Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst die Interpellation Drucksache Nr. 536 zu beantworten. Sie beginnt wie folgt:
Nach Zeitungsmeldungen hat die Bundesregierung in Beantwortung des alliierten Memorandums die Auffassung vertreten, daß die Zunahme der Arbeitslosigkeit in direktem Zusammenhang mit den „Milliarden-Beträgen" stehe, die der deutschen Wirtschaft und der Landwirtschaft durch die Soforthilfeabgabe entzogen worden seien.
Es ist richtig, daß diese Zeitungsmeldungen erschienen sind. Ich glaube aber, keine allzu kühne Behauptung aufzustellen, wenn ich sage: die Tatsache, daß eine Behauptung in der Zeitung gestanden hat, ist noch kein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß die Behauptung richtig ist.
Auch diese Behauptung ist nicht richtig.
Soviel ich feststellen konnte, ist die Presseveröffentlichung zuerst im Deutschlanddienst der United Preß vom 23. Februar erschienen. Am 23. Februar war das Memorandum der Regierung noch gar nicht fertiggestellt. Das Memorandum der Regierung ist erst in den ersten Tagen des März fertiggestellt und veröffentlicht worden, und zwar am 3. März dieses Jahres. Die Veröffentlichung steht dem Hohen Haus zur Verfügung. Sie werden sehen, daß in dem Memorandum nicht ein Satz enthalten ist, der in dem Sinne ausgelegt werden könnte, wie das in den Pressemeldungen geschehen ist.
Ich darf damit zu dem zweiten Teil übergehen, zu den Fragen, die sich auf das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe, auf die Rückstände usw. beziehen. Ich darf dazu etwas vorausschicken. Mein Herr Vorredner hat eben von den Sorgen der Landwirtschaft gesprochen, hat auch davon gesprochen, daß die Formen im Verkehr zwischen den Steuerzahlern und den Finanzbeamten manchmal hart seien, daß es aufreizend wirke, wenn der Finanzbeamte den Steuerzahler darauf verweise, daß die Soforthilfeabgabe nach dem Buchstaben des Gesetzes nun einmal als Vermögensabgabe anzusehen sei. Dabei kam dann der Zwischenruf:„ Das muß der Bundesfinanzminister hören!"
Ich darf den Zwischenrufer zunächst darauf hinweisen, daß bis zum 31. März 1950 alle Finanzbeamten Länderfinanzbeamte sind, daß also etwaige Beschwerden über das Benehmen eines Finanzbeamten bis heute noch an den Landesfinanzminister und nicht an den Bundesfinanzminister zu richten sind.
Der Bundesfinanzminister ist sehr gern bereit, von dem Tage an, da seine Einflußnahme beginnt, dahin zu wirken — wie das übrigens überall auch schon geschehen ist —, .daß sich der Verkehr zwischen dem häufig in Not befindlichen Zahlungspflichtigen und dem Finanzamt gerade in schwierigen Zeiten und bei schwierigen Fällen möglichst reibungslos und in möglichst guten Formen abspielt. Dazu bedarf es eines Appells weiterhin nicht.
Es ist ganz klar, daß in der Zeit, als das Soforthilfegesetz geschaffen wurde, sichere Unterlagen über das Erträgnis dieser Abgabe nicht zur Verfügung standen. Die ersten sehr hohen Schätzungen haben natürlich über die Wirklichkeit hinausgegriffen; man erhoffte mehr als das, was man heute auf Grund der Meldungen als Aufkommen erwarten kann. Es entstand infolgedessen ein Gefühl der Unsicherheit, ob die gestellten Aufgaben aus den Erträgnissen der Soforthilfeabgabe befriedigend gelöst werden könnten. Ich werde Ihnen nachher die Gegenüberstellung dieser Zahlen geben, und Sie werden sehen, daß diese Aufgabe für das erste Jahr geleistet worden ist.
Dabei möchte ich auf eines besonders hinweisen: die Soforthilfeabgabe war für ein ganzes Rechnungsjahr, für 1949/50, gedacht. Wegen des späten Inkrafttretens des Gesetzes sind die gesamten Abgaben, die auf 12 Monate berechnet waren, auf 4 Monate zusammengedrängt worden. Das bedeutet eine große Erschwerung und hat vielleicht tatsächlich das zur Folge, was in der Interpellation angedeutet ist, daß nämlich der Geldentzug und
damit die Einschränkung der Liquidität in der
Wirtschaft zu rasch und damit unter Folgen geschehen muß, die bedauerlich und für die Wirtschaft schwer zu tragen sind.
Wir haben uns mit dieser Frage, ob die Soforthilfeabgabe — die ja neben der allgemeinen, bestimmt nicht kleinen Steuerlast zu tragen ist und die an sich schon die Gefahr in sich birgt, das Aufkommen dieser Steuern stark zu beeinflussen —in geordneten Bahnen beigebracht werden kann, beschäftigt. Ich habe bereits in den ersten Tagen meiner Amtstätigkeit einen Aufruf an die Öffentlichkeit, an die Abgabepflichtigen gerichtet, sie möchten, obwohl das Soforthilfeabgabegesetz nur ein vorläufiges Gesetz ist, das bewußt Härten und Ungerechtigkeiten in Kauf genommen hat, über alle diese Schwierigkeiten hinweg dem sozialen Gedanken dieses Gesetzes Rechnung tragen und ihr Möglichstes tun. Ich möchte als meine Überzeugung auch feststellen, daß der Eingang der ersten und zweiten Rate der Soforthilfeabgabe im wesentlichen bewiesen hat, daß ein Zahlungswille besteht. Auch möchte ich weiterhin feststellen, daß gerade in den Landesoberfinanzamtsbezirken, in denen die Landwirtschaft als Steuerzahler stark vertreten ist, der Eingang vielleicht sogar noch günstiger ist als in anderen Oberfinanzamtsbezirken. Dabei muß ich aber zugleich feststellen, daß sich, wie es in der Natur der Sache liegt, die Schwierigkeiten bei der dritten Rate im allgemeinen häufen.
Wir haben, um die Dinge in die richtige Bahn zu lenken, bereits am 5. November 1949 einen Runderlaß hinausgegeben, durch welchen — u. a. auch, um rechtzeitig Maßnahmen treffen zu können — von den Finanzverwaltungsbehörden vierteljährliche Berichte angefordert wurden. Der erste Bericht sollte am 30. April erstattet werden mit Wirkung für den 31. März. Wir haben später, als die ersten Berichte, Eingaben und dergleichen Sorgen zu uns drangen, diese Berichterstattung vorverlegt, und ich habe für den 8. März dann sogar eigens eine Konferenz der Oberfinanzpräsidenten des Bundesgebietes einberufen, um persönlich von Mensch zu Mensch die Schwierigkeiten zu besprechen. In einem Erlaß vom 2. Dezember 1949 wurde bezüglich der Zahlungspflichtigen, die nur ganz kleine Einkommen von monatlich zwischen 100 und 150 Mark haben, eine Richtlinie für die zu gewährende Stundung gegeben. Außerdem wurde
in diesem Erlaß auch die Möglichkeit eröffnet, in Härtefällen, in denen die Zahlungspflichtigen selbst schweren Kriegsschaden erlitten haben, etwas entgegenkommender zu sein, um die Soforthilfeabgabe nicht dadurch zu gefährden, daß in der Bevölkerung durch solche Ungerechtigkeiten einer allzu harten Eintreibung eine dem sozialen Gedanken des Soforthilfegesetzes feindselige Stimmung entstehen würde. Ich glaube, daß dieser Erlaß gut gewirkt
und daß er dazu beigetragen hat, den Zahlungswillen aufrechtzuerhalten, weil eben in solchen ausgesprochenen Härtefällen ein Ausweichen möglich war. Der Zwischenrufer mit seinem Nein hat wahrscheinlich gar nicht diesen Erlaß vom 2. Dezember gemeint, sondern vermutlich den Erlaß, um den es später gegangen ist und der sich auf die Abgabe der Landwirtschaft am 20. Februar bezogen hat.
Sie haben eben meinen Herrn Vorredner gehört; er hat die Nöte und die Sorgen der Landwirtschaft auf diesem Gebiete deutlich und klar zum Ausdruck gebracht. Ich bin persönlich der Überzeugung, daß die Verwendung des Formblattes für Stundungsanträge — die übrigens nicht neu ist, sondern die es bei anderen Berufszweigen früher auch schon gegeben hat — in diesem Falle zur Folge gehabt hat, daß eine gewisse Krise überwunden wurde. Den Kampf der Radikalismen sehen wir auf diesem Gebiet besonders, Radikalismus hier und Radikalismus da. Wir haben in Hessen sehr ernst zu nehmende radikale Erscheinungen in der Landwirtschaft schon damals bemerkt. Es mußte dafür gesorgt werden, daß diese Dinge in geordnete Bahnen und wieder in die Hand der Finanzverwaltung kommen, und ich glaube, daß dieses Ziel erreicht worden ist.
Ich möchte Ihnen nun in Beantwortung der Anfragen die gewünschten Zahlen geben. Es ist gefragt worden, wie hoch das Aufkommen aus der Soforthilfeabgabe geschätzt wird. Ich darf zunächst einmal das bis zum 8. März eingegangene Aufkommen mitteilen. In den Ländern der amerikanischen und britischen Zone sind an Soforthilfeabgaben eingegangen 854,218 Millionen, in den Ländern der französischen Zone 117,831 Millionen. Ich bemerke, daß die Länder der französischen Zone eine eigene Gesetzgebung haben und daß sie sowohl auf dem Gebiet der Umstellungsgrundschulden als auch auf diesem Gebiet nicht nur eine eigene Gesetzgebung, sondern auch eine eigene Verwaltung haben, daß also die Schaffung einer gemeinsamen Gesetzgebung und einer gemeinsamen Verwaltung noch der Zukunft obliegt.
Über die Soforthilfe-Sonderabgabe liegen folgende Ziffern vor: in der amerikanischen und britischen Zone 165,68 Millionen, in der französischen Zone 19,89 Millionen.
Insgesamt ergeben sich für die Soforthilfeabgabe 972,05 Millionen DM, für die Soforthilfesonderabgabe 185,57 Millionen DM; das sind zusammen 1 157,62 Millionen DM nach den Zahlen, die mir vom 8. März 1950 vorliegen.
Weiter darf ich auf ein naheliegendes Gebiet verweisen. Das sind die Umstellungsgrundschulden. Sie bringen regelmäßig im Monat als laufende feste Einnahmen in der amerikanischen und der britischen Zone rund 30 Millionen DM. Für die französische Zone kann ich sie nur schätzen. Sie werden dort zwischen 3 Millionen und 4 Millionen
DM monatlich erbringen. Insgesamt haben sie in der amerikanischen und britischen Zone bisher 430 Millionen DM gebracht. Diese Einnahmen aus Umstellungsgrundschuld en werden in der amerikanischen und britischen Zone ausschließlich für Bauzwecke verwendet. Auch in den Ländern der französischen Zone sollen sie überwiegend für diese Zwecke verbraucht werden.
Ich darf dem einmal gegenüberstellen, wie die Mittel des Soforthilfefonds, die sich hier angesammelt haben, bisher verwendet wurden. An Unterhaltshilfe sind bisher ausbezahlt worden 401,7 Millionen DM. Bis zum 31. März sind noch Zahlungen mit etwa 40 Millionen DM zu leisten, so daß bis dahin die Zahlungen etwa 441,7 Millionen DM betragen werden.
An Hausratshilfe sind bisher in bar 200,4 Millionen DM ausbezahlt worden. Zurückgestellt sind und werden im Laufe des Monats März anfallen 9,6 Millionen DM. Das sind insgesamt 210 Millionen DM.
Für den Wohnungsbau sind bisher in bar ausgegeben 44,1 Millionen DM. Es sind Zusagen in Höhe von 115,9 Millionen DM für den Wohnungsbau gegeben. Bereitgestellt ist für das Jahr 1950/51 ein Betrag von 50 Millionen DM, so daß sich auch hier die Gesamtsumme mit 210 Millionen DM errechnet.
An Ausbildungshilfe sind bisher 10,4 Millionen DM ausbezahlt. Bereitgestellt und im März noch zu zahlen sind rund 14,6 Millionen DM, und für die Zukunft ist noch ein Betrag von 25 Millionen DM gesichert. Zusammen sind das also 50 Millionen DM.
Für den Existenzaufbau wurde jetzt zum ersten Mal ein Betrag von 100 Millionen DM gesichert, der bereits bewilligt wurde und für die Zukunft zur Verfügung steht. Damit sind rund 1051,7 Millionen DM verbraucht. Der Rest des Aufkommens von 90-100 Millionen muß für die Monate April und Mai zur Bezahlung der laufenden Unterhaltshilfe zurückgestellt werden; denn die nächste Rate wird erst am 20. Mai fällig. In den Zwischenmonaten muß infolgedessen für die laufenden gesetzlichen Verpflichtungen noch ein Sicherheitsfonds zur Verfügung stehen.
Nun die Frage nach den Rückständen. Ich kann hier vor dem 15. April nur Schätzungsziffern geben, die ich bisher von den deutschen Oberfinanzpräsidenten erhalten habe, die aber nach meiner Überzeugung in der großen Linie ein sicheres Bild ergeben. Ihre Zahl selbst wird sich wahrscheinlich noch ändern. Einige Oberfinanzpräsidenten waren nicht in der Lage, die Ziffern abschließend zu dem gewünschten Termin — das war damals der 16. März — zu geben. Ich kann also nur ein unvollständiges Bild vermitteln und muß mir eine Richtigstellung dieser Ziffern für Mitte April vorbehalten. Das Gesamtbild aber bitte ich als richtig anzunehmen.
Die Rückstände an Soforthilfeabgabe sind danach etwa zu schätzen auf 285 Millionen DM, die Rückstände an Soforthilfesonderabgabe auf etwa 55 Millionen DM. In beiden Fällen gestaltet sich also das Bild so, daß von dem Aufkommen etwa ein Drittel Rückstände vorhanden sind. Dabei dürfen Sie damit rechnen, daß von diesen Rückständen --- das sind zusammen 30 Prozent — etwa 17 Prozent gestundet und die entweder überhaupt nicht gestundeten Beträge oder noch unerledigte Stundungsanträge 13 Prozent ausmachen, die nicht eingerechnet wurden.
Das sind die Ziffern, die ich Ihnen heute geben kann. Dabei sage ich ganz offen: Ich hatte gewisse Bedenken — nachdem aber die Interpellation in-gereicht war, konnte ich nicht anders handeln —, diese Ziffern wegen der psychologischen Rückwirkungen auf die Öffentlichkeit bekanntzugeben. Ich habe mich mit diesem Thema schon seit längerer Zeit beschäftigt und habe deshalb bereits vor einiger Zeit dem Kontrollausschuß im Hauptamt für Soforthilfe, der das erste Interesse an diesen Ziffern hat, ein Bild über die Entwicklung gegeben und ihm nicht nur über das berichtet, was die Herren der Finanzverwaltung mir gegenüber als Schlußfolgerung ausgesprochen haben. Ich habe vielmehr auch über die Stellung berichtet, die ich persönlich zu diesen Vorschlägen einnehme.
Meine Auffassung ist: Trotz der Klagen, die von den Abgabepflichtigen kommen; trotz der Tatsache, daß dieses Gesetz — wie niemand verschweigen kann — als rein vorläufiges Übergangsgesetz gedacht und so aufgebaut ist, daß es Härten enthält; trotzdem es in einer Zeit geboren ist, die anders war als heute, wo wir in bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung im allgemeinen eine Periode sinkender Preise haben und die Zeit der leichten Gewinne und der überhöhten Gewinnspannen — Gott sei Dank — sich ihrem Ende zu nähern scheint und infolgedessen das Geld wieder schwerer erworben, ja sogar in der Wirtschaft allgemein die Klage der Illiquidität erhoben wird; trotzdem man in jener Zeit, als das Gesetz entstand, diese Schwierigkeiten unmöglich hat voraussehen können, trotz alle dem also wird es notwendig sein, daß ich meiner Verwaltung den Hinweis gebe — damit nicht, ich darf das wieder so sagen, der Böswillige den Vorteil hat und der Gutwillige bestraft wird —,
ihre ganze Kraft darauf zu verwenden, daß sie die Rückstände beizutreiben versucht; in erster Linie die nicht gestundeten Rückstände. Die gestundeten Beträge, bei denen die Verhältnisse des Antragstellers überprüft sind, sind ja meistens nur auf kurze Zeit gestundet. Ich hoffe, daß die Kreise, die um Stundung nachgesucht haben, ihre Verhältnisse jederzeit dem Finanzamt klarlegen. Dann kann man von Einzelfall zu Einzelfall eine menschlich tragbare Entscheidung fällen. Aber ich bin gezwungen, meine Verwaltung gerade darauf hinzuweisen, daß die nichtgestundeten Beträge mit größter Energie beizutreiben sind, und daß dieser Aufgabe die Arbeit der Finanzverwaltung in den nächsten Wochen zu widmen ist.
Das kann ich über den Stand der Soforthilfeabgabe heute sagen. Ich darf gleich zu der zweiten Interpellation Stellung nehmen, die mit diesem Thema in engem Zusammenhang steht.
Ich habe es nie vermieden, in der Öffentlichkeit meine Überzeugung dahin auszusprechen, daß die Soforthilfeabgabe in der Form, wie sie heute erhoben wird, auf die Dauer nicht möglich ist, und daß es unsere Aufgabe sein muß, diese Soforthilfeabgabe sobald als menschenmöglich durch ein Gesetz zu ergänzen, das einen Dauerzustand und eine wirkliche Klärung der Verhältnisse in der deutschen Volkswirtschaft und in dem Verhältnis von Abgabepflichtigen zu Empfangsberechtigten schafft, um nicht nur ein gefährliches Auseinandergleiten der Stimmungen im deutschen Volke zu vermeiden, sondern insbesondere auch, um unserer Volkswirtschaft in einer Zeit, da sie mit letzter Kraft gegen Arbeitslosigkeit und derartige Erscheinungen kämpfen muß, die notwendige Klarheit darüber zu
geben: Welches Vermögen ist überhaupt für mich, welches Vermögen ist für den Betrieb, welches Vermögen ist für das Wirtschaften verfügbar? Das muß die deutsche Wirtschaft einmal wissen! Auf der anderen Seite muß der andere, der Empfangsberechtigte, wissen, womit er rechnen kann, in welcher Zeit und in welcher Form er damit rechnen kann. Ich bin überzeugt, wenn diese Klarheit geschaffen ist, wird dem Radikalismus viel Wind aus den Segeln genommen.
Allerdings verlangt die Lösung dieser Aufgabe, wie ich immer betont habe, Menschen, die ohne Leidenschaft, nüchtern und in Erkenntnis der Wirklichkeit an ihre Aufgabe herangehen. Ich habe deshalb seinerzeit auch die Denkschrift des Bundesministeriums der Finanzen vorgelegt, um in erster Linie die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß das Bundesministerium der Finanzen mit der Bundesregierung der Überzeugung ist, daß das Thema Lastenausgleich trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller Gefahren angeschnitten und eine endgültige Lösung dieser Frage noch in diesem Jahr versucht werden muß.
Ich habe kürzlich in einem anderen Kreise — ich glaube, es war der Kontrollausschuß — auch schon
offen erklärt, daß der Entwurf eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich in meinem Hause in Vorbereitung und in seinem Gedankengang bereits fertiggestellt ist. Ich hatte gehofft, daß auf Grund der Denkschrift, die das Bundesfinanzministerium der Öffentlichkeit und auch dem Hohen Hause vorgelegt hatte, zu dieser Zeit, da diese Arbeiten in meinem Hause beginnen, schon eine gewisse Klärung erzielt sei, nach welcher Richtung die öffentliche Meinung sich neige gegenüber den verschiedenen großen Problemen, die in dieser Denkschrift als Fragen angeschnitten waren und auf die man eine Antwort erhoffte.
Nur einige Fragen will ich einmal aufwerfen. Ist die deutsche Öffentlichkeit der Meinung, daß die Lösung des endgültigen Lastenausgleichs rasch erfolgen müsse, und daß deshalb alle Lösungen, die noch einen langen Zeitraum beanspruchen und beide Teile noch lange im ungewissen lassen würden, zurückgestellt werden sollten? Ist sie der Meinung, daß der raschere und klarere Weg bevorzugt werden müsse? Ich gestehe offen, daß ich für meine Person der Überzeugung bin: es ist notwendig, das Thema Lastenausgleich trotz seiner Schwierigkeiten bald
und entschlossen anzugreifen und den Mut zu haben, in der deutschen Öffentlichkeit über dieses Thema zu sprechen. Ich kann auf meine Denkschrift verweisen und auf die Übersicht und Würdigung, die darin gegeben ist. Ich verweise auf den letzten Punkt, in dem Sie auch gewisse Grundsätze angedeutet finden. Ein Lastenausgleich muß stattfinden. Er darf die Produktivkraft der deutschen Volkswirtschaft nicht tödlich treffen.
Der endgültige Lastenausgleich soll in der Form gewählt werden, daß derjenige, der eine Existenzgrundlage, die Erwerbsmöglichkeit und Erwerbsfähigkeit infolge Kriegsschadens verloren hat, doch in Anerkennung der Tatsache, daß dieser Umstand durch den Kriegsschaden eingetreten ist, nicht allein auf die Fürsorgehilfe angewiesen ist, sondern als Kriegsschadenausgleichsberechtigter eine öffentliche Hilfe, die ihm ein lebenswertes Leben erlaubt, erwarten kann. Hauptgewicht aber ist darauf gelegt, daß die erwerbsfähigen und erwerbs-
und arbeitswilligen Kräfte der Kriegsgeschädigten
aller Art die Möglichkeit haben sollen, in der deutschen Volkswirtschaft selbst wieder produktiv mitzuarbeiten, durch ihre Mitarbeit die Produktivkraft der deutschen Volkswirtschaft zu stärken und damit mitzuhelfen, den allgemeinen Wohlstand zu heben, der dem gesamten deutschen Volk — gleichgültig, ob Alt- oder Neubürger — zur Verfügung stehen soll.
Das ist ungefähr die Linie, die in der Denkschrift zum Ausdruck gekommen ist.
Die Arbeit am Lastenausgleich, die in meinem Hause erfolgte, kann ich in den Einzelheiten — das wird das Hohe Haus verstehen — heute noch nicht erläutern. Das würde voraussetzen, daß, da es sich dabei um Steuergesetze handelt, die auch — in ihrer Rückwirkung wenigstens — tief in die Einnahmen und Einkünfte der Länder eingreifen müssen, dies mit den Ländern wegen der Rückwirkung auf das Einkommensteueraufkommen und dergleichen besprochen werden muß. Mit den Ländern muß unter Umständen auch das Thema Fürsorge und Gestaltung der öffentlichen Fürsorge im Zusammenhang mit einem solchen Werk besprochen werden. Diese Besprechungen mit den Ländern und die notwendigen Besprechungen mit den Wirtschaftsverbänden — von den Gewerkschaften über die Landwirtschaft zur Industrie und zum Handel hinüber — haben noch nicht begonnen oder konnten noch nicht abgeschlossen werden. Eine Erörterung in der Öffentlichkeit aber würde diese Arbeiten wahrscheinlich sehr erschweren. Außerdem war ich noch nicht in der Lage, dem Kabinett einen wirklich fertigen Gesetzentwurf vorzulegen. Da es sich also immer nur um den Gedankengang einer künftigen Gesetzgebung handeln kann, kann ich Einzelheiten noch nicht bekanntgeben. Aber ich darf darauf verweisen, daß derjenige, der zu lesen versteht, in der Denkschrift des Bundesministeriums der Finanzen vielleicht schon gewisse Hinweise darauf gefunden hat, was als möglich und was als weniger möglich erachtet wird.
Wenn nun die Frage gestellt wird, wie die dazu erforderlichen Mittel beschafft werden sollen, so muß ich natürlich sagen: diese Mittel können nur dadurch beschafft werden, daß, nachdem es sich um eine Art Vermögensersatz handelt, eine Belastung des Vermögens des deutschen Volkes erfolgt, die an die Stelle der jetzigen Regelung, der Soforthilfeabgabe, treten muß. Wenn ich dem Hohen Hause den Gesetzentwurf der Bundesregierung vorlege — und ich hoffe, daß ich ihn bereits in der zweiten Hälfte des Monats April vorlegen kann —, weiß ich ganz genau, daß dieser Gesetzentwurf eine Frage anschneidet, bei der eine einhellige Zustimmung von vornherein nicht zu erwarten sein wird. Ich fürchte, daß der Gedanke an die Interessen vielfach doch stärker ist als der Gedanke an unsere gemeinsame deutsche Aufgabe. Ich kann Sie aber versichern: der Gesetzentwurf wird so der Not, die im deutschen Volk vorhanden ist, mit all dem abzuhelfen versuchen, was gegeben werden kann, ohne in der deutschen Volkswirtschaft einen neuen schweren Schaden anzurichten. der diejenigen treffen würde, denen geholfen werden soll. Ich glaube, wenn der Gesetzentwurf in dem Geiste, in dem er ausgearbeitet wird, und in diesem Hohen Hause behandelt wird, könnten wir vielleicht alle Gegensätze überwinden und uns zu einer Einheit in der Not zusammenfinden.