Rede von
Friedrich
Mensing
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich fahre fort: Jeder einzelne weiß, welch himmelschreiendes Unrecht es ist, daß auf der einen Seite ein Arzt, der seine Praxis in einem Einfamilienhaus ausübt, nur 2 % Soforthilfeabgabe zu leisten braucht, während auf der anderen Seite ein Arzt, der ein Wohnhaus mit mehreren Mietern besitzt, 3 % zahlen muß. Das ist nach meiner Auffassung eine große Ungerechtigkeit.
Außerdem ist es Tatsache — und um diese Feststellung kommen wir nicht herum —, daß der Althausbesitz durch die Folgen des Krieges so stark gelitten hat und so unrentabel wurde, daß die größte Zahl der Hausbesitzer durch die Soforthilfeabgabe geschädigt wurden, daß sie ihre Renten verloren und vor einem Nichts stehen.
Sie sind buchstäblich um ihre Rente betrogen worden, und 'unter diesen Menschen, Herr Zwischenrufer, befindet sich ein Großteil der Althausbesitzer, die politisch zu Ihnen neigen und die bestimmt kein Verständnis dafür haben, daß in Ihren Kreisen versucht wird, diese Frage ins Lächerliche zu ziehen.
Ich möchte Sie also herzlich bitten, Ihre Auffassung zu korrigieren.
Wie sich diese Belastung auswirkt, können wir daran erkennen, daß unter dieser Unrentabilität des Hausbesitzes die ganze Wirtschaft leidet. Es dürfte für Sie interessant sein, zu hören, daß vor dem zweiten Weltkrieg der deutsche Haus- und Grundbesitz im Altreich dem deutschen Handwerk Reparaturaufträge in Höhe von annähernd 9 Milliarden Mark erteilte.
So wird jedem einsichtigen Menschen die untragbare und unvernünftige Höhe der öffentlichen Belastung des Haus- und Grundbesitzes bewußt. Heute ist der Althausbesitz nicht mehr in der Lage, Aufträge in größerer Höhe zu vergeben. Die Folge hiervon ist eine Steigerung der Arbeitslosigkeit. Im übrigen möchte ich bemerken, daß diese Zahlen von den handwerklichen Organisationen, den Handwerkskammern, als einwandfrei festgestellt worden sind.
Nun hat der Herr Finanzminister hier erklärt, die Soforthilfeabgabe sei verhältnismäßig glatt hereingekommen. Dies ist nur bedingt richtig, denn jeder, der im öffentlichen Leben steht, weiß, daß die Soforthilfeabgabe beim Handwerk und bei den Gewerbetreibenden zu größten finanziellen Schwierigkeiten geführt hat, daß diese Kreise die Soforthilfeabgabe nur deshalb leisten konnten, weil sie — und dazu waren sie gezwungen —zu ihren Volksbanken gingen, dort Kredite aufnahmen und heute erheblich verschuldet sind. Um die Feststellung dieser Tatsache kommen wir nicht herum.
In diesem Zusammenhang muß noch auf etwas anderes hingewiesen werden. Wenn die Soforthilfeabgabe so glatt hereingeholt wurde, dann nur auf Grund abzulehnender Methoden, mit denen die Finanzämter heute arbeiten, Methoden, die von den breiten Massen der Steuerzahler abgelehnt werden. Deshalb möchte ich den Herrn Finanzminister dringend bitten, dafür zu sorgen, daß eine humanere Form der Eintreibung der Steuern angewandt wird.
— Verehrter Herr Kollege! Ich setze ohne weiteres voraus: jeder Mensch, der heute noch über Besitz verfügt, muß sich der Tatsache bewußt sein, daß die Masse unseres Volkes verarmt ist. Deshalb sollte es für ihn eine Selbstverständlichkeit sein, in Auswirkung der kommenden Finanzgesetzgebung auch dieentsprechenden Opfer zu bringen. Ich bin fest davon überzeugt, daß die kommende Steuergesetzgebung die Hortungs- und Kriegsgewinnler, von denen hier die Rede war, entsprechend erfassen wird.
Am Schluß möchte ich folgendes feststellen: das Soforthilfegesetz in der heutigen Form ist nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für das Handwerk, die Gewerbetreibenden und den Althausbesitz unannehmbar und muß beseitigt werden.