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    Deutscher Bundestag - 53. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. März 1950 1927 53. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1927D, 1950C, 1978B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Wohnungsbaugesetzes (Drucksachen Nr. 703, 567, 352) 1927D Dr. Brönner (CDU), Berichterstatter 1928A Klabunde (SPD) . . . . . 1936C, 1946C Wirths (FDP) 1938D Lücke (CDU) . . . . . . . . 1940B Paul (Düsseldorf) (KPD) . . . . 1942C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) . . . 1943D Reindl (WAV) . . . . . . . . 1945A Determann (Z) . . . . . . . 1945C Bahlburg (DP) 1946A Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 1947A Abstimmungen 1948D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Änderung des Soforthilfegesetzes (Drucksachen Nr. 684 und 82) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Stücklen und Genossen betr. Durchführung des Soforthilfegesetzes bei der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 543) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Soforthilfeabgabe (Drucksache Nr. 635) und der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Lastenausgleich (Drucksache Nr. 636) . . . . . 1950D, 1951B, 1954B Wartner (BP): als Berichterstatter 1950D als Abgeordneter 1960D Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 1951B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1954C Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 1958A Kohl (Stuttgart) (KPD) 1962C Schmidt (Bayern) (WAV). . . 1964C Mensing (CDU) 1965C Seuffert (SPD) 1966C Wackerzapp (CDU) 1970C Farke (DP) 1972A Strauß (CSU) 1972D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 1973B Dr. Preiß (FDP) 1975B Kunze (CDU) . . . . . . . . 1976B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter (Drucksache Nr. 772) 1978B Mitteilung über den Anschluß der Abgeordneten Paschek und Goetzendorff als Hospitanten an die Gruppe der DRP 1978B Erklärung der WAV betr. den Abg. Goetzendorff 1978C Loritz (WAV) 1978C Nächste Sitzung 1978D Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Johann Wartner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Horlacher hat den Wunsch ausgesprochen, daß diese so überaus ernste Frage in aller Sachlichkeit behandelt werden möchte und daß keine Demagogie zum Ausdruck kommen solle. Ich werde mich bemühen, wirklich sachlich zu sein und so zu sprechen, wie ich allen gegenüber mich für verpflichtet halte.


    (Wartner)

    Der Herr Kollege Horlacher hat weiter den Wunsch ausgesprochen, man sollte einmal nicht bloß vor Bauern sprechen können, sondern in einer großen Versammlung, wo sie alle beieinander wären, die Gebenden und die Nehmenden, die Bauern, die Städter und auch die Flüchtlinge. Ich hatte am vergangenen Sonntag die Gelegenheit, eine solche Versammlung in einer Stadt abzuhalten, wo tatsächlich alle Kreise vertreten waren, und ich glaube, ich habe bewiesen, daß dort meine Ausführungen nicht demagogisch waren, weil mir nicht ein einziger Zwischenruf entgegengebracht worden ist, und selbst die Diskussionsredner, die sich dann zu Wort gemeldet hatten, mußten meine Sachlichkeit anerkennen.

    (Abg. Kunze: Sehr schön!)

    Ich bin der Meinung, daß auch im Lastenausgleichsausschuß — das darf ich wohl sagen — bis jetzt nur überaus sachlich gearbeitet worden ist. Ich bedauere nur, daß wir immer noch das Soforthilfegesetz haben und daß jeder Abänderungsantrag zu irgendeiner Erleichterung immer damit abgetan werden muß, daß wir das Lastenausgleichsgesetz als solches abwarten müssen und daß wir an dem heute bestehenden Soforthilfegesetz keine Änderungen mehr vornehmen können. Deshalb ist es mein dringlichster Wunsch, daß uns endlich einmal alsbald, um die Unruhe auf beiden Seiten — auf der nehmenden und auf der gebenden — beseitigen zu können, das endgültige Lastenausgleichsgesetz vorgelegt wird. Der Herr Finanzminister hat ja bereits angekündigt, daß er es in absehbarer Zeit vorlegen will, um dann endlich einmal die Dinge zur Ruhe und zur Befriedigung für alle Teile kommen zu lassen.
    Ich habe davon gesprochen, daß im Lastenausgleichsausschuß immer größte Sachlichkeit
    herrschte, und ich möchte besonders betonen, daß
    in der letzten Sitzung es der Vertreter der SPD,
    Herr Kriedemann, war, der folgendes sagte:
    Es wäre mir ein Leichtes, hier Anträge zu stellen, denen gegenüber ein Nein Ihnen sehr schwer fallen würde, aber ich will es nicht tun. Die Frage des Lastenausgleichs und der Soforthilfe ist mir viel, viel zu ernst, als daß ich sie zum Gegenstand solcher Auseinandersetzungen haben möchte.

    (Sehr schön! Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Meine Herren, dieses Wort von der Opposition hat mich gefreut. Ich bin dankbar dafür, daß man auf dieser Seite Verständnis für den Ernst der Lage aufbringt und bereit ist, eine Aufgabe lösen zu helfen,

    (Abg. Loritz: Sie gehören doch gar nicht zur Opposition!)

    wozu wir alle gemeinsam verpflichtet sind.

    (Abg. Loritz: Sie haben doch Adenauer gewählt!)

    —Herr Loritz, das überlasse ich Ihnen, mich zu korrigieren. Ich habe jetzt hier bloß gesagt, daß wir im Ausschuß positive Arbeiten geleistet haben, soweit als es uns möglich ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Loritz: Muß er unbedingt schimpfen, wenn er nicht dazu gehört?)

    Ich bin Mitglied dieses Ausschusses, und als solches fühle ich mich nicht etwa verpflichtet, bloß nein zu sagen, wo ein Ja notwendig ist,

    (Bravo!)

    und ja zu sagen, wo ein Nein notwendig ist, sondern ich fühle mich verpflichtet, die Dinge so zu
    sehen und so zu behandeln, wie wir es vor unserem ganzen Volke verantworten können.

    (Beifall bei der BP und den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Loritz.)

    Ich habe aber auch — und das möchte ich dem Herrn Loritz sagen — mit Unterstützung meiner Fraktion Anträge positiver Art gestellt,

    (Abg. Loritz: Wir auch!)

    die bestimmt nicht demagogisch waren, die so gehalten waren, daß jeder erklären muß: es wird nur das verlangt, was im äußersten Falle verlangt werden muß.
    Meine Herren, ich will nicht große und lange Ausführungen über die Notlage der Landwirtschaft machen. Ich habe das vor 14 Tagen hier getan, und ich verweise bloß auf die Aussprache, die vor etwa 6 Wochen über die Landwirtschaft und ihre Nöte hier stattgefunden hat und bei der das ganze Haus von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken eine Einmütigkeit gezeigt hat, wie wir sie nur in der Saarfrage und heute wieder in der Wohnungsfrage erlebt haben. Ich glaube, wenn es allen diesen Kreisen mit der Notlage der Landwirtschaft ernst ist, die man zugegeben hat, und wenn man aus dieser Anerkennung die Folgerungen und die Konsequenzen zieht, dann werden Sie einem Lastenausgleichsgesetz beipflichten, das auf die besondere Lage der Landwirtschaft — ich will gar nicht von der besonderen Notlage sprechen — Rücksicht nehmen wird.

    (Sehr richtig! In der Mitte. — Abg. Loritz: Das wollen wir auch!)

    —Bestimmt, aber Sie können doch nicht verbieten, daß andere das gleiche wollen. Ich muß aber feststellen, daß ich von keiner Seite eine Unterstützung für meine Anträge gefunden habe, die das wollten, was vorhin auch erwähnt worden ist, nämlich die Berücksichtigung der Altenteile und die Berücksichtigung der mitarbeitenden Kinder vom achtzehnten Lebensjahr an, die ja ohne Lohn arbeiten, sondern deren Lohn in Form einer Aussteuer abgegolten werden soll; diese sollten einen Vermögensanteil an dem Besitz haben. Alle diese Forderungen sind abgelehnt worden bzw. die Anträge sind als Material überwiesen worden. Aber wir haben dafür ja noch Zeit, und ich möchte daher vor allem die Bundesregierung und das Finanzministerium

    (Zuruf)

    bitten, daß dieses Material, das so reichlich hinübergegeben worden ist, auch in das neue Gesetz hineingearbeitet wird.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Wir sind auch Ihnen, Herr Loritz, ganz bestimmt
    dankbar, wenn Sie mit uns in dasselbe Horn blasen

    (Bravo!)

    und wenn auch Sie und Ihre Fraktion uns unterstützen, damit diese berechtigten Forderungen tatsächlich einmal verwirklicht werden.

    (Abg. Loritz: Wir unterstützen alles, was vernünftig ist! — Heiterkeit. — Abg. Kunze: Nach dem Grade Ihrer Erkenntnis!)

    Ich darf heute auch darauf verweisen, daß unser Antrag sehr bescheiden war, als wir forderten, daß die Freigrenze von 3 000 auf 5 000 DM erhöht werden sollte. Ich habe ja letzthin erklärt und wiederhole es heute: Wer fällt denn auch bei 5 000 DM unter diese Freigrenze? Es sind die kleinen Leute, die kleinen Hausbesitzer, vielleicht eine Witwe, die ein Häuschen mit einem Einheitswert von 7 000 DM


    (Wartner)

    hat. Diese Witwe ist aber vielleicht ohne jedes Einkommen, und trotzdem muß sie Soforthilfe bezahlen, während in ihrem Hause ein Mieter wohnt — nehmen wir irgendein Beispiel —, ein Dentist oder ein Arzt, der eventuell 15- oder 20 000 DM im Jahr verdient. Der braucht keine Soforthilfe zu bezahlen; aber die arme Witwe muß für diese Dinge aufkommen. Wir sind der Meinung, daß diese Last, die aufgebracht werden muß, um den Heimatvertriebenen wenigstens das Allernotwendigste zukommen zu lassen, auf breitere Schultern gelegt werden muß, als dies jetzt im Soforthilfegesetz vorgesehen ist. Ich glaube, wenn man von Vermögen spricht, dann darf man auch darauf verweisen, daß ein Aktienbesitz ebenfalls ein Vermögen darstellt und daß dieses eine viel mühelosere Rente abwirft als etwa ein Bauernhof, wo die Bäuerin von frühmorgens bis spätabends in der schwersten Arbeit steht.
    Ich habe vor 14 Tagen in einer Versammlung gesprochen, und da ist nach meinen Ausführungen eine junge Heimatvertriebene gekommen und hat gesagt: Sie haben es so dargestellt, als ob das Soforthilfegesetz nur für die Heimatvertriebenen da sein sollte. Es ist doch auch für die Einheimischen nötig, die der Unterstützung bedürfen. Ich gab ihr recht, und dann sagte sie mir: ich wohne zur Zeit bei einem Bauern mit 80 Tagewerk und sehe, wie die Bäuerin dort von früh bis spätabends in der Arbeit steht. Schließlich fügte sie hinzu: ich sage Ihnen offen und ehrlich: obwohl ich Heimatvertriebene bin und jetzt mit einem ganz kärglichen Einkommen durchkommen muß, möchte ich mit dieser Bäuerin nicht tauschen. Meine Herren, es ist in Wirklichkeit so, daß die Arbeit, die hier geleistet werden muß, viel zuwenig gewürdigt wird.
    Ich möchte nochmals auf meinen Antrag wegen der Freigrenze zurückkommen und dazu noch folgendes sagen: es sind kleine Leute, kleine Gewerbetreibende und auch kleine Bauern bis zu 3 oder höchstens 4 Hektar. Wenn einer mehr hat, wird er nicht mehr unter diese Freigrenze fallen. Wenn im Lastenausgleichsausschuß auch das Wort gefallen ist, daß das Arbeitseinkommen zur Soforthilfe nicht herangezogen werden darf, so sage ich demgegenüber: es ist nichts anderes als ein Arbeitseinkommen dieser kleinen Leute, die zwar ihr Leben fristen, die aber — ich wiederhole es — auf all das verzichten müssen, was das Leben lebenswert macht, die jahraus, jahrein kein Kino, kein Theater sehen, sondern nur besorgt sind, wie sie durchkommen, wie sie die paar Mark Steuern aufbringen, wie sie sich das Allernotwendigste, was sie brauchen, wieder anschaffen können. An diese kleinen Leute denkt der Antrag der Bayernpartei. Leider ist auch er den Weg gegangen, den alle anderen Anträge gegangen sind: Überweisung als Material für den kommenden Lastenausgleich.
    Meine Redezeit ist zu kurz, um weitere Ausführungen machen zu können. Ich möchte nur noch einmal erklären, daß das Lastenausgleichsgesetz baldmöglichst kommen muß. Wir sagen nicht etwa, daß die Landwirtschaft als solche befreit werden muß. Das kann man nicht verlangen; kein verantwortlicher Mensch wird das verlangen. Wir müssen aber fordern, daß auf die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft Rücksicht genommen wird. Der Landwirt hat bloß einmal im Jahr eine Ernte. Dagegen ein Geschäft setzt seine Ware im Jahre fünf- oder sechs- oder zehnmal um. Bei jedem Umsatz erzielt er einen gewissen Gewinn, der vorher einkalkuliert ist und zweifellos mehr als die 3 oder
    4 O/o beträgt, wie die Landwirtschaft rentiert. Für eine gerechte Beurteilung müssen diese Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
    Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich sagen, daß wir in der Erkenntnis, daß die Heimatvertriebenen nicht der Verzweiflung überlassen werden dürfen, bereit sind, in gemeinsamer Arbeit an einem Lastenausgleichsgesetz mitzuarbeiten. Dieses Gesetz muß aber so gestaltet sein, daß die eigene Existenz der einheimischen Bauern nicht gefährdet ist. Wenn das erreicht wird — und es kann bei gutem Willen erreicht werden —, dann wird auch, wie ich glaube, innerhalb des gesamten deutschen Volkes wieder eine Befriedung eintreten. Wir brauchen einen wirklich sozialen Ausgleich. Das heißt allerdings nicht, daß alle Härten beseitigt werden können. Aber wenn der gute Wille vorhanden und man wirklich bestrebt ist, einen wahrhaft sozialen Ausgleich zu schaffen, dann wird das Werk auch gelingen und wird zur Befriedung unseres Volkes beitragen.

    (Beifall bei der BP und bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Die Erklärungen des Herrn Finanzministers haben eigentlich die Befürchtung bestätigt, die wir bereits bei der Debatte über den Lastenausgleich in den letzten Tagen geäußert haben. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß man diesem kommenden endgültigen Lastenausgleich einigermaßen mit Bedenken entgegensehen muß. Was der Herr Bundesfinanzminister heute vormittag zum besten gab, war darauf abgestellt, keine Hoffnungen zu erwecken; denn dieser endgültige Lastenausgleich wird so aussehen, daß aus diesem Haus starker, entscheidender Widerspruch auftauchen muß. Ich bin nicht w e der Redner des Zentrums der Meinung, daß der Herr Finanzminister Schäffer nicht der geeignete Mann ist, um das Gesetz über den endgültigen Lastenausgleich zu formulieren. Ich bin viel eher der Meinung, daß es im Kabinett wohl kaum einen Minister gibt, der auf Grund seiner politischen Grundeinstellung in der Lage ist, diesem Hohen Haus ein Lastenausgleichsgesetz vorzulegen, das nach der sozialen Seite hin die Bedingungen erfüllt, die daran geknüpft werden müssen.
    Man muß im Zusammenhang mit der Rede des Herrn Bundesfinanzministers einmal auf die Regierungserklärung hinweisen. Es dürfte die Verpflichtung dieses Hauses sein, auch die Durchführung und Realisierung dessen zu überwachen, was in der Regierungserklärung als politische Grundlage, als Arbeitsgrundlage für die Regierung niedergelegt ist. Herr Dr. Adenauer hat damals in der Regierungserklärung gesagt:
    Wir werden bemüht sein, den endgültigen Lastenausgleich bald zu verabschieden, um die Ungewißheit zu beseitigen, die sofft so langer Zeit sowohl auf den Geschädigten wie auch auf der zu belastenden Wirtschaft liegt. Die gesetzliche Regelung muß sich in die allgemeine Steuer- und Finanzreform sinnvoll einordnen.
    Meine Damen und Herren, die „sinnvolle Einordnung", wie sie diese Regierung versteht, haben wir bereits bei der Verabschiedung des Einkommensteuergesetzes erlebt.

    (Abg. Renner: Sehr gut!)



    (Kohl [Stuttgart])

    Wir werden die andere „sinnvolle Einordnung", wie sie eben die Regierung Adenauer versteht, bei der Debatte um den endgültigen Lastenausgleich erleben.
    Es ist nicht von ungefähr, daß sogar der Deutsche Städtetag in einer Eingabe vom 20. März den Bundesfinanzminister und damit die Regierung darauf hinweist, daß die Verhältnisse auf dem Gebiete der Soforthilfe sich in einer einfach untragbaren Weise gestaltet haben, so daß der Deutsche Städtetag eine sofortige Änderung des Soforthilfegesetzes verlangt, um soziale Schäden unter allen Umständen zu verhindern. Er macht dabei eine Reihe von Vorschlägen und sagt u. a. auch, daß der § 37 gestrichen werden muß, weil er in seiner ganzen unsozialen Tendenz einfach nicht mehr tragbar ist.
    Ich habe hier einige sehr interessante Statistiken aus der Stadt Essen, die uns einmal deutlich illustrieren, wie die Dinge in Wirklichkeit draußen aussehen. Das Amt der Soforthilfe der Stadt Essen hat in einer schematischen Darstellung das wahre Bild der Auswirkungen des Soforthilfegesetzes aufgezeigt. Das Amt stellt in der Frage des Verhältnisses zwischen Unterhaltsbeihilfe und Unterhalts
    zuschuß folgendes fest: Nur 35 % der Unterhaltshilfeempfänger gelangten in den Genuß der vollen Unterhaltsbeihilfe. Bei 65 % aller Unterhaltshilfeempfänger wird durch den Bezug einer Sozial- oder Kriegsrente die Unterhaltsrente gekürzt; davon erhalten 16 % eine Unterhaltshilfe von 30 DM und mehr, und 49 % erhalten trotz ihres höheren Schadens weniger als die Empfänger von Unterhaltszuschüssen. Nach der sozialen Seite hin, glaube ich, ist auch diese Statistik von einigem Interesse.
    Sie zeigt auf der anderen Seite diesen sehr engen Rahmen des Gesetzes. Nach der sozialen Seite stellt beispielsweise dieses Amt fest, daß die Voraussetzungen der Unterhaltshilfe in Essen — und ich glaube, die Verhältnisse sind in einer Reihe entscheidender Großstädte ähnlich — zahlenmäßig so sind, daß dort wegen Alters 71,8 % Unterhaltshilfe beziehen, wegen Arbeitsunfähigkeit 25 %, wegen Versorgung von drei und mehr Kindern 0,6 °/o, als Vollwaisen 2,6 °/o, also immer in Prozentzahlen genommen für den davon betroffenen Personenkreis. Das ist außerordentlich interessant.
    Es ist auch interessant in einer anderen Frage, der der Hausratshilfe. Die Ziffern des Aufkommens wurden von dem Herrn Bundesfinanzminister in der Beantwortung der Interpellation der Sozialdemokratischen Partei genannt. Aber nur zugespitzt einmal auf die Stadt Essen sehen die Dinge, so aus, daß für die Hausratshilfe ungefähr 40 250 Anträge eingereicht worden sind, während davon nur 14 000 Fälle berücksichtigt werden konnten bei einer Auszahlungsquote von 150 DM.
    Ich könnte Ihnen noch einige Beispiele aus der Praxis sagen. Ich möchte es aber in diesem Zusammenhang nicht tun.

    (Danke! bei der CDU.)

    Aber ich glaube, allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses ist von seiten des Verbandes der Heimatvertriebenen Südwürttemberg-Hohenzollern „Die Heimat" zugeschickt worden, in der ein offener Brief zum Abdruck kam an den Bundestag und an die Bundesregierung. Wenn ich diesen offenen Brief erwähne, so deshalb, weil auch der Herr Bundesfinanzminister bei seiner Rede in das bekannte Arsenal der sogenannten Radikalisierung recht tief hineingegriffen und versucht hat, nun zu beweisen, daß gerade die Heimatvertriebenen, die
    unter den Lastenausgleich oder unter das Soforthilfegesetz fallen, den Gedankengängen der Radikalen rechts und links außerordentlich zugänglich sind. Dort stellt man sehr eindeutig fest — Sie gestatten vielleicht, meine Damen und Herren, daß ich einige Zeilen davon verlese —:
    Die Heimatvertriebenen — ihrer Heimat, ihres Besitzes, eines großen Teils auch ihrer Rechte beraubt, arm, zum großen Teil in bitterer Not — sie haben nicht die extremen Parteien gewählt, denn sonst würden z. B. die Kommunisten mit einer stattlichen Anzahl von Abgeordneten in das Parlament eingezogen sein, sondern die Parteien der Mitte, der Mäßigung, der, wie sie hofften, sozialen Gerechtigkeit. An Versprechungen dieser Parteien und der Regierung, das Los der Heimatvertriebenen bessern zu wollen, Verständnis für deren besondere Lage zu haben, hat es nicht gefehlt. Überflüssig zu betonen, daß die Heimatvertriebenen und die unter das Soforthilfegesetz Fallenden bestimmt mit einem besseren Lastenausgleich zu rechnen hätten, wenn die Kommunisten ein entscheidendes Wort zu sagen
    hätten.

    (Oho-Rufe und Heiterkeit bei der CDU.)

    Aber der Herr Bundesfinanzminister fühlte sich doch veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß einige Pressemeldungen nicht den Tatsachen entsprechen. Es scheint wirklich das Schicksal der Regierung Adenauer zu sein — nicht nur des Herrn Bundeskanzlers selbst, sondern darüber hinaus auch seiner einzelnen Mitglieder —, daß gerade auf diesem Gebiet der Wiedergabe von Interviews oder von Versammlungsberichten eine Panne nach der anderen passiert.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Hier stellen wir doch einwandfrei fest, daß beispielsweise „Die Welt" vom 22. 3. eine Rede des Herrn Staatssekretärs im Finanzministerium Hartmann wiedergibt, der auf einer Tagung des Wirtschaftsbeirats der CDU betonte, daß der allgemeine Abgabensatz des Lastenausgleichs von drei vom Hundert auf die Dauer nicht tragbar sei und indirekt Hunderttausende von Arbeitslosen schaffen werde. Auch das Aufkommen für die Soforthilfeabgaben in Höhe von einer Milliarde DM habe der Wirtschaft erheblich geschadet.
    Meine Damen und Herren! Diese Feststellungen des Herrn Staatssekretärs — und er dürfte ja bei dem kommenden Lastenausgleichsgesetz in seiner Formulierung und in seinem materiellen Inhalt nicht unbeteiligt sein — lassen die Befürchtung aufkommen, daß er dem Druck der Wirtschaft, so wenig wie möglich zu zahlen, auch in dieser Frage erlegen ist. Es ist doch wirklich eine lächerliche Behauptung, zu sagen, daß die bisher wirklich bescheidene Belastung der besitzenden Klasse durch das Soforthilfegesetz zu einer Schädigung der Wirtschaft geführt habe. Der Herr Staatssekretär weiß genau so gut wie alle Abgeordneten dieses Hauses und die gesamte Öffentlichkeit, daß immerhin seit der Währungsreform — und die Zeitspanne ist für
    die Summe, die dabei genannt werden muß, kurz — über 15 Milliarden DM neu in der westdeutschen Wirtschaft investiert worden sind. Und dann zu jammern, dürfte nach meiner Auffassung schon etwas mehr als abwegig sein.
    Aber wir sind der Meinung — und ich sage das mit aller Deutlichkeit —, die Befürchtungen könnten laut werden, wenn ich die Stuttgarter Rede des Herrn Finanzministers betrachte. Man macht ihm


    (Kohl [Stuttgart])

    auch indirekt in der Öffentlichkeit den Vorwurf, daß er versucht, den Lastenausgleich in dem Soforthilfegesetz auslaufen zu lassen. Ich glaube, daß es einfach nicht anders geht, wenn wir einen gerechten Lastenausgleich wünschen, einen Lastenausgleich, der nach der sozialen Seite hin die Bedingungen erfüllt, die an ihn gestellt werden müssen, daß nicht aus den laufenden Steuereinnahmen diese materielle Seite gedeckt werden kann, sondern daß zwangsläufig ein Einbruch oder ein Eingriff in die Substanz notwendig sein wird. Wir haben uns erlaubt, dazu in unseren Anträgen und in unserer grundsätzlichen Stellung eine ganze Reihe von Vorschlägen zu machen. Wir haben auch darauf hingewiesen, meine Damen und Herren, daß ohne die Durchführung der Bodenreform der Lastenausgleich kein Lastenausgleich sein wird.
    Das Finanzministerium und sein Staatssekretär sind viel großzügiger, wenn es gilt, der sogenannten Wirtschaft in Westdeutschland einiges zu versprechen. Ich möchte auch hier wieder die „Welt" zitieren, die heute vormittag von einer Sitzung der Lübecker Kaufmannschaft spricht, an der Herr Staatssekretär Hartmann teilgenommen hat, der dort erklärte, daß eine zweite, großzügige Steuerreform für Ende 1950 in Aussicht stehe. Vordringlich für die Gesundung der Wirtschaft sei aber die Durchführung des endgültigen Lastenausgleiches, der bis Herbst zu erwarten sei. Ich glaube, daß darin eigentlich das gesagt ist, was wir in unseren Befürchtungen schon wiederholt zum Ausdruck gebracht haben: Man ist bereit, bei einer zweiten großzügigen Steuerreform dem Besitz noch mehr zuzuschieben und die Last des verlorenen Krieges auf die abzuwälzen, die bereits genügend zu zahlen haben. Darüber hinaus möchte auch der Herr Staatssekretär eine gewisse Garantie haben, nämlich zuerst den Lastenausgleich unter Dach und Fach und dann die großzügige Steuerreform.
    Ein Wort zu dem Antrag des Herrn Kollegen Horlacher. Ich glaube, daß man dem Antrag in dieser Form einfach aus Gründen der Konsequenz nicht zustimmen kann; aber es wäre überflüssig gewesen, diesen Antrag zu stellen, wenn sich der Herr Kollege Horlacher mit seinen Freunden auf den Standpunkt gestellt hätte, den wir als Kommunisten immer wieder vertreten haben, um soziale Ungerechtigkeiten auszuschalten, nämlich auf den Standpunkt, daß die Belastung durch die Soforthilfeabgabe zuerst einzutreten hat bei einem Grundstückseigenwert von 10 000 DM. Man war der Meinung, daß man 3000 DM zu Grunde legen müsse, und hat nun all die sozialen Ungerechtigkeiten in Kauf zu nehmen. Vielleicht haben Sie nun daraus zu lernen, vielleicht erkennen Sie nun, daß unsere Auffassung richtig ist, daß der Bundestag es nicht verantworten kann, das Soforthilfegesetz noch bis zum Herbst laufen zu lassen, bis der endgültige Lastenausgleich unter Dach und Fach gebracht ist, sondern daß der Bundestag nach den Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers nun erst recht die Verpflichtung hat, so schnell wie möglich den Wünschen Rechnung zu tragen, die auf eine Änderung des Soforthilfegesetzes hinauslaufen.

    (Beifall bei der KPD. — Zustimmung in der Mitte.)