Meine Damen und Herren! Die Erklärungen des Herrn Finanzministers haben eigentlich die Befürchtung bestätigt, die wir bereits bei der Debatte über den Lastenausgleich in den letzten Tagen geäußert haben. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß man diesem kommenden endgültigen Lastenausgleich einigermaßen mit Bedenken entgegensehen muß. Was der Herr Bundesfinanzminister heute vormittag zum besten gab, war darauf abgestellt, keine Hoffnungen zu erwecken; denn dieser endgültige Lastenausgleich wird so aussehen, daß aus diesem Haus starker, entscheidender Widerspruch auftauchen muß. Ich bin nicht w e der Redner des Zentrums der Meinung, daß der Herr Finanzminister Schäffer nicht der geeignete Mann ist, um das Gesetz über den endgültigen Lastenausgleich zu formulieren. Ich bin viel eher der Meinung, daß es im Kabinett wohl kaum einen Minister gibt, der auf Grund seiner politischen Grundeinstellung in der Lage ist, diesem Hohen Haus ein Lastenausgleichsgesetz vorzulegen, das nach der sozialen Seite hin die Bedingungen erfüllt, die daran geknüpft werden müssen.
Man muß im Zusammenhang mit der Rede des Herrn Bundesfinanzministers einmal auf die Regierungserklärung hinweisen. Es dürfte die Verpflichtung dieses Hauses sein, auch die Durchführung und Realisierung dessen zu überwachen, was in der Regierungserklärung als politische Grundlage, als Arbeitsgrundlage für die Regierung niedergelegt ist. Herr Dr. Adenauer hat damals in der Regierungserklärung gesagt:
Wir werden bemüht sein, den endgültigen Lastenausgleich bald zu verabschieden, um die Ungewißheit zu beseitigen, die sofft so langer Zeit sowohl auf den Geschädigten wie auch auf der zu belastenden Wirtschaft liegt. Die gesetzliche Regelung muß sich in die allgemeine Steuer- und Finanzreform sinnvoll einordnen.
Meine Damen und Herren, die „sinnvolle Einordnung", wie sie diese Regierung versteht, haben wir bereits bei der Verabschiedung des Einkommensteuergesetzes erlebt.
Wir werden die andere „sinnvolle Einordnung", wie sie eben die Regierung Adenauer versteht, bei der Debatte um den endgültigen Lastenausgleich erleben.
Es ist nicht von ungefähr, daß sogar der Deutsche Städtetag in einer Eingabe vom 20. März den Bundesfinanzminister und damit die Regierung darauf hinweist, daß die Verhältnisse auf dem Gebiete der Soforthilfe sich in einer einfach untragbaren Weise gestaltet haben, so daß der Deutsche Städtetag eine sofortige Änderung des Soforthilfegesetzes verlangt, um soziale Schäden unter allen Umständen zu verhindern. Er macht dabei eine Reihe von Vorschlägen und sagt u. a. auch, daß der § 37 gestrichen werden muß, weil er in seiner ganzen unsozialen Tendenz einfach nicht mehr tragbar ist.
Ich habe hier einige sehr interessante Statistiken aus der Stadt Essen, die uns einmal deutlich illustrieren, wie die Dinge in Wirklichkeit draußen aussehen. Das Amt der Soforthilfe der Stadt Essen hat in einer schematischen Darstellung das wahre Bild der Auswirkungen des Soforthilfegesetzes aufgezeigt. Das Amt stellt in der Frage des Verhältnisses zwischen Unterhaltsbeihilfe und Unterhalts
zuschuß folgendes fest: Nur 35 % der Unterhaltshilfeempfänger gelangten in den Genuß der vollen Unterhaltsbeihilfe. Bei 65 % aller Unterhaltshilfeempfänger wird durch den Bezug einer Sozial- oder Kriegsrente die Unterhaltsrente gekürzt; davon erhalten 16 % eine Unterhaltshilfe von 30 DM und mehr, und 49 % erhalten trotz ihres höheren Schadens weniger als die Empfänger von Unterhaltszuschüssen. Nach der sozialen Seite hin, glaube ich, ist auch diese Statistik von einigem Interesse.
Sie zeigt auf der anderen Seite diesen sehr engen Rahmen des Gesetzes. Nach der sozialen Seite stellt beispielsweise dieses Amt fest, daß die Voraussetzungen der Unterhaltshilfe in Essen — und ich glaube, die Verhältnisse sind in einer Reihe entscheidender Großstädte ähnlich — zahlenmäßig so sind, daß dort wegen Alters 71,8 % Unterhaltshilfe beziehen, wegen Arbeitsunfähigkeit 25 %, wegen Versorgung von drei und mehr Kindern 0,6 °/o, als Vollwaisen 2,6 °/o, also immer in Prozentzahlen genommen für den davon betroffenen Personenkreis. Das ist außerordentlich interessant.
Es ist auch interessant in einer anderen Frage, der der Hausratshilfe. Die Ziffern des Aufkommens wurden von dem Herrn Bundesfinanzminister in der Beantwortung der Interpellation der Sozialdemokratischen Partei genannt. Aber nur zugespitzt einmal auf die Stadt Essen sehen die Dinge, so aus, daß für die Hausratshilfe ungefähr 40 250 Anträge eingereicht worden sind, während davon nur 14 000 Fälle berücksichtigt werden konnten bei einer Auszahlungsquote von 150 DM.
Ich könnte Ihnen noch einige Beispiele aus der Praxis sagen. Ich möchte es aber in diesem Zusammenhang nicht tun.
Aber ich glaube, allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses ist von seiten des Verbandes der Heimatvertriebenen Südwürttemberg-Hohenzollern „Die Heimat" zugeschickt worden, in der ein offener Brief zum Abdruck kam an den Bundestag und an die Bundesregierung. Wenn ich diesen offenen Brief erwähne, so deshalb, weil auch der Herr Bundesfinanzminister bei seiner Rede in das bekannte Arsenal der sogenannten Radikalisierung recht tief hineingegriffen und versucht hat, nun zu beweisen, daß gerade die Heimatvertriebenen, die
unter den Lastenausgleich oder unter das Soforthilfegesetz fallen, den Gedankengängen der Radikalen rechts und links außerordentlich zugänglich sind. Dort stellt man sehr eindeutig fest — Sie gestatten vielleicht, meine Damen und Herren, daß ich einige Zeilen davon verlese —:
Die Heimatvertriebenen — ihrer Heimat, ihres Besitzes, eines großen Teils auch ihrer Rechte beraubt, arm, zum großen Teil in bitterer Not — sie haben nicht die extremen Parteien gewählt, denn sonst würden z. B. die Kommunisten mit einer stattlichen Anzahl von Abgeordneten in das Parlament eingezogen sein, sondern die Parteien der Mitte, der Mäßigung, der, wie sie hofften, sozialen Gerechtigkeit. An Versprechungen dieser Parteien und der Regierung, das Los der Heimatvertriebenen bessern zu wollen, Verständnis für deren besondere Lage zu haben, hat es nicht gefehlt. Überflüssig zu betonen, daß die Heimatvertriebenen und die unter das Soforthilfegesetz Fallenden bestimmt mit einem besseren Lastenausgleich zu rechnen hätten, wenn die Kommunisten ein entscheidendes Wort zu sagen
hätten.
Aber der Herr Bundesfinanzminister fühlte sich doch veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß einige Pressemeldungen nicht den Tatsachen entsprechen. Es scheint wirklich das Schicksal der Regierung Adenauer zu sein — nicht nur des Herrn Bundeskanzlers selbst, sondern darüber hinaus auch seiner einzelnen Mitglieder —, daß gerade auf diesem Gebiet der Wiedergabe von Interviews oder von Versammlungsberichten eine Panne nach der anderen passiert.
Hier stellen wir doch einwandfrei fest, daß beispielsweise „Die Welt" vom 22. 3. eine Rede des Herrn Staatssekretärs im Finanzministerium Hartmann wiedergibt, der auf einer Tagung des Wirtschaftsbeirats der CDU betonte, daß der allgemeine Abgabensatz des Lastenausgleichs von drei vom Hundert auf die Dauer nicht tragbar sei und indirekt Hunderttausende von Arbeitslosen schaffen werde. Auch das Aufkommen für die Soforthilfeabgaben in Höhe von einer Milliarde DM habe der Wirtschaft erheblich geschadet.
Meine Damen und Herren! Diese Feststellungen des Herrn Staatssekretärs — und er dürfte ja bei dem kommenden Lastenausgleichsgesetz in seiner Formulierung und in seinem materiellen Inhalt nicht unbeteiligt sein — lassen die Befürchtung aufkommen, daß er dem Druck der Wirtschaft, so wenig wie möglich zu zahlen, auch in dieser Frage erlegen ist. Es ist doch wirklich eine lächerliche Behauptung, zu sagen, daß die bisher wirklich bescheidene Belastung der besitzenden Klasse durch das Soforthilfegesetz zu einer Schädigung der Wirtschaft geführt habe. Der Herr Staatssekretär weiß genau so gut wie alle Abgeordneten dieses Hauses und die gesamte Öffentlichkeit, daß immerhin seit der Währungsreform — und die Zeitspanne ist für
die Summe, die dabei genannt werden muß, kurz — über 15 Milliarden DM neu in der westdeutschen Wirtschaft investiert worden sind. Und dann zu jammern, dürfte nach meiner Auffassung schon etwas mehr als abwegig sein.
Aber wir sind der Meinung — und ich sage das mit aller Deutlichkeit —, die Befürchtungen könnten laut werden, wenn ich die Stuttgarter Rede des Herrn Finanzministers betrachte. Man macht ihm
auch indirekt in der Öffentlichkeit den Vorwurf, daß er versucht, den Lastenausgleich in dem Soforthilfegesetz auslaufen zu lassen. Ich glaube, daß es einfach nicht anders geht, wenn wir einen gerechten Lastenausgleich wünschen, einen Lastenausgleich, der nach der sozialen Seite hin die Bedingungen erfüllt, die an ihn gestellt werden müssen, daß nicht aus den laufenden Steuereinnahmen diese materielle Seite gedeckt werden kann, sondern daß zwangsläufig ein Einbruch oder ein Eingriff in die Substanz notwendig sein wird. Wir haben uns erlaubt, dazu in unseren Anträgen und in unserer grundsätzlichen Stellung eine ganze Reihe von Vorschlägen zu machen. Wir haben auch darauf hingewiesen, meine Damen und Herren, daß ohne die Durchführung der Bodenreform der Lastenausgleich kein Lastenausgleich sein wird.
Das Finanzministerium und sein Staatssekretär sind viel großzügiger, wenn es gilt, der sogenannten Wirtschaft in Westdeutschland einiges zu versprechen. Ich möchte auch hier wieder die „Welt" zitieren, die heute vormittag von einer Sitzung der Lübecker Kaufmannschaft spricht, an der Herr Staatssekretär Hartmann teilgenommen hat, der dort erklärte, daß eine zweite, großzügige Steuerreform für Ende 1950 in Aussicht stehe. Vordringlich für die Gesundung der Wirtschaft sei aber die Durchführung des endgültigen Lastenausgleiches, der bis Herbst zu erwarten sei. Ich glaube, daß darin eigentlich das gesagt ist, was wir in unseren Befürchtungen schon wiederholt zum Ausdruck gebracht haben: Man ist bereit, bei einer zweiten großzügigen Steuerreform dem Besitz noch mehr zuzuschieben und die Last des verlorenen Krieges auf die abzuwälzen, die bereits genügend zu zahlen haben. Darüber hinaus möchte auch der Herr Staatssekretär eine gewisse Garantie haben, nämlich zuerst den Lastenausgleich unter Dach und Fach und dann die großzügige Steuerreform.
Ein Wort zu dem Antrag des Herrn Kollegen Horlacher. Ich glaube, daß man dem Antrag in dieser Form einfach aus Gründen der Konsequenz nicht zustimmen kann; aber es wäre überflüssig gewesen, diesen Antrag zu stellen, wenn sich der Herr Kollege Horlacher mit seinen Freunden auf den Standpunkt gestellt hätte, den wir als Kommunisten immer wieder vertreten haben, um soziale Ungerechtigkeiten auszuschalten, nämlich auf den Standpunkt, daß die Belastung durch die Soforthilfeabgabe zuerst einzutreten hat bei einem Grundstückseigenwert von 10 000 DM. Man war der Meinung, daß man 3000 DM zu Grunde legen müsse, und hat nun all die sozialen Ungerechtigkeiten in Kauf zu nehmen. Vielleicht haben Sie nun daraus zu lernen, vielleicht erkennen Sie nun, daß unsere Auffassung richtig ist, daß der Bundestag es nicht verantworten kann, das Soforthilfegesetz noch bis zum Herbst laufen zu lassen, bis der endgültige Lastenausgleich unter Dach und Fach gebracht ist, sondern daß der Bundestag nach den Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers nun erst recht die Verpflichtung hat, so schnell wie möglich den Wünschen Rechnung zu tragen, die auf eine Änderung des Soforthilfegesetzes hinauslaufen.