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ID0105306000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 53. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. März 1950 1927 53. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1927D, 1950C, 1978B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Wohnungsbaugesetzes (Drucksachen Nr. 703, 567, 352) 1927D Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 1928A Klabunde (SPD) . . . . . 1936C, 1946C Wirths (FDP) 1938D Lücke (CDU) . . . . . . . . 1940B Paul (Düsseldorf) (KPD) . . . . 1942C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . . 1943D Reindl (WAV) . . . . . . . . 1945A Determann (Z) . . . . . . . 1945C Bahlburg (DP) 1946A Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 1947A Abstimmungen 1948D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Änderung des Soforthilfegesetzes (Drucksachen Nr. 684 und 82) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Stücklen und Genossen betr. Durchführung des Soforthilfegesetzes bei der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 543) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Soforthilfeabgabe (Drucksache Nr. 635) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Lastenausgleich (Drucksache Nr. 636) . . . . . 1950D, 1951B, 1954B Wartner (BP): als Berichterstatter 1950D als Abgeordneter 1960D Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 1951B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1954C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 1958A Kohl (Stuttgart) (KPD) 1962C Schmidt (Bayern) (WAV). . . 1964C Mensing (CDU) 1965C Seuffert (SPD) 1966C Wackerzapp (CDU) 1970C Farke (DP) 1972A Strauß (CSU) 1972D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 1973B Dr. Preiß (FDP) 1975B Kunze (CDU) . . . . . . . . 1976B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter (Drucksache Nr. 772) 1978B Mitteilung über den Anschluß der Abgeordneten Paschek und Goetzendorff als Hospitanten an die Gruppe der DRP 1978B Erklärung der WAV betr. den Abg. Goetzendorff 1978C Loritz (WAV) 1978C Nächste Sitzung 1978D Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Walter Seuffert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reismann hat recht gehabt: der Lastenausgleich ist keine Ressortfrage. Unsere Interpellation dient dem Zweck, einmal ins Bewußtsein zurückzurufen, daß der Lastenausgleich die Grund- und Lebensfrage der Existenz in der Bundesrepublik ist. Darum wollten wir eine Aussprache über das Problem heute haben. Herr Kollege Reismann hatte auch recht, wenn er von den Rechten der Flüchtlinge, der ins Elend gestürzten und geschädigten Menschen sprach. Aber wenn wir an die große Hypothek denken, die auf allem Besitz und aller Wohlhabenheit zugunsten der Flüchtlinge und Währungsgeschädigten nun einmal lastet, diese Hypothek, mit der uns die verbrecherische Kriegführung des Hitlerregimes belastet hat, dann werden wir uns darüber nicht täuschen und keiner Illusion hingeben dürfen, daß sie im Rechtssinne noch nicht gefestigt ist. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit bestehen diese Ansprüche. Rechte werden die Flüchtlinge und Vertriebenen, die Geschädigten, genau so viel haben, wie ihnen dieser Bundestag und diese Mehrheit zubilligen. Von dieser Verantwortung werden wir nicht ausweichen können.
    Diese Hypothek ist moralischer Natur, und deshalb ist es eine Lebensfrage, ob moralische Fragen wieder in ihren richtigen Rang eingesetzt werden sollen. Wirtschaft in allen Ehren, — aber die Moral muß der Wirtschaft und vor allen Dingen der Privatwirtschaft und dem Gewinnstreben die Grenzen setzen. In diesem Lastenausgleich handelt es sich deshalb um die Verwirklichung moralischer Forderungen. Da hier im Hause die größte Partei das Wort „Christlich" in ihrem Namen führt, so wollen wir die Hoff-


    (Seuffert)

    nung aussprechen, daß diese Lebensfrage gelöst werden kann; und wir wollen sie trotz der Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers nicht verlieren.
    Dieses Problem darf freilich nicht isoliert betrachtet werden. Es muß mit dem ganzen Steueraufkommen und dem ganzen wirtschaftlichen Geschehen im Zusammenhang gesehen werden. Es muß aber seinen Rang bekommen. Eine Hypothek, auch wenn sie verwirklicht ist, ist nicht dazu da, in einer Weise eingetrieben zu werden, daß der Schuldner dadurch dem Ruin zugeführt wird, aber die Rangfrage muß feststehen. Wir können über die Einzelheiten, über das Ausmaß und die Beibringung dieser Hypothek hier verhandeln. Wir können aber nicht mit jemand verhandeln, der das Bestehen dieser Hypothek nicht anerkennt.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Hierüber, glaube ich, werden Sie, wie auch der Herr Bundesfinanzminister vorausahnte, noch einige Auseinandersetzungen in diesem Hause erleben.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Sehr richtig!)

    Denn die Frage, ob der Lastenausgleich bereits
    aufhört, wenn die Kapitalverzinsung gefährdet
    ist, wird gestellt werden, und leider muß ich
    sagen: auch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers haben Anzeichen dafür gegeben,
    daß die Überzeugung vom Range des Lastenausgleichs und seiner Forderungen auch in den
    höchsten Stellen noch nicht ins Bewußtsein getreten ist. Denn man spricht davon, daß die
    Liquiditätslage dadurch angespannt worden sei.
    daß die für ein Jahr berechneten Abgaben erst
    in den letzten Monaten dieses Jahres bezahlt
    worden wären. Wenn die Liquiditätslage dadurch angespannt wird, daß man Abgaben später bezahlt, als man sie hätte bezahlen müssen, so kann das nur darauf zurückzuführen sein, daß die Leute damit gerechnet haben, diese Abgabe, die seit Dezember des Jahres 1948 feststand, doch umgehen zu können. Die Liquiditätslage wäre nicht angespannt gewesen, wenn man, wie es recht und billig gewesen wäre, diese Abgabe rechtzeitig zurückgelegt hätte. Das sind Rangfragen, und wir verlangen eben, daß Wirtschafts- und Finanzpolitik in allererster Linie von dem Bestehen dieses Problems Kenntnis nehmen und ihre sonstigen Maßnahmen darauf einrichten. Damit ist nicht gesagt, daß dieses Problem nicht zum Schaden der Wirtschaft gelöst werden muß. Die Wirtschaft muß sich aber auch klar werden, was sie hier für Verpflichtungen hat.
    Verlieren wir doch auch nicht den Maßstab! Wenn wir von den Dingen, die mein Vorredner, der Herr Schlachtermeister Mensing, behandelt hat, als von einem himmelschreienden Unrecht sprechen, - in welchen Ausdrücken sollen wir dann von den Zuständen in den Flüchtlingslagern und von dem Elend der vertriebenen Jugend sprechen?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Verlieren wir doch nicht den Maßstab!
    Der Lastenausgleich hat den ersten Rang vor den Bedürfnissen der Privatwirtschaft. Ich muß anfügen: er hat auch seinen Rang vor den laufenden Steuern. Es geht nicht an — dieses Bestreben war zu bemerken —, daß Finanzämter - der Bundesfinanzminister sagte richtig: es sind
    noch Länderfinanzämter — mehr Wert darauf legen, die laufende Steuer zugunsten der Behördenkasse als zugunsten der Vertriebenen die Abgabe für den Lastenausgleich beizutreiben.
    Dies vorausgeschickt, darf ich zur Beantwortung der Interpellationen Stellung nehmen. Was unsere erste Interpellation anlangt, so können wir uns mit der Beantwortung im großen und ganzen befriedigt erklären. Wir stellen zunächst mit Befriedigung fest, daß die Bundesregierung von Äußerungen, die einen Zusammenhang zwischen der Bezahlung der Soforthilfeabgabe und dem Ansteigen der Arbeitslosigkeit in diesem Winter herstellen wollten, abgerückt ist und abrückt. Das Memorandum vom 3. März liegt vor. Aus dem Datum unserer Anfrage kann die Bundesregierung feststellen, daß diese gestellt wurde, bevor dieses Memorandum in der endgültigen Fassung überreicht wurde. Pressemeldungen mögen immerhin manchmal insoweit ihr Gutes haben, als sie die Regierung davon abhalten, einen Fehler zu begehen, oder die Regierung darauf aufmerksam machen, daß sie einen Gedanken, den sie im Busen trägt, am besten in demselben Busen verschließt und nicht ausspricht.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Der Finanzminister mit Busen!)

    Die Zahlen, die uns genannt worden sind, entsprechen im Augenblick den Erwartungen. Es hätte zur sachlichen Aufklärung noch beigetragen, wenn der Herr Finanzminister uns hätte sagen können, wie viele von den gestundeten Rückständen auf Stundungen bis auf weiteres entfallen, d. h. auf Stundungen, die aus sachlichen Gründen auf Grund der allgemeinen Stundungserlasse ausgesprochen worden sind und mit deren Eingang wir praktisch nicht mehr rechnen können. Wir hätten dann ersehen können, was wir aus diesen Rückständen, gestundeten und nichtgestundeten, noch zu erwarten haben. Aber ein Drittel des Aufkommens an Rückständen ist doch immerhin eine recht beunruhigende Ziffer. Wir begrüßen es außerordentlich, daß der Bundesfinanzminister die Absicht ausgesprochen hat, sich diesem Beitreibungsproblem mit allem Nachdruck zu widmen. Die Stundungserlasse haben die Billigung der Ausschüsse und des Kontrollausschusses im allgemeinen gefunden. Ich möchte hier sagen, daß auch die für den Grundbesitz und für die Landwirtschaft ausgearbeiteten Formularanträge uns eine brauchbare Grundlage für die Behandlung des Problems, das in der Tat vorliegen mag, zu geben scheinen, vorausgesetzt daß die Maßnahmen auch wirklich so durchgeführt werden, wie es in den Formularen und den Anweisungen dazu vorgesehen ist.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit einflechten, daß die Verwaltung des Lastenausgleichs, sowohl was das Hauptamt für Soforthilfe wie auch die Soforthilfeämter anbelangt, bisher offenbar kaum zu Klagen Anlaß gegeben hat. Ich glaube, wir haben fast über keine Behördengattung so wenig Klagen aus der Bevölkerung, was das Arbeiten selbst angeht, vorliegen, wie gerade über diese Behörden. Das möchte ich hier anerkennend festgestellt haben.
    Was die Verwendung der Gelder betrifft, so bedauern wir natürlich, daß produktive und aufbauende Maßnahmen bisher nur in bescheidenem Maße an dieser Verwendung teilhaben konnten. Wir hoffen, daß dies besser gestaltet werden


    (Seuffert)

    kann, glauben aber immerhin, daß die Verwendung bisher nach sachlichen und notwendigen Gesichtspunkten durchgeführt worden ist; vielleicht mit einem Vorbehalt: Die Verwendung der Gelder aus den Umstellungsgrundschulden, die für den Wohnungsbau — aber für den Wohnungsbau der Flüchtlinge, der Vertriebenen — bestimmt sind, scheint sich in den einzelnen Ländern doch sehr unterschiedlich gestaltet zu haben. Die Kontrollaufsicht des Hauptamtes ist auf Widerstände gestoßen. In diesem Punkt sind uns allerdings von verschiedenster Seite Klagen bekannt geworden, daß diese Gelder nicht nach den Gesichtspunkten des Lastenausgleichs, sondern etwa im Sinne allgemeiner Aufbauprogramme verwandt worden seien.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Meine Damen und Herren! Bezüglich des Übergangs vom Soforthilfegesetz zum endgültigen Lastenausgleich werden wir uns darüber klar sein müssen — wir waren uns, glaube ich, in diesem Hause immer darüber klar —, daß in der Tat die Soforthilfe nicht nur eine vorläufige Maßnahme, sondern im Verhältnis zum Gesamtproblem des Lastenausgleichs ein Almosen darstellt.

    (Sehr richtig!)

    Wir sind allerdings nicht der Ansicht, daß Abänderungen des Soforthilfegesetzes in irgendeiner Form heute das Heil bringen können. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß das Problem durch eine schnelle und durchgreifende und endgültige Regelung des Lastenausgleichs — und nur so — gelöst werden kann.
    Aus diesem Grunde vermögen wir dem Antrag des Zentrums, dessen Überweisung an die Regierung der Ausschuß empfiehlt, nicht zuzustimmen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil diese Aufrechnungsfragen nicht mit dem Soforthilfegesetz vereinbar sind.

    (Zustimmung bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren! Die Beschäftigung mit dem Lastenausgleich gehört fast seit zwei Jahren. ich kann wohl sagen, zu meinen täglichen Aufgaben, und es gibt eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses, denen es ebenso geht. Derartige Anträge — man muß es immer wieder sagen — verflüchtigen sich einfach in nichts, wenn man nur einmal den praktischen Versuch macht, sie in die Soforthilfe wirklich einzubauen, und wenn man sich klarmacht, welche Unmasse von Vermögensvergleichsarbeiten, Feststellungsarbeiten usw. mit diesen Dingen verbunden sind, die nun einmal im Rahmen der Soforthilfe nicht möglich sind.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Deswegen können wir diesem Antrag nicht zustimmen.
    Was den Antrag zugunsten der Landwirtschaft anlangt, so richtet sich dieser Antrag vielleicht in der Tat nicht allein an den Herrn Bundesfinanzminister. sondern er richtet sich wohl ebensogut an den Herrn Ernährungsminister und an den Herrn Wirtschaftsminister.

    (Sehr gut! rechts.)

    Daß die Tandwirtschaft bei der heutigen Wirtschaftspolitik nicht in dem sachlich notwendigen Ausmaße berücksichtigt worden ist, daß sie in eine schwierige Lage geraten ist, ist wohl auf allen Seiten des Hauses klar. Was die Soforthilfe-Maßnahmen anlangt, so wird es allerdings
    außerordentlich schwer sein, zu begründen, daß nach einer Rekordernte, die nur zum Teil unverkäuflich geblieben ist, nun dieser Beitrag zum Lastenausgleich nicht gezahlt werden kann. Es sind ja nicht nur die Soforthilfe-Abgaben, sondern es sind eine Reihe von anderen Abgaben, die die Landwirtschaft belasten. Ich denke nur an die seltsamen Abgaben — ich kann sie gar nicht anders nennen —, die in der Milchwirtschaft erhoben werden. Im ganzen schneidet dieser Antrag letzten Endes immer wieder die Gesamtprobleme der Landwirtschaft an. Wir treten deswegen dafür ein, daß er den zuständigen Ausschüssen zur Prüfung überwiesen wird.
    Was nun den endgültigen Lastenausgleich anlangt, so beschäftigt sich unsere zweite Interpellation mit diesem Problem. Hier muß ich sagen, daß uns die Beantwortung durch den Herrn Bundesfinanzminister außerordentlich wenig befriedigt hat. Wir haben angefragt, wann ein Lastenausgleichsgesetz vorgelegt wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns in Aussicht gestellt, ein solches Gesetz noch im April vorzulegen und darauf zu sehen, daß der Lastenausgleich bis Ende dieses Jahres verabschiedet wird. Damit können wir zufrieden sein, wenn es eingehalten wird.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat aber auf die Frage, nach welchen Grundsätzen dieses Gesetz gestaltet werden soll, uns eigentlich nur die eine Antwort gegeben, er erwarte, daß seine Vorschläge in diesem Hause auf heftigen Widerspruch stoßen würden.

    (Zuruf von der KPD: Das langt doch!) Diese Antwort muß uns mit den erheblichsten Befürchtungen erfüllen. Wir müssen erwarten, daß es nicht möglich sein wird, über die Grundsätze des Lastenausgleichs in diesem Hause einig zu werden. Diese Befürchtungen werden allerdings dadurch verstärkt, daß Äußerungen des Bundesfinanzministers und der Bundesfinanzverwaltung bekanntgeworden sind„ die darauf hinauslaufen: schon das Aufkommen der Soforthilfe sei zu hoch gewesen, mehr könne man nicht zumuten; es könne sich allenfalls um eine Verlängerung der Soforthilfe handeln oder, wie der Herr Bundesfinanzminister heute gesagt hat, er denke allenfalls an eine Ergänzung des Soforthilfegesetzes, wobei man sich noch überlegen wird, ob diese Ergänzung nicht etwa nur so gedacht ist, daß die Abgabepflichtigen weitere Erleichterungen bekommen sollen. Diese Befürchtungen werden erst recht dadurch verstärkt, daß der Herr Bundesfinanzminister zu den entscheidenden Punkten seiner Denkschrift, der Denkschrift des Bundesfinanzministeriums, keine Stellung genommen hat; einmal zu dem Punkt, wo er sagt, es werden die Abgaben nicht über das Ergebnis der Soforthilfe hinausgehen können, und sodann zu dem Punkt, wo er sagt, diese Abgaben müßten aus dem Ertrag des Vermögens bestritten werden können, und zwar aus dem Ertrag, der nach Abzug anderer Steuern und Beträge für andere Notwendigkeiten zurückbleibt. Meine Damen und Herren! Das ist die Grundfrage. Das ist die Frage vom Rang des Lastenausgleichs. Wenn man sich vorstellt, daß der Lastenausgleich aus dem Vermögensertrag nebenbei erledigt werden kann, wenn man glaubt, daß er ohne Eingriffe in die Verteilung der Vermögenssubstanz durchführbar ist, wenn man glaubt. daß auf diese Art und Weise der Abwälzung des Lastenausgleichs auf das Arbeits-



    (Seuffert)

    einkommen, der Abwälzung vom Besitz auf die Arbeit Tür und Tor geöffnet werden kann, dann ist das allerdings der Punkt, wo sich die Wege scheiden.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat angedeutet, daß er vor Vorlage seiner gesetzgeberischen Arbeiten eine gewisse Klärung der Meinungen im Hause oder in der Öffentlichkeit gern abgewartet hätte. Nun, wir wollen einen kleinen Beitrag zu dieser Klärung geben, und wollen in den Punkten, über die der Herr Bundesfinanzminister geschwiegen hat, wenigstens unsere Meinung über die Grundsätze des Lastenausgleichs bekanntgeben. Der Lastenausgleich ist zu allererst — das habe ich an den Anfang meiner Ausführungen gestellt — eine Maßnahme, die zur moralischen und zur wirtschaftlichen Gesundung des Wirtschaftslebens unserer Bundesrepublik in allem Anfang erforderlich ist. Das ist das Fundament, von dem wir ausgehen müssen. In diesem Zusammenhang darf ich Sie an den Satz erinnern, den die Sozialdemokratische Partei bereits auf dem Düsseldorfer Parteitag 1948 ausgesprochen hat:
    Nur aus dem Ertrag seiner Arbeit kann das deutsche Volk leben und eine bessere Zukunft aufbauen. Die erste Voraussetzung dafür, daß die Anstrengungen der Arbeitenden einen Sinn haben, ist die Beseitigung des bitteren Elends der Alten und Arbeitsunfähigen und der menschenunwürdigen Verhältnisse, in die Millionen durch den Krieg und seine Folgen gestoßen worden sind.
    Wir wissen, daß zu diesem Zweck der Lastenausgleich nach aller Möglichkeit einen produktiven, einen aufbauenden Charakter haben sollte. Wir wissen, daß, ehe er diesen Charakter haben kann, die pure Not der Alten und Erwerbsunfähigen gelindert werden muß. Wir wissen, wenn wir realistisch und nüchtern an das Problem herangehen, daß wir einstweilen damit rechnen müssen, ungefähr die Hälfte der Mittel des Lastenausgleichs für diesen reinen Versorgungszweck einsetzen zu müssen. Wir hoffen allerdings, daß es gelingen wird, dem endgültigen Lastenausgleich einen zunehmend mehr aufbauenden, zunehmend mehr produktiven Charakter zu geben als den, den die Soforthilfe gehabt hat.
    Wir halten es zu diesem Zweck für notwendig, daß der Lastenausgleich sich auf der Basis des individuellen Rechtsanspruchs des Geschädigten aufbaut, aber nicht in dem Sinne, daß ein quotaler Lastenausgleich mit einer reinen Wiederherstellung früherer Vermögensverhältnisse ins Auge gefaßt wird. Der Geschädigte soll seine Ansprüche, so wie sie ihm zugesprochen werden, verwenden können, um sich wieder eingliedern und seine eigene Initiative entfalten zu können. Er soll zu diesem Zweck individuelle und rechtlich gesicherte Ansprüche in der Hand haben. Die Verwendung dieser Ansprüche wird allerdings den planmäßig aufbauenden Maßnahmen, die innerhalb des Lastenausgleichs durchzuführen sein werden, auch in der Rangordnung ihrer Tilgung, Rechnung tragen müssen Diese Ansprüche sollen sich nicht quotai und rein auf früheren Vermögensverhältnissen aufbauen, sondern sie sollen die wirkliche, die heutige Lage, die verlorene Existenz sowie die Notwendigkeit und die Möglichkeit, wieder zu einer Existenz
    zu kommen, berücksichtigen. Sie sollen deswegen nach sozialen Gesichtspunkten in dem Rahmen gewährt werden, in dem wir überhaupt Entschädigungen gewähren können.
    Diese Ansprüche müssen — das muß man immer wieder betonen — zu dem in Verhältnis stehen, was an Kriegsschäden von denjenigen geltend gemacht wird, die heute noch Vermögen besitzen. Wenn man manchmal gewisse Leute hört, meint man, sie gingen davon aus, daß es notwendiger wäre, jeden kleinen Schaden gerade von demjenigen durchsetzen zu lassen, der noch etwas hat, und daß es eine schreiende Ungerechtigkeit wäre, von dem, der Schaden gehabt hat, aber auch noch Besitz hat, eine Zahlung zu verlangen. Unserer Auffassung nach ist es unmöglich, daß derjenige, der noch etwas hat, mehr für seinen Schaden erhält als derjenige, der nichts mehr hat. Die Grenze der Höchstentschädigungen muß hier für beide Teile gelten, den abgebenden Teil und den nehmenden Teil. Wenn die Mittel für den Lastenausgleich knapp sind — und wenn wir das Gesamtproblem und die Gesamtforderung, die hier auf uns lastet, ansehen, werden sie immer knapp sein — , so darf hieraus nicht die Folgerung gezogen werden, diese Mittel durch das Bemühen zu verzetteln, jeden kleinsten Schaden möglichst gerecht auszugleichen. Die Entschädigungen müssen vielmehr auf die wirkliche Heilung der wirklich schwer geschädigten Fälle konzentriert werden.
    Das Prinzip der Wiederherstellung früherer Vermögen lehnen wir auch deswegen ab, weil eine Gruppe, in der uns das Problem des Lastenausgleichs am schmerzlichsten konzentriert erscheint, dabei zu kurz kommen würde. Das ist die Jugend der Vertriebenen, die Jugend, die sich heute elternlos oder vom Elternhaus getrennt zu Zehntausenden noch in den Lagern befindet, ohne geregelte Zukunftsmöglichkeit und ohne geregelte Unterkunft. Diese Jugend hat an Vermögen nichts verloren; sie ist daran, ihre Lebensmöglichkeit zu verlieren. Deswegen sehen wir nicht in der Vermögenswiederherstellung, nicht in der Bemessung des Lastenausgleichs nach dem früheren Vermögen, sondern in der Bemessung des Lastenausgleichs nach dem aufbauenden Charakter des Anspruchs und der Leistungen die richtige Lösung.
    Wir wissen, daß es äußerst erwünscht wäre, den Vermögenszuwachs, der während der Kriegsund Rüstungszeit erworben worden ist und heute noch übriggeblieben ist, die Währungsgewinne, die Hortungsgewinne besonders scharf,

    (Zuruf von der SPD: Restlos!)

    womöglich über 100 % zu erfassen. Wir werden nicht aufhören, hierfür nach Wegen zu suchen. Wir sind uns aber selbstverständlich über die technischen Schwierigkeiten klar und werden nicht dulden, daß durch Komplikationen in dieser Hinsicht eine schnelle und wirksame Durchführung des Lastenausgleichs gefährdet wird. Wir werden uns darüber klar werden müssen — und der Bericht der Gutachterkommission, der ja wohl dem Herrn Bundesfinanzminister inzwischen auch bekannt ist und der Öffentlichkeit, wenn ich nicht irre, in diesen Tagen übergeben werden wird, ist zu diesem Ergebnis gekommen —, daß die Durchführung des Lastenausgleichs die Ausstellung von Zertifikaten verlangt. Diese Zertifikate werden mit allen not-


    (Seuffert)

    wendigen Mitteln davor geschützt werden müssen, Geldcharakter zu bekommen, um unsere Währung nicht zu zerstören und um eine Entwertung der Ansprüche durch Entwertung der Zertifikate selbst zu Lasten der Anspruchsberechtigten hintanzuhalten. Auf der anderen Seite müssen diese Zertifikate echte Rechtsansprüche in ihrer Deckung und ihrer Verzinsung, die absolut erstrangig sind, darstellen. In erster Linie müssen sie zur Bewerkstelligung der Aufbaumaßnahmen verwandt werden, zu denen wir die Flüchtlinge und Vertriebenen auffordern wollen, zu denen wir ihnen die Hand reichen wollen.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat nicht nur von diesen Dingen nichts gesagt, er hat auch kein Wort von den Plänen gesagt, die bereits in der Regierungserklärung angesprochen worden sind und die doch ohne Zusammenhang mit dem Lastenausgleich gar nicht gedacht werden können. Es sollen Pläne für eine besondere Aufwertung der Altsparguthaben schweben, und es laufen Pläne zur Regelung der Pensionen der Ostvertriebenen um. Ich brauche nicht zu sagen, wie erwünscht es uns von unserer Seite aus erscheinen würde, diese Probleme einer wirklich gerechten Lösung zuzuführen. Aber ich kann nicht versäumen, an dieser Stelle auf den Zusammenhang solcher Probleme mit dem Gesamtlastenausgleich und auch auf die Gefahren, die eine Aufsplitterung des Lastenausgleichs in Gruppenlastenausgleiche mit sich bringen würde, hinzuweisen.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat auch nichts darüber gesagt, ob die Regierung an dem Prinzip festhält, daß der Lastenausgleich sich nach dem am Stichtag des am 21. Juni 1948 vorhandenen Vermögens und nicht nach neuerworbenem Vermögen richtet. Er hat nichts darüber gesagt, ob die Bundesregierung gewillt ist, an diesem Prinzip festzuhalten. Wir erinnern uns daran, daß sich die Fraktionen des Wirtschaftsrates in Frankfurt anläßlich der Verabschiedung des Soforthilfegesetzes noch einmal ausdrücklich zu diesem Prinzip bekannt haben. Für uns ist besonders maßgebend, daß jede Abweichung von diesem Prinzip die Gefahr mit sich bringt, daß der Lastenausgleich auf neues Arbeitseinkommen, durch neue Preisforderungen oder auf irgendeine Art und Weise wieder auf diejenigen Schultern abgewälzt wird, die ihn eben nicht tragen sollen. Wir hätten auch hier eine klare und deutliche Äußerung der Regierung sehr gern gehabt.
    Meine Damen und Herren! Die Antwort der Regierung auf unsere zweite Interpellation war — ich muß es bedauern - so inhaltlos, daß wir mit unserer Stellungnahme nichts anderes tun konnten, als gewisse Grundsätze, die wir uns erarbeitet haben und über deren Bedeutung man sich vielleicht in der Regierung noch gar nicht klar geworden ist, Ihnen hier darzulegen. Das Bild, das wir aus dieser Antwort erhalten haben, kann nur dazu führen, daß wir unsere Forderungen auf den schnellen, ganz schnellen Lastenausgleich immer erneut und mit allem Nachdruck erheben. Dann wollen wir einmal sehen, ob es wirklich in diesem Hause keine Mehrheit für den Lastenausgleich geben kann.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich habe auf die Bitte des Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität bekanntzugeben, daß dieser Ausschuß sich um 16 Uhr im Zimmer 02 des Südflügels versammelt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wackerzapp.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Wackerzapp


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen in aller Kürze das Problem des Lastenausgleichs schildern, wie es sich vom Standpunkt der Heimatvertriebenen aus darstellt. Für die Heimatvertriebenen ist der Lastenausgleich vielfach die letzte Hoffnung und der letzte Halt. Weite Kreise der Heimatvertriebenen stehen vor der unmittelbaren Gefahr, in ein trostloses Proletariat zu versinken; das böse Wort: die Heimatvertriebenen werden den fünften Stand in unserer sozialen Stufenleiter bilden, droht zur Wahrheit zu werden. Die Masse der Heimatvertriebenen hat, anders als der normale Arbeiter, weder eine eigene Wohnung noch eigenes Mobiliar noch Einrichtungsgegenstände, und sie sind auch nicht in der Lage, sich solche Dinge zu beschaffen. Sie sind in der Mehrzahl erwerbslos oder verdienen wenig oder sind berufsfremd untergebracht. Sie können keine Rücklagen machen. Die Hausratshilfe war wirklich nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.
    So sehen die Heimatvertriebenen, wie ihre soziale Stellung immer mehr heruntersinkt. Aber der Heimatvertriebene aus dem Osten will nicht auf die Dauer den polnischen Landarbeiter hier im Westen ersetzen; und der ehemals selbständige Handwerker, Kaufmann und Industrielle aus dem Osten will sich auch nicht ständig mit der Stellung eines kleinen, kümmerlichen Angestellten begnügen oder gar der Erwerbslosigkeit anheimfallen. Und was das Bedenklichste und Bedrückendste ist: man sieht vor allem in der Zukunft keinen Ausweg. Man beobachtet mit Schrecken, wie der Nachwuchs allmählich weiter deklassiert wird, wie hier wertvolles Kulturgut vergeudet wird, weil es nicht mehr möglich ist, der Jugend eine angemessene Ausbildung zu geben, so daß sie auch hierdurch den Einheimischen gegenüber immer mehr ins Hintertreffen gerät. Es handelt sich hier im wesentlichen um die Kreise des Mittelstandes, diejenige Schicht, die immer in der Geschichte als ein unentbehrliches Glied und ein unentbehrlicher Bevölkerungsteil eines jeden gesunden Staatswesens angesehen worden ist. Es sind die Schichten, die früher immer bestrebt gewesen sind, aus eigener Kraft und aus eigener Verantwortung heraus ihr Leben zu formen, die es abgelehnt haben, sich an die öffentliche Fürsorge zu wenden, weil sie ihren- Ehrgeiz darin setzten, durch fleißige Arbeit und Sparsamkeit sich die Mittel zu schaffen, die sie brauchen, um ihren Lebensabend selbständig gestalten zu können.
    Das ist nun alles vorüber. Diese Kreise erwarten vom Lastenausgleich nicht, daß er ihnen die frühere Lage auch nur entfernt wiederbringt, aber sie wünschen, daß ihnen der Lastenausgleich so viel gibt, daß sie die Grundlinien ihrer ehemaligen sozialen Existenz wieder aufbauen können, daß der vertriebene Bauer sich hier wieder als Landwirt betätigen kann, der Handwerker und Industrielle sich hier wieder seinem gelern-


    (Wackerzapp)

    ten Können entsprechend zu entwickeln vermag. Wir wollen nicht die unmögliche Wiederherstellung der Verhältnisse, wie sie früher waren, aber wir wünschen, daß die frühere soziale Geltung in ihren wesentlichen Merkmalen erhalten bleibt. Deswegen sind weite Kreise der Vertriebenen der Ansicht, daß das Problem des Lastenausgleichs nur auf dem Wege der individuellen Feststellung der erlittenen Verluste gelöst werden kann und daß darauf der Entschädigungsanspruch als ein rechtlich verfolgbarer Anspruch gegründet wird. Wir sind durchaus der Meinung, daß das Problem der Quotalentschädigung nicht überspannt werden darf, daß hier eine gewisse Elastizität obwalten muß. Aber wir sind anderseits der Ansicht, daß der Boden des Rechts nicht verlassen werden darf, daß man nur auf der Grundlage festgestellter Ansprüche wirklich den Betroffenen zu ihrem Recht verhelfen kann.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir sehen eine große Gefahr in dem sogenannten elastischen oder sozialen Ausgleich darin, daß damit ein unbestimmtes Moment eingeschaltet wird. daß wiederum die Verwaltungswillkür eine große Rolle spielen wird und daß man sich in die Entscheidungsgewalt von Behörden geben muß, die für die Bewältigung dieser schwerwiegenden Probleme nicht immer das nötige Verständnis aufbringen. Deshalb halten wir daran fest, daß der Lastenausgleich nicht nur ein moralisches Problem ist, sondern auch auf einer juristischen Grundlage beruht und nach rechtlichen Gesichtspunkten weiter behandelt werden muß.
    Wir sind weiter der Meinung, daß die Heimatvertriebenen durch ihre Entwurzelung aus der Heimat Schäden erlitten haben, die ihnen überhaupt niemand ersetzen kann, daß ihnen aber auch das Herausreißen aus den nachbarlichen Beziehungen hier unmittelbaren wirtschaftlichen Schaden zufügt. Ein Heimatvertriebener ist ja kaum in der Lage, sich zum Beispiel auf normalem Bankwege einen Kredit zu verschaffen, weil ihm die Möglichkeit fehlt, die bankmäßigen Sicherheiten zu geben, und weil er als Persönlichkeit nicht genug bekannt ist. Das sind alles schwerwiegende Hinderungen und Hemmungen, diese unsere Leute aus dem Osten zusätzlich noch belasten.
    Nun meinen wir, daß das Problem des Lastenausgleichs — und darauf ist ja vorhin schon mit Recht hingewiesen worden — bisher, insbesondere auch von der Regierung, viel zu einseitig als ein reines Finanzproblem betrachtet worden ist. Nach unserer Auffassung liegt der Lastenausgleich wie eine schwere Wolke über unserem ganzen Wirtschaftsleben. Der Lastenausgleich greift in alle unsere wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen tief einschneidend hinein. Er erschöpft sich nicht nur auf dem steuerlichen Gebiet, sondern er wird auch auf dem Gebiet der Siedlung, auf dem des Wohnungsbaus eine erhebliche Rolle spielen. Noch ganz ungeklärt und nicht durchdacht sind die Auswirkungen, die der Lastenausgleich in den Beziehungen zur öffentlichen Fürsorge und Wohlfahrt hervorrufen wird. Wir vermissen also, daß bisher das Problem des Lastenausgleichs noch nicht von einer Gesamtschau aus gesehen worden ist, und in dieser Hinsicht müßte zunächst einmal eine grundlegende Wandlung stattfinden. Es wird
    sich dann bald herausstellen, daß mit den Mitteln der gewohnten Steuertechnik und überhaupt mit finanzwirtschaftlichem Denken allein dieses Riesenproblem gar nicht zu lösen ist.
    Wir müssen uns darüber klar sein, daß es sich ja letzten Endes darum handelt, eine Vermögensumschichtung allergrößten Ausmaßes, vielleicht in Höhe von 40 bis 50 Milliarden DM vorzunehmen, eine Aufgabe, die einem Wirtschafts- und Staatswesen bisher noch niemals in der Welt gestellt worden ist. Die totalitären Staaten mit kommunistischer Einstellung haben es leicht. Aber wir, insbesondere auch wir Heimatvertriebenen, legen Wert darauf, daß sich der Lastenausgleich in den Formen und unter Respekt vor all den Einrichtungen vollzieht, die im Sinne unserer westlichen Entwicklung für uns ein wertvolles Kulturgut darstellen. Insbesondere legen wir entscheidenden Wert darauf, daß bei der Regelung des Lastenausgleichs die Achtung vor dem Eigentum erhalten bleibt. Aber wenn wir das den Einheimischen zubilligen, müssen wir auf der anderen Seite verlangen, daß man auch unseren Bestrebungen und unseren Wünschen mit demselben Verständnis entgegenkommt.
    Ich darf weiter darauf hinweisen, daß bisher die Staatsverwaltung in Sachen des Lastenausgleichs nur Stückwerk geleistet hat. Die Unvollkommenheiten des Soforthilfegesetzes sind ja ausreichend beleuchtet und auch von der Regierung zugegeben worden. Weil es aber ein Notbehelf ist und weil es die vielen Härten und Unvollkommenheiten enthält, die vorhin aufgezeigt worden sind, ist es ungemein notwendig. daß es recht bald durch ein organisch aufgebautes Lastenausgleichsgesetz abgelöst wird. Das i aber setzt voraus, daß sich nunmehr die Kraft der Regierung diesen Problemen zuwendet. Wir sind der Meinung und wir haben den Eindruck, als ob bisher die Regierung ihre Kenntnisse und Erfahrungen, ihre Mühe und Arbeit weniger darauf verwendet hat, dem Lastenausgleich zu einem positiven Erfolg zu verhelfen, als die unbestreitbaren Schwierigkeiten, Hemmungen und Unzulänglichkeiten aufzuzeigen, die diesem gewaltigen Problem der Natur der Dinge nach nun einmal innewchnen. Wir haben den dringenden Wunsch, daß die Regierung hier eine Änderung ihrer Haltung vornimmt, daß sie sich positiv zu dem Problem des Lastenausgleichs einstellt und sich von dem festen Willen beseelen läßt, eine Lösung zu bringen, die wirklich den Verhältnissen gerecht wird. Die besitzenden Kreise werden im Zuge des Lastenausgleichs schwere Opfer bringen müssen, und wir haben volles Verständnis dafür, daß das niemandem leicht fallen kann. Wir wissen selber, daß wir vielfach ein Leben lang gearbeitet haben, um uns Besitz zu schaffen, den wir mit einem Schlage verloren haben; wir wissen, wie schmerzlich es ist, sich von den irdischen Gütern trennen zu müssen. Wir haben bei unserem leidvollen Schicksalsgang die eine Wahrnehmung gemacht, daß von all den Gütern, auf die der Mensch stolz zu sein pflegt, nur das wertbeständig geblieben ist, was man sich durch eigene Arbeit und Bildung an Fähigkeiten und Fertigkeiten angeeignet hat.
    Wenn man nun von den Besitzenden Opfer verlangt, so werden sie diese nicht ohne Gegenleistung zu erbringen brauchen. Diese Gegenleistung besteht darin, daß die Besitzenden nun


    (Wackerzapp)

    Klarheit über das erhalten, was ihnen endgültig bleiben wird. Nach vollzogenem Lastenausgleich werden auch sie wieder eine feste Grundlage für ihre Dispositionen erhalten. Die Unsicherheit, die jetzt so lähmend über allen Entschließungen liegt und die zu so vielfachen Fehldispositionen geführt hat, wird schwinden, und gleichzeitig werden die besitzenden Kreise die beruhigende Gewißheit haben können, daß sich bei einer gerechten Regelung des Lastenausgleichs auch der Respekt vor dem Eigentum wieder festigen wird und daß das, was ihnen verblieben ist, ihnen nunmehr auch auf die Dauer erhalten bleiben wird, weil die großen sozialen Spannungen, die sich aus der jetzigen unterschiedlichen Verteilung des Besitzes ergeben haben, dann weitgehend behoben sein werden.
    So glauben wir, daß der Lastenausgleich nicht einseitig gesehen werden darf, etwa in dem Sinne, daß die Heimatvertriebenen und die Bombengeschädigten eine Bereicherung von den Besitzenden verlangen, die ihnen nicht zukommt, sondern wir meinen, daß es letzten Endes darum geht, in unserem zerklüfteten Lande einen Ausgleich zu finden, der die Abgründe wiederauffüllt und den Boden für einen neuen Aufbau wieder bereitet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)