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ID0105300900

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    Deutscher Bundestag - 53. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. März 1950 1927 53. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1927D, 1950C, 1978B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Wohnungsbaugesetzes (Drucksachen Nr. 703, 567, 352) 1927D Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 1928A Klabunde (SPD) . . . . . 1936C, 1946C Wirths (FDP) 1938D Lücke (CDU) . . . . . . . . 1940B Paul (Düsseldorf) (KPD) . . . . 1942C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . . 1943D Reindl (WAV) . . . . . . . . 1945A Determann (Z) . . . . . . . 1945C Bahlburg (DP) 1946A Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 1947A Abstimmungen 1948D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Änderung des Soforthilfegesetzes (Drucksachen Nr. 684 und 82) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Stücklen und Genossen betr. Durchführung des Soforthilfegesetzes bei der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 543) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Soforthilfeabgabe (Drucksache Nr. 635) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Lastenausgleich (Drucksache Nr. 636) . . . . . 1950D, 1951B, 1954B Wartner (BP): als Berichterstatter 1950D als Abgeordneter 1960D Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 1951B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1954C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 1958A Kohl (Stuttgart) (KPD) 1962C Schmidt (Bayern) (WAV). . . 1964C Mensing (CDU) 1965C Seuffert (SPD) 1966C Wackerzapp (CDU) 1970C Farke (DP) 1972A Strauß (CSU) 1972D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 1973B Dr. Preiß (FDP) 1975B Kunze (CDU) . . . . . . . . 1976B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter (Drucksache Nr. 772) 1978B Mitteilung über den Anschluß der Abgeordneten Paschek und Goetzendorff als Hospitanten an die Gruppe der DRP 1978B Erklärung der WAV betr. den Abg. Goetzendorff 1978C Loritz (WAV) 1978C Nächste Sitzung 1978D Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Carl Wirths


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Nach den eingehenden und ausgezeichneten Ausführungen unseres Herrn Berichterstatters braucht man wirklich nicht mehr intensiv in die einzelnen Paragraphen des Gesetzes einzusteigen.
    Aber es scheint mir doch notwendig zu sein, zu einigen Punkten einige grundsätzliche Feststellungen zu machen. Es ist ja leider so, daß in der breiten Öffentlichkeit immer noch keine richtige Vorstellung darüber besteht, was eigentlich sozialer Wohnungsbau heißt. Ich möchte hier an einen Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 27. März 1950 anknüpfen. Überschrift: „Gemeinnütziger Wohnungsbau bevorzugt". Hier wird die ganz falsche Gleichsetzung sozialer Wohnungsbau gleich gemeinnützige Genossenschaften gleich SPD vollzogen. Das ist vollkommen falsch. Wenn der Herr Berichterstatter dieser Zeitung sich einmal die Mühe gemacht hätte, das Gesetz genau durchzusehen, dann hätte er feststellen müssen, daß sich der Begriff des sozialen Wohnungsbaus


    (Wirths)

    nach der Größe, der Miete und der Ausstattung richtet und daß für die Errichtung solcher sozialen Wohnungsbauten sowohl die öffentliche Hand wie die Genossenschaften wie der private Hausbesitzer und die privaten Wohnungsunternehmen absolut gleichberechtigt sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen auch einmal darauf aufmerksam machen, daß es nicht geht, gemeinnützige Genossenschaften nun etwa falsch gleichzusetzen mit SPD. Ich erinnere hier daran, daß eine der ältesten Baugesellschaften in Form einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft im Mai des Jahres 1872 von der privaten Wirtschaft gegründet worden ist und bis heute im Besitz dieser privaten Wirtschaft ist. Das ist die bekannte Barmer Baugesellschaft für Arbeiterwohnungen. Ich erinnere daran, daß eine ganze Reihe von Genossenschaften gemeinnütziger Art besteht, die entweder von den Kommunen oder von den Kommunen mit der privaten Wirtschaft gegründet und aufgezogen worden sind, so daß man davor warnen muß, hier eine solche absolute Gleichsetzung vorzunehmen.
    Weiter liegt ein großer Irrtum in der Auffassung, Wohnungsbauten sozialer Art — also beschränkt nach der Größe und der Miete — würden nur durch diese Genossenschaften ausgeführt. Ich verweise darauf, daß im Lande Nordrhein-Westfalen — ich kann das an Hand der Monatszahlen nachweisen, die vom Statistischen Landesamt Nordrhein-Westfalen im vorigen Jahr herausgegeben worden sind, es liegen mir allerdings nur die ersten drei Vierteljahre vor — der Anteil der gemeinnützigen Gesellschaften an den Wohnungen, die insgesamt erstellt worden sind — Neubau plus Wiederherstellung — lediglich 10 Prozent im Durchschnitt der gesamten neu erstellten oder wiederaufgebauten Wohnungen war, daß der private Anteil also rund 90 Prozent betragen hat. Und Sie sehen aus einer anderen Aufstellung, daß der private Anteil gerade an diesen Wohnungen mit nicht mehr als etwa vier Zimmern ebenfalls ungefähr 90 Prozent beträgt, wobei gerade die Wiederherstellung im Vordergrund steht. Die Wiederherstellung, Wiederaufbau sowie An-, Um- und Ausbau von Wohnungen, machen mehr als zwei Drittel der Gesamtzahlen aus. Sie ersehen daraus, daß sich gerade die private Hand nach der Währungsreform außerordentlich angestrengt hat, um hier mitzuwirken, und sie hat auch den Erfolg zu verzeichnen. Ich bin fest davon überzeugt, daß nach diesem Wohnungsbaugesetz auch ein großes Feld der Betätigung für den privaten Unternehmer, für die privaten Wohnungsunternehmen und für den ausgebombten Hausbesitzer in unseren Großstädten vorhanden ist.
    Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau soll ja an allererster Stelle stehen, wie das Gesetz in § 16 sagt. Es sollen Eigenheime und Kleinsiedlungen, die unter wesentlichem Einsatz von Selbsthilfe gemacht werden, bevorzugt werden. Das ist auch richtig. Ich brauche darauf nicht einzugehen; das hat der Herr Kollege Dr. Brönner vorhin eingehend ausgeführt. Wir sind auch der Auffassung, daß nicht in erster Linie der Städtebau, sondern der Wiederaufbau den Vorrang hat. Aber es muß beides Hand in Hand gehen. Ich erinnere daran, daß die Großstädte jetzt im großen und ganzen ihre Neuplanung fertiggestellt haben. Der ausgebombte Hausbesitzer hat leider Gottes, weil die Arbeiten sehr schwierig waren, jahrelang warten müssen, bis er nun endlich weiß: ich kann wieder aufbauen. Hier müssen wir helfend eingreifen. Hier muß also der Wiederaufbau mit den Planungsabsichten der Städte konform gehen. Denn wir wollen ja vermeiden, daß immer wieder und immer noch Gebäude nur mit Erdgeschoß in den Zentren unserer Städte errichtet werden. Wir werden diesen Wiederaufbau nicht etwa nur mit dem sogenannten begünstigten Wohnungsbau oder freien Wohnungsbau machen können. Wir müssen auch hier Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus schaffen und müssen hierzu auch öffentliche Förderungsmittel in Anspruch nehmen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Blick auf das Problem der Baukostensenkung werfen. Es ist bereits ausgeführt worden, daß Senkungsmöglichkeiten da sind. Herr Klabunde hat das große Problem der Umsatzsteuervergünstigung angeschnitten, die ja bisher nur bei Kleinsiedlungen in Kraft war. Ich glaube, man verfällt bei den Vergleichen der Bau-Indices von vor 1933 und heute einem großen Irrtum. Wenn man die jetzt dreiprozentige Umsatzsteuer auf den verschiedenen Stufen zusammenrechnet, dann kommen allein mindestens 10 bis 15 Prozent der Gesamtukosten heraus. Dieses Problem muß nach
    meinem Dafürhalten also für das nächste Wohnungsbaugesetz, vielleicht auch schon vorher, ganz intensiv bearbeitet werden.
    Wir haben in das Gesetz die Verpflichtung der Gemeinden hereingebracht, zu billigen Preisen Bauland zur Verfügung zu stellen. Das gilt natürlich nur für die, die es noch können. Wir haben aber eine ganze Reihe von Gemeinden, die noch sehr viel Bauland haben, und wir müssen leider Gottes in einigen Fällen feststellen, daß sie einmal mit den Preisen noch sehr hoch sind und andererseits an den Ausbau der Straßen zu große Anforderungen stellen. Das Gesetz sieht hier vor, daß die Anforderungen an den Straßenausbau nicht zu hoch sein dürfen.
    Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Artikel der „Deutschen Kommentare" aus den letzten Tagen zu sprechen kommen. Ich erwähne ihn nur, weil er auf Unterhaltungen mit dem Leiter einer hohen Stelle der Bundesregierung Bezug nimmt. Es werden da Vorschläge für die Senkung der Baukosten gemacht, zu denen man seitens der Bauwirtschaft Stellung nehmen muß. Einmal wird hier als Vorbild angeführt, daß angeblich — nach meinen Informationen ist das nicht ganz richtig — bei den großen Sonderbauvorhaben in Schleswig-Holstein der Einkauf der Baustoffe durch die GEG vorgenommen werden soll. Ich bin der Meinung, daß das keine Regel sein darf; denn wir haben den seit Jahrzehnten vorhandenen und seine Aufgabe durchaus erfüllenden Baustoffachhandel, den wir nicht ausschalten dürfen. Wir haben ja nicht nur Großbauvorhaben, sondern wir haben auch an den Wiederaufbau einzelner Häuser in den Städten zu denken. Wir können also eine Baukostensenkung durch die Ausschaltung des berufenen Fachhandels nicht befürworten.
    Weiter wird darauf hingewiesen, man habe sich
    — das ist wahrscheinlich der Leiter dieser hohen
    Stelle der Bundesregierung gewesen — darüber
    ausgelassen, daß sich die Bauwirtschaft dagegen
    sträube, neue Erfindungen un moderne Baugeräte
    Erfindungen und moderne Baugeräte
    einzuführen. Meine Damen und Herren, wie ist
    denn da die Lage? Wir haben seit Jahrzehnten
    solche Erfindungen gehabt. Sie sind mal auf den
    Markt gekommen, sie wurden mal hier und mal da
    gebraucht, und dann verschwanden sie wieder.
    Wenn man hier auf ein neues, modernes Schnellmauergerät Bezug nimmt, dann muß das erst ein-


    (Wirths)

    mal ausprobiert werden. Es kann der Bauwirtschaft aber nicht zugemutet werden, nun das Versuchskaninchen für die Tausende von Erfindungen abzugeben, die wir heute haben. Es müßte durch die Bundesstellen oder durch die Landesstellen geprüft werden, ob diese neuen Geräte nun wirklich praktikabel sind oder nicht, und dann müßten sie nach der Ausprobierung dem Markt so billig angeboten werden, daß die bauausführende Wirtschaft sie kaufen kann. Es kann dieser nicht zugemutet werden, Modellpreise für solche Geräte zu bezahlen. Wenn man sich davon aber eine Senkung der Baukosten verspricht — von geringeren Handelsspannen erwartet man 6 Prozent Ersparnis, ferner durch das moderne Baugerät 14 Prozent —, so ist das eine Milchmädchenrechnung.
    So geht es wirklich nicht. Ich möchte feststellen, daß die Bauwirtschaft doch gerade, weil sie öffentliche Gelder zu verbauen hat, unter Kontrolle steht. Alle Kalkulationen liegen den auftraggebenden Stellen offen, und ich glaube, es wäre eine sehr gute Aufgabe gerade dieses in einer Entschließung geforderten Ausschusses, hier zusammenzuarbeiten und zusammenzuwirken, um zu erreichen, daß ein ungerechtfertigtes Steigen der Baukosten vermieden wird. Dazu kommt eine ganze Reihe von anderen Gesichtspunkten, die im Gesetz niedergelegt sind, etwa die Einführung von neuen Bauarten, von Normen, und eine einheitliche Regelung des Verdingungswesens.
    Meine Damen und Herren! Noch ein kurzer Satz zu einem weiteren Problem, das durch das Gesetz nicht geregelt ist und auch nicht geregelt werden kann. Wir sind froh, glaube ich, daß endlich einmal ein Gesetz geschaffen worden ist. das die breiteste Öffentlichkeit interessiert und das vom Bundestag mit einer großen Mehrheit verabschiedet werden kann. Das dient ganz zweifellos dem Ansehen der Arbeit dieses Bundestages. Aber die Leute draußen müssen nun auch etwas sehen. Sie müssen sehen, daß die Bauten jetzt aus der Erde wachsen. Ich glaube, daß sich nun sowohl der Herr Bundesminister wie die verantwortlichen Länderminister und die Gemeinden über das Problem der Zwischenfinanzierung Gedanken machen: denn es scheint mir noch nicht in allen Teilen restlos gelöst zu sein. Ich glaube weiter, daß der Herr Bundesminister das Ergebnis der Verhandlungen mit der sehr starren Bank deutscher Länder einmal veröffentlichen müßte, um hier die Verantwortlichkeit genau festzulegen. Die Zwischenfinanzierung darf nicht daran scheitern, daß die BdL ihre Taschen zugeknöpft hält. Sie braucht es nicht zu tun. weil ja das Gesamtvolumen oder der finanzielle Rahmen da ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und der BP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Lücke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe in diesem Augenblick die 12 Millionen — vielleicht sind es 14 Millionen — Menschen, die durch diesen wahnsinnigen Krieg in Westdeutschland ohne Wohnung dastehen, und darum drücke ich als Vorsitzender des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen vor dem Hohen Hause meine Freude darüber aus, daß . es in diesem ersten Bundesparlament in Bonn in dieser wichtigen Frage möglich war, Einmütigkeit zu erzielen, daß der Ausschuß es vermocht hat, über alle Sonderinteressen hinaus die Not zu sehen, unter der seit vier Jahren etwa 12 bis
    14 Millionen Menschen unseres Volkes leiden. Wer von Amts wegen die Probleme in ihrer ganzen Auswirkung studiert hat, wer erlebt hat, wie Familien in der Enge der Räume zugrunde gingen, wer erlebt hat, wie in Köln, in München und in Hamburg die Menschen in Bunkern zugrunde gingen, wer erlebt hat, wie die Flüchtlinge in die kleinen Wohnungen hineingepfercht wurden, der wird mit mir der Auffassung sein, daß dieses Hohe Haus keine vornehmere Aufgabe hat, als alle Kräfte einzusetzen, damit diese Frage mit der notwendigen Beschleunigung erledigt wird.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung diese Frage als das Problem Nr. 1 bezeichnet und damit den Willen der Regierung ausgedrückt, dieser Frage die gebührende Beachtung zu schenken und sie gemeinsam mit dem Hohen Haus baldmöglichst zu lösen.
    Dieses Gesetz ist das erste Wohnungsbaugesetz in Deutschland überhaupt. Jeder, der in der Bauwirtschaft oder in der Verwaltung steht, wird ermessen können, daß die Aufgabe, vier Millionen Wohnungen zu bauen, keine Randfrage ist, daß sie doppelt schwer ist, wenn auf der andern Seite die Besatzungskosten zu tragen, acht Millionen Flüchtlinge und sechs Millionen Kriegshinterbliebene zu versorgen sind. Dennoch wollen wir, daß diese vier Millionen Wohnungen mit der notwendigen Beschleunigung gebaut werden.
    Zu dem materiellen Inhalt des Gesetzentwurfs brauche in nicht mehr Stellung zu nehmen, nachdem es Freund Dr. Brönner in seinem Bericht bereits ausreichend getan hat. Aber ich möchte für unsere Fraktion — und ich glaube, daß ich dabei auch über den Rahmen meiner Fraktion hinaus für alle Fraktionen spreche - ein Besonderes sagen: daß wir in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen den Menschen, der in der Vergangenheit geschändet worden ist, stellen und ihm wieder zu seiner Würde zurückverhelfen müssen. Um diesen Menschen geht es in diesem Gesetz in erster Linie.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Sehr richtig!)

    In den Artikeln 1 bis 6 des Grundgesetzes sind die Grundrechte festgelegt worden. Artikel 6 sagt, daß die Familien den besonderen Schutz des Staates genießen sollen. Meine Damen und Herren, wer draußen die Situation unserer Familien kennt, die keinen Raum haben, wird sicherlich mit uns der Auffassung sein, daß wir richtig handeln, wenn wir bei allen Beratungen über diesen Gesetzentwurf den Menschen und die Familie in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen stellen, denn der Aufbau des Staates ist nur möglich, wenn die Familien gesund sind und wachsen können. Daraus resultieren alle unsere Forderungen und Wünsche — und ich darf bekennen, daß hier alle Parteien mitgemacht haben —, daß wir nicht Kleinstwohnungen, nicht Primitivwohnungen bauen wollen, daß wir uns nicht auf einen Lebensstandard einer Zeit vor 50 oder 100 Jahren zurückschrauben lassen, sondern daß wir alle modernen Erkenntnisse der Bauwirtschaft im Wohnungsbau verwirklichen wollen. Vor allem sollen die Wohnungen eine Größe bekommen, daß sich darin ein normales Familienleben überhaupt entwickeln kann.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Sehr richtig!)

    Wir haben im Gesetz eine Größenordnung von 32 bis 65 Quadratmeter festgelegt. Bei kinderreichen Familien ist darüber hinaus die Möglichkeit gegeben, bis auf 120 Quadratmeter zu gehen. So stellt also dieses Gesetz einen Fortschritt dar,


    (Lücke)

    über den wir uns — und ganz besonders ich persönlich, weil ich seit Jahren um dieses Anliegen kämpfe — sehr freuen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Voraussetzung ist jetzt geschaffen, und es liegt an uns, daß die Gleise des Wohnungsbaus weiterhin richtig gelegt werden. Es sollen keine Provisorien geschaffen werden. Die Wohnungen, die jetzt mit den wenigen zur Verfügung stehenden Geldern erstellt werden, müssen so sein, daß sich darin ein Familienleben entwickeln kann, und daß die Familien, die das Kind bejahen, in ihren Wohnungen Raum dafür erhalten.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Bravo!)

    So enthält dieses Gesetz den Grundgedanken, den Familien den erforderlichen Lebensraum zu schaffen. Unsere Wünsche in dieser Richtung sind in diesem Gesetz im wesentlichen verankert. Die Familie und die Persönlichkeit müssen wir als die Grundlage, als die Keimzelle des Staates ansehen; darauf baut sich der Staat auf. Aus dieser Betrachtung folgt auch zwangsläufig unsere Forderung, daß wir zu einem Eigentum der breiten Volksschichten auch im Wohnungsbau kommen. Damit entsprechen wir einem Verlangen das in unserem
    Volk zutiefst verankert ist. Wir möchten, daß im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus, wo Bauvorhaben mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Wohnungen und die Kleinsiedlungen und die Eigenheime in das Eigentum der breiten Volksschichten überführt werden, soweit es irgend möglich ist.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Sehr richtig!)

    Wir möchten. daß unsere Bevölkerung auch durch dieses Wohnungsbaugesetz auf lange Sieht krisenfest gemacht wird, indem ihr die Möglichkeit gegeben wird. Eigentum zu erwerben. Bedenken Sie, daß es sich ja nicht nur um die Ausgebombten handelt. die wohnungslos dastehen. sondern daß ja auch die namenlosen unzähligen Flüchtlinge dazu zählen. die einmal Eigentum hatten, mag auch dieses Eigentum noch so klein gewesen sein. Wir wünschen, daß die breiten Schichten des Volkes zu Eigentum kommen. Deswegen ist in das Gesetz auch die Bestimmung aufgenommen. daß der Staat in all den Fällen, in denen die Wohnungssuchenden verschiedener Art sich ans Werk machen. Wohnungen durch verstärkten Einsatz der Selbsthilfe 711 bauen. aus öffentlichen Mitteln eine bevorzugte Förderung gewähren soll. Meine Damen und Herren. wir haben damit, glaube ich. einen Wunsch verwirklicht, der - unausgesprochen. aber auch tausendfältig ausgesprochen — draußen im Volk besteht. Daher wünschen wir die Selbsthilfe der Wohnungssuchenden in jeglicher Form. um das Tempo des Wohnungsbaues mit aller Kraft zu beschleunigen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir müssen deshalb unterstützen, was Kollege Klabunde sagte, nämlich über unser gestecktes Ziel hinaus durch Anwendung moderner Bauformen und eine Forcierung der Bauvorhaben eine Konzentrierung der Baukapazität vorzunehmen, damit wir vielleicht in acht bis zehn Jahren die ärgste Wohnungsnot beseitigt haben. Dabei haben wir immer den Menschen zu sehen, der in menschenunwürdigen Wohnungen leben muß und in Gefahr ist, zugrunde zu gehen. Ich glaube, daß wir auf diesem Wege gerade mit der Selbsthilfe sehr viel erreichen können. Das vorliegende Gesetz anerkennt diese Selbsthilfe und stellt die besondere Förderung dieses Gedankens heraus.
    Über diesen Raum hinaus möchte ich allen Wohnungssuchenden zurufen, daß es für den Bund allein unmöglich ist, das Wohnungsbauprogramm mit der notwendigen und wünschenswerten Beschleunigung durchzuführen. Daher sind alle aufgerufen, Länder, Gemeinden, Bauherren aller Art, ja, das ganze deutsche Volk, alle Kräfte und Möglichkeiten einzusetzen, die dazu beitragen, die Wohnungsnot zu beseitigen.
    Ich darf hei dieser Gelegenheit im Auftrage der CDU/CSU-Fraktion etwas nachholen, was bei der Generaldebatte versäumt worden ist. Es ist mir zugleich ein persönliches Anliegen. Ich möchte den Dank an die Länder, an die Städte und Gemeinden, die die Last des Wohnungsbaues bis jetzt allein getragen haben, an die freien und gemeinnützigen Genossenschaften, die Kirchen, aber auch an die vielen Einzelbauherren aussprechen, die unter verzweifelten Umständen im Lande draußen oft mit großem Erfolg versucht haben, das Problem zu lösen. Diesen Dank auszusprechen, ist heute der rechte Anlaß, und ich glaube. daß ich für Sie alle spreche, wenn ich diesen Dank ausspreche und Sie bitte. nun weiter mit uns zu arbeiten, um nunmehr auf der Bundesebene gemeinsam das Problem zu lösen.
    Ich darf dann noch den Realkreditinstituten unseren Dank aussprechen, die in den letzten Monaten und Wochen unseren Wünschen — und sie waren, wie unser Berichterstatter schon ausgedrückt hat, manchmal sehr weitgehend — Rechnung getragen haben, so Rechnung getragen haben, daß für dieses Jahr die erststelligen Hypotheken für den sozialen Wohnungsbau gesichert sind. Wer die wirkliche finanzielle Situation im Gebiet der Pundesrenublik kennt, wird sich über das gezeigte Verständnis freuen. — Ich darf die Gelegenheit benutzen, über dieses Haus hinaus das Ausland zu bitten, uns durch Gewährung von langfristigen Darlehen die Möglichkeit zu verschaffen, die Finanzierung des Wohnungsbaues in den nächsten Jahren in verstärktem Umfange zu ermöglichen.
    Wir bitten auch das Ausland, daß es uns hilft, die Aufgabe zu lösen, die uns zusätzlich neben dem Aufbau der bombardierten Städte erwachsen ist durch den Zuzug von rund 8 Millionen Ostvertriebenen. Wir bitten das Ausland und hören nicht auf zu bitten, uns die Möglichkeiten zu geben, die primitivsten Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben überhaupt zu schaffen, Wohnungen bauen zu können, daß man uns mit Krediten und Darlehen auch vom Ausland her hilft, diese Aufgabe zu lösen.
    Ich darf berichten von den vielen, vielen Verhandlungen, die ich als Vorsitzender dieses Ausschusses in den letzten Tagen mit den am Wohnungsbau interessierten Kreisen führen durfte, die nicht mit dem Gesetz in der jetzigen Fassung völlig einverstanden sind und die Verwirklichung ihrer Sonderwünsche anstrebten.
    Meine Damen und Herren, es handelt sich bei diesem Gesetz um ein erstes Gesetz, und weder unsere Fraktion noch alle anderen Fraktionen, noch die Gewerkschaften, noch der Haus- und Grundbesitzerverein, noch die Banken, noch unser Bundesminister für Wiederaufbau sind wohl im letzten mit diesem Gesetzentwurf ganz zufrieden. Das ist einfach unmöglich. Ich möchte all diesen Gruppen sagen, daß wir das Menschenmögliche getan haben, um alle Sonderwünsche zu berücksichtigen. Aber, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir hierzu eine Bemerkung. Der Abgeordnete des Deutschen Bundestages, meine sehr verehrten


    (Lücke)

    Damen und Herren, ist nicht in erster Linie Vertreter einer Interessengruppe, er ist in erster Linie Vertreter des deutschen Volkes und hat bei all seinen Entscheidungen das gesamte deutsche Volk zu sehen.

    (Sehr richtig! und Händeklatschen bei den Regierungsparteien.)

    Wir bitten doch diese Gruppen, die nun wirklich glauben, zu kurz gekommen zu sein — tatsächlich stimmt es nicht —, doch erst einmal diese zweite Lesung abzuwarten und sich den Bericht von Herrn Kollegen Dr. Brönner zur Hand zu nehmen. Da werden ja alle diese Fragen geklärt, die in den letzten Tagen in einigen Zeitungen vorzeitig und sinnentstellend, wie es nicht mehr zu verantworten war, behandelt wurden. Die Mitglieder des Ausschusses haben bewiesen, daß sie sich dieser Grundforderung bewußt waren, sonst wäre es nicht möglich gewesen, in den zahlreichen kritischen Punkten zu einer Einstimmigkeit in diesem Gesetz zu kommen, wie es geschehen ist. Mit dem Kollegen Klabunde darf ich sagen: es gab bei den Beratungen über dieses Gesetz keine Sieger und Besiegte, wie das so manche Zeitungen glaubten berichten zu dürfen.

    (Bravo! bei der CDU.)

    Ich darf meine Ausführungen schließen, weil es meine Absicht nicht ist, von der hier gewährten Redezeit in vollem Umfange Gebrauch zu machen. Ich darf schließen mit einem Aufruf — und darf mich in diesem Augenblick als Sprecher derer fühlen, die auf eine Wohnung seit Jahren warten. Meine Damen und Herren dieses Hohen Hauses! Das deutsche Volk hat unter dem Diktator Hitler in einer phantastisch kurzen Zeit Autobahnen gebaut, einen Westwall und Ostwall gebaut, Industrien aus dem Boden gestampft und bis 1938 90 Milliarden in eine wahnwitzige Rüstung hineingesteckt. Es hat dann einen noch unseligeren Krieg geführt. Das vermochte der Diktator Hitler.
    Wir lehnen eine Diktatur ab. Aber, meine Damen und Herren, hinter uns steht eine Diktatur, die ernster zu nehmen ist als die eines einzigen wahnsinnigen Menschen, wie es damals bei Hitler der Fall war. Hinter uns steht die Diktatur der Not, der Not von zwölf Millionen, die ohne Heim und ohne menschenwürdige Wohnung sind. Ich bitte das Hohe Haus und auch unseren Bundesminister für Wohnungsbau und die Bundesregierung, sich bei den kommenden Maßnahmen immer dessen eingedenk zu sein, daß wir dieser Diktatur „Not" gern unser Herz und unser Ohr und unseren Verstand leihen wollen, und nehme an, daß dieses Hohe Haus alles daransetzen wird, diese Schlüssel zur sozialen Frage zu formen und zu schaffen.
    Ich glaube, auf diesem Wege gibt es keine Meinungsverschiedenheiten; und ich glaube, die heutige Sitzung wird manches gutmachen, was in den letzten Monaten auch von diesem Hohen Hause versäumt worden ist. Ich glaube, es wäre auch für das zwanzigste Jahrhundert mit diesem Gesetz etwas gutzumachen, was in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts versäumt worden ist. Es wäre vielleicht möglich, daß die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sich ihrer sozialen Verantwortung bewußt würde und daß spätere Geschichtsschreiber einmal sagen würden, daß die letzte Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts das Jahrhundert des sozialen Wohnungsbaus genannt wird.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Wenn uns das gelingt, meine Damen und Herren, haben wir die Notwendigkeiten der Stunde erkannt und die Erkenntnisse aus der Vergangenheit richtig verwirklicht.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)