Rede von
Erich
Klabunde
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Als wir vor einigen Wochen die Vorlage der SPD und kurz danach die Vorlage der Regierung in der ersten Lesung erörterten, habe ich erklärt, daß eine gemeinsame Lösung möglich ist, wenn eine Reihe wesentlicher Korrekturen erfolgt. Diese Korrekturen sind erfreulicherweise in dem Ausschuß zustande gekommen, und ich verzeichne es mit Genugtuung, daß dieses Gesetz offenbar die einheitliche Zustimmung des Hauses finden wird, was die deutsche Bevölkerung, glaube ich, besonders anerkennen wird. Hier ist nicht irgendein beliebiges Gesetz geschaffen worden, sondern — gestatten Sie mir den Vergleich -- sozusagen ein Grundgesetz auf dem Gebiet des Wohnungswesens, wenigstens soweit es sich um den Wohnungsbau handelt.
Dieses Grundgesetz hat nun eben auch die Tugenden und Fehler unseres anderen größeren Grundgesetzes, d. h. es ist nicht möglich, zu jeder Bestimmung mit gleicher Begeisterung ja zu sagen. Es ist aber wohl möglich, zu dem gesamten Werk ja zu sagen.
Sie wissen, daß sich noch in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit eine ganze Reihe von Kritiken ergeben haben. Ich darf insbesondere auf die Sorgen hinweisen, die der Deutsche Gewerkschaftsbund geäußert hat und die insbesondere auch die Sorgen meiner Partei sind. Wenn wir dennoch an dieser Fassung, die der Ausschuß gefunden hat. festhalten, so geschieht es, weil wir zwar eine ganze Reihe von in der Zukunft notwendigen Änderungen sehen, aber im Augenblick unter allen Umständen eine sichere Basis des Beginnens haben wollen. Diese sichere Basis ist gerade dadurch erzielt worden, daß die sehr allgemein gehaltenen Wendungen des Regierungsentwurfs letzt sehr konkretisiert sind, weswegen erfreulicherweise auch der Herr Bundeswohnungsminister gestern sagen konnte, er halte dieses Gesetz für eine gute Fassung. Ich glaube, er stimmt mir zu, wenn ich sage: im Vergleich zu dem Regierungsentwurf sind auch eine Reihe echter sachlicher Verbesserungen erzielt worden.
Dabei möchte ich keinen Zweifel darüber lassen, daß für uns — und hoffentlich auch für das ganze Haus — die Entschließungen zu dem Gesetz mindestens die gleiche Bedeutung haben wie der Gesetzestext selbst. Wenn man daraus, daß nicht alles in Paragraphen gefaßt worden ist, folgern wollte, es gäbe Fragen von größerer Dringlichkeit im Gesetz und geringerer Dringlichkeit außerhalb des Gesetzes „nur" in der Form der Entschließung, dann wäre das eine völlig falsche Betrachtung der Dinge. Denn dieses Gesetz funktioniert nicht automatisch. Das Gesetz funktioniert nur, wenn alle Beteiligten, die Bundesregierung, die Länderregierungen, der Bundestag, die Länderparlamente, die Kommunen usw. ständig und unaufhörlich das ihre tun, um den in dem Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen in die Tat umzusetzen.
Das Gesetz ist nicht ein toter Buchstabe und kann als toter Buchstabe nicht existieren — wie wir es von anderen Bestimmungen kennen —, sondern das Gesetz muß täglich neu praktiziert werden. Es ist wohl eine grundsätzliche Entscheidung für sechs Jahre gefallen. Aber diese grundsätzliche Entscheidung heißt eben nur: Es ist ein Wille da, ein Wille, der täglich in die Tat umgesetzt werden will und werden soll.
Für uns sind beispielsweise die Entschließung betreffend die Enteignung von Bauland und der Erlaß eines besonderen Gesetzes darüber im Herbst
dieses Jahres heute schon elementarer Bestandteil des Wohnungsbaugesetzes. Wir wissen, daß all die Schwierigkeiten, die bei der Erörterung dieses Themas entstehen werden, gelöst werden müssen, und ich möchte sagen, hoffentlich mit der gleichen Einmütigkeit, die wir bei diesem Gesetz erleben. Denn wir können beim Wohnungsbau alle Schwierigkeiten auf der Materialseite und in der Frage der Finanzierung überwinden; aber wir können nicht den Boden herbeischaffen, wenn uns die Handhabe dafür nicht gegeben wird. Dazu gehört leider, so große Achtung wir alle vor dem Bonner Grundgesetz haben, daß eine Reihe von Positionen dieses Gesetzes durch ein neues Gesetz so interpretiert und gegebenenfalls geändert werden, daß wir zur Baulandbeschaffung kommen.
Der Fall ist nicht nur denkbar, er steht unmittelbar vor uns, daß wir trotz Geldes, trotz vorhandener Arbeitskräfte und Baustoffe, trotz besten Willens einfach nicht bauen können, wenn das Bauland nicht beschafft wird. Wir wollen zugeben: auf die Dauer gesehen, ist Bauland in Deutschland die knappste Ware.
Wir halte,. die Fixierung von Höchstmieten für
einen außerordentlich wesentlichen Faktor, nicht nur für den Wohnungsbau, sondern für das soziale Leben des deutschen Volkes überhaupt, weil hier ein wesentlicher Posten in der Ausgabenrechnung jedes einzelnen auf lange Sicht stabilisiert wird und weil wir den Mieter von 1950 mit dem Mieter, der erst 1955 seine Wohnung bekommt, gleichstellen können, so daß wir denen, die jetzt in diesem Jahr und im nächsten Jahr nicht bedacht werden können, nicht weitere Nachteile — aus der Entwicklung steigender Kosten — in bezug auf die spätere Miete zumuten müssen.
Lassen Sie mich nun einen Punkt berühren und ganz klarstellen, der in der öffentlichen Debatte jetzt in den Vordergrund tritt. Man sagt, es sei alles subventionierter Wohnungsbau. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat gestern auf seiner Pressekonferenz die Frage schon angesprochen; ich möchte sie noch einmal mit aller Deutlichkeit und auch ausführlicher, als es gestern geschehen ist, präzisieren. Ich möchte Ihnen sagen: bei den im Gesetz vorgesehenen Mieten wäre ein rentabler Wohnungsbau ohne jede öffentliche Hilfe dann möglich, wenn wir die Zinssätze hätten, wie sie etwa in Holland anzutreffen sind. Wenn wir einen 3 %igen Hypothekenzinssatz hätten, brauchten wir keine öffentlichen Gelder im Wohnungsbau, vorausgesetzt, daß die private Kapitalbildung groß genug ist. Das ist heute allerdings nicht der Fall. Das erforderliche Geld für den Wohnungsbau kommt, wie Sie alle wissen, nur zum geringeren Teil aus privaten Quellen. Die Mittel der Realkreditinstitute belaufen sich im Augenblick nur auf 500 Millionen DM. Die erwarteten und geschätzten Mittel der Privaten betragen, wenn wir jetzt einmal die in ihnen enthaltenen Steuerbegünstigungen ausklammern, 300 Millionen DM. Von einem Programm in Höhe von 2,7 Milliarden DM sind also im Augenblick nur 0,8 Milliarden DM privates Geld, und der übrige Betrag in Höhe von fast 2 Milliarden DM ist öffentliches Geld oder kommt aus der Vorfinanzierung durch die Bank deutscher Länder. Wir sehen es als einen außerordentlichen Erfolg an, daß es gelungen ist, diese Vorfinanzierungsmittel in einer solchen Höhe herbeizuschaffen. Denn ohne sie wäre der Wohnungsbau nicht auf die Dimensionen zu bringen, die wir erwarten und die wir fordern müssen. Ich stelle also fest: die These von den Subventionen stammt aus einer völlig falschen Sicht. Selbst wenn wir den 3 %igen Hypothekenzinssatz hätten, wäre die öffentliche Leistung notwendig, weil die private Kapitalbildung jetzt nicht oder sagen wir — da ja alle Möglichkeiten in der Entwicklung liegen — noch nicht ausreicht.
Wir haben nun für dieses Gesetz eine Zielsetzung auf sechs Jahre gewählt. Wir sind uns sicher, obwohl wir in diesem Hause noch nicht darüber gesprochen haben, sehr schnell einig, daß ein weiteres Gesetz etwa von gleicher Dauer, von fünf bis sechs Jahren, erforderlich sein wird — das ist eine rein statistische Überlegung —, damit die durch den Krieg entstandene Lücke im Wohnungswesen geschlossen werden kann. Erst dann sind die bei Kriegsende fehlenden 41/2 Millionen Wohnungen wieder geschaffen. Aber danach, d. h. in zehn bis zwölf Jahren, können wir wohnungspolitisch nicht etwa die Hände in den Schoß legen. Gerade wer die Entwicklung im Ausland einmal als Beispiel verfolgt, stellt vielmehr fest, daß auch kriegsverschonte Länder eine Wohnungsnot haben, weil das Wohnbedürfnis der Bevölkerung sich schneller entwickelt, als die Bevölkerungszahl steigt. Mit anderen Worten, wir werden uns auch in künftigen Parlamenten mit der Wohnungspolitik immer neu zu befassen haben, und es ist richtig, wichtig und zweckmäßig, wenn wir heute schon einmal einen Blick auf diese Zukunft werfen. Das möchte ich kurz tun.
Bedenken Sie bitte, das jetzt beginnende und das folgende Wohnungsbauprogramm umfassen insgesamt 41/2 Millionen Wohnungen oder eine Summe von 45 Milliarden DM. Ich glaube, die deutsche Bevölkerung hat sich bisher noch nicht klar vorgestellt, um welche ungeheure Summe es sich hier handelt. Wir haben jeden Anlaß, nun beispielsweise an die Frage der Baukostensenkung zu gehen. Denn wir wissen, daß ein einziges Prozent bereits annähernd 1/2 Milliarde DM bedeutet. Lassen Sie mich meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß Baukostenverbilligungen möglich sind, insbesondere durch geeignete organisatorische Maßnahmen. Ich denke jetzt gar nicht an neue technische Erfindungen. Diese kommen von selbst und werden sich hoffentlich eines Tages auszahlen. Wir haben es aber seit vielen Jahren versäumt, die Frage der organisatorischen Lösungen überhaupt anzupacken. Die Lösung würde beispielsweise mit einer Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Umsatzsteher beginnen. Bedenken Sie bitte, daß allein die Umsatzsteuer letzter Phase sich hei einer Wohnung, die 10 000 DM kostet, auf 300 DM beläuft. Wir können es sogar so formulieren: die dankenswerte Hilfe, die der Bund dem Wohnungsbau leistet, fließt 7U einem nennenswerten Teil als Umsatzsteuer wieder in die Kassen des Bundes zurück. Wir müßten also — das konnte in dieses Gesetz noch nicht einbezogen werden — möglichst bald zu dieser Lösung kommen. Das wäre ein Einbruch in das Kostengefüge — gemessen an der Gesamtsumme von 45 Milliarden —, der sich auf annähernd 11/2 Milliarden DM belaufen würde. aber allerdings auch zeigt. wie groß das Opfer des Rundes wäre, wenn er auf diese Umsatzsteuer verzichten würde.
Wir können andere Kostenelemente untersuchen; ich behaupte, es ist binnen Jahresfrist möglich, durch geeignete organisatorische Maßnahmen linter Einbeziehung der Umsatzsteuer, die heute der Bund erhält. zu einer Kostensenkung von etwa 1000 DM ie Wohnung — gleich 10 % der kalkurierten Summe — zu kommen. Da ist dann natürlich jeder Posten unter die Lupe zu nehmen, auch die Posten,
die durch ständische Gebührenordnungen usw. festgelegt sind.
Ich will den Punkt nicht näher behandeln, Ihnen aber schon heute sagen: wenn wir die Wohnungspolitik nicht so dynamisch betreiben, daß wir die einzelnen Faktoren, mit denen wir zu rechnen haben, weil wir aus ihnen zu der ungeheuren Summe von 45 Milliarden kommen, nicht ständiger öffentlicher Kontrolle unterziehen, dann wird der Wohnungsbau nicht für 45 Milliarden durchzuführen sein, sondern die Summe wird erheblich steigen müssen. Das aber wollen wir gerade deswegen verhindern, weil wir wissen, wie stark wir die öffentlichen Finanzen zu entlasten vermögen. Wenn es gelingt, die Kosten von 10 000 auf 9000 DM zu reduzieren, bedeutet das, daß allein die öffentlichen Finanzen diesen Vorteil haben, da ja die Miete als solche fixiert ist, wir also in der Lage sind, bei den öffentlichen Finanzen jährlich 250 000 bis 300 000 mal 1000 DM, d. h. mehr als eine Viertelmilliarde, einzusparen oder, anders ausgedrückt, mit der gleichen Summe, die heute an öffentlichen Förderungsbeträgen in den Wohnungsbau fließt, ein wesentlich größeres Volumen des Wohnungsbaus zu finanzieren.
Mit der Wohnungsbaufinanzierung in diesem ungeheuren Ausmaß schaffen wir für die Bauwirtschaft und die zu ihr gehörenden Branchen eine Konjunkturgarantie über sechs Jahre. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, daß aus dieser Konjunkturgarantie ein Preisauftrieb folgt, wie er rein psychologisch naheliegt. Hier hat das Parlament eine Aufgabe völlig außerhalb des zwangswirtschaftlichen Denkens, was ich ausdrücklich klarstellen möchte, denn die Wahrnehmung der Interessen der Steuerzahler kann in keiner Weise bedeuten, daß schon diese Wahrnehmung in den Verdacht gesetzwidriger Manipulationen kommt, obwohl eine solche Äußerung kürzlich durch das Bundeswirtschaftsministerium gemacht wurde. Denn da ist von der Gefahr gesprochen worden, daß die Konferenz der öffentlichen Auftraggeber — das ist in den Entschließungen des Ausschusses niedergelegt, und über diese Entschließungen haben Sie heute abzustimmen — als ein Kartell angesehen werden könnte, das gegen kartellpolitische Bestimmungen verstößt. Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich bitte die groteske Situation vor: wir wollen, daß mit den öffentlichen Geldern sparsam umgegangen wird; wir wollen, daß Fehler in der Verwendung öffentlicher Gelder vermieden werden. Dazu soll diese Konferenz der öffentlichen Auftraggeber unter Beteiligung der Wohnungs- und Bauwirtschaft und der Gewerkschaften dienen. Man bringt diese Institutionen in den Verdacht, daß sie gegen Kartellgesetzbestimmungen verstoßen könnten. Hat denn das Kartellgesetz die Aufgabe, die Preise zu erhöhen, oder Preissenkungen zu verhindern? Das ist doch die Frage, die hier zu stellen ist. Ich hoffe, daß sie bei möglichst naher Gelegenheit, nämlich bei der Erörterung des Kartellgesetzes, in aller Ausführlichkeit diskutiert werden kann.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen nicht den ganzen Katalog unerfüllter sozialdemokratischer Wünsche vortragen, ich möchte nur mit einem schließen: Seien Sie überzeugt, daß das Gesetz nur eine Grundsatzregelung darstellt. Seien Sie überzeugt, daß dieses Gesetz eine sehr müde Angelegenheit werden kann, wenn kein heißer Wille — ein heißer Wille, der mit sehr viel Sachkunde verbunden sein muß — zu seiner Erfüllung dahinter steht. Hier liegt eine Aufgabe des Bundestags, die auch über die Termine der zweiten und dritten Lesung hinausreicht. Wir brauchen die Beteiligung aller, und wir kommen nur zu dieser Beteiligung, wenn wir vom Wohnungsbau in Deutschland ununterbrochen reden und den Reden entsprechend handeln. Wir müssen nämlich davon sprechen, damit die Fehler erkennbar werden und wir sie beheben können. Wir müssen aber in bisher unerhörter Weise handeln, wenn wir das durchführen wollen, was wir uns zum Ziel gesetzt haben. Die 1,8 Millionen Wohnungen für sechs Jahre aus dem sozialen Wohnungsbau zuzüglich eines gewissen Volumens privaten Wohnungsbaus bedeuten ja — wenn wir im Jahre 1950 nur 250 000 bis 270 000 Wohnungen bauen —, daß in jedem der fünf folgenden Jahre im Durchschnitt 360 000 Wohnungen gebaut werden müssen. Das sind Dispositionen in einer Höhe, die heute schon zwingt, die Überlegungen nicht nur für das nächste, sondern auch für die folgenden Jahre anzustellen. Denn wir werden das Programm nur allmählich steigern können. Wir müssen dahin kommen, daß wir, sagen wir, vom vierten Jahr an jährlich 400 000 Wohnungen in Deutschland produzieren, sonst ist das Programm nicht durchzuführen. Die Kapazität der Bauwirtschaft reicht dazu heute nicht aus. Ich nehme an, daß die Kapazitätsausdehnung sich auf mindestens 25 Prozent des heutigen Volumens belaufen muß; d. h. also, daß wir uns nicht nur die Sorgen um die Herstellung der Wohnungen, sondern auch um den Herstellungsapparat, der entsprechend erweitert werden muß, zu machen haben. Es heißt, daß entsprechende Finanzierungsmittel bereitgestellt werden müssen. Der Herr Bundeswohnungsbauminister ist in der Lage, sicher — wie ich glaube — in Aussicht stellen zu können, daß in diesem Jahr die erforderlichen 2,7 Milliarden vorhanden sind. Die Summe muß um 50 Prozent erhöht werden, damit wir auf rund 400 000 Wohnungen je Jahr gelangen.
Wir haben also im Augenblick, so schwierig die gegenwärtigen Aufgaben sind, damit nur die kleineren Aufgaben; die größeren kommen noch. Diese Ausführungen und diese Zahlen sollen Sie zunächst nur darüber informieren, welche großen Themen wir auf dem Gebiet des Wohnungsbaus in den nächsten Jahren zu bewältigen haben.