Rede von
Carl
Wirths
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Nach den eingehenden und ausgezeichneten Ausführungen unseres Herrn Berichterstatters braucht man wirklich nicht mehr intensiv in die einzelnen Paragraphen des Gesetzes einzusteigen.
Aber es scheint mir doch notwendig zu sein, zu einigen Punkten einige grundsätzliche Feststellungen zu machen. Es ist ja leider so, daß in der breiten Öffentlichkeit immer noch keine richtige Vorstellung darüber besteht, was eigentlich sozialer Wohnungsbau heißt. Ich möchte hier an einen Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 27. März 1950 anknüpfen. Überschrift: „Gemeinnütziger Wohnungsbau bevorzugt". Hier wird die ganz falsche Gleichsetzung sozialer Wohnungsbau gleich gemeinnützige Genossenschaften gleich SPD vollzogen. Das ist vollkommen falsch. Wenn der Herr Berichterstatter dieser Zeitung sich einmal die Mühe gemacht hätte, das Gesetz genau durchzusehen, dann hätte er feststellen müssen, daß sich der Begriff des sozialen Wohnungsbaus
nach der Größe, der Miete und der Ausstattung richtet und daß für die Errichtung solcher sozialen Wohnungsbauten sowohl die öffentliche Hand wie die Genossenschaften wie der private Hausbesitzer und die privaten Wohnungsunternehmen absolut gleichberechtigt sind.
Wir müssen auch einmal darauf aufmerksam machen, daß es nicht geht, gemeinnützige Genossenschaften nun etwa falsch gleichzusetzen mit SPD. Ich erinnere hier daran, daß eine der ältesten Baugesellschaften in Form einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft im Mai des Jahres 1872 von der privaten Wirtschaft gegründet worden ist und bis heute im Besitz dieser privaten Wirtschaft ist. Das ist die bekannte Barmer Baugesellschaft für Arbeiterwohnungen. Ich erinnere daran, daß eine ganze Reihe von Genossenschaften gemeinnütziger Art besteht, die entweder von den Kommunen oder von den Kommunen mit der privaten Wirtschaft gegründet und aufgezogen worden sind, so daß man davor warnen muß, hier eine solche absolute Gleichsetzung vorzunehmen.
Weiter liegt ein großer Irrtum in der Auffassung, Wohnungsbauten sozialer Art — also beschränkt nach der Größe und der Miete — würden nur durch diese Genossenschaften ausgeführt. Ich verweise darauf, daß im Lande Nordrhein-Westfalen — ich kann das an Hand der Monatszahlen nachweisen, die vom Statistischen Landesamt Nordrhein-Westfalen im vorigen Jahr herausgegeben worden sind, es liegen mir allerdings nur die ersten drei Vierteljahre vor — der Anteil der gemeinnützigen Gesellschaften an den Wohnungen, die insgesamt erstellt worden sind — Neubau plus Wiederherstellung — lediglich 10 Prozent im Durchschnitt der gesamten neu erstellten oder wiederaufgebauten Wohnungen war, daß der private Anteil also rund 90 Prozent betragen hat. Und Sie sehen aus einer anderen Aufstellung, daß der private Anteil gerade an diesen Wohnungen mit nicht mehr als etwa vier Zimmern ebenfalls ungefähr 90 Prozent beträgt, wobei gerade die Wiederherstellung im Vordergrund steht. Die Wiederherstellung, Wiederaufbau sowie An-, Um- und Ausbau von Wohnungen, machen mehr als zwei Drittel der Gesamtzahlen aus. Sie ersehen daraus, daß sich gerade die private Hand nach der Währungsreform außerordentlich angestrengt hat, um hier mitzuwirken, und sie hat auch den Erfolg zu verzeichnen. Ich bin fest davon überzeugt, daß nach diesem Wohnungsbaugesetz auch ein großes Feld der Betätigung für den privaten Unternehmer, für die privaten Wohnungsunternehmen und für den ausgebombten Hausbesitzer in unseren Großstädten vorhanden ist.
Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau soll ja an allererster Stelle stehen, wie das Gesetz in § 16 sagt. Es sollen Eigenheime und Kleinsiedlungen, die unter wesentlichem Einsatz von Selbsthilfe gemacht werden, bevorzugt werden. Das ist auch richtig. Ich brauche darauf nicht einzugehen; das hat der Herr Kollege Dr. Brönner vorhin eingehend ausgeführt. Wir sind auch der Auffassung, daß nicht in erster Linie der Städtebau, sondern der Wiederaufbau den Vorrang hat. Aber es muß beides Hand in Hand gehen. Ich erinnere daran, daß die Großstädte jetzt im großen und ganzen ihre Neuplanung fertiggestellt haben. Der ausgebombte Hausbesitzer hat leider Gottes, weil die Arbeiten sehr schwierig waren, jahrelang warten müssen, bis er nun endlich weiß: ich kann wieder aufbauen. Hier müssen wir helfend eingreifen. Hier muß also der Wiederaufbau mit den Planungsabsichten der Städte konform gehen. Denn wir wollen ja vermeiden, daß immer wieder und immer noch Gebäude nur mit Erdgeschoß in den Zentren unserer Städte errichtet werden. Wir werden diesen Wiederaufbau nicht etwa nur mit dem sogenannten begünstigten Wohnungsbau oder freien Wohnungsbau machen können. Wir müssen auch hier Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus schaffen und müssen hierzu auch öffentliche Förderungsmittel in Anspruch nehmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Blick auf das Problem der Baukostensenkung werfen. Es ist bereits ausgeführt worden, daß Senkungsmöglichkeiten da sind. Herr Klabunde hat das große Problem der Umsatzsteuervergünstigung angeschnitten, die ja bisher nur bei Kleinsiedlungen in Kraft war. Ich glaube, man verfällt bei den Vergleichen der Bau-Indices von vor 1933 und heute einem großen Irrtum. Wenn man die jetzt dreiprozentige Umsatzsteuer auf den verschiedenen Stufen zusammenrechnet, dann kommen allein mindestens 10 bis 15 Prozent der Gesamtukosten heraus. Dieses Problem muß nach
meinem Dafürhalten also für das nächste Wohnungsbaugesetz, vielleicht auch schon vorher, ganz intensiv bearbeitet werden.
Wir haben in das Gesetz die Verpflichtung der Gemeinden hereingebracht, zu billigen Preisen Bauland zur Verfügung zu stellen. Das gilt natürlich nur für die, die es noch können. Wir haben aber eine ganze Reihe von Gemeinden, die noch sehr viel Bauland haben, und wir müssen leider Gottes in einigen Fällen feststellen, daß sie einmal mit den Preisen noch sehr hoch sind und andererseits an den Ausbau der Straßen zu große Anforderungen stellen. Das Gesetz sieht hier vor, daß die Anforderungen an den Straßenausbau nicht zu hoch sein dürfen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Artikel der „Deutschen Kommentare" aus den letzten Tagen zu sprechen kommen. Ich erwähne ihn nur, weil er auf Unterhaltungen mit dem Leiter einer hohen Stelle der Bundesregierung Bezug nimmt. Es werden da Vorschläge für die Senkung der Baukosten gemacht, zu denen man seitens der Bauwirtschaft Stellung nehmen muß. Einmal wird hier als Vorbild angeführt, daß angeblich — nach meinen Informationen ist das nicht ganz richtig — bei den großen Sonderbauvorhaben in Schleswig-Holstein der Einkauf der Baustoffe durch die GEG vorgenommen werden soll. Ich bin der Meinung, daß das keine Regel sein darf; denn wir haben den seit Jahrzehnten vorhandenen und seine Aufgabe durchaus erfüllenden Baustoffachhandel, den wir nicht ausschalten dürfen. Wir haben ja nicht nur Großbauvorhaben, sondern wir haben auch an den Wiederaufbau einzelner Häuser in den Städten zu denken. Wir können also eine Baukostensenkung durch die Ausschaltung des berufenen Fachhandels nicht befürworten.
Weiter wird darauf hingewiesen, man habe sich
— das ist wahrscheinlich der Leiter dieser hohen
Stelle der Bundesregierung gewesen — darüber
ausgelassen, daß sich die Bauwirtschaft dagegen
sträube, neue Erfindungen un moderne Baugeräte
Erfindungen und moderne Baugeräte
einzuführen. Meine Damen und Herren, wie ist
denn da die Lage? Wir haben seit Jahrzehnten
solche Erfindungen gehabt. Sie sind mal auf den
Markt gekommen, sie wurden mal hier und mal da
gebraucht, und dann verschwanden sie wieder.
Wenn man hier auf ein neues, modernes Schnellmauergerät Bezug nimmt, dann muß das erst ein-
mal ausprobiert werden. Es kann der Bauwirtschaft aber nicht zugemutet werden, nun das Versuchskaninchen für die Tausende von Erfindungen abzugeben, die wir heute haben. Es müßte durch die Bundesstellen oder durch die Landesstellen geprüft werden, ob diese neuen Geräte nun wirklich praktikabel sind oder nicht, und dann müßten sie nach der Ausprobierung dem Markt so billig angeboten werden, daß die bauausführende Wirtschaft sie kaufen kann. Es kann dieser nicht zugemutet werden, Modellpreise für solche Geräte zu bezahlen. Wenn man sich davon aber eine Senkung der Baukosten verspricht — von geringeren Handelsspannen erwartet man 6 Prozent Ersparnis, ferner durch das moderne Baugerät 14 Prozent —, so ist das eine Milchmädchenrechnung.
So geht es wirklich nicht. Ich möchte feststellen, daß die Bauwirtschaft doch gerade, weil sie öffentliche Gelder zu verbauen hat, unter Kontrolle steht. Alle Kalkulationen liegen den auftraggebenden Stellen offen, und ich glaube, es wäre eine sehr gute Aufgabe gerade dieses in einer Entschließung geforderten Ausschusses, hier zusammenzuarbeiten und zusammenzuwirken, um zu erreichen, daß ein ungerechtfertigtes Steigen der Baukosten vermieden wird. Dazu kommt eine ganze Reihe von anderen Gesichtspunkten, die im Gesetz niedergelegt sind, etwa die Einführung von neuen Bauarten, von Normen, und eine einheitliche Regelung des Verdingungswesens.
Meine Damen und Herren! Noch ein kurzer Satz zu einem weiteren Problem, das durch das Gesetz nicht geregelt ist und auch nicht geregelt werden kann. Wir sind froh, glaube ich, daß endlich einmal ein Gesetz geschaffen worden ist. das die breiteste Öffentlichkeit interessiert und das vom Bundestag mit einer großen Mehrheit verabschiedet werden kann. Das dient ganz zweifellos dem Ansehen der Arbeit dieses Bundestages. Aber die Leute draußen müssen nun auch etwas sehen. Sie müssen sehen, daß die Bauten jetzt aus der Erde wachsen. Ich glaube, daß sich nun sowohl der Herr Bundesminister wie die verantwortlichen Länderminister und die Gemeinden über das Problem der Zwischenfinanzierung Gedanken machen: denn es scheint mir noch nicht in allen Teilen restlos gelöst zu sein. Ich glaube weiter, daß der Herr Bundesminister das Ergebnis der Verhandlungen mit der sehr starren Bank deutscher Länder einmal veröffentlichen müßte, um hier die Verantwortlichkeit genau festzulegen. Die Zwischenfinanzierung darf nicht daran scheitern, daß die BdL ihre Taschen zugeknöpft hält. Sie braucht es nicht zu tun. weil ja das Gesamtvolumen oder der finanzielle Rahmen da ist.