Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Ich kann in dieses Loblied auf dieses Wohnungsbaugesetz nicht einstimmen.
Das vorliegende Gesetz entspricht keineswegs den Bedürfnissen und den Hoffnungen, die die Bevölkerung an dieses Gesetz geknüpft hat.
Die Propaganda, die um dieses Gesetz gemacht wurde, steht in keinem Vergleich zu dem materiellen Inhalt dieses Gesetzes. Man hat in der Öffentlichkeit außerdem die Dinge so dargestellt, als sei dieses Gesetz geeignet, wesentlich die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Der Herr Arbeitsminister Storch sprach davon, daß 600 000 bis 700 000 Arbeiter dadurch zusätzlich beschäftigt werden könnten. Wie ist in Wirklichkeit die Lage? — Im vergangenen Jahr wurden schätzungsweise 220 000 Wohnungen wiederhergestellt. Hinzu kamen große Vorhaben an Hotel- und Luxusbauten, die jetzt zum Teil auslaufen. Es ist auf Grund dieses Gesetzes gar nicht anzunehmen, daß in der Bauwirtschaft wie in der Zubringerindustrie in diesem Jahr mehr Leute Beschäftigung fänden, als es im vergangenen Jahr der Fall war. Das muß jedenfalls festgestellt werden, um denen zu begegnen, die jetzt versuchen, über die wirklichen Ursachen der Arbeitslosigkeit hinwegzutäuschen.
Nun zu den Finanzierungsfragen des Gesetzes. Es wurde hier gesagt, die Finanzen seien gesichert. Wir als Kommunisten können dieser Beteuerung des Herrn Ministers keinen Glauben schenken. Selbst die Kapitalsammelstellen haben ja nur erklärt, daß sie auf ihre Institute einwirken würden; also so bindend ist die Erklärung nicht, daß sie 600 bis 800 Millionen DM aufbringen werden.
Hinzu kommt, daß man 400 Millionen aus den Münzgewinnen eingesetzt hat. Wir halten das für keine sichere Finanzgrundlage; wurde doch vor Wochen selbst gesagt, daß diese Münzgewinne in diesem Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach nicht voll zum Einsatz gelangen würden. Wir sind der Meinung, um einen Grundstock für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen, sollte das Haus unserem Abänderungsantrage zustimmen, daß 10 Prozent der Bundeseinnahmen jährlich für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden.
— Ja, man sagt: mehr, aber Sie haben sich im Ausschuß nicht auf eine ganz bestimmte Summe des Haushalts festlegen wollen. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß das dringend erforderlich ist. Wir befinden uns hier in voller Übereinstimmung auch mit den Gewerkschaften.
Wir sind weiter der Auffassung, daß es untragbar ist, wie es in den §§ 2 und 3 heißt, daß Mittel
aus Steuervergünstigungen und solche, die in öffentlichen Haushalten für Angehörige der Verwaltungen ausgewiesen sind, nicht als öffentliche Mittel deklariert werden sollen. Wir haben einen diesbezüglichen Abänderungsantrag eingebracht, um sicherzustellen, daß auch diese Mittel in erster Linie dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Auch darin stimmen wir mit den Gewerkschaften überein.
Überall im ganzen Gesetz, bei der Beratung der Gesetzesvorlage, als es darum ging, daß die Koalitionsparteien, wie hier gesagt wurde, Kompromisse in der Richtung des sozialen Wohnungsbaus machen sollten, hat man sich auf die Annahme von Entschließungen beschränkt. Aber Entschließungen sind leere Deklarationen. Wenn man ehrlich gewillt gewesen wäre, hätte man diese Grundsätze ja im Gesetz verankern können! Daß man es nicht getan hat, ist ein Beweis dafür, daß man nicht ernstlich gewillt ist, den sozialen Wohnungsbau vorwärtszutreiben. Man hat auf unsere Forderung, die Steuervergünstigungen gemäß § 7c des Steuergesetzes und die Mittel für die Bauten der Verwaltungsangehörigen als öffentliche Mittel zu deklarieren, geantwortet, dann würden eben die Mittel aus den Steuervergünstigungen nicht in den Wohnungsbau gehen. Das ist doch eine vollständige Verkennung der wirklichen Sachlage. Die Unternehmer, die Gelder abzweigen, weil sie die Steuervergünstigung gemäß § 7c in Anspruch nehmen wollen, tun das nicht in erster Linie, um Wohnungen zu bauen, sondern um ihren Gewinn zu steigern, um ihr Vermögen anzuhäufen. Das ist doch der wahre Sinn auch des Steuergesetzes.
Dann zur Landbeschaffung. Der § 12, der sich mit der Landbeschaffung beschäftigt, ist in Wirklichkeit nur eine Empfehlung an die Länder, die Gemeinden, die Genossenschaften und sonstige Körperschaften. Wenn man hier in Westdeutschland jene demokratischen Maßnahmen durchgeführt hätte, die in der Deutschen Demokratischen Republik
durchgeführt wurden, nämlich die Bodenreform und die Enteignung der Großkapitalisten, dann würde man mit der Beschaffung von Bauland weniger Sorgen haben. Man hat die Bodenreform hintertrieben. Aber in der Deutschen Demokratischen Republik wurden Hunderttausende Neubauern und Flüchtlinge neu angesiedelt.
— Diese Tatsache kann keiner aus der Welt schaffen.
Ein wichtiges Kapitel in diesem Gesetz ist die Miethöhe. Es wurde festgelegt, daß die Miethöhe von einem Mietrichtsatz bis zu einer Mark pro Quadratmeter ausgehen soll. Wir sind der Meinung, daß man im Gesetz festlegen sollte,
daß die Miete 50 Pfennig pro Quadratmeter bis 1 DM betragen soll, nur in Ausnahmefällen bis 1,10 DM. Legt man aber schon 1 DM zugrunde, dann werden die Mieten sehr bald anziehen. Aber jeder, der das wirkliche Leben kennt — und man sollte ja annehmen, daß die Mitglieder des Hauses das wirkliche Leben kennen —, muß doch zugeben, daß ein Arbeiter mit einem Wochenlohn von 40 DM oder noch weniger nicht in der Lage ist, monatlich eine Miete von 60 und mehr DM für 60 oder 70 Quadratmeter Wohnraum zu zahlen.
— Ich habe gesagt: bis 1 DM; aber wir wünschen, daß der Satz von 50 Pfennig, der von den Gewerkschaften vorgeschlagen wird, noch hineingenommen wird.
Im § 20 Absatz 2 befaßt man sich mit der Bereitstellung von öffentlichen Mitteln und mit der Übernahme von Bürgschaften für den sogenannten Werkswohnungsbau. Außerdem will man durch diesen Paragraphen erlauben, daß die Arbeiter und Angestellten fünf Jahre durch Arbeits- oder sonstige Verträge an die einzelnen Fabriken gebunden werden. Das ist untragbar. Wir sind der Auffassung, daß der Werkswohnungsbau nichts mit einem echten sozialen Wohnungsbau zu tun hat. Man sollte für den Werkswohnungsbau keinerlei öffentliche Mittel oder sogar Bürgschaften geben oder übernehmen. Wir haben Ihnen durch einen Abänderungsantrag und einen Streichungsantrag vorgeschlagen, diese Gefahren abzuwenden. Auch in der Denkschrift der Gewerkschaften wird dieses Kapitel mit aller Deutlichkeit, und zwar auch im Sinne meiner Ausführungen, angezogen.
Wir sind damit einverstanden, daß derjenige, der die Grundsteuerermäßigung in Anspruch nimmt, eine gewisse Erleichterung erhält auch in bezug auf die Wohnungsgröße; man soll ihm einen Raum mehr geben, als es nach der üblichen Zuteilung zulässig wäre.
Einer vollständigen Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung aber, wie sie nach Teil III dieses Gesetzes vorgesehen ist, können wir nicht zustimmen, solange Millionen Menschen noch keine anständigen Wohnräume haben. Wir haben entsprechende Vorschläge unterbreitet. Seien Sie sich dessen bewußt: wenn Sie den III. Abschnitt des Gesetzes so annehmen, wie er jetzt festgelegt ist, wird das zu sozialen Auseinandersetzungen erheblicher Art führen. Die Arbeiter und die Flüchtlinge werden kein Verständnis für eine solche Formulierung aufbringen.
Wie gesagt, wir haben in den Abänderungsanträgen unsere Meinung dargelegt. Wir werden unsere endgültige Stellungnahme zu diesem Gesetz von der Behandlung unserer Abänderungsanträge abhängig machen, hoffen jedoch, daß sie angenommen werden. Wir denken aber nicht daran, uns mitverantwortlich zu machen für ein Gesetz, das im großen und ganzen doch nur eine Begünstigung der besitzenden Kreise mit sich bringen muß. Wir werden uns über dieses Gesetz in der Öffentlichkeit und auch in den Gewerkschaften noch unterhalten.
Das Wohnungselend ist ein Teil des allgemeinen deutschen Elends. Wir müssen versuchen, den nationalen Notstand zu beseitigen, und zwar dadurch, daß wir zu einem Friedensvertrag kommen, der uns unsere nationale Souveränität zurückgibt, und dadurch, daß wir von den Besatzungskosten loskommen. Nur in einem einheitlichen und freien Deutschland werden wir auch für die Menschen, die ausgebombt sind und heute keine Wohnung haben, wieder anständige Heimstätten schaffen können.