Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Horlacher hat den Wunsch ausgesprochen, daß diese so überaus ernste Frage in aller Sachlichkeit behandelt werden möchte und daß keine Demagogie zum Ausdruck kommen solle. Ich werde mich bemühen, wirklich sachlich zu sein und so zu sprechen, wie ich allen gegenüber mich für verpflichtet halte.
Der Herr Kollege Horlacher hat weiter den Wunsch ausgesprochen, man sollte einmal nicht bloß vor Bauern sprechen können, sondern in einer großen Versammlung, wo sie alle beieinander wären, die Gebenden und die Nehmenden, die Bauern, die Städter und auch die Flüchtlinge. Ich hatte am vergangenen Sonntag die Gelegenheit, eine solche Versammlung in einer Stadt abzuhalten, wo tatsächlich alle Kreise vertreten waren, und ich glaube, ich habe bewiesen, daß dort meine Ausführungen nicht demagogisch waren, weil mir nicht ein einziger Zwischenruf entgegengebracht worden ist, und selbst die Diskussionsredner, die sich dann zu Wort gemeldet hatten, mußten meine Sachlichkeit anerkennen.
Ich bin der Meinung, daß auch im Lastenausgleichsausschuß — das darf ich wohl sagen — bis jetzt nur überaus sachlich gearbeitet worden ist. Ich bedauere nur, daß wir immer noch das Soforthilfegesetz haben und daß jeder Abänderungsantrag zu irgendeiner Erleichterung immer damit abgetan werden muß, daß wir das Lastenausgleichsgesetz als solches abwarten müssen und daß wir an dem heute bestehenden Soforthilfegesetz keine Änderungen mehr vornehmen können. Deshalb ist es mein dringlichster Wunsch, daß uns endlich einmal alsbald, um die Unruhe auf beiden Seiten — auf der nehmenden und auf der gebenden — beseitigen zu können, das endgültige Lastenausgleichsgesetz vorgelegt wird. Der Herr Finanzminister hat ja bereits angekündigt, daß er es in absehbarer Zeit vorlegen will, um dann endlich einmal die Dinge zur Ruhe und zur Befriedigung für alle Teile kommen zu lassen.
Ich habe davon gesprochen, daß im Lastenausgleichsausschuß immer größte Sachlichkeit
herrschte, und ich möchte besonders betonen, daß
in der letzten Sitzung es der Vertreter der SPD,
Herr Kriedemann, war, der folgendes sagte:
Es wäre mir ein Leichtes, hier Anträge zu stellen, denen gegenüber ein Nein Ihnen sehr schwer fallen würde, aber ich will es nicht tun. Die Frage des Lastenausgleichs und der Soforthilfe ist mir viel, viel zu ernst, als daß ich sie zum Gegenstand solcher Auseinandersetzungen haben möchte.
Meine Herren, dieses Wort von der Opposition hat mich gefreut. Ich bin dankbar dafür, daß man auf dieser Seite Verständnis für den Ernst der Lage aufbringt und bereit ist, eine Aufgabe lösen zu helfen,
wozu wir alle gemeinsam verpflichtet sind.
—Herr Loritz, das überlasse ich Ihnen, mich zu korrigieren. Ich habe jetzt hier bloß gesagt, daß wir im Ausschuß positive Arbeiten geleistet haben, soweit als es uns möglich ist.
Ich bin Mitglied dieses Ausschusses, und als solches fühle ich mich nicht etwa verpflichtet, bloß nein zu sagen, wo ein Ja notwendig ist,
und ja zu sagen, wo ein Nein notwendig ist, sondern ich fühle mich verpflichtet, die Dinge so zu
sehen und so zu behandeln, wie wir es vor unserem ganzen Volke verantworten können.
Ich habe aber auch — und das möchte ich dem Herrn Loritz sagen — mit Unterstützung meiner Fraktion Anträge positiver Art gestellt,
die bestimmt nicht demagogisch waren, die so gehalten waren, daß jeder erklären muß: es wird nur das verlangt, was im äußersten Falle verlangt werden muß.
Meine Herren, ich will nicht große und lange Ausführungen über die Notlage der Landwirtschaft machen. Ich habe das vor 14 Tagen hier getan, und ich verweise bloß auf die Aussprache, die vor etwa 6 Wochen über die Landwirtschaft und ihre Nöte hier stattgefunden hat und bei der das ganze Haus von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken eine Einmütigkeit gezeigt hat, wie wir sie nur in der Saarfrage und heute wieder in der Wohnungsfrage erlebt haben. Ich glaube, wenn es allen diesen Kreisen mit der Notlage der Landwirtschaft ernst ist, die man zugegeben hat, und wenn man aus dieser Anerkennung die Folgerungen und die Konsequenzen zieht, dann werden Sie einem Lastenausgleichsgesetz beipflichten, das auf die besondere Lage der Landwirtschaft — ich will gar nicht von der besonderen Notlage sprechen — Rücksicht nehmen wird.
—Bestimmt, aber Sie können doch nicht verbieten, daß andere das gleiche wollen. Ich muß aber feststellen, daß ich von keiner Seite eine Unterstützung für meine Anträge gefunden habe, die das wollten, was vorhin auch erwähnt worden ist, nämlich die Berücksichtigung der Altenteile und die Berücksichtigung der mitarbeitenden Kinder vom achtzehnten Lebensjahr an, die ja ohne Lohn arbeiten, sondern deren Lohn in Form einer Aussteuer abgegolten werden soll; diese sollten einen Vermögensanteil an dem Besitz haben. Alle diese Forderungen sind abgelehnt worden bzw. die Anträge sind als Material überwiesen worden. Aber wir haben dafür ja noch Zeit, und ich möchte daher vor allem die Bundesregierung und das Finanzministerium
bitten, daß dieses Material, das so reichlich hinübergegeben worden ist, auch in das neue Gesetz hineingearbeitet wird.
Wir sind auch Ihnen, Herr Loritz, ganz bestimmt
dankbar, wenn Sie mit uns in dasselbe Horn blasen
und wenn auch Sie und Ihre Fraktion uns unterstützen, damit diese berechtigten Forderungen tatsächlich einmal verwirklicht werden.
Ich darf heute auch darauf verweisen, daß unser Antrag sehr bescheiden war, als wir forderten, daß die Freigrenze von 3 000 auf 5 000 DM erhöht werden sollte. Ich habe ja letzthin erklärt und wiederhole es heute: Wer fällt denn auch bei 5 000 DM unter diese Freigrenze? Es sind die kleinen Leute, die kleinen Hausbesitzer, vielleicht eine Witwe, die ein Häuschen mit einem Einheitswert von 7 000 DM
hat. Diese Witwe ist aber vielleicht ohne jedes Einkommen, und trotzdem muß sie Soforthilfe bezahlen, während in ihrem Hause ein Mieter wohnt — nehmen wir irgendein Beispiel —, ein Dentist oder ein Arzt, der eventuell 15- oder 20 000 DM im Jahr verdient. Der braucht keine Soforthilfe zu bezahlen; aber die arme Witwe muß für diese Dinge aufkommen. Wir sind der Meinung, daß diese Last, die aufgebracht werden muß, um den Heimatvertriebenen wenigstens das Allernotwendigste zukommen zu lassen, auf breitere Schultern gelegt werden muß, als dies jetzt im Soforthilfegesetz vorgesehen ist. Ich glaube, wenn man von Vermögen spricht, dann darf man auch darauf verweisen, daß ein Aktienbesitz ebenfalls ein Vermögen darstellt und daß dieses eine viel mühelosere Rente abwirft als etwa ein Bauernhof, wo die Bäuerin von frühmorgens bis spätabends in der schwersten Arbeit steht.
Ich habe vor 14 Tagen in einer Versammlung gesprochen, und da ist nach meinen Ausführungen eine junge Heimatvertriebene gekommen und hat gesagt: Sie haben es so dargestellt, als ob das Soforthilfegesetz nur für die Heimatvertriebenen da sein sollte. Es ist doch auch für die Einheimischen nötig, die der Unterstützung bedürfen. Ich gab ihr recht, und dann sagte sie mir: ich wohne zur Zeit bei einem Bauern mit 80 Tagewerk und sehe, wie die Bäuerin dort von früh bis spätabends in der Arbeit steht. Schließlich fügte sie hinzu: ich sage Ihnen offen und ehrlich: obwohl ich Heimatvertriebene bin und jetzt mit einem ganz kärglichen Einkommen durchkommen muß, möchte ich mit dieser Bäuerin nicht tauschen. Meine Herren, es ist in Wirklichkeit so, daß die Arbeit, die hier geleistet werden muß, viel zuwenig gewürdigt wird.
Ich möchte nochmals auf meinen Antrag wegen der Freigrenze zurückkommen und dazu noch folgendes sagen: es sind kleine Leute, kleine Gewerbetreibende und auch kleine Bauern bis zu 3 oder höchstens 4 Hektar. Wenn einer mehr hat, wird er nicht mehr unter diese Freigrenze fallen. Wenn im Lastenausgleichsausschuß auch das Wort gefallen ist, daß das Arbeitseinkommen zur Soforthilfe nicht herangezogen werden darf, so sage ich demgegenüber: es ist nichts anderes als ein Arbeitseinkommen dieser kleinen Leute, die zwar ihr Leben fristen, die aber — ich wiederhole es — auf all das verzichten müssen, was das Leben lebenswert macht, die jahraus, jahrein kein Kino, kein Theater sehen, sondern nur besorgt sind, wie sie durchkommen, wie sie die paar Mark Steuern aufbringen, wie sie sich das Allernotwendigste, was sie brauchen, wieder anschaffen können. An diese kleinen Leute denkt der Antrag der Bayernpartei. Leider ist auch er den Weg gegangen, den alle anderen Anträge gegangen sind: Überweisung als Material für den kommenden Lastenausgleich.
Meine Redezeit ist zu kurz, um weitere Ausführungen machen zu können. Ich möchte nur noch einmal erklären, daß das Lastenausgleichsgesetz baldmöglichst kommen muß. Wir sagen nicht etwa, daß die Landwirtschaft als solche befreit werden muß. Das kann man nicht verlangen; kein verantwortlicher Mensch wird das verlangen. Wir müssen aber fordern, daß auf die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft Rücksicht genommen wird. Der Landwirt hat bloß einmal im Jahr eine Ernte. Dagegen ein Geschäft setzt seine Ware im Jahre fünf- oder sechs- oder zehnmal um. Bei jedem Umsatz erzielt er einen gewissen Gewinn, der vorher einkalkuliert ist und zweifellos mehr als die 3 oder
4 O/o beträgt, wie die Landwirtschaft rentiert. Für eine gerechte Beurteilung müssen diese Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich sagen, daß wir in der Erkenntnis, daß die Heimatvertriebenen nicht der Verzweiflung überlassen werden dürfen, bereit sind, in gemeinsamer Arbeit an einem Lastenausgleichsgesetz mitzuarbeiten. Dieses Gesetz muß aber so gestaltet sein, daß die eigene Existenz der einheimischen Bauern nicht gefährdet ist. Wenn das erreicht wird — und es kann bei gutem Willen erreicht werden —, dann wird auch, wie ich glaube, innerhalb des gesamten deutschen Volkes wieder eine Befriedung eintreten. Wir brauchen einen wirklich sozialen Ausgleich. Das heißt allerdings nicht, daß alle Härten beseitigt werden können. Aber wenn der gute Wille vorhanden und man wirklich bestrebt ist, einen wahrhaft sozialen Ausgleich zu schaffen, dann wird das Werk auch gelingen und wird zur Befriedung unseres Volkes beitragen.