Rede von
Ernst August
Farke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Soforthilfegesetz kann in seiner gegenwärtigen Form nicht mehr lange beibehalten werden. Je länger es in Kraft bleibt, um so größer wird die Gefahr, daß die Wirtschaft darunter zusammenbricht und daß auf der anderen Seite die Erträgnisse daraus so gering werden, daß dem Vertriebenen, dem hier geholfen werden soll, nicht mehr geholfen werden kann. Vielleicht wird eine Gefahr dadurch heraufbeschwosen, daß auch bei einer anderen Regelung nachher wenig übrigbleibt, und zwar so wenig, daß praktisch überhaupt nichts mehr getan werden kann. Meine Freunde im Wirtschaftsrat haben schon auf diese Entwicklung hingewiesen und hinsichtlich der Landwirtschaft erklärt, daß ein Erhebungssatz von 3 % auf die Dauer unmöglich ist; denn er bedeutet, daß die gesamte Rendite weggenommen wird. Wir stehen heute vor der Tatsache, daß nach dem ersten Jahre die Rendite praktisch genommen ist. Es zeigt sich das beim Kauf des Handelsdüngers. In Norddeutschland sind in diesem Jahre nur 23 % des Handelsdüngers abgerufen. In der gesamten Bundesrepublik ist bis jetzt für 480 Millionen DM weniger Handelsdünger gekauft als im letzten Jahre.
Diese 480 Millionen DM stellen genau die Summe dar, die die Landwirtschaft für die Soforthilfe zu bezahlen hat. Ich glaube, das gibt zu denken. Wenn nur 23 % des Handelsdüngers in Norddeutschland abgerufen worden sind,
dann besteht die Gefahr, daß die Produktion nachläßt, und daraus resultiert dann die weitere Gefahr, daß die Abgabemöglichkeit im nächsten Jahre noch geringer wird.
Es ist also notwendig, daß dieses Soforthilfegesetz so schnell wie möglich abgelöst wird, und zwar — das ist ja von allen Seiten des Hauses zum Ausdruck gekommen — durch den Lastenausgleich. Das Soforthilfegesetz war ja überhaupt nur als Übergang für ein Jahr gedacht; denn man war sich von vornherein darüber klar, daß es in seiner rigorosen Erhebungsform niemals etwas Endgültiges bedeuten oder für lange Zeit bestehen dürfe. Die Praxis hat das erwiesen.
Der Lastenausgleich wird von uns gefordert. Wir sind dem Finanzminister dankbar, daß er angekündigt hat, Mitte April eine Vorlage einzubringen. Wir werden uns dann im einzelnen damit beschäftigen und uns darüber unterhalten müssen, wie weit wir mit unseren Forderungen, wie weit wir mit der Belastung im Interesse der Millionen Menschen, die alles verloren haben, gehen können.
Aber es gibt, glaube ich, einen Grundsatz, den wir beherzigen müssen: ein Unrecht, das geschehen ist, kann nicht durch ein anderes Unrecht beseitigt werden. Wenn wir nach diesem Grundsatz handeln, werden wir eine Form finden, die unter dem Zeichen der Gerechtigkeit und unter dem Zeichen der Möglichkeit steht. Der Vertriebene muß sich sagen, daß nicht alle seine Wünsche, die er berechtigterweise hat, erfüllt werden könnnen; und der Besitzende muß sich sagen, daß er weitgehend ein Opfer zu bringen, eine, wie es von Herrn Kollegen Seuffert gesagt wurde, Hypothek zu übernehmen hat, deren Zinsenlast für ihn schwer sein wird, die aber doch so gestaltet werden muß, daß sie zu tragen ist und daß der, der sie tragen muß, nicht selber darunter zerbricht.
Ich glaube, wir werden auch diese Aufgabe lösen. Wir werden sie lösen müssen und uns vielleicht auch über die Form weitgehend verständigen können, da wir gemeinsam in einem Boot sitzen
und gemeinsam die Fahrt in ein neues Leben riskieren wollen, das uns als Deutsche zusammenführen soll, um diese Zeit zu überstehen und einer besseren entgegenzusehen.