Rede von
Wilhelm
Schmidt
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(WAV)
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Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegen heute verschiedene Anträge der verschiedenen Parteien über das Soforthilfegesetz. Auch wir haben in der letzten Zeit gleichlautende oder ähnliche Anträge gestellt, die im Lastenausgleichsausschuß behandelt wurden. Aber im Lastenausgleichsausschuß war die Stimmung immer so, daß es so weit kommen solle, daß am Soforthilfegesetz nichts gerüttelt werden solle, weil dadurch die Abgabe oder die Ausbezahlung der Beträge in Gefahr kommen könnten. Der Herr Präsident sitzt eben vor mir und lächelt ein wenig.
— Nein, ich meine den Vorsitzenden des Lastenausgleichsausschusses.
Zu den Anträgen möchte ich sagen: Ich bedaure, daß das Haus heute nachmittag nicht vollzähliger beisammen ist, denn der vorliegende Punkt ist genau so wichtig, wie es heute vormittag der Wohnungsbau war. Es hat mich von Herzen gefreut, daß das Haus sich heute so einstimmig in einer Kundgebung zusammengefunden hat. Vielleicht ist es auch möglich, in diesen Fragen eine einmütige und einstimmige Zusammenhaltung durchzudrükken.
Ich glaube, wenn von allen Seiten das Verständnis entgegengebracht wird, dann wird es auch möglich sein.
Wer in diesen Dingen im Wirtschaftsleben mitten drinsteht, der sieht, wie die Dinge eigentlich sind. Wir wissen, daß auf der einen Seite die Not der Heimatvertriebenen, der Flüchtlinge und Bombengeschädigten sehr, sehr groß ist. Darüber ist gar nicht lange zu reden. Ich sage noch einmal: Wer selber im Wirtschaftsleben drinsteht, der hat alle Tage die Gelegenheit, sich davon zu überzeugen. Wir wissen, wie groß die Not ist, und wir wollten. daß wir jedem von den Armen helfen könnten, wenn die Mittel vorhanden wären. Aber wir müssen auch auf der andern Seite die Dinge etwas betrachten, so wie die Anträge hier vorliegen, und nicht bloß die Landwirtschaft — es hat schon vorhin als Vorvorredner auch ein kleiner Bauer zu ihnen gesprochen; ich bin auch nur ein kleiner Bauer —, nachdem diese Anträge heute so gestaltet sind. Wir wissen, daß nicht allein der Bauer in dieser Not ist, sondern daß das gesamte Handwerk und der Mittelstand und auch das Gewerbe in der gleichen Lage sind.
Darum müssen wir diesen Dingen zu Leibe gehen. Wir müssen die Not hei den Flüchtlingen lindern. Es gibt hier verschiedene Wege, die man gehen kann. Ich habe dem Herrn Bundesfinanzminister vor vierzehn Tagen einen Antrag überreicht, der in einer Massenkundgebung formuliert wurde.
In dem Zusammenhang eine Bemerkung gegenüber dem Herrn Kollegen Horlacher, der heute gemeint hat, man müsse vor Bauern anders sprechen als vor Leuten in der Stadt. Das ist nicht wahr, meine Damen und Herren. Wer ehrlich ist, kann seine Ausführungen vor Stadtleuten und vor Bauern gleichlautend machen;
wer aber unehrlich ist, der kann das nicht.
Aus dieser Massenversammlung heraus wurde der Antrag gestellt, die Soforthilfeabgabe formal und in bezug auf den Zeitablauf anders zu gestalten. Es wurde bewiesen, daß die Landwirtschaft in der letzten Zeit nicht in der Lage war und auch in den kommenden Monaten nicht in der Lage sein wird, diese Abgabe zu leisten. Das soll aber nicht heißen , daß
wir das Soforthilfegesetz ablehnen, wie mir vorgeworfen wurde. Nein, im Gegenteil, wir wollen den Armen und Notleidenden schneller helfen, und das ist möglich, wenn wir diese Umlage anders gestalten. Ich glaube, es sind so viele Herren Doktoren und Studierte im Saal, die mehr Verständnis dafür haben als wir kleine Bauern. Es muß da einen Weg geben, und wir sehen ihn darin: man muß diese Abgaben auf längere Zeit verteilen. Wir leisten dafür die Bürgschaft. Nur so kommt der Staat in die Lage, sich die Mittel schnell zu beschaffen. Das also heißt: „zeitlich anders gestalten".
Nun zu der Ausgestaltung in formaler Hinsicht. Ich glaube, ich brauche darüber nicht viel zu reden. Wir meinen, man sollte nicht nur den Bauern, nicht nur den Mittelstand und auch die Industrie im kommenden Lastenausgleich belasten, sondern sollte auch die Stände mit heranziehen, die man bisher immer verschont hat und weiter verschonen will.
— Jawohl, einen praktischen Vorschlag in der Hinsicht, daß wir bei dem Lastenausgleich auch die Kreise heranziehen, die man verschont hat,
die Währungsgewinnler und die Hortungsgewinnler!
Warum nimmt man die nicht heran, Herr Kollege? Ich glaube doch, das ist ein Vorschlag.
Bei dem Lastenausgleich sollen — auch das ist schon zum Ausdruck gebracht worden — auch diejenigen Kreise herangezogen werden, die ein hohes Einkommen haben, die hohen und höchsten Beamten, nicht nur die, die einen Besitz haben. Diese Leute kann man doch auch zum Lastenausgleich heranziehen.
Also in dieser Hinsicht wird es schon einen Weg geben.
Nun zu den Anträgen von Herrn Dr. Horlacher, die die Stundung für die Landwirtschaft verlangen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, mit Stundung allein ist der Landwirtschaft nicht gedient. Es ist dem Bauern nicht gedient, wenn er jetzt einige Monate Zeit hat; denn er hat nachher doch das Geld nicht, um diese Abgabe zu leisten. In dieser Hinsicht muß die Regierung helfen, und ich wende mich da an den Herrn Finanzminister. Wir sind ja beide Bayern und haben uns, glaube ich, schon manchmal gut verstanden. Wir werden uns auch in dieser Frage weiter verstehen lernen
Das muß doch möglich sein!
Weiter sind Vorschläge unterbreitet worden, die den veränderten Verhältnissen formal Rechnung tragen wollen. Wir werden aber in der Hinsicht nicht um den Kern der Sache herumkommen. Auf der einen Seite wollen wir doch einem bestimmten Kreis von Menschen helfen. Machen wir es doch so, wie ich es in meinen Versammlungen mache. Ich sage denjenigen, die besitzen: Schaut euch die armen Teufel an, die alles verloren haben! Denen wollen wir doch helfen. Ich warne auch diejenigen, die glauben, sich hier immer weigern zu müssen. Denen gegenüber sage ich immer: Wolle unser Herrgott verhüten, daß wir einmal das gleiche
Schicksal tragen müssen. Wir wissen ja gar nicht,
was eines Tages noch über uns alle kommen kann.
Denen auf der anderen Seite aber sage ich: Ja, ihr habt alles verloren; ihr dürft mir aber nicht sagen — und das ist mir in Versammlungen oft vorgekommen —: „Wir haben schon alles verloren, und es ist uns ganz gleich, ob der Russe kommt oder der Kommunist oder wer sonst!" Diese Leute werden sich täuschen, sie werden noch einmal viel, viel mehr zu verlieren haben!
Darum stehen wir von der WAV auf dem Standpunkt: wir wollen alle miteinander helfen, wollen diese Frage zusammen lösen. Wir wollen auf der einen Seite die berechtigten Forderungen befriedigen und auf der anderen Seite bis an das Maß des Erträglichen gehen. Da lassen Sie mich mit dem Wort schließen:
Wir wollen schließen ein Freundschaftsband Um alle, die schaffen in Stadt und in Land!
Ich danke Ihnen!