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ID0105303800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 53. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. März 1950 1927 53. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1927D, 1950C, 1978B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Wohnungsbaugesetzes (Drucksachen Nr. 703, 567, 352) 1927D Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 1928A Klabunde (SPD) . . . . . 1936C, 1946C Wirths (FDP) 1938D Lücke (CDU) . . . . . . . . 1940B Paul (Düsseldorf) (KPD) . . . . 1942C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . . 1943D Reindl (WAV) . . . . . . . . 1945A Determann (Z) . . . . . . . 1945C Bahlburg (DP) 1946A Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 1947A Abstimmungen 1948D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Änderung des Soforthilfegesetzes (Drucksachen Nr. 684 und 82) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Stücklen und Genossen betr. Durchführung des Soforthilfegesetzes bei der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 543) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Soforthilfeabgabe (Drucksache Nr. 635) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Lastenausgleich (Drucksache Nr. 636) . . . . . 1950D, 1951B, 1954B Wartner (BP): als Berichterstatter 1950D als Abgeordneter 1960D Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 1951B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1954C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 1958A Kohl (Stuttgart) (KPD) 1962C Schmidt (Bayern) (WAV). . . 1964C Mensing (CDU) 1965C Seuffert (SPD) 1966C Wackerzapp (CDU) 1970C Farke (DP) 1972A Strauß (CSU) 1972D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 1973B Dr. Preiß (FDP) 1975B Kunze (CDU) . . . . . . . . 1976B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter (Drucksache Nr. 772) 1978B Mitteilung über den Anschluß der Abgeordneten Paschek und Goetzendorff als Hospitanten an die Gruppe der DRP 1978B Erklärung der WAV betr. den Abg. Goetzendorff 1978C Loritz (WAV) 1978C Nächste Sitzung 1978D Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Michael Horlacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den ich mit einer großen Anzahl von Freunden auf Drucksache Nr. 543 eingebracht habe, entspringt
    keinerlei Agitationsbedürfnis — ich möchte das in erster Linie feststellen —, sondern er entspringt der ernsten Sorge um eine rechte Regelung der Angelegenheit.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Dann hätten Sie unserem Antrag zustimmen sollen!)

    — Das ist eine Frage für sich, Herr Kollege Baumgartner. In diesem Ausschuß war ich nicht vertreten.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Das ist Agitationsbedürfnis!)

    — Das ist auch eine Frage, die hier nicht zur Erörterung steht. Ich bitte, mich jetzt zunächst einmal ruhig anzuhören; denn es ist eine so ernste Frage, daß es besser ist, man hört zunächst einmal die Rede dessen an, der den Antrag gestellt hat.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Auch unser Antrag war ernst!)

    Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch eines klar hervorheben: Ich möchte mich von denen weit entfernen, die solche Angelegenheiten unseres Volkes zu demagogischen Zwecken benutzen.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Sehr richtig!)

    Je nachdem es gerade paßt, wird es gemacht. Beispielsweise spricht man in einer Bauernversammlung radikal: Lastenausgleich heißt „Laß den Ausgleich",

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    und in einer Flüchtlingsversammlung sagt man das
    Gegenteil davon und stellt seine Forderungen im
    Interesse der zuhörenden Flüchtlinge auf das
    Höchstmaß. Dieses Vorgehen heiße ich Demagogie.

    (Abg. Mellies: Wer tut das? — Weitere Zurufe von links.)

    — Ich nehme an, Herr Kollege — ich bin Ihnen für den Zwischenruf dankbar —, daß hier keiner von denen im Hause ist; aber Gedanken sind ja zollfrei.

    (Heiterkeit in der Mitte und bei der SPD.) Gedanken können sich immer frei bewegen. Dafür gibt es keine behördlichen Vorschriften, auch keine Vorschriften der Geschäftsordnung.

    Nach dieser Abschweifung kehre ich zur Sache zurück. Der Lastenausgleich als solcher ist durch die Gesamtlage bedingt, wie sie entstanden ist. Die Forderung nach einem Lastenausgleich ist auch in unserem Volk verwurzelt. Es ist ja unmöglich, daß derjenige, der von keinerlei Bombenschaden betroffen wurde, dem gar nichts gibt, dem alles. ausgebombt wurde, und daß derjenige leer ausgehen soll, der durch die Währungsverhältnisse am schwersten Schaden gelitten hat, oder daß der Ausgewiesene, der das schreckliche Los des Verlustes seiner Heimat ertragen muß, nicht mit einer Hilfe bedacht werden soll. Das sind Gesichtspunkte, die in unserem Volk lebendig sind. Das sind Dinge, die wir gewissermaßen als gegebene Tatsachen hinnehmen müssen. Deswegen wende ich mich gegen den radikalen Ruf so bequemer und radikaler Redner draußen, wenn sie denen, die die Belastungen mit tragen müssen, das Schlagwort zurufen: Lastenausgleich heißt: „Laß den Ausgleich". Es wäre gut, wenn jeder Redner einer jeden Partei verpflichtet würde, vor gemischtem Publikum zu reden und in der Stadt genau so zu sprechen, wie er draußen auf dem Lande redet,

    (Zurufe von der Mitte: Ausgezeichnet! Bravo!) damit die Bevölkerung sehen würde, ob es sich hier um eine wirkliche Volkspartei handelt oder ob es sich um die Aufspaltung zu rein agitatorischen Zwecken handelt. Radikal reden kann der Dümmste; das ist keine Kunst.


    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber bei der Not des Volkes vernünftig reden, das ist die Kunst! Bei der noch etwas mangelhaften politischen Bildung unseres Volkes ist es sehr gefährlich, radikal zu reden, weil das Volk nicht


    (Dr. Horlacher)

    immer in der Lage ist, den Demagogen von dem Träger einer echten anderen Gesinnung zu unterscheiden.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Sehr richtig!)

    Das ist das, was wir so sehr beklagen müssen: die Doppelzüngigkeit der Reden draußen auf dem Land einerseits und in der Stadt andererseits.
    Ich möchte, daß ein gerechter tragbarer Ausgleich der Verhältnisse zustande kommt. Ich sage ausdrücklich: ein gerechter, tragbarer Ausgleich. Wenn ich dafür ein Beispiel anführen soll, dann ist es dieses: wenn ich an einen grünen Ast, der an sich sehr stark ist, zuviele Belastungen hänge, dann bricht mir der Ast ab, und der ganze Baum kommt in Gefahr. Oder wenn ich den Blutspender für einen anderen mache, der schwächer ist als ich, dann kann mich auch niemand verpflichten, das ganze Blut herzugeben, weil ja sonst auch meine Existenz und meine Lebensgrundlage vernichtet wird. Die Verhältnisse nötigen uns, es vernunftgemäß dahin zu bringen, daß hier eine gerechte Regelung herbeigeführt wird.
    Es hat mich gefreut, daß der Herr Bundesfinanzminister auf eine Anfrage dieses Hohen Hauses in seiner Antwort davon gesprochen hat, daß es sich bei der Soforthilfe um eine bewußt rohe Regelung handelt, d. h. mit andern Worten um eine Regelung, die auf die individuellen Verhältnisse und Gesichtspunkte nicht die genügende Rücksicht nimmt, wie es bei einem so schwerwiegenden Steuergesetz notwendig wäre.
    Wenn man das Soforthilfegesetz, wie es jetzt besteht, genau studiert. erkennt man, daß es eine nicht vollständig durchdachte Regelung darstellt. Es kann nur ein Provisorium sein, das aber nach meiner Uberzeugung sobald wie möglich durch einen endgültigen, vernünftigen Lastenausgleich abgelöst werden muß. Dieses Soforthilfegesetz hat eine ganze Reihe schwerwiegender Fehler. Ich würde bitten. mit mir einmal den Gang 7U machen und rein objektiv die unterschiedlichen Verhältnisse bei den verschiedenen Wirtschaftskreisen festzustellen. Die lassen sich durchaus in ihrer wirtschaftlichen Methode, in ihrer wirtschaftlichen Arbeit nicht alle auf eine Stufe stellen. Das Soforthilfegesetz wirkt bei der Landwirtschaft ganz anders als bei einem großen Teil anderer Berufsstände. Man hat hier vielfach eine vollständig falsche Vorstellung vom Landleben. Der kleine und mittlere Bauer hat zwar seine Lebensexistenz, was seine Nahrungsmittelversorgung für sich und seine Familienangehörigen anlangt, gesichert. Aber die hundert Mark und noch mehr. die zum monatlichen Unterhalt der Familienmitglieder hereingebracht werden müssen. und die mehreren Hundert Mark zum Unterhalt des Betriebes müssen erst durch gemeinsame Arbeit verdient sein. Das ist hier eine außerordentlich schwierige Angelegenheit.
    Ich kann das auch so bezeichnen: jeder sieht gern auf den Bauern, besonders in schwierigen Zeiten. Aber ich habe noch nie gefunden, daß sich große Massen, wenn Arbeitermangel in der Landwirtschaft herrscht. zur landwirtschaftlichen Arbeit hindrängen würden. auch in der schwierigen Zeit nicht. Daraus sieht man. daß es doch eine besondere Bewandnis damit haben muß. Im übrigen sehe ich in diesem Hohen Hause. daß auch der Andrang zu landwirtschaftlichen Beratungen nicht sehr groß ist.

    (Sehr wahr! bei der BP.)

    Das ist das gleiche Vorhaben; wie draußen bei der
    Arbeitssuche bei der Landwirtschaft, so suche ich
    hier die Zuhörer zusammen, die hier bereit sind, zu
    einem ernsten Thema wirklich Stellung zu nehmen, zu einem Thema, nach dessen gerechter Erledigung sich Hunderttausende und Millionen von kleinen und mittleren Bauern sehnen. Ich bedaure daher außerordentlich, daß diese Verhältnisse hier in diesem Hause bei so schwachem Besuch erörtert werden müssen.

    (Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Ich habe mich auch außerordentlich gefreut, daß auch in der städtischen Presse die Stimmen jetzt vernünftiger werden bezüglich der Einstellung zur Landwirtschaft. Da war beispielsweise in der „Süddeutschen Zeitung" in letzter Zeit ein Artikel, in dem es heißt: Der Patient braucht frisches Blut. Dort wurde darauf hingewiesen, daß auch die Kapitalbildung für den Bauernbetrieb eine wichtige Angelegenheit ist, daß wir, wenn wir bis zum Jahre 1952 das Ziel erreichen wollen, möglichst viel Devisen in unserem gesamten Haushalt durch die Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu ersparen, hier alles daransetzen müssen, um das zu ermöglichen. Wir müssen ja hier über die Produktionsgrundlage vom Jahre 1936 bis 1938 hinausgehen, um das Ziel zu erreichen. Es genügt nicht allein, die Produktionshöhe vom Jahre 1938 wieder zu erreichen, sondern es ist notwendig, hier mindestens um 20 bis 25% darüber hinauszukommen, damit wir die Verhältnisse dann einigermaßen meistern können, wenn die Marshallplanhilfe aufhört.
    Dabei ist bei der Landwirtschaft und beim Bauerntum noch eines zu bedenken, daß hier die unterschiedlichen Verhältnisse gegeben sind, beispielsweise gegenüber leistungsfähigen Gewerbeoder gar größeren Fabrikbetrieben oder gar Großbetrieben. Hier spielen verhältnismäßig hohe Belastungen im größeren Betrieb nie die Rolle wie bei den kleinen Bauernbetrieben. Und zwar warum nicht? — Weil hier bei der Landwirtschaft das Betriebsvermögen im Gegensatz zum Umsatz viel schwerer ins Gewicht fällt als bei größeren Unternehmungen. Deswegen muß auch diesen gesonderten Verhältnissen Rechnung getragen werden.
    Auch sind die Rationalisierungsbestrebungen bei der Landwirtschaft begrenzt. Es wird viel darüber gesprochen und geredet. Gewiß, eine technische Verbesserung ist notwendig. Das wird niemand bestreiten und wird auch im Interesse des Bauern liegen, wenn er diese schwierigen Zeiten durchkämpfen will. Aber sie sind begrenzt durch die Natur der Verhältnisse. Ich kann über ein gewisses Höchstmaß der Maschinenanwendung nicht hinauskommen, ganz anders als im Industriebetrieb. Wir sind hier auf die Naturverhältnisse so angewiesen, daß uns hier gewisse Grenzen gesetzt sind.
    Ich kann auch die Betriebe nicht beliebig verlegen, sondern wir sind in den Westzonen darauf angewiesen, daß das kleinste Stückchen Grund und Boden in Bewirtschaftung bleibt, weil das notwendig ist, um unsere Bevölkerung im Arbeitsprozeß drinzuhalten.
    Deswegen müssen besonders die Verhältnisse auf dem Lande einer besonderen Beurteilung unterzogen werden. Es sind also schon unterschiedliche Gesichtspunkte da, die uns veranlassen, das Soforthilfegesetz, das seinerzeit unter ganz anderen wirtschaftlichen Verhältnissen noch erlassen wurde, einer Korrektur zu unterziehen, und zwar nach verschiedenen Richtungen hin und sobald wie möglich.
    Was die Höhe der steuerlichen Belastung anlangt, so habe ich eine Reihe von Beispielen vor


    (Dr. Horlacher)

    mir liegen aus einer ganzen Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe, kleinerer und größerer. Sie sehen daraus, wie sich die Verhältnisse gegenüber dem Jahre 1938 gewandelt haben.
    Da habe ich vor mir einen Betrieb in einer Hektargröße von 7 Hektar; Steuerbelastung im Jahre 1938: 17 Mark pro Hektar, 1949: 88 Mark pro Hektar. Ein Betrieb mit 10 Hektar 1938: 19 Mark, heute: 77 Mark; ein Betrieb mit 12 Hektar damals: 13 Mark, heute: 62 Mark; ein Betrieb mit 14 Hektar damals: 9,70 Mark, heute: 33 Mark; ein Betrieb mit 16,7 Hektar damals: 9,84 Mark, jetzt: 35,47 Mark; ein Betrieb mit 18,5 Hektar damals: 20,58 Mark, heute: 91,23 Mark; ein Betrieb mit 39,7 Hektar damals 30,69 Mark, heute: 168,92 Mark; und ein Betrieb mit 53,7 Hektar damals: 37,54 Mark, heute: 142,44 Mark; also je nach Bodengüte und nach Ertragsfähigkeit eine vervielfachte Steuerbelastung.
    Dabei ist bei der Landwirtschaft besonders auch noch das zu beachten, was auch auf den kleineren und mittleren Gewerbebetrieb zum Teil zutrifft. Auf dem Lande draußen haben sich die Verhältnisse in der steuerlichen Belastung total verschoben. Hier kommt insbesondere hinzu, daß durch die Grundsteuer mit ihren Zuschlägen viele_ s an Fürsorgelasten draußen auf dem flachen Lande getragen werden muß, was früher nicht der Fall gewesen ist. Insofern ist die Grundsteuer bedeutend gestiegen, so daß wir neben den Personalsteuern die gestiegenen Grundsteuerverhältnisse vor uns haben und dazu noch als Hauptblock die neue Steuer der Soforthilfeabgabe.
    Ich könnte die Ziffern noch weiter ausdehnen, will Sie aber nicht im einzelnen damit aufhalten. Ich habe mir nur erlaubt, Ihnen hier die Grundziffern bekanntzugeben, damit Sie sehen, worum es sich bei dem Antrage im einzelnen handelt. Deswegen ist jetzt hier in meinem Antrag darauf hingewiesen worden, daß zunächst die Finanzämter angewiesen werden sollen, bei der jetzigen Rate der Soforthilfeabgabe, die für die Landwirtschaft am 20. Februar fällig war, im weitesten Umfange durch Stundungen entgegenzukommen.
    Ich weiß, daß der Herr Finanzminister einen Stundungserlaß herausgegeben hat; aber dieser Erlaß trägt den Verhältnissen nicht vollständig Rechnung. Ich habe darauf auch im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt" vom 18. März 1950, das in München erscheint, unter der Überschrift: „Was ist jetzt zu tun?" hingewiesen. Ich habe hier betont, daß die Finanzbehörde hier unbedingt entgegenkommen muß: denn wo die Belastungen unerträglich sind, muß aus einer ganzen Reihe von Gründen, Entgegenkommen gezeigt werden, besonders aber aus dem Grund, damit in der Produktionssteigerung der Landwirtschaft keine Unterbrechung eintritt. Ich habe es gewissermaßen mit auf meine Kappe genommen und habe in zahlreichen Artikeln und Versammlungen den Bauern gesagt: Reicht eure Stundungsgesuche ein, aber ich bitte euch dringend darum, geht in euer Produktion nicht zurück, denn das wäre das Ungeschickteste. Man muß doch von der Finanzbehörde letzten Endes auch so viel vernünftiges Empfinden erwarten können, daß sie hier den Verhältnissen Rechnung trägt.
    Besonders empörend hat es gewirkt, daß es draußen einzelne Finanzbeamte gibt, die meines Erachtens nicht geeignet und in der Lage sind, das Vertrauensverhältnis zwischen Behörden und den Besuchern der Behörden herzustellen. Gerade bei den Finanzämtern sollte der Umgang mit den
    Besuchern besonders menschlich gepflegt werden.

    (Sehr richtig!)

    Wenn da ein Bauer kommt und man sagt ihm: Wenn du die Soforthilfe nicht bezahlst, dann übergibst du deinen Betrieb einem Flüchtling, dann ist das, glaube ich, ein sehr gefährliches Wort.

    (Zuruf rechts: Wenden Sie sich an den Finanzminister!)

    — Ich wende mich auch an den Finanzminister! Das ist eine Sache, die meines Erachtens unbedingt entsprechend aufgeklärt werden muß; denn das sind Dinge, die nach meiner Überzeugung bei den Verhältnissen, wie sie nun einmal draußen auf dem Lande bestehen, unter keinen Umständen ertragen werden können. Hier ist gerade der persönliche Verkehr mit den Steuerpflichtigen eine der wichtigsten Grundlagen, um die Verhältnisse einigermaßen in Ordnung zu halten.
    Ich könnte noch eine Reihe von Beispielen erwähnen. So herrscht ein besonderer Notstand dort, wo die Finanzbehörden von den landwirtschaftlichen klein- und mittelbäuerlichen Betrieben die Soforthilfeabgabe rigoros verlangen, obgleich diese Betriebe kriegsbeschädigte Betriebe sind. Ich spreche hier auch ganz offen aus: Mit den Anträgen, die dort teilweise vorliegen, man solle die Berücksichtigung der kriegsgeschädigten Betriebe eintreten lassen, wenn sie über 50 Prozent kriegsgeschädigt sind, bin ich nicht einverstanden. Das geht mir viel zu wenig weit; denn wenn einmal ein Betrieb kriegsgeschädigt ist, dann hat so ein klein- und mittelbäuerlicher Betrieb ohnehin genug zu tun, um wieder vorwärtszukommen, um wieder aufzubauen und wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen. Hier wäre es notwendig, daß die aufgewendeten Beträge unter allen Umständen von der verlangten Soforthilfe in Abzug gebracht werden, damit den Verhältnissen entsprechend Rechnung getragen werden kann. Diese Berücksichtigung der kriegsgeschädigten Betriebe möchte ich dem Herrn Bundesfinanzminister besonders ans Herz legen und ihn dringend bitten, daß die Finanzämter die Anweisung erhalten, bei den Verhältnissen der Landwirtschaft und bei der übermäßigen Steuerbelastung hier entsprechendes Entgegenkommen zu zeigen.
    Ich habe in dem von mir und meinen Freunden gestellten Antrag darauf verzichtet, im einzelnen bestimmte Gesichtspunkte aufzuführen und diese bis ins einzelne darzulegen; denn das hätte meines Erachtens doch in dem Zusammenhang zu weit geführt, wo es zunächst einmal darauf ankommt, den Bundesfinanzminister zu veranlassen, daß er hier den veränderten Verhältnissen so rasch wie möglich Rechnung trägt. Ich sage ausdrücklich: den „veränderten" Verhältnissen der Landwirtschaft. Deswegen habe ich ihn auch gebeten, hier geeignete Vorschläge zu unterbreiten, damit eine entsprechende Änderung und Durchführung des Soforthilfegesetzes Platz greifen kann.
    Auch kann ich mich mit der Antwort des Bundesfinanzministers, die er auf eine Anfrage der Bayernpartei erteilt hat, nicht in allen Punkten einverstanden erklären. Das bedarf noch der genauen Nachprüfung; denn die Berücksichtigung beispielsweise der Altenteile ist doch eine so spezifische Angelegenheit der Landwirischaft, daß darauf Rücksicht genommen werden muß. Auch die Ansprüche, die die auf dem Hofe arbeitenden eigenen Familienangehörigen des Bauern an den Hof haben, stellen ebenfalls eine Frage dar, die endlich einmal einer ernsten Prüfung bedarf, damit hier für die mit-


    (Dr. Horlacher)

    arbeitenden eigenen Arbeitskräfte des Bauern die Rückstellungen erfolgen können, auf die sie Anspruch erheben können, weil hier die Lohnanteile, die sie für ihr späteres Leben brauchen, drinstecken.
    Dann kommt noch eine ganze Reihe anderer Gesichtspunkte hinzu, die aus mehreren Anträgen des Hohen Hauses hervorgegangen sind und denen ich im Grundgedanken durchaus zustimme. All das muß aber geprüft werden.
    Was mir aber dann darüber hinaus besonders wichtig erscheint, ist, daß unter allen Umständen alle Bemühungen darangesetzt werden müssen, daß dieses Soforthilfegesetz so rasch wie möglich durch ein vernünftiges endgültiges Lastenausgleichgesetz abgelöst wird.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Denn so, wie das Soforthilfegesetz jetzt besteht, ist es auf einer Reihe von Gebieten absolut untragbar. Nehmen wir einmal ein Beispiel aus der Landwirtschaft her. Ich habe zum Beispiel einen Einheitswert von 100 000 DM. Ich nehme bloß diese runde Ziffer — das ist schon ein größerer bäuerlicher Betrieb —, um mich leichter zu tun. Hier wird durch die dreiprozentige Verzinsung des gesamten Vermögens — das bedeutet nämlich die Soforthilfeabgabe — die ganze Rendite auf einen Sitz weggenommen. Mit anderen Worten: jede Kapitalverzinsung und Kapitalbildung wird diesem bäuerlichen Betrieb weggenommen. Das heißt weiter: bei der gesamten übrigen Steuerlast ist es ihm beinahe unmöglich, zu einer vernünftigen Kapitalreserve in seinem eigenen Betriebe zu kommen. Wenn man aber schon bei der Einkommensteuer der größeren Betriebe das Argument ins Feld führt, daß auf die Kapitalbildung Rücksicht genommen werden müsse, dann muß man doch zugeben, daß diese Kapitalbildung bei unseren bäuerlichen Betrieben noch viel nötiger ist,

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts)

    weil diese Betriebe besonders in den kommenden Jahren die Garanten für die Sicherung unserer Volksernährung sind.
    Diesem Gesichtspunkt ist meiner Überzeugung nach zu wenig Rechnung getragen worden. Denken Sie einmal an das endgültige Lastenausgleichsgesetz. Nehmen Sie än, ein Teil des Vermögens — ich nenne jetzt absichtlich keine bestimmten Zahlen — sei belastet und die Tilgungsquote sei auch noch darin enthalten. Nehmen Sie von der ganzen Wirtschaft, über der diese Furcht wie ein Damoklesschwert hängt, die niederdrückenden Sorgen wegen der Soforthilfeabgabe und des noch in der Schwebe befindlichen endgültigen Lastenausgleichs. Wir müssen den Mut haben, in diesem Bundestag zur Verabschiedung einer vernünftigen, tragbaren Lösung zu kommen, indem wir nämlich jene Sicherungen in unserem Wirtschaftsleben schaffen, die für ein geordnetes Wirtschafts- und Gesellschaftsleben in den Westzonen Deutschlands notwendig sind.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich rufe nun die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung auf:
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Soforthilfeabgabe (Drucksache Nr. 635)

und
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Lastenausgleich (Drucksache Nr. 636).
Die interpellierende Fraktion hat mir mitgeteilt, daß sie auf eine Begründung der Interpellationen verzichtet.
Zur Beantwortung der Interpellationen hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst die Interpellation Drucksache Nr. 536 zu beantworten. Sie beginnt wie folgt:
    Nach Zeitungsmeldungen hat die Bundesregierung in Beantwortung des alliierten Memorandums die Auffassung vertreten, daß die Zunahme der Arbeitslosigkeit in direktem Zusammenhang mit den „Milliarden-Beträgen" stehe, die der deutschen Wirtschaft und der Landwirtschaft durch die Soforthilfeabgabe entzogen worden seien.
    Es ist richtig, daß diese Zeitungsmeldungen erschienen sind. Ich glaube aber, keine allzu kühne Behauptung aufzustellen, wenn ich sage: die Tatsache, daß eine Behauptung in der Zeitung gestanden hat, ist noch kein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß die Behauptung richtig ist.

    (Heiterkeit und Zustimmung.)

    Auch diese Behauptung ist nicht richtig.
    Soviel ich feststellen konnte, ist die Presseveröffentlichung zuerst im Deutschlanddienst der United Preß vom 23. Februar erschienen. Am 23. Februar war das Memorandum der Regierung noch gar nicht fertiggestellt. Das Memorandum der Regierung ist erst in den ersten Tagen des März fertiggestellt und veröffentlicht worden, und zwar am 3. März dieses Jahres. Die Veröffentlichung steht dem Hohen Haus zur Verfügung. Sie werden sehen, daß in dem Memorandum nicht ein Satz enthalten ist, der in dem Sinne ausgelegt werden könnte, wie das in den Pressemeldungen geschehen ist.
    Ich darf damit zu dem zweiten Teil übergehen, zu den Fragen, die sich auf das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe, auf die Rückstände usw. beziehen. Ich darf dazu etwas vorausschicken. Mein Herr Vorredner hat eben von den Sorgen der Landwirtschaft gesprochen, hat auch davon gesprochen, daß die Formen im Verkehr zwischen den Steuerzahlern und den Finanzbeamten manchmal hart seien, daß es aufreizend wirke, wenn der Finanzbeamte den Steuerzahler darauf verweise, daß die Soforthilfeabgabe nach dem Buchstaben des Gesetzes nun einmal als Vermögensabgabe anzusehen sei. Dabei kam dann der Zwischenruf:„ Das muß der Bundesfinanzminister hören!"
    Ich darf den Zwischenrufer zunächst darauf hinweisen, daß bis zum 31. März 1950 alle Finanzbeamten Länderfinanzbeamte sind, daß also etwaige Beschwerden über das Benehmen eines Finanzbeamten bis heute noch an den Landesfinanzminister und nicht an den Bundesfinanzminister zu richten sind.

    (Heiterkeit.)

    Der Bundesfinanzminister ist sehr gern bereit, von dem Tage an, da seine Einflußnahme beginnt, dahin zu wirken — wie das übrigens überall auch schon geschehen ist —, .daß sich der Verkehr zwischen dem häufig in Not befindlichen Zahlungspflichtigen und dem Finanzamt gerade in schwierigen Zeiten und bei schwierigen Fällen möglichst reibungslos und in möglichst guten Formen abspielt. Dazu bedarf es eines Appells weiterhin nicht.

    (Zuruf vom Zentrum: Wo ist Herr Horlacher?)



    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    Es ist ganz klar, daß in der Zeit, als das Soforthilfegesetz geschaffen wurde, sichere Unterlagen über das Erträgnis dieser Abgabe nicht zur Verfügung standen. Die ersten sehr hohen Schätzungen haben natürlich über die Wirklichkeit hinausgegriffen; man erhoffte mehr als das, was man heute auf Grund der Meldungen als Aufkommen erwarten kann. Es entstand infolgedessen ein Gefühl der Unsicherheit, ob die gestellten Aufgaben aus den Erträgnissen der Soforthilfeabgabe befriedigend gelöst werden könnten. Ich werde Ihnen nachher die Gegenüberstellung dieser Zahlen geben, und Sie werden sehen, daß diese Aufgabe für das erste Jahr geleistet worden ist.
    Dabei möchte ich auf eines besonders hinweisen: die Soforthilfeabgabe war für ein ganzes Rechnungsjahr, für 1949/50, gedacht. Wegen des späten Inkrafttretens des Gesetzes sind die gesamten Abgaben, die auf 12 Monate berechnet waren, auf 4 Monate zusammengedrängt worden. Das bedeutet eine große Erschwerung und hat vielleicht tatsächlich das zur Folge, was in der Interpellation angedeutet ist, daß nämlich der Geldentzug und
    damit die Einschränkung der Liquidität in der
    Wirtschaft zu rasch und damit unter Folgen geschehen muß, die bedauerlich und für die Wirtschaft schwer zu tragen sind.
    Wir haben uns mit dieser Frage, ob die Soforthilfeabgabe — die ja neben der allgemeinen, bestimmt nicht kleinen Steuerlast zu tragen ist und die an sich schon die Gefahr in sich birgt, das Aufkommen dieser Steuern stark zu beeinflussen —in geordneten Bahnen beigebracht werden kann, beschäftigt. Ich habe bereits in den ersten Tagen meiner Amtstätigkeit einen Aufruf an die Öffentlichkeit, an die Abgabepflichtigen gerichtet, sie möchten, obwohl das Soforthilfeabgabegesetz nur ein vorläufiges Gesetz ist, das bewußt Härten und Ungerechtigkeiten in Kauf genommen hat, über alle diese Schwierigkeiten hinweg dem sozialen Gedanken dieses Gesetzes Rechnung tragen und ihr Möglichstes tun. Ich möchte als meine Überzeugung auch feststellen, daß der Eingang der ersten und zweiten Rate der Soforthilfeabgabe im wesentlichen bewiesen hat, daß ein Zahlungswille besteht. Auch möchte ich weiterhin feststellen, daß gerade in den Landesoberfinanzamtsbezirken, in denen die Landwirtschaft als Steuerzahler stark vertreten ist, der Eingang vielleicht sogar noch günstiger ist als in anderen Oberfinanzamtsbezirken. Dabei muß ich aber zugleich feststellen, daß sich, wie es in der Natur der Sache liegt, die Schwierigkeiten bei der dritten Rate im allgemeinen häufen.
    Wir haben, um die Dinge in die richtige Bahn zu lenken, bereits am 5. November 1949 einen Runderlaß hinausgegeben, durch welchen — u. a. auch, um rechtzeitig Maßnahmen treffen zu können — von den Finanzverwaltungsbehörden vierteljährliche Berichte angefordert wurden. Der erste Bericht sollte am 30. April erstattet werden mit Wirkung für den 31. März. Wir haben später, als die ersten Berichte, Eingaben und dergleichen Sorgen zu uns drangen, diese Berichterstattung vorverlegt, und ich habe für den 8. März dann sogar eigens eine Konferenz der Oberfinanzpräsidenten des Bundesgebietes einberufen, um persönlich von Mensch zu Mensch die Schwierigkeiten zu besprechen. In einem Erlaß vom 2. Dezember 1949 wurde bezüglich der Zahlungspflichtigen, die nur ganz kleine Einkommen von monatlich zwischen 100 und 150 Mark haben, eine Richtlinie für die zu gewährende Stundung gegeben. Außerdem wurde
    in diesem Erlaß auch die Möglichkeit eröffnet, in Härtefällen, in denen die Zahlungspflichtigen selbst schweren Kriegsschaden erlitten haben, etwas entgegenkommender zu sein, um die Soforthilfeabgabe nicht dadurch zu gefährden, daß in der Bevölkerung durch solche Ungerechtigkeiten einer allzu harten Eintreibung eine dem sozialen Gedanken des Soforthilfegesetzes feindselige Stimmung entstehen würde. Ich glaube, daß dieser Erlaß gut gewirkt

    (Abg. Dr. Reismann: Nein!)

    und daß er dazu beigetragen hat, den Zahlungswillen aufrechtzuerhalten, weil eben in solchen ausgesprochenen Härtefällen ein Ausweichen möglich war. Der Zwischenrufer mit seinem Nein hat wahrscheinlich gar nicht diesen Erlaß vom 2. Dezember gemeint, sondern vermutlich den Erlaß, um den es später gegangen ist und der sich auf die Abgabe der Landwirtschaft am 20. Februar bezogen hat.

    (Abg. Dr. Reismann: Wiederum: Nein!)

    Sie haben eben meinen Herrn Vorredner gehört; er hat die Nöte und die Sorgen der Landwirtschaft auf diesem Gebiete deutlich und klar zum Ausdruck gebracht. Ich bin persönlich der Überzeugung, daß die Verwendung des Formblattes für Stundungsanträge — die übrigens nicht neu ist, sondern die es bei anderen Berufszweigen früher auch schon gegeben hat — in diesem Falle zur Folge gehabt hat, daß eine gewisse Krise überwunden wurde. Den Kampf der Radikalismen sehen wir auf diesem Gebiet besonders, Radikalismus hier und Radikalismus da. Wir haben in Hessen sehr ernst zu nehmende radikale Erscheinungen in der Landwirtschaft schon damals bemerkt. Es mußte dafür gesorgt werden, daß diese Dinge in geordnete Bahnen und wieder in die Hand der Finanzverwaltung kommen, und ich glaube, daß dieses Ziel erreicht worden ist.
    Ich möchte Ihnen nun in Beantwortung der Anfragen die gewünschten Zahlen geben. Es ist gefragt worden, wie hoch das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe geschätzt wird. Ich darf zunächst einmal das bis zum 8. März eingegangene Aufkommen mitteilen. In den Ländern der amerikanischen und britischen Zone sind an Soforthilfeabgaben eingegangen 854,218 Millionen, in den Ländern der französischen Zone 117,831 Millionen. Ich bemerke, daß die Länder der französischen Zone eine eigene Gesetzgebung haben und daß sie sowohl auf dem Gebiet der Umstellungsgrundschulden als auch auf diesem Gebiet nicht nur eine eigene Gesetzgebung, sondern auch eine eigene Verwaltung haben, daß also die Schaffung einer gemeinsamen Gesetzgebung und einer gemeinsamen Verwaltung noch der Zukunft obliegt.
    Über die Soforthilfe-Sonderabgabe liegen folgende Ziffern vor: in der amerikanischen und britischen Zone 165,68 Millionen, in der französischen Zone 19,89 Millionen.
    Insgesamt ergeben sich für die Soforthilfeabgabe 972,05 Millionen DM, für die Soforthilfesonderabgabe 185,57 Millionen DM; das sind zusammen 1 157,62 Millionen DM nach den Zahlen, die mir vom 8. März 1950 vorliegen.
    Weiter darf ich auf ein naheliegendes Gebiet verweisen. Das sind die Umstellungsgrundschulden. Sie bringen regelmäßig im Monat als laufende feste Einnahmen in der amerikanischen und der britischen Zone rund 30 Millionen DM. Für die französische Zone kann ich sie nur schätzen. Sie werden dort zwischen 3 Millionen und 4 Millionen


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    DM monatlich erbringen. Insgesamt haben sie in der amerikanischen und britischen Zone bisher 430 Millionen DM gebracht. Diese Einnahmen aus Umstellungsgrundschuld en werden in der amerikanischen und britischen Zone ausschließlich für Bauzwecke verwendet. Auch in den Ländern der französischen Zone sollen sie überwiegend für diese Zwecke verbraucht werden.
    Ich darf dem einmal gegenüberstellen, wie die Mittel des Soforthilfefonds, die sich hier angesammelt haben, bisher verwendet wurden. An Unterhaltshilfe sind bisher ausbezahlt worden 401,7 Millionen DM. Bis zum 31. März sind noch Zahlungen mit etwa 40 Millionen DM zu leisten, so daß bis dahin die Zahlungen etwa 441,7 Millionen DM betragen werden.
    An Hausratshilfe sind bisher in bar 200,4 Millionen DM ausbezahlt worden. Zurückgestellt sind und werden im Laufe des Monats März anfallen 9,6 Millionen DM. Das sind insgesamt 210 Millionen DM.
    Für den Wohnungsbau sind bisher in bar ausgegeben 44,1 Millionen DM. Es sind Zusagen in Höhe von 115,9 Millionen DM für den Wohnungsbau gegeben. Bereitgestellt ist für das Jahr 1950/51 ein Betrag von 50 Millionen DM, so daß sich auch hier die Gesamtsumme mit 210 Millionen DM errechnet.
    An Ausbildungshilfe sind bisher 10,4 Millionen DM ausbezahlt. Bereitgestellt und im März noch zu zahlen sind rund 14,6 Millionen DM, und für die Zukunft ist noch ein Betrag von 25 Millionen DM gesichert. Zusammen sind das also 50 Millionen DM.
    Für den Existenzaufbau wurde jetzt zum ersten Mal ein Betrag von 100 Millionen DM gesichert, der bereits bewilligt wurde und für die Zukunft zur Verfügung steht. Damit sind rund 1051,7 Millionen DM verbraucht. Der Rest des Aufkommens von 90-100 Millionen muß für die Monate April und Mai zur Bezahlung der laufenden Unterhaltshilfe zurückgestellt werden; denn die nächste Rate wird erst am 20. Mai fällig. In den Zwischenmonaten muß infolgedessen für die laufenden gesetzlichen Verpflichtungen noch ein Sicherheitsfonds zur Verfügung stehen.
    Nun die Frage nach den Rückständen. Ich kann hier vor dem 15. April nur Schätzungsziffern geben, die ich bisher von den deutschen Oberfinanzpräsidenten erhalten habe, die aber nach meiner Überzeugung in der großen Linie ein sicheres Bild ergeben. Ihre Zahl selbst wird sich wahrscheinlich noch ändern. Einige Oberfinanzpräsidenten waren nicht in der Lage, die Ziffern abschließend zu dem gewünschten Termin — das war damals der 16. März — zu geben. Ich kann also nur ein unvollständiges Bild vermitteln und muß mir eine Richtigstellung dieser Ziffern für Mitte April vorbehalten. Das Gesamtbild aber bitte ich als richtig anzunehmen.
    Die Rückstände an Soforthilfeabgabe sind danach etwa zu schätzen auf 285 Millionen DM, die Rückstände an Soforthilfesonderabgabe auf etwa 55 Millionen DM. In beiden Fällen gestaltet sich also das Bild so, daß von dem Aufkommen etwa ein Drittel Rückstände vorhanden sind. Dabei dürfen Sie damit rechnen, daß von diesen Rückständen --- das sind zusammen 30 Prozent — etwa 17 Prozent gestundet und die entweder überhaupt nicht gestundeten Beträge oder noch unerledigte Stundungsanträge 13 Prozent ausmachen, die nicht eingerechnet wurden.
    Das sind die Ziffern, die ich Ihnen heute geben kann. Dabei sage ich ganz offen: Ich hatte gewisse Bedenken — nachdem aber die Interpellation in-gereicht war, konnte ich nicht anders handeln —, diese Ziffern wegen der psychologischen Rückwirkungen auf die Öffentlichkeit bekanntzugeben. Ich habe mich mit diesem Thema schon seit längerer Zeit beschäftigt und habe deshalb bereits vor einiger Zeit dem Kontrollausschuß im Hauptamt für Soforthilfe, der das erste Interesse an diesen Ziffern hat, ein Bild über die Entwicklung gegeben und ihm nicht nur über das berichtet, was die Herren der Finanzverwaltung mir gegenüber als Schlußfolgerung ausgesprochen haben. Ich habe vielmehr auch über die Stellung berichtet, die ich persönlich zu diesen Vorschlägen einnehme.
    Meine Auffassung ist: Trotz der Klagen, die von den Abgabepflichtigen kommen; trotz der Tatsache, daß dieses Gesetz — wie niemand verschweigen kann — als rein vorläufiges Übergangsgesetz gedacht und so aufgebaut ist, daß es Härten enthält; trotzdem es in einer Zeit geboren ist, die anders war als heute, wo wir in bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung im allgemeinen eine Periode sinkender Preise haben und die Zeit der leichten Gewinne und der überhöhten Gewinnspannen — Gott sei Dank — sich ihrem Ende zu nähern scheint und infolgedessen das Geld wieder schwerer erworben, ja sogar in der Wirtschaft allgemein die Klage der Illiquidität erhoben wird; trotzdem man in jener Zeit, als das Gesetz entstand, diese Schwierigkeiten unmöglich hat voraussehen können, trotz alle dem also wird es notwendig sein, daß ich meiner Verwaltung den Hinweis gebe — damit nicht, ich darf das wieder so sagen, der Böswillige den Vorteil hat und der Gutwillige bestraft wird —,

    (Sehr richtig! rechts)

    ihre ganze Kraft darauf zu verwenden, daß sie die Rückstände beizutreiben versucht; in erster Linie die nicht gestundeten Rückstände. Die gestundeten Beträge, bei denen die Verhältnisse des Antragstellers überprüft sind, sind ja meistens nur auf kurze Zeit gestundet. Ich hoffe, daß die Kreise, die um Stundung nachgesucht haben, ihre Verhältnisse jederzeit dem Finanzamt klarlegen. Dann kann man von Einzelfall zu Einzelfall eine menschlich tragbare Entscheidung fällen. Aber ich bin gezwungen, meine Verwaltung gerade darauf hinzuweisen, daß die nichtgestundeten Beträge mit größter Energie beizutreiben sind, und daß dieser Aufgabe die Arbeit der Finanzverwaltung in den nächsten Wochen zu widmen ist.
    Das kann ich über den Stand der Soforthilfeabgabe heute sagen. Ich darf gleich zu der zweiten Interpellation Stellung nehmen, die mit diesem Thema in engem Zusammenhang steht.
    Ich habe es nie vermieden, in der Öffentlichkeit meine Überzeugung dahin auszusprechen, daß die Soforthilfeabgabe in der Form, wie sie heute erhoben wird, auf die Dauer nicht möglich ist, und daß es unsere Aufgabe sein muß, diese Soforthilfeabgabe sobald als menschenmöglich durch ein Gesetz zu ergänzen, das einen Dauerzustand und eine wirkliche Klärung der Verhältnisse in der deutschen Volkswirtschaft und in dem Verhältnis von Abgabepflichtigen zu Empfangsberechtigten schafft, um nicht nur ein gefährliches Auseinandergleiten der Stimmungen im deutschen Volke zu vermeiden, sondern insbesondere auch, um unserer Volkswirtschaft in einer Zeit, da sie mit letzter Kraft gegen Arbeitslosigkeit und derartige Erscheinungen kämpfen muß, die notwendige Klarheit darüber zu


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    geben: Welches Vermögen ist überhaupt für mich, welches Vermögen ist für den Betrieb, welches Vermögen ist für das Wirtschaften verfügbar? Das muß die deutsche Wirtschaft einmal wissen! Auf der anderen Seite muß der andere, der Empfangsberechtigte, wissen, womit er rechnen kann, in welcher Zeit und in welcher Form er damit rechnen kann. Ich bin überzeugt, wenn diese Klarheit geschaffen ist, wird dem Radikalismus viel Wind aus den Segeln genommen.
    Allerdings verlangt die Lösung dieser Aufgabe, wie ich immer betont habe, Menschen, die ohne Leidenschaft, nüchtern und in Erkenntnis der Wirklichkeit an ihre Aufgabe herangehen. Ich habe deshalb seinerzeit auch die Denkschrift des Bundesministeriums der Finanzen vorgelegt, um in erster Linie die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß das Bundesministerium der Finanzen mit der Bundesregierung der Überzeugung ist, daß das Thema Lastenausgleich trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller Gefahren angeschnitten und eine endgültige Lösung dieser Frage noch in diesem Jahr versucht werden muß.
    Ich habe kürzlich in einem anderen Kreise — ich glaube, es war der Kontrollausschuß — auch schon
    offen erklärt, daß der Entwurf eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich in meinem Hause in Vorbereitung und in seinem Gedankengang bereits fertiggestellt ist. Ich hatte gehofft, daß auf Grund der Denkschrift, die das Bundesfinanzministerium der Öffentlichkeit und auch dem Hohen Hause vorgelegt hatte, zu dieser Zeit, da diese Arbeiten in meinem Hause beginnen, schon eine gewisse Klärung erzielt sei, nach welcher Richtung die öffentliche Meinung sich neige gegenüber den verschiedenen großen Problemen, die in dieser Denkschrift als Fragen angeschnitten waren und auf die man eine Antwort erhoffte.
    Nur einige Fragen will ich einmal aufwerfen. Ist die deutsche Öffentlichkeit der Meinung, daß die Lösung des endgültigen Lastenausgleichs rasch erfolgen müsse, und daß deshalb alle Lösungen, die noch einen langen Zeitraum beanspruchen und beide Teile noch lange im ungewissen lassen würden, zurückgestellt werden sollten? Ist sie der Meinung, daß der raschere und klarere Weg bevorzugt werden müsse? Ich gestehe offen, daß ich für meine Person der Überzeugung bin: es ist notwendig, das Thema Lastenausgleich trotz seiner Schwierigkeiten bald

    (Sehr richtig!)

    und entschlossen anzugreifen und den Mut zu haben, in der deutschen Öffentlichkeit über dieses Thema zu sprechen. Ich kann auf meine Denkschrift verweisen und auf die Übersicht und Würdigung, die darin gegeben ist. Ich verweise auf den letzten Punkt, in dem Sie auch gewisse Grundsätze angedeutet finden. Ein Lastenausgleich muß stattfinden. Er darf die Produktivkraft der deutschen Volkswirtschaft nicht tödlich treffen.
    Der endgültige Lastenausgleich soll in der Form gewählt werden, daß derjenige, der eine Existenzgrundlage, die Erwerbsmöglichkeit und Erwerbsfähigkeit infolge Kriegsschadens verloren hat, doch in Anerkennung der Tatsache, daß dieser Umstand durch den Kriegsschaden eingetreten ist, nicht allein auf die Fürsorgehilfe angewiesen ist, sondern als Kriegsschadenausgleichsberechtigter eine öffentliche Hilfe, die ihm ein lebenswertes Leben erlaubt, erwarten kann. Hauptgewicht aber ist darauf gelegt, daß die erwerbsfähigen und erwerbs-
    und arbeitswilligen Kräfte der Kriegsgeschädigten
    aller Art die Möglichkeit haben sollen, in der deutschen Volkswirtschaft selbst wieder produktiv mitzuarbeiten, durch ihre Mitarbeit die Produktivkraft der deutschen Volkswirtschaft zu stärken und damit mitzuhelfen, den allgemeinen Wohlstand zu heben, der dem gesamten deutschen Volk — gleichgültig, ob Alt- oder Neubürger — zur Verfügung stehen soll.
    Das ist ungefähr die Linie, die in der Denkschrift zum Ausdruck gekommen ist.
    Die Arbeit am Lastenausgleich, die in meinem Hause erfolgte, kann ich in den Einzelheiten — das wird das Hohe Haus verstehen — heute noch nicht erläutern. Das würde voraussetzen, daß, da es sich dabei um Steuergesetze handelt, die auch — in ihrer Rückwirkung wenigstens — tief in die Einnahmen und Einkünfte der Länder eingreifen müssen, dies mit den Ländern wegen der Rückwirkung auf das Einkommensteueraufkommen und dergleichen besprochen werden muß. Mit den Ländern muß unter Umständen auch das Thema Fürsorge und Gestaltung der öffentlichen Fürsorge im Zusammenhang mit einem solchen Werk besprochen werden. Diese Besprechungen mit den Ländern und die notwendigen Besprechungen mit den Wirtschaftsverbänden — von den Gewerkschaften über die Landwirtschaft zur Industrie und zum Handel hinüber — haben noch nicht begonnen oder konnten noch nicht abgeschlossen werden. Eine Erörterung in der Öffentlichkeit aber würde diese Arbeiten wahrscheinlich sehr erschweren. Außerdem war ich noch nicht in der Lage, dem Kabinett einen wirklich fertigen Gesetzentwurf vorzulegen. Da es sich also immer nur um den Gedankengang einer künftigen Gesetzgebung handeln kann, kann ich Einzelheiten noch nicht bekanntgeben. Aber ich darf darauf verweisen, daß derjenige, der zu lesen versteht, in der Denkschrift des Bundesministeriums der Finanzen vielleicht schon gewisse Hinweise darauf gefunden hat, was als möglich und was als weniger möglich erachtet wird.
    Wenn nun die Frage gestellt wird, wie die dazu erforderlichen Mittel beschafft werden sollen, so muß ich natürlich sagen: diese Mittel können nur dadurch beschafft werden, daß, nachdem es sich um eine Art Vermögensersatz handelt, eine Belastung des Vermögens des deutschen Volkes erfolgt, die an die Stelle der jetzigen Regelung, der Soforthilfeabgabe, treten muß. Wenn ich dem Hohen Hause den Gesetzentwurf der Bundesregierung vorlege — und ich hoffe, daß ich ihn bereits in der zweiten Hälfte des Monats April vorlegen kann —, weiß ich ganz genau, daß dieser Gesetzentwurf eine Frage anschneidet, bei der eine einhellige Zustimmung von vornherein nicht zu erwarten sein wird. Ich fürchte, daß der Gedanke an die Interessen vielfach doch stärker ist als der Gedanke an unsere gemeinsame deutsche Aufgabe. Ich kann Sie aber versichern: der Gesetzentwurf wird so der Not, die im deutschen Volk vorhanden ist, mit all dem abzuhelfen versuchen, was gegeben werden kann, ohne in der deutschen Volkswirtschaft einen neuen schweren Schaden anzurichten. der diejenigen treffen würde, denen geholfen werden soll. Ich glaube, wenn der Gesetzentwurf in dem Geiste, in dem er ausgearbeitet wird, und in diesem Hohen Hause behandelt wird, könnten wir vielleicht alle Gegensätze überwinden und uns zu einer Einheit in der Not zusammenfinden.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)