Rede:
ID0105306600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 53. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. März 1950 1927 53. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1927D, 1950C, 1978B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Wohnungsbaugesetzes (Drucksachen Nr. 703, 567, 352) 1927D Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 1928A Klabunde (SPD) . . . . . 1936C, 1946C Wirths (FDP) 1938D Lücke (CDU) . . . . . . . . 1940B Paul (Düsseldorf) (KPD) . . . . 1942C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . . 1943D Reindl (WAV) . . . . . . . . 1945A Determann (Z) . . . . . . . 1945C Bahlburg (DP) 1946A Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 1947A Abstimmungen 1948D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Änderung des Soforthilfegesetzes (Drucksachen Nr. 684 und 82) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Stücklen und Genossen betr. Durchführung des Soforthilfegesetzes bei der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 543) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Soforthilfeabgabe (Drucksache Nr. 635) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Lastenausgleich (Drucksache Nr. 636) . . . . . 1950D, 1951B, 1954B Wartner (BP): als Berichterstatter 1950D als Abgeordneter 1960D Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 1951B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1954C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 1958A Kohl (Stuttgart) (KPD) 1962C Schmidt (Bayern) (WAV). . . 1964C Mensing (CDU) 1965C Seuffert (SPD) 1966C Wackerzapp (CDU) 1970C Farke (DP) 1972A Strauß (CSU) 1972D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 1973B Dr. Preiß (FDP) 1975B Kunze (CDU) . . . . . . . . 1976B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter (Drucksache Nr. 772) 1978B Mitteilung über den Anschluß der Abgeordneten Paschek und Goetzendorff als Hospitanten an die Gruppe der DRP 1978B Erklärung der WAV betr. den Abg. Goetzendorff 1978C Loritz (WAV) 1978C Nächste Sitzung 1978D Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß die Ausführungen, die von dem Kollegen Schmidt von der WAV vorhin gemacht worden sind, in einem Punkt richtigstellen. Herr Kollege Schmidt hat es so dargestellt, als ob Herr Kollege Horlacher gesagt habe, man müsse die Frage der Soforthilfe und des Lastenausgleichs, je nachdem, ob man vor Bauern oder vor Flüchtlingen oder vor Städtern spricht, verschieden behandeln.

    (Zuruf von der WAV.)

    Er hat erklärt, daß nur ein Unehrlicher in dieser Weise diese Frage behandele.

    (Zuruf des Abg. Schmidt und weitere Zurufe von der WAV.)



    (Strauss)

    - Lesen Sie Ihr Stenogramm durch! Der Herr Kollege Schmidt hat die Äußerungen des Kollegen Horlacher hier falsch verstanden. Um den Eindruck, den die Äußerungen des Kollegen Schmidt hervorrufen mußten, zu beseitigen und die Sache richtigzustellen, wiederhole ich einige wesentliche Sätze aus den Ausführungen des Kollegen Horlacher.

    (Erneute Zurufe von der WAV.)

    Er sagte nach dem stenographischen Protokoll wortwörtlich:
    Ich möchte mich von denen weit entfernen, die solche Angelegenheiten unseres Volkes zu demagogischen Zwecken benutzen. Je nachdem es gerade paßt, wird es gemacht. Beispielsweise spricht man in einer Bauernversammlung radikal: Lastenausgleich heißt: „Laß den Ausgleich", und in einer Flüchtlingsversammlung sagt man das Gegenteil davon und stellt seine Forderungen im Interesse der Flüchtlinge auf das Höchstmaß. Dieses Vorgehen heiße ich Demagogie . . .
    Das sind Dinge. die wir gewissermaßen als gegebene Tatsachen hinnehmen müssen. Deswegen wende ich mich gegen den Ruf so bequemer und radikaler Redner draußen, wenn sie denen, die die Belastungen mit tragen müssen. das Schlagwort zurufen: Lastenausgleich heißt: „Laß den Ausgleich". Es wäre gut. wenn jeder Redner einer jeden Partei verpflichtet würde, vor gemischtem Publikum zu reden und in der Stadt genau so zu sprechen, wie er draußen auf dem Lande redet . . . .
    Aber bei der Not des Volkes vernünftig zu reden. das ist die Kunst! Bei der noch etwas mangelhaften politischen Bil dung unseres Volkes ist es sehr gefährlich. radikal zu reden . . . Das ist das, was wir so sehr beklagen müssen: die Doppelzüngigkeit der Reden draußen auf dem Land einerseits und in der Stadt andererseits.
    Damit hat Herr Kollege Horlacher in seinen Ausführungen genau dem entsprochen. was Kollege Schmidt gefordert hat. Wenn Kollege Schmidt Grund hat, die Unehrlichkeit mancher Redner zu beklagen, mag er sich dorthin wenden, wo solche Unehrlichkeit vorkommt.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Nöll von der Nahmer.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Es ist eine umstrittene Frage, ob sich die Geschichte wiederholt oder nicht. Es liegt mir völlig fern, zu einer so schwerwiegenden Frage eines andern Fachs, das ich nicht vertrete, Stellung zu nehmen. Aber es ist doch für den, der die neuere politische und wirtschaftliche Geschichte kennt. immerhin wesentlich, festzustellen, daß sich unser Volk und der alte Deutsche Reichstag schon einmal vor einer Lage sahen, die der heutigen sehr ähnelte. Das war in den schweren Jahren 1924/1925, als der Kampf um die Aufwertungsgesetzgebung entbrannte.
    Wenn ich heute die Diskussionen und soviele Einwendungen gegen den Lastenausgleich höre, dann habe ich manchmal das Gefühl, als ob man da auf ältere Quellen zurückgriffe und sich Argumente zu eigen mache, die damals gegen eine gerechte Aufwertungsgesetzgebung angeführt worden
    sind. Es ist tragisch, zu sehen — ich will im einzelnen keine Namen nennen —, daß heute gar viele bei denen stehen, die leidenschaftlich einen möglichst weitgehenden Lastenausgleich fordern und damals, 1924/25, gar kein Verständnis für die Nöte der Hypothekengläubiger und Sparer hatten. Ich halte es für notwendig, unser Volk einmal an diese Zusammenhänge zu erinnern.
    Unsere Vorgänger im alten Reichstag hatten immerhin noch die eine Entschuldigung, daß die Lehre von der Substanzbesteuerung damals noch nicht so wie heute entwickelt war. Es ist ja gerade ein Verdienst der deutschen Finanzwissenschaft der letzten fünfzehn Jahre, diese Lehre ausgebaut zu haben und Zusammenhänge, die man damals Anfang der zwanziger Jahre noch nicht klar erkannte, geklärt zu haben. Ich freue mich ganz besonders, daß es gerade ein Parteifreund von mir war, Dr. Herz, der jetzt in Hersfeld lebt, der in seiner grundlegenden Studie über die „Theorie der Substanzbesteuerung" uns die Wege gewiesen hat, wie im Gegensatz zu den Annahmen früherer Jahrzehnte solche Vermögensabgaben praktisch durchgeführt werden können.
    Meine Damen und Herren, es unterliegt für mich bei einer ganz objektiven Prüfung des Für und Wider nicht dem geringsten Zweifel, daß ein Lastenausgleich auch durch Vermögenssubstanzbesteuerung durchführbar ist und keine Rede davon sein kann, daß ein solcher Lastenausgleich die Produktivität der Wirtschaft gefährdet; denn wenn das nämlich der Fall wäre, dann wäre es unverantwortlich von einem deutschen Abgeordneten, gleichgültig, wo er steht, einen solchen Lastenausgleich zu fordern.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Ich habe mich schon einmal an dieser Stelle dagegen verwahrt, daß man immer das ganze Problem der Heimatvertriebenen und des Lastenausgleichs nur als eine Last ansieht. So liegen die Dinge in Wirklichkeit nicht. Gerade durch den Lastenausgleich sollen die produktiven Kräfte, die in den Heimatvertriebenen liegen, zur Wirksamkeit gebracht werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Ich sehe es als ein gutes Omen an, daß heute morgen mit Einmütigkeit das erste Wohnungsbaugesetz verabschiedet worden ist, denn es ist ganz klar, daß ein großer Teil des Lastenausgleichsproblems letztlich ein Wohnungsbeschaffungsproblem ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Ich freue mich, daß diese Verbindung gerade am heutigen Tage geschaffen worden ist.

    (Beifall.)

    Aber ich möchte doch auch noch auf etwas anderes hinweisen. Der Herr Finanzminister hat uns dankenswerterweise bei den Zahlen über die Verwendung des bisherigen Aufkommens der Soforthilfe mitgeteilt, daß bisher nicht weniger als 213 Millionen für die Hausratshilfe verausgabt wurden.

    (Zuruf von der SPD: Viel zu wenig!)

    - Richtig! Ich bin ganz Ihrer Ansicht. Ich halte es auch für zu wenig. Ich würde mich freuen a) wegen der Betroffenen und ich würde mich auch freuen
    - obgleich ich ja nicht Industrieller bin — b) im Interesse unserer Textilindustrie und unserer Möbelindustrie, wenn diese Summen noch höher wären. Meine Damen und Herren, seien wir doch sehr froh, daß wir in dieser Zeit einer gewissen geschäftlichen Stagnation diese Nachfrage auf


    (Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

    Grund dieses Mitteleinsatzes hatten. Die Dinge müssen doch auch mal so angesehen werden, daß wir auf diese Weise Industrien eine zusätzliche Einnahme verschafft haben.

    (Zuruf von der SPD: Aber der Herr Finanzminister hat es beklagt!)

    Gewarnt werden muß davor, den Lastenausgleich immer nur als eine Last anzusehen, um die man möglichst herumkommen will.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn die Maßnahmen richtig angesetzt werden und richtig gelenkt sind, wobei ich den Begriff „lenken" nicht falsch zu verstehen bitte;

    (Zuruf von der SPD: Aha! Sie haben sich versprochen! — Heiterkeit)

    nein, ich habe mich nicht versprochen, Herr Kollege!

    (Zuruf von der SPD: Sie haben gleich Angst und Bange! — Heiterkeit.)

    — Nein, Herr Kollege, ich habe es so gemeint, wie es ein Volkswirtin diesem Falle meint, daß nämlich in volkswirtschaftlich sinnvoller Weise die Kräfte eingesetzt werden. Dann sieht man durchaus, daß der Lastenausgleich keine „Belastung" zu sein braucht, sondern uns allen etwas nützt.
    Aber ich möchte auch noch etwas anderes zu den Zahlen sagen, die uns der Herr Minister mitgeteilt hat. Es ist ganz zweifellos eine Leistung der Abgabepflichtigen, wenn immerhin schon bisher über eine Milliarde für die Soforthilfe aufgebracht wurde. Das muß auch einmal dankbar festgestellt werden. Ich weiß, wie schwer es oft vielen kleinen Bäuerlein in meiner Heimat im Taunus mit starkem Parzellenbesitz fällt, die Soforthilfe aufzubringen. Mir sind viele „kleine" Leute begegnet,
    die klagten, wie schwer diese Belastung sei, aber die dann doch auch sagten: „Aber wir wissen, daß wir helfen müssen, und wir wollen helfen und werden versuchen, diese Beträge aufzubringen". D a s muß auch einmal betont werden. Der Herr Minister hat ja, was mich sehr interessierte, besonders festgestellt — ich muß das noch einmal unterstreichen —, daß es gerade die Oberfinanzbezirke in den verhältnismäßig armen Gebieten sind, die mit den Stundungen zurückhaltend sein konnten und verhältnismäßig viel aufgebracht haben.
    Wenn wir zweifellos in der Wirtschaft überall gewisse Liquiditätsschwierigkeiten beobachteten, so ist es meiner Meinung nach nicht richtig, wenn man diese Liquiditätsschwierigkeiten immer auf die Soforthilfeabgabe zurückführt. Sie haben eine tiefere Ursache. Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich die Geld- und Kreditpolitik des letzten Jahres keineswegs als besonders glücklich empfinde. Wenn schon eine nicht zulängliche Kreditversorgung gerade mit mittel- und langfristigen Krediten besteht, dann ist es natürlich klar, daß eine Abgabe von über einer Milliarde weiter liquiditätsverschärfend wirkt. Ich glaube deshalb, Herr Minister, daß man immer wieder versuchen sollte, auf dem Gebiet der Geld- und Kreditpolitik eine Änderung zu erreichen. Sie können sicher sein, wenn Sie mit Ihrer Vorlage wegen Erhöhung Ihrer Kassenkredite kommen, dann werde ich Ihnen begeistert zustimmen.
    Wir können es nicht immer zu allem, was wir von Ihnen gehört haben. Das soll unserer gegenseitigen Verbundenheit in der Koalition nicht Abtrag tun. Diese Denkschrift des Finanzministeriums über den Lastenausgleich zeigt ja, wie umstritten diese Probleme sind. Ich spreche hier kein
    Geheimnis aus daß auch unter uns 53 Mitgliedern der FDP bei aller Verbundenheit und aller Freundschaft in diesen Fragen gelegentlich verschiedene Meinungen bestehen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Das schadet auch gar nichts. Irgendwie werden wir uns schon zusammenraufen. Aber — und ich möchte das auch gegenüber der Regierung betonen — es gibt natürlich für uns ganz bestimmte Grundsätze, wie wir uns den Lastenausgleich denken. Ich darf Sie, Herr Präsident, um die Erlaubnis bitten, ganz kurz noch einmal aus den Beschlüssen unseres Bremer Parteitages vorlesen zu dürfen:
    Diese Parteitagsbeschlüsse binden uns politisch
    genau so, wie auch die anderen Kollegen durch
    ihre Parteitage gebunden sind. Es heißt dort:
    Die Freie Demokratische Partei fordert einen Ausgleich der Lasten zwischen denen, die durch den Krieg und seine Folgen ihre Heimat, ihre Existenz und ihr Vermögen ganz oder überwiegend verloren haben, und denjenigen, denen ein gütiges Geschick diese Werte erhalten, vielleicht sogar noch vermehrt hat. Den Krieg hat das gesamte deutsche Volk gemeinsam verloren, und es ist nur recht und billig, wenn es auch seine Lasten gemeinam trägt. Dabei vertreten wir den Grundsatz eines individuellen Lastenausgleiches, der den Geschädigten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten einen Teil ihrer Vermögenswerte zurückgibt und den Einzelnen instand setzt, sich eine neue Existenz unter erträglichen Bedingungen aufzubauen.
    Ich will hier nicht auf die Einzelheiten eingehen, auf all die Fülle der Probleme, wie sie uns in der Regierungsdenkschrift dargelegt worden sind; aber es ist natürlich selbstverständlich — und ich hoffe, daß meine Kollegen auf der Linken hier genau so Verständnis für unseren Standpunkt haben, wie ich Verständnis für ihren Standpunkt habe —, daß wir in der Frage des Vermögenssatzes anders eingestellt sind, als es uns hier Herr Kollege Seuffert vom Standpunkt seiner Partei aus dargelegt hat. Das ist eigentlich selbstverständlich. Hier geht es ja um die Grundlagen, auf denen unsere Parteien beruhen!
    Meine Damen und Herren! Bei aller Reserve, die wir manchmal gegenüber seinen bisherigen Äußerungen zu den Lastenausgleichsproblemen zu beobachten uns veranlaßt sehen, kann ich dem Herrn Finanzminister unsere vollste Unterstützung zusagen bei seiner Absicht, endlich zum Ziele zu kommen und das Lastenausgleichsgesetz vordringlich zu bearbeiten.
    Dabei möchte ich aber auch einmal an uns alle hier im Hause appellieren. Wir müssen uns bei unseren sonstigen Arbeiten die nötige Zeit nehmen, daß wir dieses zweifellos schwierigste Problem, das nach meiner Meinung jemals einem Parlament gestellt wurde, auch lösen können. Wir können nicht, wie bisher, alle möglichen Fragen aufgreifen und zu lösen versuchen. Wir verlieren dadurch die nötige Zeit für interne Fraktionsberatungen und zu der notwendigen gründlichen Durchsicht des schwierigen und komplizierten Materials. Auch in diesem Hohen Hause muß jetzt eine gewisse Rangordnung in der Dringlichkeit der Probleme Platz greifen. Wir müssen uns bei unseren parlamentarischen Arbeiten der nächsten Wochen vordringlich auf die Inangriffnahme dieser schwierigen Aufgabe einstellen.


    (Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

    Ich halte es für um so notwendiger, baldigst zu einer gesetzlichen Regelung des Lastenausgleichs zu kommen, weil auch meine Freunde von Tag zu Tag mehr der Überzeugung sind, daß das Soforthilfegesetz in der jetzt geltenden Fassung unzulänglich ist und seine weitere Durchführung zu volkswirtschaftlichen Gefahren führt. Wir bedauern es, weil wir uns über die inzwischen eingetretene Entwicklung nicht freuen können, daß unsere Freunde im Frankfurter Wirtschaftsrat leider völlig recht behalten haben, als sie ihre schweren Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung der Kriegsverluste bei der Soforthilfeabgabe äußerten. Herr Kollege Seuffert hat vorhin schon darauf hingewiesen, daß jeder, der mit den Dingen näher vertraut ist, weiß, wie schwierig eine befriedigende Lösung des Problems ist. Wir sind deshalb auch nicht ohne weiteres in der Lage, sofort die Änderung des Soforthilfegesetzes nach dem Zentrumsantrag vorzuschlagen. Wir haben immer wieder in den letzten Monaten mit der Regierung über diese Dinge gesprochen. Wir werden deshalb auch dem Ausschußvorschlag zustimmen und den Antrag des Zentrums der Regierung als Material überweisen.
    Aber ich möchte doch auch namens meiner Freunde an die Regierung die Bitte richten, diese Frage besonders ernsthaft zu prüfen; denn im Lande draußen erregt die Tatsache, daß die Kriegsverluste, auch wenn sie sehr erheblich sind, keine Berücksichtigung bei der Entrichtung der Soforthilfeabgabe finden, außerordentliche Erbitterung. Das zerstört das Rechtsempfinden. Meine Freunde müssen sich vorbehalten, notfalls eigene Anträge einzubringen.
    Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließen: Wenn wir dieses Problem des Lastenausgleichs nicht lösen

    (Abg. Frau Dr. Weber: Müssen wir lösen!) oder wenn wir den Lastenausgleich nur in einer Form verabschieden, die dem Rechtsgefühl nicht entspricht und diejenigen nicht befriedigt, die guten Willens sind und begrenzte und vernünftige Ansprüche stellen, dann müssen wir uns über die weitgehenden politischen Folgen klar sein. Die gescheiterte Aufwertungsgesetzgebung ist der Boden gewesen, auf dem der Radikalismus wuchs, der uns dann alle ins Verderben geführt hat.


    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich glaube, viele von denen, die sich damals 1924/25 so leidenschaftlich mit Argumenten, die nicht stichhaltig waren, gegen eine gerechte Aufwertungsgesetzgebung gewehrt haben, wären heute froh, wenn sie damals, als noch Zeit dazu war, lieber Opfer gebracht und damit das verhütet hätten, was dann nachher am 30. Januar 1933 begann. Seien wir uns darüber klar, daß hier die entscheidende Frage vorliegt, ob es uns diesmal gelingt, mit Gottes Beistand hier im Westen eine Demokratie aufzurichten, ein Staatswesen, das auf Gerechtigkeit, auf sozialem Frieden und gegenseitiger Hilfsbereitschaft beruht. Wenn wir an dieser Aufgabe scheitern, dann, fürchte ich, wird auch der zweite Versuch zur Begründung einer Demokratie in Deutschland nicht glücken. Davor möge uns ein Höherer bewahren!

    (Beifall und Händeklatschen.)