem Zentrumsantrag vorzuschlagen. Wir haben immer wieder in den letzten Monaten mit der Regierung über diese Dinge gesprochen. Wir werden deshalb auch dem Ausschußvorschlag zustimmen und den Antrag des Zentrums der Regierung als Material überweisen.
Aber ich möchte doch auch namens meiner Freunde an die Regierung die Bitte richten, diese Frage besonders ernsthaft zu prüfen; denn im Lande draußen erregt die Tatsache, daß die Kriegsverluste, auch wenn sie sehr erheblich sind, keine Berücksichtigung bei der Entrichtung der Soforthilfeabgabe finden, außerordentliche Erbitterung. Das zerstört das Rechtsempfinden. Meine Freunde müssen sich vorbehalten, notfalls eigene Anträge einzubringen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließen: Wenn wir dieses Problem des Lastenausgleichs nicht lösen
oder wenn wir den Lastenausgleich nur in einer Form verabschieden, die dem Rechtsgefühl nicht entspricht und diejenigen nicht befriedigt, die guten Willens sind und begrenzte und vernünftige Ansprüche stellen, dann müssen wir uns über die weitgehenden politischen Folgen klar sein. Die gescheiterte Aufwertungsgesetzgebung ist der Boden gewesen, auf dem der Radikalismus wuchs, der uns dann alle ins Verderben geführt hat.
Ich glaube, viele von denen, die sich damals 1924/25 so leidenschaftlich mit Argumenten, die nicht stichhaltig waren, gegen eine gerechte Aufwertungsgesetzgebung gewehrt haben, wären heute froh, wenn sie damals, als noch Zeit dazu war, lieber Opfer gebracht und damit das verhütet hätten, was dann nachher am 30. Januar 1933 begann. Seien wir uns darüber klar, daß hier die entscheidende Frage vorliegt, ob es uns diesmal gelingt, mit Gottes Beistand hier im Westen eine Demokratie aufzurichten, ein Staatswesen, das auf Gerechtigkeit, auf sozialem Frieden und gegenseitiger Hilfsbereitschaft beruht. Wenn wir an dieser Aufgabe scheitern, dann, fürchte ich, wird auch der zweite Versuch zur Begründung einer Demokratie in Deutschland nicht glücken. Davor möge uns ein Höherer bewahren!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preiß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein nicht unerheblicher Teil der heutigen Debatte über die Lage in der Landwirtschaft hat auch den Schwierigkeiten bei der Aufbringung der Soforthilfebeiträge gegolten. Ich nehme das zum Anlaß, auf den Hinweis des Herrn Bundesfinanzministers auf die Zustände in Hessen einzugehen, weil ich glaube, daß es nicht angeht, diese Bemerkungen unwidersprochen zu lassen. Es war der allgemeine Hinweis, daß im Rahmen der Schwierigkeiten bei der Aufbringung insbesondere in Hessen radikale Strömungen aufgetreten wären.
Vielleicht ist es gut, einmal auf die landwirtschaftliche Struktur Hessens, die für ganz Westdeutschland mehr oder weniger typisch ist, näher einzugehen. Hessen hat 205 000 landwirtschaftliche Betriebe, davon allein 92 000 Betriebe unter 2 ha. Hessen hat vornehmlich Mittelgebirgslage mit leichten Böden, baut vornehmlich Roggen, Hafer und Kartoffeln, also Produkte, die im letzten Jahre erhebliche Absatzschwierigkeiten hatten. Hessen hat darüber hinaus — und das ist in Westdeutschland überall anerkannt und auch an jeder Ablieferungsstatistik der letzten Jahre nachprüfbar — die schärfste Erfassung und Eintreibung der Umlageverpflichtung gehabt. Die hessischen Betriebe sind daher gegenüber denen in anderen Gebietsteilen sehr viel später zum Aufbau der Viehbestände gekommen und waren erst mit absatzreifem Vieh marktfähig, als bereits erhebliche Preiseinbrüche im Zusammenhang mit der Liberalisierung entstanden waren. Ganz besonders bedarf es eines Hinweises auf die in Südhessen stark verbreiteten Obstbau- und gärtnerischen Betriebe, die ja den größten Rückwirkungen aus den umfangreichen Importen ausgesetzt waren.
Deshalb bin ich gerade dem Herrn Kollegen Seuffert sehr dankbar, der den richtigen Hinweis darauf machte, daß es nicht im Ansehen der Landwirtschaft läge, wenn ihr jetzt Sonderrechte in bezug auf Stundungen und dergleichen eingeräumt würden. Die Landwirtschaft bedauert die Notwendigkeit hierzu außerordentlich, Herr Kollege Seuffert, und es ist richtig, was Sie sagen: dieses Problem liegt tiefer. Die Landwirtschaft hat einen Anspruch darauf, zunächst einmal anderen Wirtschaftszweigen gleichgestellt zu werden, damit sie diesen Zustand der letzten Jahre, stark abgehängt zu sein, irgendwie ausgleichen kann.
Sie wäre dann von sich aus gerne bereit, entsprechend ihrem Leistungsvermögen denselben Beitrag
aufzubringen wie jeder andere Wirtschaftszweig.
Vergegenwärtigen Sie sich bitte: diese 100 000 kleinen Betriebe in Hessen von unter 2 Hektar haben weiß Gott keine Rendite, sondern nur ein sehr kärgliches Arbeitseinkommen. Wenn von diesem kärglichen Arbeitseinkommen die Aufbringung der Soforthilfe verlangt wird, erregt es in diesen Kreisen verständlicherweise nicht nur Unzufriedenheit, sondern auch eine gewisse Empörung, wenn sie beobachten müssen, daß alle zwar nicht Besitzenden, aber doch sehr viel besser als sie Gestellten an diesem schicksalsschweren Problem der Heimatvertriebenen und sonstigen Geschädigten keinen Anteil nehmen. Ich habe mir in jahrelanger mühevoller Arbeit einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb aufbauen können, kenne aber auch das Schicksal der Heimatvertriebenen wie auch das
der total Bombengeschädigten und mache mich deshalb zum Sprecher der zahlreichen Angehörigen dieser Kreise in meinem Beruf. Das sind aber nicht diejenigen, die kein Verständnis dafür hätten, daß es das schlimmste Los ist, das Menschen tref-
fen kann, von einer Stunde zur anderen von Haus und Hof vertrieben zu werden. Nein, in diesem Falle haben gerade sie das Herz auf dem richtigen Fleck. Sie haben aber Sorge, und zwar berechtigte Sorge, daß jetzt ihre eigene Existenz nicht nur in große Gefahr kommt, sondern daß sie auch der anderen großen ihnen auferlegten volkswirtschaftlichen Verpflichtung nicht nachkommen können, das Beste aus ihrem Betriebe herauszuholen.
So also liegen die Dinge in der Landwirtschaft. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, Herr Bundesfinanzminister, Ihr Hinweis, man werde sich jetzt darauf konzentrieren, die Rückstände oder die gestundeten Beträge einzutreiben, möge nicht bedeuten, daß jetzt generell diese Beträge von den wirklich in großen Finanzschwierigkeiten befindlichen landwirtschaftlichen Betrieben eingetrieben werden sollen, und zwar vielleicht sogar mit erheblicher Strenge.
Es sind genügend Anzeichen dafür sichtbar, daß nicht, was wir alle doch so dringend wünschen, die Intensivierung der Landwirtschaft vorangeht, sondern daß die Extensivierung bereits im Gange ist.
Wir müssen und wir sollten uns alle die Aufgabe stellen, hier abzubremsen und das gewünschte Ziel zu fördern.
Gestatten Sie mir eine abschließende Bemerkung, die ich hier machen muß, damit nicht etwa der falsche Eindruck entsteht, die Landwirtschaft wolle sich der Aufbringung des auf sie entfallenden Pflichtteils entziehen, den Heimatvertriebenen oder sonst Geschädigten zu helfen. Nein, sie ist gern bereit, bis zur Grenze des Möglichen zu helfen. Erst einmal verlangt sie, daß ihre Arbeit der aller anderen gleichgewertet wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kunze.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte vorhin vorübergehend Sorge, daß dem Herrn Finanzminister etwas zugestoßen sei, als der Kollege Dr. Reismann ihm klarmachte, er sei völlig unfähig und unqualifiziert, irgendeine Lösung der Aufgabe des Lastenausgleichs anzugeben.
Ich bin anderer Meinung, nicht etwa weil ich sein Fraktionskollege bin, sondern weil ich dem Herrn Finanzminister dafür dankbar bin, daß er aus seiner Verantwortung als Finanzminister die Dinge ganz praktisch und nüchtern so darstellt, wie er sie sieht. Ein Finanzminister muß zunächst einmal die Wirklichkeit seiner Zahlen sehen. Es hat keinen Zweck, hier zum Hause heraus große Reden über die Not der Vertriebenen, der Fliegergeschädigten usw. zu halten, wenn man nicht weiß, was man ihnen tatsächlich geben kann. Darum gehört es meines Erachtens zu den ersten Aufgaben des Finanzministers, die Bilanz nach der Seite der Bestände zu ziehen und, weitergehend, nach den Möglichkeiten zu suchen, aus diesen Beständen etwas liquide zu machen, was er für den Lastenausgleich verwenden kann. Das erlauben Sie mir zu dieser Frage zu sagen.
Im übrigen nur noch eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Reismann. Herr Kollege Reismann ist leider nicht da. Aber
bitte, übermitteln Sie es ihm doch, oder er möge das Stenogramm lesen. — Wie man ernst genommen werden will, wenn man behauptet, die Bundesrepublik könne ohne Schwierigkeiten 50 Milliarden innere Anleihen aufnehmen, um diese Fragen zu lösen, ist mir ein Rätsel.
Ich meine, ein verantwortlicher Politiker sollte, bevor er solche Dinge, die ja die breiten Massen unseres Volkes gern zu glauben bereit sind, ausspricht, sich eine derartige Frage reiflich überlegen. Wir sollten das, was wir sagen, genau so ernst und nüchtern aussprechen, wie es mein Kollege Seuffert im Lastenausgleichsausschuß getan hat. Auf dieser Ebene können wir zu einer Verständigung kommen, weil wir sachlich miteinander prüfen und beraten, was geschehen kann und muß, und auf welchen Wegen es geschehen soll. Da ist die Meinungsverschiedenheit zwischen uns nicht so groß, daß ich den Pessimismus des Herrn Bundesfinanzministers zu teilen bereit wäre, die Vorlage eines Lastenausgleichsgesetzes würde dieses Hohe Haus von vornherein auseinanderfallen lassen. Ich bin und bleibe Optimist und möchte wünschen, daß es uns gelänge, auch in diesem Punkte zu der Einigung und Einigkeit zu kommen, wie wir sie heute morgen miteinander bewiesen haben. An meiner Fraktion und an mir soll es dabei nicht fehlen.
Ich darf mich mit Rücksicht auf die kurze Zeit, die mir nur geblieben ist, auf ein paar Bemerkungen zu den Gedanken und programmatischen Erklärungen des Herrn Kollegen Seuffert beschränken, wobei ich auf Wiederholungen verzichte. Es ist für das Hohe Haus selbstverständlich, daß wir, wenn wir vom Recht sprechen, nicht das formale Recht meinen. In einem Stadium der Existenz unseres Volkes wie dem heutigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind es hohle Phrasen, wenn wir von „wohlerworbenen Rechten" sprechen. Von Recht sprechen wir in dem Sinne, daß wir Recht und Gerechtigkeit für alle als Grundlage für die Lösung aller Fragen und Aufgaben zu gewährleisten versuchen wollen und müssen. Darüber gibt es gar keine Differenz zwischen unseren Auffassungen.
Es besteht auch keine Differenz der Auffassungen darüber, daß wir die Rangfolge richtig zu sehen hätten. Aber ich glaube, Herr Kollege Seuffert, eines haben Sie etwas unüberlegt gesagt. Sie haben in einer etwas überspitzten Formulierung dem Lastenausgleich den Vorrang vor den Bedürfnissen der Privatwirtschaft und auch vor den Steuern gegeben. Das andere, den Steuern und der Privatwirtschaft den Vorrang zu geben, wäre freilich ebenso falsch. Aber ich glaube, diese Formulierungen sind überhaupt nicht richtig. Zeitlich gesehen gehört die Frage der Regelung des Lastenausgleichs zu unseren vordringlichsten Aufgaben. Es ist mir daher eine Freude, zu hören, daß der Bundesfinanzminister bis Ende nächsten Monats seinen Gesetzentwurf dem Kabinett zuleiten wird. Da wir uns in dieser Frage auf allen Bänken des Hohen Hauses einig sind, wird es unsere gemeinsame Aufgabe sein, das Kabinett zu veranlassen, diesen Entwurf des Ministeriums möglichst schnell zu beraten und zu verabschieden und dann dem Hohen Hause zuzuleiten. Dann können wir noch im Monat Mai in die erste Lesung dieses Gesetzes eintreten.
— Der braucht drei Wochen, und mit dem können
wir ja auch reden, denn dem wird es damit wohl
genau so eilig sein, Herr Kollege Mellies, wie uns.
Aber darf ich nun eines sagen, weil wir von den Interpellationen der SPD zu einer allgemeinen Debatte über den Lastenausgleich übergegangen sind: Ich mache mir eine ganz große Sorge, die Sorge nämlich, daß wir eine Hypothek der Soforthilfe in den endgültigen Lastenausgleich herübernehmen müssen, indem wir mehr als 300 Millionen DM in den Lastenausgleich gesteckt haben, die an sich in die Wohlfahrt und in die Fürsorge der Gemeinden und Länder gehören,
daß wir so einen Teil der Substanz — denn vom Vermögensertrag allein kann der Lastenausgleich nicht bestritten werden —
jetzt verzehren und daß draußen im Lande die Gemeinden zum Teil in der Lage sind, Aufwendungen zu machen, weil sie durch das Soforthilfegesetz tatsächlich eine spürbare Entlastung ihrer Ausgaben bekommen haben. Wer auf der kommunalpolitischen Ebene arbeitet, meine Damen und Herren, weiß das.
— Aber verzeihen Sie, Herr Kollege Renner!
— Ja, natürlich, daß Ihr Urteil und mein Urteil in entscheidenden Punkten verschieden sein werden, das dürfte bei der Stellung, die wir politisch einnehmen, Sie links und ich in der Mitte, verständlich sein.
Nun wurde von Herrn Kollegen Seuffert bedauert, daß wir auch im zukünftigen Lastenausgleich zunächst wohl zu 500/o mit dem Verbrauch aller einkommenden Gelder zu rechnen hätten. Es wird unsere gemeinsame Aufgabe im Ausschuß sein, zu untersuchen, wie wir dieses wirtschaftlich und sozial falsche Verhältnis beseitigen können. Es ist nicht gesund, wenn wir die Hälfte aller Vermögensabgaben in den Konsum statt in die Produktion hineinbringen. Denn das Ziel ist, unbeschadet der Frage des individuellen Lastenausgleichs, der produktive Lastenausgleich. Über den quotalen Lastenausgleich können wir noch einmal ernst miteinander reden. Nach meiner Auffassung ist es heutzutage so, daß diese Begriffe schon zu sehr schillern, weil sie so oft gebraucht und ebenso oft mißbraucht worden sind,
daß wir uns einmal in der Sachlichkeit der Ausschußarbeit darüber verständigen müssen und werden.
Ich darf allerdings eins mit aller Deutlichkeit sagen. Ich sehe drei Grenzen für den Lastenausgleich. Wenn wir diese drei Grenzen überschreiten, haben wir am Ende eine Belastung auch derer, denen wir helfen wollen. Die Formen der Abgabe mögen variieren. Man mag sich über die Frage der Möglichkeit von Naturalleistungen einmal ernsthaft unterhalten. Eine letzte Grenze ist da. Wir können von der Wirtschaft nicht Abgaben verlangen, die ihr die Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt nehmen. Wir können die Landwirtschaft nicht so belasten, daß sie in Wirklichkeit von der Substanz zehren muß.
Wir werden also nur da mit Naturalleistungen rechnen können, wo keine Zerstörung der Wirtschaftseinheiten im volkswirtschaftlich notwendigen Sinn möglich ist. Und wir dürfen unsere Währung nicht gefährden!
Herr Kollege Seuffert hat sehr richtig einen entscheidenden und grundsätzlichen Gedanken erwähnt. Er hat in der Frage der materiellen Regelung des Lastenausgleiches ein Wort des Gedenkens an die Jugend gesprochen. Es ist ja doch so, daß unendlich viele unter den Geschädigten und insonderheit den Vertriebenen dankbar und zufrieden sein werden und auch sind, wenn sie es erleben, daß ihre Kinder wieder einen neuen Anfang machen können. Darauf wird auch der Lastenausgleich bei allem Individuellen und bei aller Problematik des Quotalen Rücksicht zu nehmen haben.
Daß der Herr Bundesfinanzminister — das wurde
meines Erachtens zu Unrecht bemängelt — uns nicht im einzelnen sein Programm entwickelt hat, ist klar. Denn ich glaube, das gehört zu den Grenzen eines Fachministeriums. Bevor das Kabinett zu einem so entscheidenden Gesetzentwurf nicht sein Ja gesprochen hat. ist es unmöglich zu verlangen, daß ein Regierungsvertreter jetzt die Einzelheiten dieses Gesetzes vorträgt, deren Grundgedanken sowohl in den Veröffentlichungen der Gutachterkommission als auch in der Denkschrift des Bundesfinanzministeriums, die ja zum großen Teil auf der ersteren aufbaut, enthalten sind. Ich bin mit Herrn Kollegen Seuffert der Meinung — damit lassen Sie mich schließen, weil meine Zeit abgelaufen ist —, daß wir den Lastenausgleich nicht in der Form verrenten können, daß wir den Menschen einfach ein Stückchen Rente jährlich geben, sondern wir müssen ihnen in irgendeiner Form — wie die Form sein mag, sei in diesem Augenblick dahingestellt — den Anspruch geben, in die Reihe derer eingereiht zu werden, die ein bestimmtes Rechtsverhältnis, auch persönlich, wieder zum Staat gefunden haben. Wir müssen ihnen die Chance geben, auch an der zukünftigen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung den Anteil zu nehmen, auf den sie einen rechtlichen Anspruch haben. Im übrigen glaube ich, das ganze Haus wird darin übereinstimmen, daß wir schnell arbeiten wollen und daß wir auch hier genau wie beim Wohnungsbaugesetz parteipolitische und parteipolemische Gesichtspunkte zurückzustellen haben, weil es nicht unsere Aufgabe sein kann, für parteitaktische Gesichtspunkte etwas herauszuholen, wenn es hier wirklich um das Schicksal von Millionen vernichteter Existenzen und zerstörter Familien geht.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache zu den Punkten 4, 5, 6, 7 der heutigen Tagesordnung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst zu Punkt 4 der Tagesordnung. Es handelt sich um die Drucksache Nr. 684. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 5 der
Tagesordnung, Drucksache Nr. 543, Antrag der
Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen. Auf
der einen Seite ist in der Debatte einmal Überwei-
sung beantragt, von anderer Seite, soweit ich unrichtet bin,
um unmittelbare Annahme des Antrages gebeten worden. Der Überweisungsantrag geht zunächst vor. Ich bitte diejenigen, die für Überweisung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es besteht innerhalb des Sitzungsvorstandes keine Übereinstimmung welches die Mehrheit ist. Wir müssen also einen Hammelsprung durchführen.
Damit kein Mißverständnis entsteht: Es handelt sich um den Antrag, die Drucksache Nr. 543 an den Ausschuß zu überweisen. Wer für die Ausschußüberweisung ist, betritt den Saal durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür, wer sich der Stimme enthalten will, durch die Tür in der Mitte. Ich bitte die Schriftführer und Schriftführerinnen, mit der Zählung möglichst bald zu beginnen.
Ich bitte, während der Zählung den Verkehr mit den Logen und Tribünen einzustellen.
Ich bitte, jetzt mit der Zählung zu beginnen.
Die Zählung ist beendet. Ich bitte Platz zu nehmen. —
Meine Damen und Herren! Das Abstimmungsergebnis ist: 159 Ja, 136 Nein. Damit ist der Antrag auf Ausschußüberweisung angenommen.
Die Interpellationen sind erledigt. Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung.
Ich habe noch folgendes bekanntzugeben. Es ist eine interfraktionelle Vereinbarung getroffen worden, den
Antrag der Fraktion der SPD betreffend
Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf
die Mieter
ohne Debatte an den Finanzausschuß zu überweisen.
— Auch an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann darf ich Ihre Zustimmung zur Überweisung dieses Antrags annehmen.
Ich habe weiter bekanntzugeben, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses die Mitglieder des Ausschusses zu einer kurzen Sitzung im Anschluß an die Plenarsitzung bittet.
Ich habe dann folgendes bekanntzugeben. Der Herr Abgeordnete Wilhelm Paschek hat mitgeteilt, daß er sich als Hospitant der Gruppe Deutsche Reichspartei anschließt. Ferner hat der Herr Abgeordnete Günter Goetzendorff mitgeteilt, daß er sich als Hospitant der Gruppe Deutsche Reichspartei anschließt.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen weiter bekanntzugeben: die Gruppe Deutsche Reichspartei hat mitgeteilt, daß sie dem Eintritt der Abgeordneten Goetzendorff und Paschek zugestimmt hat.
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung hat nun der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Fraktion der WAV hat bereits gestern folgenden Beschluß gefaßt, der im Ältestenrat durch den Herrn Vizepräsidenten Dr. Schmid gestern schon zur Verlesung gebracht worden ist. Bereits gestern, also vor dem Übertritt des Herrn Goetzendorff zur Reichspartei, hat die Fraktion beschlossen:
1. Die WAV-Fraktion fordert den Abgeordneten Günter Goetzendorff auf, gegen sich selbst sofort ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen zur Klärung der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen in bezug auf die eidesstaatliche Erklärung des Fahrers Rudolf Stadler und die bei der Staatsanwaltschaft Offenburg niedergelegten Erklärungen eines Flüchtlings. Der Abgeordnete Goetzendorff wird aufgefordert, bis zur Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe den Sitzungen des Bundestags und der Fraktion fernzubleiben.
2. Falls Goetzendorff nicht sofort Strafantrag bei der Staatsanwalt gegen sich selbst stellt, wird die Fraktion der WAV von sich aus Strafantrag gegen Goetzendorff erstatten.
Das ist es, was ich Ihnen namens der WAV bekanntgeben möchte.
Meine Damen und Herren! Weitere Punkte stehen nicht auf der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittag 10 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.