Protokoll:
9016

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 9

  • date_rangeSitzungsnummer: 16

  • date_rangeDatum: 27. Januar 1981

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:47 Uhr

Gesamtes Protokol
Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901600000
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Punkte 1 bis 3 der Tagesordnung auf:
1. a) Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981)

— Drucksache 9/50 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
b) Beratung des Finanztplans des Bundes 1980 bis 1984
— Drucksache 9/51 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
2. Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — MinöBranntwStÄndG 1981 —
— Drucksache 9/91 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
3. Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz — SubvAbG)

— Drucksache 9/92 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Verteidigungsausschuß
Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Im Ältestenrat ist verbundene Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 vereinbart worden. Außerdem wird vorgeschlagen, die heutige Sitzung gegen 19 Uhr zu beenden. Ist das Haus mit dieser Absprache im Ältestenrat einverstanden? — Ich sehe keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Um das Wort hat der Herr Abgeordnete Häfele gebeten.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0901600100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister hat den Entwurf des Bundeshaushalts 1981 zu einem Zeitpunkt eingebracht, da uns Sorgen über die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung bedrücken. Die Lage kann man so kennzeichnen:
Erstens. Die Bundesrepublik Deutschland hat — in absoluten Zahlen — das größte Leistungsbilanzdefizit aller Länder der Erde mit etwa 30 Milliarden DM — mit der Folge eines sinkenden DM-Wertes nach außen.
Zweitens. Mit der jahrelangen Zunahme der Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland sind wir mit an der Spitze aller Industrieländer — mit der Folge der weitgehenden Einschränkung der Handlungsfähigkeit unseres Staates.
Drittens. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland kein tatsächliches volkswirtschaftliches Wachstum mehr, ja, es könnte sogar sein, daß die Wirtschaftstätigkeit schrumpft.
Viertens. Unsere Teilerfolge in den letzten Jahren bei der Bekämpfung des Geldwertschwunds sind geringer geworden. Wir haben bei der Steigerung der Lebenshaltungskosten von etwa 6 % wiederum eine gefährliche Höhe erreicht.
Fünftens. Die Zahl der Arbeitslosen steigt weit über eine Million. Zugleich haben wir in Deutschland einen Mangel an Facharbeitern.
Der Bundesfinanzminister hat seinen Entwurf einen „Haushalt der Vernunft" genannt. Wir haben die kritische Sonde anzulegen, ob dies in unserer Lage ein Haushalt der Vernunft ist.
Es ist nicht zu bestreiten, daß sich der Bundesfinanzminister bemüht hat, die ausufernden Ausgabenwünsche der verschiedenen Ministerien einzu-
516 Deutscher Bundestag 9. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. Januar 1981
Dr. Häfele
dämmen. Daß dies alles angesichts der Finanzplanungen und der Vorstellungen der einzelnen Ressorts nicht einfach ist, ist klar. Es ist auch anzuerkennen, daß der Bundesfinanzminister gewisse Teilerfolge erzielt hat. Wir werden im einzelnen zu prüfen haben, inwieweit diese Einsparungen den Erfordernissen unserer Zukunft gerecht werden.
Meine Damen und Herren, es ist überhaupt bemerkenswert, daß nach dem 5. Oktober da und dort aus dem Regierungslager völlig andere Töne zu vernehmen sind, als wir vor der Wahl gehört haben. Vor der Wahl wurden die Probleme der Staatsverschuldung und des Leistungsbilanzdefizits verniedlicht, bagatellisiert. Alle warnenden Stimmen der CDU/ CSU wurden herabgesetzt und der „Panikmache" und der „Angstkampagne" verdächtigt. Um der Wahrheit willen will ich wenigstens einige Zitate bringen, wie sich das vor der Wahl anhörte.
Als das besorgniserregende Thema der Staatsverschuldung diskutiert wurde, sprach Bundeskanzler Schmidt von dem „Schlagwort Staatsverschuldung". Er sagte im Wahlkampf immer wieder: „Wir stehen sogar besser da als das Deutsche Reich zur Zeit Wilhelms II."

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das war der größte Schwindel! Das hat er auch gewußt!)

Oder: „Von Verschuldung zu reden, ist dummes Zeug!" Und als er von den Bürgern am 11. September 1980 im Zweiten Deutschen Fernsehen befragt wurde, ging er dem Begriff der Verschuldung geradezu allergisch aus dem Weg und sagte: „... dann nennt es der Herr Strauß unanständigerweise Verschuldung. Das sind Verbindlichkeiten!"

(Lachen bei der CDU/CSU)

Zum Leistungsbilanzdefizit sagte er: „Die ganze Welt reißt sich um deutsche Staatspapiere." Oder gleichsam als Bilanz der Regierungstätigkeit auf diesem Feld am 13. September letzten Jahres: „Unsere Währung ist grundsolide. Das wird jeden Tag an den internationalen Devisenmärkten bestätigt. Wir haben die höchsten Devisenreserven und die zweithöchsten Goldreserven aller Staaten der Welt. Dies ist das Ergebnis der Währungspolitik sozialdemokratischer Finanzminister seit 1969."
Meine Damen und Herren, in einem Jahr sind die Devisenreserven bei uns um ein Drittel geschrumpft. Ex-Bundesbankpräsident Klasen und der neue Forschungsminister von Bülow werfen öffentlich die Frage auf, ob man unserem Volk nicht Reisebeschränkungen auferlegen müsse. Das ist heute der Diskussionsstand! Heute hören wir z. B. aus dem Munde des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Wehner — ich habe das aus seinem Brief an seine Fraktionskollegen entnommen, veröffentlicht in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 23. Dezember 1980 —: „Wir stehen vor schweren Belastungen. Wir können — angesteckt von Krisen in anderen Erdteilen — mit unserer jungen deutschen Demokratie plötzlich vor schwersten gesellschaftlichen Zerreißproben stehen."
Auch der Bundesfinanzminister hat in seine Haushaltsrede, die er am vergangenen Freitag gehalten hat, plötzlich einen völlig pessimistischen Grundton hineingebracht. Jetzt plötzlich heißt es nicht mehr, es sei „Panikmache", wenn man von den Problemen redet, sondern jetzt sieht man plötzlich, daß wir vor schweren Herausforderungen stehen.
Wer Herausforderungen bewältigen will, bedarf der politischen Führung. Eine Führung muß glaubwürdig sein. Eine Führung muß ein Volk zum richtigen Ziel hinführen. Die Führung darf das Volk nicht wegführen oder gar verführen. Deshalb, meine Damen und Herren, wäre es angesichts der schweren Herausforderungen, die seit langem erkennbar sind, besser gewesen, die Regierung hätte kraft ihrer Führungsverantwortung unser Volk auf die schweren Aufgaben vorbereitet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist nicht gut, wenn vor der Wahl andere Wahrheiten gelten als nach der Wahl.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist ein entscheidender Grund, weshalb dieser „Haushalt der Vernunft" nicht gelingen konnte. Die Regierung ist gleichsam Gefangene ihrer jahrelangen falschen Darstellung der Wirklichkeit. Sie steht sich großenteils selbst im Wege. Das ist ein wesentlicher Grund, daß die dauerhafte Konsolidierung der öffentlichen Finanzen nicht wirklich eingeleitet worden ist. Lassen Sie mich dies nun im einzelnen begründen.
Erstens. Die Neuverschuldung im laufenden Jahr und vor allem in den kommenden Jahren ist zu hoch. Der Bundesfinanzminister legt einen Haushaltsplan mit Ausgaben von 224,6 Milliarden DM vor. Das ist eine Steigerung gegenüber dem Soll 1980 von 4,8 %. Wir müssen natürlich Soll mit Soll, Gleiches mit Gleichem vergleichen. Wir können nicht das Ist 1980, das trotz Ihrer Konsolidierungsabsicht viel größer geworden ist, als im Hauhaltsplan entworfen, mit dem Soll vergleichen; denn beides stimmt sonst nicht. Sonst müßten wir auch 1980 sagen: Der Haushalt war mit einer Steigerung von 5,4 % geplant, und daraus geworden sind 6 %. Wahrhaftig keine Konsolidierung! Und wer glaubt denn schon, daß die Zahlen des Jahres 1981 eingehalten werden, wenn nicht einmal die von 1980 eingehalten worden sind? Also eine Steigerung um 4,8 %.
Damit hat der Bundesfinanzminister das sich selbst gesteckte Ziel, das er wiederholt im Finanzplanungsrat mit vereinbart hat, nicht erreicht, nämlich die Ausgaben um nicht mehr als 4 % zu steigern. Jedermann weiß, meine Damen und Herren, daß wir vor schweren Risiken stehen, daß die Steuereingänge als Folge der ungünstigen Wirtschaftsentwicklung im Laufe des Jahres womöglich um Milliarden niedriger sein werden, als bis jetzt geschätzt, daß die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit infolge zunehmender Arbeitslosigkeit womöglich um mehrere Milliarden größer sein müssen, als im Augenblick im Hauhaltsplan eingestellt, daß die globale Minderausgabe von etwa zwei Milliarden nach den schlechten Erfahrungen der letzten Jahre wahr-



Dr. Häfele
scheinlich kaum eingehalten werden wird, und daß
schließlich auch im EG-Bereich neue Risiken sind.
Hier habe ich eine Frage, Herr Matthöfer; wenn Sie die im Laufe der Debatte beantworteten, wäre ich Ihnen dankbar. Was wird die Bundesregierung jetzt tun: Wird sie den Nachtragshaushalt im Schoße der EG, der schließlich von der EG verfügt wurde, akzeptieren, mit der Folge, daß Mehrleistungen aus dem Bundeshaushalt über das bisher Geplante hinaus fällig werden, oder wollen Sie, wie Sie angekündigt haben, dagegen auch gerichtlich angehen? Ich wäre dankbar, wenn Sie diese Frage im Laufe der Debatte klar beantworteten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber selbst wenn wir diese Risiken heute nicht einstellen, die mit Sicherheit in Milliardenhöhe kommen werden, ist die Neuverschuldung mit 27,4 Milliarden zu hoch. Sie wird aber wahrscheinlich 30 Milliarden übersteigen, ja, es ist nicht auszuschließen, daß sich die Neuverschuldung sogar in Richtung von 35 Milliarden bewegt. Aber selbst bei Annahme dieser nicht mehr realistischen Zahl bedeutet die Neuverschuldung von 27,4 Milliarden, also die Steigerung des Schuldenstandes beim Bund, nichts anderes als folgendes. Der Bund muß an die Kreditmärkte gehen, um Geld in Höhe von 61,4 Milliarden aufzunehmen. Davon benötigt er für die Schuldentilgung 34 Milliarden, über die Hälfte. Für Zinsen und Kreditbeschaffungskosten muß er 16,9 Milliarden aufwenden, so daß von den 61,4 Milliarden Bruttokreditaufnahme für echte finanzwirksame Ausgaben im öffentlichen Haushalt nur rund ein Sechstel verbleibt, nämlich 10,5 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, das ist keine Einleitung einer Konsolidierung. Es ist wahr, daß angesichts der jahrelangen Schuldenpolitik nicht in einem Jahr konsolidiert werden kann, sondern daß das ein mühsamer, langjähriger Prozeß sein muß. Hinnehmbar wäre noch eine Ausgabensteigerung um 4 % im ersten Jahr, wenn Verlaß darauf wäre, daß in den kommenden Jahren die Konsolidierung ernsthaft fortgesetzt und betrieben würde. Aber ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahre 1984 beweist, daß die Ausblicke noch besorgniserregender sind als im laufenden Jahr 1981. Während im Jahre 1981 von dieser Riesenbruttokreditaufnahme noch 10,5 Milliarden DM für finanzwirksame Ausgaben übrigbleiben, sind es im kommenden Jahr bei ähnlicher Neuverschuldung nur noch 6,4 Milliarden DM, im Jahre 1983 nach dem Plan der Regierung bei ähnlicher Kreditneuaufnahme nur noch 2,5 Milliarden DM. Im Jahre 1984 kommt nach dem Plan der Regierung der Umschlag: minus 3,8 Milliarden DM. Das heißt, die Neuverschuldung des Jahres 1984 wird nicht ausreichen, um auch nur den Zinsendienst zu begleichen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Aber, meine Damen und Herren, das kann schon früher sein, weil die wesentlichen Risiken, von denen ich gesprochen habe, hier überhaupt nicht berücksichtigt sind.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Ein Skandal ist das!)

Ich habe gestern etwas gelesen, was angesichts dieser Lage geradezu erschreckend ist. Der Bremer Bürgermeister Koschnick wurde in der neuesten Ausgabe der Zeischrift „Wirtschaftswoche" vom 23. Januar 1981 über seinen eigenen Haushalt interviewt. Da wurde ihm von der „Wirtschaftswoche" u. a. die Frage vorgelegt:
Sind Sie denn nicht spätestens 1983 nach allen Regeln der Staatskunst pleite? Dann ist Bremens Schuldendienst genauso hoch wie die neuen Schulden, die aufgenommen werden.
Koschnick:
Dann ist man doch nicht pleite. Das ist allerhöchstens Wechselreiterei .. .

(Heiterkeit bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Sehr gut! Bravo! Als ich ihm das vorwarf, da hat er protestiert!)

Wirtschaftswoche:
... die kann sogar strafbar sein. —
— Die Wechselreiterei! — Koschnick:
Es gibt doch hier keine betrügerische Absicht.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Solange wir solvent sind, können wir doch theoretisch jedes Jahr unsere alten Schulden mit neuen Darlehen bezahlen ...
Soweit das Zitat aus der „Wirtschaftswoche".

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, es ist etwas Erschreckendes: Wenn man diese Leichtfertigkeit angesichts der wirklichen Lage aus diesen Zeilen spürt, dann kann kein Vertrauen aufkommen, daß hier eine Konsolidierung gelingen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901600200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haase?

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0901600300
Ja. Präsident Stücklen: Bitte.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901600400
Herr Abgeordneter Häfele, sind Sie willens und bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß unser verehrter Herr Bundesfinanzminister, als ich ihm vor einigen Monaten Wechselreiterei vorwarf, noch mit großem Protest auf diese meine Vorhaltung reagiert hat?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0901600500
Wir haben inzwischen einen hervorragenden Kronzeugen, Herrn Koschnick. Wir können das jetzt also überall benutzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme zu dem Ergebnis: Die Neuverschuldung im laufenden Jahr, vor allem aber in den kommenden Jahren, ist zu hoch. Die staatliche Handlungsfähigkeit ist weitgehend eingeschränkt und wird in den kommenden Jahren vollends bis zur Handlungsunfähigkeit des Staates eingeschränkt.



Dr. Häfele
Zweitens. Die Regierung legt weniger ein Sparprogramm als ein Abgabenerhöhungsprogramm vor. Sie hat die Entwürfe für zwei Gesetze eingebracht, für das Mineralöl- und Branntweinsteuererhöhungsgesetz und für das Subventionsabbaugesetz.
Wenn man die Abgabenerhöhungen, die in diesem Jahr auf die Bürger und auf die Betriebe zukommen, in Vergleich setzt zu dem, was das letzte Steuerpaket an Entlastungen für das laufende Jahr bringt, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß die Abgabenmehrbelastung größer ist als das, was auf der anderen Seite an Entlastung gewährt wird. Dabei ist diese Entlastung durch das letzte Steuerpaket ja keine Steuersenkung im echten Sinne des Wortes, sondern nur ein verspäteter Teilabbau von heimlichen Steuererhöhungen gewesen, die sich bei einer Inflationsrate von 5,5 oder 6 % im Zusammenwirken mit der Progression automatisch ergeben.
Die Regierung will jetzt die Mineralölsteuer und die Branntweinsteuer anheben sowie einige Steuervergünstigungen abbauen. Dies soll im laufenden Jahr 2,8 Milliarden DM erbringen. Die Postablieferung soll, gesetzlich verbrieft, auf Dauer eine Sonderabgabe zur Finanzierung des Bundeshaushalts sein, nichts anderes als eine Sondersteuer für Telefonbenutzer. Dies soll 1,3 Milliarden DM erbringen.
Die Anhebung des Rentenversicherungsbeitrages, die geplant und beschlossen war, um ein gewisses Reservepolster zu haben, um die Schwankungsbreite zu verbessern und um vor allem im Hinblick auf 1984, wo gewisse Korrekturen beim Rentensystem angebracht werden sollen, ein Polster zu haben, wird völlig zweckentfremdet als eine Sondersteuer zur Finanzierung des Bundeshaushalts verwandt, indem die entsprechenden Zuschüsse an die Rentenversicherungsträger nicht gegeben werden, um den Bund davon zu entlasten, bei der Bundesanstalt für Arbeit seine Zuschüsse leisten zu müssen. Man muß dies also als eine Sondersteuer hinzuaddieren. Wenn ich dann noch die laufenden Anhebungen der Krankenversicherungsbeiträge, die draußen im Lande im Gang sind, ganz vorsichtig mit 4,4 Milliarden DM annehme, dann ergibt dies in der Summe 11,7 Milliarden DM. Dagegen stehen 9,3 Milliarden DM an Steuerentlastung, an Abbau heimlicher Steuererhöhungen, so daß eine Mehrbelastung von 2,4 Milliarden DM auf die Bürger und die Betriebe zukommt.
Meine Damen und Herren, die Abgabenerhöhung ist immer der im Augenblick bequemere Weg. Aber sie ist — gerade in unserer gefährlichen Entwicklung — der von Grund auf falsche -Weg, weil Abgabenerhöhungen im Gegensatz zu Ausgabeneinschränkungen die Leistungskräfte der Bürger und der Betriebe vermindern, Leistungskräfte, die wir in den kommenden Jahren so dringend notwendig haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Machen Sie Vorschläge!)

Dies gilt um so sehr, als die Einsparungen, die der Bundesfinanzminister vorgenommen hat — vor allem im außergesetzlichen Bereich, also etwa bei den Gemeinschaftsaufgaben —, in erster Linie investive
und nicht konsumtive Einsparungen sind, so daß der investive Anteil des Bundeshaushalts in den kommenden Jahren immer mehr absinkt.
Ein paar kurze Bemerkungen zu den beiden Gesetzentwürfen im einzelnen: Die CDU/CSU sagt zu der Anhebung der Mineralölsteuer und der Branntweinsteuer nein, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens. Es ist, wie erwähnt, der grundsätzlich falsche Weg, in erster Linie mit Abgabenerhöhungen anstatt mit Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben vorzugehen. Zweitens. Meine Damen und Herren, wir haben hier einen weiteren Fall, bei dem die Wahrheit vor der Wahl völlig anders war als nach der Wahl.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Vor der Wahl erklärte die Regierung: Wir werden die Mineralölsteuer nur um 3 Pfennig anheben. Jetzt soll sie um 7 Pfennig je Liter angehoben werden; mit Mehrwertsteuer bedeutet dies eine Anhebung von genau 8 Pfennig. Dies ist eine weitere Preistreiberei in einer schwierigen Lage, und zwar durch den Staat, nicht durch die „Bande von Preistreibern", wie irgendein Kollege aus der SPD-Fraktion gesagt hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Durch die Regierung!)

Wenn Sie diese Formel aufrechterhalten würden, müßten Sie hier ganz schöne Ausdrücke gegenüber der Regierung benützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Kritiker, der Karikaturist Kolfhaus hat kürzlich in manchen Zeitungen eine herrliche Bilder-glosse über dieses Thema abdrucken lassen. Da war ein Wettrennen abgebildet, und Matthöfer lag mit den Preissteigerungen weit und nicht nur mit Brustbreite vor den Multis. Untertitel: „Eines muß man Matthöfer lassen: Er weiß die Leute zu motivieren."

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Anhebung der Mineralölsteuer trifft vor allem die Pendler, die auf den Pkw angewiesen sind;

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

in den Flächenstaaten gibt es davon Millionen in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es trifft sie um so mehr, als die SPD und die Bundesregierung ihr Versprechen — schon 1969 abgegeben —, die Kilometerpauschale, die steuerliche Kilometerpauschale von 36 Pfennig — sie ist j a einmal von 50 Pfennig auf 36 Pfennig reduziert worden —

(Frau Matthäus-Maier [FDP]: Von wem denn?)

wenigstens wieder auf 50 Pfennig anzuheben, nicht eingelöst haben. Dadurch wird die Lage für diese Pendler jetzt doppelt verschärft.
Diese Anhebung trifft die Nahverkehrsbetriebe, die ja attraktiv werden sollen, und sie belastet die Wirtschaft in einer schwierigen Lage mit zusätzlichen Kosten.



Dr. Häfele
Sie beeinträchtigt vor allem die deutsche Automobilindustrie zusätzlich, die im internationalen Wettbewerb ohnedies schwer ringt. Auch wird sie ihre Wirkung auf die erdölfördernden Staaten nicht verfehlen, die natürlich genau registrieren, daß der Staat bei uns von einem Liter Benzin jetzt schon 56 oder 58 Pfennig kassiert, daß 8 Pfennig noch dazukommen sollen, so daß er also dann 64 oder 66 Pfennig von einem Liter Benzin einnehmen würde. Und dabei redet die Bundesregierung, vor allem vertreten durch die FDP, immer noch blauäugig von einer Reform der Kraftfahrzeugsteuer, davon, daß weitere 14 Pfenning — mit Mehrwertsteuer 16 Pfennig — umgelegt werden sollen — und das in dieser Lage der deutschen Automobilindustrie! Das ist eine Spielwiese für Blauäugige — nach Abschluß des Jahrzehnts der Reformen. Vor zehn Jahren hätten wir darüber reden können; das haben Sie versäumt. Vielmehr. haben Sie die Mineralölsteuer schon damals um 9 Pfennig zum Stopfen von Haushaltslöchern mißbraucht. Jetzt ist da kein Spielraum mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Anhebung der Branntweinsteuer und der Einführung einer zusätzlichen Steuer für Körperpflegemittel ist zu prüfen, ob der Schaden nicht größer sein wird als der Nutzen, ob nicht einige kleinere mittelständische Existenzen vernichtet werden mit der Folge, daß das der Öffentlichkeit per Saldo mehr kostet als hereinkommt.
Zum Subventionsabbaugesetz! Wir haben hierzu im Finanzausschuß ein Anhörungsverfahren mit den Verbänden bewirkt. Der erste wichtige Punkt ist die Beseitigung der Sparprämien. Es wird zu prüfen sein, ob nicht andere Vorschläge zum Tragen kommen könnten, die eine etwas andere Aufteilung im Rahmen der Vermögensbildung zum Ziel haben, so daß die Entlastung des Fiskus zwar gleich hoch, aber die vermögenspolitische Zielrichtung positiver wäre.
Die Regierung muß sich überhaupt einige Fragen stellen lassen. Sie hat doch noch in der letzten Legislaturperiode kraft Regierungserklärung zugesagt, sie wolle neue Konzepte der Vermögensbildung verwirklichen. Was geschieht jetzt? Eine ersatzlose Streichung der Sparprämien. Man muß sich darüber im klaren sein, meine Damen und Herren: Das trifft natürlich nur den kleinen Mann wegen der berühmten Einkommensgrenzen.
Ich möchte einen Vorschlag machen. Ich benutze den Ausdruck nicht — ich schlage vor, daß wir alle ihn nicht benutzen —, aber wer hat ihn denn immer benutzt? Sie haben doch jede Frage nach Einsparungsmöglichkeiten, die im öffentlichen Leben auch nur andeutungsweise gestellt wurde, sofort mit dem „Totschlagswort" „soziale Demontage" belegt. — Das betreiben Sie hier. Der kleine Mann muß das zahlen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist vielleicht notwendig und unvermeidlich, aber streichen Sie doch bitte dieses Totschlagswort aus Ihrem Vokabular.
Ich muß hier an Einlassungen von Bundeskanzler Schmidt oder von Graf Lambsdorff erinnern — die Frage wurde damals schon seit Jahren diskutiert —, als der Präsident der Sparerschutzgemeinschaft — das war damals Herr Poullain — vorgeschlagen hat, man könne über die Sparprämien durchaus reden; sie könnten vielleicht eingeschränkt werden. Dazu sagte Bundeskanzler Schmidt in seiner Regierungserklärung am 17. September 1975 hier im Deutschen Bundestag:
Daß ausgerechnet der Präsident der Sparerschutzgemeinschaft für eine völlige Streichung aller Sparprämien eingetreten ist, bedeutet für mich nur eine von mehreren Merkwürdigkeiten der gegenwärtigen öffentlichen Debatte, an der manche Personen teilnehmen und sich hervortun, die vorher nicht genug nachgedacht hatten.
Jetzt muß er es tun — wahrscheinlich einige Jahre verspätet —, anstatt rechtzeitig gewisse Einsparungsmaßnahmen einzuleiten. Damals sind Leute, die — sogar gegen ihre eigenen Interessen — solche Sparvorschläge gemacht haben, verspottet worden. Ich erinnere daran, wie auch Graf Lambsdorff — damals noch als Abgeordneter und nocht nicht als Minister — in der gleichen Debatte hier im Deutschen Bundestag diesen Vorschlag von Herrn Poullain — ich empfehle jedem, das nachzulesen — abgetan hat.
Die Mehrbelastung der Kreditwirtschaft mit Steuern, die in dem Subventionsabbaugesetz vorgesehen ist, gehört unseres Erachtens in den Zusammenhang der Frage, wie es innerhalb der Kreditwirtschaft mit dem Wettbewerb weitergehen soll. Dazu hat die Bundesregierung — zwar jetzt nicht in der Regierungserklärung, aber wiederholt an anderer Stelle — eine Änderung des Kreditwesengesetzes angekündigt. Das ist die zweite Frage, Herr Matthöfer, die ich an Sie richten möchte — ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie im Laufe der Debatte beantworten würden —: planen Sie eine Novelle des Kreditwesengesetzes und — wenn ja — welche? Die Frage der Mehrbelastung der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken, der Volksbanken ist natürlich im Zusammenhang mit den Änderungen des Kreditwesengesetzes zu sehen. Das sind Fragen des Wettbewerbes zwischen den verschiedenen Zweigen der Kreditwirtschaft. Wenn man eine Frage isoliert vorweg behandelt, ohne das andere zu kennen, dann können Verdrückungen eintreten, die gerade zu Lasten des Mittelstandes gehen. Denn gerade die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken sind ja vielfach Hauptanreger für private Investitionen im mittelständischen Bereich, die wir in den nächsten Jahren so dringend notwendig haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die „Telefonsteuer", die hier eingeführt wird, stellt auch eine klare Täuschung der Öffentlichkeit dar. Vor der Wahl sagte man, das sei eine einmalige Sonderabgabe für ein Jahr, jetzt soll es auf Dauer gesetzlich festgelegt werden.
Beim Abbau der Gasölbeihilfen — was den öffentlichen Nahverkehr berührt — ist zu prüfen, ob hier nicht nur eine Verschiebung zu Lasten anderer öf-



Dr. Häfele
fentlicher Hände — nämlich zu Lasten von Ländern und Gemeinden — stattfindet.
Ähnlich ist das bei der Abschaffung der halbierten Steuersätze für wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Nebentätigkeit. Meine Damen und Herren, es könnte sein, daß Volksbildungswerke, Bildungsinstitutionen, auch Prüfungskammern beim Staat, die Prüfungen abnehmen, den Leuten unvergleichlich mehr Mittel aus dem Staatshaushalt bezahlen müssen, weil sonst der Anreiz für die dort Tätigen, mehr zu leisten — das ist der Sinn dieser Vorschrift —, nicht mehr vorhanden ist. Das muß geprüft werden.
Ich komme zur Kernfrage unserer Auseinandersetzung, meine Damen und Herren, die wir seit Jahren in der Öffentlichkeit und in diesem Hohen Hause führen, nämlich zur Frage des Verhältnisses zwischen öffentlichem Haushalt und der Wirtschaftsentwicklung. Denn die Schuldenpolitik der letzten Jahre wurde von der Bundesregierung immer damit begründet und gerechtfertigt, daß dies die einzig richtige wirtschaftliche Politik sei, um die Beschäftigung zu sichern. Es gibt hier genügend Zitate. Vor allem Bundesfinanzminister Matthöfer hat x- mal — ich habe hier hundert Zitate — immer wieder in diesem Hohen Hause den Satz geprägt: „Ich bin nicht bereit, auch nur eine einzige Mark mehr an Krediten aufzunehmen, als zur Erreichung und dauerhaften Sicherung der Vollbeschäftigung erforderlich ist." So immer in der gleichen Form stereotyp wiederholt. Es war die alte Lehre, als ob es an privater Nachfrage fehle, als ob wir Konjunkturschwankungen nur im Nachfragebereich hätten und man das mit staatlichen Ausgabenprogrammen ausbügeln müsse.
Inzwischen hat sich gezeigt — und wir weisen seit Jahren darauf hin —, daß wir eine völlig andere Krankheit haben als etwa die von 1929 bis 1932.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Damals war Stagnation, damals waren rückläufige Preise, rückläufige Löhne, Nachfragemangel. Das war eine völlig andere Lage. Wir dagegen hatten am Anfang die Inflation, als Folge der Inflation die Stagnation, die Stagflation, die Arbeitslosigkeit, die Kombination von beidem, eine dauerhafte Strukturkrise aus den verschiedensten Gründen, weil wir immer mehr über unsere Verhältnisse gelebt haben, wie andere Staaten es auch getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieses Rezept des jahrelangen Schuldenmachens — und zu meinen, damit könne man Beschäftigung sichern — ist schon seit zwei, drei Jahren längst ins Gegenteil verkehrt worden. Diese Schuldenpolitik war nicht mehr eine Beschäftigungspolitik, sondern ist sogar eine Beschäftigungsbremse, eine Wachstumsbremse geworden, weil der Staat die Zinsen in die Höhe getrieben hat, weil er damit die Quelle für private Investitionen verstopft oder gebremst hat.
Dieses Rezept ist in der westlichen Welt am Ende, auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Die praktischen Erfahrungen der letzten Jahre sind schlecht. Die wissenschaftliche Erkenntnis hat seit Jahren die Angebotsseite wiederentdeckt, nicht nur die Nachfrageseite. Vor allem sind die Staaten nicht aus Tugend, sondern aus Notwendigkeit zu einer besseren Erkenntnis gekommen.
Diese letztere, meine Damen und Herren, ist der tiefere Grund, warum Bundesfinanzminister Matthöfer jetzt in seiner Haushaltsrede eine völlige Kehrtwendung vorgenommen hat

(Beifall bei der CDU/CSU)

und plötzlich die Angebotsseite entdeckt, als ob plötzlich über Nacht etwas Neues geschehen wäre.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Da ist nichts mehr zu spüren vom Glauben an die staatliche Machbarkeit der Dinge. Da wird das Hohelied von privaten Investitionen, von privaten Initiativen, von privater Leistungsbereitschaft gesungen, von den Rahmenbedingungen, die der Staat für die Privaten nur liefern könne, von dem unternehmerischen Wettbewerb, von den Grenzen staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten — völlig anders als das, was wir bis zum Wahltag hier seit Jahren gehört haben. Oder der Satz, der von der Union seit fünf Jahren geäußert wird: „Entscheidend sind vorwiegend nicht staatliche Ausgaben, sondern unternehmerische Entscheidungen, Initiativen, Investitionen und Innovationen."

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Die behindert der doch! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das hat er bei mir abgeschrieben!)

Meine Damen und Herren, nach einem Jahrzehnt der Verketzerung von Leistung und Unternehmern wird heute das Hohelied der Unternehmer und der Privatinitiative vom Bundesfinanzminister in seiner Haushaltsrede gesungen.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Not lehrt beten!)

Nach einem Jahrzehnt, in dem man die „Belastbarkeit ausprobiert" hat, werden die privaten Freiräume — verbal — wieder entdeckt.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Verbal! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Das Interessanteste war: aus den Kreisen der SPD hat sich nicht eine Hand zum Beifall zu diesen grundlegenden Passagen von Bundesfinanzminister Matthöfer gerührt.

(Franke [CDU/CSU]: Doch, die haben die Faust in der Tasche geballt! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Das ist ja auch verständlich. So plötzlich, wie der Bundesfinanzminister die Kurve hat nehmen müssen, nachdem er jahrelang bei gleicher Situation etwas völlig Entgegengesetztes unter dem Beifall seiner Fraktion hier gesagt hat, kann das eine Fraktion, die noch ein bißchen Selbstbewußtsein hat, nicht ohne weiteres über Nacht verkraften. Dafür habe ich Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU) Aber es ist nichts Neues eingetreten.




Dr. Häfele
Denken Sie etwa an die Energieprobleme. Seit 1973 wissen wir, daß wir dem Diktat der ständigen Ölpreiserhöhungen ausgeliefert sind. Eine Politik, die in die Zukunft schaut, hätte alles tun müssen — und das ist der Vorwurf, den wir an die Regierung richten —, um sich möglichst unabhängig vom 01 zu machen. Was haben wir statt dessen jahrelang erlebt? Sowohl ja als auch nein zur Kernenergie, bis zu diesem Tag, bis zu den Meldungen heute in den Zeitungen über Brokdorf. Man sagt bis heute zugleich j a und nein wie keine Regierung in der gesamten westlichen Welt. Das ist nicht neu, das ist seit sieben Jahren vorhersehbar.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die sind regierungsunfähig!)

Der zweite Punkt: Gibt es nicht seit Jahren besorgte Stimmen, hat nicht auch die Union seit Jahren warnend darauf hingewiesen, daß unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit da und dort beeinträchtigt sein könnte, vor allem wegen der Kostenentwicklung — Lohnnebenkosten, staatliche Abgaben, staatliche Gängelung —? Das sind die Themen, die wir hier seit Jahren diskutiert haben. Gab es diese Stimmen denn nicht? Ist es etwas Neues, daß andere plötzlich auf unserem deutschen Markt wettbewerbsfähiger sind als die deutsche Wirtschaft selbst? Das ist doch nicht erst seit dem 5. Oktober bekannt. Das ist doch nicht über Nacht auf uns heruntergefallen, sondern das sind seit Jahren klar erkannte Dinge.
Oder schließlich: Gab es nicht seit Jahren die warnenden Stimmen, die sagten, die Schuldenpolitik ist längst umgeschlagen zu einer Antibeschäftigungspolitik, weil zuviel Ressourcen vom Staat mit der Folge in Anspruch genommen werden, daß die Zinsen steigen, mit der Folge, daß wir jetzt in der Verdrückung sind, daß die Bundesbank nicht mehr handlungsfähig sein kann, mit der Folge, daß das, was die SPD fordert, natürlich alles nicht machbar ist?
Eine Zinssenkungsaktion ist doch nicht machbar. Wenn der Staat seine Neuverschuldung herunterführt, dann gibt es wieder Spielräume für Zinssenkungen, aber nicht durch eine internationale Zinssenkungsaktion, sondern das ist eine Frage des Marktes. Die Finanzmärkte richten sich nicht nach Wunschvorstellungen von SPD-Leuten, sondern nach den Realitäten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wahrscheinlich, Herr Matthöfer, hätten Sie Beifall von Ihrer Fraktion bekommen, wenn Sie in Fortführung Ihrer Reden der letzten Jahre gesagt hätten: Angesichts der schrumpfenden Wirtschaft müssen wir die Neuverschuldung nicht nur auf 27,4 Milliarden DM festsetzen, auch 30 Milliarden DM sind zu wenig, auch 35 Milliarden DM sind zu wenig, das muß jetzt einen neuen Schub geben: mit 40 Milliarden DM Neuverschuldung treiben wir die richtige Beschäftigungspolitik! Dann hätten Sie von Ihrer Fraktion wahrscheinlich den Beifall bekommen, den Sie so nicht erhalten haben.
Das wäre von der Warte der SPD her gesehen auch konsequent gewesen; denn in den letzten Jahren, als wir ein gutes wirtschaftliches Wachstum hatten, war die Neuverschuldung ungefähr so hoch, wie sie jetzt für 1981 vorgesehen ist. 1978 hatten wir ein Wachstum von 3,6 % und eine Neuverschuldung von 25,9 Milliarden DM; 1979 ein sehr gutes Wachstum von 4,5% und eine Neuverschuldung von 25,6 Milliarden DM; im letzten Jahr hatten wir ein Wachstum von beinahe 2 % und eine Neuverschuldung von 27,2 Milliarden DM.
Es zeigt sich: Die jahrelangen Versäumnisse der Bundesregierung, nämlich in guten Wachstumsjahren nicht an die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen herangegangen zu sein, haben den Handlungsspielraum des Staates jetzt fast bis auf Null eingeschränkt. Die Ansprüche des Staates an das Bruttosozialprodukt waren in den letzten Jahren zu hoch, als daß jetzt noch irgendwo ein Spielraum für ein Handeln wäre.
Der letzte Nachweis, daß wir jahrelang über unsere Verhältnisse gelebt haben, ist jetzt am Leistungsbilanzdefizit abzulesen, das aber auch schon seit Jahren erkennbar war. Schon 1979 haben wir eine negative Leistungsbilanz in Höhe von immerhin 10 Milliarden DM gehabt. Das war ein Umschlag von 1978 auf 1979. Das war seit Jahren vorhersehbar, so daß auch dieses nichts Neues ist.
Meine Damen und Herren, es hilft nichts: Wenn wir weniger für das Ausland leisten, als wir vom Ausland in Anspruch nehmen — das ist das Leistungsbilanzdefizit —, dann kann die Lücke nicht durch eine staatliche Verteilung oder durch eine Verteilung durch die Tarifpartner wettgemacht werden, sondern dann gibt es nur eine Lösung: Wir müssen alle weniger Ansprüche an das Bruttosozialprodukt stellen. Nur dann können die Spielräume entstehen, die wir für die private Produktivität brauchen, die uns allein aus dieser ungünstigen Wirtschaftsentwicklung herausführen kann.
Wir müssen endlich aus den leidvollen Erfahrungen der letzten Jahre die Schlußfolgerungen ziehen: Es geht nicht um Konjunkturprogramme — das ist nicht das Thema; es geht vielmehr um ganz andere Dinge —, sondern wir müssen den Rahmen für die private Produktivität wieder so weiten, daß sie sich entfalten kann. Das heißt, wir müssen die Energieabhängigkeit endlich verstärkt verkleinern, und das geht nicht ohne ein entschlossenes Vorantreiben der Kernenergie. Jeder Industriestaat muß das tun, oder er soll seinen Bürgern sagen: Ab sofort wollen wir kein Industriestaat mehr sein, wobei die wirkliche Alternative die Verarmung breitester Schichten sein wird.
Wir müssen die internationale Wettbewerbsfähigkeit, soweit sie nicht mehr intakt ist, wiederherstellen und wiedergewinnen, vor allem im Hinblick auf die Kostenentwicklung — das ist vor allem eine Kostenfrage —, auch qualitativ. Wir müssen die Investitionsbremsen lösen, etwa in der Steuerpolitik. Da ist überhaupt nichts in Aussicht genommen. Das braucht nicht von heute auf morgen zu geschehen, aber es muß wenigstens als Perspektive aufgezeigt werden.



Dr. Häfele
Es müssen auch beim Wohnungsbau die Bremsen gelöst werden. Warum haben wir denn die Misere beim Mietwohnungsbau? — Weil durch staatliche Gängelung, durch staatliche Vorschriften der private Anreiz, sich hier zu betätigen, immer mehr geschwunden ist. Und wir müssen die Bremsen der Regierung beim Ausbau der Fernmeldetechnik lösen. Wir müssen — das ist ein entscheidender Produktivitätsfaktor geworden — unser jahrelanges strukturelles Staatsdefizit beseitigen, damit der Staat nicht so viel vom Bruttosozialprodukt in Anspruch nimmt und mehr Freiräume vorhanden sind. Das sind die wirklichen Weichenstellungen.
Daß dies mühsame Jahre sind, daß dies schwierig ist, liegt auf der Hand. Personalkosten, Subventionen, Transferleistungen müssen durchforstet werden. Die Regierung hat bei den Personalkosten einen internen Anlauf genommen. Sie ist dann selber steckengeblieben. Aber das ist nicht in erster Linie eine Frage der Beamten. Die Beamten führen ja nur die Gesetze aus, die von der Politik gemacht werden. Wenn man bei den Beamten sparen will, dann braucht man weniger Gesetze. Die Regierung geht aber schon wieder den falschen Weg. Ihre alten Gesetzentwürfe, die am Schluß der letzten Legislaturperiode dank einer entschlossenen Haltung des Bundesrats gescheitert sind, hat sie wieder eingebracht: Lasten auf Gemeinden, Lasten auf Länder. Demgegenüber hat die CDU/CSU in der letzten Woche einen Grundsatzbeschluß herbeigeführt, angesichts der Lage vorerst auf jedes kostenwirksame Gesetz zu verzichten.
Die Subventionen müssen wesentlich gründlicher durchforstet werden, als es die Regierung tut. Das ist ja nicht nur eine Sparmaßnahme, sondern die Subventionen haben sich immer mehr als eine „süße Eingangsdroge" zur Systemüberwindung gezeigt. Es ist nachzulesen etwa der Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes für das Jahr 1978. Da heißt es: „Die Mittelverwendung war vielmehr überwiegend bestimmt von der Zufälligkeit des Eingangs von Förderanträgen."
Meine Damen und Herren, was ist denn der Garski-Skandal anders als die Folge dieses Subventionsstaates, eine Vermengung, eine Verfilzung zwischen Politik, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, die keiner mehr am Schluß auseinanderdividieren kann, mit den Verlockungen, den Willkürlichkeiten und dann mit dem Versagen der Persönlichkeiten, die damit verknüpft sind?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Jetzt muß der Steuerzahler 130 Millionen bezahlen. Aber was ist das wesentlich anderes als damals die Bürgschaft an Beton- und Monierbau, wo der Bund 50 Millionen bezahlen mußte,

(Beifall bei der CDU/CSU)

wo durch freundschaftliche Verbindungen des Bundeskanzlers gleichsam über die Stunde Staatssekretär Lahnstein einen Kredit besorgen mußte und dann prompt etwas ähnliches passiert ist wie in Berlin? Das ist nichts wesenhaft anderes. Das ist eine
Folge einer Vermischung zwischen Wirtschaft und Politik, die Grenzen überschritten hat.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Staat als Privateigentum! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Oder die Transferleistungen! Inzwischen hört man nichts mehr, Herr Finanzminister, von dem Transferbericht, den Sie einmal angekündigt haben. Keine Silbe mehr.
Warum kann denn dieser Haushalt nicht das Vertrauen schaffen, daß die Regierung mit den Problemen der Staatsverschuldung und des Leistungsbilanzdefizits fertig wird?

(Zurufe von der CDU/CSU)

Es geht hier nicht nur um Finanzthemen. Die Problematik reicht tiefer. Die Regierung hat sich nicht redlich die Frage vorgelegt — und damit auch nicht beantwortet —: was kann denn der Staat vernünftigerweise noch leisten, und was muß er und kann er seinen Bürgern zutrauen — oder gar zumuten?
Die Regierungskoalition SPD/FDP hat in dieser entscheidenden Frage keinen gemeinsamen Standort. Die SPD will etwas völlig anderes, als Teile der FDP wollen. Deshalb konnte hier kein Entwurf für eine grundsätzliche Umkehr in der Finanzpolitik entstehen.

(Kiep [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Da hilft es nichts, daß gelegentlich aus dem Munde des Bundeskanzlers richtige Sätze formuliert werden, etwa in seiner Sylvesteransprache. Da hat er den Satz geprägt: „Ansprüche müssen wir an uns selbst richten, nicht an andere und nicht an den Staat." Sehr richtig! Aber das ist nicht der Entwurf einer anderen Politik.
Da gab es vor 15, 20 Jahren einen Mann, Ludwig Erhard, der genau dies, aber als Entwurf einer Politik damals verkündet hat. Ein Ludwig Erhard! Wie ist er verspottet worden, als er damals das Maßhalten gepredigt hat! Heute wissen wir: der war nicht hintendrein, der war seiner Zeit voraus. Der hat den Kampf gegen den anbrandenden Zeitgeist aufgenommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lesen Sie die Regierungserklärung von Erhard 1963 nach! Das war der Entwurf einer Politik. Das war nicht ein beiläufiger Satz, wie ihn der Bundeskanzler möglichst so, daß man ihn nicht hört, auch einmal sagt.

(Zurufe von SPD)

Das war der Entwurf einer Politik. Aber was kam dann? Nach diesem Versuch, gegen den anbrandenden Zeitgeist anzurennen, kam der Rausch der Reformen. Dann sollte der öffentliche Korridor verbreitert werden. Dann sollte mehr Staat ausgebreitet werden. So kam die Anspruchsinflation in Gang. Solidarität wurde immer mehr dahin verstanden, Forderungen nach oben zu richten oder an andere zu stellen, aber nicht mehr dahin, wie es zur Solidarität gehört, daß man den anderen nicht zur Last fallen



Dr. Häfele
darf; das ist ein Begriff von Solidarität, der immer mehr in den Hintergrund getreten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Politik in den letzten zehn, zwölf Jahren appellierte immer weniger an die Stärken der Bürger, sondern animierte die Bürger, den leichtesten, den bequemsten Weg zu gehen, Ansprüche zu stellen. Es war eine glücksorientierte Staatsauffassung. Das Kollektiv sollte das Glück der Bürger bringen. Es wurde immer mehr von Rechten gesprochen, von Pflichten immer weniger geredet. Nach einem Jahrzehnt der Reformen, die dieses Ergebnis gebracht haben, nennt es jetzt der Bundesfinanzminister ein „Jahrzehnt des Übergangs", ein Jahrzehnt des Übergangs zu schweren Lasten notabene.
Meine Damen und Herren, wir haben in der Tat die Grenzen der politischen Machbarkeit erreicht. Das bietet auch eine Chance — und das ist natürlich in erster Linie ein geistiges Problem —, die ausufernde Subventionsmentalität wieder abzubauen und wieder mehr zur Selbstverantwortung der Bürger zurückzukehren.

(Zurufe von der SPD)

Das ist die Kehrseite von Freiheit. Ein Ludwig Erhard und die anderen Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft wußten immer, daß zur Freiheit auch die Selbstverantwortung als Kehrseite gehört. Jetzt wird das wieder entdeckt. Ich kann nur empfehlen, die Rede von Professor Ralf Dahrendorf nachzulesen, die er am 27. November letzten Jahres in Zürich gehalten hat, in der er neue „Ligaturen" entdeckt, neue Bindungen fordert, in der er sagt, daß es so nicht weitergeht. Es ist genau das gleiche, wenn auch zwar in anderen Worten, was Ludwig Erhard vor 15 und 20 Jahren schon gesagt hat. Neue Ligaturen, neue Bindungen werden hier verlangt. Es wird hier gesagt, wir bräuchten einen Abbau von Regierungstätigkeit, wir bräuchten einen Verzicht auf Regierungstätigkeit, wir bräuchten mehr Selbsthilfe, mehr Eigeninitiative usw. Ich kann nur empfehlen, dies nachzulesen.
Meine Damen und Herren, die Regierung hat am Beginn dieser Legislaturperiode mit ihrer neuen Finanzplanung eine Chance verpaßt. Unser Volk ist ernüchtert. Unser Volk will keine falschen Versprechungen mehr hören. Unser Volk ist bereit, bei politischer und geistiger Führung mitzugehen. Unser Volk weiß, daß nichts mehr zu verteilen ist, was nicht dem Volk selbst vorher wegggenommen wurde. Unser Volk kennt die Weisheit Benjamin Franklins, der gesagt hat: „Wer euch sagt, daß ihr anders reich werden könnt als durch Arbeit und Sparsamkeit, der betrügt euch."

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil die Regierung diese Chance verpaßt hat, ist dies kein Haushalt und keine mittelfristige Finanzplanung der wirklichen finanzpolitischen Umkehr. Es ist ein Haushalt der halben Wahrheiten. Die schwere Aufgabe der Konsolidierung steht noch vor uns.

(Lebhafter, anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Wer hat denn Erhard damals fallengelassen?)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901600600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0901600700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister der Finanzen hat am Freitag eine nüchterne und völlig unpolemische Rede gehalten und zur Grundlage unserer Debatte über den Haushaltsplanentwurf 1981 und die beiden ihn begleitenden Gesetzentwürfe gemacht. Mit aller Eindringlichkeit hat er uns vor Augen geführt, in welchen weltwirtschaftlichen Abhängigkeiten unsere Volkswirtschaft steht. Er hat erstens hingewiesen auf die enormen Ölpreissteigerungen der letzten Jahre, die trotz Einsparungserfolgen unsere Volkswirtschaft doppelt so hoch wie vor zwei Jahren belasten, zweitens auf das insbesondere hieraus erwachsende Defizit in unserer Leistungsbilanz, das wir zwar noch eine Weile finanzieren können, von dem wir aber wissen, daß insbesondere unsere Wirtschaft enorme Anstrengungen machen muß, um aus ihm wieder herauszukommen, und drittens auf das überhohe Zinsniveau, insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika, das zum Abfluß heimischer Kapitalien führt. Dem muß die Bundesbank mit einem für unsere Verhältnisse hohen Zins entgegensteuern, mit der negativen Folge, daß die Investitionsbereitschaft im eigenen Land eingeengt wird.
Wohl wissend, welche Schwierigkeiten sich aus diesen drei untereinander im Zusammenhang stehenden Faktoren für alle Teile und Mitwirkenden unseres Wirtschaftslebens, also auch für den Staat mit seinen drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden, ergeben, schlußfolgert die Opposition daraus unzutreffend nur, die Bundesregierung habe eine „verfehlte Finanzpolitik" betrieben und in den vergangenen Jahren eine Haushaltskonsolidierung durch rechtzeitige Beschränkung des Ausgabenwachstums unterlassen.
Wie tiefgreifend dieser Irrtum ist, wird deutlich, wenn wir uns klarmachen, daß wir uns heute in der Situation von Frau Thatcher mit zwei Millionen und mehr Arbeitslosen über längere Zeit befänden, hätten wir nicht mit konjunkturell und strukturell wirkenden Programmen und einer sich daraus ergebenden hohen Verschuldung entgegengesteuert.
Man kann auch einmal beispielhaft die amerikanische Situation zum Vergleich heranziehen. Die prime rate, also die Zinskosten für erste Adressen — andere müssen noch mehr zahlen —, liegt zur Zeit bei 21 %. Das Bruttosozialprodukt sank in Amerika im ersten Halbjahr 1980 real um 1,4 % und wird 1981 insgesamt im Minus sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU])

Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,4 %. Die Inflationsrate belief sich in der Endphase des Jahres 1980 auf 13 %. Der Schuldenstand betrug 1979 in Amerika 49 % vom Bruttosozialprodukt im Vergleich zu 29 % bei uns. Die soeben aufgezählten Wirtschaftsdaten sind fast alle doppelt oder sogar mehr als doppelt so schlecht wie bei uns.



Westphal
Meine Damen und Herren, stelle man sich doch bitte einen Moment lang vor, die CDU/CSU wäre im Repräsentantenhaus der USA die Opposition. Was würden die Sprecher dort wohl sagen?

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Erzähl das einmal einem Wohnungsuchenden!)

— Herr Barzel, hören Sie zu, Sie müssen am Freitag die Schlußrede für Ihre Partei halten.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Ich höre mit großer Aufmerksamkeit zu!)

Würden die Sprecher dort unsinnigerweise den Staatsbankrott in Amerika vorhersagen, weil sie feststellen müßten, daß alle Ziele unseres Gesetzes über Stabilität und Wachstum der Wirtschaft in Amerika wesentlich deutlicher als in unserem Lande verfehlt sind? Ich bin ziemlich sicher: Sie würden das so nicht sagen. Aber die notwendigerweise daraus zu ziehende Schlußfolgerung fällt unserer Opposition nicht ein: Unser Land, unsere Volkswirtschaft ist relativ besser dran als sogar die amerikanische, ja, als die der meisten anderen Industrieländer der Welt.
Nur bei uns ist es als Ziel und Inhalt sozialliberaler Politik immer durchgehalten worden, alle Anstrengungen darauf zu richten, die Beschäftigung möglichst hoch zu halten, Arbeitslosigkeit so gering wie möglich sein zu lassen und für die Betroffenen eine in der Welt vorbildlich gestaltete soziale Absicherung zu gewährleisten.

(Beifall bei den Regierungsparteien)

Der Preis dafür war eine hohe Verschuldung. Wir stehen zu unserer Aussage, daß man mit einer hohen Verschuldung leichter als mit den Problemen, die sich aus wachsender Arbeitslosigkeit ergeben, fertig werden kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Niemand von uns denkt allerdings daran, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, den Grad der Verschuldung einfach weiter wachsen zu lassen.
Herr Häfele, wenn Sie hier den Versuch machten, einen Unterschied zu konstruieren zwischen dem, was Redner der Sozialdemokraten im Wahlkampf sagten und was sie nach dem 5. Oktober sagen, dann kann man an dem, was Sie sagen, feststellen, daß Sie immer nur die Hälfte der Sätze zitieren. Gerade dann, wenn Sie den Bundeskanzler aus einer der Fernsehrunden nur halb zitierten, muß ich daran erinnern: Es gab nach meiner Einschätzung keine bessere, konkretere, klarere kurz zusammengefaßte Darstellung des gesamten Verschuldungsproblems mit allen seinen Seiten, als sie unser Bundeskanzler in der abschließenden Fernsehrunde des Wahlkampfes gegeben hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das heißt doch zusammengefaßt einfach: Wir haben uns gewehrt und tun dies genauso heute gegen den unsinnigen Vorwurf, unser Land stehe vor dem „Staatsbankrott". Wir haben uns nicht dagegen gewehrt, zu sagen, daß diese Verschuldung hoch ist,
und wir wollen davon gern wieder herunter, unsere Politik ist darauf gerichtet.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Dafür werden die Schulden immer höher!)

Lassen Sie mich also feststellen, daß da kein Unterschied zwischen dem ist, was wir im Wahlkampf gesagt haben und was wir heute sagen.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!)

Der Preis dafür ist also eine hohe Verschuldung, und niemand von uns denkt daran, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß das so weitergehen könnte und dürfte. Ich will auch gern, meine Damen und Herren, offen hinzufügen, daß unser Problem darin besteht, wieder ein Stück herunterzukommen von dem — ich bin mir über die Problematik dieses Satzes im klaren —, was wir einmal an staatlichen Leistungen und Hilfen geboten haben.
Ich weiß, die Opposition denkt bei diesem Satz gleich an die sozialen Leistungen; ich aber denke dabei zuerst an Abschreibungsvergünstigungen, an Investitionshilfen, an Steuersenkungen und an Subventionen. Aber gut, meine Damen und Herren, beziehen wir ruhig beides in die Diskussionen mit ein; denn gerade dann, wenn man mittelfristig von der Verschuldung herrunterkommen will, stehen sie alle mit in der Diskussion.
Wenn ich unter diesen Gesichtspunkten die fünf eben genannten Punkte durchdekliniere, habe ich den Eindruck, daß wir beide, auf Oppositions- und Regierungsseite, zu einem übereinstimmenden Ergebnis der Betrachtung kommen, zumindest in drei von den fünf Stichworten, die ich genannt habe.
Abschreibungen verkleinern? Das wäre wohl falsch. Gerade Herr Strauß hat vor kurzem wieder deren Erhöhung gefordert, allerdings ohne hinzuzufügen, daß die sich daraus ergebenden Steuermindereinnahmen zu zusätzlicher Verschuldung führen müssen, wenn er nach wie vor — wie übrigens die ganze Opposition — keinen einzigen konkreten Vorschlag für Einsparungen zu machen bereit ist.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Investitionshilfen oder Investitionen streichen? Auch da dürften wir übereinstimmende Antworten im Haus geben und nein dazu sagen. Wir hören ja schon, wie die Opposition die von der Bundesregierung im Etatentwurf vorgenommenen Korrekturen gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung kritisiert; Herr Häfele hat das eben getan.
Steuersenkungen rückgängig machen, die wir gerade erst als Ergebnis eines Kompromisses gemeinsam beschlossen haben und die seit Weihnachten 1980 zu wirken beginnen? Auch da ist unsere Antwort nein. Herr Häfele hat immer noch nicht eingesehen, daß diese Steuersenkungen genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen sind, um unsere schwierige konjunkturelle Situation abzuflankieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Über Subventionen sprechen wir gesondert und an anderer Stelle. Nur, als Herr Häfele in seiner Argumentation vom Durchforsten sprach, da fiel mir



Westphal
ein: Die CDU geht durch den Wald und findet dort die Äste, die wir nun im Subventionsabbaugesetz abgehackt haben, wendet sich schamhaft ab und sagt, nein, die nehmen wir lieber nicht. Wir reden lieber und machen Entschließungen für den Abbau von Subventionen, gehen aber an keine einzige mit heran.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Und schließlich das fünfte Stichwort: Ins Netz der sozialen Sicherheit einschneiden? Da ist jedenfalls unsere Antwort eindeutig: Nein. Was die Opposition darüber denkt, hat sie uns trotz aller unserer Fragen immer verschwiegen. „Totschlagfrage" hat das Herr Häfele heute genannt. Wir können nur ahnen, was sie darüber denkt, und wir werden es abzuwehren haben, wenn unsere Ahnung zutrifft.
Geht man von diesen Grundüberlegungen aus, dann weiß man, vor welcher schwierigen Aufgabe der Bundesminister der Finanzen bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs 1981 und der ihn begleitenden Gesetze stand.
Was hat der Bundesminister getan, um in dieser Situation den richtigen Vorschlag vorzulegen? Er hat das Volumen des Haushalts weniger gesteigert, als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen war, und diese Steigerungsrate mit 4,3 % niedriger als das zu erwartende Wachstum des Bruttosozialprodukts angesetzt. Er hat die Nettokreditaufnahme auf der Höhe festgehalten, Herr Häfele, die in der Finanzplanung stand,

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die wird höher!)

und — entsprechend der Vereinbarung mit den Ländern und Gemeinden im Finanzplanungsrat — nicht über das Ist des Jahres 1980 hinaus gesteigert. Er hat, da keine entlastende Hilfe von den Ländern im Zusammenhang mit kräftig wachsenden internationalen finanziellen Verpflichtungen kam, die Apkündigung vom Juni 1980 — auch da muß ich Herrn Häfele ansprechen — wahrgemacht und schlägt uns die Erhöhung von zwei Verbrauchsteuern vor. Schließlich beginnt er, konsequent, wie er ist, mit dem Abbau einer Reihe von Subventionen, was vor ihm kein anderer getan hat.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU])

Er tut es im Wissen darum, daß die Streichung jeder Vergünstigung — Subventionen sind nun mal für bestimmte Personenkreise oder Institutionen Vergünstigungen — bei den jeweils Betroffenen Schmerzen auslöst. Wir werden den Finanzminister dabei nicht allein lassen. Wir werden ihn unterstützen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Faßt man die vier genannten Elemente der Finanzpolitik der Bundesregierung zusammen, so zeigt sich, daß sie an allen Fronten gleichzeitig handelt, also sowohl beim Sparen — durch Ausgabenkürzung — als auch bei der Begrenzung der Kreditaufnahme, als auch bei der Mitheranziehung der Verbraucher an bestimmten Stellen, als auch beim Abbau einer ganzen Anzahl von Subventionstatbeständen. An jeder Teilfront hat der Finanzminister das jetzt Mögliche und Notwendige getan. Er hat darüber hinaus die Absicht angekündigt, diese Politik fortzusetzen. Auch dabei unterstützen wir ihn und zerreden nicht sein Konzept.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Von Herrn Häfele hören wir nun zum wiederholten Mal, es handle sich dabei weniger um ein Sparprogramm als um ein Steuer- und Abgabenerhöhungsprogramm.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sicher!)

Die Rechnungen, die er dafür vorlegt, stimmen in keiner Weise und zeigen recht deutlich, daß er von dem inneren Vorgang der Gestaltung dieses Haushalts eigentlich keine ausreichende Kenntnis hat. Das muß ich jetzt sagen, nachdem er dieselben falschen Rechnungen dreimal oder viermal wiederholt hat.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Die eigentliche Sparleistung des Bundesfinanzministers zeigt sich erst, wenn man sich klarmacht, daß er in einem nur um 4,3 % wachsenden Etatvolumen neue, in der bisherigen Finanzplanung nicht enthaltene Ausgaben eingefangen hat, die einerseits Ausdruck der Politik dieser Koalition sind, z. B. die Kindergelderhöhung und die Wohngelderhöhung, und die andererseits als neue Belastungen unabweisbar sind, z. B. die Mehrausnutzung der BAföG-Stipendien, die Herabschleusung des Kokskohlepreises für die Stahlproduzenten, die erhöhten Verteidigungskosten und die Bereitstellung von Mitteln für die Bundesanstalt für Arbeit. Das summiert sich zu einem Mehrbedarf von 8,5 Milliarden DM.
Zur gleichen Zeit mußte auf der Einnahmeseite des Haushalts ein Betrag von fast gleicher Höhe, nämlich 7,6 Milliarden DM, Mindereinnahmen aufgefangen werden, der sich ebenfalls einerseits als Ausdruck unserer Politik, nämlich der Steuersenkung ab 1. Januar 1981, und andererseits als Folge der niedrigeren Steuerschätzungen ergibt.
Ein Finanzminister, der es fertigbringt, diese etwa 16 Milliarden DM in einen Haushaltsentwurf einzuarbeiten und dabei die politisch vorgegebenen Eckdaten einzuhalten, ist zu loben; der hat seine Sparleistung erbracht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Er hat die Tendenz in Richtung auf Konsolidierung nicht verlassen. Dies war ihm nur möglich durch Streichungen an anderen Stellen gegenüber der bisherigen Planung, und zwar in einer Größenordnung von immerhin 10 Milliarden DM.

(Zuruf des Abg. Kiep [CDU/CSU])

Bei diesen Streichungen sind wohl oder übel — — Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden, Herr Kiep, aber wenn Sie das Abwehren von Ressortforderungen meinen: Das ist noch außen vor, das waren noch einmal soviel.

(Kiep [CDU/CSU]: Mein Zwischenruf galt der FDP! — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Der hat gar nicht mit Ihnen geredet!)

— Ich bitte um Entschuldigung, es sah fast so aus.



Westphal
Meine Damen und Herren, 10 Milliarden DM hat der Finanzminister herausnehmen müssen. Bei diesen Streichungen sind wohl oder übel auch etwa 3 Milliarden DM aus dem investiven Bereich gestrichen worden. Man wird dabei beachten müssen, daß das Zukunftsinvestitionsprogramm in diesem Jahr ausläuft und dies sich auswirkt. Der überwiegende Teil dieser Kürzungen betrifft aber Sachausgaben der verschiedensten Art. Er setzt bei konsumorientierten Ausgaben an und führt auch zu einem geringeren Anwachsen der Förderungsbeträge für die vielfältigen Institutionen und Organisationen, die am Bundeshaushalt partizipieren. Auch die Tatsache, daß der Haushaltsentwurf keine neuen Personalstellen vorsieht, trägt mit dazu bei.
Wie Herr Häfele bei diesem enormen Umschichtungs- und Einsparungsvorgang im Haushalt zu der unzutreffenden Schlußfolgerung kommen kann, es handele sich im wesentlichen um ein Steuer- und Abgabenerhöhungsprogramm, bleibt wirklich schleierhaft, zumal die Einnahmeverbesserung aus der Branntweinsteuer, der Mineralölsteuer und dem steuerlichen Subventionsabbau zusammen den Betrag von 2,7 Milliarden DM nicht übersteigt.
Die Opposition scheut sich nicht, die erhöhte Postablieferung als zusätzliche Belastung des Bürgers darzustellen. Es trifft einfach nicht zu, daß der Postkunde dadurch zusätzlich belastet wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/ CSU])

— Sie glauben schon fast selbst, was bei Ihnen immer geredet wird. Dies trifft nicht zu!

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: In zwei Jahren wird es so sein!)

'Nach mehrmaligen Herabsetzungen der Telefongebühren und bei Aufrechterhaltung der Investitionsmöglichkeiten der Bundespost ist es doch wohl berechtigt, eine seit langem geforderte Anpassung der Postabgabe an frühere, vergleichbare Entwicklungen im Steuerbereich vorzunehmen, ohne dafür den Postkunden zusätzlich noch etwas abzuverlangen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Aber in zwei Jahren wird es so sein! — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Herr Kollege Westphal, hat die Abschaffung des Mondscheintarifs das Telefonieren verbilligt?)

— Wissen Sie, die Postdebatte kommt noch. Wenn Sie über Mondschein reden wollen, haben Sie dann dazu sicherlich Gelegenheit. Ich rede hier über Zahlen und nicht über Mondschein.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Im übrigen finde ich, daß das, was auf diesem Gebiet gemacht worden ist, auch aus der Sicht des Bürgers ein sinnvoller und richtiger Ansatz gewesen ist.
Meine Damen und Herren, bei den Entlastungen des Jahres 1981 den Weihnachtsfreibetrag und das erhöhte Kindergeld gar nicht mit einzurechnen, wie es Herr Häfele bei seiner Rechnung getan hat, ist einfach unredlich. Niemand von uns bestreitet, daß der Bürger in die Rechnung, was ihm 1981 unter dem Strich übrigbleibt, selbstverständlich auch die Beitragserhöhung zur gesetzlichen Krankenversicherung einbezieht. Das bestreitet niemand von uns. Aber der Politiker, der seriös bleiben will, müßte dann doch wenigstens hinzufügen, daß diese Beitragserhöhungen einerseits eine Folge von Lohnsteigerungen des vergangenen Jahres sind, daß den erhöhten Beiträgen auch höhere Leistungen gegenüberstehen, und daß diese Entscheidungen über Beitragserhöhungen von Selbstverwaltungsgremien, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind, getroffen werden, und eben nicht vom Staat.
Was den Staat in diesem Zusammenhang betrifft, wäre j a wohl auch anzumerken, daß die Bemühungen um Kostendämpfung im Gesundheitswesen für den Krankenhausbereich, die wir hier unternommen haben, zweimal von der Mehrheit des Bundesrates, also durch die von CDU und CSU geführten Länderregierungen, kaputtgemacht worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Herr Haase — auch den muß ich hier zitieren,
obwohl er noch nicht geredet hat; aber ich kenne ja
schon ein bißchen von dem, was zu erwarten ist —

(Lachen bei der SPD)

in seine Rechnung, die netto zu einer Belastung statt zu einer Entlastung der Bürger führt, nicht einmal die geringste Lohnsteigerung in diesem Jahr einrechnet,

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das wissen wir ja noch gar nicht!)

dann gerät seine Darstellung des Be- und Entlastungsvergleichs vollends zu einer Milchmädchenrechnung, die man eben nicht mehr ernst nehmen kann.

(Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Milchmädchen?)

Ich will aber auch nicht versäumen, mich mit den Kritikern auseinanderzusetzen, die meinen — um es wörtlich zu zitieren —, daß „Löcher im Bundeshaushalt gestopft würden durch das Aufreißen von Lükken in anderen Bereichen". Das ist so nicht zutreffend. Die einmalige Kürzung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherungsträger geschieht im ersten Jahr der Wirkung der Beitragserhöhung um 0,5 %, und sie wird vollzogen, nachdem die Konsolidierung der Rentenfinanzen bereits gelungen ist. Das weisen ja die Abschlußrechnungen des Jahres 1980 aus. Die Verlagerung eines Teils des Kreditbedarfs auf die Bundesbahn zwingt bei diesem selbständig wirtschaftenden Unternehmen zu größerer Sparsamkeit und wirtschaftlicherem Verhalten, und das wollen wir doch wohl alle. Aber man könnte ja auch einmal umgekehrt vorgehen und die Frage aufwerfen, wie es die Opposition gemacht hätte, wenn sie diesen Etat aufzustellen gehabt hätte.

(Zuruf von der SPD: Sehr wahr! — Zuruf von der CDU/CSU: Dann wäre das gar nicht so weit gekommen!)

Wo hätte denn die Opposition den um 3,65 Milliarden DM höheren Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit wohl hergenommen?

(Zustimmung bei der SPD)




Westphal
Hätte sie lieber die Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhöht?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das werden Sie bald tun!)

Bei der Ausgabenbelastung für das neue, erhöhte Kindergeld wissen wir doch, daß die von der CDU und CSU regierten Bundesländer diese finanzielle Belastung am liebsten ganz dem Bund aufgeladen hätten und wir hart ringen mußten, um die Hälfte davon abzubekommen.
Für die ab 1. Januar 1981 erhöhten Wohngeldleistungen war es doch so, daß es seitens der Opposition keine Anträge zur Verminderung dieser Leistung gegeben hat. Nein, im Gegenteil! In der ersten Runde des Bundesrats lag ein Antrag des CDU-regierten Landes Baden-Württemberg zur weiteren Heraufsetzung der Wohngeldleistung über das, was wir schon gemacht haben, hinaus vor.
Und wie steht es mit der Kokskohlebeihilfe und dem dafür erforderlichen Milliardenbetrag? Hätte die Opposition etwa Kohle und Stahl in dieser Sache im Regen stehen lassen?
Was die Verteidigungsausgaben betrifft, so sind es bei der Opposition wohl nur die Haushälter, die Erhöhungsanträgen, die Herr Kohl vor Weihnachten noch für möglich hielt, entgegengetreten sind.
Wo ist das Konzept der Opposition für eine Einschränkung der europäischen Agrarausgaben? Nicht ein Wort kann man von Ihrer Seite zu diesem schwierigen Thema hören.

(Beifall bei der SPD)

Aber die Mineralölsteuererhöhung wollen Sie ablehnen; ich komme noch darauf zurück.
Beim geplanten Abbau der Sparförderung kann man nicht so genau wissen, was die Opposition eigentlich will. Herr Kiep hat irgendwann gesagt, die Opposition habe diesen Vorschlag erfunden; ich zitiere Sie richtig. Herr Späth kritisiert — auch Herr Häfele hat das hier getan —, daß dadurch die kleinen Leute getroffen würden, obwohl wir die großen gar nicht treffen können, weil wir ihnen die Möglichkeit, an der Sparprämie teilzunehmen, schon 1975 genommen haben. Ich weiß, daß das eine Belastung ist, und mache kein Hehl daraus. Ich habe meinen Ausgangspunkt klargemacht: Wer in die Situation kommt, Subventionen streichen zu müssen, nimmt Vergünstigungen weg, und das trifft Leute. Die Betroffenen wehren sich; dies ist ihr gutes Recht. Wir diskutieren auch ernsthaft mit ihnen über all ihre Argumente. Aber es bleibt dabei: Es gilt durchzuhalten. Wir können nicht so handeln, wie es diese schöne Karikatur dargestellt hat: Alle stehen im Kreis und jeder weist auf den anderen und sagt: Jawohl, Subventionen abbauen, aber bitte nicht bei mir, sondern bei dem anderen!
Es bleibt leider dabei, daß auch jemand getroffen wird und daß es gegenüber bisherigen Vergünstigungen jetzt Belastungen gibt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin noch bei der Verhaltensweise der Opposition und meiner Annahme, wie es aussehen würde, wenn sie den Haushalt aufzustellen hätte. Bei der vorgesehenen Kürzung aller drei Gemeinschaftsaufgaben um jeweils 20 % läßt sich noch nicht ganz ahnen, wie sich die Opposition verhalten wird. Herrn Stoltenberg haben wir in der Debatte zur Regierungserklärung gehört, als er aus schleswig-holsteinischer Sicht zu diesem Thema ängstlich aufbegehrte.
Wie steht es mit der Haltung der Opposition zum Abbau von Subventionen des Ölverbrauchs? Jeder von uns weiß, daß dies ein schmerzlicher Vorgang sein wird. Aber er ist doch wohl notwendig. Aus der schwierigen Debatte um die Personalkosten hält sich die Opposition — außer dem Hinweis, den auch Herr Häfele gebracht hat, man müsse sparen — völlig heraus.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es ist doch wohl ein Wort, wenn dieser Bundeshaushaltsentwurf keine neuen Stellen und fast keine Hebungen enthält. Wir würden auch gern wissen, ob uns die Opposition hilft, hier noch ein Stück weiter voranzukommen.

(Kiep [CDU/CSU]: Dann müssen Sie einmal den Schritt tun!)

Ich muß noch einige Anmerkungen zum Thema Mineralölsteuererhöhung hinzufügen. Gewiß, dies trifft hart. Ich stehe auch nicht an, zu sagen: Jawohl, ein Grund für diese Erhöhung liegt darin, den öffentlichen Haushalt auszugleichen, ohne in Leistungsgesetze einschneiden und ohne die Kreditaufnahme weiter erhöhen zu müssen. Aber dies ist eben nur der eine Grund. Der andere ist darin zu finden, daß diese Maßnahme auch energiepolitisch vernünftig ist und uns helfen soll, vom Öl wegzukommen. Machen wir uns nichts vor! Energie wird teurer. Hier gibt es wohl oder übel keine Möglichkeiten des sozialen Ausgleichs.
Die Art, wie die Multis in den letzten Monaten zugegriffen haben, muß man sich noch einmal genauer angucken. Mir fällt dabei Herr Häfele ein. Herr Häfele, Sie haben ja auch versucht, dies zu relativieren und den Bundesfinanzminister mit dem Erhöhungsbetrag von 7 Pf in die Ecke zu stellen. Das, was Sie zu dem Thema gesagt haben, Herr Häfele, sah so aus, als wollten Sie den Anschein erwecken, daß Sie die Preiserhöhung durch die Multis gar noch verteidigten.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Aber bitte, Sie fahren doch auch ab und zu an die Tankstelle, und Sie wissen auch, daß die Multis in den letzten Monaten so viel weggeholt haben, wie Matthöfer zu tun beabsichtigt.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

Wir wissen doch, daß wir auf deutscher Ebene allein nicht die Möglichkeit haben, dies zu verhindern. Das bringt einen manchmal fast dazu, zu denken, daß die Spanne, die darin noch enthalten ist, bevor sich der Verbraucher beim Benzin tatsächlich einschränkt,



Westphal
lieber in die Kasse des Bundesfinanzministers zur Sicherung unseres sozialen Leistungssystems gehen sollte, als sie den Multis zu geben. Ich habe das sehr vorsichtig gesagt. Ich bin mir der Problematik dieser Sätze durchaus bewußt.
Im übrigen ist es ja auch falsch, zu argumentieren, daß dieser Weg über den Preis beim Benzin der einzige wäre, der zu energiesparendem Verhalten führt oder allein Inhalt unserer Politik wäre.
Das uns hier vorliegende Gesetz zum Abbau von Subventionen enthält den Beginn des Abbaus sämtlicher Ölverbrauchssubventionen. Durch den Forschungsetat fördern wir die Erforschung und Entwicklung nichtölabhängiger Technologien im Energiebereich. Der Haushaltsentwurf weist nach, daß wir weiterhin bereit sind, für den Ausbau von Fernwärme etwas zu tun. Das gleiche gilt für den Bau neuer umweltfreundlicher Kohlekraftwerke. Weiterhin ist ein beachtlicher Teil dieses Haushalts von den Maßnahmen zur Stützung der heimischen Kohle bestimmt. Darüber hinaus läuft auch weiterhin das 4,35-Milliarden-Programm zur Förderung energiesparender Maßnahmen an Häusern und Wohnungen. Da wird man allerdings nachdenken müssen, welche Änderungen sich aus den gesammelten Erfahrungen für die Zukunft einer auf Energiesparen ausgerichteten Politik auf diesem Gebiet ergeben.
Ich will zwar den energiepolitischen Teil der Debatte dieser Woche nicht vorwegnehmen, aber doch wenigstens hinzufügen, daß der Abbau von Hemmnissen auch zu unserem Konzept gehört, wenn auch nicht zu Lasten der Sicherheit der Menschen. Im übrigen dürfen wir die Länder bei dieser schwierigen Aufgabe nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie das einmal der SPD in Schleswig-Holstein!)

Meine Damen und Herren, nimmt man zu dem soeben für den energiepolitischen Bereich Gesagten auch die anderen Inhalte der Forschungsförderung, die Unterstützung kleinerer und mittlerer Betriebe sowie die Förderung der beruflichen Bildung hinzu und hofft man darüber hinaus, daß Länder und Bund doch zusammen eine sinnvolle Veränderung des Systems der regionalen Wirtschaftsförderung zustande bringen werden, dann läßt sich sagen, daß dieser Haushalt strukturpolitischen Anforderungen gerecht wird.
Die immer aktueller gewordene Frage ist aber, ob dieser Entwurf auch konjunkturgerecht ist.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Aha, jetzt geht's los!)

Lassen Sie mich da zunächst einmal die Tassen im Schrank zurechtrücken. Die Bundesregierung hat diese Haushaltsvorlage am 16. Dezember 1980 beschlossen. Sie mußte und konnte dabei also nur von den Wirtschaftsdaten ausgehen, die zu jenem Zeitpunkt vorlagen. Jeder von uns weiß, daß die Regierung sich nach den Konjunkturdaten gerichtet hat, die von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten Mitte Oktober 1980 und dann vom Sachverständigenrat Mitte November 1980 erarbeitet und vorgelegt worden sind. Daraus ergab sich auch die diesem Haushalt zugrunde liegende Steuerschätzung von Anfang Dezember 1980. Der Haushaltsentwurf berücksichtigte also die konjunkturelle Situation. Der in ihm enthaltene Ansatz von insgesamt 31,2 Milliarden DM für investive Ausgaben, zu dem die Investitionen im Verteidigungsbereich noch hinzukommen, die nach unserer Definition des Begriffs „Investition" bekanntlich nicht mitgezählt werden, stellt ja keinen geringen Betrag dar, insbesondere wenn man daran denkt, daß von den drei Ebenen des Gesamthaushalts der Bundesetat gegenüber den Länder- und Gemeindeetats der am wenigsten investitionsintensive Teil ist. Auch die Neuverschuldung von 27 Milliarden DM ist ja wohl ein Wort.
Es wäre leichtfertig, behaupten zu wollen, dieser Haushaltsentwurf der Bundesregierung täte nichts, um in schwieriger konjunktureller Situation Investitionsmöglichkeiten zu stützen und zu verstetigen. Aber es führt kein Weg daran vorbei, daß die neueren Wirtschaftsdaten, die der Jahreswirtschaftsbericht, den das Kabinett in der nächsten Woche verabschieden will, enthält, schlechter sind als die, die dem Entwurf zugrunde lagen.
Der in solchen Sachen immer etwas vorlaute Herr Späth aus Baden-Württemberg verlangt gleich die Zurückziehung des ganzen Etatentwurfs und eine neue Vorlage. Macht er das mit seinem Landeshaushalt in seinem Parlament genauso?

(Zuruf von der CDU/CSU: Der ist solide finanziert!)

Haben nicht alle Bundesländer ihre Haushaltsentwürfe auf der Grundlage älterer Wirtschaftsdaten aufgestellt? Das sind doch nichts weiter als polemische Übungen.
Wir Parlamentarier, meine Damen und Herren, sind jetzt die Herren des Haushaltsverfahrens. Die uns bevorstehende Beratungszeit über diesen Haushalt nach seiner ersten Lesung ermöglicht und zwingt uns, neue Erkenntnisse über die wirtschaftliche Entwicklung in unsere Betrachtungen mit einzubeziehen. Die Bundesregierung hat uns dazu — das hat Herr Matthöfer hier gesagt — ihre Hilfe angeboten. Am konkretesten wird dieses Problem — das wissen viele von uns — bei den Bundeszuschüssen für die Bundesanstalt für Arbeit. Es hilft nichts: Wir müssen damit fertigwerden, aber doch wohl nicht durch ein Zusammenstreichen des ganzen Haushalts und nicht durch Eingriffe an Punkten, die der Konjunkturstützung dienen. Gewiß, dort, wo Umschichtungen von sogenannten konsumtiven Ausgaben in den investiven Bereich möglich sind, wollen wir dies machen, müssen wir dies machen. Der Spielraum dafür ist allerdings nicht übermäßig groß. Vorschläge, die mein Kollege Rudi Walther später hier erörtern wird, gehen in diese Richtung. Doch auch sie sind meist mittelfristig angelegt und helfen nicht um die Erkenntnis herum, daß es aus konjunkturellen Gründen sehr schwer sein wird, die Höhe der Nettokreditaufnahme zu halten.
Doch wir haben uns die Dinge gründlich überlegt. Wir kündigen in dieser Situation keine neuen Programme an, die von dem bisher erfolgreichen



Westphal
Schema ausgehen. Wir sehen, daß die wichtigen Gründe der gegenwärtigen konjunkturellen Schwäche, die in den drei am Anfang genannten Größen — Ölpreissteigerung, Leistungsbilanzdefizit und ein international hohes Zinsniveau — zu suchen sind, andere, neue Antworten für das Handeln von Wirtschaft und Staat verlangen. Dabei rücken die Aufgaben der Energieeinsparung und der effektiven Förderung des Wohnungsbaues in den Vordergrund. Es ist doch unsinnig, zu sagen, wir seien in einer solchen Situation nicht handlungsfähig. Wir warten ja gar nicht ab, wir handeln jetzt mit diesem Etat, und wir sind auch in der Lage, neu, anders zu reagieren, wenn man die Datenentwicklung des ganzen Jahres 1981 genauer und besser überblicken kann als heute.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Eines ist klar: Wir machen nicht Politik à la Brüning. Diese tragische Lehre von Anfang der 30er Jahre haben ja wohl inzwischen alle begriffen. Doch vielleicht ist es auch richtig anzufügen, daß die Wirtschaftswissenschaft und auch die Wirtschaftspolitik heute weiter sind, als nur die Grundlehre von Keynes undifferenziert nachzuvollziehen. Das bitten wir — ich sage das hier offen — insbesondere die Gewerkschaften zu verstehen. Auch die Mitglieder der Gewerkschaften sind Steuerzahler und wollen keine zu hohe Neuverschuldung. Das kann man doch wohl so sagen. Ich meine schon, daß es Sache des Bundeswirtschaftsministers sein wird, uns zum richtigen Zeitpunkt zu sagen, welche Schlußfolgerungen wann zu ziehen sind. Er hat ja seine prinzipielle Haltung zu dieser Frage schon im Finanzplanungsrat angedeutet.
Deutlicher aber, als die Regierung es kann, können wir Abgeordneten sagen, wie sehr die hohen Zinsen in den USA einer vernünftigen Wirtschaftsentwicklung nicht nur bei uns, sondern in weiten Teilen der Welt und auch in Amerika selbst im Wege stehen. Der Finanzminister hat uns erläutert, daß eine Zinssenkung bei uns um nur 1 % schon 8 Milliarden DM mobilisieren würde. Wir hatten bisher eine durchaus gute Investitionsbereitschaft, die wir auch weiterhin brauchen und gern unterstützen möchten.
Meine Damen und Herren, für uns Sozialdemokraten bleibt die Beschäftigungswirkung unserer staatlichen Haushaltspolitik weiterhin die wichtigste Leitlinie. Herrn Matthöfer da herausdividieren zu wollen, ist ein unsinniger Versuch; man muß schon seine ganze Rede hören und nicht nur ein paar Sätze, die auch ergänzend darauf gezielt waren, Herr Häfele, darzustellen, was vielleicht auch andere in diesem Konzert Wichtiges zu machen haben. Der Staat zieht sich nicht aus seiner Verantwortung zurück, solange Sozialdemokraten in diesem Lande mitregieren.

(Beifall bei der SPD)

Für uns Sozialdemokraten bleibt also die Beschäftigungswirkung unserer staatlichen Haushaltspolitik weiterhin die wichtigste Leitlinie.
Wir stehen vor dem schwierigem Fahrwasser, in das wir kommen, nach wie vor wesentlich besser da als die meisten Industrienationen dieser Welt,

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Es wird immer besser!)

gar nicht erst zu reden von der schlimmen Situation der Entwicklungsländer. Wir haben in unserem Land eine hervorragende Infrastruktur geschaffen. Die soziale Sicherung unserer Menschen ist vorbildlich für viele in der Welt, und die Zukunft erfordert mehr als bisher Solidarität. Das heißt wohl für die Zukunft, daß die Bessergestellten den Schwächeren, mehr als bisher helfen müssen und daß die Bereitschaft vorhanden sein muß, gemeinsam Lasten zu tragen. Wir sind dazu entschlossen, mit Schwierigkeiten fertig zu werden. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall bei der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901600800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gärtner.

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901600900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Häfele hat die alte Regel bestätigt, daß es keiner Regierung gelingen kann, die Opposition zufriedenzustellen. Wir haben jetzt ein Sparprogramm vorgelegt; das paßt Ihnen auch nicht. Wir werden in der Beratung des Haushalts einmal versuchen zu eruieren, wo wir Ihnen in irgendeiner Form näherkommen können.

(Sehr gut! bei der SPD)

Dann haben Sie in Ihrem Diskussionsbeitrag einige Rundschläge verteilt, auch zu dem Thema Verfilzung.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Auch dazu kann man noch viel sagen!)

— Politik und Wirtschaft ist hier genannt worden. Gehen Sie einmal zu einem bestimmten Unternehmen der Luftfahrtindustrie, um zu sehen, wie da Politik und Personal „verfilzt" sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

— Die Aufklärung Ihrer Kollegin hat wohl Überraschung ausgelöst, nehme ich an.

(Zuruf von der CDU/CSU: 400 Aufträge für den Airbus!)

Dann haben Sie sich hier sehr lang, sehr breit und ausgedehnt mit Ludwig Erhard beschäftigt. Ich will Ihnen zwei Dinge sagen: Der Umgang mit Ludwig Erhard in der eigenen Partei war wohl etwas anders, als Sie es hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Sicher, wir machen auch Fehler! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




Gärtner
Aber vielleicht gibt die CSU einmal eine Denkschrift mit dem Titel „Beiträge zum Demolieren eines Denkmals" heraus.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Wer ist denn damals aus der Koalition ausgeschieden? Wegen 500 Millionen Mark habt Ihr die Koalition gebrochen!)

Dann will ich Ihnen sagen, wo bei dem Stichwort „Ludwig Erhard" manchmal auch ein Problem auftritt. Herr Kollege Theo Waigel, auch an dem, was ich jetzt nenne, sind Sie nicht ganz unschuldig. Hier wird über Ludwig Erhard geredet, aber bei einem klitzekleinen Tatbestand des Haushalts, nämlich wenn es um den staatlichen Zuschuß für die Ludwig-Erhard-Stiftung geht, eines vergessen:

(Glos [CDU/CSU]: Eben!)

— Sehr gut!, sagen Sie. —

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das sind immerhin 400 000 DM, die die Ludwig-Erhard-Stiftung aus dem öffentlichen Haushalt abkassieren will. Ich habe j a nichts dagegen. Nur muß man aufpassen, daß man sich an bestimmten Stellen noch darüber klar ist, wenn man bestimmte Vorhaltungen politisch akzeptiert.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901601000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Kohl?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901601100
Ich bedanke mich.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0901601200
Herr Kollege, finden Sie es nicht eigenartig, daß die Sozialdemokraten für die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Christlich Demokratische Union für die Konrad-Adenauer-Stiftung und die FDP für die Friedrich-Naumann-Stiftung selbstverständlich, weil es j a auch im öffentlichen Auftrag geschieht, Gelder aus dem Steuersäckel entgegennehmen, aber Sie das bei einer Stiftung dieser Art, die auch ihre Bedeutung hat, öffentlich kritisieren?

(Zurufe von der SPD)


Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901601300
Entschuldigung, ich habe diesen Zusammenhang ja ausdrücklich genannt.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sie haben den Zusammenhang nicht genannt!)

— Entschuldigung, die Ludwig-Erhard-Stiftung möchte ich bitte nicht mit der Konrad-AdenauerStiftung verwechselt wissen, es ist ein entscheidender Unterschied, auch was die Hanns-Seidel-Stiftung und die Naumann-Stiftung angeht. Ich habe mich nur dagegen gewehrt, daß man hier plakativ bestimmte Begriffe verwendet und in die Debatte einbringt, aber an bestimmten Kleinigkeiten entdeckt, daß das Abkehren vom eigenen Prinzip eigentlich ganz nützlich ist. Das wollte ich damit sagen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Im übrigen darf ich Ihnen sagen, Herr Kollege Kohl: Das, was der Bundeshaushalt an die von Ihnen und von mir erwähnten Stiftungen zahlt, dürfte vielleicht für uns alle gemeinsam die Frage für zulässig erklären, ob das in dieser Höhe auf Dauer weiter so geschehen kann.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist ein sehr bemerkenswerter Satz!)

— Ich bedanke mich auch für die Ehre einer Zwischenfrage.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901601400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sperling?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901601500
Bitte!

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0901601600
Herr Kollege Gärtner, können Sie sich noch daran erinnern, daß die Mitarbeiter der Ludwig-Erhard-Stiftung uns als Abgeordneten im Haushaltsausschuß für das große Verständnis außerordentlich dankbar waren, das sie bei uns, den Abgeordneten der Koalition, gefunden haben?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901601700
Das ist auch richtig, aber es ist wie so vieles kritisch aufzuarbeiten. Das war ein Beitrag der Kollegen aus dem Haushaltsausschuß. Sie waren auch nicht ganz unschuldig, Herr Kollge Waigel und Herr Kollege Sperling. Ich wundere mich nur, daß man sich auf die Dauer auf solchen Erfolgen ausruhen kann. Man muß auch gegenüber eigenen Ansätzen von früher einmal ein bißchen kritischer werden. Der Bundesfinanzminister hat das ja selbst in seiner Einbringungsrede am Freitag sehr deutlich gemacht.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Kleinkariert!)

— Wissen Sie, Herr Jenninger, was hier kleinkariert ist oder nicht, können Gott sei Dank Sie noch nicht bestimmen; Sie können dazu zwar eine Meinung äußern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Es ist meine Meinung: Wenn man nicht bei Kleinigkeiten anfängt, bei solchen Themen, zu zeigen, ob. man Sparsamkeit will oder nicht, dann wird es manchmal an anderen Ecken unglaubwürdig.
Ich verstehe das nicht: Es wird immer gesagt, man müsse an den großen Positionen sparen. Wo wird denn an großen Positionen gespart? Von Ihrer Seite wird eigentlich nur gespart bei der Vorlage von Sparvorschlägen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Herr Kollege Häfele, Sie sagten, der Haushaltsentwurf sei eigentlich nicht in Ordnung, man müsse das alles völlig anders machen. Dabei kann sich die Regierung bei der Vorlage des Haushalts 1981 auf eine gemeinsame Verabredung im Finanzplanungsrat zwischen Bund und Ländern berufen. Die Eckdaten, die Steigerungsrate von 4,1 % und die Neuverschuldung sind im Finanzplanungsrat einvernehmlich festgelegt worden. Jetzt kann man sich allenfalls darüber unterhalten, ob man hier oder da eine Veränderung in der Struktur des Haushalts auf den



Gärtner
Weg bringt. Aber von seinem Grundraster her ist der Haushalt gemeinsam verabredet. Die Eckdaten in den Ländern sind fast alle ähnlich. Die Steigerungsrate ist — mit marginalem Unterschied — gleich, der Neuverschuldungsansatz ist im Verhältnis ähnlich.
Deshalb ist die Diskussion wichtig, die wir in der Zwischenzeit im Ausschuß darüber führen werden, ob man an der Struktur des Haushalts etwas verändern kann, und wenn j a, in welche Richtung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Struktur ist falsch!)

— Sie sagen: Die Struktur ist falsch. Das hört sich immer so an wie „Die ganze Richtung paßt mir nicht!" Das hat mir immer schon so gefallen: Über Zukunftsinvestitionsprogramme gab es von Ihrer Seite immer dieselben Bemerkungen „Das paßt mir alles nicht, das will ich eigentlich gar nicht, das lehne ich ab!", aber wenn es ans Verteilen ging, waren Sie die ersten, die sich um hohe Beteiligungsprozentsätze bei diesem Zukunftsinvestitionsprogramm bemüht haben. Das ist ein Stück politischer Hygiene.

(Zuruf des Abg. Roth [SPD])

Der Bundesfinanzminister hat nach unserem Eindruck am Freitag in einer sehr politischen Einbringungsrede den Haushalt auch in seinen nationalen und internationalen Rahmenbedingungen dargestellt. Es ist besonders wichtig: Die Bundesrepublik Deutschland ist keine Insel, auf der Haushalts- und Finanzpolitik ohne irgendeinen internationalen Zusammenhang gemacht werden können. So wenig wie wir uns aus dem internationalen Inflationstrend generell und vollends auskoppeln können, so wenig können wir heute so tun, als ob unsere Entscheidungen in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich nationalen Gesichtspunkten gehorchen müßten. Das gilt im übrigen für die 80er Jahre so, wie es für die 70er Jahre gegolten hat.

(Feinendegen [CDU/CSU]: Das reden Sie schon seit Jahren!)

— Herr Kollege Feinendegen, es ist nun einmal so: Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht eine irgendwie geartete Insel. Allein bei dem Stichwort „Export" müßte auch Ihnen und der Region, aus der Sie kommen, klar sein, daß es da Zusammenhänge gibt. Wenn ich das Stichwort „Textil" nenne, wissen Sie doch am besten, um was es dort geht.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: In Grönland ist es auch kälter als hier!)

— Sie waren aber auch schon einmal besser mit Ihren Zwischenrufen, Herr Kollege Friedmann.

(Zuruf von der SPD)

— Man muß sich Mühe geben, das zu suchen, aber man wird es finden. Er ist sonst gar nicht so.
Ich meine, wir sind trotz der Belastungssituation, die auf uns zugekommen ist und die noch auf uns zukommen wird, eigentlich ganz passabel aus den 70er Jahren herausgekommen. Wir haben die Krisen relativ besser bewältigt. Ich weiß, daß manch einer von uns — man selbst fast auch — so etwas nicht mehr hören kann. Aber es ist die Tatsache, es ist die Wahrheit. Es ist auch das, um was uns das Ausland beneidet. Ich meine, an dieser Stelle darf man nicht nur sagen, was einem nicht paßt, d. h. Beschreibungen von etwas abgeben, was es gar nicht gibt, sondern man darf auch den Standpunkt äußern, daß die Bundesrepublik Deutschland im weltweiten Vergleich eigentlich ganz gut dasteht.
Dennoch: Die Probleme im weltweiten Zusammenhang sind nicht kleiner geworden. Sie sind ohne Zweifel eher größer geworden. Zahlungsbilanzdefizite sind längst nicht mehr nur ein Ereignis für andere; die Bundesrepublik Deutschland hat ebenfalls damit zu kämpfen.
Rohöl, das den Wohlstand der westlichen Gesellschaften ermöglichte und unsere Mobilität und unsere Lebensqualität erhöhte, erweist sich zunehmend stärker als Belastung, vor allem vom Preis her. Gewohnt und gewöhnt an das billige Produkt Rohöl haben wir einen Wohlstand aufgebaut, der ins Wanken kommt, wenn der Preis oder die Menge dieses Rohstoffes in Turbulenzen gerät. Der fast euphorische Umstieg in den 60er Jahren von der heimischen Kohle zum Rohöl erweist sich zunehmend als Scheinlösung und als keine Lösung, die unseren Problemen gerecht wird. Wir haben vom billigen Rohöl gelebt, haben kaum daran gedacht, daß der Preis oder die Menge politisch beeinflußbar sind oder werden, und wohl kaum bewußt daran gedacht, daß die Menge des Rohstoffes endlich ist. Das heißt, an einer bestimmten Stelle des nächsten Jahrtausends wird es den Rohstoff Rohöl so nicht mehr geben. Wir haben verbraucht, ohne ans Sparen einen Funken Überlegung zu verschwenden.
Wir teilen diesen Fehler allerdings mit vielen Ländern dieser Welt. Fast alle westlichen Industrienationen, die Länder des Ostblocks, aber vor allem auch die Entwicklungsländer stehen vor dem Problem, daß sie Produktionsstrukturen geplant und aufgebaut haben, die den Faktor Öl als billig und jederzeit verfügbar einsetzen. Während wir betroffen vor der hohen Ölrechnung stehen und ein Defizit in der Leistungsbilanz noch finanzieren können, gibt es eine große Anzahl von Ländern, die das aus der gestiegenen Ölrechnung resultierende Defizit nicht mehr finanzieren können.
Vor diesem Hintergrund wird die Lage nicht einfacher. International nimmt die Konfliktbereitschaft zu. Protektionismus verstärkt sich, und in weiten Teilen der Welt kommt zu dem Stichwort Energiekrise noch die Ernährungskrise. Wenn wir in unserem Land über Ernährungskrise reden, fallen bei uns eher Stichworte wie „Überproduktion", „Butterberg", „Milchberg" oder auch „Östrogen" — alles eher Probleme des Überflusses. Anderswo geht es um das Problem des physischen Überlebens.

(Beifall bei der FDP)

„Bei uns geht es ums Auskommen, draußen geht es ums Überleben", so hat es der Kanzler in seiner Regierungserklärung ausgedrückt. Die nüchterne Feststellung hatte eigentlich nicht die gewünschte Reaktion. Ich halte diesen Satz nach wie vor für einen der wichtigsten Sätze, die in der Regierungserklärung stehen. Er hat wohl den Nachteil, daß er so einfach ist und deshalb auch sehr schwer zu kommentieren



Gärtner
war für diejenigen, die das berufsmäßig bisher immer betrieben haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Keine Journalistenschelte!)

Wir müssen uns bei diesem Thema noch einmal an das erinnern, um was es eigentlich geht: daß es klar ist, wo andere stehen, was wir für Probleme halten und was andere für Probleme haben. Daß wir über unsere Verhältnisse leben, ist leicht gesagt. Aber es ist nicht weit verbreitet, daß wir unser eigenes Verhältnis zum Wohlstand überdenken.

(Beifall bei Abgeordneten- der FDP)

Abschied vom traditionellen Wohlfahrtsdenken ist notwendig, so sagte der Bundesfinanzminister in seiner Einbringungsrede. Das ist so. Nur: über das Reden alleine wird sich natürlich nichts bewegen. Wir werden selbst daran gemessen werden, ob wir diese Sätze ernst nehmen, ob wir wirklich offensiv in eine Diskussion, in einen Dialog auch mit dem Bürger — nicht nur zu Wahlzeiten — eintreten und ihm nahebringen, daß dies ein Problem der 80er Jahre ist. Wenn wir dies nicht lösen, werden wir an entscheidenden Stellen bei Lösungsvorschlägen versagen.
Wer heute den Eindruck erweckt, er habe ein Patentrezept zur Lösung in der Tasche, kann als politisch Handelnder nicht ernst genommen werden. Wer einfache Rezepte für Lösungsmöglichkeiten anbietet, der kann nur den optischen Eindruck erwekken, daß er Probleme lösen könnte.
Herr Häfele hat das Thema angesprochen, das ja auch im Wahlkampf — ich finde, gar nicht versteckt — von uns herausgestellt worden ist, das Thema Neuverschuldung, Staatsverschuldung. Wir haben uns da ja auch eigentlich mit Ihrem damaligen Kanzlerkandidaten nicht im Streit befunden. Der hat selber im Bayerischen Landtag im vergangenen Monat — am 4. Dezember — bei seiner haushalts- und finanzpolitischen Betrachtung noch einmal deutlich gemacht, daß er sich mit dem Kollegen Hoppe über die Höhe der Staatsverschuldung quasi noch einigen kann. Das Problem, vor dem wir gemeinsam stehen, ist das Tempo. Darüber sollten wir uns einmal selbstkritisch Gedanken machen, wenn gesagt wird: mit Staatsverschuldung ist im Grunde nur Unsinn oder was immer finanziert worden. Über Kredite ist ja vieles finanziert worden, was auch in den nächsten Generationen noch benutzbar ist. Die Errichtung und Finanzierung einer Universität dient nicht lediglich einer Generation, sondern ist auf lange Sicht angelegt. Ich finde, daß man auch unter diesem Gesichtpunkt diskutieren müßte.
Wir haben auch den Wahlkampf nicht mit Versprechungen geführt, Herr Kollege Häfele, die auf hohe Ausgabensteigerungen des Staates hinausliefen. Ich kann mich da noch eher an Anzeigen erinnern, die — stichwortartig — klargemacht haben, daß, wer CDU/CSU am 5. Oktober wählt, einen bestimmten Geldbetrag überwiesen bekommt.

(Beifall bei der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Man muß das alles wissen. So war es eben. Der Herr Kollege Häfele weiß das alles. Wir wissen ja auch vieles untereinander besser, als wir manchmal öffentlich zugeben, Herr Kollege Haase. Das macht ja manchmal eine Haushaltsdebatte so dramatisch, wenn von Ihrer Seite aus — das werden wir ja insbesondere dann erleben, wenn Sie das nachher noch mal machen — ein künstlicher Konfliktpunkt aufgezeichnet wird, während wir im 25. Stockwerk des Neuen Hochhauses eigentlich eher zusammenrükken müssen und gegenüber unseren Kollegen bestimmte Ausgabenwünsche zurückdrängen müssen. Daher gibt es auch ein gut Stück Verbindung unterhalb der sonst offiziell dargestellten Konfliktlage hier im Parlament.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Daher auch der gute Ruf des Haushaltsausschusses!)

Wir haben, wie gesagt, im Wahlkampf nichts versprochen, was wir eigentlich nicht halten können.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

Wir haben auch eine sehr nüchterne Einschätzung von Risiken im Wahlkampf gegeben.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Drei Pfennig Mineralölsteuer! Das ist auch mehr geworden!)

— Das haben wir ja auch vor den Wahlen gesagt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir hatten gesagt: zum 1. Januar. Jetzt kommt es zum 1. April. Rechnen Sie mal den Differenzbetrag aus!

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das Problem, daß man das vor der Wahl sagen muß, hat natürlich auch das Konfliktfeld offengelegt, das der Kollege Häfele dargestellt hat: daß sich dann andere bei diesem Thema glauben bedienen zu müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Na, gut. Wer hat dazu einen Vorschlag? Wer möchte sich dazu äußern? Ich habe keinen Vorschlag der Opposition gehört, der dahin ging, zu verbieten, den Leuten etwas wegzunehmen, oder sonst was. Das ohnmächtige Konstatieren ist, wenn man das so sieht, wohl auf beiden Seiten des Parlaments verbreitet. Man kann das nur zur Kenntnis nehmen. Ich muß Ihnen allerdings sagen, daß es so auf die Dauer nicht weitergeht.
Der Kollege Zimmermann hat ja noch gesagt, daß wir nicht erklärt hätten, wofür wir die Steuern erhöhen würden. Das stimmt j a nicht. Wir haben deutlich gesagt, für was wir die Steuern erhöhen, nämlich für den erhöhten Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur EG. Das ist eben eine Sache, daß man hingeht und sagt, wir wollen Europa, und schreibt darüber schöne Bücher und hält große Reden, aber dann, wenn es an die Finanzen geht, sagt: wir verabschieden uns von Europa. Sie können das zwar deshalb machen, weil Sie in der Opposition sind; aber



Gärtner
wir müssen ja leider das bezahlen, was bei der EG ausgehandelt wird.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Es ist ja einfach nicht wahr, was Sie da sagen!)

— Herr Kollege Kohl, ich würde das an Ihrer Stelle mir gegenüber nie so sagen, weil ich dafür bekannt bin, daß ich da zurückschlage. Wenn wir im Wahlkampf hingegangen wären, den positiven Beitrag, den wir finanziell an „Großbritannien" überweisen, wir, die Koalition — —

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Was heißt „wir"? Das haben wir doch gemeinsam getragen!)

— Nein, die Finanzierung tragen Sie j a nicht mit, die Mineralölsteuer wollen Sie doch nicht erhöhen. Das ist der Beitrag gewesen, den wir damals ausgerechnet haben. Von irgendwoher mußte das doch kommen. Deshalb sage ich, man kann nicht nur darüber reden, daß man Europa will, sondern man muß das Ganze dann auch an dieser Stelle finanzpolitisch bedienen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen: wenn wir im Sommer auf den populären Zug gesprungen wären und gesagt hätten, wir finanzieren das nicht, sollen doch die Engländer mal sehen, wie sie es hinbekommen!, dann wären wahrscheinlich Sie die ersten gewesen, die gesagt hätten, so gehe das doch nicht, so könne man das nicht machen,

(Beifall bei der FDP)

wir würden das hier alles nur deshalb machen, weil in England die Konservativen regierten. Das hätten Sie wahrscheinlich hier so abgeladen. Das ist doch gar nicht wahr!

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die notwendigen Streichungen haben wir miteinander im Haushaltsausschuß zu tragen!)

— Wir werden uns über gemeinsame Streichungsaktionen auch noch in Zukunft verständigen können. Zum Thema Subventionsabbau will ich noch kommen. — Herr Kollege Friedmann, vielleicht hören Sie mal nicht so lange dem Herrn Kollegen Franke zu; das wird immer sehr viel teurer, als wenn Sie mir zuhören.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir haben j a noch eine Runde über das Thema Subventionsabbau vor uns. In der ersten Runde haben Sie sich der Mitarbeit versagt, als es um die Frage der Einkommensbesteuerung der Landwirte ging. Oder waren Sie da auf der ersten Linie gewesen, daß hier noch mehr gespart werden müßte? Ich habe Sie nicht gefunden.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Durch unseren Vorschlag wären viele tausend Beamte gespart worden!)

Es ist schon etwas schwierig, beim Thema „Sparen" übereinzukommen. Der Kollege Späth hat einen neuen Haushaltsentwurf gefordert. Hier ist schon kritisiert worden — auch Sie, Herr Kollege
Kiep, haben sich darüber in der „Welt am Sonntag" ausgelassen —, das alles sei nicht mehr sehr passend.
Die Hilfestellung für uns kommt merkwürdigerweise auch noch von der CDU. In Nordrhein-Westfalen z. B. hat der finanzpolitische Sprecher der Opposition, der CDU-Abgeordnete Schwefer, folgendes zu dem Haushaltsentwurf, den er ablehnt, gesagt — Zitat —:
Wir haben es also mit einem extrem prozyklischen Haushalt zu tun, wieder das Gegenteil von dem, was wir eigentlich möchten, nämlich einen antizyklischen Haushalt.
Wodurch zeichnet sich denn ein antizyklischer Haushalt in dieser Situation aus? Doch durch eine höhere Ausgaberate, eine höhere Kreditrate!

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, daß der Kollege Schwefer die Begriffe „prozyklisch" und „antizyklisch" verwechselt hat, obwohl ich das bei ihm nicht vermute. Anders ist das gar nicht zu begreifen.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Sie wissen doch ganz genau, wie das zustande gekommen ist! — Franke [CDU/CSU]: Oberlehrer!)

— Das hat gar nichts mit „Oberlehrer" zu tun. Wenn Sie sich Ihre Reden einmal anschauen, werden Sie mir zugeben müssen, daß Sie in dieser Frage gegenüber der Bundesregierung quasi professionell als Oberschulmeister angestellt sind, obwohl ich Ihnen bei Betrachtung der Hausarbeiten korrigierenderweise sagen muß, daß Sie sie auch nicht immer ordentlich machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Franke [CDU/CSU]: Das war hilfsschullehrerhaft!)

— Herr Franke, Ihre Stunde kommt auch noch; warten Sie einmal ab.

(Franke [CDU/CSU]: Ja, das ist sicher!)

Die Sparvorschläge, die die Regierung vorgelegt hat, sind meines Erachtens ein erster richtiger und wichtiger Schritt für einen Anfang.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das wird aber langsam Zeit!)

Das alles ist nicht so einfach. Herr Feinendegen, Sie reden von Sparen. Im Verkehrsausschuß sollte auch immer gespart werden; aber wenn es um eine Strecke geht, die vor der Haustür liegt, wird nicht gespart.

(Feinendegen [CDU/CSU]: Wer fordert denn die Untertunnelung des Rheins nördlich von Düsseldorf, Herr Gärtner?)

So ist das doch. Wir hätten die von uns erarbeiteten Vorschläge, über die wir gemeinsam noch diskutieren können, längst finanziert. Den damaligen Einsparungsvorschlag in Höhe von anderthalb Milliarden DM haben sie im Verkehrsausschuß abgelehnt, wollten aber die Vorzüge des Programms, das wir erarbeitet haben, genießen. Deshalb bitte ich, vorsich-



Gärtner
tig vorzugehen, wenn Themen wie Sparen, Subventionsabbau usw. auf den Tisch kommen.
Die Kollegen, die zu diesen Themen sprechen, haben das jahrelang fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit getan. Beim letztenmal gab es eine so spärliche Besetzung, daß ich mich zu der Bemerkung herausgefordert fühlte, es seien von jeder Fraktion nur ein paar U-Boote da gewesen, die aufgepaßt hätten, daß beim Subventionsabbau nicht ernstgemacht würde. Herr Kollege Langner war in der schwierigen Situation, im Zusammenhang mit Subventionstatbeständen von „Drogenmißbrauch" zu sprechen. Er müßte eigentlich hellauf begeistert sein, daß wir jetzt wenigstens einmal anfangen.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht abstrakt!)

Er könnte jetzt fordern, zusätzlich etwas zu machen, weil es sich um ein Artikelgesetz handelt, unter das man noch einen Artikel setzen kann, der beinhaltet, wo noch etwas einzusparen ist. In diesem Sinne kann man beim Subventionsbericht bestimmt die eine oder andere Stelle finden. Ich halte es für ein Problem, ob man die Entscheidungskraft besitzt, das auch fertigzubringen. Das wird ohnehin schwierig.

(Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/ CSU])

— Herr Vogel, das wird schwierig. Wir erleben es im Augenblick. Der erste Durchgang im Bundesrat war nicht gerade erfreulich. Daß die Länder gemeinsam in Abwehrstellung gegangen sind, ist für den Bundesfinanzminister und mich nicht erfreulich. Die Länder behaupten seit Jahr und Tag, es müsse gespart werden, das gelte aber nicht für solche Vorhaben, die auf Kosten der Länder gehen würden. Das ist das Spiel, das der Kollege Westphal mit der Karikatur verdeutlichen wollte: Der Kreis schließt sich, jeder zeigt auf den Nachbarn, und am Ende kommt Null heraus.
Das darf nicht sein. Wir müssen diesmal das Problem angehen. Wenn wir es diesmal nicht in Angriff nehmen, wird es in der Zukunft sehr viel schwieriger, überhaupt noch einmal anzufangen. Deshalb sage ich: Gemeinsam läßt sich wahrscheinlich noch mehr erreichen.
Aufgabe bleibt auch, die Struktur des Haushalts stärker zu verändern, eine Verbesserung des investiven Teils anzustreben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU/CSU)

Ich weiß, was jetzt kommt, nämlich: Und dann kürzen Sie bei der Gemeinschaftsaufgabe. Aber, Herr Kollege Haase, wir können doch nicht darüber glücklich sein, daß z. B. bei der Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsförderung" rund 60 % des Bundesgebietes als Fördergebiet ausgewiesen worden sind. Was hat das denn noch mit Präferenzen, Investitionsanreizen usw. zu tun, wenn in dieser Fläche mit der Gießkanne gefördert wird?

(Beifall bei der FDP)

Es muß gegenüber den Ländern, gegenüber allen an
diesem Geschäft Beteiligten an dieser Stelle einmal
angesetzt werden, damit sie sich verständigen, ein neues gemeinsames Konzept auf den Tisch zu legen, damit das, was bisher traditionell fortgeschrieben wurde, einmal verändert wird. Am meisten reagiert man als Regierung bzw. als Verwaltung, wenn an einer bestimmten Stelle das Geld fehlt. Ich finde, mit diesem erzieherischen Argument sollten wir auch in die weitere Diskussion hineingehen.
Der Ansatz, daß der investive Teil des Haushalts verbessert werden soll, wird von allen begrüßt. Die Veränderungen, die dann bei Einhalten der Netto-Neuverschuldungsrate logischerweise auf der konsumtiven Seite Probleme bringen, werden in der Realisierung unterschiedlich gesehen — ich sage das einmal vorsichtig. Wir sind alle markig bei dem Satz „konsumtive Ausgaben müssen eingespart werden", aber dort liegt auch das Problem, daß, wenn es zum Schwur kommt, das Ganze noch schwieriger wird. Wie kann man konsumtive Ausgaben senken? Indem man erstens keine Leute mehr einstellt — —

(Glos [CDU/CSU]: Sehr gut ist das!)

— Das macht übrigens die Regierung, Herr Glos, ich empfehle Ihnen die Lektüre des Haushaltsentwurfs 1981: keine neue Stelle! Überrollungshaushalt heißt das. Wir mußten erst einmal erklären, auch unseren Leuten, was das heißt, weil wir ja unsere Kurzsprache haben. „Überrollungshaushalt" ist für uns im Haushaltsausschuß klar. Überrollungshaushalt heißt: Es gibt gegenüber dem Jahr 1980 keine neue Stelle.

(Zuruf des Abg. Dr. Riedl [München] [CDU/ CSU])

— Kollege Riedl, wenn Sie vielleicht sagen, da seien schon genug Stellen, dann ist das ein Feld, worüber man sich unterhalten muß, darüber nämlich, ob nicht die Zahl der Bediensteten insgesamt vielleicht zur Disposition steht und von daher eine Kürzung der Stellenzahl durch das Parlament auf den Weg gebracht werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

— Ich freue mich darauf, wenn ich auch von der linken Seite des Hauses Unterstützung bekomme zu diesem Thema. Ich finde es auch deshalb wichtig, weil z. B. 1 % Tariferhöhung im öffentlichen Dienst den Haushalt des Bundes mit 600 Millionen DM belastet; da ist eben auch die Frage der Masse entscheidend, die mit dieser Tariferhöhung zu bedienen ist.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)

Ich meine, bei Würdigung aller Umstände, die unsere Haushaltssituation ausmachen, ist auf mittelfristige Sicht das Thema der Strukturverbesserungen im Personalteil bei uns wohl aufgehoben und nicht nur aufgeschoben.
Ich finde, auch hier gilt: Das Erreichte zu halten, ist schon sehr viel. Das hat auch mit einem „Hauch von Brüning" nichts zu tun, wie es manche Kommentatoren glaubhaft machen wollen. Man muß bei allen Vergleichen nicht nur die Äußerlichkeiten sehen, sondern auch die historischen Situationen noch einmal genau überprüfen. Es ist ja nicht so, daß das



Gärtner
Niveau, das wir heute in der Besoldung der öffentlich Bediensteten haben, im Verhältnis so niedrig läge wie damals, wie man mit den Beispielsvergleichen uns einzureden versucht. Wir haben heute einen finanziell gut ausgestatteten öffentlichen Dienst. Wir haben — das kann man, glaube ich, feststellen — auch einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst. Wir müssen aber auch sagen, daß Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht immer nur darin bestehen kann, für maßlos hohe Lohn- und Gehaltszuwächse zu sorgen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und der CDU/CSU)

— Ich bin dankbar, daß das gemeine Auffassung ist. Dann läßt sich bei den Tagungen der Interessenvertreter eben auch dieses Thema gemeinsam ertragen. Eine kritische Diskussion untereinander über dieses Thema scheint mir nicht falsch zu sein.
Ich will dann noch einige andere Punkte ansprechen, die mir bei der kommenden Beratung wichtig erscheinen. Im Augenblick geht auch in der Presse der Kampf um den Verteidigungshaushalt los. Das Waffensystem Tornado ist ein beredtes Zeichen dafür, daß der Verteidigungshaushalt nicht mehr so einfach fähig ist, alles zu finanzieren, was manch einer bestellt hat. Mindestens bleibt die Frage zusehends mehr und mehr offen, ob man den Verteidigungshaushalt in Zukunft noch mit sehr viel größeren, sehr viel ehrgeizigeren Waffensystemen neuer Generationen belasten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Unser Verhältnis zu unserem Bündnis erfordert eine finanzielle Leistung. Aber man muß bei aller Aussage, das finanziell leisten zu wollen, auch berücksichtigen, daß Leistung in bloßen Prozentzahlen keine Qualität bedeutet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Man macht es sich bei der kritischen Diskussion über den Verteidigungshaushalt allerdings etwas zu leicht, wenn man meint, er könne als Sparkasse oder als Ersatz für andere, politisch ebenfalls wichtige Fragen herhalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der Haushalt 1981 macht das nicht. Er kann das leider nicht machen, weil das, was in seinem Investitionsteil steht, festgelegt ist. Wenn man das DreiProzent-Ziel dadurch erreicht, daß man das alles — statt funktionsfähiger Waffensysteme — unter dem Stichwort Vertragsstrafe etatisiert, ist das unproduktiv, auch kontraproduktiv. Deshalb muß das so bleiben, wie es ist, trotz aller Bedenken, die früher im Parlament gegenüber dem Waffensystem bestanden haben; mancher fühlt sich ja jetzt spät gerechtfertigt.
Unser politisches Ziel, Abrüstung in der Welt voranzutreiben, muß glaubwürdig verfolgt werden. Das vom Bundeskanzler und vom Bundesaußenminister propagierte Ziel einer niedrigen Rüstungsproduktion muß ernsthaft angestrebt werden. Es geht um das Festhalten am Doppelbeschluß der NATO. Aber es muß auch weitergelten: Das national proklamierte Ziel der niedrigen Rüstungsproduktion muß auch im internationalen Zusammenhang gewertet werden.

(Beifall bei der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901601800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901601900
Bitte.

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901602000
Herr Kollege Gärtner, wenn das richtig ist, was Sie zum investiven Teil des Verteidigungshaushalts für das Jahr 1981 gesagt haben, ist es dann nicht eine Aufgabe dieses Parlaments, die Summe der Verpflichtungsermächtigungen im Verteidigungshaushalt für die Zukunft ganz kritisch unter die Lupe zu nehmen?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901602100
Das ist eine schwierige Frage, auf die man mit dem einfachen Wort Ja antworten kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sicher gibt es für viele Bürger in Ost und West vernünftigere Verwendungszwecke für das Bruttosozialprodukt als ausgerechnet Verteidigungsausgaben oder die Rüstungsproduktion. Die Probleme in unserer Welt verlangen eigentlich nicht nach der Produktion von mehr Waffen, sondern danach, Mittel und Wege zu finden, große Teile der Menschen vor dem Verhungern zu bewahren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Der Ausbau der ländlichen Entwicklung, der Hunger und Not bekämpfen soll, der Ausbau eines Basisgesundheitsdienstes, der die Probleme von Krankheiten verringern soll, und der Ausbau eines Bildungssystems, das das Analphabetentum beseitigt, sind wichtiger. Sie sind nach meinem Eindruck eine andere und besondere Form ertragreicherer Zukunftsinvestitionen. Wer zum Abbau ökonomisch und sozial bedingter Konflikte auf der Welt beiträgt, leistet in meinen Augen einen entscheidenderen Beitrag zur Friedenssicherung.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Dies ist auch die Position der Bundesregierung. Das Parlament hat sie immer kräftig nachgezeichnet, wenn es um die Höhe der deutschen staatlichen Entwicklungshilfe ging. Das haben wir in den letzten Jahren so gemacht, und das wird — dieses Versprechen können wir uns schon heute gemeinsam geben — auch die Linie bei der Beratung der Einzelpläne des Haushalts 1981 sein.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich will auch einen Satz dazu sagen, daß man mit der Milliarde, die umgeschichtet werden soll, dem Entwicklungshilfe-Haushalt rein finanztechnisch keinen guten Dienst erweisen würde. Es geht ja nicht um die Frage der Barmittel im Einzelplan 23 —Entwicklungshilfe —, sondern das entscheidende Problem dort sind die Verpflichtungsermächtigungen. Entwicklungshilfe kann nicht aus dem Stand um eine Milliarde DM erhöht werden. Das stellt wie-



Gärtner
der die alte Frage von Quantität und Qualität. Entwicklungshilfe bedarf einer stetigen Steigerung, weil nur dann gesichert ist, daß unsere technische Zusammenarbeit nicht zu Fehlentwicklungen bei den Empfängerländern führt. Wenn diese eine Milliarde ausschließlich als finanzielle Hilfe zur Verwendung anstände, würde sie in den Ländern der Dritten Welt einen Industrialisierungsboom auslösen — mit Folgekosten, die sie nicht bezahlen könnten, weil alles das, was wir an Gerät über die Grenzen transportieren würden, ob das Lkws, Traktoren oder was auch immer sind, zum Antrieb einen bestimmten Rohstoff benötigen, der schon jetzt deren Zahlungsbilanz so belastet, daß man ihnen damit am allerwenigsten helfen würde.
Der Haushaltsentwurf für das Jahr 1981 zeigt auch die Risiken auf, vor denen wir stehen. Neben der Bundesanstalt für Arbeit ist meines Erachtens die Deutsche Bundesbahn ein recht plastisches Problemfeld. Ein Unternehmen soll mehr leisten, als seine finanzielle Ausstattung es ermöglicht. Vergleichbar mit den unbegrenzt erscheinenden Ansprüchen an den Gesamthaushalt ist auch die Situation bei der Deutschen Bundesbahn. Die Deutsche Bundesbahn wird häufig als rollendes Risiko für die Bundeshaushalte bezeichnet. Dieses Thema bedarf nicht nur einer verärgerten Betrachtungsweise, bei der sich niemand so richtig darum kümmert. Alle reden davon, aber es verändert sich nichts. Die Bundesbahn kann nach meinem Eindruck nicht dadurch saniert werden, daß man nur über die Ertragsseite redet, das heißt über möglichst hohe Tarife. Das geht nicht, das ist auf die Dauer nicht machbar. Genauso wenig kann es aber sein, daß ein Sanierungskonzept der Deutschen Bundesbahn damit endet, daß man die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt kürzt. Ob sich die Bundesbahn oder der Bundeshaushalt auf dem Kapitalmarkt betätigen, ist nämlich gleich. Beide gehören zur öffentlichen Hand, und der Kreditrahmen ist zu groß. Deshalb muß eine Veränderung bei der Bundesbahn selbst, im Unternehmen her, und deshalb muß ein Unternehmenskonzept her, das mittelfristige Konsolidierungstendenzen bei der Bundesbahn erkennen läßt. Das Fortschreiben von jährlich 3 Milliarden DM höheren Liquiditätsproblemen bei der Bundesbahn, die über den Kapitalmarkt zu lösen sind, ist keine Lösung. Deshalb ist es notwendig, daß wir alle gemeinsam sagen, daß dort etwas gemacht werden muß. Es muß etwas gemacht werden, auch in Bereichen, die manch einem sogar richtig unkonventionell erscheinen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Nämlich?)

Man muß z. B. die Frage prüfen, welchen Sinn es ergibt, daß die Bundesbahn in ihrer künftigen Finanzplanung bei den Investitionen kürzertreten muß, auf der Personalkostenseite aber z. B. das segensreiche Gesetz A 9 + Z vollzieht. Schizophrenie ist mir noch niemals deutlicher geworden als an einem solchen Beispiel.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901602200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie Herrn Abgeordneten Haase eine Zwischenfrage?

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901602300
Bitte.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901602400
Verehrter Herr Kollege Gärtner, zu Ihrer Bemerkung im Zusammenhang mit der Bundesbahn, es müsse etwas gemacht werden, möchte ich Sie fragen: Zeigt sich da nicht die ganz Crux Ihrer Politik? Ist Ihnen nicht gegenwärtig, daß Sie seit zehn Jahren die Verantwortung haben? Hätten Sie sich in den zehn Jahren nicht schon längst die Frage stellen müssen, Herr Kollege Gärtner, was eigentlich bei der Bahn gemacht werden muß?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901602500
Es steckt viel Wahres in dem, was Sie gefragt haben. Es ist so.

(Beifall des Abg. Kiep [CDU/CSU])

Man muß aber auch zugeben, Herr Kollege Kiep, daß jeder seine Schwierigkeiten mit dem hat, was er politisch fordert, und dem, was er praktich durchsetzt. Ich will Sie gar nicht daran erinnern, daß man die Naßbaggerei in Emden privatisieren wollte.

(Kiep [CDU/CSU]: Nacktbaderei?)

— Naßbaggerei, etwas völlig Sittenneutrales, nicht eine Sache mit dem „Hafenviertel", mit der Sie beim letztenmal hier Furore gemacht haben. Dem wollte ich nicht nacheifern.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das haben wir doch gut zusammen gemacht!)

— Das haben wir zusammen gemacht. Aber fragen Sie einmal den Kollegen Kiep, ob er die Kabinettsvorlage der Kollegin Breuel mitgezeichnet hat oder nicht. Deshalb sage ich noch einmal: An solchen Problemen kann man manchmal deutlich machen, daß das, was man politisch grundsätzlich beansprucht, in manchen Detail- oder auch Grundsatzfragen nachher von uns nicht gelöst wird. Ich sehe das ein.
Das Problem der finanzpolitischen Enge bei der Deutschen Bundesbahn bringt vielleicht alle in diesem Unternehmen Betroffenen bis hin zu der Arbeitnehmerseite einmal auf die Idee, darüber nachzudenken, daß das alles nicht mehr so weitergehen kann. Ich meine, das ist ein Punkt, der vielleicht dazu führt, daß wir ein bißchen weiterkommen. Daß die Realisierung schwierig wird, weiß ich. Es ist aber erkennbar, daß es nicht so weitergeht wie bisher.
Im übrigen muß sich die Bundesbahn natürlich auch einiges an harscher Kritik gefallenlassen, wenn sie hinsichtlich der Steigerung der Attraktivitat des Unternehmens nur an die Intercity-Strecken denkt, nur sie ausbaut, den Wagenpark verbessert, im Nahverkehr allerdings außer auf regelmäßige Unpünktlichkeit auf wenig Wert legt. Es gibt noch viele Bahnhöfe, von denen man nur dann in die Wagen hineinkommt, wenn man über eine genügende alpinistische Grundausbildung verfügt. Da ist noch einiges zu machen.
Der Kollege Westphal hat darauf hingewiesen, daß wir in unseren Überlegungen zu Ausgabenprogrammen sehr restriktiv sind. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die das etwas kritisch sehen, zu beachten, daß der Haushalt 1981 im Entwurf einen Investitionsanteil von 31 Milliarden DM hat — das ist nicht wenig — und daß er von daher auch seine Effekte hat. Da sollte man nicht darüber streiten, ob



Gärtner
ein, zwei Milliarden mehr für Programme ausgegeben werden sollten. Warten wir die Wirkung der 31 Milliarden ab und diskutieren wir darüber, was sonst noch möglich ist, bevor wir rechtzeitig — oder zu rechtzeitig — das Feld für jeden freigeben, der sich mit alten, liebgewordenen Ideen auch noch auf Konjunkturebene befindet! Es gibt viele Kommunalparlamente, die ihre Investitionen schon mit Rücksicht darauf zurückstellen, daß man nicht weiß, was noch Gutes aus Bonn kommt. So läßt sich vielleicht auch manches Rathaus wieder finanzieren. Wenn es 80 % Fremdmittel gibt, so ist das etwas, was man gern nimmt. Auch das sollten wir nicht fördern. Die Kommunen, die Länder sollten die Investitionen betreiben, die notwendig sind, die vernünftig sind und die wenig Folgekosten haben.
In unserer Debatte heute morgen hat beim Kollegen Häfele ein wenig die Steuerlastquote eine Rolle gespielt. Man darf das nicht so verkürzt diskutieren, daß unterhalb von 23,5% der reine Kapitalismus existiert und bei 24,5% der reine Sozialismus; so hört das sich immer ein wenig an. An so einer Stelle sollten wir ehrlicher bleiben und uns auch mal fragen, was an öffentlicher Leistung quasi zum Nulltarif angeboten wird. Es ist j a nicht so, daß man aus seinen Einnahmen soviel finanzieren muß wie vor zehn, 15 und 20 Jahren. Vieles ist besser geworden, vieles ist näher zu einem gekommen. Früher hatte man es zum nächsten Hallenbad viel weiter, heute ist das alles fußläufig zu erreichen. Nur ist die Frage der Finanzierung für jeden Kämmerer immer schwieriger. Der wird bei jedem Einweihungsfest mit zwei Schildern gesehen: auf dem einen steht „Hurra", auf dem anderen steht „Nach der Einweihung wird das Ding wieder zugemacht", weil er bei den Folgekosten hängenbleibt. Wir sollten uns in der künftigen Haushaltsberatung einen Ansatz dafür leisten, daß wir bei den traditionellen Staatsausgaben einmal nachfragen, ob die Struktur der Ausgaben insgesamt noch in Ordnung ist.
Abkehr vom traditionellen Wohlstandsdenken und von alten Wohlstandserwartungen hat der Bundesfinanzminister gefordert. Die finanzpolitischen Spielräume werden enger; das ist aber nur eine Erkenntnis, die wir alle schon hatten. Nur sollten wir uns jetzt daran halten. Vor der Sparsamkeit sollte man nicht davonlaufen. Wir haben den Beweis unserer Handlungsfähigkeit erbracht und werden ihn weiter erbringen. Die sozialliberale Koalition wird in den Haushaltsberatungen wie in der Vergangenheit zeigen, daß wir nicht nur fähig sind, Probleme zu erkennen, über Probleme zu reden, sondern auch in der Lage sind, Problemlösungen hier im Parlament mehrheitsfähig zu machen. — Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901602600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase (Kassel).

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901602700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wohl keine Übertreibung, wenn ich feststelle, daß unser Land, unsere Bundesrepublik — —

(Zuruf von der SPD:... wunderschön ist!)

— Das hat der Herr Matthöfer jahrelang gepredigt, obwohl es jeder wußte, Herr Kollege. Statt uns zu sagen, wohin der finanzpolitische Weg gehen sollte, hat er vom „schönen Deutschland" gesprochen.

(Zurufe von der SPD)

Gott sei Dank hat er in seiner Haushaltsrede erstmalig Töne angeschlagen, die uns zumindest vermuten lassen, daß der Herr nun endlich eingesehen hat, was die Stunde in diesem Land und für dieses Land wirtschafts- und finanzpolitisch geschlagen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Jahresbeginn 1981 — die größten wirtschafts- und finanzpolitischen Probleme der Nachkriegszeit! Das laufende Jahr wird unserem Volke leider bittere Wahrheiten offenbaren, und zwar Wahrheiten im wirtschaftlichen, im finanzpolitischen Bereich, die wir im Laufe der Jahre aufgezeigt und deutlich gemacht hatten und die von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, nur allzuoft als Krisengerede und Panikmache abgewertet worden sind.
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind alle vier Ziele des Stabilitätsgesetzes gleichzeitig verletzt. Das macht die dramatische Situation aus. Verehrter Herr Westphal, da hilft auch keine Flucht in die Vereinigten Staaten. Da hilft es auch nichts, darauf hinzuweisen, daß die Situation in dem einen oder anderen Land, bei der einen oder anderen Frage der wirtschaftlichen Entwicklung vielleicht noch prekärer als in der Bundesrepublik ist. Nein, es gilt die Situation hier in diesem Lande zu würdigen.
Da müssen wir feststellen — und wir können es Ihnen nicht oft genug ins Stammbuch schreiben; denn Sie sind in hohem Maße mit dafür verantwortlich —, daß erstens das Heer der Erwerbslosen in einem beängstigenden Umfange steigt, daß zweitens sich die Wirtschaft in einem rapiden Abschwung befindet, daß drittens die Preise unvermindert steigen, die Inflation galoppiert. Zu allem Überfluß — und das ist eine weitere Verschärfung unserer Lage — zeigt sich der Verlust unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit in einem riesigen Leistungsbilanzdefizit.
Meine Damen und Herren, auch hier wieder die dramatische Entwicklung, die vor allen Dingen in der Geschwindigkeit, in der sich unsere Lage verschlechtert, zu sehen ist: In 24 Monaten verminderten sich die in drei Jahrzehnten angesammelten Devisenreserven um ein Drittel. In dieser prekären Lage befindet sich unser Staat. Bedingt durch die Schuldenwirtschaft der vergangenen Jahre ist er in einem Zustand totaler finanzieller Handlungsunfähigkeit. Beim Bund, dessen Schuldenstand 255 Milliarden DM erreicht, machen Zinsen und Tilgungen in diesem Jahr über 50 Milliarden DM aus. Das sind pro Tag — Herr Matthöfer, Sonn- und Feiertage eingerechnet — 140 Millionen DM. Pro Stunde bringen



Haase (Kassel)

Sie es auf immerhin 6 Millionen DM: eine beachtliche Leistung!
Der Tag ist nicht mehr fern — und Herr Kollege Häfele hat ja bereits darauf hingewiesen —, an dem die Neuschulden kaum mehr ausreichen, allein die Zinsen zu zahlen. Damit hat der Kredit seine eigentliche Aufgabe, nämlich zusätzliche Investitionen zu finanzieren, endgültig eingebüßt.

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Der Schuldendienst des Bundes ist inzwischen der zweithöchste Ausgabenblock geworden, mit Abstand vor den Verteidigungsausgaben, nur noch übertroffen von den Sozialausgaben.
Ich erinnere mich hier gerade, Herr Kollege Gärtner, Ihrer Bemerkung — auch Herr Westphal sprach davon —, daß wir im Zusammenhang mit der Schuldendiskussion immer wieder die eigenen Beispiele für Einsparungen schuldig geblieben seien.

(Walther [SPD]: Das ist wahr! — Zuruf von der SPD: Das ist richtig!)

— Sehr gut, Herr Kollege Walther, daß Sie auch noch einmal darauf zu sprechen kommen. Ich möchte nämlich die Gelegenheit wahrnehmen, einmal mit dieser Mär aufzuräumen und Ihnen an Hand von nur zwei Beispielen zu zeigen, daß wir zum einen sehr wohl erfaßt haben, was uns die Stunde geschlagen hat, und daß wir zum anderen auch Beiträge leisten. Denken Sie bitte an die Diskussion im Bundestag und im Bundesrat, auch im Ausschuß, über zwei Gesetze, die wir, weil wir sie uns nach unserer Vorstellung finanziell nicht leisten können, haben scheitern lassen.
Von dem ersten Gesetz kenne ich den amtlichen Namen nicht. Aber es ging um die Erhöhung der „Gagen" für die Insassen von Strafanstalten. Das ist sicher — ich will es nicht bestreiten — eine vernünftige Sache. Denn man versetzt die Leute dadurch in den Stand, Wiedergutmachung zu leisten, ihre Familien zu unterhalten. Ich will das hier nicht weiter erörtern. Die Frage ist nur, ob wir es uns jetzt, im gegenwärtigen Moment leisten können. Wir haben uns dagegen gewandt, wir haben das Gesetz scheitern lassen, weil wir es uns nicht leisten können, als Beitrag zur Lösung der Probleme in dieser Situation. Sie aber wollen, wie ich höre, dieses Gesetz wieder einbringen.

(Walther [SPD]: Eine sehr eindrucksvolle Argumentation!)

— Eine eindrucksvolle Argumentation. Sie fragen doch nach Beispielen, hier sind sie doch!
Ein weiteres Beispiel ist das neue Jugendhilfegesetz. Herr Kollege, 14 000 neue Sozialhelferstellen wollten Sie diesem Lande zumuten.

(Zuruf des Abg. Rohde [SPD])

— Ja, 14 000! Sie haben nicht kapiert, was die Stunde geschlagen hat.

(Zuruf von der SPD: Sie auch nicht!)

Wenn wir uns dagegen wenden,

(Beifall von der CDU/CSU)

dann werden wir, meine Damen und Herren, im Lande als soziale Demonteure verschrien. Sie verteufeln uns als soziale Demonteure. Das ist uns auch soeben wieder vorgeführt worden. Trotzdem bleiben wir die Antwort nicht schuldig, meine Damen und Herren. Kommen Sie also bitte nicht mehr mit der Mär, wir seien unsere Beiträge schuldig geblieben.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Das war deutlich! — Zuruf von der SPD: Das war sehr dürftig, das war billig!)

Auf die fatalen Auswirkungen der Verschuldungspolitik, meine Damen und Herren, ist in den letzten Jahren vielfach hingewiesen worden. Der Herr Kollege Hoppe sah in dieser Verschuldung eine Zeitbombe innerhalb unserer volkswirtschaftlichen Entwicklung. Herr Hoppe, inzwischen hat sich herausgestellt, daß es nicht nur eine Zeitbombe ist, sondern daß es sich um einen ganzen Bombenteppich handelt, meine Damen und Herren, dessen erste Langzeitzünder uns gegenwärtig bereits um die Ohren fliegen. Ich fürchte, daß mit zunehmender Wirtschaftskrise weitere Detonationen unser Land in seinen Grundfesten erschüttern werden.

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Der Herr Matthöfer hat bis vor kurzem davon gesprochen, daß die Verschuldung der letzten Jahre, auch während der Hochkonjunktur — lassen Sie mich zu diesem Problem einige „Takte" sagen —, erforderlich gewesen sei, um Vollbeschäftigung zu sichern und größere Arbeitslosigkeit abzuwehren. Herr Minister Matthöfer war der Meinung, durch zusätzliche Staatsausgaben müsse ein größeres Wirtschaftswachstum als das, was die Volkswirtschaft erarbeite, herbeisubventioniert werden, um weitgehende Vollbeschäftigung zu bewirken. Herr Matthöfer erhob diese Forderung auch für 1979 und 1980, obwohl in diesen Jahren ein gutes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen war und der Sachverständigenrat aus diesem Grunde die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als vordringliche Aufgabe bezeichnet hatte.
In Ihrem Bestreben, Herr Matthöfer, den öffentlichen Finanzsektor auszuweiten und neue soziale Wohltaten feilzubieten, unterließen Sie es, nach Abklingen der Rezession der Jahre 1974 und 1975, als sich die Wirtschaftslage wieder besserte, die Verschuldungsrate abzubauen und eine Konsolidierungspolitik einzuleiten. Meine Damen und Herren, das war ein unverzeihlicher Fehler, der bis auf den heutigen Tag fortwährend neue Übel produziert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn an diesem Punkt setzt eine Finanzpolitik der Bundesregierung ein, die bis zum heutigen Tage nicht nur eine Fülle negativer Auswirkungen für dieses Land hatte, sondern die von uns auch in höchstem Maße beklagt und angeklagt werden muß. Herr Matthöfer, wer angesichts einer selbsttragenden Konjunktur zusätzlich eine Nettoneuverschuldung von jeweils 10 % des Haushaltsvolumens bewirkt,



Haase (Kassel)

muß sich doch fragen lassen, wann er glaubt, jemals auf eine Neuverschuldung verzichten zu können, muß sich fragen lassen, wann er glaubt, jemals mit einer Konsolidierung der Haushalte beginnen zu können, muß sich fragen lassen, wann er wohl je in die Lage kommt, mit Hilfe von Wachstumsraten Schulden abzutragen. Am Ende dieser Politik steht und stand der staatliche Schuldenabbau zu Lasten der Bürger, in erster Linie der Sparer.
Sie haben es fertiggebracht, mitten in der Hochkonjunktur durch die Ausweitung konsumorientierter Ausgaben neue Hilfsbedürftige in diesem Lande zu produzieren; Herr Biedenkopf hat es Ihnen j a vor anderthalb Jahren hier schon einmal brillant vorgeführt. Sie haben neue Hilfsbedürftige produziert, und zur Befriedigung des zusätzlichen Bedarfs dieser neu produzierten Hilfsbedürftigen haben Sie das Pulver verschossen, das Sie eigentlich heute bei beginnender Krise im Depot haben müßten.
Zwischen 1975 und 1979, meine Damen und Herren, hat diese Bundesregierung in 20 sogenannten Konjunkturförderungsprogrammen 70 Milliarden DM verplempert. Nun sind die Kassen leer; die Herren stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand, leider nicht nur sie, sondern wir alle, unser ganzes Volk. Die Herren müssen im Orient borgen gehen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Der Herr Kanzler Schmidt — ich bedaure bei dieser Gelegenheit, daß nur zwei der Herren Bundesminister bei der Erörterung dieses ihres Etats auf ihrer Bank sitzen — —

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ein Restbestand! Drei!)

— Drei, ich bitte um Entschuldigung. Pygmäen sind so klein, nicht?

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

— Ach ja, Herr Außenminister. Das war unverzeihlich. Ich freue mich, daß Sie da sind.

(Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU]: Ein Franke ist immer da!)

Aber zurück zu unserem Herrn Kanzler.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Herr Kanzler Schmidt hat einmal geäußert — ich glaube, er war damals noch Fraktionsvorsteher unserer sozialdemokratischen Kollegen —, diejenigen, die — es ist gut, sich daran zu erinnern — im Jahre 1966 die Staatsfinanzen deroutiert hätten — soweit ich mich erinnere, hatte der Fehlbetrag damals eine Größenordnung von 3 Milliarden DM; der Kollege Franke weiß das vielleicht genauer, aber um diese Größenordnung herum oszillierte der Fehlbetrag damals —, gehörten eigentlich in Eisen gelegt, ins Gefängnis gesteckt. — Herr Matthöfer, wenn man heute jene strengen Maßstäbe anlegen würde, müßte man fragen, wann Sie angesichts Ihrer Schuldenpolitik jemals die deutschen Justizvollzugsanstalten verlassen dürften.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901602800
Herr Kollege Haase, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Löffler?

(Wehner [SPD]: Wann eigentlich werden Sie sich dort befinden, wo Sie nach Ihren Ausführungen hingehören?)


Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901602900
Einen Augenblick. — Gnädige Frau, der Herr Wehner lärmt wieder so furchtbar.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901603000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901603100
Herr Wehner, Sie lärmen derart, daß ich nicht die Stimme unserer Präsidentin hören kann.

(Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901603200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901603300
Ja, eine. — Bitte sehr, Herr Kollege.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0901603400
Lieber Herr Kollege Haase, wären Sie bereit, dem Hause mitzuteilen, wann Sie mit diesem Zitat des früheren sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden hier in diesem Saal Jubiläum feiern werden?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und FDP — Lachen bei der CDU/CSU)


Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901603500
Herr Kollege, es mag j a sein, daß ich oder andere auf die goldenen Worte unseres Herrn Kanzlers des öfteren zurückgreifen; aber wenn sie so treffend für die Situation sind, dann sollte man sie Ihnen, uns, den Herren Ministern und der deutschen Bevölkerung doch immer wieder in die Erinnerung zurückrufen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Verehrter Herr Finanzminister, ich weiß, daß die Kritik an Ihrer und des Herrn Kanzlers Schuldenmacherei, die angeblich die Massenarbeitslosigkeit verhindert hat, „besonders tiefe ökonomische Provinzialität verrät". Sie haben mir das einmal am 26. 1. 1980 vorgeworfen. Da kam wieder einmal die Arroganz der Südhessen gegenüber den Nordhessen zum Ausdruck, verehrter Herr Abgeordneter aus Frankfurt.
Aber dessen ungeachtet hätte ich heute den Wunsch, daß Sie künftig in Ihre Bemühungen, Ihre wohlmeinenden Kritiker abzukanzeln, auch den Sachverständigenrat einbeziehen, der zum Schuldenkomplex im Jahresgutachten 1980/81 wie folgt Stellung nimmt — mit Genehmigung der Frau Präsidentin muß ich das eine Zitat vorlesen; Herr Kollege, das gehört auch zu den goldenen Worten — — Er ist weg.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Herr Löffler! — Das ist richtig, hier herkommen,
eine Stippvisite machen, versuchen, die Kollegen in



Haase (Kassel)

Schwierigkeiten zu bringen, und nicht einmal auf die Antwort warten.

(Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU) Der Sachverständigenrat:

Nicht ohne weiteres richtig ist das Argument, der Staat habe sich verschulden müssen, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.
Sachverständigenrat!
Ein kreditfinanzierter Impuls von seiten des Staates war in Zeiten schlechter Konjunktur zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wie beispielsweise 1975 angemessen. Über die beschäftigungspolitische Notwendigkeit einer hohen Neuverschuldung in anderen Jahren kann man zumindest geteilter Meinung sein. Kreditfinanzierte Staatsausgaben mögen Arbeitsplätze schaffen, sie können aber auch private Investitionen verdrängen, die Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten hätten. Der Saldo der Beschäftigungswirkungen ist alles andere als sicher, insbesondere in Jahren, in denen von der Konjunktur her kein Bedarf für eine expansive Politik erkennbar war.
Das ist die „provinzielle" Meinung des Sachverständigenrats zu Ihrer Beschäftigungspolitik, verehrter Herr Bundesfinanzminister, zu Zeiten der Hochkonjunktur.
Eine weitere fatale Auswirkung Ihrer Politik des Über-die-Verhältnisse-Lebens muß in den Wechselwirkungen zwischen Tarifpolitik und staatlich subventioniertem Wirtschaftswachstum gesehen werden. Meine Damen und Herren, man kann schwerlich von den Tarifpartnern Maßhalten erwarten, wenn der Staat sich außerstande sieht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Sie haben wahrlich ein miserables Beispiel gegeben.
In den letzten zehn Jahren stieg die Staatsquote in unserem Land von 38 auf 45 %, die Rate der öffentlichen Investitionen sank; die öffentliche Verschuldung stieg um 230 %, aber die des Bundes um 1 500%. Wer wollte da noch bestreiten, daß man unter Ihrer Verantwortung, verehrter Herr Matthöfer, in Deutschland nach Kräften über die Verhältnisse gelebt hat! Meine Kollegen Dr. Riedl und Carstens werden Ihnen nachher noch im Detail darüber Vortrag halten.
Die dritte fatale Auswirkung Ihrer Schuldenpolitik zeigte sich in einem massiven Anstieg der Zinsen wegen der übergroßen Kreditnachfrage des Staates. Die dadurch verursachten Kostenbelastungen der Wirtschaft sorgten für zusätzliche Preissteigerungen

(Dr. Spöri [SPD]: Das internationale Zinsgefälle existiert überhaupt nicht!)

— wollen Sie das bestreiten? Sie haben es doch eben vom Sachverständigenrat gehört — oder verdrängten zinsempfindliche private Nachfrager gänzlich vom Kapitalmarkt. Das ist doch klar. Die öffentliche Hand nimmt sich, sie hat die Macht, aber dem Unternehmer geht bei steigenden Zinsen langsam die Luft
aus. Er ist zinsempfindlich, wir sind zinsunempfindlich — um es Ihnen zum sechstenmal zu sagen.

(Zurufe von der SPD)

Vielleicht können wir Ihnen einmal im Ausschuß Nachhilfe zu den Dingen geben.
Die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die öffentliche Hand hat nunmehr ein Ausmaß angenommen, daß das Ansteigen des Zinses nicht mehr in erster Linie durch die Nachfrage der Privaten bewirkt wird, sondern durch die Nachfrage des Staates. Dadurch ist ein wichtiges konjunkturpolitisches Instrument, nämlich die Regulierung des Zinses, zumindest partiell aus der Hand gegeben worden. Die öffentliche Hand ist zu einer Beeinflussung des Zinses wegen ihrer eigenen Ansprüche an den Kapitalmarkt nur noch bedingt in der Lage.
Betrachtet man in diesem Zusammenhang den Zwang zur relativen Hochzinspolitik, unter dem die Geld- und Kreditpolitiker in Frankfurt stehen, dann begreift man sehr schnell, daß wir im Grunde genommen in Deutschland in unserer Zinspolitik überhaupt nicht mehr frei sind. Ginge man in Deutschland mit dem Zins wesentlich unter den amerikanischen Zins, wäre eine weitere Abwanderung von D-Mark in Dollar die Folge, das deutsche Zahlungsbilanzdefizit stiege zusätzlich an, der Wechselkurs der Deutschen Mark geriete erneut unter Druck, und die deutschen Rohstoffimporte verteuerten sich zunehmend, ohne daß unsere Ausfuhr entscheidend belebt würde. Neue Inflationsschübe im Innern wären die Folge. Dazu käme eine ins Leere gehende Investitionsbereitschaft der Unternehmer, wenn für sie der Spielraum am Kapitalmarkt noch mehr eingeengt würde.
Gestatten Sie in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zum Leistungsbilanzdefizit, zu dem der Herr Kollege Sprung nachher im Detail hier Ausführungen machen wird. Am 19. Juni 1980 sprach ich hier im Hause über das beängstigende Steigen des Leistungsbilanzdefizits, dessen Abbau eine Senkung des Schuldenzuwachses der öffentlichen Hand voraussetzt. Herr Matthöfer, Sie haben in Ihrer Entgegnung die Zusammenhänge zwischen Haushaltsdefiziten und Leistungsbilanzdefizit geleugnet

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es gewesen!)

oder doch zumindest bis zur Unkenntlichkeit minimiert.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Der Herr Kollege Spöri diffamierte in einem Zwischenruf — Herr Spöri, ich habe Ihnen einen Brief geschrieben; Sie werden sich erinnern — diese meine Überlegungen als „Schwachsinn". So geht das. Ich hoffe, die beiden Herren haben sich inzwischen zumindest durch die Stellungnahme der Bundesbank zu diesem Problem davon überzeugen lassen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist das auch „Schwachsinn"?)




Haase (Kassel)

in welch hohem Maße die prozyklische Haushaltspolitik der Jahre 1977 bis 1980 an dem Abrutschen der
deutschen Zahlungsbilanz ins Defizit beteiligt war.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Übrigens, Herr Matthöfer: ein weiterer Beitrag des vom Staat verordneten Lebens über die Verhältnisse.
Mein Hinweis in dem selben Redebeitrag auf eine möglicherweise ins Haus stehende Zwangsbewirtschaftung der Devisenvorräte haben Sie in Ihrer Entgegnung als „verantwortungslose Panikmache" gebrandmarkt. Herr Matthöfer, wie beurteilen Sie dieses Problem eigentlich jetzt, nachdem Ihre eigenen Kollegen die Entwicklung ähnlich besorgniserregend klassifizieren, wie ich das bereits vor einem halben Jahr getan habe?

(Franke [CDU/CSU]: Das war vor der Wahl!)

— Ja, so könnte man das sagen. Inzwischen waren die Wahlen.
Aber es wäre ja schon schön, wenn der Herr Minister wenigstens jetzt Einsicht zeigte.

(Franke [CDU/CSU]: Ich würde es auch begrüßen!)

— Sie wissen: Die Reue wird auch später gerne entgegengenommen, vor allen Dingen dann, wenn sie sich mit guten Taten kombiniert, Herr Kollege Franke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich prophezeie heute, verehrter Herr Matthöfer — tun Sie das nachher hier nicht als Krisengerede ab
—, daß unsere Devisenreserven leider weiter abschmelzen werden. Auch Ihr Pump im Ausland wird nicht über die prekäre Situation hinwegtäuschen. Ich befürchte, daß Sie zur Jahreswende erste Kapitalverkehrskontrollen in die Wege leiten werden.

(Glos [CDU/CSU]: Herr von Bülow möchte das!)

— Der hat das Signal gegeben, daß die Erkenntnis auf der Regierungsbank reift.
Die Auslandsreisen, der Deutschen liebstes Kind, bekommen Sie — das vermute ich, soweit es sich heute beurteilen läßt — über den Verfall der Deutschen Mark in den Griff. Kontrollen durch Finanzbeamte und Zöllner erscheinen hier entbehrlich, denn die Rationierung findet demnächst über den Preis statt. Die Wechselkursverschlechterungen lassen die Auslandsreisen künftig so kostspielig erscheinen, daß die Zahl derer — das sage ich mit allergrößtem Bedauern —, die ihre Ferien im Ausland verbringen wollen, schon in diesem Jahr erheblich zurückgehen dürfte.
Im übrigen ist die Verschlechterung der deutschen Leistungsbilanz nicht nur auf die gestiegenen Ölpreise zurückzuführen. Ich glaube, daß auch Sie und Ihre Freunde inzwischen von dieser Behauptung abrücken.
Ohne Zweifel spielt neben dem Ölpreis die fortschreitende internationale Arbeitsteilung und zunehmende Industrialisierung der Länder in Übersee eine Rolle. Besonders aber scheint mir der partielle Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, den viele deutsche Branchen am Weltmarkt erleiden, maßgeblich zu sein. Es bedarf keines besonderen Beweises, daß es sich leider auch hier um ein Resultat des von Ihnen propagierten Lebens über die Verhältnisse handelt.
Um den Haushalt zu finanzieren, hat der Bund sich 1980 mit etwa 20 Milliarden im Ausland verschuldet. In welchem Umfang diese Schuldenaufnahme den deutschen Etat langfristig tatsächlich belastet, darüber kann man nur Mutmaßungen anstellen. Die Regierung schweigt sich beharrlich aus. Es ist zu fragen, ob die geheimgehaltenen Konditionen — von den Zinssätzen einmal abgesehen — den Bedingungen am deutschen Kapitalmarkt entsprechen. Verzinst und getilgt, Herr Matthöfer, muß auf alle Fälle werden. Auch hier handelt es sich um eine in die Zukunft verlagerte Belastung der Zahlungsbilanzen kommender Jahre.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es! „Nach uns die Sintflut"!)

Meine Damen und Herren, Ihre neue Finanz- und Wirtschaftspolitik hat ihre Bewährungsprobe nicht bestanden. Sie war den Herausforderungen dieser Jahre nicht gewachsen. Die Schuldenpolitik hat die Bundesfinanzen in einen schlimmen Zustand gebracht. Sie ist an ihre finanzpolitischen Grenzen gestoßen. Die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates ist gefährdet. Eine Rückbesinnung auf die Eigenverantwortung, auf Leistungs- und Investitionsbereitschaft des einzelnen und der Wirtschaft ist erforderlich. Die gilt es zu stärken. Das wird es dem Staat auch erlauben, sich langsam über einen Zeitraum von mehreren Jahren wieder auf seine eigentlichen Aufgaben zu beschränken. Dann ergibt sich die Konsolidierung der Staatsfinanzen von selbst. Die aber ist, so hat es der Kollege Hoppe vor vier Wochen mit dankenswerter Deutlichkeit formuliert, eine absolute Notwendigkeit.
Wir alle haben den Haushaltsentwurf 1981 darauf zu prüfen, ob dieser absoluten Notwendigkeit gerecht geworden ist und ob die allmähliche Selbstbeschränkung des Bundes auf seine eigentlichen Aufgaben eingeleitet wird. „Konsolidieren" bedeutet, der Staat erlernt das Sparen. Sparen aber heißt weniger ausgeben und nicht höhere Einnahmen. Sparen heißt weniger Konsum und nicht weniger Investitionen. Und Sparen heißt: man spart bei sich selbst und läßt nicht andere für sich sparen. Messen wir daran die Vorlage der Regierung!
Die CDU/CSU wird im Haushaltsausschuß auf konkrete Aussagen der Regierungsparteien auch konkret antworten. Wirksame Sanierungsmaßnahmen, auch wenn sie im Augenblick unpopulär erscheinen, werden an uns, meine Damen und Herren, nicht scheitern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden von uns aus auch auf ausgabenerhöhende Anträge und Forderungen verzichten. Die Union wird alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Schwierigkeiten unseres Landes zu beheben, bei den Beratungen im Haushaltsausschuß unterstüt-



Haase (Kassel)

zen. An uns soll es nicht scheitern, wenn es gilt, auch die deutsche Finanzpolitik auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901603600
Das Wort hat der Abgeordnete Walther.

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901603700
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haase, Sie haben zum Schluß gesagt, unpopuläre Sparmaßnahmen würden an Ihnen nicht scheitern. Einige von Ihnen haben mitgeklatscht. Na ja, Ihr Wort in Gottes Ohr. Das sagt sich ja so schön und klatscht sich auch so leicht. Aber dann tut man sich schwer. Darauf werden wir noch zurückkommen müssen. Dafür gibt es ja einige Beispiele, wie sich das bei Ihnen so schön sagt, aber so schwierig tut.
Ich wollte zunächst den Kollegen Häfele ausdrücklich loben für die, gemessen an dem, was wir sonst von ihm gewohnt sind, sachliche Art der Darstellung. Herr Kollege Häfele, wie der Kollege Westphal muß auch ich Sie fragen: Wo sind denn nun Ihre Problemlösungen?
Ich habe hier mitgebracht, was die Deutsche Presse Agentur über den bisherigen Verlauf der Debatte gemeldet hat. Da steht:
Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Opposition Hansjörg Häfele hat am Dienstag morgen zum Auftakt der viertägigen Haushaltsdebatte des Bundestages in Bonn ein düsteres Bild der Wirtschaftslage in der Bundesrepublik gezeichnet.
Und dann steht als nächstes da:
Der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion Heinz Westphal wies die Berechnungen Häfeles zurück und fragte die Opposition nach ihren Gegenvorschlägen für Sparmaßnahmen.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Lesen Sie uns jetzt die Presseschau vor?)

— Nein. Ich wollte dem Kollegen Haase sagen, er hat doch nun die Gelegenheit gehabt, auf Grund dessen, was Heinz Westphal hier gefragt hat, nicht die gleiche Rede, wie sie Herr Häfele gehalten hat, nur mit anderen Worten zu wiederholen, sondern konkret darzustellen, wo denn die Lösungen der Opposition sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das tun wir schon zehn Jahre lang, und ihr begreift es nicht!)

— Sie haben den richtigen Zwischenruf gemacht, Herr Kollege. Seit zehn Jahren halten Sie hier dieselben Reden, und seit zehn Jahren verweigern Sie uns die Bekanntgabe Ihrer Konzepte.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

Herr Kollege Haase, Sie haben davon gesprochen, Sie hätten schon in der Vergangenheit Sparvorschläge gemacht. Also, im Haushaltsausschuß habe ich sie nun wirklich nicht gehört mit der Ausnahme, daß Sie die Erhöhung der globalen Minderausgabe beantragt haben, mit den Ergebnissen, über die wir letzte Woche im Haushaltsausschuß gesprochen haben.
Was nun das Gesetz zum Jugendhilferecht anlangt, das Sie hier kritisiert haben, so haben Sie möglicherweise übersehen, daß der Alternativentwurf der sogenannten B-Länder, eingebracht von Baden-Württemberg, genauso teuer war wie der Gesetzentwurf der Bundesregierung.

(Zuruf des Abg. Haase [Kassel] [CDU/ CSU])

Der ist doch nicht an den Kosten gescheitert, sondern an Ihrem ideologischen Vorbehalt.

(Beifall bei der SPD)

Der Herr Kollege Häfele hat hier über die düstere Wirtschaftslage gesprochen; wir haben es j a schon heute morgen im Radio gehört, es war uns j a angekündigt worden, was da kommen würde. Dazu will ich nur eines sagen, meine Damen und Herren: Nun wollen wir doch bitte auf dem Teppich bleiben. Es steht in unserem Land nun wirklich keine riesige Armut vor der Haustür, wirklich nicht. Es hat keinen Sinn, die Strategie zu befolgen, die Herr Strauß beschrieben hat, nämlich so zu tun, als wenn Sie mit dem ständigen und inflationären Gebrauch des Wortes Krise genau das herbeiführen müßten, wovor Sie heute angeblich warnen.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Jetzt ist die Opposition schuld! — Zuruf von der CDU/ CSU: Die Opposition muß zurücktreten!)

— So schlecht wäre das nicht, da haben Sie recht.
Natürlich ist kein Haushalt so schön, als daß er nicht noch schöner werden könnte.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Nur, meine Damen und Herren, darüber, was denn noch schöner werden könnte, wird man sicherlich unterschiedliche Meinungen haben können, haben müssen. Darüber wird hier in den Parteien, in den Fraktionen, in den Ausschüssen, auch mit den Bürgern diskutiert werden müssen, was notwendig ist. Ich werde nachher noch einiges dazu sagen. Es wird auch darüber diskutiert werden müssen mit den verschiedenen mächtigen Interessengruppen, allerdings mit den Bürgern mehr, meine ich, als mit den Interessenvertretern; denn ich habe manchmal den Eindruck, daß die Bürger vernünftiger sind als mancher Interessenvertreter, auch vernünftiger als mancher Volksvertreter.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da wollen wir Ihnen nicht widersprechen!)

Der Bundesfinanzminister hat eine ausgezeichnete Einbringungsrede gehalten und hier ungeschminkt dargestellt, vor welchen neuen ökonomischen Daten wir stehen und in welcher neuen ökonomischen Situation wir den Haushalt beraten. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß wir auf Grund der veränderten ökonomischen Daten vor einer neuen Herausforderung stehen, die zugleich Risiko und Chance bedeutet. Ich will das mit einem Zitat darstellen. Da hat ein Kommentator der „Frankfurter Rundschau" dieser Tage — nur in einer Kurz-



Walther
formel — das gesagt, was Minister Matthöfer in seiner Rede gesagt hat, nämlich:
Die Zeit der kurzsichtigen Wachstumsideologie geht zu Ende. Kein Tier, kein Baum wächst unaufhörlich weiter. Ein Mensch, der nicht aufhört, zu wachsen, ist krank. Auch der wirtschaftliche Wachtstumswahn hatte einige krankhafte Folgen, z. B. leere Staatskassen und Landschaftszerstörung.
Herr Kollege Haase, Sie haben bei der Beschreibung der Situation ständig von „unserem Lande" gesprochen — er muß erst einmal zuhören —, hätten aber eigentlich von „allen Industrienationen dieser Welt" reden sollen; denn das, was Sie hier zu beschreiben versucht haben, trifft auf alle Industrienationen der Welt, auf andere noch mehr als auf uns zu. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache wären Sie möglicherweise zu der Konsequenz gekommen, daß wir es mit der Krise eines ganzen ökonomischen Systems zu tun haben.
Der Staat hat seit 1973 eine massive Verschuldenspolitik betrieben. Das war, wie die Ergebnisse zeigen, richtig, Herr Kollege Haase. Auf den globalen Konjunktureinbruch nach 1973, also nach der ersten Ölkrise, hat der Staat mit einer globalen Nachfragestimulierung geantwortet, der Bund ebenso wie die Länder, Schleswig-Holstein und Bayern nicht ausgenommen. Die Klagen der beiden Herren Ministerpräsidenten aus diesen Ländern, insbesondere im Wahlkampf vorgetragen, sind auch nicht besonders glaubwürdig, wenn ich daran denke, daß ausgerechnet diese beiden Bundesländer die teuersten Steuerkostgänger anderer Bundesländer und des Bundes sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Worüber sprechen Sie eigentlich? — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Wie kann man eine solche Formulierung gebrauchen?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901603800
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riedl (München)?

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901603900
Ja.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0901604000
Herr Kollege Walther, eingedenk der Tatsache, daß Sie sich immer besonders gern um die Finanzprobleme des Freistaates Bayern kümmern,

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Aber nicht sehr erfolgreich!)

insbesondere seitdem Herr Strauß Ministerpräsident dieses Landes ist, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß der Freistaat Bayern die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller Länder in der Bundesrepublik Deutschland hat.

(Zuruf von der SPD: Und die höchsten Zuweisungen des Bundes! — Zuruf von der CDU/CSU: Und Bremen hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung!)


Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901604100
Herr Kollege Dr. Riedl, das ändert nichts an der Tatsache, daß das Bundesland Bayern, in dem die CSU mit einer Unterbrechung immer regiert hat, zu jenen Bundesländern zählt, die seit der Finanzverfassungsänderung der Großen Koalition immer zu den Kostgängern anderer Bundesländer gehört haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn das, was Sie gesagt haben, zutrifft, hat es auch etwas damit zu tun, daß Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen beispielsweise einen Teil ihrer Steuern nach Bayern überweisen müssen.

(Dr. Leisler Kiep [CDU/CSU]: Das ist schon länger her! — Dr. Marx [CDU/CSU]: Es gibt auch viele Gründe, über die Sie auch reden müssen, z. B. Industriedichte!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901604200
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gärtner?

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901604300
Bitte schön.

Klaus Gärtner (FDP):
Rede ID: ID0901604400
Herr Kollege Walther, wären Sie bereit, dem Kollegen Riedl einmal eine Statistik zu übersenden, die im Bereich der Bundesergänzungszuweisungen damit endet, daß von 1967 bis 1980 der Freistaat Bayern 1,9 Milliarden DM erhalten hat?

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901604500
Ich bin gern bereit, ihm das noch einmal schriftlich zu geben. Aber Sie haben es j a jetzt gehört, Herr Dr. Riedl, und ich denke, Sie haben es auch verinnerlicht.

(Dr. Leisler Kiep [CDU/CSU]: Auf dem Gebiet ist der Bundeskanzler Experte!)

Natürlich ist der Bundeskanzler Experte, Herr Kollege Kiep; darüber gibt es natürlich überhaupt keinen Streit.
Die Ergebnisse unserer Politik in den vergangenen Jahren können sich doch im internationalen Vergleich sehen lassen. Herr Kollege Haase, es ist doch nicht wahr, daß die Konjunkturprogramme, wie Sie es gesagt haben, verplempert worden seien.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Doch!)

— Das ist doch nicht wahr! Im internationalen Vergleich können wir uns mit allen ökonomischen Daten sehen lassen. Die gewiß unverdächtige Frau Thatcher, die schon auf Ihren Parteitagen aufgetreten ist

(Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Wer war das?)

— die britische Premierministerin, um es deutlich zu sagen, damit Sie es auch richtig verstehen —, hat nach dem Wirtschaftsgipfel von Venedig gesagt, sie bewundere die Deutschen und die Art, wie sie das gemacht hätten.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Die Deutschen, nicht die Regierung, das ist ein Unterschied!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901604600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase (Kassel)?

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901604700
Bitte.




Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901604800
Verehrter Herr Kollege Walther, wenn am Ende der 20 Programme und der 70 Milliarden DM heute 1,2 Millionen Erwerbslose vor den Arbeitsämtern stehen, muß ich Sie fragen, ob das nicht ein Ausweis dafür ist, daß das Geld wohl doch nicht so sinnvoll angelegt war und verplempert worden ist. Das habe ich mit meiner Formulierung gemeint. Sind Sie geneigt, die Entwicklung ebenso zu sehen, oder glauben Sie, daß 1,2 Erwerbslose mit steigender Tendenz , eine Tatsache sind — —

(Wehner [SPD]: Halten Sie noch einmal eine Rede?)

— Ich weiß, das tut weh, Herr Wehner, wenn am Ende — —

(Wehner [SPD]: Dummheit von anderen tut weh!)

— Ich weiß, das tut weh, Herr Wehner, das weiß ich wohl!

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901604900
Herr Kollege!

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901605000
1,2 Millionen Arbeitslose ...

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901605100
Herr Kollege Haase, einen Moment mal! Sie hatten nur das Wort zu einer Zwischenfrage; wenn Sie die bitte vollenden würden; seien Sie so lieb!

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901605200
Gnädige Frau, er hat mich provoziert.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901605300
Ja, aber trotzdem. Es gibt hier keine Zwiegespräche, das geht nicht.

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901605400
Herr Kollege Haase, ich bin Ihnen dankbar für die Zwischenfrage, weil sie mir Gelegenheit gibt, Ihnen noch einmal zu sagen: Hätten wir in der Vergangenheit als Antwort auf globale Konjunktureinbrüche uns so verhalten, wie Sie es offenbar heute wieder vorziehen, dann hätten wir heute nicht über 1,2 Millionen Arbeitslose, sondern müßten über die doppelte oder vielleicht sogar die dreifache Zahl reden. Dies müssen Sie sich entgegenhalten lassen.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Wir hatten keine Arbeitslosen, wir hatten 2,7 Millionen Gastarbeiter!)

Die absolute Höhe der Staatsverschuldung ist im übrigen auch noch nicht so furchtbar bedenklich, Herr Kollege Haase, wie Sie zugeben werden, wenn Sie den internationalen Vergleich heranziehen. Aber der Herr Bundesfinanzminister — ich wiederhole das — hat in seiner Einbringungsrede gesagt, daß die Herausforderung, vor der wir heute stehen, eine andere ist.
Vorrangig ist jetzt — darüber gibt es sicherlich keinen Streit — die Beseitigung des Leistungsbilanzdefizites. Die Probleme des Arbeitsmarktes sind regionaler, sie sind sektoraler Natur, und sie haben natürlich auch etwas mit der Qualifikation eines Teiles der Arbeitnehmer zu tun. Dies ist sicherlich auch eine Bemerkung, über die es keinen Streit gibt.
Das wird auch deutlich daran, daß der Facharbeitermarkt nach wie vor leergefegt ist und manche Branchen noch gut oder gar überbeschäftigt sind. Daraus möchte ich eine Reihe von Schlußfolgerungen ableiten und wäre dankbar, wenn die Kollegen, die nachher reden, auf die eine oder andere Frage, die ich hier stelle, antworten würden.
Das Leistungsbilanzdefizit muß sowohl durch eine Politik der massiven Öleinsparung als auch durch eine verstärkte Exportoffensive der deutschen Wirtschaft bekämpft werden. Das heißt aber auch: Was zum Ausgleich der Leistungsbilanz zusätzlich exportiert wird, steht zur Verteilung im eigenen Lande nicht mehr zur Verfügung.
Wenn die Bundesbank — ich sage das ganz vorsichtig — Gelegenheit fände, eine andere Zinspolitik zu betreiben, wäre das auch sehr hilfreich; denn ein Prozent Zinssenkung bedeutet 8 Milliarden DM Unkostenersparnis bei der deutschen Wirtschaft. Der deutsche Bundeshaushalt und die Haushalte von Bund und Ländern können, was immer sie tun wollten, nicht so viel tun, wie eine allgemeine Zinssenkung in unserem Lande bewirken würde.
Die sehr differenzierten Arbeitsmarktprobleme — das ist meine zweite Bemerkung — können jetzt nur durch eine selektive Haushaltspolitik, nicht durch globale Konjunkturspritzen über das Maß der vorgesehenen Nettokreditaufnahme hinaus bekämpft werden. Ich stimme den Ausführungen des Kollegen Gärtner, was Rathäuser und so anlangt, ausdrücklich zu.
Diese Aussage enthält sowohl eine Absage an wie immer geartete globale Konjunkturprogramme als auch an eine Sparpolitik à la Brüning oder der Art, wie wir sie in Großbritannien erleben. Globale Konjunkturprogramme sind aber schon deshalb nicht besonders sinnvoll — auch darauf hat Kollege Gärtner hingewiesen —, weil wir in unserem Lande über eine Infrastruktur verfügen, die alles in allem keinen Vergleich mit irgendeinem anderen Lande der Welt scheuen müßte.
Meine vierte Bemerkung heißt: Die Haushaltspolitik steht heute und in der Zukunft vor der Aufgabe, die Struktur des Haushalts so zu verändern, daß eine Verstetigung — besser: eine Verstärkung — des Investitionsanteils möglich wird, und gleichzeitig vor der zusätzlichen Aufgabe, die öffentlichen Investitionen immer wieder daraufhin zu überprüfen, ob sie den heutigen Aufgaben noch gerecht werden. Dies beinhaltet auch die Frage, ob wir Investitionen weiter so fortschreiben müssen, wie wir sie aus der Vergangenheit übernommen haben. Eine solche Politik — jetzt kommt etwas ganz Hartes — bedeutet einen rigorosen Sparkurs im konsumtiven Bereich.
Meine fünfte Bemerkung heißt: Der investive Teil muß sich an den Schwerpunkten konzentrieren, die da heißen: Förderung der Energieeinsparung, die da heißt: Umstrukturierung unserer Wirtschaft auf energiesparende Methoden; die da heißt: Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs als eine attrak-



Walther
tive Alternative zum Individualverkehr; das heißt weiter: Wohnungsbau, Investitionen für den Umweltschutz, vor allen Dingen aber Entwicklungshilfe. Der Herr Kollege Gärtner hat zu diesem Thema Bemerkungen gemacht, denen ich mich ausdrücklich anschließe.
Lassen Sie mich zum rigorosen Sparen eine — wenn Sie wollen — etwas philosophisch klingende Bemerkung anknüpfen. Der Bundeswirtschaftsminister hat in der Debatte über die Regierungserklärung gesagt, wir alle müßten den Gürtel ein Loch enger schnallen. Ich stimme dem zu, allerdings mit der Ergänzung, daß es sich bei diesem einen Loch um einen statistischen Mittelwert handeln muß. Das soll heißen, daß wir demjenigen, dessen Gürtel einen dickeren Bauch umschließt, gegebenenfalls einen um ein Loch oder zwei oder drei Löcher engeren Gürtel zumuten müssen, damit, wenn es irgend geht, derjenige verschont werden kann, dessen Gürtel eh schon beim letzten Loch angelangt ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich verhehle nicht meinen Unmut darüber — ich will das hier öffentlich sagen, auch wenn ich weiß, daß es dazu Briefe geben wird —, daß ausgerechnet diejenigen, die über Einkommensverbesserungen als erste zum Teil beachtliche Vereinbarungen getroffen haben, Leute sind, deren Einkommen ganz gewiß nicht in der Nähe des Sozialhilferichtsatzes liegt. Ich rede vom Abschluß im Krankenkassenbereich, konkret von Ärzten und Zahnärzten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Was in dieser Zeit nottut, ist so etwas wie eine solidarische Gesellschaft. Ich stimme dabei meinem eigenen Ministerpräsidenten Holger Börner ausdrücklich zu, der erst jetzt wieder aufgefordert hat, das Lernziel Solidarität wieder in den Mittelpunkt unseres Schulunterrichts zu stellen.

(Kiep [CDU/CSU]: Das war überhaupt eine sehr gute Rede!)

— Ich will dem nicht widersprechen, Herr Kollege Kiep.

Die gewiß auch künftig notwendige Leistungsgesellschaft darf nicht, wie es heute manchmal den Anschein hat, zur Ellbogen- oder gar Raubtiergesellschaft verkommen, in der die mit den stärksten Ellbogen oder mit den schärfsten Zähnen sich den größten Teil aus dem volkswirtschaftlichen Kuchen herausreißen.
An einem Beispiel demonstriert: Da steht ein ehemaliger Bankchef vor Gericht. Zum strafrechtlichen Aspekt will ich mich überhaupt nicht äußern.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wer? Riebschläger?)

— Nein. Der steht nicht vor Gericht, Herr Kollege Haase.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Ich dachte! Man kann ja nie wissen!)

Einer von Ihnen hat ihn heute morgen schon zitiert.

(Zuruf des Abg. Carstens [Emstek] [CDU/ CSU] )

— Ich rede doch nicht von Ihrer Sparkasse, Herr Kollege Carstens.
Daß derjenige, von dem hier die Rede ist, sich mal kurz eine Million für Gutachtertätigkeit zu einem Zeitpunkt auszahlen ließ,

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Ach, der ist es!)

indem er als Sparkassenpräsident kleinen Leuten Maßhalten empfahl, ist ein typisches Beispiel für das, was ich mit „moralischer Haltung" umschreiben will.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Solidarische Gesellschaft heißt auch: Solidarität derer, die drin sind, mit denen, die draußen vor der Tür stehen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Jawohl! Siehe Berlin!)

Damit bin ich auch — nicht nur, aber auch — beim öffentlichen Dienst. Ein junger hessischer Lehrer hat mir vor drei Tagen gesagt, er sei gern bereit, auf einen Teil seiner Bezüge — und so hoch waren die Anwärterbezüge bei dem noch gar nicht — zu verzichten, wenn er dadurch mithelfen könnte, daß arbeitslose Lehrer einen Arbeitsplatz fänden.

(Löffler [SPD]: Bravo!)

Das ist ein gutes Beispiel für das, was ich mit Solidarität umschreibe.
Der Herr Bundesinnenminister hat dieser Tage eine Reihe von Vorschlägen in die Debatte eingeführt. Diese Debatte muß fortgesetzt werden sowohl über Zulagen, Regelbeförderung, Stellenkegel, Jahresringe als auch über die Frage, ob Spitzengehälter im gleichen prozentualen Umfang steigen sollten oder müßten wie die Gehälter im unteren Bereich.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wie steht es mit dem Kindergeld?)

- Darauf komme ich noch.
Die Anregung, die Gehälter von Regierungsmitgliedern im Bund und in den Ländern von der Tarifentwicklung abzukoppeln, sollte nicht so sehr wegen des finanziellen Ergebnisses, sondern mehr wegen des notwendigen Klimas aufgegriffen werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Für die Mitglieder dieses Hauses gilt das übrigens schon seit vielen Jahren, wie wir wissen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901605500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann?

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901605600
Bitte.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0901605700
Herr Kollege Walther, darf ich Sie fragen, ob Sie in Ihre Vorschläge zur Reform des öffentlichen Dienstes auch den Abbau der Ministerialzulage einbeziehen?




Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901605800
Ich habe mich, Herr Kollege Dr. Friedmann, dazu öffentlich geäußert. Dies ist eine Frage, die im Gesetzgebungsverfahren demnächst erörtert werden muß. Ich meine, daß es eine Reihe von Gründen gibt, über den Abbau nachzudenken.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich bin jetzt aber noch beim Abkoppeln von Spitzengehältern, von Regierungsmitgliedern usw. Erleichtert werden könnte eine solche Operation ohne Zweifel auch dadurch, daß sich auch diejenigen in der freien Wirtschaft — bei der EG übrigens auch —, deren Einkommen zum Teil erheblich über dem des deutschen Bundeskanzlers liegt, eine freiwillige Lohnpause verordnen. Das wäre ein gutes Beispiel für die Tarifverhandlungen, die zur Zeit bevorstehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901605900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gerster (Mainz)?

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0901606000
Herr Kollege Walther, gehört unter die Rubrik „Abkoppeln von Spitzengehältern" auch die Erhöhung der Aufwendungen für die Beauftragte für Ausländerfragen von 6 000 DM im letzten Jahr auf 180 000 DM im Jahre 1981? Ist das auch ein Fall dieser Abkopplung?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901606100
Ich bitte um Verständnis, Herr Kollege Gerster; ich habe die Frage akustisch nicht verstanden.

(Zuruf von der SPD: Lohnt sich auch nicht!)


Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0901606200
Herr Kollege Walther, es ist Ihnen vielleicht unbekannt, daß für den Beauftragten für Ausländerfragen im Jahre 1980 6 000 DM in den Haushalt eingestellt waren und im Jahre .1981 180 000 DM eingestellt werden. Meine Frage: Ist auch diese Entwicklung unter dem Blickwinkel Abkopplung, so wie Sie sie verstehen, zu sehen?

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0901606300
Herr Kollege Gerster, das ist eine Detailfrage.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

— Ich bitte um Entschuldigung. Ich halte schon den Vergleich zwischen den 6 000 DM und den 180 000 DM für unseriös, weil es sich bei den 6 000 DM um die Aufwandsentschädigung des ehemaligen Ministerpräsidenten Kühn gehandelt hat, während es bei den 180 000 DM darum geht, ob wir der Frau Funcke weitere Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Das sind zwei verschiedene Dinge. Ich verspreche Ihnen — Sie sind ja dabei —, daß wir diese Frage im Haushaltsausschuß vorbehaltlos und kritisch erörtern werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für eine Ausweitung des öffentlichen Dienstes, vor allem im administrativen Bereich, sehe ich auf absehbare Zeit prinzipiell keine Möglichkeiten mehr. Bürokratie hat nämlich auch — in Ergänzung von Herrn Parkinson — etwas mit der Zahl derjenigen zu tun, die Papier beschreiben. Damit ich nicht mißverstanden werde: Das ist keine Kritik an denen, die im bürokratischen System arbeiten, sondern hat etwas mit der Systemimmanenz zu tun.
Ich bringe meine Anregung in Erinnerung, Transferleistungen auf die wirklich Sozialschwachen und Kinderreichen zu konzentrieren und dabei darüber nachzudenken, ob es nicht möglich ist, Kindergeld einkommensabhängig zu limitieren. Ich stelle diese Frage. Dazu wäre eine Umstellung des Auszahlungsverfahrens auf die Finanzamtslösung notwendig, was j a auch sinnvoll ist. Es ist überhaupt nicht einzusehen, daß ein riesiger Apparat bei der Bundesanstalt für Arbeit die Auszahlung des Kindergeldes vornimmt, obwohl das Finanzamt das viel besser tun könnte.

(Dr. Rose [CDU/CSU]: Späte Erkenntnis!)

— Lieber Klaus Rose, die Länderfinanzminister aller A-Länder, von Bayern bis Schleswig-Holstein, waren einmütig der Meinung, daß das die Arbeitsämter machen sollten. Wir wollen uns das doch nicht gegenseitig vorwerfen. Diese Koalition hat die Finanzamtslösung gewollt; die Länder haben sie uns doch kaputtgemacht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf: Dadurch würden auch bei der Arbeitsverwaltung eine Reihe von Mitarbeitern für sinnvollere Tätigkeiten frei, beispielsweise zur Verstärkung der Vermittlungstätigkeit. Der Präsident, der einmal im Monat fernsehwirksam auftritt, könnte sich große Verdienste erwerben, wenn er sich um eine Optimierung der Vermittlungstätigkeit bemühen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP — Wehner [SPD]: Sehr nachdenkenswert! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die haben jetzt das Computersystem!)

Der Kollege Gärtner hat etwas über den Verteidigungshaushalt gesagt. Ich will nur sagen: Die Diskussion über den Verteidigungshaushalt muß rationaler als bisher geführt werden. Zahlen allein sagen über die Kampfkraft einer Armee überhaupt nichts aus. Ich rede jetzt nur für mich. Meine Skepsis, ob der Wundervogel „Tornado" mit seinen sehr schwierigen Problemen für die Menschen, die mit ihm umgehen müssen, die Verteidigungskraft der Bundeswehr wirklich stärkt, ist eher größer geworden. Ich habe große Zweifel, ob angesichts der finanziellen Entwicklung neue Beschaffungsvorhaben auf absehbare Zeit finanziert werden können.
Für Neubauten in Bonn werden wir in absehbarer Zeit kein Geld haben, weder für Neubauten des Parlaments noch der Regierung. Wir werden uns alle gemeinsam mit dem bescheiden müssen, was wir zur Zeit haben.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Was macht denn das Hotel auf dem Berg?)

— Herr Kollege Haase, wenn Sie diesen Zwischenruf machen, sage ich Ihnen: Ich sehe das genauso kritisch wie Sie.



Walther
Der mit diesem Haushalt zu vollziehende Einstieg in den Abbau der Gemeinschaftsaufgaben muß in den nächsten Jahren mit dem Ziel der Beschränkung auf das Sinnvolle fortgesetzt werden. Die Gemeinschaftsaufgabe „regionale Wirtschaftsförderung" ist durch ihre Ausweitung auf rund 60 % der Bundesrepublik zur Absurdität verkommen. Wenn ich dann sehe, daß als eine bestimmte Gemeinschaftsaufgabe alle Feldwege in der Bundesrepublik betoniert werden sollen, dann frage ich mich auch nach dem Sinn dessen, was da geschieht.
Die finanzielle Lage der Deutschen Bundesbahn und deren Entwicklung erfüllt uns nach wie vor mit Sorge. Was ich hier sage, stellt keine Abkehr von dem Grundsatz dar, daß auch der Bundeshaushalt auf diesem Gebiet seinen Beitrag leisten muß, um im öffentlichen Personen- und Güterverkehr eine attraktive Alternative zum Individualverkehr zu bieten. Aber die Rationalisierungsbemühungen der Deutschen Bundesbahn vor Ort, im ländlichen Bereich und bei den kleinen Leuten, scheint mir einen Grad erreicht zu haben, der nicht mehr wesentlich gesteigert werden kann. Andererseits ist die Deutsche Bundesbahn noch weit davon entfernt, ein an ökonomischen Grundsätzen orientiertes Management und Marketingsystem zu praktizieren.

(Beifall bei der SPD)

An diesen Stellen muß angesetzt werden, an dem — das sage ich mal für mich —, was die Eisenbahner den Wasserkopf nennen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Betriebsgesellschaft!)

wenn das Betriebsergebnis der Deutschen Bundesbahn verbessert werden soll. Der Zwischenfrage, die Sie, Herr Kollege Haase, dem Kollegen Gärtner vorhin gestellt haben, wir würden ja zehn Jahre regieren, darf ich hinzufügen: wir haben ja auch in der Großen Koalition miteinander regiert, und der Kollege Leber hat damals das Problem sehr gut angepackt. An wem ist denn der Leber-Plan gescheitert? An den Sozialdemokraten sicherlich nicht.

(Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Dann können Sie das doch weiterführen! Warum haben Sie es nicht weitergeführt?)

Eine Erhöhung der eigenen Einnahmen der Europäischen Gemeinschaft, was das Aufkommen an der Umsatzsteuer betrifft, ist zur Zeit nicht zu finanzieren; das muß hier klar gesagt werden. Dies bedeutet, daß die kopflastige Finanzierung des EG-Haushalts durch die teilweise Einführung marktwirtschaftlicher Grundsätze so verbessert werden muß, daß andere, sinnvolle Ausgaben in den Bereichen der Regional-, Sozial-, Forschungs- und Entwicklungspolitik aus den jetzt bereits zur Verfügung stehenden Eigeneinnahmen finanziert werden können. Ich verweise in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Regierungserklärung.
Mit dem heute in erster Lesung zu diskutierenden Subventionsabbaugesetz muß der Wille einhergehen, dies nur als ersten Schritt anzusehen. — Kollege Haase, hören Sie bitte genau zu, jetzt sind Sie nämlich langsam gefordert. Die Subventionierung des Ölverbrauchs beispielsweise muß auf allen Ebenen aufhören.

(Beifall bei der .SPD und der FDP)

Die Opposition hat — Sie haben das getan — vorurteilsfreie Mitarbeit beim Sparen und beim Abbau von Subventionen angekündigt. Ich will das ausdrücklich würdigen, Herr Kollege Haase. Aber das Verhalten der Vertreter der unionsregierten Länder in den Ausschüssen des Bundesrates gibt keinen Anlaß zu allzu großem Optimismus.
Unter der Überschrift „Sparen sollen immer nur die anderen" hat Hans Barbier in der „Süddeutschen Zeitung" dieser Tage geschrieben:
Als erste Reaktion auf das Votum des Bundesrates stellt sich Ärger ein. Die von allen führenden Unionspolitikern angekündigte unvoreingenommene Prüfung der Sparvorschläge hat offenbar nicht einmal die erste Schrecksekunde nach der verbalen Kraftmeierei überstanden. Jetzt, da es zum Schwur kommt, scheinen die Besitzstände der Bauern, Beamten und Sparkassen wichtiger zu sein als ein zugegebenermaßen halbherziger Versuch, die Staatsfinanzen ein wenig in Ordnung zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushaltsentwurf stellt mit seinen Unsicherheiten, was die ökonomische Entwicklung anbelangt, einen ersten Schritt in Richtung notwendiger Umstrukturierung dar. Er sichert das soziale Netz, er berücksichtigt die steuerliche Entlastung unserer Bürger ebenso wie die Erhöhung von Kindergeld und Wohngeld zugunsten kinderreicher Familien, und er setzt ein deutliches Zeichen in Richtung Hilfe für die armen Länder.
Die solidarische Gesellschaft, von der ich gesprochen habe, fordert von manchen einen gewissen Verzicht auf liebgewordene Besitzstände; manche nennen das auch Wohlstand. Die Strukturverbesserung der öffentlichen Haushalte aber wird nur dann gelingen, wenn wir uns alle gemeinsam — gemeinsam, Herr Kollege Haase — daranbegeben, den ungeschriebenen, aber offenbar im Denken schon verfestigten Art. 0 des Grundgesetzes — der kommt noch vor den Grundrechten — zu beseitigen, der da heißt: „Alle Besitzstände sind auf Ewigkeit unantastbar."

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es darf nicht soweit kommen, daß vor lauter Gerede über angebliche Sonderopfer die Arbeitslosen die einzigen sind, die Sonderopfer bringen müssen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir werden im Haushaltsausschuß den Bundeshaushalt gründlich beraten und dabei die Anpassung an die geänderten Daten vornehmen müssen. Die Investitionsmittel werden wir gleich freigeben — mit Ihrer Zustimmung, nehme ich an —, damit die konjunkturellen Impulse nicht durch unsere Beratung beeinträchtigt werden. Wir alle werden gemeinsam als Haushälter für unsere gewiß schwierige Arbeit eine gehörige Portion Mut, aber auch Glück brauchen. Ich bin ganz sicher, daß die sozialdemo-



Walther
kratische Bundestagsfraktion in ihrer Gesamtheit die Haushälter dabei mit all ihrer Kraft und Erfahrung unterstützen wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901606400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0901606500
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herrn Häfeles Rede zu Beginn dieser Debatte war meinem Eindruck nach eine Summe von Widersprüchlichkeiten.
Erstens. Er hat Kritik an der Staatsverschuldung geübt, aber zugleich zu den meisten Vorschlägen der Bundesregierung, sie abzubauen, nein gesagt.
Zweitens. Er hat Kritik an dem Leistungsbilanzdefizit geübt,

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sie haben nicht gut zugehört!)

— doch, ganz genau, Herr Häfele —, aber zur Verteuerung des Öls als einem wichtigen Instrument zur Bekämpfung der Ursachen des Leistungsbilanzdefizits nein gesagt.
Drittens. Er hat Kritik an den Subventionen geübt, aber zu den meisten Vorschlägen der Bundesregierung zu deren Abbau nein gesagt.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sie haben offensichtlich nicht richtig zugehört! Lesen Sie es genau nach!)

Viertens. Er hat Kritik an dem angeblich zu geringen Umfang der Einsparungsvorschläge der Bundesregierung geübt. Er hat das in Anbetracht eines Haushalts getan, der zum Beispiel, was die Personalvermehrung angeht, dadurch gekennzeichnet ist, daß wir nicht eine einzige Planstelle mehr vorsehen, während der Kanzlerkandidat der Union bei der Vorlage des Doppelhaushalts in Bayern für die Jahre 1981 und 1982 5 600 Planstellen mehr einsetzt als zuvor.

(Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie noch nie von Lehrern und Polizisten gehört? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist eine widersprüchliche Politik. Ich hatte eigentlich gehofft, daß sie sich nach dem Wahlkampf ändern würde. Sie haben ja angekündigt, daß die Strategie der CDU/CSU nach dem Wahlkampf anders sein würde als vorher: konstruktive Mitarbeit.
Ich muß ihnen sagen, Herr Häfele, daß Sie die Ankündigungen in Ihrer Rede, wie Sie sich zu welchen Punkten der Vorlage der Regierung verhalten würden, leider nicht wahrgemacht haben, im Gegenteil.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Lesen Sie nach! Sie haben nicht zugehört!)

— Herr Häfele, dann bringen Sie doch in einer konkreten Zwischenfrage zum Ausdruck, wo ich hier etwas falsch wiedergegeben habe. Sie haben nein gesagt zur Erhöhung der Mineralölsteuer. Sie haben die Frage, wie Sie sich zur Branntweinsteuer verhalten, offen gelassen. Sie haben klargemacht, daß Sie
zu den meisten Teilen des Subventionsabbaugesetzes nicht j a sagen werden.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Bitte nachlesen! Lesen Sie genau!)

— Herr Häfele, ich begrüße ihren Zwischenruf. Machen wir doch gleich weiter. Stellen Sie sich hier hin und sagen Sie mir, zu welchen Punkten des Haushalts, des Mineralölsteueränderungsgesetzes und des Subventionsabbaugesetzes Sie ja sagen werden!

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sie werden es im Ausschuß sehen!)

Wenn Sie meinen, daß Sie falsch verstanden worden sind, dann sagen Sie hier, an welcher Stelle. Wir freuen uns, wenn Sie ja sagen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901606600
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Friedmann?

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID0901606700
Bitte schön!

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0901606800
Frau Kollegin Matthäus-Maier, darf ich darauf hinweisen, daß es die von Ihnen getragene Regierung war, die die heutige desolate Finanzsituation herbeigeführt hat, und daß es der heutige Fraktionsvorsitzende der SPD war, der seinerzeit aus der Opposition heraus antwortete, es sei nicht seine Sache, anderer Leute schmutzige Wäsche zu waschen?

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wer sind wir denn? Für was halten Sie uns eigentlich?)


Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID0901606900
Darüber kann man diskutieren, wenn man eine solche Vorstellung von der Funktion einer Opposition hat. Ich habe eine andere. Das hat übrigens meine Fraktion, als sie in der Opposition war, auch anders praktiziert. Da kamen konkrete Änderungsvorschläge.

(Beifall bei der FDP)

Aber der Grund für unsere Diskussion ist ein anderer, Herr Kollege. Herr Häfele bestreitet j a das, was ich ihm vorwerfe. Er will also wohl den Anspruch einlösen, hier konstruktiv mitzuarbeiten. Wenn das der Fall ist, dann soll er bitte sagen,

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sie haben nicht zugehört!)

an welcher Stelle die Opposition bereits ist, a) den Haushalt, b) das Mineralölsteueränderungsgesetz und c) das Subventionsabbaugesetz mit zu tragen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn er das endlich sagte.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Wenn Sie nicht zuhören können, hilft auch das Reden nicht!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901607000
Frau Abgeordnete, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gerster (Mainz)?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0901607100
Bitte schön!

Dr. Johannes Gerster (CDU):
Rede ID: ID0901607200
Frau Kollegin, Sie reden hier von Widersprüchen. Könnten Sie mir den Widerspruch in der Politik dieser Regierung und der sie tragenden Parteien auflösen, den ich darin sehe, daß sie den öffentlichen Nahverkehr besonders fördern will, aber just zum jetzigen Zeitpunkt durch das Suventionsabbaugesetz die Grundlagen schafft, daß die Preise für den Nahverkehr in absehbarer Zeit um 10 % steigen werden? Können Sie mir diesen Widerspruch bitte einmal auflösen?

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID0901607300
Sie sprechen den Abbau der Gasölbeihilfen für den öffentlichen Personennahverkehr an.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Genau!)

Das hat einen ganz einfachen Grund. Wir sind der Ansicht, daß jedwede öffentliche Förderung des Verbrauchs des knappen Gutes Öl in einer politischen Landschaft, in der kaum etwas knapper ist als dieses Gut, nicht sinnvoll ist. Wenn davon zufälligerweise auch der öffentliche Nahverkehr betroffen ist, dann ist das zwar bedauerlich, aber wir meinen, daß auch nach draußen optisch klargemacht werden muß: Eine Subventionierung des Ölverbrauchs darf es nicht mehr geben. Deswegen werden in den Abbau der Gasölsubventionen die Landwirtschaft, die Industrie, der Privatverbraucher und auch der öffentliche Personennahverkehr einbezogen. Die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs muß über andere Wege erfolgen, nicht aber über die Subventionierung des Verbrauchs von Öl.

(Beifall bei der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901607400
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0901607500
Nein. Vielleicht lassen Sie mich hier erst einmal ein bißchen zu Potte kommen. Denn ich bin j a, wie Sie wissen, gern bereit, auch später noch Zwischenfragen aufzugreifen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Beziehen Sie auch die größeren Ministerwagen ein?)

— Bitte?

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Beziehen Sie auch die größeren Ministerwagen ein?)

— Wenn ich die Größe der Wagen unserer Minister und ihren Verbrauch an Mineralöl — das hängt j a zusammen; es geht ja nicht nur um die Größe — mit denen in der freien Wirtschaft vergleiche, dann habe ich nicht den Eindruck, daß unsere Minister, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen, unbescheiden sind.

(Beifall bei der FDP) Im übrigen — —


(Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich komme nicht zu meiner Rede. Das macht aber nichts. Vielleicht wird so dem Bürger draußen manches deutlicher. — Im übrigen berührt die Frage, wieviel Benzin ein Automobil auf 100 Kilometer verbraucht, ein Thema, das Ihr Kollege Häfele heute
morgen, wie ich finde, recht polemisch abgehandelt hat. Da wir als Freie Demokraten und auch die Bundesregierung gerade möchten, daß die Automobilfirmen einen größeren Anreiz bekommen, Automobile zu bauen, die weniger Sprit verbrauchen, sind wir nach wie vor nicht nur für die Erhöhung der Mineralölsteuer um 7 Pfennig auf Superkraftstoff und Normalbenzin, sondern auch für die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer. Denn dies ist nach unserer Ansicht der einzige wirklich realistische Weg, nämlich der marktwirtschaftliche Weg, dazu zu kommen, daß nicht nur der Verbraucher motiviert wird, mit dem Auto benzinsparender umzugehen, sondern auch die Firmen motiviert werden, Automobile zu konstruieren, die weniger verbrauchen; sie tun das übrigens auch schon.

(Beifall bei der FDP)

Herr Häfele sagte hier heute morgen, wir hätten nicht so sehr ein Sparprogramm als vielmehr ein Abgabenerhöhungsprogramm vorgelegt.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Aber Herr Häfele, das stimmt doch nicht! Sie wissen, daß wir zweigleisig vorgegangen sind, nämlich einerseits Abgaben zu erhöhen, andererseits Subventionen und sonstige Vergünstigungen abzubauen. Die Anhebung der Mineralölsteuer und Branntweinsteuer bringt dem Staat in diesem Jahr 2,4 Milliarden DM. Sie haben weiter gesagt, daß durch diese Maßnahme das, was wir mit dem letzten Steuerpaket an Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer beschlossen hätten, wieder kompensiert, also aufgehoben werde. Das stimmt nicht, Herr Häfele. Ich muß die Zahlen hier einmal vortragen. Wir haben für 1980 den Weihnachtsfreibetrag angehoben; das bringt eine Entlastung von 1 Milliarde DM. Dieser Entlastung steht überhaupt keinerlei Belastung gegenüber. 1981 haben wir — nach Gegenrechnung der Anhebung der Mineralöl- und Branntweinsteuer — einen verbleibenden Entlastungsbetrag von 9,3 Milliarden DM, 1982 von 12,1 Milliarden DM, 1983 von 16,1 Milliarden DM und 1984 von 17,9 Milliarden DM. Herr Häfele, selbst wenn Sie die Einsparungen gegenrechnen, die durch das Subventionsabbaugesetz vorgesehen sind, gibt es auf Grund unseres Steuerpakets vom letzten Jahre noch Entlastungen bei der Lohn- und Einkommensteuer und beim Kindergeld in Höhe von 7,5 Milliarden DM 1981, von 10 Milliarden DM 1982, von 12,5 Milliarden DM 1983 und 14,2 Milliarden DM 1984. Das ist einfach nachzurechnen und kann auch von Ihnen wohl nicht bestritten werden.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir haben auch die Erhöhung der Rentenbeiträge dabei!)

Wir möchten die Anhebung der Mineralöl- und Branntweinsteuer aus zwei Gründen: Erstens. Wir wollen die Steuerstruktur, die sich in den letzten 25 Jahren sehr eindeutig von den indirekten Steuern hin zu den direkten Steuern verschoben hat, also hin zur starken Besteuerung bei der Lohn- und Einkommensteuer, ein wenig in die umgekehrte Richtung korrigieren. Zweitens. Wir möchten — ich sprach es schon bei Ihrer Zwischenfrage an — speziell durch



Frau Matthäus-Maier
die Anhebung der Mineralölsteuer die Motivation zu einem energiesparenden Umgang mit dem Automobil geben. Wir möchten, daß derjenige — und da gibt es viele in diesem Lande —, der begonnen hat, sich zu überlegen, ob er eine bestimmte Strecke unbedingt mit dem Auto fahren muß oder ob er nicht zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren kann,

(Zuruf von der CDU/CSU: Auf dem flachen Lande ist es nicht möglich, zu Fuß zu gehen, da müssen Sie mit dem Auto fahren!)

ob er nicht mit einer Fahrgemeinschaft fährt, nicht die Bundesbahn benutzt oder z. B. auf ein kleineres Automobil umsteigt, belohnt wird. Und das wird dadurch gemacht, daß wir dieses knappe Gut verteuern.
Und schließlich: Wir möchten durch diese Anhebung — insbesondere der Mineralölsteuer — an eine der wichtigsten Ursachen für das zweifellos hohe Leistungsbilanzdefizit herangehen, meine Damen und Herren. Es führt doch kein Weg an der Erkenntnis vorbei, daß wir kein Leistungsbilanzdefizit hätten, wenn die durch die Erhöhung der Ölpreise bedingten Verteuerungen nicht gewesen wären. Das müßten Sie doch eigentlich zur Kenntnis nehmen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Was sagen Sie zur Kernenergie?)

— Die Kernenergie, Herr Kollege, hat mit der Frage des Leistungsbilanzdefizits nun gar nichts zu tun.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Doch, sehr viel!)

— Entschuldigen Sie, selbst wenn wir in diesem Lande das Kernkraftwerk in Brokdorf weiterbauen und weitere Kernkraftwerke errichten würden, könnte uns das nicht von der Notwendigkeit entbinden, Öl einzusparen, denn Automobile können Sie nun einmal nicht mit Kernkraft in Bewegung setzen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist auch der Grund
— ich sprach es soeben in meiner Antwort auf die Zwischenfrage schon an —, warum wir nach wie vor der Ansicht sind, daß eine Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer sinnvoll ist. Ich will das hier nicht vertiefen, aber da Herr Häfele meinte, darauf eingehen zu müssen, möchte ich nur noch einige wenige Worte dazu sagen.
Alle reden vom Umweltschutz, von Steuervereinfachung und von Energieeinsparung. Hier haben wir nun einmal eine klassische Maßnahme, die diese drei Zwecke kombiniert. Es ist deswegen eine Verbesserung des Umweltschutzes, weil das Abstellen auf den Hubraum zur Produktion von Motoren führt, die nicht umweltverträglich sind. Es ist deswegen eine Steuervereinfachung, weil — die Steuergewerkschaft erhebt seit vielen Jahren eine entsprechende Forderung — durch eine solche Umlegung etwa — die Zahlen schwanken — 3 000 bis 4 000 Steuerbeamte für sinnvollere Tätigkeiten freigesetzt werden könnten. Und drittens eben zwingt das zum Energiesparen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden nicht daran vorbeikommen, dem Bürger der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Tagen zu sagen, was Sie zur Energieeinsparung vorschlagen wollen. Wollen Sie Verbote und — wenn ja — wann, an welchen Tagen, zu welchen Bedingungen, mit welchen Ausnahmen? Wollen Sie ein Verbot von Auslandsaufenthalten? Wenn Sie all das nicht wollen, dann frage ich Sie, wie Sie Energie einsparen wollen. Wir meinen, eine solche Umlegung ist der marktwirtschaftliche, der richtige Weg, um solche dirigistischen Maßnahmen überflüssig zu machen. Daher hat sich ja nicht nur die FDP dafür ausgesprochen, sondern hat auch der Bundesparteitag der SPD im Dezember 1979 einstimmig — ich betone: einstimmig — die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer beschlossen.
Wir wissen selbstverständlich, daß es noch Probleme gibt, über die wir alle gemeinsam diskutieren müssen. Ich will hier nur zwei Probleme nennen, für deren Lösung sich auch der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung ausdrücklich ausgesprochen hat. Wir werden diese Probleme lösen. Das betrifft zum einen die Behinderten. Wir wollen, daß die heute schon von der Kraftfahrzeugsteuer befreiten Behinderten in Zukunft durch die Umlegung nicht mehr belastet werden. Darüber hinaus sind die Pendler betroffen. Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen, aber ich würde den von meinem Fraktionsvorsitzenden ins Gespräch gebrachten Vorschlag einer gestaffelten Kilometerpauschale in Erwägung ziehen. Da wird für Pendler je nach der Entfernung zum Arbeitsort eine unterschiedlich gestaffelte Kilometerpauschale vorgesehen. Meine Damen und Herren, wir betrachten dieses Thema sehr gelassen, nicht nur in der heutigen Diskussion, sondern generell, denn es mehren sich die Stimmen,. die für eine solche Regelung sind. Ich habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß sich z. B. Frau Breuel aus Niedersachsen für eine solche Umlegung ausgesprochen hat. Wenn sich langsam, aber sicher noch mehr Wirtschafts- und Finanzminister in den Ländern, insbesondere auch in den B-Ländern, dafür aussprechen, dann dürfte das Problem im Laufe der nächsten Jahre sicher gelöst werden.
In die gleiche Richtung — Einsparung von Öl — geht auch das Subventionsabbaugesetz. Das ist vorhin schon in einer Zwischenfrage angesprochen worden. Wir sind bereit und willens, die gesamte Subventionierung des Verbrauchs von Öl abzubauen, in welchem Bereich auch immer. Wir halten das einmal aus fiskalischen Gründen, dann aus energiepolitischen Gründen und zum anderen auch aus optischen Gründen für erforderlich, damit der Bürger draußen im Lande sieht, daß wir keine Ausnahme machen.
Wir haben in dem Entwurf des Subventionsabbaugesetzes weiterhin die Einschränkung der Sparförderung vorgesehen. Meine Damen und Herren, alle Erfahrungen sprechen dafür, daß die Bürger in diesem Lande ohnehin — jedenfalls bis zu einem bestimmten Prozentsatz — sparen. Denken Sie nicht, daß uns die Einschränkung der Sparförderung leicht fällt, daß wir nicht auch sehen, daß selbstverständlich der Kleinverdiener davon mehr betroffen ist als der Großverdiener. Das liegt aber in der Natur der Sache, weil die Besserverdienenden wegen der Ein-



Frau Matthäus-Maier
kommensgrenzen ohnehin gar nicht in die Sparförderung einbezogen sind. Aber wir meinen, in der jetzigen Situation der öffentlichen Haushalte in Verbindung mit der festen Überzeugung, die unter allen Betroffenen besteht und die uns alle Fachleute bestätigen, daß der Sparwille ohnehin recht groß ist, daß wir eine Einschränkung der Sparförderung vornehmen müssen. Ob die Struktur der Einschränkung bei der Sparförderung exakt so bleiben muß, wie wir es vorgesehen haben, dazu möchte ich hier nicht Stellung nehmen. Wir sind bereit, in Einzelheiten darüber zu diskutieren. Es gibt einen alternativen Vorschlag vom Sparkassen- und Giroverband. Ich glaube, daß wir in den nächsten Wochen gemeinsam Gelegenheit haben werden, offen über die Einzelheiten in dieser oder jener Richtung zu diskutieren.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Drittens haben wir den Abbau des sogenannten Sparkassenprivilegs vorgesehen. Wir halten diese Frage, nämlich die Angleichung oder weitgehende Angleichung, je nach den unterschiedlichen Verhältnissen, der unterschiedlichen Steuersätze im Kreditwesen für eine Frage der Wettbewerbsgleichheit zwischen den verschiedenen Sparten der Kreditwirtschaft. Sie wissen, daß z. B. die Banken-Enquetekommission 1968 und die Steuerreformkommission 1971 bereits eine entsprechende Abschaffung der steuerlichen Begünstigung der Sparkassen empfohlen haben. Wir meinen, daß an dieser Stelle die Chance besteht, das, was aus anderen Gründen, nämlich aus Wettbewerbsgründen innerhalb der Kreditwirtschaft, sinnvoll ist, mit dem Nützlichen zu verbinden, nämlich mit den Mehreinnahmen des Staates, die wir in der jetzigen Situation natürlich sehr brauchen.
Herr Häfele, Sie haben gefragt: Ist es nicht besser, wenn wir mit dieser Reform, mit dieser Änderung bis zur Novellierung des Kreditwesengesetzes abwarten? Ich halte das für falsch. Wir haben die feste Absicht, eine Novellierung des Kreditwesengesetzes durchzuführen, schon deswegen, weil wir aus internationalen Gründen gezwungen sind, das Konsolidierungsverfahren im Kreditwesen durchzuführen, und weil wir aus politischen Gründen die Absicht haben, eine Beschränkung des Fremdbesitzes der Banken vorzunehmen.
Sie sehen schon aus diesen genannten Beispielen, daß die Novellierung des Kreditwesengesetzes außerordentlich kompliziert sein wird und von daher einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt. Deshalb wäre es sehr untunlich, den Abbau des Sogenannten Sparkassenprivilegs mit der Novellierung des Kreditwesengesetzes zu kombinieren, weil er dann auf die lange Bank geschoben würde. Deshalb fordern wir, diesen gesonderten Punkt, nämlich die Angleichung der Steuersätze, vorzuziehen und mit diesem Subventionsabbaugesetz anzugehen.
Meine Damen und Herren, wer als Betroffener diese Gesetze mit vertritt, insbesondere im Finanzausschuß, wird miterlebt haben, daß die Kritik der Betroffenen schon massiv eingesetzt hat. Wir führen in den letzten Wochen ununterbrochen Gespräche mit den betroffenen Verbänden, mit der betroffenen
Wirtschaft, um zu diskutieren, ob das, was wir beschlossen haben, nun auch alles ganz in Ordnung ist.
Ich sage hier jedem Betroffenen zu, daß wir alle Gegenargumente in dem vom Finanzausschuß geplanten Hearing am 11. Februar zur Erhöhung der Mineralölsteuer und der Branntweinsteuer und in einem späteren Hearing zum Subventionsabbaugesetz sehr sorgfälig und unvoreingenommen prüfen werden. Aber ich glaube, daß Gegenargumente nur unter zwei Voraussetzungen eine Chance haben:
Erstens müssen sie solche Vorschläge enthalten, daß das Volumen der Einsparungen erhalten bleibt. Schlichte Streichungsvorschläge kommen meiner Ansicht nach nicht in Betracht.
Die Gegenargumente müßten eine zweite Voraussetzung erfüllen: sie müssen von ihrer Anlage, von ihrer Struktur her mehr sein als das bloße Lamentieren von Betroffenen darüber, daß der Status quo nicht beibehalten wird. Ich halte Klagen zwar für legitim, man muß aber als Politiker auch damit leben können, daß so etwas wie ein solches Subventionsabbaugesetz kritisiert wird, und es trotzdem durchsetzen. Denn wir haben vor der Wahl gesagt, daß wir Subventionen abbauen werden, und zwar in jedwedem Bereich. Hier kann niemand so tun, als sei er überrascht. Wir haben ausdrücklich gesagt: Das wird Ärger geben, das wird Tränen geben, das wird Widerstand bei den Betroffenen . geben. Wenn das nun eintritt, dann verwundert uns das überhaupt nicht.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Warum haben Sie einen Rückzieher bei der Ministerialzulage gemacht?)

— Entschuldigen Sie, erstens ist es die große Frage: Wann wo welche Rückzieher? Denn Zurückzieher kann wohl nur heißen, daß wir etwas angekündigt haben, was wir nicht tun. Den Abbau der Ministerialzulage haben wir nicht angekündigt, folglich können wir das auch nicht zurückziehen.
Aber bei dem Stichwort kann ich nur sagen: Wir werden mit Sicherheit unvoreingenommen prüfen
— das steht auch schon in den Zeitungen über die Haushaltsberatungen —, ob es nicht weitere Möglichkeiten der Einsparung gibt. Ich für meine Person habe schon seit langem gesagt, daß ich nicht einsehen kann, warum z. B. Bedienstete der Stadtverwaltung Bonn in vielen Bereichen völlig anders behandelt werden als Angestellte in einem Ministerium, obwohl sie in derselben Stadt leben und in vielen Fällen dieselbe Tätigkeit ausüben — Stichwort: Ministerialzulage. Aber, wie gesagt, das ist meine private Meinung. Wir werden auch das noch prüfen.
Ich halte nichts davon, auf Grund solcher kritischen Diskussionen seitens der betroffenen Verbände Mosaikstein für Mosaikstein aus diesem Paket herauszubrechen, meine Damen und Herren. Die Argumente sind ja auch sehr widersprüchlich. Behandeln wir große, umfangreiche Positionen, dann sagen die Betroffenen: Ach, mildert die doch ein bißchen ab, das ist soviel, da könnt ihr ein bißchen nachgeben! — Behandeln wir kleine Positio-



Frau Matthäus-Maier
nen, dann sagen die Betroffenen: Das ist ein so kleiner Betrag, den könnt ihr gleich streichen, der fällt ja bei eurem Defizit gar nicht auf!
Wie man also die Sache auch dreht und wendet, ich glaube, die Argumente dürfen nicht so schlitzohrig werden. Wir sind fest entschlossen, zwar offen in die Diskussion darüber einzutreten, ob man das eine oder andere anders strukturieren könnte, wir sind aber nicht zur Änderung bereit, was das Volumen und den grundsätzlichen Willen angeht.
Herr Häfele, Sie haben hier gesagt, die Subventionen müßten stärker gekürzt werden, denn — ich habe versucht, es wörtlich mitzuschreiben Subventionen seien ein süßes Mittel zur Überwindung des Systems. Wissen Sie, wenn Sie das so sagen, dann darf ich mir erlauben, darauf hinzuweisen; daß die eigentlichen Systemüberwinder in Ihren Reihen sitzen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Denn wenn in diesem Lande an irgendeiner Stelle Probleme und Schwierigkeiten auftauchen, sind es gerade die Kollegen in Ihrer Fraktion — ich gebe zu: auch die Kollegen in den anderen Fraktionen —, die nach staatlicher Hilfe, nach Subventionen rufen.
Das, wie ich finde, kurioseste Beispiel, dem von Ihrer Führung bisher nicht widersprochen worden ist, war doch wohl die Forderung Ihres CSU-Kollegen Matthias Engelsberger, der gesagt hat: Wir brauchen einen Steuerfreibetrag — also eine Subvention — für das Verbringen des Urlaubs in deutschen Landen.
Ich meine, mit diesem Ruf „Wir wollen die Subventionen stärker kürzen!" sollte man daher vorsichtig sein. Man sollte, wenn man im Gashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen. Im Prinzip sind wir einer Meinung.
Ich glaube, über die unmittelbare Frage der Kürzung der Subventionen hinaus ist die Entscheidung darüber, ob es uns gelingt, Gesetze wie das Mineralölsteuer- und das Branntweinsteuererhöhungsgesetz und das Subventionsabbaugesetz durch das Parlament zu bekommen, ein Punkt der politischen Handlungsfähigkeit. Es stellt sich die Frage: Sind wir als Abgeordnete nur noch in der Lage anzuheben, auszugeben, mehr zu geben? Oder müßten wir als Abgeordnete nicht eigentlich auch in der Lage sein, in schwierigeren politischen Zeiten auch einmal zu sagen: „Nein, hier wird gekürzt; liebe Leute, es wird bei jedem gekürzt, wir werden versuchen, Opfergleichheit herbeizuführen, aber Kürzen und Einsparen sind der Ruf des Tages!"?
Ich glaube, wenn uns das nicht mehr gelingt, können wir den Laden zumachen; dann habe ich jedenfalls keine Lust mehr, Abgeordnete zu sein.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Was die Subventionen für die Zukunft angeht, die auch fernerhin nicht völlig ausgeschlossen sein werden, so sollte uns die jetzige Debatte folgendes zu bedenken geben. Meine Fraktion ist der festen Überzeugung: Soweit aus bestimmten Schwierigkeiten heraus irgendwann einmal erneut die Notwendigkeit eintreten sollte, in der privaten Wirtschaft einzelnen Betroffenen Hilfen zu geben, müssen die Subventionen folgenden Kriterien genügen:
Erstens. Sie müssen Anpassungssubventionen und dürfen keine Erhaltungssubventionen sein. Sie wissen, daß heute die Struktur unserer Subventionen laut Aussage des Subventionsberichts ganz anders ist. Also: Anpassungs- und keine Erhaltungssubventionen.
Zweitens. Subventionen sollten möglichst als offene Zuschüsse gewährt werden, nicht aber, soweit das nicht unbedingt erforderlich ist, als Steuererleichterungen, weil Steuererleichterungen den großen Nachteil haben, daß sie, wenn sie einmal beschlossen sind, anschließend übersehen werden; keiner weiß mehr von ihnen.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie funktionieren so einfach!)

Öffentliche Zuschüsse aber z. B. müssen jährlich erneut in den Haushalt eingestellt werden. Damit unterliegen sie dem kritischen Auge der Öffentlichkeit.
Drittens. Subventionen sollten immer zeitlich begrenzt sein, damit das Parlament die Chance hat und auch der Notwendigkeit unterworfen ist, in bestimmten Zeitabständen zu überprüfen: Ist diese Subvention noch gerechtfertigt, oder kann sie an dieser Stelle auslaufen?
Viertens. Subventionen sollten degressiv gestaltet sein, d. h. sie sollten nicht wie bei einer progressiven Ausgestaltung mit steigender Leistungsfähigkeit des Empfängers anwachsen, sondern umgekehrt sollte derjenige, der die größten Probleme und z. B. eine wirtschaftlich schwierige Situation zu überstehen hat, mehr bekommen als derjenige, der auf Grund eigener Leistungsfähigkeit eine schwierige Situation ohnehin eher meistern kann.
Ich glaube also, wenn wir uns darauf einigen könnten, möglicherweise auch in Zukunft notwendig werdende Subventionen in den Griff zu bekommen, dann sind wir ein Stück Weges weiter. Das Hauptziel sollte allerdings sein, Subventionen für die nächsten Jahre möglichst hintanzustellen und bestehende sogar abzubauen. Insofern betrachte ich das, was wir jetzt politisch tun, nur als einen Anfang, dem weitere Schritte in diesem und in den nächsten Jahren folgen müssen.
Herr Häfele, Sie haben einerseits öffentliche Ausgabenprogramme, die ja so teuer seien und die uns zu dieser Verschuldung geführt hätten, auf der anderen Seite den privaten Investitionen gegenübergestellt, die den ganzen Wirtschaftsablauf angeblich besser ins Laufen gebracht hätten. Herr Haase hat hinzugefügt, wir hätten in den letzten Jahren 70 Milliarden Mark für Ausgabenprogramme verplempert. Er hat in den folgenden Minuten den Ausdruck „verplempert" etwas interpretiert. Aber ich kann überhaupt nicht verstehen, auch nicht von dem Haushaltspolitiker, der selbstverständlich mehr als andere das Anliegen hat, die öffentliche Verschuldung gering zu halten, wie man die öffentlichen Ausgabenprogramme der letzten Jahre von seiten der Op-



Frau Matthäus-Maier
position mit einem solchen Wort belegen kann. Dies ist unverantwortlich.

(Beifall bei der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Diese Ausgabenprogramme haben nicht nur die Beschäftigungslage verbessert — Sie haben gesagt, wir haben nur eine Million —, sie haben dafür gesorgt, daß es nicht mehr Arbeitslose gab. Und sie haben die Infrastruktur in diesem Lande nachhaltig verbessert. Ich erinnere an den Umweltschutz, Kläranlagen, Abwasseranlagen, Beseitigung schienengleicher Bahnübergänge.
Ich darf an einem Beispiel erläutern, daß das so schlecht alles nicht sein kann. Als wir z. B. das Zukunftsinvestitionsprogramm beschlossen haben, wollte ich am Nachmittag — am Mittwochmorgen war die Kabinettssitzung — stolz die örtliche Presse in meinem Wahlkreis anrufen, um zu verkünden, was in meinem Wahlkreis alles davon positiv betroffen wird. Da sagte mir die örtliche Presse: „Uralte Kamelle, hat uns die Dame von der Opposition alles schon mitgeteilt." Da merkte ich, daß auch die Dame von der Opposition das alles recht gut fand, Frau Fischer.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

— Sie war dann sogar um einige Minuten schneller.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich kann leider Ihre Zwischenrufe nicht verstehen, Herr Häfele.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Vielleicht lag es daran, daß Sie im Wahlkreis nicht gewählt worden sind?!)

— Nein, die Kollegin war auch nicht gewählt. Aber ich weiß nicht, welchen Einfluß das auf die Güte unseres Zukunftsinvestitionsprogramms hat.

(Beifall bei der FDP)

Im übrigen, was das Wahlergebnis angeht: Dem direkt gewählten Kollegen im Wahlkreis, der in der Tat ein CDU-Kollege ist, haben der Kollege von der SPD und ich bei der letzten Wahl über 5% abgenommen. Das finde ich schon ganz gut. Wenn das so weitergeht, können wir ausrechnen, wann wir gewinnen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Ich wollte ein letztes sagen. Herr Häfele, Sie haben bei Ihrer Bemerkung zu den privaten Investitionen und den Ausgabenprogrammen nämlich die Behauptung einfließen lassen — und deswegen spreche ich das Thema als Steuerpolitikerin hier an —, wir hätten besser nicht auf diesem Gebiet so stark klotzen sollen, sondern die vernachlässigten privaten Investitionen mehr in den Blick nehmen sollen. Dazu wollte ich doch nun einige Sätze sagen.
Ich kann nicht sehen, daß wir in den letzten Jahren im Bereich der Steuer- und Finanzpolitik die privaten Investitionen vernachlässigt haben. Ich darf Sie an das erinnern, was wir in-den letzten vier Jahren dazu beschlossen haben: eine Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten in mehreren Bereichen, eine Senkung der Vermögensteuer, mehrmalige Absenkung bei der Gewerbesteuer und zuletzt die Abschaffung der Lohnsummensteuer. Die Abschaffung der Lohnsummensteuer war, wie Sie sich erinnern, ein ausgesprochener Kraftakt auch gegenüber den Ländern. Sie konnte nur deswegen ihre ganze Wirkung nicht entfalten und die Wirtschaft nicht erreichen, weil in vielen Kommunen die Entlastung, die eigentlich für die Wirtschaft gedacht war, nicht weitergegeben, sondern einkassiert wurde. Da waren es insbesondere die — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Es waren die SPD-Gemeinden, die sie nicht weitergegeben haben!)

— Da waren es in erster Linie Gemeinden, die von absoluten Mehrheiten regiert wurden. Da stehen sich die Kollegen von der SPD in den absolut regierten Gemeinden und die Kollegen von der CDU in den absolut regierten Gemeinden in nichts nach. Das weiß ich nicht nur aus meinem Wahlkreis.

(Beifall bei der FDP)

Nehmen Sie z. B. München! Wenn der Kanzlerkandidat der Opposition davon redet, daß — — Ja, Herr Häfele, dann wenden Sie immer schaurig das Haupt. Das kann ich ja verstehen. Aber peinlich ist es trotzdem. Deswegen muß ich Ihnen sagen: Wenn eine Stadt wie München zig Millionen Mark Entlastungsgelder des Bundes kassiert und ihren Hebesatz bei der Gewerbesteuer um null Punkte absenkt, dann ist das ein Skandal, den die deutsche Wirtschaft draußen zur Kenntnis genommen hat.

(Beifall bei der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU])

— Herr Waffenschmidt, Sie brauchen mir von der SPD nichts zu erzählen. Ich denke, Sie sind Vertreter eines großen Verbandes, dem das Wohl und Wehe der Gemeinden am Herzen liegt, so daß Sie an dieser Stelle nicht fragen müssen, ob das SPD-regierte oder CDU-regierte Gemeinden sind. Da würde ich mich an die eigene Nase fassen.

(Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU]: Wir sind vier CDU-Abgeordnete!)

— Sie sind vier CDU-Abgeordnete, aber Sie wissen als Kommunalvertreter, daß die Städte hier gesündigt haben, und zwar SPD-regierte Städte wie CDUregierte Städte.

(Zuruf des Abg. Dr. Waffenschmidt [CDU/ CSU])

Die FDP hat in den jeweiligen Kommunen de- n Antrag gestellt, diese Steuerentlastung an die Wirtschaft weiterzugeben. Das ist unbestritten. Da können Sie beim DIHT die entsprechenden Äußerungen nachlesen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir die nächsten Wochen und Monate dazu nutzen sollten, unvoreingenommen und offen den Haushalt, das Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetz und zugleich das Subventionsabbaugesetz zu überprüfen. Wenn Sie das, was Sie theoretisch zum Abbau von Subventionen und zum Zurückfahren der



Frau Matthäus-Maier
Nettoneuverschuldung sagen, praktisch halten, dann besteht doch eine gewisse Chance dafür, sich zu einigen. Von unserer Seite ist die Bereitschaft dazu da. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901607600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Sprung.

Dr. Rudolf Sprung (CDU):
Rede ID: ID0901607700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister hat in seiner Haushaltsrede fast die Hälfte seiner Ausführungen dem Problem der Leistungsbilanz und der außenwirtschaftlichen Lage gewidmet. Dies ist ein erfreulicher Fortschritt. Bis vor kurzem hat die Bundesregierung diese Probleme sehr heruntergespielt bzw. nicht sehen wollen.
Bezüglich der Ursachen unseres Leistungsbilanzdefizits hat der Bundesfinanzminister allerdings nur halbe Wahrheiten gesagt. Wenig konkret waren auch seine Vorstellungen darüber, wie das strukturelle Loch in unserer Leistungsbilanz geschlossen werden kann. Ich möchte deshalb auf die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Haushaltsdefizit, Leistungsbilanzdefizit und Zinspolitik ein wenig näher eingehen.
Meine Damen und Herren, hier tut sich ein Teufelskreis auf, der mit seinen Folgewirkungen auf die gesamte Finanz- und Wirtschaftspolitik von allergrößter Bedeutung ist. Durch das Leistungsbilanzdefizit verliert die Bundesbank ihre Zinsautonomie. Hohe Zinsen ersticken die Konjunktur und führen damit zu Einnahmeausfällen beim Staat. Hohe Zinsen sind zudem direkt höhere Kosten für die öffentlichen Kassen. Das Leistungsfinanzdefizit vergrößert mittelfristig das Haushaltsdefizit.
Auf der anderen Seite ist die Beseitigung des Haushaltsdefizits eine entscheidende Voraussetzung für die Beseitigung des Leistungsbilanzdefizits, da durch das Haushaltsdefizit inländische Ressourcen beansprucht werden, die ansonsten für die Steigerung des Exports und damit zur Verringerung des Leistungsbilanzdefizits zur Verfügung stünden.
Wie die Haushaltsrede am Freitag gezeigt hat, hat offenbar auch der Bundesfinanzminister diesen Zusammenhang mittlerweile erkannt. Das Haushaltsdefizit, ein wichtiges Glied in der Kausalkette, hat er dabei allerdings schamhaft verschwiegen.
Die Bundesrepublik ist in den letzten beiden Jahren von einem traditionellen Überschuß- und Gläubigerland zu einem Defizit- und Schuldnerland geworden. Es kann nicht oft genug auf diesen Wandel hingewiesen werden. Erstmals seit 15 Jahren wies unsere Leistungsbilanz 1979 rote Zahlen auf: 10 Milliarden DM nach einem Plus von noch 17,5 Milliarden DM im Jahre 1978. 1980 belief sich das Minus bereits auf 28 Milliarden DM. Für 1981 muß mit einer Devisenlücke in ähnlicher Größenordnung gerechnet werden. Dieses Leistungsbilanzdefizit des letzten Jahres ist das größte aller Industrieländer Die
Verschlechterung um 46 Milliarden DM in nur zwei Jahren ist erschreckend und alarmierend.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, für die Bundesregierung ist die Ursache dieser Entwicklung leicht gefunden: die gestiegene Ölrechnung. Natürlich, Herr Finanzminister, haben die höheren Kosten für unsere Öleinfuhren die Leistungsbilanz belastet. Wer wollte das bestreiten. Nur: Andere Länder mußten im vergangenen Jahr die gleichen höheren Ölpreise verkraften, ohne daß sich bei ihnen das Leistungsbilanzdefizit ähnlich dramatisch verschlechtert hätte, wenn wir einmal von den Entwicklungsländern absehen. Herr Finanzminister, es ist eben nicht nur die Ölrechnung, die das Leistungsbilanzdefizit verursacht hat, schwerer wiegt inzwischen, daß sich die Außenhandelsposition der Bundesrepublik ganz allgemein infolge eines schleichenden Verlustes unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit wesentlich verschlechterte.
Das hat auch die Bundesbank in ihrem Dezember-Bericht erstmalig sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie können darin lesen, man sei inzwischen vielerorts zu der Einsicht gekommen, daß es sich bei dem Leistungsbilanzdefizit nicht nur um die Folgen der Ölpreiserhöhung und nicht nur um ein konjunkturelles Phänomen handelt, das bei einer entsprechenden Konjunkturabschwächung wieder verschwindet, sondern zu einem beachtlichen Teil auch um ein längerfristiges und insoweit strukturelles Problem, auf das die Wirtschaftspolitik noch nicht reagiert hat, aber reagieren muß.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901607800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?

(Dr. Sprung [CDU/CSU]: Bitte, Herr Westphal!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0901607900
Herr Kollege Sprung, ich will Ihre Überlegung gar nicht bestreiten. Aber wenn Sie sagen, daß das Problem des Handelsaustausches viel größer als das durchs Öl verursachte sei, muß ich Sie fragen, ob Sie mir bestätigen wollen, daß wir jetzt neben der Schweiz das einzige Land in Europa sind, das noch eine positive Handelsbilanz hat.

Dr. Rudolf Sprung (CDU):
Rede ID: ID0901608000
Herr Westphal, Sie müssen dem doch die anderen Posten der Leistungsbilanz gegenüberstellen. Die Handelsbilanz allein ist es doch nicht. Das, was uns Schwierigkeiten macht, ist die Leistungsbilanz.

(Westphal [SPD]: Wir sprachen vom Handel, Herr Sprung, und auf den Teil habe ich abgehoben!)

— Natürlich, auch die Handelsbilanz ist entscheidend schlechter geworden. Der Überschuß der Handelsbilanz ist in einem enormen Ausmaß zurückgegangen.

(Westphal [SPD]: Aber Sie haben behauptet, das sei bei den anderen nicht der Fall, Herr Sprung!)




Dr. Sprung
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die von mir soeben angeführten Aussagen der Bundesbank sollten nicht übersehen und nicht vergessen werden; das gilt auch für die Aufforderung an die Bundesregierung, wirtschaftspolitisch zu handeln. Tatsächlich hat jedoch die Bundesregierung nichts getan. Zugute zu halten ist ihr seit Freitag lediglich, daß sie nicht mehr versucht, die Öffentlichkeit glauben zu machen, das Leistungsbilanzdefizit löse sich gleichsam von selbst.
Heute wurde schon einige Male gesagt: In Wahrheit leben wir über unsere Verhältnisse. Nichts anderes besagt doch das Leistungsbilanzdefizit. Die Leistungsbilanz hat etwas mit Leistung zu tun, Defizit hat etwas mit zu wenig Leistung zu tun. Wir leisten gegenüber dem Ausland weniger, als wir von dort in Anspruch nehmen. Wir kaufen und geben im Ausland mehr aus, als wir für unsere eigenen Waren und Dienstleistungen erlösen.
Das mag für kurze Zeit möglich sein, auf Dauer jedoch geht das nicht. Man kann die Lücke auf lange Sicht auch nicht marktmäßig, wie es die Bundesregierung ausdrückt, finanzieren. Bedeutet doch diese elegante Formulierung nichts anderes, als sich im Ausland zu verschulden.

(Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

— Tut man das auf Dauer, Herr Spöri, so steht am Ende dieser Entwicklung eine Situation, in der unsere Volkswirtschaft zum Teil oder ganz nicht mehr uns, sondern dem Ausland gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Wer hat denn das behauptet, Herr Dr. Sprung? Sie bauen doch einen Pappkameraden auf!)

Eine Krankheit heilt man nicht durch ein Kurieren an den Symptomen. Das Problem muß an der, Wurzel gepackt werden. Notwendige wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen müssen auf beiden Seiten der Außenwirtschaftsbilanz, beim Verbrauch im Inland und unseren Exporten ansetzen.

(Dr. Spöri [SPD]: Sehr richtig!)

Damit sind wir wieder bei der Schuldenpolitik der Bundesregierung, die das Leistungsbilanzdefizit entscheidendmit verursacht hat und die Gesundung der Leistungsbilanz erschwert.
Wenn Einschränkungen nötig sind, hat der Staat mit gutem Beispiel voranzugehen, Zeichen für die Zurückschraubung zu hoher und nicht mehr tragbarer, insbesondere konsumtiver Ansprüche zu setzen.

(Dr. Spöri [SPD]: Wo sind Sie denn beim Subventionsabbau, Herr Sprung?)

— Herr Spöri, darüber können wir im Ausschuß noch miteinander reden.
In diesem Zusammenhang ist die Energiepolitik natürlich von größter Bedeutung. Wenn die Ölrechnung nach Meinung der Bundesregierung das Leistungsbilanzdefizit verursacht hat und wenn die Bundesregierung sicherlich nicht davon ausgeht, daß die Ölpreise wieder sinken werden, muß gefragt werden, ob nicht alles hätte getan werden müssen, um die Abhängigkeit vom Öl entscheidend stärker zu verringern, als das bisher geschehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Das Fernwärmeprogramm!)

Die Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine der wenigen Regierungen, die die Lektion der Ölpreiserhöhungen der Jahre 1973 und 1974 nicht begriffen haben.
Immer wieder wird von der Bundesregierung der Hinweis auf unsere Währungsreserven — die größten der Welt — vorgebracht. Schon deshalb brauchten wir uns, so wird suggeriert, über das Loch in der Leistungsbilanz keine besonderen Sorgen zu machen.
Nun, meine Damen und Herren, festzuhalten ist, daß die Währungsreserven der Bundesrepublik im letzten Jahr um netto rund 27 Milliarden DM auf rund 62 Milliarden DM abgenommen haben. Damit ist in nur zwei Jahren ein Drittel der volkswirtschaftlichen Ersparnisse, Herr Spöri, die in 25 Jahren mühsam angesammelt und zusammengetragen worden sind, aufgezehrt worden.
Absolut unzulässig ist es im übrigen, wenn bei der Betrachtung der Währungsreserven die Goldbestände der Bundesbank zum Tagespreis bewertet werden, wie es der Bundeskanzler und auch der Bundesfinanzminister in der letzten Zeit häufiger getan haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: In höchster Not!)

Ich frage Herrn Matthöfer: Soll damit angedeutet werden — sonst verstehe ich diesen Hinweis nicht, Herr Bundesfinanzminister —, daß eines Tages der Buchgewinn aus einer solchen Bewertung zur Finanzierung des Loches in der Bundeskasse eingesetzt werden soll? Ich hoffe, nicht!
Meine Damen und Herren, der Rückgang der Devisenreserven wäre noch erheblich höher ausgefallen, wenn der Bund im letzten Jahr nicht seine Neuverschuldung immer stärker ins Ausland verlagert hätte, sich im Ausland das Geld zur Finanzierung des Bundeshaushalts zusammengepumpt hätte. Die Zahlen sind ja bekannt; heute sind sie schon einige Male genannt worden: 20,6 Milliarden sind es 1980 gewesen, und im nächsten Jahr — das haben wir bereits als Ankündigung gehört — werden in ähnlichem Umfange weiter Kredite im Ausland aufgenommen werden.
Die Bundesregierung rechnet sich diese Entwicklung als einen Erfolg an. Glaubt man dem Bundesfinanzminister, so ist die Verschuldung im Ausland kein Zeichen dafür, daß die Bundesrepublik über ihre Verhältnisse lebt, sondern ein Beweis für eine allererste Adresse, die die Bundesrepublik für potentielle Anleger darstellt. Herr Finanzminister, wenn das wirklich so wäre, wieso ist dann die D-Mark an den internationalen Finanzmärkten zunehmend ins Gerede gekommen? Tatsächlich — so ist es doch — fließt heute kein langfristiges Kapital mehr in die Bundesrepublik, und dies nicht nur der Zins-



Dr. Sprung
differenz wegen, sondern weil das Ausland kritischer geworden ist.

(Kiep [CDU/CSU]: Sehr richtig, leider!)

Das Ausland ist kritisch, ob die Bundesregierung noch in der Lage ist, mit den Problemen, insbesondere mit dem doppelten Problem des Haushaltsdefizits und des Leistungsbilanzdefizits, fertig zu werden.
Die Entwicklung des D-Mark-Kurses, die Abwertung der D-Mark nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber dem britischen Pfund und gegenüber dem Yen — eine Wechselkursentwicklung, die völlig entgegen der Entwicklung der Inflationsraten in den einzelnen Ländern verläuft — zeigt

(Dr. Spöri [SPD]: Bei dem Zinsgefälle, Herr Sprung!)

— aber ich habe doch dazu eben etwas gesagt, Herr Spöri! —, daß das Ausland die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik sehr skeptisch beurteilt.
Die direkte Folge dieses Leistungsbilanzdefizits
— das ist ein Thema, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Sie jetzt interessieren wird — ist der Verlust der Zinsautonomie der Bundesbank. Aus binnenwirtschaftlichen konjunkturellen Gründen — da sind wir uns wahrscheinlich alle einig —müßten die Zinsen bei uns sinken, um die Wirtschaft von der drückenden Zinslast zu befreien und Investitionen sowie Innovationen anzukurbeln. Aus außenwirtschaftlichen Gründen kann die Bundesbank dies jedoch auf keinen Fall tun. Der Bundesfinanzminister hat am Freitag völlig zu Recht darauf hingewiesen. Nur muß er diese Feststellung an die richtige Adresse richten, nämlich an die Kollegen seiner Fraktion, die etwas ganz anderes wollen, wie wir gehört haben: weitere Milliarden-Konjunkturprogramme und Zinssenkungen, beides zugleich. Das geht nicht.

(Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Von wem haben Sie das gehört?)

Einer Kehrtwendung um 180 Grad — Herr Häfele hat heute morgen schon darauf hingewiesen — kommt es gleich, wenn der Bundesfinanzminister neuerdings und ganz klar am letzten Freitag erklärte, daß die Zinspolitik für die konjunkturelle Entwicklung in unserem Lande ungleich wichtiger und effektiver als jedes Milliarden-Ausgabenprogramm sei.
Herr Finanzminister, ist Ihnen eigentlich klar, daß Sie damit eingestehen, daß Ihre Milliardenprogramme zur Konjunkturankurbelung, die Defizitpolitik der vergangenen Jahre, die gigantische Staatsverschuldung, die falsche Politik waren? Sie waren es doch, der im blinden Glauben an die Machbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung immer wieder darauf hingewiesen hat, daß genau so viel neue Schulden und keine Mark mehr aufgenommen würden, wie zur Sicherung der Beschäftigung erforderlich seien.
Mit Erleichterung allerdings haben wir von Ihnen gehört, daß Beschränkungen oder Erschwerungen von Auslandsreisen von Ihnen abgelehnt werden. Aber auch wegen dieser Überlegungen müssen Sie sich ausschließlich an Ihre Parteifreunde, Herrn Leber und Herrn von Bülow, wenden. Soeben habe ich den Ausführungen von Frau Matthäus-Maier entnommen, daß wahrscheinlich auch sie Adressat dieser Feststellung sein sollte. Wissen die beiden Herren nicht, daß Länder — Sie haben sie ja genannt — wie Österreich, Italien, Griechenland und Spanien nicht mehr in der Lage wären, die bei uns bezogenen Industriegüter zu bezahlen, und daß letztlich zusätzliche Arbeitslose die Folge wären? Will man das in Ihrer Fraktion?

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901608100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri?

Dr. Rudolf Sprung (CDU):
Rede ID: ID0901608200
Bitte schön, Herr Spöri.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID0901608300
Herr Kollege Sprung, Sie haben soeben die Zeit der Nachfrageprogramme in den letzten Jahren angesprochen. Ist Ihnen auch nach Ihrer Lageanalyse heute hier klar, daß zur Zeit dieser Nachfrageprogramme 'ganz andere zinspolitische Bedingungen, international gesehen, geherrscht haben, als heute herrschen, und insofern die Ausgangslage für. die Wirtschaftspolitik heute eine ganz andere ist?

Dr. Rudolf Sprung (CDU):
Rede ID: ID0901608400
Herr Spöri, die Aussage des Finanzministers lautet, daß Konjunkturprogramme in Milliardenhöhe auch nicht annähernd jene konjunkturelle Wirkung wie Zinssenkungen haben könnten. Das ist eine Aussage, die so steht und die Politik, die er bis dahin betrieben hat, Lügen straft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es bleibt festzuhalten: Die Leistungsbilanz ist kein technisch-theoretischer Begriff für Außenwirtschafts- und Währungsspezialisten. Sie ist der Ausdruck dessen, was wir vom Ausland an Gütern und Dienstleistungen in Anspruch nehmen und was wir umgekehrt an Gütern und Dienstleistungen an das Ausland leisten. Heute beziehen wir bei weitem zuviel und leisten zuwenig.
Zweitens. Die Bundesregierung tut so, als sei die gestiegene Ölrechnung ein unabwendbares Schicksal.

(Dr. Spöri [SPD]: Das stimmt nicht!)

Statt dessen wäre eine klare Aussage von SPD und FDP zur Kernenergie notwendig gewesen.

(Dr. Spöri [SPD]: Öleinsparungen von 9 %!)

Meine Zeit ist abgelaufen. Ich kann leider nicht mehr darauf antworten.
Regierungen haben die Möglichkeit und müssen den Mut haben, Zustimmung in der Bevölkerung zu als notwendig erkannten Schritten zu erhalten. Es genügt eben nicht, auf Meinungsumfragen zu schielen und dann zu vertagen.

(Dr. Spöri [SPD]: Das machen Sie!)

Drittens. Das Defizit in den öffentlichen Kassen, insbesondere der Kasse des Bundes, ist Ausdruck ei-



Dr. Sprung
ner verfehlten Finanz- und Konjunkturpolitik. Nicht zuletzt der blinde Glaube an staatliche Ausgabenprogramme hat Sie, Herr Finanzminister, immer weiter in rote Zahlen hineinrutschen lassen.

(Dr. Spöri [SPD]: Das haben Sie in den Ländern doch mitgemacht!)

Jetzt müssen Sie erkennen, daß jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann.
Leistungsbilanzdefizit und Haushaltsdefizit hängen direkt voneinander ab. Die Verringerung der Neuverschuldung ist eine entscheidende Voraussetzung zur Gesundung unserer Leistungsbilanz.

(Dr. Spöri [SPD]: Hurra!)

Viertens. Das Leistungsbilanzdefizit ist nicht nur konjunktureller Natur oder durch die gestiegenen Ölpreise bedingt, sondern auch struktureller Natur und kann daher nur durch entsprechende Umstrukturierungs- und Anpassungsprozesse unserer Wirtschaft abgebaut werden. — Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0901608500
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.

(Unterbrechung von 13.04 bis 14.00 Uhr)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901608600
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Das Wort hat der Abgeordnete Gobrecht.

Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0901608700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner vor der Pause hat im Zusammenhang mit dem Leistungsbilanzdefizit und der Finanzierung des Haushaltes einen Doppelansatz gefordert. Ich weiß nicht, warum er dies fordern mußte, denn ich meine, daß dieser Doppelansatz in der Haushaltsrede des Finanzministers zum Ausdruck gekommen ist und daß er auch in den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen, die wir heute hier in erster Beratung behandeln, sehr deutlich zum Ausdruck kommt. Es handelt sich um den Ansatz des „Weg vom 01" und die Ansätze der Verbesserung der Einnahmesituation des Haushalts und des Subventionsabbaus. Die erste Lesung des Änderungsgesetzes zum Mineralölsteuer- und Branntweinsteuergesetz kann nicht losgelöst von dem eben genannten Doppelansatz und auch nicht losgelöst von der steuerpolitischen Linie gesehen werden, die die sozialliberale Koalition seit einigen Jahren durch ihre Gesetzgebungsvorschläge und durch die Beschlüsse des Deutschen Bundestages deutlich gemacht hat.
Es ist in der heutigen Diskussion schon kurz angesprochen worden, daß die drei Steuerentlastungspakete, die in der vergangenen Legislaturperiode in Kraft gesetzt worden sind, u. a. ein ganz wichtiges Ziel hatten, nämlich die Steuerstruktur, d. h. das Verhältnis zwischen direkter und indirekter Steuerbelastung, in ein ausgewogeneres Verhältnis zu bringen. Das ist gelungen, wie die Zahlen ausweisen. In diesem Zusammenhang müssen wir natürlich ein Augenmerk auf die Anpassung, genauer gesagt auf die Erhöhung der Verbrauchsteuern, also der indirekten Steuern, legen. Ein gleichgewichtiges Verhältnis zwischen diesen beiden Steuerbereichen bedeutet ja nicht nur eine stabile Steuerstruktur, sondern es bedeutet auch auf Dauer und sehr viel wetterfester eine stabile Finanzierung der öffentlichen Haushalte.
In einer Haushaltsdebatte soll ja, wie ohnedies immer, offen geredet werden. Deshalb sage ich: Es kommt natürlich hinzu — als Mitglied des Bundestages sage ich das sehr deutlich —, daß die Verbrauchsteuern überwiegend Bundessteuern sind, deren Aufkommen dem Bund zum großen Teil zufließt. Die Mineralölsteuer und die Branntweinsteuer, die heute in Rede stehen, fließen dem Bund sogar ausschließlich zu. Der Deutsche Bundestag kann gesetzliche Regelungen zu diesen beiden Steuern daher auch abschließend behandeln. Dies ist für uns sicherlich ein wichtiger Gesichtspunkt, weil auf den Bund — das weisen alle nachprüfbaren Zahlen aus — in den letzten Jahren erheblich höhere Finanzanforderungen von außen zugekommen sind, als das bei den anderen Gebietskörperschaften der Fall war.
Die Erhöhung der Mineralölsteuer, die die Bundesregierung in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorschlägt, hat im Sinne dieses doppelten Ansatzes, von dem ich vorhin gesprochen habe, mehrere Gründe. Zum einen ist ehrlich zuzugeben, daß der Bund diese Mittel zur Deckung des Bundeshaushalts 1981 und der folgenden Haushalte braucht; denn dies sind — Verbrauchseinschränkungen bereits einkalkuliert — erhebliche Mittel. Allein für das Jahr 1981 rechnet die Bundesregierung mit einer Einnahmeverbesserung um 1,7 Milliarden DM, von 1982 an um jährlich 2,6 Milliarden DM. Der Bund muß dies einfordern, nachdem sich die Länder bei der Steuerneuverteilung geweigert haben, die von außen auf den Bund zukommenden finanziellen Belastungen mitzutragen, wie es eigentlich bundesfreundliches Verhalten von den Ländern hätte erwarten lassen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, mich ärgert ganz außerordentlich — und ich finde es unsauber und unseriös —, wenn immer wieder behauptet wird, nach den Wahlen sei die Bundesregierung, sei die sozialliberale Koalition mit Steuererhöhungen herausgekommen. Das ist die Unwahrheit; ich hätte fast gesagt, die absolute Unwahrheit, wenn es das gäbe.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Spöri [SPD]: Pappkamerad!)

Das ist vor den Wahlen angekündigt worden, nachdem der Agrarkompromiß im vorigen Sommer geschlossen worden ist. Ich finde, daß jedes Mitglied dieses Hauses sich zu schade sein sollte, an einer Legendenbildung mitzuwirken. Im übrigen ist es — in Klammern dazugesagt — auch sehr bedauerlich, wenn eine Zeitung, die sich sehr seriös fühlt, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", dieser Legendenbildung gleichfalls pausenlos Vorschub leistet. Wahrscheinlich ist die Seriosität da anders definiert. Aber ich finde, die kann man nur einheitlich definieren.

(Zustimmung bei der SPD)




Gobrecht
Das war natürlich auch eine Adresse an den verehrten Kollegen Häfele, den ich noch nicht sehe, der auch an dieser Legende massiv, so guter konnte, gestrickt hat. Das paßt nicht zu ihm, das paßt nicht zu uns, das sollte unterbleiben.
Es geht aber nicht nur um dieses finanzielle Argument, das ein wichtiges Argument ist, sondern man muß — damit knüpfe ich an meinen Vorredner vor der Pause an — die Mineralölsteuererhöhung, die die Bundesregierung dem Parlament vorgeschlagen hat, auch im Zusammenhang mit dem Leistungsbilanzdefizit, das hier beschrieben und beklagt worden ist, sehen. Wir müssen versuchen, mit allen marktwirtschaftlichen und — wenn es nötig ist — anderen Mitteln dahin zu kommen, geeignete Maßnahmen in Kraft zu setzen, die weg vom Öl führen; denn dieses Leistungsbilanzdefizit ist zu einem sehr großen — sicherlich nicht gänzlich — und zu einem, wie ich fürchte, wenn es mit dem Ölverbrauch so bleibt, steigenden Teil in der Zukunft durch unseren Rohölimport belastet. Wir brauchen deswegen in allen Politikbereichen immer wieder diesen Ansatz: Wo können wir im Bereich der Finanzpolitik, im Bereich der Wohnraummodernisierung und in allen anderen Bereichen ansetzen, um unsere Leistungsbilanz zu verbessern, um weg vom Öl zu kommen, um niedrigere Rohölimporte zu haben?
Der Bundesfinanzminister hat häufig eine, wie ich finde, einleuchtende — um nicht zu sagen: stringente — Argumentationskette vorgetragen, vom Rohölimport zum Leistungsbilanzdefizit, zur Notwendigkeit des Kapitalexports, zur Unbeweglichkeit der Bundesbank. Es herrscht ja dort kein böser Wille, sondern es ist bei der gegebenen Situation eine Unmöglichkeit, die Zinsen zu senken — was sicher erhebliche Auswirkungen — darüber hat mein Kollege Walther schon gesprochen — für die Kostenbelastung der Investitionen bei uns hätte und direkt auf die Zahl der Arbeitsplätze durchschlagen würde. Also auch von diesem Ansatz her darf man keinen Punkt geringschätzen, wenn es darum geht, zu versuchen, in den verschiedensten Politikbereichen — und dazu gehört auch die Mineralölsteuererhöhung, über die wir heute diskutieren — weg vom Öl zu kommen.
Ich finde es auch nicht seriös, sondern unseriös, wenn der Kollege Häfele ausgerechnet gegenüber dem Staat, gegenüber dem Finanzminister in diesem Zusammenhang von Preistreiberei redet; denn das ist durch die Fakten wahrlich nicht begründbar. Der Mineralölsteuersatz von heute ist mit 44 Pf auf den Liter Benzin seit 1973 unverändert; das weiß doch jeder. Wem bekannt ist, wie die Benzinpreise in diesen Jahren, ja in den letzten Wochen gestiegen sind, der kann sich leicht ausrechnen, wieviel geringer heute der Mineralölsteueranteil an einem Liter Benzin ist.

(Dr. Spöri [SPD]: Das sind die Fakten!)

— Ja, das sind die Fakten, aber die hört man nicht so furchtbar gern. Wenn das Wort Preistreiberei gerechtfertigt ist, dann sollte man es an die OPEC-Länder richten — leider sind die weit weg und unserem Einfluß nicht gerade sehr zugänglich —, aber auch
an die Mineralölkonzerne in der Bundesrepublik Deutschland,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

die immer im D-Zugverfahren, wenn die OPEC den Rohölpreis erhöht hat, sofort 5,5 oder 4 Pf auf den Literpreis des Mineralöls draufsetzen.

(Dr. Spöri [SPD]: Da protestieren die da drüben aber nicht!)

— Das ist wohl so; deswegen muß es gesagt werden, Herr Kollege Spöri.
Allein seit November, als die Bundesregierung den Gesetzentwurf erarbeitet und verabschiedet hat, ist der Liter Normalbenzin von 117,5 Pf auf 126,5 Pf, also um 9 Pf gestiegen. Ich will gar nicht vom Tag der Ankündigung der Bundesregierung an rechnen, und ich will auch nicht ausrechnen, was uns bis zum 1. April, dem vorgesehenen Termin für das Inkrafttreten der Mineralölsteuererhöhung, noch an Erhöhung ins Haus steht. Wenn also das Wort „Preistreiberei" angemessen ist, dann bitte in Richtung OPEC, in Richtung auch unserer Mineralölkonzerne. Allerdings sind angemessene Preiserhöhungen unvermeidlich.
Aber ganz besonders unglaubwürdig — wenn das ein parlamentarisch zulässiger Ausdruck wäre, würde ich sagen, geradezu heuchlerisch — finde ich die Kampagne des ADAC, die in diesen Tagen läuft, wo man versucht, uns mit vorgedruckten Briefen zuzuschütten und wo man ganz massiv gegen die Vorschläge der Bundesregierung zur Erhöhung der Mineralölsteuer um 7 Pfennig angeht. Dabei äußert man sich nur ganz sanft, säuselnd wie ein Frühlingswind, in Richtung Mineralölkonzerne. Ich finde, es wäre richtig, wenn man nicht nur so täte, als ob man den kleinen Autofahrer verträte,

(Dr. Spöri [SPD]: So etwas Scheinheiliges!)

sondern wenn man auch einmal massiv dort ansetzte, wo es wirklich angebracht ist. Blindheit auf einem Auge schadet jedem, also erst recht einem Verband wie dem ADAC, der mit den Beiträgen seiner vielen kleinen Leute, finde ich, nicht richtig umgeht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Gleichwohl — das füge ich als sozialdemokratischer Abgeordneter hinzu — sind die Probleme, die sich aus der wenn auch mäßigen Erhöhung ergeben, die die Bundesregierung bei der Mineralölsteuer vorschlägt, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wir wissen natürlich um die Probleme, die das für die Arbeitnehmer mit sich bringt, insbesondere in den Flächenbereichen der Bundesrepublik, die nicht mit einem guten öffentlichen Personennahverkehr ausgestattet sind. Wir wissen auch

(Zuruf von der CDU/CSU) .

— ich habe leider den Zuruf von rechts akustisch nicht verstanden —, was das für die kleinen Handelsvertreter, für all die Leute, die beruflich viel reisen müssen, bedeutet.



Gobrecht
Aber ich füge offen hinzu: Es gibt im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mineralölsteuer kaum Bewegungsspielraum für eine Erhöhung der Kilometerpauschale, die vielfach hier im Hause gefordert wird, selbstverständlich vor allem auch in Diskussionen in den Betrieben. Man kann den Pelz nicht waschen, ohne ihn naß zu machen. Es ist nun einmal so, daß eine Erhöhung der Kilometerpauschale auf die geforderten 50 Pfennig rund 1,2 Milliarden DM kostet. Wenn man das zu der für 1981 geplanten Erhöhung der Mineralölsteuer ins Verhältnis setzt — das wären 1,7 Milliarden DM —, ergibt sich schon allein aus diesem finanzwirtschaftlichen Aspekt die Unmöglichkeit.
Ich darf an unseren verehrten Koalitionspartner gerichtet sagen: Es geht nicht an, wenn wir eine solche schwierige Operation diskutieren, daß sich dann ein Partner sozusagen die Rosinen herauspickt und sagt: Na ja, die Mineralölsteuererhöhung muß aus übergeordneten Gesichtspunkten — Leistungsbilanz und dergleichen — sein, aber ebenfalls die Kilometerpauschale. — Dieser Punkt muß schon gemeinsam getragen werden, wenn er überhaupt beschlossen wird. Wir sind ja heute erst in der ersten Lesung.
Die Erhöhung der Kilometerpauschale würde im übrigen auch den energiepolitischen Ansatz in dieser Mineralölsteuererhöhung aus den geschilderten Gründen konterkarieren. Dazu muß bedacht werden, daß eine Erhöhung der Kilometerpauschale zum größten Teil mit ziemlicher Sicherheit für die Mitnehmer — das ist j a in diesem Fall nichts Unehrenhaftes —, also für diejenigen zu Buche schlägt, die sie in Wirklichkeit gar nicht brauchen, zum Beispiel in Ballungszentren. Ich komme aus Hamburg. Wir haben ein leistungsfähiges öffentliches Personennahverkehrssystem. Aber natürlich wird auch dort, wo es irgend geht, aus verschiedensten Gründen mit dem Auto gefahren. Hier würde sicherlich eine ganze Reihe dieser Beträge, was wir uns aus der Sicht des Haushalts nicht leisten können, landen.
Nach unserem heutigen Erkenntnisstand ist eine Differenzierung der Kilometerpauschale nicht möglich. Darüber ist nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch in den Bundesländern, in gemeinsamen Gesprächen auf der Ebene von Bund und Ländern, in vielen politischen Diskussionen nachgedacht worden. Ich glaube, daß eine differenzierte Kilometerpauschale für den Flächenbereich und für den Ballungsbereich an Differenzierungsproblemen scheitern muß, daß es, wenn man die Frage anpackte, zu Schwierigkeiten kommen würde, die verwaltungsmäßig nicht gelöst werden könnten.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901608800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier?

Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0901608900
Ja, bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0901609000
Nur damit kein Mißverständnis im Raum bleibt: Haben sie mich richtig dahin gehend verstanden, daß ich den Vorschlag einer Anhebung der Kilometerpauschale ausschließlich im Zusammenhang mit der beabsichtigten Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer gemacht habe, selbstverständlich aber nicht ohne eine solche Umlegung?

(Dr. Spöri [SPD]: Das ist etwas anderes!)


Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0901609100
Vielen Dank, Frau Kollegin Matthäus-Maier, für diese Klarstellung; das hilft uns. Denn dann haben wir auch diesen Punkt — das war der einzige Punkt, bei dem ich den Eindruck hatte, daß wir Beratungsschwierigkeiten bekommen könnten — ausgeräumt; vielen Dank.

(Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Das ist sicherlich nicht der einzige Punkt!)

— Nun, Beratungen haben es an sich, Herr Kollege von Wartenberg, daß man Gegenargumente aufnimmt. Dann sind, wenn Sie mir diese Feststellung gestatten, Beratungsschwierigkeiten natürlich systemimmanent. Die Hauptsache ist ja, daß man am Schluß gemeinsam abstimmt. Da Sie so lange wie ich dabei sind, wissen Sie, daß wir das immer hingekriegt haben; das kriegen wir auch in diesem Fall hin.

(Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Aber wie!)

Meine Damen und Herren, um den Gedankengang über eine differenzierte Kilometerpauschale abzuschließen: Selbst wenn dies möglich, verwaltungsmäßig verkraftbar wäre, wäre das natürlich ein totaler Schlag gegen jede Vorstellung von Steuervereinfachung. Ich halte all das auch aus diesem Grunde nicht für möglich.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901609200
Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen; Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0901609300
Vielen Dank, Herr Präsident, das will ich tun. — Ich will dann nur noch darauf hinweisen, daß wir im Rahmen der Branntweinsteuererhöhung die Einwendungen sehr sorgfältig prüfen werden. Gerade als Hamburger könnte ich ein Lied davon singen, was ich jetzt aber nicht tun will. Wir werden im Hearing des Finanzausschusses am 11. Februar die Betroffenen hören, wir werden die Einwendungen wägen und prüfen und dann zum Schluß entscheiden. Wir sind zum Entscheiden bereit, und zwar auch dann, wenn es weh tut. Denn, meine Damen und Herren, Einnahmeverbesserungen für den Haushalt oder Subventionsabbau sind nie möglich, ohne daß man jemandem weh tut. — Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901609400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Riedl.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0901609500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst ganz kurz auf eine Bemerkung eingehen, die die Frau Kollegin Matthäus-Maier heute vormittag gemacht hat. Sie hat sich stolz und mit einer solchen Inbrunst an Überzeugung gerühmt, in dem



Dr. Riedl (München)

Bundeshaushalt 1981 gebe es überhaupt keine neuen Stellen

(Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Herr Gärtner auch!)

— das hat Herr Kollege Gärtner auch gemacht —, daß es die meisten in diesem Hohen Hause und wahrscheinlich auch die Bürger draußen, die das gehört haben, geglaubt haben. Frau Kollegin Matthäus-Maier, richtig ist, daß es im Bundeshaushalt 1981 die Schaffung einiger ganz beachtlicher Stellen gibt. So ist beispielsweise eine B6-Stelle für den Ihnen ja allen bekannten Professor Machens, der mit dem früheren Bundeswirtschaftsminister Schiller in sehr enger Beziehung gestanden hat, neu ausgebracht worden. Machens kommt also wieder. Auch sind drei neue Stellen für die Ihrer Partei angehörende Ausländerexpertin, Frau Funcke, ausgebracht worden, nämlich eine A16-Stelle und zwei A15-Stellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Filz!)

Außerdem haben Sie in diesem Zusammenhang verschwiegen, daß für Frau Funcke 180 000 DM in einer eigenen Titelgruppe ausgewiesen werden. Des weiteren haben Sie verschwiegen, daß die Zuwendungsempfänger, also diejenigen, die vom Bund Geld kriegen, 150 neue Stellen bewilligt bekommen haben und daß in der Tat 1 500 Stellenhebungen für A9 + Z im Haushalt ausgewiesen sind.
Frau Kollegin, ich schätze an Ihnen ja Ihre außerordentlich hohe Intelligenz und kann deshalb gar nicht annehmen, daß Sie das nicht gewußt haben. Das heißt, daß Sie uns mit Ihrem so überzeugenden weiblichen Charme beschwindelt haben; das können Sie im Deutschen Bundestag natürlich nicht sehr oft tun.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Logische Folge des weiblichen Charmes!)

Noch ein Wort an die FDP. Die Rede des Kollegen Gärtner heute vormittag hat mir sehr gut gefallen. Er hat sich in der Tat die Mühe gemacht, en detail Überlegungen anzustellen, wie in diesem Haushalt echt gespart werden kann.

(Dr. Spöri [SPD]: Das fehlt bei euch!)

— Soweit Sie sie überhaupt kapiert haben, war eine ganze Reihe von Punkten dabei, die wir im Haushaltsausschuß, Herr Kollege Gärtner, gemeinsam miteinander beraten können. Sie haben sich hier hingestellt und im Brustton der Überzeugung gesagt: Im Freistaat Bayern hat dieser böse Strauß 5 000 neue Stellen geschaffen; das sind überwiegend Stellen für neue Lehrer. Die FDP im bayerischen Landtag macht seit Jahren nichts anderes, als ständig nach neuen Lehrern zu rufen. Doppelstrategie geht nicht, Frau Matthäus-Maier.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da müssen Sie mal Ihre Landtagsfraktion anrufen, damit diese nicht die Schaffung zusätzlicher Stellen für Lehrer fordert. Dies ist eine Politik der charmanten, der leichten Beschwindelung und Berieselung.

(Löffler [SPD]: Na! Na! Na!) Daher braucht man sich natürlich nicht zu wundern, wenn der Bundeshaushalt jahraus, jahrein immer mehr in die roten Zahlen gerät.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man nach dem Studium des Haushaltsplanes — —

(Zuruf von der SPD)

— Tilgen Sie erst einmal die 4 Millionen DM Schulden, wie ich das bei 1860 getan habe, Herr Kollege; dann wären Sie bei Eintracht Braunschweig ein hochgeachteter Abgeordneter.

(Heiterheit und Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

Wenn man den Entwurf des Bundeshaushalts, die mittelfristige Finanzplanung, vor allen Dingen die Einbringungsrede und dazu noch die Einlassungen der Kollegen aus der Koalition zu diesem Haushalt Revue passieren läßt, dann ergibt sich im Ergebnis für den Bundeshaushalt 1981 eine Reihe von Feststellungen, die ich hier einmal treffen möchte.
Der Bundeshaushalt 1981 ist trotz enormer verbaler und Konstruktionen verhafteter Anstrengungen ein schlechter Staatshaushalt, weil die Gesamtverschuldung der Bundesrepublik Deutschland durch ihn einen neuen Rekordstand erreichen wird. Insgesamt — das ist heute schon gesagt worden — klettern 'die Schulden des Bundes auf 255 Milliarden DM. Die Nettokreditaufnahme des Bundes stellt mit 27,4 Milliarden DM die zweithöchste Neuverschuldung in der Finanzgeschichte unseres Landes dar.
Der Bundeshaushalt 1981 ist ein schlechter Haushalt, weil schon seit Jahren und auch diesmal wieder die Ausgaben für den Schuldendienst des Bundes den zweitgrößten Ausgabeblock nach den Sozialausgaben im Bundeshaushalt überhaupt darstellen. Am meisten geben wir für den Sozialhaushalt aus, dann kommen schon Tilgung und Verzinsung unserer Schulden. Für Tilgung und Verzinsung dieser Schulden muß der deutsche Steuerzahler im Jahre 1981 die Rekordsumme von 51 Milliarden DM aufbringen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Wir geben jetzt bereits sechsmal so viel für Tilgung und Verzinsung unserer Schulden aus, wie für den Bereich der Forschung und Entwicklung dringend erforderlich wäre. Gegenüber den Ausgaben des Verkehrshaushalts ist es fast doppelt so viel.
Der Bundeshaushalt 1981 ist ein schlechter Haushalt, weil die Ausgaben für Investitionen, die wichtigsten Grundlagen für die Zukunftssicherung unseres Landes, einen neuen Tiefstand erreichen. Noch nie wurde im Haushalt der Bundesrepublik Deutschland eine so niedrige Investitionsquote erreicht wie durch die Politik der sozialliberalen Koaliton; im Jahre 1981 wird die Investitionsquote 13,9 % betragen.
Der Bundeshaushalt 1981 ist ein schlechter Haushalt, weil er mit erheblichen Risiken belastet ist. Ich habe heute Vormittag dem Herrn Bundesfinanzminister — von dort vorn aus konnte ich das machen; jetzt ist er leider nicht da, so daß ich dem Herrn



Dr. Riedl (München)

Staatssekretär in die Augen schaue — einmal ganz gezielt in die Augen geschaut, wie er sich verhielt, als der Kollege Häfele davon sprach, daß die Nettoneuverschuldung des Bundes im Jahre 1981 aufgrund der auch von dieser Regierung nicht bestrittenen Risiken die 30-Milliarden-DM-Grenze im Galopp spielend übersteigen wird. Der Herr Kollege Häfele hat sogar davon gesprochen, daß wir wahrscheinlich die 40-Milliarden-DM-Grenze überschreiten werden. Der hat nicht einmal gezuckt, meine Damen und Herren, sondern offensichtlich mit einer Pokerface-Mine nachgedacht: Woher weiß denn der Häfele, daß es wirklich so weit kommen wird? — Die Risiken, die auf uns zukommen, sind in diesem Haushaltsplan und in den Erläuterungen überhaupt nicht beziffert. Es wäre die Aufgabe eines Bundesfinanzministers oder auch Ihre Aufgabe, Herr Staatssekretär, uns dies nach dem Grundsatz der Haushaltsehrlichkeit einmal en detail zu erklären, z. B. uns zu sagen, was auf uns zukommt, wenn die in den letzten Tagen genannte Arbeitslosenzahl von 1,6 bis 1,8 Millionen, wahrscheinlich 2,0 Millionen Arbeitslosen eintritt, und welche Auswirkungen das auf diesen Bundeshaushalt haben wird. Das müssen Sie uns sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieser Bundeshaushalt ist ein schlechter Haushalt, weil er die Zukunftschancen unseres Volkes weiter vermindert.

(Löffler [SPD]: Ach was!)

Er ist das in Zahlen ausgedrückte Dokument — Dokument, Herr Kollege Löffler! — einer 1969 unter der Devise „Reformpolitik" begonnenen, in Wirklichkeit verfehlten Politik, welche zu einer beispiellosen Belastung unserer Bürger geführt hat. Der Dumme dieser Politik ist doch der kleine Mann, der dieser Politik gar nicht ausweichen kann, der die Lasten unmittelbar zu spüren bekommt und sie ganz allein tragen muß. Die Reichen in unserem Lande, die Sie immer so gern attackieren, weichen doch aus, sie gehen ins Ausland, sie kehren uns den Rücken, sie investieren ganz woanders. Nur der kleine Mann muß sich mit Ihrer Politik auseinandersetzen, und diesem kleinen Mann haben Sie mit großen Worten — —

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sie müssen bei denen so beliebt sein, wie Sie beleibt sind! Diese Art von Gaukelei paßt zu Ihnen! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Herr Kollege Wehner, daß Ihnen das nicht paßt, weiß ich doch. Das würde mir auch nicht passen, wenn ich Berufssozialist wäre, ganz und gar nicht, das ist doch selbstverständlich.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Aber jetzt gaukeln Sie einmal mit mir mit, Herr Wehner. Jetzt nenne ich Ihnen ein Beispiel, was Sie als Steuerentlastung gebracht haben. Ein Verheirateter, Alleinverdiener, zwei Kinder, Jahreseinkommen 36 000 DM, bekommt an Steuerentlastung und Kindergelderhöhung 1981 zusammen 282 DM jährlich mehr. Durch die von Ihnen verordneten höheren
Sozialabgaben, durch die höhere Mineralölsteuer nehmen Sie ihm das alles wieder weg, und da Sie ihm auch noch die Sparprämie gestrichen haben und der Inflationsverlust hinzukommt — wenn es stimmt, was wir in dieser Woche zu hören bekommen, daß die Inflationsrate im Januar 6,0 % beträgt —,

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Mit steigender Tendenz!)

ist dieser Mann ärmer dran, als er vorher war. Und dann reden Sie von Gaukelei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man die Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers vom vergangenen Freitag gehört hat — ich weiß ja, jeder Märchenerzähler setzt den Wolf immer dorthin, wo er ihn in der Geschichte gerade braucht —, dann gibt es bei ihm den bösen Wolf, also das Geschehen, das in seiner Märchengeschichte die entscheidende Rolle spielt, in Gestalt der weltweit gestiegenen Ölpreise. Natürlich wissen wir alle — das brauche ich niemandem zu erzählen, das weiß jeder durch die tägliche Erfahrung —, daß die gestiegenen Ölpreise inzwischen gleichermaßen zu einem Problem für die Industrieländer und für die Entwicklungsländer geworden sind. Sich aber allein und immer nur darauf zu berufen und außer acht zu lassen, daß die von Ihnen seit 1969 betriebene falsche Politik der sozialliberalen Koalition die Hauptursache dieser heutigen Finanzmisere ist, ist eine Volksverdummung ganz besonderer Art.
Die Staatsquote beträgt heute 471/2 % gegenüber noch unter 38 % im Jahr 1969.

(Zuruf von der SPD)

Der überproportionale Anstieg der Bundesausgaben insgesamt seit 1969, der Anstieg der Personalkosten,

(Löffler [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

die staatlichen Subventionen, die konjunkturprogramme und die inflationsbedingten Einnahmesteigerungen liegen in der Verantwortung dieser Koalition, und sie hauptsächlich sind die Verursacher der heutigen Finanzkrise.

(Löffler [SPD]: Nicht Polemik, sondern Rechnen!)

— Herr Kollege Löffler, Sie kommem ja gleich herauf, und dann halten Sie ihre Rede vom letzten Jahr. Dann werden Sie ganz genau merken, wie Sie sich schon vor zwölf Monaten getäuscht haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt ist nicht nur ein Haushalt, der schlecht ist, sondern er ist auch ein Haushalt der Ratlosigkeit. Wege aus der Staatsverschuldung und damit Anhaltspunkte, wie der Teufelskreis von immer größerer Staatsverschuldung und ständig steigender Belastung unserer Bürger durchbrochen werden kann, sind nicht erkennbar. Ich muß jetzt noch einmal an-



Dr. Riedl (München)

erkennen, daß sich der Kollege Gärtner heute wohl als einziger aus den Reihen der Regierungskoalition wenigstens die Mühe gemacht hat, Denkansätze in dieser Richtung zu zeigen.
Sie fragen uns immer nach den Alternativen. Ich werde jetzt in concreto auf einige Punkte zu sprechen kommen und Ihnen eine Antwort geben, und der Kollege Löffler kann dann anschließend etwas dazu sagen.
Wenn sich der Staat entschulden will, hat er drei Möglichkeiten. Er kann erstens das Geld entwerten, er kann zweitens die Steuern und Abgaben erhöhen, und/oder drittens kann er die öffentlichen Ausgaben vermindern. Nach unserer Meinung kommt für eine durchgreifende Sanierung des Bundeshaushalts nur eine Verminderung der öffentlichen Ausgaben in Frage. Genau dies tut die Bundesregierung nicht, weder vom Volumen noch von den hierfür geeigneten Positionen her. Seit Jahren nimmt die Bundesregierung eine schleichende Inflation, also eine Geldentwertung, und eine damit ausgelöste Befriedigung unseres Finanzbedarfs hin. Dabei ist, wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium bereits 1975 festgestellt hat, eine solche Politik zum Scheitern verurteilt, weil der in den letzten Jahren praktizierte Versuch, den Kampf um die Anteile am Sozialprodukt anonym über den Inflationsprozeß auszutragen und zu lösen, für alle beteiligten Gruppen mit einem negativen Ergebnis geendet hat: für den Staat mit einem wachsenden Schuldenberg, für die Arbeitnehmer mit der höchsten Nachkriegsarbeitslosenrate, für die Unternehmer mit Zusammenbrüchen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten und mit der bislang stärksten Reduktion der Gewinne.
Angesichts dieser Situation, meine Damen und Herren, und da wir — das kann ich kurz machen — Erhöhungen von Steuern und Abgaben eben nicht als probates Mittel für die Behebung der Staatsverschuldung ansehen, kommt nur das Instrument der Ausgabenkürzungen in Frage, d. h. im Prinzip sparen und weniger ausgeben.

(Zurufe von der SPD: Hört! Hört! Wo?)

Nicht von ungefähr, Herr Kollege, haben sich doch Ihre Haushaltsexperten und die von der FDP vor einigen Tagen in der Eifel zu einer Klausurtagung getroffen. Warum haben sie sich denn getroffen? — Weil die Haushaltsleute ganz genau wissen und erkannt haben, daß in diesem Bundeshaushalt weit weniger gespart worden ist, als notwendig gewesen wäre. Wenn in diesem Haushalt alles in Ordnung wäre, hätten sich die Experten doch gar nicht zu dieser Klausurtagung zu treffen brauchen.

(Zuruf von der SPD: Seit zehn Jahren geschieht das!)

Angesichts dieser bedrohlichen Finanzsituation müssen wir — ich glaube, wir sollten in diesem Hohen Hause und im Haushaltsausschuß jedenfalls den Versuch machen — gemeinsam nach vorne schauen und uns die Frage stellen: Was können wir gemeinsam tun?
Erstens. Hauptpunkt einer jeder Konsolidierung ist — da darf es zwischen uns im Prinzip, wenn wir den Staatshaushalt konsolidieren wollen, keine Meinungsverschiedenheiten geben —, die Ausgabenexpansion in Grenzen zu halten.

(Zuruf von der SPD: Wo?) — Ich sage Ihnen die Prozentsätze.

Der Sachverständigenrat hat in seinem Jahresgutachten 1980/81 vorgeschlagen, den Anstieg der Ausgaben des Bundes ungefähr anderthalb Prozentpunkte unter der Zuwachsrate des nominalen Bruttosozialprodukts zu halten. Auf diese Weise wäre es über vier Jahre hinweg, also bis zum Jahre 1985, möglich, die Konsolidierung annähernd zu erreichen. Das hätte aber bedeutet, daß dieser Haushalt nicht über 4 %, sondern lediglich um 3 % steigen dürfte; und wenn das nominale Bruttosozialprodukt, wie sich im Laufe dieses Jahres noch zeigen wird, eine noch geringere Steigerungsrate hat, dann dementsprechend um anderthalb Prozentpunkte niedriger.
Herr Bundesfinanzminister, wozu beschäftigen Sie eigentlich den Sachverständigenrat beim Bundesfinanzministerium, der Ihnen diese ganz hervorragende und wirkungsvolle Empfehlung gibt, wenn Sie sich nicht daran halten?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie einen Bundeshaushalt vorgelegt hätten, der dieser Forderung nach dem Voranschreiten auf dem Weg zu einer echten Konsolidierung Rechnung getragen hätte, dann hätte es in der Fraktion der CDU/CSU für einen solchen Vorschlag und für Sie eine ganz elementare Unterstützung gegeben. Aber so ist eine weitere Verschuldung des Bundes unvermeidlich.
Auch heute vormittag waren immer diese Fragen zu hören: Was täte die Opposition? Erst blähen Sie den Haushalt auf, gehen über die Empfehlungen des Sachverständigenrats hinweg, und dann fragen Sie uns!
So geht es doch nicht, Herr Staatssekretär. Sie müssen sich in der Tat an den Eckwerten orientieren. Ihr Eckdatum der Steigerung des Bundeshaushalts in der Höhe, wie Sie es vorgeschlagen haben, ist von Grund auf falsch.
Zweitens. 1m Prinzip richtig ist die Entscheidung der Bundesregierung, die Subventionen abzubauen. Leitlinie beim Durchforsten der Subventionswirtschaft sollte sein — auch dies haben die Sachverständigen festgestellt —, die Subventionen überall dort zu beschneiden, wo sie ihre Funktion verloren haben, nicht mehr erfüllen oder Schaden anrichten. Um dies aber zu beurteilen, brauchen wir eine genaue Prüfung der Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Subventionszweckes, sozusagen eine Kosten-Nutzen-Analyse. Wer nicht mehr nachweisen kann, daß aus seiner Subvention Investitionsanreize hervorgehen, sollte darauf auch keinen Anspruch erheben. Wir sind der Auffassung, daß Erbhöfe bei den Subventionen gestrichen werden müssen. Nur, das, was die Bundesregierung zu diesem Haushalt an Subventionsabbau vorschlägt, ist entweder gar keine



Dr. Riedl (München)

Subvention wie die Postablieferung — das ist Mundraub an den Fernsprechteilnehmern,

(Beifall bei der CDU/CSU)

denen Sie die hohen Gebühren auflasten, um damit Ihren desolaten Haushalt zu finanzieren — oder es setzt ohne die exakte Wirtschaftlichkeitsberechnung genau dort an, wo Sie in Ihrer Politik der Durchsetzung gegen den geringsten politischen Widerstand vermuten, daß es sich um eine Klientel unserer Seite und weniger um eine Klientel der SPD und FDP handelt. Das ist Ihre Politik und Ihr Prinzip beim Subventionsabbau.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens. Der ständige Ruf nach mehr Staat hat zu einer Perfektionierung der staatlichen Tätigkeit geführt, die die Grenzen einer vertretbaren Verwendung der uns anvertrauten Steuergelder längst überschritten hat. Eine Flut von Gesetzen und Verordnungen hat den Staatsapparat schwerfällig und teuer werden lassen. Die Verantworung für diese Entwicklung trägt die Regierung, trägt aber auch dieses Parlament. Wir sollten in der Tat auch einmal dieses Problem anpacken und uns einmal verpflichten — wenn das ginge, würde das deutsche Volk sich in einer ganz anderen Einstellung dem Deutschen Bundestag gegenüber zeigen, da bin ich ganz sicher —, ein Jahr lang keine ausgabenwirksamen Gesetze in diesem Parlament zu verabschieden und einfach einmal ein Jahr lang darauf verzichten, dem Burger, der mit Gesetzen und Verordnungen überflutet ist, weitere Gesetze und Verordnungen zuzumuten. Das wäre ein Segen für unser Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viertens, und damit komme ich zum letzten Punkt. Wer groß sparen will, muß klein anfangen. Wer diesen Haushalt durchsieht, ist allerdings, was das Sparen im Kleinen angeht, rasch enttäuscht. Ich darf jetzt einmal an Ihre Frage, die Sie immer an uns richten, anknüpfen: „Wo wollen Sie sparen?" Ich sage Ihnen, wo Sie es können. Herr Bundesfinanzminister und meine Damen und Herren von der Bundesregierung, fangen Sie zunächst einmal bei sich selbst an! Reduzieren Sie die Stäbe im Leitungsbereich Ihrer Ministerien, die Sie in den letzten Jahren verfünffacht haben!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Verhindern Sie die Parteibuchkarrieren, bei denen man in elf Jahren vom Berufsanfänger zum Staatssekretär aufsteigt!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Herren von der Regierung, fahren Sie kleinere Dienstwagen, wie Sie es dem deutschen Autofahrer in der „Bild"-Zeitung in unregelmäßigen Abständen immer wieder anraten!

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Kürzen Sie die Mittel für Ihre barocke Hofhaltung,

(Weitere Zurufe von der SPD) kürzen Sie die Mittel für die Repräsentation, gehen Sie weniger auf Reisen, und kürzen Sie die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit! Sie können im Jahre 1981 die gesamten Öffentlichkeitstitel streichen, weil es keine Wahlen gibt. Es schadet Ihnen nicht einmal, wenn Sie das machen. Sie sparen sich eine Menge Geld.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901609600
Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Schluß zu kommen.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0901609700
Gerne, Herr Präsident.
Gehen Sie mit dem Geld der Steuerzahler sorgsamer um, wenn Freunde des Bundeskanzlers oder Spezis von Berliner Senatoren — der Berliner Landeshaushalt wird j a überwiegend aus Bundesmitteln bezahlt — um Staatsbürgschaften für ihre Pleiteunternehmer nachsuchen.
Wir werden Sie bei Sparaktionen dieser Art nicht behindern. Wir tragen vernünftige Sparvorschläge mit, mit denen Sie das Ziel einer dauerhaften Sanierung erreichen können.
So wie dieser Bundeshaushalt angelegt ist, Herr Bundesfinanzminister, und wenn er nicht durchgreifende Veränderungen erfährt, wie ich sie angedeutet habe, wird die CDU/CSU in der zweiten und dritten Lesung diesem Haushalt nicht zustimmen können.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901609800
Das Wort hat der Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (SPD):
Rede ID: ID0901609900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Redner der Opposition, insbesondere die Kollegen Haase und Riedl, haben wieder einmal ein gar schreckliches Gebilde von dem Untier Staat gemalt, das dem Bürger das Geld gierig aus den Taschen frißt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Mit „Staat" ist natürlich in allererster Linie der Bund gemeint. Die Farben dieses Gemäldes sind zu grell, die Konturen verschwommen. Deshalb trifft dieses Bild auch die Realität nicht, wie der Kollege Riedl eben mit seinen Schlußworten noch einmal ganz eindeutig für alle, die ein bißchen rechnen können, unter Beweis gestellt hat.
Sollte man dieses hier dargestellte Gemälde kunsthistorisch einordnen, dann wäre es wohl der Wiener Schule des phantastischen Realismus zuzurechnen. Die einzelnen Elemente wirken zwar realistisch, aber die Gesamtdarstellung bringt nichts, was rational erkennbar wäre, sondern sie vermitteln nur Empfindungen und Gefühle. In Ihrem Gemälde sind es Gefühle der Unruhe, der Unsicherheit und der Angst, die Sie verbreiten wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, der Kanzler hat von dieser Stelle alle — auch Sie — aufgerufen zum Mut zur Zukunft.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Der Kanzler hat sich selber Mut Löffler gemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)




Nehmen Sie dieses Wort des Bundeskanzlers etwas ernster als bisher! Legen Sie doch Ihren Kleinmut ab! Kleinmut ist doch keine Alternative. Fürchten Sie sich nicht, wir sind ja bei Ihnen, Herr Häfele!

(Lachen bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Jetzt wird er auch noch blasphemisch!)

Wie sieht nun die Realität aus? Herr Häfele und auch der Herr Kollege Haase haben von einem bestimmten Anteil gesprochen, den sich der Staat vom Bruttosozialprodukt nimmt, um seine Aufgaben zu erfüllen. Ich habe mir gestern auch einmal die Zahlen angeguckt. Wir beide, Herr Haase, sind schon über soviel Jahre miteinander politisch im Clinch, so daß man sich gegenseitig gut einschätzen kann. Ich habe an meinem Schreibtisch gestern genau gewußt, was Sie heute sagen werden und habe mir auch einiges durchgerechnet.
Der Staat braucht diesen Anteil am Bruttosozialprodukt, um seine vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben wird von dem Moloch Staat nicht als Selbstbedienungsgeschäft betrieben, sondern dient den Menschen dieses Landes; das darf man nicht vergessen. Das Geld wird von den staatlichen Organen nicht irgendwelchen Interessengruppen hingeschoben, sondern dahinter steckt das eindeutige Bemühen, die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande und den Fortschritt aufrechtzuerhalten.
Aber nun zu den konkreten Zahlen. 1970 lag die Staatsausgabenquote — also ohne Sozialversicherung — bei 31,4 % des Bruttosozialprodukts. Der Bund nahm 13,38 % des Bruttosozialproduktes für die Erfüllung seiner Aufgaben in Anspruch, die Länder und Gemeinden beanspruchten 18,02 %. 1979 ist dieser Anteil der Staatsausgabenquote am Bruttosozialprodukt auf 36,9 % gestiegen. Auf den Bund entfielen 14,5 %, auf die anderen öffentlichen Kassen, also Länder und Gemeinden, 22,4 %.
Daraus ergibt sich, daß der Anteil des Bundes am Bruttosozialprodukt für seine Aufgaben in neun Jahren um 1 % gestiegen ist. Bei Ländern und Gemeinden hingegen beträgt die Steigerung 4 %. Diese geringfügige Steigerung des Bundesanteils muß man sehen vor dem Hintergrund einer gewachsenen außenpolitischen Verpflichtung, unseres starken finanziellen Engagements in der EG, der Verantwortung des Bundes für den sozialen Konsens in unserer Gesellschaft und für eine ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung in allen Regionen der Bundesrepublik. Hinzu kommt die Hauptverantwortung des Bundes für wirtschaftliches Gleichgewicht und Vollbeschäftigung. In all diesen Bereichen hat sich der Bund in den vergangenen Jahren immer stärker engagiert und hat dennoch seinen Anteil am Bruttosozialprodukt im Gegensatz zu den Ländern nur um 1 % erhöht; bei den anderen hat sich der Anteil, wie gesagt, um über 4 % erhöht.
Lieber Herr Kollege Riedl, wer dem Staat leichtfertigen Umgang mit den Finanzen vorwerfen will, steht im Plenarsaal des Deutschen Bundestages am falschen Platz. Ich empfehle z. B. das Maximilianeum in München.

(Lachen bei der CDU/CSU)

— Herr Kollege Riedl, niemand zwingt die Opposition, an ihre eigene Polemik auch noch zu glauben. Es reicht schon, wenn Sie sie vortragen: Sie brauchen nicht noch daran zu glauben.
Allein an diesem Zahlenbeispiel wird doch deutlich, daß sich der Bund in den vergangenen Jahren um eine außerordentlich strenge Prioritätensetzung bemüht hat. Und was ist in diesem Zusammenhang Prioritätensetzung anderes als strenge Sparsamkeit.
Die relative Zurückhaltung des Bundes bei den Staatsfinanzen wird auch bei einer anderen Betrachtung deutlich, über die bisher heute noch kein Wort gesagt worden ist. Von 1970 bis 1979 sind die Ausgaben des Bundes um 224 % gestiegen. Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse, also diejenigen Mittel, die der Bund zur Förderung bestimmter Ausgaben gleich weiterreicht und die im Bundeshaushalt nur durchlaufende Posten sind, sind dagegen überproportional um 230 % und die Ausgaben für Investitionen sogar um 284 % gestiegen. Der Staat hingegen ist, gemessen am Bruttosozialprodukt, in diesen Jahren nicht teurer geworden. Was er für Gehälter, Versorgungsbezüge, Dienstwagen, Beihilfen, Unterstützungen und für seine sächlichen Ausgaben für die Verwaltung zahlt, entspricht fast genau der allgemeinen Steigerung der Bundesausgaben. In diesem Zusammenhang davon zu reden, es sollten Repräsentationsmittel gekürzt werden und der Wagen könne auch eine Nummer kleiner sein, ist eine völlige Verkennung der finanzpolitischen Tatsachen in unserem Lande.
Man kann also feststellen: Die Zuwächse beim Bruttosozialprodukt hat sich der Staat nicht unter den Nagel gerissen; er hat sie vielmehr dafür ausgegeben, unsere nach vorn gerichtete wirtschaftliche Entwicklung weiterhin zu erhalten.
Die hohe Kreditaufnahme in den letzten und auch in den künftigen Jahren muß tatsächlich mit Sorge betrachtet werden, und zwar schon allein wegen der daraus resultierenden wachsenden Zinsbelastungen in der Zukunft. Der Grund für eine Sorge ist aber immer eine andere Sorge, über die ich jetzt einiges sagen möchte, weil es die hochverehrten Herren Vorredner der Opposition bisher völlig vergessen haben, auf diese Sorge einzugehen.
Seit Jahren befindet sich unsere Weltwirtschaft in schweren Turbulenzen. Davon werden die einzelnen Volkswirtschaften unterschiedlich hart betroffen, andere, nebenbei gesagt, sehr viel härter als unsere. Hand in Hand mit diesen wirtschaftlichen Turbulenzen treten auch machtpolitische Turbulenzen auf, die den Frieden gefährden können und deshalb alle Staaten, die den Frieden erhalten wollen, zu besonderen Anstrengungen verpflichten, auch zu Anstrengungen finanzieller Art. Das ist die Stunde, die geschlagen hat, Herr Haase, nicht das, was Sie hier vorgetragen haben.



Löffler
Wie unsere Welt aussehen wird, wenn sich diese Turbulenzen einmal gelegt haben werden, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand mit Sicherheit vorhersagen. Hoffentlich wird daraus eine neue Solidarität zwischen den Völkern der Welt als eine Voraussetzung für Frieden und eine nach vorn gerichtete wirtschaftliche und soziale Entwicklung überall in der Welt erwachsen. Aber wer weiß, ob alle die Zeichen der Zeit richtig zu deuten vermögen.
Aber zumindest eines weiß man heute schon: daß es in solch unruhigen und schwierigen Zeiten darauf ankommt, daß Erreichtes, Bewährtes und Gefestigtes nicht untergehen darf, auch wenn zur Finanzierung Wege eingeschlagen werden müssen, die nicht frei von Risiken sind.
Ich will keine internationalen Vergleiche anstellen, weil sie immer ein wenig hinken, weise aber darauf hin, daß der japanische Staatshaushalt zu einem Drittel aus Krediten finanziert wird. Herr Häfele hat heute den bemerkenswerten Satz gesagt: Wer arbeitet und spart, wird reich. Lieber Herr Kollege Häfele, ich will die Glaubwürdigkeit und Richtigkeit Ihres Satzes nicht untersuchen. In meiner Familiengeschichte bin ich bis zum Jahre 1700 vorgestoßen. Die Löfflers, aus Schwaben stammend, waren immer sehr arbeitsam und sparsam — reich sind sie nicht geworden.

(Heiterkeit)

Ich glaube, es geht vielen Familien so.
Ich wollte nur das eine sagen, sehr geehrter Herr Kollege Häfele: Wer glaubt, daß er mit Weisheiten aus den gesammelten Sprüchen für die biedere Haustochter die gegenwärtige schwierige weltpolitische Lage meistern kann, der irrt doch wohl.

(Beifall bei der SPD)

Hier müssen tatsächlich andere Maßnahmen Platz greifen.
Herr Kollege Häfele hat heute den früheren Bundeskanzler Ludwig Erhard zitiert. Die Politik, die wir heute betreiben, ist j a nicht neu; sie ist gedanklich schon vorbereitet. Da gibt es eine Regierungserklärung, aus der ich einmal zitieren darf:
Zur Sicherung des Haushaltsausgleichs werden strenge Sparsamkeit bei allen Bundesausgaben und die Aufnahme von Kredit beitragen müssen.
Jetzt kommt ein bemerkenswerter Satz:
Alle Ausgleichsmöglichkeiten im Rahmen des Gesamthaushalts von Bund und Ländern müssen erschöpft werden.
So der stellvertretende Bundeskanzler Professor Ludwig Erhard in seiner Regierungserklärung 1961. Besonders der letzte Satz dieses Zitats ist bemerkenswert; denn offensichtlich hatte die damalige Bundesregierung genau die gleichen Schwierigkeiten mit dem Finanzsystem, das zwischen Bund und Ländern herrscht, wie wir sie heute haben. Gebt dem Bund, was des Bundes ist! Das ist mehr wert, als
hier große Reden zu halten über zu hohe Staatsverschuldung.

(Beifall bei der SPD)

Der Bund kann seine umfassenden Aufgaben, in die auch alle Länder mit einbegriffen sind, nur erfüllen, wenn er die Mittel für diese Aufgaben erhält.
Verständlicherweise wird viel über die Grenzen der Staatsverschuldung philosophiert. Wer in die finanzwissenschaftlichen Bücher hineinsieht in der Hoffnung, dort mathematische Größen zu finden, kombiniert zu einer Formel, die uns einen Hinweis geben, der wird enttäuscht werden. Es gibt keine solchen mathematischen Formeln für die Staatsverschuldung. Aber es gibt dennoch einige Einsichten darüber, wie weit ein Staat, wie weit eine Gesellschaft sich verschulden dürfen. Die Verschuldungsgrenze eines Staates wird bestimmt von der Leistungsmöglichkeit und von der Leistungsbereitschaft einer Gesellschaft. Jede Mark Zinsen, die jetzt mehr gezahlt werden muß, findet ihre Rechtfertigung nur darin, daß mit dem aufgenommenen Kapital die Leistungsmöglichkeit und Leistungsbereitschaft einer Gesellschaft verbessert werden. Wer Schulden macht, bekennt sich zur Leistung, allerdings nicht zu einer inhumanen Leistung. Aber wer Schulden macht, muß sich auch positiv gegenüber dem Begriff Leistung einstellen, und er muß auch zwar nicht auf undifferenziertes, wohl aber auf qualifiziertes Wachstum setzen, damit die Relationen zwischen den volkswirtschaftlichen Daten stimmig bleiben.
Unser Kapital — das Kapital unseres Volkes, unserer Gesellschaft — ist nach wie vor die Erhaltung und Steigerung der Leistungsmöglichkeit und der Leistungsbereitschaft. Leistungsmöglichkeit bedeutet verbesserte Infrastruktur, bedeutet technischen Fortschritt, aber Leistungsmöglichkeit bedeutet auch die Bewahrung eines sozialen Klimas, das erst Leistung möglich macht. Leistungsbereitschaft bedeutet eben die Erkenntnis, das Wissen der Menschen darum, daß sich Arbeit in dieser Gesellschaft lohnt; und wer von Ihnen möchte bestreiten, daß sich Arbeit in unserem Volke nach wie vor lohnt, daß wir uns bei allen Schwierigkeiten und bei allen Turbulenzen mit großem Erfolg bemühen, unser Volk, unsere Gesellschaft über diese Turbulenzen hinwegzubringen?
Es hat verhältnismäßig wenig Wert, in unseren Schwierigkeiten und Sachzwängen selbstquälerisch herumzuwühlen. Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, bedeutet ja nicht, irgenwelche Träume zu verwirklichen, sondern Politik bedeutet, die Realität so zu verändern, daß sie sich einer gewollten Absicht anpaßt, die sich wiederum ableiten läßt aus Erkenntnissen über das Zusammenleben von Menschen und Völkern.
Der Haushalt 1981, wie ihn die Bundesregierung vorgelegt hat und wie er von uns im Geist der Bundesregierung, wenn auch mit Veränderungen, beraten wird, ist ein Beitrag zu diesem Selbstbewußtsein, das auch deutlich macht, daß wir in schwierigen Situationen unseren Mann stehen. Der Haushalt 1981



Löffler
ist kein Beispiel für etwas, woran man Ängste und Kleinmut aufhängen kann.

(Lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall bei der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901610000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rentrop.

Friedhelm Rentrop (FDP):
Rede ID: ID0901610100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als neues Mitglied dieses Hauses, das 25 Jahre lang als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mehr mit wirtschaftlichen Einheiten und dem Gespräch über wirtschaftliche Lösungen zu tun gehabt hat, eingangs meiner Enttäuschung über die Beiträge der Opposition zu dieser Haushaltsdebatte Ausdruck geben.
Ich bin sehr froh, daß von dem Kollegen Riedl wenigstens einige Ausformung gekommen ist, wenngleich er das, was wir gemacht haben, abgelehnt hat. Sonst wäre ich völlig verzweifelt gewesen. Es wäre alles im Ansatz der Kritik hängengeblieben.
Wir sind uns über den Ernst der Lage in unserem Land einig.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Dies sollte uns mehr denn je dazu verpflichten, gemeinsame Lösungen anzustreben.
Dem dient sicher nicht der Vergleich mit der guten alten Zeit. Die 50er und 60er Jahre sind nun einmal nicht die vor uns stehenden 80er Jahre; das gleiche gilt auch für die hinter uns liegenden 70er Jahre. Das haben die Außenbedingungen sehr deutlich gezeigt.
Der Kollege Löffler hat soeben finanzpolitische Werke zitiert. Auch ich habe versucht, Ihre finanzpolitischen Grundlagen zu eruieren. Ich bin auf ein Werk gestoßen, aus dem ich — mit Erlaubnis des Präsidenten — einen Satz zitieren darf, vielleicht auch im Vorgriff auf die morgige Debatte. Es heißt da:
Man kann einem Volk, auch wenn es ihm gut geht, die Gegenwart als schwer erträglich und durch düstere Prophezeiungen die Zukunft .als gefährlich vorgaukeln,

(Zurufe von der CDU/CSU)

bis sogar Anwandlungen von Hysterie auftreten und durch Angstreaktion die Gefahren erst beschworen werden, vor denen angeblich nur gewarnt werden soll. Dazu gehört auch der leichtfertige, das Gesetz der Dimension verletzende Gebrauch der Begriffe Krise, Depression, Inflation u. ähnliches.
Dieses Werk ist 1969 erschienen. Der Autor heißt Franz Josef Strauß. Es heißt „Finanzpolitik — Theorie und Wirklichkeit".

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Na und?)

— Sie sind der Meinung, dies ist richtig, Herr Dr. Kohl?

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Da ist kein Gegensatz!)

— Das ist aber Ihr Tun: das Beschwören — —

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sind 6 % Preissteigerung Inflation?)

— 6 % Preissteigerung sind je nachdem eine inflationäre Tendenz oder nicht. Es kommt darauf an, in welcher Situation man steht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es kommt darauf an, ob Sie ein dickes Portemonnaie haben oder ein kleines, nicht wahr!)

— Das ist sicher nicht allein vom Portemonnaie abhängig.
Aber lassen Sie mich zu einzelnen Punkten meiner Vorredner kommen.
Herr Dr. Sprung hat heute morgen erklärt, bei unserem Leistungsbilanzdefizit — das sicher uns allen Sorgen macht und das durch die Ölpreissteigerung entstanden ist — werde unsere Volkswirtschaft bald nicht mehr uns, sondern dem Ausland gehören. Ich habe mehr die Sorge: wir haben uns zuwenig darum gekümmert, die inzwischen 800, 900 Milliarden floatierender Öldollars irgendwie in unseren nationalen Volkswirtschaften anzubinden. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, als es nur 60 Milliarden Dollar waren, die von den Multis, den internationalen Unternehmen stammten, aber wir haben uns später im einzelnen nicht mehr darum gekümmert. Ganz im Gegenteil, wir haben es verhindert, daß sich diese Öldollars bei uns niederlassen konnten, indem wir bei großen Aktiengesellschaften das Stimmrecht auf 5% beschränkt haben. Ich möchte Sie bitten, einmal darüber nachzudenken, wie die Situation heute aussähe, wenn diese Ölmultis etwas mehr Zuflucht in der deutschen Automobilindustrie gefunden hätten. Sie hätten sicherlich Probleme damit, uns das Öl reichlich zu liefern, damit diese Industrie auch läuft.
Herr Dr. Sprung hat auch die etwas kritische Betrachtung der Energiepolitik der Verwendung aller Energieträger angesprochen. Ich bin schon der Meinung, daß man den Ausbau der Kernenergie nicht mit einem Hurra-Optimismus betreiben sollte, zumal in einer Zeit sich schnell entwickelnder Technologien — diese Werke werden ja für Jahrzehnte errichtet —, und schon gar nicht im Hinblick auf die Beurteilung von Bedarfslagen. Nachdem heute morgen Ludwig Erhard zitiert worden ist, erinnere ich Sie gern daran, daß Mitte der 50er Jahre bereits einmal eine Fehlbeurteilung der künftigen Energiesituation erfolgt ist. Als der Nobelpreisträger Jan Tinbergen in einem Gutachten feststellte, Ende der 50er Jahre gehen in Europa die Lichter aus, beging Ludwig Erhard wohl seinen einzigen dirigistischen Sündenfall, indem er der deutschen Wirtschaft eine Investitionshilfeabgabe von 10 Milliarden DM auferlegte. Das führte zur Abteufung neuer Kohlebergwerke und zum Ausbau der Kohlekraftwerke, die wir dann Mitte der 60er Jahre mit Hilfe der Ruhrkohle-AG und dem Einsatz von weiteren 8 Milliarden DM staatlicher Gelder geschlossen haben; Gott sei Dank nicht völlig, worüber wir heute froh sind. So schnelläufig sind die Zeiten, und so schnell ändert sich die Einschätzung einer Situation als richtig oder falsch. Ich frage mich, ob die heutigen Zu-



Rentrop
kunftserwartungen im Hinblick auf die Energie richtig sind, ob der Energiezuwachs angesichts der Verteuerung der Energie nicht weit langsamer vor sich geht. Dennoch bin ich der Meinung, daß wir den Kernkraftwerksausbau betreiben müssen, allerdings mit Maß, mit Augenmaß, und nicht so, wie ich es gestern von einem Kollegen der CDU/CSU-Fraktion gehört habe: möglichst wie in Frankreich — in jedes Departement ein Kernkraftwerk —, nur dann können wir die Zukunft gewinnen. Sicherlich nicht so!

(Kiep [CDU/CSU]: Ist Augenmaß das, was die FDP in Schleswig-Holstein gemacht hat?)

— Was die FDP gemacht hat, ist zumindest der Versuch des Augenmaßes.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Daß auch wir Probleme haben, soll hier doch nicht bestritten werden.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901610200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner?

Friedhelm Rentrop (FDP):
Rede ID: ID0901610300
Ja.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0901610400
Herr Kollege, ich will mit meiner Frage nicht bewirken, daß Sie an die Grenze Ihrer Redezeit kommen. Aber da Sie so interessant zitiert haben, möchte ich Sie zwar nicht fragen, aber doch in der Form einer Frage darum bitten, daß Sie und auch diejenigen, die hier heute so kräftig über diesen Bundeshaushaltsplan 1981 herziehen, sich in das Jahr 1965 und das Jahr 1966 zurückversetzen und sich an ein Haushaltssicherungsgesetz erinnern, das der heute wiederholt so besonders gelobte, auch von mir verehrte ehemalige Bundeskanzler Erhard hat zustande bringen müssen. 1966 sind alle Versprechungen und alle Gesetze aus dem Jahre 1965, vor der Wahl gemacht, durch ein Haushaltssicherungsgesetz aufgehoben worden. Damals zerbrach die Koalition des Herrn Professors Erhard.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wiederholt sich!)

Das war Ihre Parteigeschichte!

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)


Friedhelm Rentrop (FDP):
Rede ID: ID0901610500
Ich bedanke mich für die Ergänzung, Herr Kollege Wehner.
Sicherlich haben wir — um hier etwas abzukürzen — in der Frage des .Subventionsabbaus erst einen Anfang machen können. Mich hat es aber gewundert, daß eine der Grundlagen für den künftigen Subventionsabbau, nämlich der Sozialtransferbericht, den die Regierung erarbeitet, von Ihnen nicht angesprochen worden ist — mich hat das schon im Wahlkampf gewundert, und mich wundert es auch heute —, der uns wohl in diesem Jahr vorliegen wird.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Ist hier angesprochen worden? Dann bitte ich um Entschuldigung. — Das wäre eine der wichtigen Grundlagen, die wir für weitere Abbauten im Detail haben müssen. Ich bitte Sie herzlich, bis dahin die Vorschläge, die wir gemacht haben, mitzutragen und im Finanzausschuß bei der Beratung der dazugehörigen Gesetze zu helfen.
Ich habe es übernommen, für meine Fraktion noch etwas aufzuarbeiten, nämlich wie das mit dem Beschwindeln in Sachen Personalstellen ist.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901610600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Friedhelm Rentrop (FDP):
Rede ID: ID0901610700
Ja.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0901610800
Herr Kollege Rentrop, nachdem Sie den Bundeshaushalt so verteidigen, frage ich: Was sagen Sie als Wirtschaftsprüfer zu einem Ihrer Mandanten, dessen Schulden höher sind als sein Jahresumsatz? Denn das ist ja die Situation.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Rentrop (FDP): Das ist keine absolute Größe,


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

sondern es kommt darauf an, wie hoch das Vermögen ist.

(Erneute Heiterkeit — Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich hoffe, daß mir auch einige der Juristen in Bilanzzahlen folgen können. Wenn Sie eine Bilanz von 10 Milliarden haben und Sie haben darin 6 Milliarden Schulden bei einem Unternehmen, das 6 Milliarden Umsatz hat, dann haben Sie keine Überschuldung, sondern ein durchaus vernünftiges Unternehmen. Dann haben Sie 4 Milliarden Eigenkapital. Das ist keine absolute Zahl; damit können Sie keine Relation bilden. Das ist die Relation, die hier vielfach falsch gebildet wird, daß Umsatz und Verbindlichkeiten — —

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Herr Kollege, würden Sie das denn unter verwertbarem Vermögen verstehen?)

— Wenn Sie das, was wir in die Infrastruktur dieses Landes in den letzten 30 Jahren investiert haben, als nicht verwertbar ansehen, Herr Dr. Kohl, dann bin ich nicht Ihrer Meinung.
Ich wollte hinsichtlich des hier angesprochenen Stellenplans einer Bitte nachkommen. Frau Matthäus-Maier hatte darauf abgehoben, daß der Stellenplan des Bundes nicht erhöht worden sei. Ich habe inzwischen auch mit unseren Haushaltern gesprochen. Es ist die unveränderliche Absicht der FDP-Fraktion, und es ist auch ein weitgehendes Einvernehmen im Haushaltsausschuß, daß die angesprochenen Positionen im Ausländerbetreuungsamt für Frau Funcke durch Umsetzung aus anderen Positionen und nicht durch eine Erweiterung des Stellenplanes besetzt werden sollen. Soweit ich mir habe sagen lassen, müßte dies auch Herr Riedl, der Haushaltsexperte der Fraktion, wissen; denn das sei so angesprochen worden. Das nur zur Richtigstellung,



Rentrop
da hier vom Beschwindeln gesprochen worden ist. Wir finden das gar nicht gut, und ich finde es noch weniger gut.
Ich bin um den Jahreswechsel in den Vereinigten Staaten gewesen und habe dort die Einführung der Regierung miterlebt. Ich muß Ihnen sagen, die gesamtwirtschaftliche Situation ist dort unvergleichlich schwieriger. Man möge mir nicht sagen, wir sind hier, und die Amerikaner sind drüben. Amerika ist ein sehr freies Land, auf das gerade Sie von der Opposition immer wieder abheben, mit einer sehr hohen Inflationsrate, mit einer sehr hohen Arbeitslosenzahl, mit sehr hohen Haushaltsdefiziten, und die Probleme dort zu bewältigen erscheint mir noch erheblich schwerer als bei uns. Lassen wir uns mal zeigen, ob das dort leichter sein wird als bei uns! Immerhin haben wir im vergangenen Jahrzehnt wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf diesem Globus bewiesen, daß wir mit der von dieser Regierung vorgeführten Haushaltspolitik, mit der von dieser Regierung bewältigten Wirtschaftspolitik besser gefahren sind als die meisten Länder, mit denen wir heute wirtschaftlich zu tun haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Fangen wir daher — das ist abschließend mein ernster Appell — auch ernsthaft gemeinsam an, nicht nur in den großen Gedanken, sondern auch in Details Lösungen zu finden, die zum Besten dieses Volkes führen, die wir gemeinsam tragen können, die auch über die Tagesveränderungen von Haushaltsansätzen und Steuerlösungen hinaus zu grundsätzlichen Veränderungen in den Finanzstrukturen unseres Landes führen können.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901610900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Carstens.

Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID0901611000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von SPD und FDP — das möchte ich ihnen zugestehen — haben sich im Laufe des Vormittags und jetzt nach der Mittagspause redlich bemüht, den Haushaltsentwurf 1981 zu verteidigen. Das konnte ihnen aber gar nicht gelingen; denn dieser Entwurf ist so unzulänglich, daß man mit ihm nicht einmal einen Trostpreis gewinnen kann.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben spätestens bei dieser Debatte feststellen müssen, daß die Bundesregierung den Neubeginn dieser Legislaturperiode nicht zu einem Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik genutzt hat. Die von Grund auf falsch angelegte Fiskalpolitik wird eher forciert weiterbetrieben, mit noch mehr Schulden und weiter rapide ansteigenden Zinsverpflichtungen.
Dieser Haushaltsentwurf ist, wie Herr Kollege Dr. Riedl schon zum Ausdruck brachte, ein Entwurf der Ratlosigkeit, aber auch ein Entwurf der Hilflosigkeit und völlig ohne Perspektiven. Man merkt dem Entwurf an, daß die Bundesregierung genau weiß, daß es nicht so weitergehen kann wie bisher, daß sie aber andererseits auch nicht bereit ist, die nötigen Konsequenzen zu ziehen.
Ich habe noch Ende letzten Jahres eine geringe Hoffnung auf Überprüfung der Ansätze durch den Finanzminister gehabt, als nämlich der Entwurf ausblieb und nicht schon, wie im Gesetz vorgeschrieben, im letzten Jahr vorgelegt wurde. Der Finanzminister hat aber diese Zeit lediglich dazu genutzt, mit Buchungstricks und unrealistischen Ansätzen die wirkliche Lage optisch zu beschönigen.
Kollege Westphal hat eben noch einmal versucht, die Staatsverschuldung zu rechtfertigen. Er hat gesagt, es dürfe aber so nicht weitergehen. Herr Kollege Westphal, das hören wir schon Jahr für Jahr von Ihnen.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: So ist es!)

Immer wieder fordern Sie das, aber Sie kommen nicht dazu, die Staatsverschuldung zurückzuschrauben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Westphal, Sie haben dann darauf aufmerksam gemacht, daß es in Großbritannien Probleme mit der Wirtschaftspolitik gebe. Dazu kann ich Ihnen sagen, daß wir in unserem eigenen Interesse nur wünschen können, daß Großbritannien es durch große Kraftanstrengung schafft, mit seinen Problemen fertigzuwerden. Dort fängt man j eden-falls mit der Arbeit an. Wir machen immer noch weiter mit unseren Fehlern.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Fulminante Erfolge, Herr Carstens, Verdoppelung der Arbeitslosenzahl! — Weitere Zurufe)

Dieser Haushaltsentwurf 1981 ist durch nichts mehr gekennzeichnet als durch das Bemühen der Bundesregierung, den Schein zu wahren. Das trifft auch für die Finanzplanung der nächsten Jahre zu. Wie schon immer in den letzten Jahren haben wir feststellen können, daß die Bundesregierung darauf aufmerksam macht, daß uns angeblich der Ölpreisschub vor neue Anforderungen stellt und daß man darauf zu reagieren habe. Wenn ich mir das näher ansehe, stelle ich fest — und das ist eine erstaunliche Feststellung, wie ich meine —, daß die Regierung die Wachstums- und Preissteigerungsraten der Jahre 1979 und 1980 anscheinend nur jeweils einfach addiert und anschließend wieder halbiert hat. Das ist dann eine schwierige Gratwanderung. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Man zählt die Ergebnisse von zwei Jahren zusammen, teilt das Ganze und baut auf die sich ergebende Zahl die weitere mittelfristige Finanzplanung auf. Es kann sein, daß es sich um einen Zufall handelt; aber immerhin ist diese Zahl im Finanzplan enthalten.
Dementsprechend haben wir in der letzten Woche bei der Einbringungsrede vom Bundesfinanzminister gehört, daß bei ihm Ratlosigkeit und Handlungsunfähigkeit für die Zukunft herrschen. Er hat gesagt, wir müßten vom gewohnten Wohlstandsdenken Abschied nehmen. Aber wir haben kein Sterbenswörtchen über die Ursachen der Krise und über die Therapie gehört. Dieser Zustand kommt ja nicht



Carstens (Emstek)

von ungefähr! Die Politik der letzten zehn Jahre hat j a maßgeblich dazu beigetragen, daß wir uns nun in diesem Zustand befinden. Sie von der Koalition waren es doch, die das moderne Deutschland schaffen und die öffentliche Armut beseitigen wollten. Die Konsequenz dieser Aufbruchspolitik war es dann, daß Sie schon Mitte der 70er Jahre ausgereizt hatten und seither eine Politik betrieben haben, die dies zu verschleiern trachtete.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun stehen wir heute am Beginn einer rezessiven Phase, einer rezessiven wirtschaftlichen Entwicklung mit all den Vorbelastungen und Hypotheken, die Sie dem deutschen Volk aufgedrückt haben. Hierfür ist nicht in erster Linie der Ölpreisschub, der sich eingestellt hat, ursächlich, sondern Ihre verfehlte Politik.
Ich darf hier an dieser Stelle mit vollem Ernst und mit Bedacht

(Wehner [SPD]: Jede Unterstellung machen!)

an den Finanzminister einen Appell richten. Ich arbeite im Haushaltsausschuß nun schon Jahre mit und habe feststellen müssen: Die Schulden sind Jahr für Jahr gestiegen. Nachdem der Kollege Dr. Riedl hier konkrete Sparvorschläge gemacht hat, darf ich an Sie den Appell richten, mit dieser Schuldenpolitik nun endgültig aufzuhören. Es wäre unverantwortlich und verheerend für uns alle, wenn wir mit dieser Politik in Deutschland in den nächsten Jahren weitermachen würden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben mit der Politik der letzten Jahre vermeintlich Gutes tun wollen. Sie haben Beihilfen gegeben, z. B. Mietbeihilfen, Wohngeld, Sie haben 17 Konjunkturprogramme durchgezogen, Sie haben Mittel in die Forschungsförderung gesteckt. Sie haben vieles andere mehr getan, ja, ich möchte sagen: viel zuviel anderes mehr.

(Dr. Spöri [SPD]: Sie haben es immer stolz verkauft! — Weitere Zurufe von der SPD)

Diese Politik begann 1974 unter dem damaligen Finanzminister Schmidt, als er nämlich sagte, 5 % Inflation seien ihm lieber als 5 % Arbeitslosigkeit. In der Folge haben wir einige Finanzminister gehabt — ich denke an Schiller und Alex Möller —, die nicht mehr bereit gewesen sind, diese Schuldenpolitik mitzutragen; sie sind dann zurückgetreten.

(Dr. Spöri [SPD]: Was fällt Ihnen denn noch ein? — Wehner [SPD]: Bringen Sie erst einmal Ihre Daten in Ordnung, ehe Sie darin herumwühlen!)

Meine Damen und Herren, Sie haben diese Politik dann 1978 dadurch fortgesetzt, daß sich der Bundeskanzler auf dem Weltwirtschaftsgipfel hier in Bonn bereit erklärt hat, eine Art Lokomotivführerschaft für die Wirtschaftspolitik zu übernehmen. Sie haben in dieser Politik Jahr für Jahr weitergemacht. Sie müßten doch mittlerweile selber erkannt haben, daß man die Arbeitslosigkeit mit vermehrten Staatsschulden nicht verhindern kann, sondern daß sie weiter ausgebaut wird, daß sie zunimmt. Wenn dem nicht so sein sollte, dann möchte ich den Finanzminister fragen: Wieviel zig Milliarden D-Mark brauchen Sie denn noch, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen? Es ist in der Tat vielmehr so, daß die Arbeitslosigkeit ansteigen wird, wenn wir es nicht schaffen, die Staatsausgaben unter Kontrolle zu bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sie sind ein Logiker!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben nun bei diesem Entwurf festgestellt, daß es trotz all dieser Ausgaben nicht gelungen ist, die Investitionen weiter anwachsen zu lassen. Der Finanzminister hat das Kunststück fertiggebracht, trotz einer Haushaltssteigerung von über 10 Milliarden DM nicht eine zusätzliche Mark für staatliche Investitionen zur Verfügung zu stellen. Diese sind sogar nominal um 1,4 Milliarden DM zurückgegangen. Wenn ich 5,7 Milliarden DM an Buchungstricks abziehe, die die Regierung in diesem Entwurf vorgenommen hat, dann verbleiben bei einem Gesamtetat von mehr als 225 Milliarden DM noch Investitionen in Höhe von 25,6 Milliarden DM. Das macht nur 11 % der Gesamtausgaben aus. Es handelt sich hier um einen realen Rückgang der Investitionen — im Vergleich zu 1980 um mehr als 10 % — wenn man die Preisentwicklung bei Investitionsgütern in Betracht zieht. Daran erkennen Sie doch, daß über die Investitionen nicht einmal der geringste Impuls von diesem Haushalt ausgeht. Trotz gestiegener Mehrausgaben von über 10 Milliarden DM bringen Sie es nicht fertig, auch nur eine Mark mehr für Investitionen auszugeben.
Meine Damen und Herren, zu den Risiken haben wir heute morgen schon einiges gehört. Ich möchte diesen Zahlen nicht weitere anfügen, aber doch zum Ausdruck bringen, daß man durchaus davon ausgehen kann, daß dieser Haushaltsentwurf in Verfolg des gesamten Jahres einen solchen Verlauf nehmen könnte, wie es bei dem Haushalt 1975 der Fall gewesen ist. Dieser Haushalt fiel in eine ähnliche wirtschaftliche Situation. Er begann mit einem Finanzierungssoll von 15,6 Milliarden DM. Im Verlauf des Jahres 1975 wurden 29,9 Milliarden DM Schulden daraus. Wenn man die Einzelpositionen und die Risiken, die dahinter stehen, in Betracht zieht, dann ist nicht auszuschließen, daß es auch diesmal zu einer so gewaltigen Ausuferung der weiteren Verschuldung kommen kann. Es möge verhindert werden, aber die Regierung tut nichts, um diese Entwicklung zu verhindern.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: So ist es!)

Die Entwicklung kommt auf uns zu oder nicht, man wartet ab, aber man ist nicht in der Lage, Konsequenzen zu ziehen.

(Dr. Spöri [SPD]: Da kommt sie schon, die Sintflut!)

Nun eine letzte Bemerkung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Herr Bundesfinanzminister ist ratlos. Was ihm übriggeblieben ist, ist das



Carstens (Emstek)

Hilfeersuchen an die deutschen Unternehmer. Er hofft, daß nun sie ihren Part spielen.

(Zuruf von der FDP: Sie nicht?)

Herr Finanzminister, die Unternehmer haben schon in den letzten Jahren dazu beigetragen, daß wir nicht noch mehr Arbeitslosigkeit bekommen haben. Die private Seite erfüllt schon ihre Aufgabe,

(Zuruf von der SPD: Olympia!)

aber es kommt doch nicht darauf an, daß Sie die Unternehmungen auffordern, nun tätig zu werden und zu investieren, sondern es ist wichtig, daß Sie die Voraussetzungen dafür schaffen, daß es zu Investitionen kommen kann, daß Privatinitiativen in Gang gesetzt werden. Wenn Sie Ihrerseits auf den Kapitalmarkt gehen und ihm das Geld entziehen, wenn Sie die Zinsen hochtreiben, dann ist die private Wirtschaft eben nicht in der Lage, Ihrem Wunsche nachzukommen.
Deswegen schien mir Ihre Rede gar nicht zu dem Entwurf zu passen, den Sie hier vorgelegt haben. Es hört sich zwar ganz gut an, was Sie gesagt haben, aber das ist nicht mit Konsequenzen in Ihrem Haushaltsentwurf verbunden. Ich darf Sie fragen, Herr Minister: Was geschieht denn nun konkret in Ihrem Haushaltsentwurf, um unternehmerische Leistungs- und Investitionsbereitschaft anzuregen und zu stärken? Wo sind denn die politischen Initiativen, um private Investitionen auszubauen und um die Hemmnisse im Wohnungsbau, im Kraftwerksbau und in der Nachrichtentechnologie zu beseitigen? Wird denn der öffentliche Korridor eingeengt? Nein heißt die Antwort darauf. Die Staatsquote beträgt nach wie vor 47,5 %. Werden denn konsumtive Staatsausgaben zurückgedrängt? Nein heißt es auch hier; das Gegenteil ist der Fall. Es gibt nicht mehr Investitionen, sondern mehr konsumtive Ausgaben. Das Haushaltsdefizit soll weiter steigen. Sie wollen den Kapitalmarkt noch mehr mit weiter steigenden Zinsen belasten. Ich muß schon sagen, Herr Minister, durch Ihre Worte allein kann es nicht zu einer Besserung kommen. Hier muß schon Wert darauf gelegt werden, daß durch konkrete, reale Politik die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß es in Deutschland wieder bergauf gehen kann, daß wieder investiert wird als Voraussetzung dafür, daß wir wieder aus eigener Kraft und Stärke in der weltwirtschaftlichen Wettbewerbslage wettbewerbsfähig werden können.
Herr Minister, ich darf Ihnen sagen, daß ich keine Möglichkeit dafür sehe, daß wir diesem Haushalt so zustimmen können, wie er vorliegt. Wir werden uns in voller Verantwortung daran beteiligen, aus diesem Entwurf des Beste zu machen, und wir werden auch beweisen, daß wir, wenn es erforderlich ist, auch bereit sind, unpopuläre Entscheidungen im Rahmen der Haushaltsberatungen mitzutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901611100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spöri.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID0901611200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem epochalen Beitrag über die Sintflut, die über uns hinwegschwappt, möchte ich nur eine Anmerkung zu diesem Thema machen. Herr Carstens, ich habe in diesem Hause in meiner relativ kurzen parlamentarischen Erfahrung seit 1976 viel erlebt. Aber es ist mir noch nicht untergekommen, daß einer hier antritt und uns die miese, negative wirtschaftliche Entwicklung, die trostlose wirtschaftliche Entwicklung in England als wirtschaftspolitischen Modellfall anbietet.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Die Früchte der LabourPolitik!)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901611300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase?

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID0901611400
Immer.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0901611500
Herr Kollege Spöri, ist Ihnen entgangen, daß dem — zumindest gedanklich — die Erinnerung an viele, viele Jahre Labour-Herrschaft vorausging, die Großbritannien dahin gebracht hat, daß Frau Thatcher gezwungen ist, drastische Maßnahmen zur Wiedergesundung des Landes einzuleiten?

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID0901611600
Ja, Herr Kollege Haase, es ist sicherlich richtig, daß schon unter den vorhergegangenen Labour-Regierungen gewisse wirtschaftliche Schwierigkeiten vorgelegen haben. Das soll nicht ignoriert werden; wir wollen hier ja sachlich diskutieren. Aber aus diesen schleichenden Problemen ist durch die konservative Wirtschaftspolitik einer Frau Thatcher eine galoppierende Schwindsucht geworden. Das sind die Fakten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, hier wird viel über investive Spielräume gesprochen, die wir jetzt gewinnen müssen, über Sparen — jeder redet vom Sparen — und vom Subventionsabbau. Herr Häfele hat hier heute morgen als erster Redner einiges zum Subventionsabbau gesagt. Ich meine, daß es nach diesen einleitenden Bemerkungen wichtig ist, darauf hinzuweisen, daß Subventionen in vielen Bereichen ein sehr positives und sehr sinnvolles Instrument der Wirtschaftspolitik sind.
Ich glaube, wenn man, so wie das in vielen Sonntagsreden gemacht wird, die Subventionen pauschal verketzert und als die süße Droge im marktwirtschaftlichen Organismus darstellt, wie Sie das getan haben, dann kratzt man nur an der Oberfläche dieses Problems. Wenn wir uns einmal fragen, was denn heute wirtschaftspolitisch wäre, was heute z. B. mit dem Zonenrandgebiet wäre, was heute z. B. mit der deutschen Steinkohle wäre, was heute mit vielen Arbeitsplätzen in vielen Regionen der Bundesrepublik wäre, wenn es nicht eine flankierende, stützende, produktivitätssteigernde Subventionspolitik gegeben hätte, dann wird doch klar, daß Marktwirtschaft ohne Subventionen — das möchte ich hier provozierend an den Anfang stellen — im Grunde



Dr. Spöri
genommen gar keine soziale Marktwirtschaft sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dann hier ein so billiges Beispiel herausgegriffen wird wie ein spektakulärer Pleitefall in Berlin, um die gesamte Subventionspolitik abzuqualifizieren, die wir in Berlin in den letzten zig Jahren gemacht haben, dann halte ich das nicht für sachgerecht, weil gerade diese Subventionspolitik trotz aller Mängel und trotz aller Fehler gesichert hat, daß die freie Stadt Berlin ihren bisherigen ökonomischen Standard erreichen konnte.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, gerade dann, wenn wir uns darüber einig sind, daß wir auch in Zukunft auf die flankierenden Subventionen beim Strukturwandel nicht verzichten können, dann ist es notwendig, diese Politik finanzierbar zu halten. Das ist die Aufgabe, die wir hier erfüllen müssen. Dann muß jede Steuervergünstigung und jede Finanzhilfe gestrichen werden, wenn sie ihren Subventionszweck einmal erfüllt hat. Daher ist es zu begrüßen, daß die Bundesregierung einen konkreten Abbauvorschlag gemacht hat, einen größeren Abbauvorschlag zum erstenmal überhaupt, seit wir hier über Subventionen debattieren.
Ich glaube, daß manche, die sich hier heute morgen relativ oberflächlich über den Einspareffekt dieser Vorschläge geäußert haben, die hier überheblich von zu geringen Einsparwirkungen im Zusammenhang mit dem Abbaukatalog gesprochen haben — ein Ministerpräsident hat zu diesem Maßnahmenkatalog „Flickenteppich" gesagt, daß das ja alles nur so kleine Kinkerlitzchen seien —, die Möglichkeiten des konkreten, des praktischen Subventionsabbaus völlig falsch einschätzen. In der Praxis gibt es überhaupt nicht diesen großen Kahlschlag, den einen großen Kahlschlag im Subventionsdschungel, mit dem wir den Dschungel roden, mit dem wir plötzlich zig Milliarden D-Mark bekommen, die wir woanders investiv einsetzen können. Das ist graue Theorie, das sind Sonntagsreden, das sind Sprüche.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir eine praktische Abbaupolitik betreiben wollen, wenn wir über die Jahre hinweg investive Spielräume gewinnen wollen, dann müssen wir einen ganz mühseligen Weg gehen, mit bescheidenen kleinen Schritten, mit bescheidenen Einsparbeträgen bei diesen einzelnen kleinen Schritten. Das ist die Praxis; alles andere ist graue Theorie, etwa die Annahme, daß das alles in einem großen Schwung erledigt werden könnte.
Das ist auch der realistische Ansatz dieses Subventionsabbaugesetzes, das in fünf Bereichen Einsparmaßnahmen vorsieht, und zwar erstens im Bereich der Subventionierung des Ölverbrauchs. Es gibt natürlich eine Menge Kritik am Abbau dieser Subventionen. Es ist auch ganz klar, daß sich die Betroffenen regen, auch aus dem kommunalpolitischen Bereich. Lassen Sie mich hierzu nur eine Anmerkung machen.

(Franke [CDU/CSU]: Das schlägt auch durch auf die Preise!)

— Diese Kritik, lieber Kollege Franke, nehme ich gern auf. Ich meine, trotz aller Einwände, Herr Kollege Franke, die jetzt aus dem kommunalpolitischen Raum kommen, und trotz dieser Hinweise auf irgendwelche verkehrspolitischen Nachteile ist es so, daß im Grundsatz der Abbau von Finanzhilfen im Bereich der Ölpreissubventionen in dieser volkswirtschaftlichen Situation sowohl energiepolitisch als auch haushaltspolitisch richtig ist. Wenn wir deswegen auf Subventionsabbau verzichten sollten, weil betroffene Sektoren auf Nachteile hinweisen und sogar Nachteile richtig beschreiben, dann können wir hier gleich einpacken, denn beim Subventionsabbau wird es in den betroffenen Bereichen immer Nachteile geben, meine Damen und Herren, auch beim Abbau von Ölpreissubventionen in anderen Bereichen.
Der zweite Einsparbereich betrifft die Sparförderung. Hier ist es so, daß vor allen Dingen vom Kreditgewerbe sehr intensiv Kritik geübt wird. Gut, man kann darüber diskutieren, ob man diese Reduzierung der Sparförderung etwas modifizieren will. Immerhin ist es erfreulich, daß die Verbände aus dem Kreditgewerbe bereit sind anzuerkennen, daß die Sparförderung reduziert werden kann. Das ist deshalb richtig, weil ja in der Vergangenheit — das kann man an den Sparquoten und ihrer Entwicklung nachvollziehen — die Sparfähigkeit der breiten Schichten der Bevölkerung so gewachsen ist, daß eine Reduzierung der Leistung vertretbar ist.
Drittens sollen künftig die noch bestehenden Steuervergünstigungen für Sparkassen und Kreditgenossenschaften abgebaut werden, auch für bestimmte langfristige Kreditgeschäfte. Ich meine — Herr Häfele, Sie haben diesen Komplex im Zusammenhang mit der Eigenkapitalbildung angesprochen —, daß eine Kritik von den Sparkassen kommt, die wir ernsthaft prüfen müssen, auch in den Ausschußberatungen. Aber ich glaube nicht, daß wir deshalb die Neuregelung im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auf Eis legen müssen. Wir können die Befürchtungen der Sparkassen durchaus im Zusammenhang mit der Beratung der KWG-Novelle berücksichtigen. Wir sollten die steuerlichen Änderungen aber nicht auf Eis legen und abwarten, bis wir die KWG-Novelle abgeschlossen haben. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. von Wartenberg [CDU/CSU])

Viertens. Die Steuerermäßigung für Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer und schriftstellerischer Tätigkeit wird entfallen. Auch daran gibt es eine Menge Kritik; wie kann es anders sein.
Fünftens sollen zum Verdruß vieler Brenner — auch bei mir zu Hause in Süddeutschland — die Verluste beim Branntweinmonopol gekürzt werden, und zwar zum einen durch eine Kürzung der Abnahmepreise, zum anderen durch die Abschaffung des



Dr. Spöri
süddeutschen Privilegs. Herr Kühbacher ist hocherfreut, wie ich sehe. Dieses süddeutsche Privileg ist historisch gewachsen. Seit der Gründung des Deutschen Reiches gibt es das schon. Es ist in meiner Heimat auch sehr beliebt. Aber dieses Privileg ist völlig ungerechtfertigt. Deswegen trete ich als Süddeutscher für eine Abschaffung dieses Privilegs ein.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/CSU)

— Nehmen Sie sich ein Beispiel an dieser subventionspolitischen Konsequenz. Herr Riedl ist erfreut, registriere ich.
Ich will zum Kern kommen. Dieses Gesetz hat neben der Erhöhung der Postablieferung einen anderen postalischen Nebeneffekt. Es hat den Nebeneffekt, daß jetzt plötzlich die Portoeinnahmen bei der Post steigen, weil uns viele Protestbriefe geschickt werden. Ich wage hier nicht zu behaupten, daß durch erhöhte Portoeinnahmen die erhöhte Postablieferung ausgeglichen wird. Aber es vergeht kein Tag, an dem wir nicht aus vielen Briefen lesen können, daß der Subventionsabbau an dieser oder an jener Stelle völlig ungerechtfertigt sei und daß da ja in den einzelnen Bereichen gar keine Subventionsvorteile vorliegen würden, sondern im Gegenteil schon Nachteile anzutreffen seien. Dieser Protest, diese Empörung, diese Einwände, sie alle werden jetzt zunehmen. Vor allen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen in allen Fraktionen, werden nicht nur die Kollegen im Finanzausschuß und im Haushaltsausschuß diesem Protest ausgesetzt sein, sondern alle werden in ihren Wahlkreisen Gespräche führen und unter Druck gesetzt werden, in den einzelnen Fraktionen des Deutschen Bundestages darauf hinzuwirken, daß in diesem Subventionsabbaugesetz dieses und jenes geändert oder gestrichen wird. Das ist ja auch alles völlig erwartbar. Es ist auch völlig demokratisch, daß die Betroffenen sich wehren, wenn ihnen etwas an Besitzständen in unserer Gesellschaft weggenommen wird.
Ich darf auch für unsere Fraktion erklären, genauso wie es Frau Matthäus gemacht hat, daß wir jedes Argument sehr ernst nehmen werden. Wir werden in dem Hearing sehr aufmerksam zuhören. Wir haben das Hearing begrüßt. Es gibt Gelegenheit, alle diese Einwände noch einmal konzentriert vorzutragen und zu berücksichtigen.
Aber einer Illusion dürfen wir hier alle zusammen nicht aufsitzen: daß es eine Form von Subventionsabbau gibt, die schmerzlos wäre,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

daß es eine Form von Subventionsabbau gibt, die denen, die hier überall in den Fraktionen ihre parlamentarische Verantwortung wahrzunehmen haben, unangenehme Gespräche im Wahlkreis und mit Verbänden erspart. So etwas gibt es überhaupt nicht, wenn wir wirklich zulangen.
Ein Wort zu den Alternativvorschlägen. Ich bin da wirklich empfangsbereit, Herr Häfele, und diskussionsoffen, wenn die Verbände hier Einsparvorschläge machen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Aber alle diese Alternativen, Herr von Wartenberg, werden, wenn sie wirklich haushaltspolitisch eine vergleichbare Einsparung bringen, auch ein vergleichbares Niveau an Empörung und Kritik auslösen. Darüber müssen Sie sich im klaren sein, wenn Sie Alternativen diskutieren.
Ich hätte mir den Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen auch anders vorstellen können. Man kann da diskutieren. Ich könnte mir sehr viel mehr an Subventionsabbau auch im Ölpreisbereich vorstellen, z. B. im Bereich der Landwirtschaft, wo wir nur eine kassenmäßige Verschiebung haben, oder in der Luftfahrt; hier müssen wir die Vorhaben auf europäischer Ebene abstimmen. Aber bei aller Offenheit in der Diskussion auch gegenüber scheinbar eleganten Vorschlägen, die uns angeblich Probleme ersparen, die sagen „Streicht doch das und jenes raus, und ihr habt nach unseren Vorschlägen noch einen größeren Einsparerfolg", müssen wir uns darüber im klaren sein, daß wir hier nicht ohne Widerstände arbeiten und daß wir bei der konkreten Beratung nicht auf eine harmonische Resonanz in den Verbänden und in den Wahlkreisen hoffen können.
Ich bin skeptisch gegenüber all denjenigen, die hier andere Patentlösungen nebulös andeuten und der Kritik aus den betroffenen Interessenverbänden ausweichen wollen. Ich habe diese ganzen Beiträge von seiten der CDU/CSU heute morgen irgendwie enttäuschend empfunden, ausgenommen den Beitrag von Herrn Riedl, der, muß ich sagen, tatsächlich ganz konkrete Einsparvorschläge gemacht hat, verbindliche Einsparvorschläge, die ich zwar nicht von vornherein unterstützen kann, die aber immerhin konkret waren. Das waren nicht wie sonst nur allgemeine Parolen.
Um es ganz deutlich zu sagen: wenn die CDU/CSU bei diesem Thema wirklich ernstgenommen werden will — ich komme zum Ende, Herr Präsident —, dann muß sie endlich von ihrem alten Prinzip bei der Beratung des Subventionsabbaus abgehen, dann darf sie nicht weiter sagen: Wir von der Union, wir sind zwar grundsätzlich gegen Subventionen, weil das schleichendes Gift im marktwirtschaftlichen Organismus ist, aber im konkreten Fall weichen wir aus, da finden wir tausend Einzelargumente, um die vorgelegten konkreten Abbauvorschläge zu relativieren; im konkreten Fall satteln wir höchstens noch eine Subvention drauf. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0901611700
Als nächster hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Waffenschmidt.

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0901611800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede zum Bundeshaushalt 1981 mehrfach die Gemeinden und insbesondere ihre Ausgaben und ihre Investitionen angesprochen. In der Tat gehört die Situation der Gemeinden in diese Debatte. Dies gilt schon allein des-



Dr. Waffenschmidt
halb, weil sie zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen leisten, von denen auch viele private Investitionen abhängen. Es gilt auch deshalb, weil sie inzwischen ein Hauptteil im Netz unserer sozialen Sicherheit sind. 1981 werden allein die sozialen Leistungen der Gemeinden rund 17 Milliarden DM ausmachen.
Deshalb muß auch die Politik dieser Bundesregierung und der Koalition gegenüber den Gemeinden in dieser Debatte auf den Prüfstand. Wie hier Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, wird an zwei Erklärungen aus dem Bereich der SPD sehr deutlich. In der letzten Kommunaldebatte des Deutschen Bundestages versprach der Bundesfinanzminister für die Bundesregierung: „Wir werden die kommunale Selbstverwaltung stärken." Im Dezember 1980 machte dann das SPD-Magazin „Der Sozialdemokrat" in dieser Sache Bilanz. Es schrieb — ich zitiere —: „Deutschlands Kommunen sind praktisch pleite. — Das war das Hauptthema der 1. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz der in der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik versammelten SPD-Kommunalpolitiker."
Meine Damen und Herren, damit haben wir ein weiteres Kapitel im traurigen Buch der SPD „Versprochen und nicht gehalten!".

(Beifall bei der CDU/CSU)

Tatsächlich herrscht bei den Finanzen der meisten Gemeinden höchste Alarmstufe. Wir als Union wissen, daß nach unserer Finanzverfassung die Länder die ersten Anlaufstellen für die Gemeinden sind; aber der Bund hat hier auch eine gesamtstaatliche Mitverantwortung, nicht zuletzt aus Art. 28 unseres Grundgesetzes. Wir müssen leider heute feststellen, wenn wir Bilanz machen, diese Politik der Bundesregierung war und ist in vielen Bereichen eine Politik zu Lasten der Gemeinden und damit auch zu Lasten der Bürger.
Die kommunalen Spitzenverbände haben erst vor wenigen Tagen ihre Finanzübersicht 1981 vorgelegt. Das traurige Ergebnis ihrer Feststellungen lautet: weniger Einnahmen der Gemeinden bei Steuern und Zuweisungen von Bund und Ländern, mehr Ausgaben bei der Ausführung der Gesetze, rund 6 Milliarden DM Finanzierungsdefizit und rund 10% weniger Investitionen. Dafür trägt der Bund maßgeblich Mitverantwortung, denn die meisten Gesetze und fast alle Programme des Bundes müssen die Gemeinden ausführen. Die Bundespolitik hat einfach — daran trägt die Bundesregierung federführend die Verantwortung — die Gemeinden in den letzten Jahren mit Ausgaben überlastet. Deshalb sind sie auch in große Schwierigkeiten geraten.
In dieser aktuellen Situation erheben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion zwei Hauptforderungen an die Finanzpolitk des Bundes. Sie, meine Damen und Herren von der SPD und auch von der FDP, die Sie in der bisherigen Debatte immer wieder gefragt haben, wo denn unsere Vorschläge seien, möchte ich bitten, auch hier noch einmal genau zuzuhören. Wir machen Vorschläge dazu, wie es mit unserer Finanzpolitik besser werden kann.
Erster Hauptvorschlag: Keine neuen Gesetze mit neuen Ausgaben zu Lasten der Gemeinden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Koordination von Sachinitiativen und Finanzplanung ist notwendiger denn je. Ich will das ganz deutlich an einem Beispiel darstellen: Es darf nicht wieder so wie in der Endphase der letzten Wahlperiode kommen, in der die Koalition Gesetze mit Milliardenlasten für die Gemeinden beschlossen hat, ohne zu sagen, wie sie bezahlt werden sollen. Das war eine ganz unsolide Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine solche Politik ist nicht nur unsolide, sie ist auch unrealistisch und macht letztlich auch politisches Handeln unglaubwürdig. Wie viele aus Ihren Reihen von SPD und FDP waren letztlich froh — man konnte das draußen im Lande hören —, daß wenigstens der Bundesrat gesagt hat, so dürfe es nicht weitergehen, und Halt geboten hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn die Koalition neue Gesetze oder Pläne wünscht — man hört jetzt schon wieder einiges dazu, wenn man den Ausführungen von Sprechern der Koalition draußen folgt —, die den Gemeinden neue Ausgaben bescheren, dann muß die Koalition auch darlegen — das muß deutlich gesagt werden —, wie sie finanziert werden sollen. Alles andere ist eine Irreführung der Bürger. Da wird etwas vorgespiegelt, man könnte vielleicht bei noch besserem Lärmschutz hier und bei viel mehr Jugendhilfe da, bei viel mehr Sozialhilfe und bei anderen Problemen noch etwas tun. Wenn wir wirklich sparen, solide Haushaltswirtschaft machen wollen, dürfen die Kosten nicht an die Gemeinden weitergeschoben werden, sondern dann muß man im Bundestag deutlich sagen, wie die deutschen Gemeinden das finanzieren sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will hier eines ganz deutlich sagen: Die Union lehnt es ab, daß Stadträte und Gemeindeparlamente letztendlich kommunale Steuern anheben sollen, um damit das Geld zu beschaffen, das der Bund für seine Gesetze eigentlich hätte mitschicken müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere zweite Forderung lautet: die Investitionsfähigkeit der Gemeinden stärken. Die traurige Folge der schlechten kommunalen Finanzsituation liegt jetzt darin, daß gerade ausgerechnet in diesem Jahr, in dem wir dringend Investitionen brauchten, um die Konjunktur zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu schaffen, kommunale Investitionen in manchen Bereichen zurückgehen oder aufgeschoben werden müssen, weil das Geld einfach nicht vorhanden und bei manchen Gemeinden die Verschuldungsgrenze erreicht ist. Damit ist die Stabilisierung der noch vorhandenen Investitionskraft der Gemeinden das Gebot der Stunde, gerade weil davon auch eine Menge privater Investitionen in vielen Bereichen abhängt. Dieses Ziel wird nur erreicht werden, wenn wir neue Ausgabenlasten vermeiden.



Dr. Waffenschmidt
Die Stabilisierung der noch vorhandenen Investitionskraft der Gemeinden ist ein viel, viel besseres Mittel als neue Ausgabenprogramme, die oft nur wirtschaftspolitische Strohfeuer erzeugen und den Gemeinden nachher viele Folgekosten verursachen, mit denen sie dann ganz allein bleiben.

(Beifall und Zustimmung bei der CDU/ CSU)

Deshalb will ich an dieser Stelle aus unserer Sicht auch in bezug auf die Gemeinden sagen: Auch in kommunalpolitischem Rahmen kann heute nur ein klares Nein zu den Überlegungen gesprochen werden, etwa neue staatliche Ausgabenprogramme aufzulegen.
Aber Stärkung der Investitionsfähigkeit ist nicht nur eine Finanzfrage, sondern auch die Aufgabe, Investitionshemmnisse zu vermeiden. Dieselbe Bundesregierung, die die Gemeinden als wichtige Investoren sehen möchte, will aber z. B. auch zum gleichen Zeitpunkt die Verbandsklage einführen. Sie schafft damit die Gefahr neuer Hindernisse für Entwicklungsmaßnahmen.
Der Bundeskanzler hat bei mehreren Gelegenheiten sehr deutlich gemacht, daß er die erheblichen Bedenken gegen ein solches Rechtsinstrument teilt. In der Regierungserklärung hat er sie freilich hier verkündet. Ich muß sagen, solche Zickzackpolitik schafft kein Vertrauen für künftige Investitionen und für künftige Politik. Ich meine, die Bundesregierung sollte dieses Vorhaben noch einmal überlegen.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Nicht nur überlegen, ablehnen sollte sie es!)

Wir sollten sehr deutlich sagen, daß das Vorhaben, was hier in der Regierungserklärung angesprochen worden ist, sich in höchstem Maße schädlich auswirken kann für unsere künftige Investitionspolitik.
Ich sage es einmal zugespitzt: Wir als Union sind dafür, daß jeder, der betroffen ist, eine Klagemöglichkeit haben soll, aber es darf in unserem Lande nicht so sein, daß wir ein Rechtswegestaat werden, in dem vor lauter Prozessen nichts mehr für die Zukunft investiert werden kann. Da müssen wir uns sehr in acht nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir als Union sind für Gespräche mit den Bürgern über wichtige Entwicklungsaufgaben, wir sind für Bürgerinformation und auch für Diskussion von Alternativen. Ich halte dies für sehr wichtig gerade auch bei Investitionen für Entwicklungsmaßnahmen. Niemand sollte von vornherein denken, daß er den Stein der Weisen habe; man muß auch über Alternativen diskutieren. Das zeigen wir als Union gerade auch als stärkste Kommunalpartei in vielen Gemeinden. Aber nach einer Zeit des Gesprächs muß auch der Zeitpunkt der Entscheidung kommen, und die Entscheidung müssen die nach Verfassung und Gesetz Verantwortlichen treffen. Der Bürger hat auch einen Anspruch darauf, daß sie die Entscheidung treffen für die Zukunftsinvestitionen in unserem Lande. Darauf haben die Bürger einen Anspruch auch bei den wichtigen Aufgaben, die in der
Abwägung zwischen Umweltschutz und wirtschaftspolitischen Entwicklungsmaßnahmen anstehen.
Lassen Sie mich noch eine weitere Voraussetzung ansprechen, damit wir für die Zukunft Investitionen machen können, damit wir für die junge Generation auch etwas im Hinblick auf deren Möglichkeiten investieren können, privat und in den Gemeinden. Wir werden Investitionsspielraum nur gewinnen, wenn wir in der Orientierung unserer Politik in den kommenden Monaten etwas hinzutun. Hier sage ich sehr deutlich: Es muß Schluß sein mit dem Aberglauben, alles würde schöner, besser und gerechter, wenn es die öffentliche Hand regelt. Wir müssen wieder die private Initiative ansprechen, und wir müssen die freien Träger in unseren Städten und Gemeinden fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Möller [CDU/CSU]: Darauf kommt es an!)

Das bedeutet, daß wir uns bei jedem Gesetzgebungsvorgang, der in dieser Wahlperiode wieder auf uns zukommen wird, auch klarmachen: Ist es nicht besser, wenn wir einem freien Träger eine Hilfe zuteil werden lassen, als daß für alles Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, neue Verwaltungen und dergleichen geschaffen werden, die dann auch viele, viele Kosten auslösen? Ich will es zugespitzt sagen: Besser einem freien Träger eine Hilfe geben, als für alles neue Behörden mit Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will in dieser Debatte noch zwei Bereiche ganz besonders ansprechen, die mit den zusammen mit dem Bundeshaushalt überwiesenen und hier vorgelegten Gesetzen zusammenhängen. Ich meine, hier sind ganz besonders intensive Beratungen in den Ausschüssen notwendig.
Die Vorschläge der Bundesregierung bündeln die Lasten schwerpunktmäßig bei den Bürgern und Gemeinden in den strukturschwachen ländlichen Gebieten. Dort wirken sich — das muß man sich einmal ansehen — folgende Maßnahmen gleichzeitig aus: die Kürzung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbeserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", Kürzungen im Bundesfernstraßenbau, Verteuerung des Autofahrens durch Erhöhung der Mineralölsteuer — oft gibt es dort keine Ausweichmöglichkeiten auf den öffentlichen Nahverkehr —, Verteuerung des vorhandenen Angebots im Busverkehr durch Streichung der Gasölbetriebsbeihilfen und manches andere mehr.
Wir sollten dies hier sehr deutlich und offen ansprechen. Ich sage hier für meine Fraktion: Eine Politik ist in besonderem Maß unsozial, wenn sie arme und strukturschwache Räume noch ärmer macht und ihnen ganz besondere Opfer zumutet.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Anhebung der Mineralölsteuer! — Beifall bei der CDU/ CSU)

Diese Bündelung von Belastungsmaßnahmen kann die große Gefahr in sich bergen, daß die Landflucht sich wieder verstärkt. Davon hat niemand etwas. Denn das löst zusätzlichen Druck auf den Raum der

'575

Dr. Waffenschmidt
Ballungszonen und der Ballungsrandzonen aus, und die Gemeinden dort werden mit neuen Problemen im Wohnungsbau und bei anderen Infrastrukturmaßnahmen konfrontiert.
Zusammengefaßt: Diese Vorschläge bedürfen ganz intensiver Überprüfung. Wenn hier Opfer notwendig sind, müssen sie auch unter den Gesichtspunkten der sozialen Zumutbarkeit und unter raumordnungspolitischen Orientierungspunkten überlegt werden. Das werden wir in den Ausschußberatungen ganz besonders angehen.
Zwei Bereiche wurden heute hier besonders angesprochen, und dies ist sehr wichtig. Zum einen geht es um die Streichung der Gasölbetriebsbeihilfen für den öffentlichen Personennahverkehr. Seit Jahren bemühen wir uns im Deutschen Bundestag aus vielen wichtigen Gründen um die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Jetzt, wo Energie gespart werden muß und wo das Autofahren durch die von der Bundesregierung vorgeschlagene Mineralölsteuererhöhung noch teurer wird und wo mancher Bürger sich vielleicht überlegt, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, fängt man an, den Nahverkehr durch Streichung dieser bisher gewährten Hilfe teurer zu machen. Eines wollen wir klar sehen: Hier wird sich bald die Notwendigkeit ergeben, die Fahrpreise aufs neue anzuheben.
Hier wird eines deutlich, was sich praktisch wie ein roter Faden durch die Vorschläge der Bundesregierung hindurchzieht: Es werden sogenannte Sparvorschläge gemacht, die aber die Lasten auf andere Körperschaften weitergeben. Es wird ein großer Verschiebebahnhof entwickelt, damit die anderen Körperschaften und Gesellschaften das an den Bürger weiterreichen. Man wird den Eindruck nicht so ganz los, daß hier die Urheberschaft für die dann neuen Preiserhöhungen vernebelt werden soll. Deshalb sprechen wir das so offen an. Dies kommt aus der verfehlten Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in den letzten Jahren. Das müssen die Bürger wissen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr eingehend muß auch die von der Bundesregierung vorgeschlagene verstärkte Besteuerung der Sparkassen untersucht werden. Der besondere Auftrag und die Zielsetzung der Sparkassen für das Allgemeinwohl, z. B. bei den Baukrediten, bei den Krediten für den Mittelstand, bei den Kommunalkrediten, der ja vielfältig durch landesrechtliche Vorschriften vorgesehen ist, werden durch die Politik und die vorgelegten Pläne der Bundesregierung erheblich belastet. Wer ist wieder der Leidtragende? Das muß man offen ansprechen, damit die Dimensionen deutlich werden: Die Leidtragenden sind hier die mittelständischen Betriebe, der kleine Mann, der bauen will, die Gemeinden, die dann für ihre Sparkassen das Kapital stärker finanzieren müssen. Und die Gemeinden gewinnen ihr Geld ja auch nur von den Bürgern.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Wieder Politik auf Kosten des kleinen Mannes!)

Entsprechendes gilt für die Kreditgenossenschaften
und für alle, die in diesem Bereich Verantwortung
tragen und bisher mit guten Gründen einer anderen Besteuerungsgrundlage unterlagen. Jeder Bürger muß also wissen, daß mit diesem Verfahren der Bundesregierung Belastungen auf andere Körperschaften und andere Verwaltungsebenen abgeschoben werden, damit sie von dort an den Bürger weitergegeben werden.
Wir werden gerade für diesen Bereich nach Anhörung der Betroffenen und all derer, die sich hierzu in unseren Anhörungen der Ausschüsse sachlich äußern werden, Entscheidungen zu treffen haben.

(Vorsitz : Präsident Stücklen)

Lassen sie mich zu diesem Komplex — Bundespolitik und Politik vor Ort — zusammengefaßt sagen: Wir als Union machen konkrete Vorschläge

(Zuruf von der SPD: Wann?)

zur Verbesserung der Finanzpolitik. Und wenn hier einer „Wann" ruft, dann sage ich ihm:

(Zuruf von der SPD: Welche denn?)

Daß eine Opposition im Deutschen Bundestag für die Gestaltung der Finanzpolitik den Vorschlag macht, „Wir werden in der nächsten Zeit auf ausgabenwirksame Initiativen verzichten", ist ein ganz entscheidend wichtiger Beitrag zu einer soliden Finanzpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Ist ja toll!)

Als Sie in der Opposition waren — heute morgen ist j a mit Recht immer wieder vorgetragen worden, was Ihr damaliger Fraktionsvorsitzender Helmut Schmidt damals gesagt hat —,

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Schmutzige Wäsche waschen!)

— schmutzige Wäsche waschen — hätten wir es gern gehabt, wenn solche Vorschläge gemacht worden wären. Die haben Sie nie gebracht. Wir haben uns eine Selbstbescheidung auferlegt. Das ist für eine Opposition gar nicht einfach. Aber wir sagen dem deutschen Volk und den deutschen Bürgern: Sicherlich gibt es noch viel Wünscheswertes, was man verbessern könnte. Aber um das Wichtigste zu erreichen, nämlich die Stabilisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, um dann auch die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu können, ist es besser, jetzt haltzumachen. Meine Kollegen haben schon gesagt, man sollte einmal ein Jahr lang keine Gesetze mit neuen Ausgaben, Richtlinien, Verordnungen und dergleichen mehr verabschieden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies ist richtig, meine Damen und Herren. Damit wird auch eingespart, und damit können wir auch die Finanzen wieder in den- Griff bekommen. Wenn wir dazu noch den Bürgern sagen, daß wir Investitionshemmnisse vermeiden wollen, und wenn wir in den zwei Bereichen Orientierungspunkte geben, dann hat das einen großen, sich ausbreitenden Effekt in die Wirtschaft hinein. Ich glaube, wenn viele Betriebe draußen im Lande sehen, daß wir wirklich Ernst machen und uns ein Jahr lang diese Selbstverpflichtung auferlegen, keine neuen ausgabenwirksa-



Dr. Waffenschmidt
men Gesetze zu beschließen, dann hat das eine große Wirkung auch im Hinblick auf die Investitionen unserer Wirtschaft. Das wird dann auch manchen Bürger in seiner privaten Einstellung zu den wirtschaftlichen Gegebenheiten motivieren. Ich meine, mit dem, was wir heute vorgetragen haben, und auch mit dem, was ich im Hinblick auf Koordinierung von Fach- und Sachinitiativen mit der Finanzplanung gesagt habe, geben wir als Opposition ein Beispiel. Das sollten Sie würdigen. Gehen Sie auf unsere Vorschläge ein, dann können wir in wichtigen Bereichen gute Finanzpolitik für unser Land machen. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901611900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kühbacher.

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901612000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Union will in den nächsten Jahren auf ausgabewirksame Anträge und Initiativen verzichten. Das war der einzig substantielle Vorschlag. Das heißt im Klartext: Sie wollen in den kommenden Jahren den Mund nicht mehr so voll nehmen. Nur, zum Sparen trägt das überhaupt nicht bei.

(Beifall bei der SPD)

Kein einziger Sparvorschlag ist von Ihnen gekommen, Herr Dr. Waffenschmidt. Bei dem Punkt, den der Kollege Spöri vorhin angesprochen hat, nämlich beim Subventionsabbaugesetz, kommt von Ihnen aber schon ein Nein; Sie sagen, wie schlimm das sei und wie das auf den Bürger einwirke. Auf das Sparkassenprivileg komme ich nachher noch zurück.
Ich möchte mich zunächst einmal damit auseinandersetzen, daß Sie keine Gesetze mehr im Bundestag verabschiedet sehen wollen, die Belastungen für die Gemeinden mit sich bringen. Kaum verständlich haben Sie hinzugefügt, daß Sie auch das Lärmschutzgesetz, die Jugendhilfe und die Sozialhilfe dazuzählen. A la bonheur! Während der letzten Legislaturperiode las sich das aber anders. Wenn ich mich richtig erinnere, Herr Kollege Waffenschmidt, ist das Lärmschutzgesetz hier auf breite Zustimmung gestoßen. Nur eine seltsame Verwicklung hat das Lärmschutzgesetz am Ende aufgehalten. Der Finanzminister Gaddum hat von dieser Stelle aus den Kompromiß des Vermittlungsausschusses begrüßt, und er hat gebeten, diesem Kompromiß zuzustimmen. Ich bin erstaunt, daß Sie das plötzlich ganz anders sehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901612100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Waffenschmidt?

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901612200
Gern.

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0901612300
Herr Kollege Kühbacher, sind Sie bereit zuzugeben, daß die CDU/CSU damals den ganz konkreten Vorschlag gemacht hat, in Verbindung mit dem Lärmschutzgesetz den Gemeinden Möglichkeiten der Finanzierung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zu geben, und daß Sie diesen Antrag damals abgelehnt haben? Dies muß man hier nachtragen.

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901612400
Sehen Sie, Herr Kollege Waffenschmidt, genau das ist der Punkt. Sie sagen also: Wir machen dieses Gesetz mit, aber der Bund soll zahlen. Das ist natürlich auch eine Verteilung. Vorhin haben Sie gesagt, Sie wollten keine Gesetze mehr machen, die der öffentlichen Hand zusätzliche Ausgaben bringen. Nun sagen Sie: Ja, aber der Bund zahlt. Wenn Sie sich die Finanzierungsquoten von Bund, Ländern und Gemeinden einmal anschauen, dann müssen Sie zugeben, daß die Gemeinden in der jetzigen Situation außerordentlich gut dastehen. Das wird auch in der Diskussion mit denjenigen, die in der Kommunalpolitik Verantwortung tragen, insbesondere in den Verbänden, nicht bestritten.

Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID0901612500
Dann hatte also Ihr SPD-Kongreß unrecht.


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901612600
Sie können ja noch eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Waffenschmidt, aber nicht in die Diskussion eintreten.

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901612700
Wenn Sie sich die Finanzierungssalden ansehen — Herr Waffenschmidt, Sie sind doch ein belesener, erfahrener Mann —, dann wissen Sie, daß der Bund in diesem Jahr 27 Milliarden Kredit schöpfen muß, die Länder etwa die Hälfte. Die Gemeinden bleiben wahrscheinlich mit 4 Milliarden am Ende dieser Skala, obwohl, wie Sie vorhin richtig anführten, die Gemeinden zwei Drittel der gesamten öffentlichen Investitionen zu finanzieren haben. Das heißt im Klartext, die Selbstfinanzierungsquote bei den Gemeinden ist außerordentlich gut. Das ist nicht zu bestreiten, und wir täten uns alle einen Tort an, wenn wir ein Bild an die Wand malten, als wären die Gemeinden am finanziellen Ruin. Daß man natürlich aus Verbandspolitik heraus, auch auf Kongressen, an die Adresse dieses Parlamentes sagt: „Wir hätten gern eine Verbesserung unserer Finanzausstattung", gestehe ich unseren kommunalen Vertretern und Partnern durchaus zu. Es ist j a auch völlig berechtigt, wenn man sich über die quantitative Verteilung klar ist, zu sagen: „Wir — die Gemeinden — möchten eine größere qualitative Verstärkung, eine Verstetigung unserer Finanzmasse." Das akzeptiere ich, und darüber sollte man sich in der weiteren Diskussion unterhalten.
Aber ich will auf einen anderen Punkt eingehen. Sie beklagen hier, Herr Kollege Waffenschmidt, daß der Entwurf des Bundeshaushalts 1981 insbesondere in den Strukturen der Gemeinden letzten Endes den kleinen Bürger treffen würde, daß das ganz schlimm sei, was an Kürzungen im Bundeshaushalt angedeutet würde. Ich fange mal bei dem konkreten Gesetz Subventionsabbau an, in diesem Fall dem Sparkassenprivileg, damit das allen Kollegen einmal klar wird. Worum geht es im Kern?
Die Besteuerung der Sparkassen erfolgt nach Gewinn. Besteuert werden also nur Gewinne, Herr Kollege Waffenschmidt. Die Frage ist zu stellen: Sollen alle übrigen öffentlichen Körperschaften 50 % und die Sparkassen nur 44 % bezahlen? Machen Sie das vor Ort einem Gewerbetreibenden, einem Handwer-



Kühbacher
ker, einem Dienstleistungsunternehmen einmal klar, das in einer juristischen Rechtsform 50 % Körperschaftsteuer zu bezahlen hat, während die Bank, die exorbitant gute Gewinne hat, nur 44 % zu bezahlen hat. Das wird doch kaum zu verstehen sein. In dieser Diskussion wird das — wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe — bedeuten, daß in der Bundesrepublik statt 1,5 Milliarden Steuern nach Gewinn künftig etwas mehr abzuliefern sein wird. Sie können doch nicht im Ernst behaupten, daß dann, wenn man Gewinne stärker besteuert, dies in die Kosten geht, daß sich dadurch die Dienstleistungen der Sparkassen für die Handwerker, für die einfachen Leute, für die Sparer verschlechtern müssen. Wir besteuern den Gewinn etwas höher. Das wird niemand von den Bürgern merken müssen. Hier frage ich mich, ob Sie Gefangener einer bestimmten Sparkassenlobby geworden sind, wenn Sie hier an das Pult treten und sagen: Überall dürft ihr sparen, aber bei den gutverdienenden Sparkassen auf keinen Fall.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901612800
Herr Abgeordneter Kühbacher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauser (Krefeld)?

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901612900
Aber gern!

Hansheinz Hauser (CDU):
Rede ID: ID0901613000
Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, daß diese steuerliche Andersbehandlung der Sparkassen in der völlig andersartigen Finanzstruktur begründet liegt, die im Kreditwesengesetz zugrunde gelegt ist und die es in einer zwingend vorgeschriebenen andersartigen Geschäftspolitik den Sparkassen nicht gestattet, sich so zu verhalten wie beispielsweise die Groß- oder die Privatbanken? Sind Sie nicht der Meinung, daß wir, wenn wir in dieser Form die Sparkassen besteuern, damit die Eigenkapitalstruktur, die ohnehin problematisch ist, noch stärker belasten und damit das gesamte Sparkassenwesen aufs höchste gefährden?

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901613100
Herr Kollege Hauser, ich bin nicht Ihrer Auffassung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Subvention aus den öffentlichen Kassen dazu dienen muß, das Kreditvolumen aller privaten und öffentlichen Sparkassen so auszudehnen, daß sie in alle möglichen, auch Auslandsgeschäfte einsteigen müssen. Das Kreditvolumen, das notwendig ist, um die Geschäfte vor Ort der örtlichen Sparkassen zu bestreiten, reicht aus. Aber wenn man sich an großen Unternehmungen beteiligt, dann reicht natürlich die Finanzdecke nicht. Hier ist die Frage zu stellen: Muß der finanzielle Vorteil, der irgendwann mal vor langer Zeit den Sparkassen zur Förderung des „Sparsinns" gegeben worden ist — so nennt das der Subventionsbericht —, in finanziell schwierigen Zeiten — und darüber sind wir uns doch klar, daß wir finanziell schwierige Zeiten haben — auf ewig fortgewährt werden? Ich kann mir nicht vorstellen, daß man, wenn man Gewinne besteuert, den Lebensnerv der Sparkassen, und, wie Herr Dr. Waffenschmidt sagte, den Lebensnerv der Bürger in den Gemeinden trifft. Irgendwo müssen wir anfangen. Also fangen wir bei denen an, die gut verdienen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901613200
Gestatten Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hauser?

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901613300
Da das Thema so interessant ist, gern, Herr Kollege!

Hansheinz Hauser (CDU):
Rede ID: ID0901613400
Sie wissen doch oder — ich muß ja jetzt fragen — wissen Sie nicht, daß die Sparkassen auch im Interesse der Gewährträger gemeinnützige Dinge zu erledigen haben, daß dies mit der Kostenstruktur der Sparkassen im engsten Zusammenhang steht und daß der Herr Bundeswirtschaftsminister vor einigen Monaten bereits die Frage aufgeworfen hat, ob man neben den bisher üblichen Gewährträgern der Sparkasse wegen der geringen Eigenkapitalbasis nicht auch andere Interessenten an der Kapitalisierung beteiligen müsse? Sind Sie nicht der Meinung, daß das, was wir jetzt diskutieren, zu einer Komplizierung der Situation beiträgt?

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901613500
Herr Kollege Hauser, was die Frage der regionalen Aufgabe einer Sparkasse angeht, stimme ich Ihnen sehr zu. Es wäre sehr wünschenswert, wenn diese Kassen beispielsweise Handwerkern, mittelständischen Betrieben Kredite anbieten würden,

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das tun sie ja!)

die im Zinssatz unter denen der Geschäftsbanken lägen. Das wäre sehr zu wünschen. Aber es kommt doch auf das Ergebnis an. Wenn das so wäre und wenn sie in diesem Ausmaß von diesem eigentlich allgemeinen wirtschaftlichen Gebot Gebrauch machten, müßten doch am Ende niedrigere Gewinne abzulesen sein. Das ist aber doch nicht der Fall. Die Gewinne der Sparkassen sind doch außerordentlich gut. Das heißt: Die Wohltat, die sie auf der einen Seite in Richtung auf niedrigere Kreditzinsen gewähren, führt auf der anderen Seite nicht dazu, daß die Gewinne geringer werden. Wenn die Gewinne also so hoch sind, ist zu überlegen, ob man an sie nicht eine gleiche Steuerquote anlegen kann wie an jede Brauerei, wie an jeden Bauunternehmer und wie an jeden Dienstleistungsbetrieb. Die Gemeinnützigkeit wird überhaupt nicht in Frage gestellt.
Worum es Ihnen geht, Herr Kollege Hauser, ist, daß die Eigenkapitalquote gelegentlich nicht mehr ausreicht, um den Liquiditätsgrundsatz Nr. I zu stutzen. Nur, Herr Kollege Hauser, dieser Liquiditätsgrundsatz Nr. I wird doch nicht durch das örtliche Geschäft, auch im gemeinnützigen Sinne, schwierig, sondern durch die großen Kreditgeschäfte, in die sich die Sparkassen inzwischen unter allgemeinem Konkurrenzdruck begeben haben.

(Cronenberg [FDP]: Wie die normalen Geschäftsbanken!)

— Wie die normalen Geschäftsbanken. — Von daher ist doch die Frage zu stellen. Laßt sie uns gleichbehandeln.
Im übrigen, um Ihnen ein wenig zu helfen: Im Deutschen Bundestag wird ja das Kreditwesengesetz beraten werden. Dann soll man doch dort über Haftungsgrundsätze bei Sparkassen, die öffentlichrechtlich abgesichert werden, ein wenig intensiver



Kühbacher
nachdenken. Ich meine, dann kommt man auch zudem von Ihnen gewünschten Ergebnis: unter Stützung der öffentlichen Kassen.
Nun will ich Ihnen ein letztes Wort sagen. Bei dem Subventionsabbaugesetz ist auch beabsichtigt, die Gewerbekapitalsteuer und die Gewerbeertragsteuer zu erhöhen. Diese Erhöhungen fließen unmittelbar in die kommunalen Kassen und erschließen von daher neue Eigenkapitalmöglichkeiten. Mögen doch die Gemeinden diesen höheren Steuerfluß aus ihrer eigenen Sparkasse benutzen, um ihn als Eigenkapital wieder in diese hineinzugeben.

(Zuruf des Abg. Hauser [Krefeld] [CDU/ CSU])

Sie sind als Verwaltungsrat aufgefordert, Herr Hauser, so zu agieren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901613600
Herr Abgeordneter Kühbacher, Sie haben Spaß an Zwischenfragen. Es ist noch eine Meldung von Herrn Abgeordneten Friedmann da.

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901613700
Ich merke ja, daß die Zahl der Zwischenfragen zunimmt, je interessanter das Thema ist. Bei bodenständigen Themen muß man dazu kommen. Herr Kollege Friedmann, ich habe keine Sorgen um Ihre Zwischenfrage.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901613800
Also bitte sehr!

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0901613900
Herr Kollege Kühbacher, wie erklären Sie es sich denn bei Ihrer Philosophie, daß die Kreditgenossenschaften, zu denen ja die Volksbanken und die Raiffeisenbanken gehören, zusammen 400 Millionen DM mehr Steuern zahlen als alle drei Großbanken zusammen, obwohl die Bilanzsummen der Kreditgenossenschaften genauso groß sind wie die der drei Großbanken?

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901614000
Das hat mit Philosophie nichts zu tun, Herr Dr. Friedmann, sondern mit der außerordentlich guten Ertragslage dieser Institute. Sie bezahlen zur Zeit 44 % Körperschaftsteuer, im Gegensatz zu anderen, die 50 % zahlen. Wenn sie, wie Sie eben sagen, 400 Millionen DM mehr Steuern zahlen als die übrigen, müssen sie doch eine exorbitant gute Ertragslage haben, wenn der Steuersatz niedriger ist. Geben Sie mir das zu?

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Natürlich! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Deutsche Bank schließt bestimmt nicht schlecht. ab!)

Man kann ja addieren, was hier an Zwischenfragen kommt. Da kommt der Vertreter dieser Interessengruppe, dort kommt der Vertreter jener Interessengruppe.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: So billig können Sie es nicht abmachen!)

— Herr Kollege Möller, natürlich ist das möglicherweise billig.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Das ist sehr billig!)

Aber der zielgerichteten Zwischenfragerei stehen Aussagen des Kollegen Waffenschmidt gegenüber, daß die Union kostenwirksame Gesetze hier nicht mehr einbringen werde. Wenn gespart werden soll, stehen hier einzeln nacheinander die Kollegen Vertreter — die Kollegen Volksvertreter — auf und plädieren für die Volksbanken, für die Raiffeisenkassen, für die öffentlichen Sparkassen, für den kleinen Handwerker usw. Dies alles mutet mich seltsam an. Denn wir wollen diesen Staat, die öffentliche Hand, in die Lage versetzen, öffentliche Aufgaben zu finanzieren; die Gewinne gutverdienender Kreditinstitute sollen nicht völlig unbeeinträchtigt bleiben.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Herr Kühbacher, das Geld fließt ja schon zum Staat!)

— Ja, natürlich, aber nicht genug, Herr Dr. Friedmann.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Bei dieser Regierung natürlich nicht genug! Da wird es nie reichen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns auf den Ausgangspunkt dieser kurzen Auseinandersetzung zurückkommen. Es geht uns um die kommunale Finanzausstattung. Meine Einschätzung ist: Sie ist — das wird im Ernst wohl auch nicht bestritten — qualitativ zu verbessern, quantitativ — im Verhältnis zum Bundeshaushalt und zu den Länderhaushalten — wohl nicht auszubauen. Worum geht es den Kommunen denn nun eigentlich, wo finden sie auch eine breite Unterstützung in diesem Parlament? Wir müssen dafür sorgen, daß die kommunalen Finanzen auf längere Sicht auf der Einnahmenseite an Stetigkeit gewinnen.


(Dr. Möller [CDU/CSU]: Dafür haben wir in der letzten Legislaturperiode viele Vorschläge gemacht!)

Es wäre gut, wenn wir diese wichtige Feststellung gemeinsam treffen könnten. Wir müssen dafür Sorge tragen — das kann nun nicht der Bundestag allein bestimmen, sondern das wird vornehmlich in die Länderparlamente gehören —, daß die Finanzmittel nach den unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten der kommunalen Selbstverwaltung aufgeteilt werden. Da haben Kernstädte, Herr Dr. Waffenschmidt, darunter zu leiden, daß viele Menschen ins Umland, in die Kranzgemeinden abwandern. Die bekommen nun auf Grund unseres Steuerrechts, also wegen des gestiegenen Einkommensteueranteils, exorbitant hohe Einnahmezuwächse, obwohl hochwertige Dienstleistungsaufgaben bei den Kernstädten verbleiben. Die Krankenhäuser z. B., der kulturelle Bereich, der Bildungsbereich und die damit verbundenen Ausgabenlasten wandern mit der Bevölkerung ja nicht mit. Welche Kommune am Stadtrand leistet sich denn Berufsschulen in größerer Zahl? Das ist doch wohl selten der Fall.
Zum öffentlichen Nahverkehr kann ich Ihnen, Herr Dr. Waffenschmidt, mit Blick auf unsere Region nur sagen: Es gibt da drei Kommunen, die ein ordentliches öffentliches Personennahverkehrsnetz



Kühbacher
unterhalten, das den kommunalen Haushalt mit einem Minus von 10 Millionen, 15 Millionen und 20 Millionen DM pro Jahr belastet. Wenn die umliegenden Landkreise auf einen Verkehrsverbund angesprochen werden, machen die sich ganz steif, nicht etwa deshalb, weil sie das für die Bevölkerung im ländlichen Raum nicht bräuchten, sondern deshalb, weil das natürlich eine finanzielle Belastung bedeutet.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Sicher!)

Nahverkehr ja, aber nur, wenn andere es bezahlen.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Bahn und Post machen bei diesen Verkehrsverbünden in der Regel nicht mit!)

Auch dies gehört mit zu dieser Diskussion: die Finanzierungsbeziehung zwischen den Städten mit großen Aufgaben und dem Land.
Sie haben recht, Herr Dr. Waffenschmidt, wenn Sie sagen, daß das, was auf der Ausgabenseite aus Gründen der Strukturpolitik gekürzt wird, auch in den ländlichen Bereichen sicher zu größeren Schwierigkeiten führen wird. Aber man muß dies dann im Gesamtkontext sehen: Wohin gehen die Lasten? Sie sprechen hier den Personennahverkehr, die Kürzungsmaßnahmen, Kürzungsabsichten der Bundesregierung an. Wenn man das präzise und redlich betrachtet, weiß man, daß auf der konsumtiven Seite zwar weniger Gelder fließen sollen — im übrigen in Drei-Jahres-Schritten; drei Jahre lang sollen jeweils bestimmte Prozente abgebaut werden; das wird wahrscheinlich zur Erhöhung der Tarife führen, aber im Gleichklang mit den sich ohnehin ergebenden Tarifen in sehr viel geringerem Maße —, aber Herr Kollege Waffenschmidt, 90 % dieser eingesparten Mittel im konsumtiven Bereich fließen nach der Fassung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes in den investiven Bereich — nach unserem Willen aufgewandt zur Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs unter der Überschrift: Weg vom Öl — zurück. Es ist also nicht so, daß da nur etwas weggenommen wird, sondern es wird umverteilt, der Mangel wird umverteilt, und zwar zugunsten einer problemorientierten Politik. Ich sage Ihnen ganz klar: Diese Form von Investitionslenkung, nämlich Mittel im konsumtiven Bereich wegzunehmen, in den investiven Bereich zu lenken und dort Qualität zu schaffen, habe ich mir unter sozialdemokratischer Politik immer vorgestellt. Ich bedanke mich dafür beim Finanzminister.
Ich will zum Schluß kommen. Worum geht es uns, wenn wir im Bundestag über die Verteilung kommunaler Finanzmassen sprechen? In guten Zeiten, Herr Kollege Waffenschmidt, ging es uns Sozialdemokraten darum, durch Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben, durch Finanzverteilung, durch die kommunale Finanzreform finanziellen Wohlstand gleichmäßig zu verteilen, ihn insbesondere in die Gebiete zu tragen, in denen Finanzschwäche die Infrastruktur nicht so hat aufblühen lassen, wie das notwendig war. Wenn wir uns die Infrastruktur in der Bundesrepublik ansehen, stellen wir fest: Sie ist insgesamt eigentlich gut in Schuß. Niemand, der aus der Kommunalverwaltung kommt, kann behaupten, daß die Infrastruktur in den Städten, in den Gemeinden große Mängel aufweist. Ich will nicht übertreiben, aber ich meine, der nötigste Investitionsbedarf ist gedeckt. Hier gibt es weiteren Bedarf, aber auf ganz anderen Feldern, etwa auf dem Gebiet der Gesellschaftspolitik. Im Bereich der Altenpflege, bei kombinierten Altenpflege- und Behindertenheimen besteht ein Bedarf an Investitionen, natürlich mit Folgekosten. Aber hinsichtlich der übrigen Bereiche sind wir uns doch im klaren: Im Straßenbau, für den Neubau von Schulen, im Bildungs- und Sozialbereich sind keine Investitionsschübe erforderlich. Hier und da bestehen natürlich Notwendigkeiten. Was den Freizeitbereich, den Sportbereich angeht, sollten wir uns doch einmal an die eigene Brust klopfen, und zwar jeder, aus welcher Kommune er auch immer kommen mag, und uns die Frage stellen, ob wir uns die Ausstattung mit öffentlichen Einrichtungen richtig überlegt haben, denn die Folgekosten zwingen zu der Überlegung, ob man sich etwa ölbeheizte Freibäder heute noch leisten kann. Ich glaube, wir sollten sehen, daß die Infrastruktur ausreichend ist und daß es dementsprechend keinen großen Nachholbedarf gibt. Herr Kollege Waffenschmidt, wir befinden uns allerorten in einer Situation finanziellen Mangels. Es geht politisch darum, diesen Mangel gerecht zu verteilen. Es wäre eine schlimme Sache, wenn — —

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Wer hat den Mangel denn produziert?)

— Herr Kollege Möller, Sie fragen, wer diesen Mangel produziert habe. Sie wollen doch diesen Mangel, den wir im Moment durch eine Reihe außenwirtschaftlicher Schwierigkeiten haben, unter anderem auch durch die Ölpreisverteuerung, nicht irgendeiner Regierung anlasten? Das können Sie doch im Ernst nicht wollen. Sie wollen das Zahlungsbilanzdefizit doch nicht der Bundesregierung anlasten?

(Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Kollege Möller, Sie wollen der Regierung doch nicht im Ernst die Schuld für die im konsumtiven Bereich permanent drückenden Personalkosten anlasten? Da wird doch verhandelt, wobei ich bei meinem Lieblingsthema wäre. Alle, die Kommunalinteressen, Länderinteressen und Bundesinteressen vertreten, sitzen doch in einem Boot. Ich meine, der Staat ist ein Unternehmen — ob auf Bundes-, Länder- oder Gemeindeebene — zum Transport und zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen. Wir haben alle darauf zu achten, daß die Transporteure nicht mehr Sprit verbrauchen, als notwendig und auch möglich ist, denn das hätte zur Folge, daß Güter nicht mehr ankämen und Dienstleistungen nicht mehr erbracht werden könnten. Ich meine, wir sollten den Haushaltsplan 1981 in diesem Sinne sehen. Herr Kollege Waffenschmidt, ich meine, man sollte im konsumtiven Bereich auch von den Zuweisungen und Dotationen an nachgeordnete Institutionen etwas abzwacken, um zusätzliche Investitionen zu ermöglichen. Ich höre schon, wenn wir im Haushaltsausschuß hier und dort etwas streichen werden, die Kollegen sagen: Das geht doch nicht. — Genau das wird eintreten. Ich verspreche Ihnen: Wir bleiben



Kühbacher
hart, und wir werden bei Ihnen, Herr Kollege Haase, sehen, wie hart Sie im Haushaltsausschuß bleiben, wenn es darum geht, institutionelle Förderung in Einzelbereichen zu streichen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901614100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp.

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0901614200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Regeln der doppelten Buchführung müssen den von den ölerzeugenden Staaten erzielten Leistungsbilanzüberschüssen — allein im vergangenen Jahr 115 Milliarden Dollar — Leistungsbilanzdefizite ölverbrauchender Staaten entsprechen. Daß Überschüsse und Defizite sich auf Null addieren, hat mit den Gesetzen der Logik und nicht, wie der Kollege Häfele und leider auch der Kollege Dr. Sprung heute früh glauben machen wollten, mit dem Unvermögen der Regierung zu tun. Die Preispolitik der OPEC-Staaten, die zu diesen Überschüssen geführt hat, ist darauf gerichtet, die energiepolitische Anpassung der Volkswirtschaften der Industriestaaten zu erzwingen. Daß von dieser realen wie von der zahlungsbilanzpolitischen Anpassungslast auch die Bundesrepublik eine gehörige Portion abbekommen hat, ist wiederum zwangsläufig. Nehmen wir an, der Schwarze Peter der Defizite wäre voll bei den Entwicklungsländern oder bei den schwächeren Industriestaaten gelandet, dann wäre doch wohl der Zusammenbruch der Weltwirtschaft voll programmiert. Mit diesen Feststellungen wird nicht abgewiegelt. Wir müssen j a in der Tat äußerste Anstrengungen unternehmen, um von einem Leistungsbilanzdefizit derzeitiger Höhe herunter und hin zu weltweit ausgeglicheneren Zahlungsbilanzen zu kommen.
Gleichwohl betreffen die Feststellungen, die ich getroffen habe, uns vorgegebene, uns auferlegte Daten. Sie sollten insoweit schlicht die Faktenbasis sein, von der aus wir uns dann, erforderlichenfalls streitig, über Lösungswege auseinandersetzen könnten und sollten. Aber leider ist — das haben die erwähnten Beiträge gezeigt — schon das, was ich die Faktenbasis nenne, für die Opposition eben wieder nur Material und Potential für Unterstellung, Schuldzuweisung und Konfrontation. In der Sucht, objektiv Vorgegebenes zu subjektiv parteiischer Schuldzurechnung umzubiegen, liegt es begründet, daß die Reden der Opposition, die wir gehört haben, zur Lösung des Problems leider wieder nichts beigetragen haben.
Der Herr Kollege Häfele hat sich für seine Rede heute früh den Gag einfallen lassen, der Bundesfinanzminister habe in seiner Haushaltsrede einen so rasanten ideologischen Schwenk weg von der nachfragestützenden und hin zur angebotsorientierten Wachstumspolitik vollzogen,

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Genauso ist es!)

daß ihm die SPD-Fraktion nicht habe folgen können.
Herr Kollege Häfele, die Vorstellung, daß hier eine
Regierung aus der Veränderung der ihr vorgegebenen Fakten eine richtige Konsequenz gezogen hat, gibt die von mir gekennzeichnete Denkweise der Opposition eben nicht her.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Alles völlig neu!)

Daß unter den Bedingungen einer defizitären Leistungsbilanz nachfragestimulierende Konjunkturprogramme mit hoher Wahrscheinlichkeit fehlgehen müßten, spricht doch nicht gegen die Richtigkeit solcher nachfrageorientierter Konjunkturpolitik unter anderen außenwirtschaftlichen Voraussetzungen. Dies kann ich ohne jede ideologische Verprellung sagen. Ideologisch verprellt ist Ihre Auffassung der Verteufelung jedweder wirtschaftssteuernder Staatstätigkeit.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Ach du Schande!)

Herr Häfele tadelte, daß eine solche Politik der Nachfragestimulation gerade in den letzten Jahren falsch gewesen sei. Das mag aus seiner Sicht, aus einer lediglich nationalen Optik so gesehen werden. Der Zusammenhang zwischen der Binnen- und der Außenwirtschaftspolitik der Jahre nach 1974, nach der ersten Ölpreiskrise, war jedoch der, daß wir damals mit nachfragestärkenden Konjunkturprogrammen in eine unterbeschäftigte Welt hinaus Beschäftigungsimpulse exportieren mußten, ein Akt der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Solidarität, den damals unsere westlichen Partner, insbesondere die USA, z. B. auf dem Bonner Weltwirtschaftsgipfel, von uns gefordert haben. Der überproportionale Anstieg der Einfuhren damals war also gewollt. Wenn Sie von der Opposition uns dies heute zum Vorwurf machen wollen, dann paßt das nicht zu Ihren Bekundungen der Solidarität mit der westlichen Gemeinschaft.
Im übrigen haben die Konjunkturimpulse, die in unserer Haushalts- und Finanzpolitik der letzten Jahre angelegt waren, immer auch der Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gedient; sie sind also immer auch angebotsorientiert gewesen. In der heutigen FAZ können Sie z. B. nachlesen, daß die Unternehmen heute besser finanziert sind als in der ölpreisbedingten Rezession von 1974.
Angebotsorientiert waren allemal die energiepolitischen Komponenten unserer Konjunkturprogramme. Von da gibt es eine bruchlose Weiterentwicklung hin zu unserem Vorhaben, durch die Mineralölsteuererhöhung zu Energieeinsparungen zu kommen. Wie Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, es angesichts der Ausgangslage, angesichts des absoluten Vorrangs der Aufgabe der Verbesserung der Leistungsbilanz verantworten wollen, zu einer Ablehnung der Anhebung der Mineralölsteuer zu kommen, bleibt Ihr Problem. Uns werden Sie nicht verdenken können, wenn wir Ihnen dies so unter die Nase reiben werden, daß sich die Opposition konkreten Maßnahmen zu schmerzhaften Anpassungsprozessen einmal mehr versagt.
Die Verbesserung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit — davon hat insbesondere Herr Kollege Dr. Sprung gesprochen — bleibt nicht zuletzt angesichts der japanischen Herausforderung



Rapp (Göppingen)

eine dauernde Aufgabe. Aber Panikmache ist auch hier nicht angebracht. Der bloße Vergleich zwischen der Entwicklung der Einfuhr einerseits und der Ausfuhr andererseits ohne Berücksichtigung der Entwicklung der Terms of Trade überzeichnet das Bild. Die Einfuhrpreise — darin steckt auch das Mineralöl — sind mehr als doppelt so rasch gestiegen wie die Ausfuhrpreise. Mittlerweile verläuft die Einfuhrentwicklung gedämpft, was durchaus auch mit den von uns angeregten Öleinsparmaßnahmen zu tun hat.
Bis sich eine behutsame Umkehr der Leistungsbilanzentwicklung durchzusetzen vermag, wird eine solide Finanzierung der Defizite anzustreben sein. Dabei werden die Inflationstendenzen in wichtigen Teilen des Auslands absehbar weiterhin höher sein als bei uns. Auf die Dauer werden sich die fundamentalen Gegebenheiten im Vergleich der Volkswirtschaften gewiß wieder durchsetzen, was sich dann stützend auf den D-Mark-Wechselkurs auswirkt und die Bewegungsfähigkeit der Bundesbank in der Geld- und Zinspolitik wieder herstellt.
Der Abbau des Leistungsbilanzdefizits steht schon deshalb jetzt im Mittelpunkt auch unserer haushaltspolitischen Zielsetzungen — Stichwort: Anhebung der Mineralölsteuer —, weil nur, ich habe es angedeutet, von daher konjunkturpolitischer Handlungsspielraum zurückgewonnen werden kann.
Der Bundesfinanzminister hat in seiner Haushaltsrede ausgeführt, daß eine Zinssenkung derzeit für die Stärkung der Ertragslage und der Investitionskraft der Unternehmen mehr zu leisten vermöge als die öffentliche Hand. Die Bundesbank ist in der Tat blockiert, weil eine Ingangsetzung der Wirkungskette — Zinssenkung, Kapitalabfluß, Rückgang der Kapitaleinfuhr, weitere Verschlechterung der Zahlungsbilanz, weiterer Abwertungsdruck, Preissteigerungen, Rückkehr zu verschärfter Geldpolitik — derzeit eher wahrscheinlich ist als das andere Denkmodell, das davon ausgeht, daß ein temporärer weiterer Rückgang des DM-Wechselkurses nachhaltig zur Verbesserung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und zur Verbesserung der Leistungsbilanz beitragen könnte.
Insoweit, meine Damen und Herren, ist es richtig, von einer Durststrecke zu reden, die wir durchstehen müssen und angesichts der besseren Finanzierungslage unserer Unternehmen auch durchstehen können.
Daß wir, daß unsere Wirtschaft den Kostenanstieg im Griff behalten muß, ist richtig und bleibt zu allen Zeiten wichtig. Es ist klar, daß die Damen und Herren der Opposition dabei in erster Linie an die Lohnkostenentwicklung denken werden. Daß die Bruttoverdienste von 1975 bis Mitte 1980 in der deutschen Industrie von 100 auf 132, in Frankreich auf 179, in den USA auf 139, in Japan auf 146 gestiegen sind, brauchten Sie ja nicht zur Kenntnis zu nehmen; es würde Ihr Weltbild stören.
Meine Damen und Herren, es muß investiert werden, um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft im Strukturwandel zu erhöhen. Sicher können in begrenztem Umfang auch mit öffentlichen Krediten finanzierte Investitionen Energiestrukturen verändern und Umstellungen der Wirtschaft erleichtern helfen. Aber grundsätzlich muß es darum gehen, die Wirtschaftsstruktur durch private Investitionen auf neue Kosten- und Wettbewerbsverhältnisse umzustellen. Entscheidend sind derzeit nicht staatliche Ausgaben, sondern unternehmerische Entscheidungen, Initiativen, Investitionen und Innovationen.
Sie werden gemerkt haben: Mit diesen Sätzen habe ich aus der Haushaltsrede des Bundesfinanzministers zitiert.
Es ist nur komisch, meine Damen und Herren, Hans Matthöfer da in Gegensatz zur SPD-Fraktion setzen zu wollen, wie dies heute früh geschehen ist, und von „Umkehr" und vom „Wechsel um 180 Grad" zu reden. Die Sachlage ist schlicht die: Es gibt Konstellationen, in denen in starkem Maße der Staat, und andere, in denen in stärkerem Maße die Wirtschaft gefordert ist. Das wird sich im Laufe der Zeit immer wieder ändern. Strukturelle Anpassungen gehören mehr in den Verantwortungsbereich der Wirtschaft, konjunturelle in den der Finanz- und Geldpolitik.
Unsere sozialdemokratischen wirtschaftspolitischen Überzeugungen und Denkweisen geben es her, auf die Veränderung grundlegender Daten sachgerecht einzugehen. Lernbedarf gibt es da eher auf Seiten der Opposition. Lernen könnten wir alle von den Japanern, z. B. dies — mit diesem Hinweis möchte ich schließen —, daß es zur Erhöhung der sozialen Akzeptanz des Strukturwandels eines höheren Maßes an realer Mitbestimmung der Arbeitnehmer bedarf. Wer die Mitbestimmung einschränken will, vermindert die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901614300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schulte (Schwäbisch Gmünd).

Dr. Dieter Schulte (CDU):
Rede ID: ID0901614400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ersten Verlautbarungen des neuen Verkehrsministers handeln von veränderten Wertvorstellungen der Bürger in der Verkehrspolitik. Aufgabe eines grundsätzlichen Gesprächs am Anfang einer Legislaturperiode muß es sein, zu klären, ob und wie weit dies stimmt, weil dementsprechend die Ausgangsdaten über Bestand und Bedarf, über Haushalt und Finanzplanung und über die bisherigen Ziele der Verkehrspolitik anders zu bewerten und zu ermitteln sind.
Tatsache ist, daß seit der Verabschiedung des Verkehrswegeplanes ein Jahr, daß seit Verabschiedung des Ausbauplanes für die Bundesfernstraßen ein halbes Jahr vergangen ist. In dieser Zeit haben sich die Wertvorstellungen der Bürger nicht verändert. Allenfalls ist es die Kassenlage des Bundes. Oder exakt: Die Bundesregierung muß die Finanzmisere jetzt endlich zugeben.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Die Wahrheit über die Kassenlage!)




Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

Die Wertvorstellungen der Bürger werden also nach der Kassenlage definiert. Der Verkehrsminister will die Finanznot als Tugend verkaufen. Wir erleben in diesen Wochen, daß der Finanzminister dem Verkehrsminister Geld wegnimmt und der Verkehrsminister sagt: „Jetzt kann ich endlich die richtige Verkehrspolitik betreiben."

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sehen die wahren Ursachen z. B. an der Bundesbahnpolitik der Regierung. Noch im letzten Jahr reiste die Koalition zu den Eisenbahnern und versprach für die 80er Jahre Investitionsmittel in Höhe von 43 Milliarden DM, also 4,3 Milliarden DM pro Jahr. Im Haushalt für das Jahr 1981 sind es nicht 4,3 Milliarden, sondern nur noch 3,2 Milliarden DM. Dies ist aber nur eines von vielen Daten, die auf die Eisenbahnpolitik wirken.
Die Deutsche Bundesbahn wird in der Zukunft in folgendem Viereck zu fahren haben: Das Defizit ist wieder im Steigen begriffen; die Rationalisierungsreserven durch Personalabbau sind erschöpft; die Verschuldung kann nach Aussage des Verkehrsministers nicht weiter gesteigert werden; und für Investitionen hat die Bahn nicht genügend Geld.
In dieser Situation sagt der neue Verkehrsminister, er wolle ein Konzept für die Bahn nicht vorlegen. Nun brauchen wir keine Modelle, so wie sein Vorgänger diese ständig zum Überdruß aller Beteiligten vorgelegt hat. Aber der neue Minister muß sagen, wo die Schwerpunkte seiner Eisenbahnpolitik liegen werden. Da genügt es nicht, Herr Hauff, den kombinierten Verkehr fördern zu wollen; daß wir das tun müssen, darüber ist sich dieses Haus seit Jahren einig. Da genügt es auch nicht, ein paar Intercity-Züge über Frankfurt-Flughafen laufen zu lassen. Dadurch wird das Defizit mit keinem Promille abgebaut; aber der Verkehrsminister berauscht sich daran. Dabei ist die von der Bundesregierung praktisch aufgegebene Sanierung der Bundesbahn das Hauptproblem der nächsten Jahre und nicht etwa die Streichung von Autobahnen des Jahres 2000.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die CDU/CSU will einen Schwerpunkt in ihrer Eisenbahnpolitik dort setzen, wo es um die Förderung der Neu- und Ausbaumaßnahmen der Deutschen Bundesbahn geht. Wir wissen, daß die Hauptstrekken der Bahn praktisch dicht sind. Wir wissen umgekehrt, daß die Deutsche Bundesbahn mit den neuen Ausbaumaßnahmen ihre Kapazität um 30 % steigern könnte. Wir wollen, daß der Investitionsspielraum der Bahn erhöht wird. Wenn der Bund schon kein Geld dazu gibt, dann müssen wir die Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft beginnen oder erhöhen — dies bei Umschlageinrichtungen oder beim Fahrzeugpark. Wir wollen diese Investitionen offensiv vertreten. Wir halten die Pläne der Bundesregierung zur Einführung der Verbandsklage für das genaue Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen auch einen Schwerpunkt in der Förderung des Langstreckenverkehrs setzen, hier insbesondere des internationalen Verkehrs. Wir hatten in den letzten Jahren im grenzüberschreitenden Güterverkehr ständig zweistellige Steigerungsraten. Nur sind diese Steigerungsraten an der Deutschen Bundesbahn fast ganz vorbeigegangen. Wir sind gespannt, Herr Minister Hauff, ob Sie in der europäischen Verkehrspolitik die Zügel endlich selbst in die Hand nehmen oder dieses Geschäft weiter auf Vertreterbasis betreiben lassen.
Die verkehrspolitische Wirklichkeit ist auch an den Daten zum öffentlichen Personennahverkehr ablesbar. In der Regierungserklärung und in ersten Interviews des neuen Verkehrsministers lesen und hören wir ständig von der Förderung und vom Ausbau dieses Verkehrs. Die Realität ist anders. Die Omnibusfahrpreise werden durch den Wegfall der Mineralölsteuerbefreiung um 10 % teurer. Die Deutsche Bundesbahn erhöht ihre Fahrpreise drastisch. Sie steicht Züge im Nahverkehr, allein im Sommerfahrplan 620 an der Zahl. Sie legt Haltepunkte still, 130 an der Zahl. Dies geht aber nicht etwa auf die Deutsche Bundesbahn zurück, sondern auf eine Verfügung aus dem Bundesverkehrsministerium, wonach — dies ist der Klartext — die Bahn mehr Geld vom Bund erhält, wenn sie ihre Leistungen einschränkt.
Dies ist das genaue Gegenteil der offiziellen Propaganda. So langsam merkt der Bürger, daß die Werbeabteilung im Bundesverkehrsministerium besser ist als dessen Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Union will den öffentlichen Personennahverkehr fördern. Wir wollen, daß der kombinierte Verkehr nicht nur für Güter gilt, sondern auch für die Beförderung von Personen. Wir wollen, daß Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs zum Umsteigen ausgestaltet werden. Es ist doch nicht Park and Ride, wenn der Umsteigeparkplatz bereits nach dem ersten Frühzug belegt ist.
Im Straßenbau schlägt die Finanzmisere besonders durch; aber hier gibt sich der neue Verkehrsminister besonders progressiv und stellt sich geradezu an die Spitze einer Bewegung. Dabei haben wir vor einem halben Jahr den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen fast einstimmig beschlossen, und ich habe auch keinen erkennbaren Wiederstand von Herrn Hauff in Erinnerung.
Dann kommt aber ein Thema mit Variationen. Da heißt es in einer Zeitung: Mit Ausnahme der Autobahn Berlin-Hamburg und der Autobahn Würzburg-Ulm soll alles gestrichen werden. — Da gibt es dann ein Interview, in dem geantwortet wird, 3 000 Autobahnkilometer — das ist alles, was noch geplant ist — seien gestorben. Dann heißt es im Hessischen Rundfunk, von den 3 000 Autobahnkilometern seien 1 000 gestorben.
Meine Damen und Herren, es darf doch nicht zum Prinzip der Investitions- und Infrastrukturpolitik werden, daß man den Bürger oder den Interviewer fragt: Na, wie hätten Sie es denn gern?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der FDP)




Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd)

Die Union geht davon aus, daß bei unseren Bundesfernstraßen das Grundnetz steht. Wir haben die Übertreibungen des Jahres 1971, als Georg Leber Verkehrsminister war, nicht mitgemacht. Wir werden auch im Jahre 1981 die Übertreibungen nicht mitmachen, die genau in das andere Extrem gehen. Wir werden diese Übertreibungen nicht mitmachen, weil sich der Bedarf innerhalb dieser kurzen Zeit — seit Mitte 1980 — nicht verändert hat.
Wir haben nach wie vor Engpässe in unserem Straßennetz. Wir haben Stellen, wo über hunderttausend Pkw-Einheiten jeden Tag durchfahren.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Das ist die Wirklichkeit!)

Man braucht nur eine Woche lang den Verkehrsfunk zu hören, dann weiß man, an welchen Stellen Energie vergeudet wird. Wir brauchen nach wie vor regionale Erschließung vom Emsland bis nach Ostbayern. Wir brauchen Umgehungsstraßen, z. B. am Bodensee, um eine empfindliche Landschaft und ihre Bürger zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen nach wie vor versuchen, Unfallschwerpunkte abzubauen.
Es heißt immer wieder: Vergleichen wir uns doch mit dem Ausland! Ich glaube, daß müssen wir tun. Nur, wer ins Ausland schaut, muß auch die Belastung pro Kilometer Straße vergleichen.
Wir brauchen in der Investitionspolitik, auch beim Straßenbau, Beständigkeit. Wir wissen, daß wir bis zum Jahre 1985 — darüber besteht Einigkeit — nur das Allernötigste realisieren können. Dann müssen wir, so wie es das Gesetz vorschreibt, den Bedarf wieder überprüfen, in fünf Jahren also, aber nicht, wie der neue Minister meint, nach fünf Monaten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich ein paar Ausführungen zum Auto machen. Wir sind der Ansicht, daß der Punkt überschritten ist, an dem das Auto dem Bürger nur Vorteile bringt. Wir meinen aber, es sei wieder an der Zeit, die richtige Gewichtung von Vor- und Nachteilen vorzunehmen, also nicht nur auf Lärm, Abgase und Landschaftsverbrauch hinzuweisen, sondern auch auf das unerhörte Maß an Beweglichkeit, Freiheit und Wohlstand, das mit dem Auto einhergegangen ist.
In den letzten Monaten ist der Autofahrer zum Prügelknaben Nummer 1 geworden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und zur Melkkuh!)

Das ging von öffentlichen Äußerungen der Bundesregierung bis hin zu konkreten Plänen zur Erhöhung der Mineralölsteuer. Es ist Zeit, Plus und Minus zurechtzurücken. Wenn der Verkehrsminister von den Wertvorstellungen der Bürger spricht, muß man sagen, daß sich diese Wertvorstellungen auch in der Zahl der Autos ausdrücken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesregierung will in ihrer Verkehrspolitik den Dialog mit dem Bürger. Wir unterstützen diese
Forderung nachhaltig, solange dieser Dialog nicht zur Verkehrsverhinderung führt, sind aber der Ansicht, daß zum Dialog auch das Gespräch mit den 28 Millionen Autofahrern gehört, die weder Prügelknabe noch Randgruppe sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die CDU/CSU wird für den Haushalt 1981 keine Erhöhungsanträge stellen. Unsere Politik hat folgende Schwerpunkte:
Erstens. Der Grundsatz der freien Wahl des Verkehrsmittels muß erhalten bleiben.
Zweitens. Wir wollen die Investitionen der Deutschen Bundesbahn, insbesondere bei Neu- und Ausbaumaßnahmen, fördern.
Drittens. Wir wollen die Deutsche Bundesbahn im internationalen Verkehr fördern.
Viertens. Wir wollen den kombinierten Verkehr nicht nur bei Gütern, sondern auch bei Personen ausbauen.
Fünftens. Wir wollen das Gespräch mit dem Bürger; auch der Autofahrer ist ein Bürger.
Die Verkehrspolitik, meine Damen und Herren, muß einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten. Die CDU/CSU wird aber darauf achten, daß die leeren Kassen nicht zum Trojanischen Pferd einer neuen Ideologie im Verkehr werden.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901614500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wieczorek (Duisburg).

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0901614600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren bereits in der ersten großen Aussprache zum Bundeshaushalt 1981 heute den Verkehrsetat. Für mich zeigt das zweierlei: Der Verkehrsetat ist nicht nur von seinem Umfang her einer der ganz großen Brocken im Haushalt. Offenbar spüren wir alle, daß wir in der Verkehrspolitik des Bundes vor neuen diskussionswürdigen Herausforderungen stehen.
Der Bundeshaushalt 1981 ist ein Haushalt der Stabilität.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ha! Ha!)

Die sozialliberale Koalition hat einen Entwurf vorgelegt, der der finanzpolitischen Forderung nach Beschränkung der Nettokreditaufnahme voll entspricht. Das hat aber auch Konsequenzen in jedem Einzelplan, einschließlich des Einzelplans 12 — Verkehr.
Die Opposition ist nicht sehr glaubwürdig, wenn sie uns auf der einen Seite ständig auffordert, weniger Schulden zu machen, auf der anderen Seite aber die Konsequenzen sparsamer Haushaltspolitik bejammert. Natürlich hat die Rückführung des Verkehrshaushalts von 25,36 Milliarden DM im Jahre 1980 auf einen Sollbetrag von 24,9 Milliarden DM in diesem Jahr mit einem Rückgang von nominal 1,5 % praktische Konsequenzen. Wer aber einen Haushalt der Stabilität will, darf sich vor diesen Konsequenzen nicht drücken.



Wieczorek (Duisburg)

Hier wird auch bereits die erste große Herausforderung für die künftige Verkehrspolitik des Bundes deutlich. Auch der Verkehrshaushalt muß und wird seinen angemessenen Beitrag zur Haushalts- und Finanzpolitik des Bundes leisten. Unsere gemeinsame Aufgabe dabei ist es, diesen Beitrag so auszugestalten, daß finanz- und haushaltspolitische Erwägungen einerseits und verkehrspolitische Erwägungen andererseits gleichrangig zum Tragen kommen.
Die zweite große Herausforderung, die sich logischerweise auch im Verkehrshaushalt niederschlagen muß, ist die Notwendigkeit, mit wertvollen Rohstoffen und mit Energie sparsam und vernünftig umzugehen. Im Verkehrsbereich gilt das in ganz besonderer Weise für den Umgang mit Mineralöl und Mineralölprodukten. Wir müssen uns ständig vor Augen halten, daß 20 % des Endenergieverbrauches in unserem Lande auf den Verkehr entfallen und davon mehr als vier Fünftel vom Öl abhängen ohne erkennbare Substitutionsmöglichkeit. Wir sehen, worum es in dieser Frage geht.
Der Bundesfinanzminister hat am Freitag folgerichtig den Aspekt des Mineralölsparens im Verkehr in die Mitte seiner Einbringungsrede gestellt. Wir Sozialdemokraten unterstützen ihn und die Bundesregierung bei dem beharrlichen Bemühen, auch durch Abbau aller Energiesubventionen zu einem energiepolitisch und gesamtwirtschaftlich sinnvollen Verbraucherverhalten beizutragen. Dabei kann es Konflikte mit anderen Zielen der Politik geben. So ist beispielsweise die vorgeschlagene Streichung der Gasölbetriebsbeihilfe beim öffentlichen Nahverkehr unter verkehrspolitischen Gesichtspunkten und im Blick auf den öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche sicherlich keine unproblematische Angelegenheit. Der Vorschlag der Regierung erhält aber seine Berechtigung in den zu erwartenden Veränderungen; dabei meine ich die Veränderung im Verbraucherverhalten.
Die Auswirkungen werden sicherlich mittel- und langfristig zu erwarten sein. Ich bin sicher, daß wir in den bevorstehenden Beratungen des Bundestages gerade über diesen Vorschlag sehr intensiv werden miteinander ringen müssen.
Als dritte Herausforderung nenne ich heute nur stichwortartig die objektiven Umweltbelastungen durch den Verkehr wie Lärm, Abgase, aber auch den Landschaftsverbrauch. Hinzu kommt — für die Möglichkeit praktischer Verkehrspolitik ist dies nicht weniger wichtig — eine sich zunehmend wandelnde Einstellung großer Teile der Bevölkerung zum Problembereich Verkehr und Umwelt. Natürlich muß auch dies bei den Beratungen über den Verkehrshaushalt 1981 und die künftigen Investitionsplanungen mit bedacht werden.
Im Vorfeld zur heutigen Debatte ist kritisch angemerkt worden, die Verkehrspolitik stehe nunmehr unter dem Diktat der Finanz- und Haushaltspolitik. Auch Herr Schulte ist ja in dieser Frage aktiv geworden. Ich kann alle Kritiker beruhigen: Wir Sozialdemokraten werden nicht zulassen, daß irgend jemand den Verkehrsetat als wohlfeilen Steinbruch für andere Zwecke mißbraucht. Soweit ich es beurteilen kann, hat dies auch niemand ernsthaft vor.

(Unruhe und Widerspruch bei der CDU/ CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Dabei müssen Sie doch rot werden! — Beifall bei der SPD — Wehner [SPD]: Nicht aus der Ruhe bringen lassen!)

— Wenn Sie sich beruhigt haben, meine Damen und Herren, würde ich gerne weiterreden.
Meine Damen und Herren, für eine angemessene Beurteilung des vorgelegten Verkehrshaushalts müssen wir uns einige Punkte vor Augen halten und eine kleine Bestandsbestimmung machen.
Erstens. Unser Land verfügt über ein ausgebautes und insgesamt sehr leistungsfähiges Verkehrswegenetz, um das uns viele Länder in Europa und Amerika beneiden.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Kennen Sie die Bundesrepublik?!)

Ich kenne die Bundesrepublik sehr gut: als Wanderer, als Radfahrer und als Autofahrer.

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Ich kenne auch die äußeren Bereiche. Haben Sie keine Sorge! Ich kenne den Bayerischen Wald und das Fichtelgebirge, allerdings im wesentlichen als Fußgänger,

(Lachen bei der CDU/CSU)

weil ich da regelmäßig wandere. Aber auch dabei soll man ja Verkehr beurteilen können.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

— Wenn Sie mir noch eine Gegend empfehlen können, würde ich den Hinweis gern annehmen. Ich bin immer aktiv. Aber wenn ich radfahre, tue ich es nur auf einem Fahrrad, auf dem ich sitzen kann, und nicht mit der Goldenen Lenkstange des Bundestages. Lassen Sie mich aber, ernsthaft werdend, meine Ausführungen fortsetzen. Wir sollten die objektiven Sachverhalte des Verkehrshaushalts im richtigen Licht sinnvoll zeigen.
Zweitens. Das Investitionsvolumen in diesem Einzelplan 12 beträgt im Haushaltsjahr 1981 über 12 Milliarden DM.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wieviel ist das weniger?)

Mehr als 40 % der Gesamtausgaben des Bundes entfallen auf den Bereich Verkehr. 1980 waren es 39,1 %, 1981 sind es 40,3 %. Davon entfallen auf den Bundesfernstraßenbau 5,24 Milliarden DM, auf Investitionen der Deutschen Bundesbahn 3,23 Milliarden DM
— diese Zahl wurde hier schon genannt —, auf den öffentlichen Personennahverkehr 1,28 Milliarden DM mehr — die Ansätze sind also höher — als 1980. Daneben sind nicht zu übersehen die Beiträge des Bundes zum kommunalen Straßenbau mit über 1,7 Milliarden DM und die Investitionen für den Bereich der Bundeswasserstraßen von immerhin 570 Millionen DM.



Wieczorek (Duisburg)

Das alles bedeutet: Wie halten das hohe Niveau der Investitionen. Das ist in einer Zeit knapper Mittel nicht gerade eine Selbstverständlichkeit.
Drittens. Die neuen Herausforderungen versetzen die Verkehrspolitik in die Lage, kritisch die geplanten Projekte auf ihre Notwendigkeit, ihre Wünschbarkeit und ihre Realisierbarkeit überprüfen zu müssen. Dabei sollten wir uns nicht scheuen, gemeinsam neue Wege zu gehen.
Zu den neuen Wegen, die mir besonders zukunftsträchtig erscheinen, zählt vor allem die bessere Ausnutzung vorhandener Kapazitäten. Wir müssen zu einer optimalen Kombination der unterschiedlichen Verkehrswege und der unterschiedlichen Verkehrsträger sowie dazu kommen, alle in ein Gesamtsystem einzubetten, das durchgängig und durchlässig ist.
Der Bundesverkehrsminister hat in der vorigen Woche vor dem Verkehrsausschuß des Bundestages seine Politik hierzu dargelegt. Ich versichere Ihnen, Herr Bundesminister, seitens der sozialdemokratischen Haushälter, daß Sie unsere volle Unterstützung bei diesem Programm haben.
Im Güterverkehr wie im Personenverkehr müssen neue, auch haushaltswirksame Schritte eingeleitet werden, um energiepolitische Vorzüge unterschiedlicher Verkehrsträger so miteinander zu verknüpfen, daß vorhandene Kapazitäten für ein besseres volkswirtschaftliches Gesamtergebnis mobilisiert werden und daß dabei neben ökonomischen auch ökologische Fakten entsprechend gewertet werden. Als Stichwort nenne ich dazu nur stellvertretend: den kombinierten Verkehr zwischen Straße und Schiene, zwischen Schiene und Wasserstraße, die Verknüpfung von Luftfahrt und Eisenbahn. Ich könnte, um das zu verdeutlichen, auch die Reizworte Park-and-Ride-System, Huckepackverkehr und Containerverkehr nennen. Möglicherweise muß man aber auch einmal darüber nachdenken, ob die bisherigen Beurteilungskriterien für den Verkehr, nämlich Tonnen- oder Personenkilometer in der Zeiteinheit, nicht durch die Dimension „Energieverbrauch je Tonne beförderter Leistung oder je Personenkilometer" ergänzt werden müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das geschieht doch schon!)

Hier liegen die Reserven: in der Verknüpfung der Verkehrswege und der Verkehrsträger. Das ist um so notwendiger, als sich alle Verkehrspolitiker im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden in ihren Planungen dann auf realistische Investitions- und Finanzrahmenplanungen einstellen können.
Es wäre jedoch verhängnisvoll, wenn sich die Illusion breitmachen würde, die Finanzlage im Verkehrshaushalt des Bundes sei nur durch eine kurze Durststrecke gekennzeichnet, eine Durststrecke, die man so schnell wie möglich durchwandern müsse, dann fließe wieder alles reichlich wie früher. Meine Damen und Herren, ohne heute schon die mittelfristige Finanzplanung für die zweite Hälfte der 80er Jahre vorwegnehmen zu wollen oder auch zu können, bedarf es keiner prophetischen Gabe, um bereits jetzt vorherzusagen, daß dann die Steigerungsraten im Verkehrshaushalt kaum größer sein werden als in der ersten Hälfte der 80er Jahre. Das heißt aber auch, daß die Investitionsplanung bereits jetzt auf eine realistische Basis gestellt werden muß. Andernfalls würden wir möglicherweise nicht erfüllbare Hoffnungen wecken oder Hoffnungen pflegen und dadurch den Vorwand für Fehlinvestitonen liefern. Alle Beteiligten, Arbeitnehmer und Unternehmer, Länder und Kommunen, haben ein legitimes Interesse daran zu erfahren, was in der nächsten Dekade bei den Verkehrsinvestitionen geht und was nicht. Kalkulierbarkeit der Investitionstätigkeit und Konzentration auf das Vordringliche sind jetzt besonders gefragt.
Für mich gehört zu diesem Thema auch — lassen Sie mich das in allem Freimut sagen —, daß wir nicht in den Fehler verfallen dürfen, eine Hoffnung daran zu knüpfen, daß aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zurückgestellte Investitionsmaßnahmen im Verkehrsbereich aktiviert werden. Die bisherigen Erfahrungen haben wenig überzeugen können. Ich will nicht behaupten, daß mit den vergangenen Konjunkturprogrammen eine prozyklische Wirkung erzielt wurde. Es stimmt jedoch nachdenklich, daß man heute feststellen muß, daß mit großem Aufwand Projekte fertiggestellt werden müssen, die zwar gesamtwirtschaftlich wünschenswert sind, die aber nicht im engsten Sinne des Wortes aus verkehrspolitischer Sicht notwendig — im Sinne von Not abwenden — waren.
Ich begrüße es deshalb, daß der Bundesverkehrsminister bereits damit begonnen hat, die Investitionsvorhaben des Bundes im Fernstraßenbau und im Wasserstraßenbau in diesem Sinne nochmals zu überprüfen. Ich bestreite nicht, daß die Rückführung der Investitionen, die vorgesehen waren, einen weiteren Druck auf den Arbeitsmarkt bringt. Wir müssen dabei jedoch beachten, daß gerade im Tiefbau die Beschäftigtenzahlen weitaus geringer als beispielsweise im Anlagen- oder Maschinenbau von der Investitionssumme abhängig sind. Im Anlagen- und Maschinenbau rechnet man mit einer volkswirtschaftlichen Beschäftigungsquote von rund 20 000 Jahresarbeitsplätzen je 1 Milliarde Investitionssumme. Im Tiefbau, insbesondere im Straßenbau, liegt die Beschäftigungsquote zwischen 6 000 und 7 500 Jahresarbeitsplätzen je 1 Milliarde Investitionssumme. Ich könnte mir aber gut vorstellen, daß die nicht mehr vordringlich im Straßenbau Beschäftigten wesentlich wirkungsvoller beispielsweise bei den Vorarbeiten für die Fernwärmeversorgung der Gemeinden eingesetzt würden. Die Kapazitätsreserve im Tiefbau könnte dadurch sehr gut genutzt werden, und dann wäre auch eine weitere Preissteigerungsrate auf Grund von Angebot und Nachfrage zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, wir werden darangehen, den Haushaltsentwurf der Regierung zu beraten und gegebenenfalls zu korrigieren, alles natürlich unter der Prämisse, daß eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme nicht zur Diskussion steht. Natürlich werden hinsichtlich der Verkehrswegeinvestitionen in unseren Beratungen regionale, struk-



Wieczorek (Duisburg)

turelle und arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Meine Damen und Herren, wir sind auch bereit, erneut über den weiteren Ausbau des Saar-Kanals zu beraten, und zwar mit dem ausdrücklichen Ziel, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Stahlstandort Saarland auf Dauer zu sichern. Wir erwarten jedoch, daß gleichzeitig die Investitionen der Stahlindustrie in dieser Region zügig erfolgen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, über die einzelnen Kapitel des Einzelplans 12 werden wir in der kommenden Woche in den zuständigen Gremien ausführlich miteinander reden. So kann ich mich heute darauf beschränken, Anmerkungen zu einem Problembereich zu machen, der heute schon zweimal angesprochen wurde und der nicht nur mich tief besorgt: die finanzielle Lage der Deutschen Bundesbahn. Als neugewählter Abgeordneter bin ich darüber noch mehr erschrocken als die langgedienten Kollegen, die alten Hasen, die sich mit diesen Problemen schon länger herumschlagen. Wenn uns allen gemeinsam nicht wirksame neue Wege und Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bahn einfallen und wir diese dann auch praktisch durchsetzen, droht ein weiterer Anstieg der Verschuldung der Deutschen Bundesbahn — dazu darf es in keinem Fall kommen —, trotz der Attraktivität der Bahn für die Verkehrsteilnehmer, trotz großer persönlicher Leistungen der Bahnbediensteten, denen hier ausdrücklich für Ihre Leistung gedankt werden soll, trotz beachtlicher Rationalisierungserfolge der Bahn und trotz eines Bundeszuschusses an die Bundesbahn in Millionenhöhe Jahr für Jahr.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901614700
Herr Abgeordneter, ich. muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0901614800
Ich werde mich bemühen.
Ich plädiere nicht für neue Generalpläne, totale Revisionen oder ähnliches. Ich plädiere für eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und zur Anpassung der Struktur des Unternehmens an die geänderten Situationen. Ich wäre aber auch bereit, einen kritischen Blick — nach Möglichkeit gemeinsam mit der Opposition — in das Bundesbahngesetz zu werfen, um zu prüfen, ob dieses Gesetz noch den Forderungen der heutigen Zeit und den geänderten Bedingungen entspricht.

(Beifall bei der SPD)

Selbst wenn ich unter Zeitdruck stehe, möchte ich mir nicht verkneifen, noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Deutsche Bundesbahn in den letzten Jahren einen Rationalisierungserfolg gehabt und 82 000 Mitarbeiter freigesetzt hat, wie das so schön heißt. Ich glaube aber, daß Rationalisierungen bei der Bundesbahn in diesem Bereich sicherlich nicht mehr möglich sind und daß wir Rationalisierung bei der Bundesbahn nicht als eine Rationalisierung bei dem kleinsten Arbeitnehmer, der dort ist, verstehen dürfen.
Ich würde gern noch einen anderen Problembereich anschneiden, der von der Bundesbahn abgedeckt wird und hier schon einige Male erwähnt wurde: den öffentlichen Personennahverkehr oder den Schienenpersonennahverkehr. Hier müßten wir alle gemeinsam zu einem neuen Denkschema kommen, daß derjenige, der die Verkehrsleistung in Anspruch nimmt, auch dafür zu bezahlen hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901614900
Herr Abgeordneter, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich bemühten, jetzt erfolgreich zum Abschluß zu kommen.

(Heiterkeit)


Helmut Wieczorek (SPD):
Rede ID: ID0901615000
Herr Präsident, wenn ich dazu in der Lage wäre, das Problem erfolgreich abzuschließen, würde ich gern ganz schnell meine Rede beenden. Ich möchte nur noch den Satz loswerden: Ich glaube, daß wir auch in den Flächenbereichen darangehen müssen, die Träger des öffentlichen Personennahverkehrs an den Kosten so zu beteiligen wie die Großstädte. Eine Großstadt bringt pro Einwohner 100 DM für ihren öffentlichen Personennahverkehr auf. Eine Gleichbehandlung aller Bürger dieses Landes wäre mir auch in diesem Falle sehr angenehm. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901615100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0901615200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich mit einigem von dem auseinandersetzen, was der Sprecher der Oppositionsparteien zur Verkehrspolitik erklärt hat. Herr Kollege Schulte, wenn ich das verkehrspolitische Lamento richtig verstanden habe, dann sind CDU und CSU ganz offensichtlich — das ist deutlich geworden — nicht dazu bereit, sicherzustellen, daß auch der Verkehrshaushalt seinen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes leistet.

(Zuruf von der CDU/CSU: An der richtigen Stelle!)

Ich glaube, das war das Ergebnis Ihrer Ausführungen.
Aber so leicht können es sich zumindest nicht diejenigen machen, die sich der politischen Gesamtverantwortung nicht billig entziehen wollen. Natürlich ist es einfach, sich hier hinzustellen und gleichzeitig mehr Geld für die Bundesbahn, mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr und mehr Geld für den Straßenbau zu fordern. Natürlich ist es viel schwerer, den Mut zur Verantworung aufzubringen und klipp und klar die haushaltsrelevanten Alternativen für diesen drittgrößten Einzeletat des Bundes zu benennen. Dazu, Herr Kollege Schulte, haben Sie keinen einzigen Satz gesagt. Man kann ja über die Rolle der Opposition in diesem Hause streiten. Aber das, was Sie mit Ihren verkehrspolitischen Klagen heute abgeliefert haben, stempelt die Unionsfraktionen auch auf diesem Feld zum Muster ohne Wert ab. Damit können wir hier nichts anfangen.
Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit nur einige wenige Schwerpunkte und Problemfelder anspre-



Hoffie
chen. Das, lieber Dieter Schulte, was Sie zur Deutschen Bundesbahn gesagt haben, kommt mir vor wie die Geschichte von den Ameisen und dem Elefanten im Hamburger Zoo. Die vielen kleinen schwarzen Ameisen wollen das ganz große Problem in die Knie zwingen und versammeln sich alle in dem Wassergraben vor dem Elefantengehege. Es ist ein riesengroßer Haufen. Sie treten alle an und sagen: Gemeinsam werden wir es schaffen! Dann kommt der große Sturmlauf.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der FDP!)

Dann sind sie alle oben auf dem Elefanten. Der schüttelt sich aber nur, und alle fallen herunter. Die Hälfte kommt um. Die noch Fußlahmen sammeln sich wieder im Graben. Dann sagt der Anführer: Jetzt noch einmal den Angriff! Alle, die noch übrig geblieben sind, gehen wieder auf den Elefanten. Der schüttelt sich wieder nur, alles fällt wieder herunter. Und die vormals stattliche Ameisenschar ist fast völlig aufgerieben.

(Heiterkeit und lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901615300
Einen Moment! Wir sind mit Elefant und Ameisen noch nicht zu Ende. Bitte schön!

(Heiterkeit)


Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID0901615400
Dann kommt der Rottenführer und sagt: Noch einmal einen letzten großen Anlauf.

(Zurufe von der CDU/CSU: Und jetzt!)

Dann kommt es. Sie greifen noch einmal an, wieder schüttelt sich der Elefant, aber endlich bleibt einer, der Anführer, oben. Der jubelt und triumphiert. Und da rufen die wenigen überlebenden Ameisen:

(Zurufe von der CDU/CSU: Hoffie!) Würg' ihn, Dieter, würg' ihn!


(Heiterkeit und Zurufe von der CDU/CSU)

So ist das, wenn Sie dieses Problem angehen wollen. Aber im Ernst: Was ich damit sagen will, ist, daß wir uns alle überhaupt keinen Illusionen hingeben können, es gäbe für die Bundesbahn auch nur irgendwo im verborgenen irgendein Patentrezept, mit dem ihre gewaltigen Probleme von heute auf morgen gelöst werden könnten. Mein Kollege Gärtner hat ja heute morgen versucht, dies sehr deutlich zu machen.
Ich will auch hier sagen, daß die Opposition kein solches Rezept vorzuweisen hat. Früher wollte sie das ja alles mit dem Rechenstift machen. Heute wird dazu nicht viel mehr gesagt, als daß man möglicherweise etwas stärker investieren sollte. Natürlich können wir alle zusammen darauf hinweisen, daß es auf Dauer selbstverständlich nicht tragbar ist, wenn schon mehr als jede zweite Mark aus dem Verkehrshaushalt allein für die Deutsche Bundesbahn gebraucht wird. Natürlich braucht die Bahn mittelfristig eine ausreichende Dotierung der unabweisbaren Aufgaben. Natürlich gibt es am Ende für die Deutsche Bundesbahn auch Grenzen der Verschuldung.
Aber in Wahrheit drücken doch die Bundesbahn vier wirklich schwere Hypotheken, die einer echten, durchgreifenden Sanierung entgegenstehen:
Erstens. Nach Art. 87 des Grundgesetzes muß diese Bundesbahn als bundeseigene, als hoheitliche Verwaltung geführt werden.
Zweitens. Sie muß ihre Aufgaben mit Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes erfüllen.
Drittens. Sie muß Jahr für Jahr Beträge in Milliardenhöhe für Pensionen und andere Altersversorgungen aus den eigenen Erträgen aufwenden. Es ist ja schön, wenn man sagen kann, daß man 82 000 Bahner irgendwie hat freisetzen können. Aber unter diesem Titel laufen viele von ihnen dann doch in den Büchern der Deutschen Bundesbahn als Belastungen weiter.
Viertens. Man muß hinzufügen, daß für den Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs — das ist ja eigentlich eine Aufgabe der Länder und Gemeinden — Milliardensummen auch von der Bundesbahn aufgebracht werden müssen.
Ich sage hier ganz offen: Solange dieses so ist und bleibt, wird die Produktion bei der Deutschen Bundesbahn immer zu teuer bleiben. Solange wir das in einer wirklich großen Koalition der Vernunft aller Beteiligten und Betroffenen — da beziehe ich die Gewerkschaft ausdrücklich mit ein — nicht ändern, gibt es kein anderes Konzept als eine Politik sinnvoller kleiner Schritte oder — wenn man so will — auch bestimmter Maßnahmenbündel.

(Beifall bei der FDP)

Hier liegen mir besonders die Bereiche am Herzen, die Aktion erfordern. Das sind eine verbesserte Investitionsstruktur, die Anpassung an veränderte Markt- und Zukunftschancen sowie eine bessere Kooperation mit anderen Verkehrsträgern. Dies bedeutet unbedingt auch Verzicht auf nicht mehr gewollte oder auf solche Leistungen, die Privatunternehmen, meine Damen und Herren, besser und kostengünstiger erbringen können. Da bietet sich ja einiges zur Diskussion an. Hier muß sowohl die Öffentlichkeit als auch die politische Klasse grundsätzlich umlernen. Man kann nicht einerseits immer nur mit anklagendem Zeigefinger auf ein defizitäres Unternehmen deuten und sich andererseits zur gleichen Zeit gegen jeden noch so sinnvollen Abbau von Leistungen und unnötigen Defizitbereichen wenden, von Leistungen, die anders billiger und auch nicht schlechter wahrgenommen werden könnten, meine Damen und Herren.
Da nützt es überhaupt nichts, Herr Kollge Schulte, wenn Sie sagen: Die Probleme der Bundesbahn gehen wir einmal damit an, daß wir eine Verbandsklage möglichst vermeiden. Warum kommen wir denn mit dem Neubau der dringend notwendigen Bundesbahntrassen nicht weiter? Doch nicht deshalb, weil wir das Institut der Verbandsklage haben, sondern deshalb, weil — auch ohne Verbandsklage — wegen eines rechtzeitigen und ausreichenden Dialogs mit dem Bürger in einem demokratischen Prozedere Hindernisse aufgebaut werden, wobei wir inzwischen aber doch sagen können, daß sich die or-



Hoffie
ganisierten Umweltschützer dem Ausbau von Bahntrassen heute am allerwenigsten entgegenstellen. Vielmehr kommt das aus anderer Ecke. Was den Straßenbau angeht, sieht das allerdings etwas anders aus.
Meine Damen und Herren, ich meine, die Deutsche Bundesbahn muß, wenn sie im Wettbewerb bestehen will, als Unternehmen betrieben werden. Ich halte die Rationalisierungsreserven auch außerhalb des Personalbereichs noch nicht für ausgeschöpft; das sind sie auch in keinem anderen Unternehmen der freien Wirtschaft. Um dies zu erreichen, meine Damen und Herren, muß natürlich angemessen investiert werden. Und was die Einnahmeseite anlangt, müssen wir so ehrlich sein und sagen: Die Deutsche Bundesbahn muß eine realistische Tarifpolitik betreiben, Preise, Tarife verlangen, die der Markt hergibt und darf keine einzige Mark verschenken. Oder wir müssen weiter die Zustände beklagen, wie Herr Schulte das hier getan hat.
Meine Damen und Herren, was den öffentlichen Personennahverkehr betrifft, muß an dieser Stelle auch einmal klargestellt werden, daß der Bund für diese Aufgaben allein mehr aufwendet als Länder und Gemeinden zusammen, die für diese Aufgaben eigentlich zuständig wären. Herr Waffenschmidt sollte sich hier einmal aus seiner Position in der Organisation der Städte und Gemeinden heraus bei der Deutschen Bundesbahn, beim Bund dafür bedanken, daß die Hauptlast für den ÖPNV eben nicht bei den Gemeinden liegt, wohin sie gehört, sondern daß diese vielmehr vom Bund getragen wird.
Es ist natürlich schmerzhaft, daß die Streichung der Gasöl-Betriebsbeihilfe zu Tariferhöhungen zwingt, aber es ist doch wohl nicht darstellbar, meine Damen und Herren, daß Energie immer teurer, der Transport aber gleichzeitig immer billiger wird. Wenn 20 % des Endenergieverbrauchs in den Verkehrsbereich gehen, dann muß auch auf diesem Sektor der notwendige Beitrag geleistet werden. Das gilt für den Individualverkehr ebenso wie für das öffentliche Verkehrsangebot. Dies muß nach unserer Auffassung mit marktwirtschaftlichen Mitteln geschehen. Deshalb passen Energiesubventionen auch nicht mehr in die politische Landschaft. Wir begrüßen daher das Konzept der Bundesregierung, dem öffentlichen Personennahverkehr in den nächsten Jahren jeweils 150 Millionen bzw. 140 Millionen DM zur Stärkung solcher wichtiger Investitionsmöglichkeiten zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Dies ist sicher der erste richtige Schritt in die richtige Richtung, dem dann allerdings eine eher dauerhafte Lösung folgen müßte.
Die FDP bleibt dabei, daß es das Sinnvollste und auch für den Bürger Einsichtigste und Akzeptabelste wäre, etwa 1 Pfennig aus der Mineralölsteuer, 1 Pfennig mehr jeweils zur Hälfte für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, aber auch dafür zur Verfügung zu stellen, das längst fällige Verkehrslärmschutzgesetz nun endlich in einer Form einzubringen und — auch für die FDP — zustimmungsfähig zu machen, daß es seinen Namen verdient, aber auch bezahlt werden kann.
Im Laufe der Auseinandersetzung wird sich noch zeigen, wie es mit dem Beitrag der Opposition zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs aussieht, insbesondere ob man den Vorstellungen von Herrn Rommel folgt, der sich ja der Position der FDP angeschlossen hat. Herr Waffenschmidt hat heute nicht gesagt, ob sich seine Organisation anschließt. Aber wir werden sehen, wie das am Ende ausgeht.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier ein Zitat in die Debatte einführen. Da ist gesagt worden — ich zitiere —:
Zu einer vernünftigen Situationsbeschreibung gehört auch die Erkenntnis, daß wir uns auf manchen Gebieten eine Infrastruktur geschaffen haben, die nicht mehr weiter ausgebaut werden muß und darf. Und wenn man mit dem Kraftfahrzeug durch Europa oder durch Amerika fährt, stellt man fest, daß wir uns auf diesem Felde eine Pause der Vernunft nicht nur leisten können, sondern uns selbst verordnen sollten.
Meine Damen und Herren, das ist ja nicht meine Feststellung — —

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Bitte setzen Sie das Zitat fort! Das ist ganz wichtig!)

— Wenn ich noch ein bißchen Zeit habe, werde ich das versuchen.— Dann haben Sie gesagt, die wirklich notwendigen Straßen müßten noch gebaut werden. Von Ihnen, Herr Dr. Dregger, stammt dieses Zitat.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: „Es gibt Regionen, die nach wie vor der Erschließung harren"!)

Herr Kohl hat ja diese Position übernommen. Das heißt doch wohl — ich weiß nicht, ob Sie die Umfragen gelesen haben, wonach 80 % der Bürger gegen neue Straßen sind —, daß die CDU-Spitze einen Wandel der Wertvorstellungen mitgemacht hat. Da kommt Ihr verkehrspolitischer Sprecher her und sagt: Was ist das? Da findet überhaupt nichts statt, weder bei uns noch sonstwo, schon gar nicht in der Bevölkerung. — Ich weiß nicht, wie das Verhältnis der Verkehrspolitiker zu ihren Oberen ist, aber zumindest in der Spitze scheint sich eine etwas differenziertere Betrachtungsweise durchgesetzt zu haben, als den Erfolg von Verkehrspolitik allein danach zu bestimmen, wieviel Kilometer Asphalt und Beton wir noch in die Landschaft setzen.
Meine Damen und Herren, wir haben schon seit Jahren versucht, diese Erkenntnis, die j a auch von der CDU aufgenommen worden ist, zu predigen und klarzumachen, daß die Verkehrsinfrastruktur in der Bundesrepublik besser und leistungsfähiger ist — das gilt auch für vergleichbare Länder — als anderswo in der Welt

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Der Leber-Plan stammt nicht von uns!)

und daß ein gewandeltes Umweltbewußtsein unsere
Bürger keine Volksfeste mehr feiern läßt, wenn eine
neue Straße gebaut wird. Heute ist es ja eher umge-



Hoffie
kehrt: Es werden dort Feste gefeiert, wo der Bau von Straßen verhindert werden konnte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kommen Sie einmal in meinen Wahlkreis!)

— Ich würde gern kommen und auch gleich sagen, wo wir den Ansatz sehen.
In der Tat, Herr Dr. Schulte, wird dann auch niemand behaupten können, daß der erreichte Standard mit 6,5 Milliarden DM nicht nur gehalten, sondern auch weiter sinnvoll erhöht werden kann. Wir sollten doch hier nicht so tun, als wäre für Straßenbau plötzlich kein Geld mehr vorhanden. Es sind doch 6,5 Milliarden DM vorhanden. Wir meinen, es kommt in der Tat nicht darauf an, ob wir bis zum Jahre 2000 noch 3000 oder nur 2000 Autobahnkilometer hinzubauen, sondern es kommt vielmehr darauf an, daß wir sehr vernünftig und in Übereinstimmung mit Bürgern und Betroffenen zu Entscheidungen kommen, die zunächst einmal für uns selbst Prioritäten setzen, indem wir sagen: Es müssen ortskernentlastende Umgehungsstraßen gebaut werden; hier können wir einen positiven Beitrag leisten. Unfallschwerpunkte müssen beseitigt werden, und das vorhandene Netz muß so weit modernisiert werden, daß es eine sinnvolle und stimmige Ergänzung findet. Aber dafür — Herr Kollege Schulte, auch Sie haben Schwerpunkte in diesen Bereichen gesetzt — ist genügend Geld vorhanden.
Wenn wir uns darauf verständigen, dann kann doch nicht wahr sein, daß Sie das Parlament künftig aus der Verpflichtung entlassen wollen, diese Prioritäten neu zu bestimmen. Ich unterstütze für meine Fraktion voll und ganz die Absicht des Bundesverkehrsministers, wieder zu den Prioritätenstufen I a und I b zurückzukehren, auch wenn wir den Bedarfsplan mit einer einheitlichen Dringlichkeitsstufe I erst vor wenigen Monaten verabschiedet haben. Aber wenn wir neue Prioritäten im Hinblick auf den Plan setzen müssen, meine Damen und Herren, dann darf das nicht am Parlament vorbeigehen. Das müssen wir selbst entscheiden. Wir wollen solchen Entscheidungen nicht ausweichen, und die sollten wir doch auch nicht irgendwelchen Verwaltungsbürokratien überlassen. Wir alle müssen uns dieser neuen Aufgabe stellen, wir müssen gemeinsam entscheiden und möglichst sofort handeln und nicht, Herr Schulte, erst in fünf Jahren. Ich meine, dies muß in der Verantwortung des Parlaments bleiben.
Ich glaube, daß eines abschließend noch gesagt werden muß: Das ganze Lamento über den notwendigen Eingriff auch in den Verkehrshaushalt, das hier von der Opposition angestimmt wurde, kann nicht überdecken, daß die Bundesregierung und der neue Bundesverkehrsminister entschlossen sind, eine von allen, jedenfalls bisher immer, bejahte Verkehrspolitik der Vernunft und des Augenmaßes konsequent fortzusetzen. Deshalb muß hier noch einmal verdeutlicht werden, was verschwiegen wurde, nämlich daß der bisherige Ordnungsrahmen in der Verkehrspolitik voll erhalten bleibt. Das heißt, sie wird sich auch weiterhin so weit wie irgend möglich an marktwirtschaftlichen Grundsätzen orientieren. Dazu gehört auch die freie Wahl des Verkehrsmittels in einer kontrollierten Wettbewerbsordnung.
Damit bleiben am Ende, Herr Dr. Schulte, die Leitlinien und die Ziele sozialliberaler Verkehrspolitik auch für die 80er Jahre auf Mobilität für Bürger und Wirtschaft ausgerichtet, auf eine nachfragegerechte Infrastruktur und natürlich auch auf die neuen Bedingungen, die Energiepolitik und die Beachtung von mehr Umweltschutz von uns verlangen. Für diese Politik möchte ich namens der FDP-Fraktion die volle Unterstützung der Freien Demokraten erklären. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901615500
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. Volker Hauff (SPD):
Rede ID: ID0901615600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schulte hat in seiner Rede drei Dinge gesagt, wenn man von Einzelheiten absieht. Er hat erstens daran Kritik geübt, daß in verschiedenen Bereichen zu wenig Geld zur Verfügung steht.

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Sie sagen „richtig", wunderbar. — Er hat zweitens gesagt: Die CDU/CSU wird keine Anträge auf Erhöhung stellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Er hat drittens gesagt: Wir werden auch keinerlei Umschichtungsanträge stellen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das hat er nicht gesagt! Da haben Sie etwas gehört, was er nicht gesagt hat! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich habe sehr sorgfältig zugehört, und ich habe nirgendwo entdeckt, daß der Kollege Schulte der Meinung war, man sollte in bestimmten Bereichen der Verkehrsausgaben Kürzungen vornehmen. Das ist die alte Art, wie Sie Opposition machen. Sie beklagen viel, Sie kritisieren viel, aber Sie legen keinerlei eigenes Konzept vor, und das ist bedauerlich.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Wer regiert denn? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie regieren doch!)

— Sicher regieren wir. Wir werden auch weiter regieren.

(Zurufe von der CDU/CSU: Wann denn? — Aber nicht mehr lange!)

Die Situation der Verkehrspolitik zu Beginn der 80er Jahre läßt sich meines Erachtens durch fünf Punkte skizzieren.
Erstens. Die Leistungen auf dem Verkehrssektor in unserem Land sind überzeugend. Wir haben ein gut ausgebautes Verkehrswegenetz insgesamt, wir haben eine leistungsfähige Verkehrswirtschaft, und das föderative System hat sich in diesem Bereich im wesentlichen bewährt. Deswegen wird die Verkehrspolitik auch in der Zukunft, anknüpfend an diese überzeugenden Leistungen, unter der Überschrift



Bundesminister Dr. Hauff
der Kontinuität stehen. Das hat auch etwas mit den Leistungen zu tun, die mein Vorgänger Kurt Gscheidle auf diesem Gebiet in den letzten Jahren erreicht hat.
Zweitens. Wir müssen uns mit der Tatsache auseinandersetzen, daß Energie teuer und knapp wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Donnerwetter!)

Die Verfügbarkeit des Öls nähert sich dem Ende, und wir müssen mit einer weiteren Steigerung der Energiepreise, insbesondere der Ölpreise, rechnen. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, daß der Anteil des Verkehrssektors an dem Gesamtendenergieverbrauch unseres Landes in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist, von 17 % vor wenigen Jahren auf jetzt 21 %. Das führt zu dramatischen Entwicklungen im Hinblick auf die einzelnen Verkehrsträger.
Ich hatte heute vormittag ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lufthansa. In diesem Unternehmen hat sich in den letzten acht Jahren der Anteil der Gesamtausgaben, die für Energie zur Verfügung gestellt werden müssen, von 7 % auf über 22 % erhöht. Dies muß Auswirkungen auf die Investitionen in diesem Bereich und auf die tatsächliche Inanspruchnahme der einzelnen Verkehrsträger haben.
Drittens. Die objektive Umweltbelastung, Herr Kollege Schulte, in unserem Lande stößt an Grenzen. Der Verkehr belastet fast immer unsere Umwelt. In einigen Bereichen sind die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, bei anderen sind wir nicht weit davon entfernt. Dies führt in der Tat dazu, daß sich — ich sage: mit Recht — das Umweltbewußtsein bei großen Teilen der Bevölkerung so verändert hat, daß viele Konsequenzen in der Verkehrspolitik verlangen.
Viertens. Die Sicherheit in unserem Gesamtverkehrssystem ist nicht befriedigend. Solange Menschen im Verkehr zu Schaden kommen in der Größenordnung, wie dies bei uns geschieht, solange viele, viele Menschen dabei getötet werden, kann und darf es kein Nachlassen in unserem Bemühen um mehr Sicherheit im Verkehr geben.
Dabei dürfen wir nicht nur an den Kraftfahrzeugverkehr denken, sondern vor allem an andere Verkehrsteilnehmer, von denen wir in den letzten Jahren gelernt haben, wie stark sie gefährdet sind. Ich denke an Fußgänger, an Radfahrer, an Kinder, an altere Menschen und an Behinderte.
Fünftens. Die Ausgangssituation ist auch dadurch geprägt, daß die Finanzmittel knapper werden. Wer immer von der Opposition den Eindruck erwecken will, die Verkehrspolitik stünde allein unter dem Zwang der knapper werdenden Finanzmittel, dem sei gesagt: Alle fünf Rahmenbedingungen haben sich verändert und werden sich auch weiter verändern. Das gilt für die Energieverfügbarkeit, das gilt für die Umweltsituation und natürlich auch für den Finanzrahmen.
Ich glaube, daß wir daraus als erstes und wichtigstes die Konsequenz zu ziehen haben, daß wir in Zukunft in stärkerem Maße darauf zu achten haben, wie wir unausgeschöpfte Kapazitäten in unserem Verkehrssystem durch eine bessere Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger, und zwar aller Verkehrsträger in dem jeweiligen Bereich, nutzen können.
Dies gilt nicht nur im nationalen Rahmen, sondern das gilt selbstverständlich auch für die internationalen Verkehrsbeziehungen. Herr Kollege Schulte, ich habe unmittelbar nach meinem Amtsantritt die Gelegenheit genommen, nach Brüssel zu gehen und dort im Europäischen Rat die Konzeptionen der Bundesregierung vorzutragen und für die Vorstellung zu werben, daß wir auch auf dem Gebiet der Verkehrspolitik Europapolitik nicht mit der Krämerseele machen dürfen, sondern erkennen müssen, welche entscheidende Rolle Verkehrsinvestitionen für die Integration Europas tatsächlich spielen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir müssen erkennen, wie wichtig Verkehrspolitik, Eisenbahnpolitik und Straßenbaupolitik bei der Herstellung des modernen Nationalstaats in unserem Lande waren und daß wir vergleichbare Anstrengungen heute für Europa unternehmen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Dies gilt auch im Bereich der besseren Zusammenfügung der einzelnen Verkehrsträger.
Beim Güterverkehr ist die Verknüpfung von Straße und Schiene der wichtigste Ansatzpunkt. Dem kombinierten Verkehr gilt hier die Zukunft. Deshalb geht es darum, bestehende Terminals für den kombinierten Verkehr besser zu nutzen und neue Terminals zu bauen — darauf komme ich nachher noch einmal zurück —, auch neue Techniken des Umschlags zu entwickeln und Kooperation mit der Privatwirtschaft auf diesem Gebiet zu suchen, insbesondere zwischen den Verladern und der Bundesbahn.
Dieses Prinzip der Zusammenarbeit gilt aber auch für die stärkere Verknüpfung im Personenverkehr zwischen Schiene und Straße, auch zwischen Schiene und Luftfahrt.
In den Ballungsräumen sind die Verkehrsverbände auf der Basis der jeweils für eine Region optimalen Zusammenarbeit auszubauen. Dies ist nach unserer Verfassung in allererster Linie Sache der Länder und der kommunalen Gebietskörperschaften. Man sollte, wann immer man in diesem Zusammenhang Vorstellungen, Forderungen oder Kritik äußert, die Adressaten richtig wählen. In diesen jeweiligen Verkehrsverbünden müssen wir mit darauf achten, daß wir eine klare Arbeitsteilung zwischen den Verkehrsträgern in Bund, Ländern und Kommunen haben. Verknüpfung heißt hier vor allem die Vermeidung von Parallelinvestitionen und Erleichterung des Umsteigens von einem Verkehrsmittel zum anderen.
Lassen Sie mich zum Beginn dieser Legislaturperiode das tun, was ich gestern gegenüber den Länderverkehrsministern getan habe: die herzliche



Bundesminister Dr. Hauff
Bitte äußern, einen Appell an Länder und Kommunen richten, in der Frage der Entwicklung von regionalen Konzepten für den öffentlichen Personennahverkehr in eine Kooperation einzutreten und die jeweilige Verantwortung zu übernehmen, damit es tatsächlich zu einer Kette der Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in diesem Bereich kommt, das Verkehrsangebot insgesamt verbessert wird und zugleich auch die Wirtschaftlichkeit erhöht wird.
Zweitens: Wir müssen von einem realistischen Investitionsrahmen ausgehen. Das heißt, der Umfang und die Struktur des Verkehrswegeplans 1980 müssen den insgesamt geänderten Rahmenbedingungen angepaßt werden, aber eben nicht schematisch, sondern: die Ziele des Verkehrswegeplans, die ich nach wie vor für richtig und zutreffend halte, müssen noch stärker akzentuiert werden.
Nun komme ich zu Ihrer Bemerkung, Herr Schulte, in der Sie sagten: Was hat sich eigentlich verändert, seit dies verabschiedet wurde? Es ist richtig, im letzten Jahr hat man in Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung, Bundestag — allen Fraktionen des Bundestages — und dem Bundesrat die Prioritäten festgeschrieben. Sie wissen besser als ich, daß man damals bei der Verabschiedung nicht die Preissteigerungen berücksichtigt hat, die bereits zwischen 1978 und 1980 eingetreten sind. Sie wissen besser als ich, daß man zu dem Zeitpunkt, als dies verabschiedet wurde, von einer Planungsreserve in Milliardenhöhe ausging, obwohl jedermann wissen konnte, daß es bei der absehbaren Wirtschaftsentwicklung unrealistisch war, davon auszugehen. Sie wissen auch besser als ich, daß man bei der Verabschiedung dieser Sache davon ausging, daß es null Zusatzinvestitionen für die Lärmbekämpfung gäbe — obwohl das absolut unrealistisch ist. Daß es so gekommen ist — lassen Sie uns darüber offen reden! —, hat wesentlich damit zu tun, daß es ein Bundestagswahljahr war. Aber da sollten wir doch nicht anfangen, in dieser Frage den Schwarzen Peter um-herzuschieben,

(Beifall bei der SPD)

sondern da müssen wir jetzt anfangen, darüber nachzudenken, wie man mit einer solchen Situation wirklich vernünftig umgeht. Wir alle haben Anlaß, uns an die Brust zu klopfen. Ich mache Ihnen jedenfalls keinen Vorwurf — —

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sie haben die Regierungsverantwortung!)

— So ist es. Ich will Sie gern ermuntern, Herr Kollege Dregger, einmal nachzulesen, an welcher Stelle, an welchem Punkt eigentlich welche Zusatzmaßnahmen in das Gesetz hineingeschrieben wurden. Das war nicht die Bundesregierung. Studieren Sie die Protokolle!

(Wehner [SPD]: Das ist zuviel verlangt!)

Dann lassen Sie uns sehen, was da wirklich los ist.

(Zustimmung bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Richtig ist: es bleibt bei den Prioritäten. Weil ich sage „keine schematische Kürzung", gehen wir davon aus, daß das Programm zum Bau von Umgehungsstraßen, das gerade diesen Akzenten so gut gerecht wird, trotz der Finanzschwierigkeiten ungekürzt durchgeführt wird, daß die Beseitigung von schienengleichen Bahnübergängen ohne Reduzierungen fortgesetzt wird, daß wir Unfallschwerpunkte beseitigen. Wir sehen also die Prioritäten. Dabei sind die Investitionen mit eigenem Verkehrswert wichtiger als der Beginn von neuen Baumaßnahmen.
Das sind alles keine populären Dinge, daß weiß ich auch. Wir werden in der Verkehrspolitik der nächsten Jahre keine Erfolgsmeldungen großen Umfanges haben. Wir werden uns darum zu bemühen haben, das knapper gewordene Geld so zu verwenden, daß dies insgesamt wirklich dem Ausbau unseres Verkehrssystems zugute kommt.
Dies gilt auch für die Bundesbahn. Die Bundesbahn hat nach meiner Meinung eine gute Zukunft vor sich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Deswegen legen Sie überall Strecken still!)

— Warten Sie doch einen Augenblick! — Wenn Sie, Herr Kollege Schulte, hier sehr mannhaft beklagen, die Bahn nehme zu wenig Investitionen vor, dann würde ich dieser Ihrer Haltung sehr viel mehr Geschmack abgewinnen können, wenn Sie gleichermaßen mannhaft den Kollegen in Ihrer Fraktion öffentlich widersprächen, die im Zusammenhang mit den Neubaustrecken der Bundesbahn Forderungen erheben, die absolut unrealistisch sind, z. B. in Baden-Württemberg. Denn dort liegt eine der Schwierigkeiten, wenn wir über den Investitionsplan der Bundesbahn nachdenken: daß wir in unserem Land einen Realisierungszeitraum für Neubaustrecken der Bahn von 30 Jahren haben. Dies ist auf die Dauer nicht zu verantworten. So werden wir die Maßnahmen nicht durchführen können, die für die Bahn erforderlich sind. Die Schwierigkeiten sind nur zu überwinden, wenn wir als politisch Verantwortliche auch in unserer jeweiligen Partei mithelfen und nicht .nur hier über andere reden.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Bürgerinitiativen!)

Damit die vorhandenen Chancen tatsächlich wahrgenommen werden! Wenn wir — das gilt für jeden — uns in der eigenen Partei so mannhaft hinstellten, wie Sie es hier getan haben, und uns nicht nur beklagten, daß es hier keine Investitionen gebe, wäre dies Verhalten glaubwürdiger.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Es ist nicht die Bundesregierung, sondern es sind die Bürgerinitiativen!)

Neue Chancen und neue Verkehrsmärkte ergeben sich für die Bahn aus ihrem Vorteil, ein energiesparendes Verkehrsmittel zu sein. Die Bahn muß dabei vor allem die Chance nutzen, die in der Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger liegt. Das heißt: mehr Kooperation, insbesondere beim kombinierten Verkehr. Im Personenfernverkehr hat die Bahn mit der Einführung des Intercity-Verkehrs die Gunst der Stunde schon genutzt. Das hat sich gelohnt. Hier sind alle positiven Entwicklungen der



Bundesminister Dr. Hauff
letzten Jahre zu einem zeitgemäßen, benutzerfreundlichen Angebot zusammengekommen. Hier zeigt sich die günstige Entwicklung der Produktivitätssteigerung bei der Bahn, des Einsatzes moderner Technik und des Ausnutzens von Marktchancen.
Was die Wandlung zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen angeht, so hat die Öffentlichkeit noch immer nicht zur Kenntnis genommen — auch heute in der Debatte ist das nicht klargeworden —, daß sich die Deutsche Bundesbahn gar nicht ausschließlich wie ein Wettbewerber im Markt verhalten kann, wie das immer wieder von ihr gefordert wird. Dies ist eine Fiktion. Die Deutsche Bundesbahn erfüllt öffentliche Aufgaben. Diese Aufgaben sind diesem Unternehmen per Gesetz auferlegt, und zwar in einer Größenordnung wie keinem anderen Unternehmen in unserem Lande.
Da kommt es dann, daß der Deutsche Bundestag sagt: wir wollen nicht mehr Mittel aus dem Bundeshaushalt für die Bundesbahn zur Verfügung stellen! Und da kommt es dazu, daß im Juni 1979 der Deutsche Bundestag einstimmig beschließt, auf eine „rasche Verwirklichung aller Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, insbesondere auch im hochdefizitären Schienenpersonennahverkehr" zu drängen. Diese Forderung wurde von allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages getragen.
Ich habe daraus die Konsequenz gezogen, daß ich den Vorstand der Deutschen Bundesbahn aufgefordert habe, alle seine Maßnahmen in diesem Bereich im einzelnen daraufhin zu überprüfen, ob dieser Maßstab, den der Deutsche Bundestag gesetzt hat, auch tatsächlich eingehalten wird. Ich habe ihn zweitens aufgefordert, bei diesen Maßnahmen nicht nur eine Vorkalkulation vorzunehmen, sondern anschließend nachzurechnen, ob die tatsächliche Kostenentwicklung dem auch entspricht. Drittens wurde der Vorstand der Deutschen Bundesbahn verpflichtet, im Laufe des Jahres 1981 ein verkehrspolitisches Konzept über die Rolle der Deutschen Bundesbahn im öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere in der Fläche, vorzulegen.
Wir alle werden entsprechend unserem gemeinsamen Beschluß aus dem Jahre 1979 im Herbst dieses Jahres zu prüfen haben, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Jedenfalls bin ich bereit, mit Ihnen in diesen Dialog einzutreten, um zu einer Konzeption zu kommen, die dann wirklich möglichst breit getragen wird.
Tatsache ist heute, daß im Bereich der Deutschen Bundesbahn wichtige große Investitionsvorhaben für Neubaustrecken, beim Bau von Containerbahnhöfen, beim Bau von Rangierbahnhöfen blockiert sind, in erster Linie übrigens nicht durch Bürgerinitiativen. Wer das meint, hat die Situation nicht genau studiert.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Der Bürger vor Ort will keine Belastung. Er äußert dies durch die kommunalpolitisch Verantwortlichen, völlig unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Die Bahn hingegen braucht eine Modernisierung ihrer Netze, ihrer Umschlagmöglichkeiten, ihrer Bahnhöfe, um den Anforderungen der Zukunft gewachsen zu sein und um die Chancen der Zukunft zu nutzen. Dies ist eine der großen Aufgaben der Deutschen Bundesbahn.
Lassen Sie uns in einen Wettstreit darüber eintreten, wie das Konzept aussehen sollte, mit dem man mit dieser Aufgabe besser fertig wird, die in der Tat für die Deutsche Bundesbahn unbefriedigend gelöst ist. Die Menschen bei der Bahn arbeiten, strengen sich an und setzen sich ein; sie verdienen unser aller Lob.
Wir tragen aber eine Mitverantwortung. Wir dürfen nicht nur kritisieren, sondern müssen auch fragen, wie die tatsächlichen Schwierigkeiten besser überwunden werden können, um der Bahn wirklich eine gute Zukunft zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der öffentliche Personennahverkehr unseres Landes wird trotz rückläufiger Steuereinnahmen aus dem Mineralölaufkommen weiter ausgebaut. Wenn der Ansatz der Verknüpfung richtig ist, müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, den öffentlichen Personennahverkehr in allen Bereichen auszubauen. In den Ballungsräumen wird das vorrangig mit Investitionsmaßnahmen gehen. Alle geplanten Investitionen können mit dem vorliegenden Haushalt finanziert werden.
Für den ländlichen Raum muß ich die Behauptung zurückweisen, der Bund engagiere sich hier nicht. Der Bund leistet für den gesamten öffentlichen Nahverkehr finanziell mehr als Länder und Gemeinden zusammen. Lassen Sie mich dazu einige Zahlen nennen. Die Deutsche Bundesbahn betreibt auf ungefähr 90 000 Kilometern Omnibusverkehr in der Fläche. Die Deutsche Bundespost betreibt auf ungefähr 50 000 Kilometern Omnibusverkehr in der Fläche. Die Deutsche Bundesbahn betreibt auf rund 23 000 Kilometern Schienenpersonennahverkehr, mit einem Defizit von 4,22 Milliarden DM, davon weit über 70 % in der Fläche. Es handelt sich um vom Bund bereitgestellte Mittel, die dem öffentlichen Nahverkehr in der Fläche zugute kommen. Zusätzlich führen wir Modellvorhaben durch, um herauszufinden, welche neuen Möglichkeiten genutzt werden können.
Wir werden mit Sicherheit darüber nachzudenken haben, wie wir beim öffentlichen Nahverkehr in der Fläche zu neuen Konzeptionen kommen. Aber das wird nur in ganz beschränktem Umfang vom Bund, im wesentlichen dann durch die Bundesbahn, zu leisten sein. Viel, viel wichtiger ist, daß das als politische Aufgabe derjenigen, die in der betreffenden Region Verantwortung tragen, angenommen wird.
Ich komme damit auf eine Bemerkung über das Ausmaß der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs im Ballungsraum und in der Fläche durch die kommunalen Gebietskörperschaften, die, glaube ich, Herr Hoffie gemacht hat. Es ist nicht nur ein Finanzierungsproblem, sondern möglicherweise noch viel stärker ein politisches Gestaltungsproblem, daß man die Aufgabe als politische Herausforderung begreift und daraus Konsequenzen zieht.



Bundesminister Dr. Hauff
Es bleibt jedenfalls dabei: Die Deutsche Bundesbahn wird sich nicht aus der Fläche zurückziehen, es sei denn, es handelt sich vereinzelt um solche Vorhaben, die wirtschaftlich vollkommen sinnlos sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Wer angesichts eines Haushalts von nahezu 25 Milliarden DM von einem Diktat der leeren Kassen in der Verkehrspolitik spricht, der hat jeden Sinn für Proportionen verloren.

(Matthöfer [SPD]: Sehr richtig!)

Es bleibt bei der Kontinuität, es bleibt bei der freien Wahl des Verkehrsmittels in einer kontrollierten Wettbewerbsordnung. Wir brauchen Kontinuität und Kooperation in der Verkehrspolitik, wir brauchen aber auch neue Akzente in der Investitionspolitik, um Energie einzusparen, um die Umwelt zu schonen und um die Sicherheit der Menschen in unserem Lande zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901615700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiechle.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0901615800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Verkehrspolitik gab es — dank des Elefanten-Ameisen-Kabaretts des Herrn Kollegen Hoffie — wenigstens noch etwas zum Schmunzeln. Ich bin übrigens überzeugt, Herr Hoffie: Die letzte Siegesameise auf dem Elefanten war sicherlich Mitglied der FDP.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0901615900
Aber, Herr Kollege Kiechle, das ist kein Kabarett, sondern ein Varieté: Ameisen auf dem Rüssel.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0901616000
Es war ja ein Bild, Herr Präsident.
Wenn wir uns allerdings den Haushalt ansehen, der für die Landwirtschaft zuständig ist, den Einzelplan 10, dann vergeht den Landwirten und vielen anderen durchaus das Schmunzeln; denn die vorgelegten Zahlen zeigen, daß dieser Haushalt von allen Haushalten am stärksten gekürzt wird, daß ihm sozusagen am übelsten mitgespielt wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Diese Zahlen zeigen außerdem, daß diese Bundesregierung höchstens über ein mangelhaftes oder, was noch schlimmer ist, über gar kein agrarfinanzpolitisches Konzept verfügt. Wahl- und planlos streicht sie in diesem Haushalt herum, ohne sich ernsthaft um die Folgewirkungen für die Land-, Forst- und Ernährungwirtschaft sowie den gesamten ländlichen Raum zu kümmern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dem Agraretat wird in diesem Jahr ein trauriger Negativrekord aufgestellt. Von den 27 Einzelplänen des Bundeshaushalts insgesamt weisen 22 im Ausgabenbereich zum Teil beachtliche Steigerungen — bis zu 14 % — aus. Bei vier Einzelplänen sinken die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr um weniger als 2 %. Der Agraretat hingegen vermindert sich gegenüber 1980 um 7,2 %. Bezieht man den Rückgang der deutschen Marktordnungsausgaben im Rahmen der EG-Marktordnung um rund 10 % mit ein — immerhin auch 720 Millionen DM —, dann sinken die Ausgaben für Agrarpolitik um rund 8,6 %. Im Vergleich zum Gesamthaushalt und zu vielen Einzelplänen besteht hier offensichtlich eine ganz erhebliche Unausgewogenheit zum Nachteil der Landwirtschaft, des ländlichen Raumes und mittelbar auch der der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten gewerblichen Wirtschaft, was viel zu oft übersehen wird.
Der Haushalt des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist, wie ich meine, das herausragende Zeichen des zahlenmäßigen Eingeständnisses einer jahrelangen finanziellen Mißwirtschaft von SPD und FDP.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da wird ganz besonders die politische Federführung der SPD, die gegenüber dem ländlichen Raum noch nie sonderlich positiv war, deutlich. Aber die FDP macht das alles mit, und insofern ist sie mit verantwortlich.
Das Zahlenwerk zeigt auch den immer geringer werdenden politischen Stellenwert von Herrn Landwirtschaftsminister Ertl innerhalb der Bundesregierung auf. Als Spiegelbild des politischen Wollens ist der Agraretat der Bundesregierung so gestaltet, daß er keinen Mut zur Zukunft verbreiten kann, sondern eher Bestürzung bei vielen Menschen im ländlichen Raum auslöst. Wie verhängnisvoll sich diese Kürzungen im Einzelfall auswirken, will ich an Hand einiger Beispiele aufzeigen.
Die Bundesregierung kürzt mit einer die wahren Verhältnisse verschleiernden Begründung und ohne vorherige Abstimmung mit den Bundesländern den Bundesanteil für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" um rund 20 %, das sind 260 Millionen DM. Diese Kürzung bezieht sich ausschließlich auf den investiven Bereich und. gefährdet Arbeitsplätze des ländlichen Raumes.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine Dummheit!)

Einzelbetriebliche Investitionen, Flurbereinigung, Wasserwirtschaft sind z. B. vorrangig betroffen. Für 1981 bedeutet dies, daß Neubewilligungen für infrastrukturelle Maßnahmen nur noch in Höhe eines Drittels des Volumens von 1980 bedient werden können. Die Verminderung der Bundesmittel induziert unmittelbar und mittelbar einen Ausfall an Investitionen von fast i Milliarde DM in einem Jahr im ländlichen Raum. Wenn wir aber die Einbringungsrede des Herrn Bundesfinanzministers heranziehen, so findet sich dort der Satz: „Es muß mehr investiert werden, um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft im Strukturwandel zu erhöhen." Was soll dieser Satz, wenn das die realen Tatsachen sind?
Im übrigen kommt dies alles konjunkturpolitisch total zur Unzeit. Viel schlimmer ist aber noch, daß die Bundesregierung offensichtlich ein, total konfu-



Kiechle
ses Konzept zur Strukturpolitik im ländlichen Raum hat. Bei einem Rückgang der realen Einkommen der deutschen Bauern von über 20 % seit 1975 will die Bundesregierung die Agrarerzeugerpreise als wichtigen Faktor des Einkommens weiter nach unten drücken — so in der Einbringungsrede des Bundesfinanzministers nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlers noch einmal wiederholt. Als Alternative dazu bietet der Bundeslandwirtschaftsminister einen „sozial tragbaren Strukturwandel" an. Das ist doch nur eine Scheinalternative, wenn auf der anderen Seite die notwendigen Voraussetzungen für diesen Strukturwandel weithin entschwunden sind. Denn: Erstens. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der gesamtwirtschaftlichen Talfahrt fehlt es an außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsalternativen. Zweitens. Wegen der schlechten Ertragslage der Landwirte mangelt es an den nötigen innerbetrieblichen Finanzierungsmitteln. Drittens. Wegen der Haushaltskürzungen im argrarstrukturellen Bereich entfällt die erforderliche staatliche Unterstützung eines auch im gesamtwirtschaftlichen Sinn liegenden Wandlungsprozesses innerhalb der landwirtschaftlichen Betriebe. Das wirkt natürlich alles zusammen.
Verursacht durch diese Politik von SPD und FDP ist ein Zustand erreicht, den man als unsozial bezeichnen muß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bauern werden unter wirtschaftlichen Druck gesetzt — das schöne Wort heißt „vorsichtige Preispolitik" —, ohne daß ihnen durch die Politik der Bundesregierung eine entsprechende Alternative angeboten wird. Der ländliche Raum wird gegenüber anderen Bereichen sträflich vernachlässigt. Ich meine durchaus, daß die Bundesregierung unter diesen Umständen zur Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet immer weniger einen Beitrag leistet, obwohl ihr dieser Beitrag vom Grundgesetz vorgeschrieben ist.
Die von der geschilderten Entwicklung ausgehenden Auswirkungen auf den gewerblichen Bereich sind heute schon beachtlich. Es besteht die Gefahr, daß sie sich verheerend gestalten. Die deutsche Landmaschinen- und Ackerschlepperindustrie, eine der größten Branchen des deutschen Maschinenbaus, weist am Binnenmarkt erhebliche Absatzrückgänge auf. Kurzarbeit und Entlassung von Arbeitnehmern sind die Folge. Ein großes Schlepperwerk mit rund 4 000 Arbeitsplätzen hat, wie ich gehört habe, ein von den Betriebsräten und dem Unternehmer unterzeichnetes Schreiben an den Bundesminister, die Gewerkschaften und den Bundeskanzler gerichtet und darin auf die Tatsache hingewiesen, daß vom September 1979 bis zum September 1980 der Absatz in diesem Betrieb um fast 80 % zurückgegangen ist. Und dieser Betrieb ist durchaus repräsentativ für diese Branche.
SPD und FDP sollten das von der Bundesregierung vorgelegte Finanzkonzept — da ist das Parlament durchaus gefragt — noch einmal überdenken und es mit uns gemeinsam im Interesse des gesamten ländlichen Raums verbessern. Aber wenn man nur ein bißchen kosmetisch herumoperiert oder
wenn sich die beiden Fraktionen nicht dazu entschließen können, tragen sie bewußt zu einer Benachteiligung des ländlichen Raums bei und schwächen damit in unverantwortlicher Form die Kaufkraft der Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das müßte auch einem Gewerkschaftler einleuchten und jemandem, der es mit dem schönen Wort hält, das, glaube ich, Anke Fuchs geprägt hat: Bei mir fängt das Alphabet mit A wie Arbeitnehmer und nicht mit B wie Bauern und Beamte an. Aber lassen wir die Polemik, die sie da hineingebracht hat, beiseite. Wenn man schon immer sagt, durch Erhöhung der Kaufkraft der breiten Volksschichten könne man Arbeitsplätze sichern, frage ich mich, was eigentlich diese Art Streichungspolitik an Konsequenzen nach sich ziehen muß. Denn diese Gelder fließen mit Sicherheit nicht mehr in den investiven Bereich. Die Bauern kaufen nun eben einmal nur Investitionsgüter, wenn sie Geld erübrigen können.
Eine Reihe weiterer Förderungsmaßnahmen im ländlichen Raum fällt übrigens zusätzlich weg. Dazu gehören die Dorferneuerung und im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms die Anpassungshilfen für den Gartenbau und die Seefischerei — was übrigens in anderen Zusammenhängen an sich schon ein trauriges Kapitel ist — sowie das Sofortprogramm für die Seefischerei. Insgesamt betragen die Kürzungen hier 320 Millionen DM. Davon entfällt übrigens der größte Teil, nämlich 220 Millionen DM, auf die Dorferneuerung.
Ein ähnlich trauriges Ergebnis tritt bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" auf. Auch hier wird der ländliche Raum benachteiligt. Trotz der offensichtlichen Brüskierung des Landwirtschaftsministers ist uns nicht bekanntgeworden, daß er sich im Kabinett erfolgreich dagegen hätte wehren können. Er macht es wie Lambsdorff: nach außen alle möglichen Mißstände beklagen, aber letztlich doch jedes und alles, was die Bundesregierung schließlich haben will, mittragen.
Die Bürger des ländlichen Raums werden auch durch die von der Bundesregierung beabsichtigte Erhöhung der Mineralölsteuer bei Benzin und Dieselkraftstoff wegen der teilweise großen zu überwindenden Entfernungen besonders hart getroffen — sicher nicht allein, aber eben auch. Gleichzeitig fehlt es aber am Ausbau der öffentlichen Verkehrseinrichtungen. Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeutet die Erhöhung der Mineralölsteuer auf Dieselkraftstoff um 3 Pf je Liter plus Mehrwertsteuer nicht nur eine Verteuerung der Produktion, sondern gleichzeitig eine weitere Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EG. Die von der Bundesregierung im Haushalt vorgesehene und auch haushaltswirksame Umstellung des Auszahlungsverfahrens bei der Gasölbetriebsbeihilfe führt ebenfalls zu einer Kürzung des Haushaltsansatzes von 220 Millionen DM im Jahre 1981 und mindestens in gleicher Höhe in den Jahren 1982 und 1983. Selbst dann, wenn am Ende dieser dreijährigen Umstellungsperiode diese Beihilfe wieder in alter Höhe gezahlt wird, führt das Verfahren zu einer Verteuerung des



Kiechle
Dieselöls von abermals 3,6 Pf, so daß sich der Dieselkraftstoff für die Produktion von Lebensmitteln in Deutschland um insgesamt 7 Pf verteuert.

(Vorsitz : Vizepräsident Leber)

Nun hat der Bundesminister der Finanzen in seiner Einbringungsrede zum Haushalt eine Reihe agrarpolitischer Maßnahmen im EG-Bereich angekündigt, quasi unter dem Stichwort „Reform der Agrarpolitik". Sie sind deswegen ungeeignet — wir werden darauf bei der Agrardebatte noch ausführlich zurückkommen —, weil sie die Einkommen der Bauern noch mehr als bisher drücken. Meine Damen und Herren, das ist Senkung der Kaufkraft, nicht mehr und nicht weniger. Diese Haltung, ohne die entsprechenden ausgleichenden Alternativen aufzuzeigen, ist gegenüber einer Bevölkerungsgruppe, die in den vergangenen Jahren durch ihr Verhalten erheblich zur Stabilität beigetragen hat, schlicht und einfach nicht gerecht, um nicht zu sagen unsozial.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch eines ist dringend anzumerken: Seit nunmehr einem Jahr weigern sich der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung und wohl auch die beiden Koalitionsfraktionen, die der deutschen Landwirtschaft rechtmäßig zustehende Erhöhung der Vorsteuerpauschale um 1 % vorzunehmen.

(Kühbacher Dieses Verhalten grenzt an Willkür. — Ob das noch fehlt oder nicht, ist etwas anderes. Aber fragen Sie einmal — ich trage es ja ganz sachlich vor — die Sachverständigen des Finanzministeriums nach den Rechnungen! Ich meine, man sollte doch nach den Fakten und nicht nur nach der Gefühlslage Politik machen! Die Verluste, die der Landwirtschaft insgesamt dadurch entstehen, belaufen sich auf rund 500 Millionen DM jährlich. Meine Damen und Herren, das summiert sich. Das ist alles Verlust an Kaufkraft und Investitionskraft. Zusammenfassend muß man feststellen: Der Entwurf der Bundesregierung zum Haushalt des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird der wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft nicht gerecht. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher? Bitte schön. Herr Kollege Kiechle, Sie sprachen eben die Vorsteuerpauschale der Landwirtschaft an. Würden Sie mir zustimmen, daß alle die Landwirte, die ordnungsgemäß Buch führen und Umsatzsteuererklärungen abgeben, von der Vorsteuerpauschale überhaupt nicht betroffen sind, und daß alle buchführenden Landwirte lieber Umsatzsteuererklärungen abgeben sollten, so daß sie nicht von der ihnen vorenthaltenen Umsatzsteuerpauschale belastet würden? Ihr Argument ist rein theoretisch. Es ist praktisch nicht sehr brauchbar; das muß ich Ihnen einmal ganz offen sagen. Sonst würden diese buchführenden Betriebe wohl nicht für die Pauschalierung optieren. Sie tun es nicht nur deswegen, weil das im Augenblick möglicherweise in dem einen oder anderen Fall für sie ungünstiger wäre — es ist ja ein Durchschnittsverfahren —, sondern sie tun es deswegen, weil es viel Arbeit erspart. Das ist der Hauptgrund. Meine Damen und Herren, von diesem Zustand und von diesen geplanten Maßnahmen sind aber nicht nur die Bauern, sondern auch der gesamte ländliche Raum und die dort vorhandenen Arbeitsplätze negativ betroffen. Man kann das nicht oft genug sagen. Der Agraretat trägt eine viermal so hohe Kürzungslast wie jeder andere Bereich. Das kumuliert mit den Kürzungen im Verkehrsbereich, bei der allgemeinen Wirtschaftsförderung, mit der Verteuerung von Benzin und Diesel, mit der Verteuerung des öffentlichen Personennahverkehrs, mit der Verkürzung von Fahrplänen und der Schließung von Bahnhöfen durch die Deutsche Bundesbahn sowie der Einschränkung der Förderung des Wohnungsbaus im ländlichen Raum. Alles das läuft doch auf eine zusätzliche Vernichtung von Arbeitsplätzen gerade in diesem ländlichen Raum hinaus. Ich möchte das wirklich mehrmals betonen: Es geht hier nicht nur um die Landwirtschaft. Dies ist kein sinnvolles Sparen mehr, sondern verantwortungsloser Mittelentzug am falschen Platz und einseitige Lastenverteilung! Daß der Bund in die Situation gekommen ist, in der er sich jetzt befindet, wo praktisch jeder nur noch vom Kürzen, vom Mittelsparen und davon spricht, nicht mehr viel Geld zu haben, und daß er angesichts einer rezessiven Wirtschaftsentwicklung praktisch mittellos dasteht, das ist doch auf die finanzpolitisch falsche und verantwortungslose Ausgabenpolitik der letzten zehn Jahre zurückzuführen. Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther? Danke, nein. In den letzten zehn Jahren, selbst in den besten Jahren, sind keinerlei Rücklagen mehr gebildet worden — es wären normale haushalterische Vorgänge selbst im Privathaushalt, sich in schlechten Jahren Geld zu holen, damit man sie überlebt, und in guten Jahren wieder etwas zurückzulegen sondern es sind Schulden bis zu 30 Milliarden pro Jahr gemacht worden; das kann niemand wegdiskutieren. Die Zeche zahlt jetzt das Volk. Meine Damen und Herren, nicht die Wirtschaft, nicht die Bauern, nicht die Studenten, nicht die Arbeitnehmer, nicht die Jugend, nicht die Arbeitslosen und auch nicht die Multis tragen die politische Verantwortung für den Zustand unserer Staatsfinanzen, sondern diese Verantwortung tragen SPD und Kiechle FDP und die Bundesregierungen der letzten zehn Jahre. Deswegen müssen sie auch für dieses Ergebnis Ihrer ureigensten Politik die Verantwortung tragen; denn sie konnten ein schuldenfreies Staatsgebäude übernehmen. Da ist die rhetorische Frage nach unseren Kürzungsvorschlägen zum Sparen nicht intelligent, sie ist auch nicht seriös. Wir bieten Ihnen an, mitzuhelfen, im agrarischen Bereich zu sparen, wenn das halbwegs gleichmäßig geschieht. Aber zu einer vierfachen Kürzungslast sind wir nicht bereit. — Wir werden bereit sein, das in den Ausschüssen zu bereden, wenn Sie vorher versichern, daß Sie mit Ihrem dummen Gerede von der sozialen Demontage aufhören. Das Wort hat der Abgeordnete Hoffmann Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir von Kollegen aus meiner Fraktion, die das wissen müssen, sagen lassen, daß der Kollege Kiechle ein ausgezeichneter Sachkenner in Agrarfragen ist. (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er eben bestätigt!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901616100
Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0901616200
Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0901616300
Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0901616400

(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901616500
Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0901616600

(Heiterkeit)





(Beifall bei der CDU/CSU)


(Walther [SPD]: Wo denn? Wo denn?)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901616700
Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0901616800
Selbstverständlich würde ich das keinesfalls in Abrede stellen. Aber ich billige jedem zu, daß er mal einen schlechten Tag hat; denn wenn das repräsentativ gewesen sein soll, was er hier zur tatsächlichen Bestandsaufnahme im agrarischen Sektor gesagt hat, dann kann ich die Realität in keinem Punkt wiedererkennen. Ich will kurz versuchen, dies darzustellen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Regen Sie sich erst dann auf, wenn Sie gehört haben, was ich gesagt habe! Vielleicht fällt Ihnen dann ein Gegenargument ein, und dann können wir ja weiterdiskutieren.
Wissen Sie, was mich erstaunt? Wir haben heute eine Debatte, die sehr stark auf die Haushaltsaspekte geht, weniger auf die Details der fachspezifischen Diskussion. Herr Häfele, der als erster Redner der Opposition gesprochen hat, hat ein schönes Bild an den Himmel gezeichnet. Er hat sich für mehr Markt und für den Abbau von Subventionen stark gemacht. Wenn Sie das, Herr Kiechle, mit dem vergleichen, was Sie für den Sektor gesagt haben, für den Sie in Ihrer Fraktion mitverantwortlich zeichnen, dann finde ich, daß der Begriff Opposition sehr stark an den Begriff Opportunismus herankommt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Wenn Sie nämlich das real aufgreifen wollen, was Ihr Haushaltsvorredner gesagt hat, dann müßten Sie hier vorne stehen und sagen: „Diese Subventionen bauen wir ab, und dort wollen wir mehr Markt."
Dann reden wir sehr deutlich über den Agrarbereich miteinander.
Im übrigen ist die Einlassung, die Sie zu Beginn Ihrer Rede gemacht haben, mit der Frage der prozentualen Veränderung des Agrarhaushaltes im Prinzip nichts weiter als Prozentsatzfetischismus. Ich will versuchen, das zu beweisen.
Sie haben richtig gesagt, die prozentuale Veränderung des Agrarhaushalts beträgt in der jetzigen Vorlage minus 7,2 %; das ist korrekt. Diese Zahl spiegelt aber nicht den eigentlichen Sachverhalt wider, wie Sie selbst wissen; denn dann müßte man folgende Punkte mit berücksichtigen und in diese Prozentzahlen mit hineinrechnen.
Erstens. Das Programm Zukunftsinvestitionen ist generell ausgelaufen. Das trifft natürlich auch diesen Bereich.
Zweitens. Die Gemeinschaftsaufgabenkürzungen treffen nicht nur den ländlichen Raum. Ich sage Ihnen als jemand, der einen städtischen Wahlkreis hat: Auch mir tun manche Streichungen der Gemeinschaftsaufgaben weh. Das ist doch klar. Das heißt, wenn eingespart wird, tut es weh, es sei denn, es wäre Geld gewesen, das nirgendwo angekommen ist.
Der dritte Punkt, den Sie dabei vergessen — Sie haben ihn übrigens auch falsch dargestellt —, ist der Bereich der Gasölsubventionen. Dabei geht es im Prinzip nicht um eine Kürzung, sondern um eine zeitliche Verschiebung. Das einzige, worüber wir uns unterhalten müßten, wäre die Frage, ob das im vorhinein oder im nachhinein gewesen ist und welche Zinsvorteile entstanden oder welche Zinsnachteile vorhanden sind.
Der nächste Punkt, der ebenfalls nicht in die Prozentrechnung mit eingegangen ist, ist die Frage der Fischereihilfen, über die der Minister, der heute nicht da sein kann, zur Zeit gerade verhandelt. Er versucht, die Interessen der deutschen Fischerei hier zu vertreten. Das hat für uns in der Weise Konsequenzen, daß wir, wenn auf europäischer Ebene keine ausreichende Regelung gefunden werden kann, selbstverständlich im nationalen Haushalt weiter darüber debattieren müssen, wie das auszusehen hat.
Als letzter Punkt dieser falschen Prozentzahlberechnungen: Auch die Gartenbauhilfe läuft aus. Man müßte das ehrlicherweise so bewerten, wie es richtig ist. Dann käme man sicher zu anderen Bewertungen, als wenn man nur diese eine Zahl herausgreift.

(Beifall bei der SPD)

Globaler betrachtet finde ich aber diese Diskussion von Ihrer Seite nicht sehr ehrlich. Ich habe einmal in den Protokollen nachgelesen. Dort wird immer gesagt, man könne den nationalen Haushalt ja nicht so recht in Verbindung mit dem EG-Haushalt betreffend den Agrarbereich bringen. Nun haben Sie in Ihrer Rede genau das getan, was Sie sonst immer geleugnet haben. Sie haben diese Verbindung mit den Prozentsätzen hier dargestellt. Deshalb sage ich umgekehrt: Recht haben Sie, wenn Sie diese Ver-



Hoffmann (Saarbrücken)

bindung herstellen. Daraus wird sichtbar, daß die Agrarwirtschaft in der Bundesrepublik zu wesentlichen Teilen nicht nur über den Bundeshaushalt läuft, sondern eben über den EG-Haushalt. Diesen sollten Sie sich einmal genau angucken. Über Steigerungsraten will ich hier gar nichts erzählen. Sie sind sehr lange bekannt. Lassen Sie mich die Argumente im Zusammenhang vortragen. Dann geht es etwas besser.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901616900
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0901617000
Bitte sehr. Vizepräsident Leber: Bitte sehr.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0901617100
Herr Kollege, wären Sie bereit, zuzugeben,

(Wehner [SPD]: „Zugestehen" heißt das!)

daß auch der EG-Teil im Haushalt 1981 um 9,9 Vo sinkt?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0901617200
Verehrter Kollege, da ich die Freude hatte, im Europäischen Parlament im Agrarausschuß zu sein, können Sie mich mit dieser Frage überhaupt nicht verblüffen. Wenn Sie die Zeitreihe aufrechnen, sehen Sie, was für Steigerungsraten per Saldo herauskommen. Da können Sie doch mit dieser einen Zahl aus einem Jahr nichts anfangen, sondern dann müssen Sie selbstverständlich eine mittelfristige Periode nehmen, um eine glaubhafte Aussage herauszuziehen.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich sage Ihnen einmal Zahlen über eine lange Reihe.

(Abg. Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Im Moment nicht, vielleicht später. Sonst komme ich mit meiner Zeit gar nicht hin.

(Niegel [CDU/CSU]: Was sagen sie zum französischen Agraretat?)

— Das würde ich gern alles sagen, wenn ich die Zeit hätte. Aber das geht ja nicht.
Lassen Sie mich jetzt zu den Punkten kommen, die ich als Haushälter mit einbringen muß. Ich wollte Ihnen darstellen, daß die reale Preisentwicklung auf europäischer Ebene — Agrarmarkt Bundesrepublik — wie folgt aussieht: Von 1972/73 bis 1980/81 haben wir in der Bundesrepublik nahezu einen stabilen Preisstand — reale Preise — von 0,1 %. Das ist in der neuesten Veröffentlichung der Europäischen Kommission nachzulesen. In anderen Ländern sieht das sehr viel schlechter aus. Die Zahlen trage ich Ihnen hier mangels Zeit nicht vor. Ich sage Ihnen nur: Die einzigen, die besser liegen, sind Großbritannien und Irland mit einem — wie Sie alle wissen — Sonderfaktor aus den Agrarbeziehungen zum Commonwealth. Das kann man also nicht vergleichen. Das einzige Land, das dann noch etwas besser liegt, ist Italien mit einem Prozentsatz von 0,4; wir haben ja einen Prozentsatz von 0,1. Das ist keine
aussagekräftige Zahl, im Gegenteil. Die Preisstabilität, die Erfolgsstabilität ist ganz deutlich.
Nächster Punkt: Ich habe den Eindruck, Sie verkennen völlig das — Sie haben es hier schwarz in schwarz gemalt —, was im Prinzip auch von Ihrer Seite aus anzuerkennen wäre. Ich meine hier den Schwerpunkt im nationalen Haushalt für Agrarfragen, nämlich das, was wir hier im Bereich der Sozialpolitik tun. Wenn Sie das mit den Gegebenheiten in unseren westlichen europäischen Nachbarländern vergleichen, werden Sie sehen: Diese Länder würden sich die Finger danach lecken, eine solche soziale Absicherung und ein solches Sozialbudget für ihre Landwirte zu haben. Das muß hier einmal deutlich festgestellt werden.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Zahlen!)

— Bitte sehr, wenn Sie Zahlen haben wollen: ein Zuwachs dieser Bereiche, die ich gerade angesprochen habe, von 6,9 %, also stärker als der Zuwachs des Gesamthaushalts. Wenn Sie noch mehr Zahlen haben wollen, landwirtschaftliche Sozialpolitik:

(Zuruf von der CDU/CSU: Pro Kopf!)

Der Ansatz für 1980 betrug 3,482 Milliarden DM. Er beträgt in diesem Jahr 3,721 Milliarden DM. Ich kann Ihnen die Zahlen zwar weiter vorlesen, aber Sie kennen sie doch. Das heißt, Sie tun mit Ihren Zwischenrufen so, als wäre das nicht so, wie ich das hier vortrage, als wäre nicht eine Steigerung von 6,9 % im Bereich der sozialen Ausgaben für die Landwirtschaft zu verzeichnen.

(Abg. Eigen [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Lassen Sie mich doch einmal ein paar Gedanken zusammenhängend äußern, wenngleich ich Ihre Erregung verstehe; denn Sie haben gemerkt, daß das, was Ihr Kollege vorgetragen hat, blauer Dunst war.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Über eine Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir uns natürlich im klaren sein: Auch die Sozialpolitik auf dem agrarischen Sektor muß sozial gerecht sein.

(Eigen [CDU/CSU]: Und auch im Wettbewerb mit den EG-Ländern und anderen liegen!)

Das müssen wir immer wieder überprüfen; das ist ganz klar. Auch eine weitere Verknüpfung muß geschehen: Wir müssen nämlich die allgemeine Sozialpolitik im Verhältnis zu der agrarischen in der Weise gestalten, daß wir hier nicht völlig ungleiche Entwicklungen haben.
Nun haben Sie gesagt, die Einkommensentwicklung sei ein großes Drama, das sei alles ganz schlimm.

(Eigen. [CDU/CSU]: Allerdings!)

Ich habe mich umgeguckt und gedacht, nun müßten hier alle in Tränen ausbrechen. Das, was hinter Ihrer Argumentation steckt — ich habe mir das einmal alles ein bißchen näher angesehen —, heißt im Prin-



Hoffmann (Saarbrücken)

zip, daß wir für einen freien Berufsstand eine staatliche Einkommenssicherung machen müßten.

(Eigen [CDU/CSU]: Quatsch! Das ist völliger Unsinn!)

— Das ist völliger Unsinn — da haben Sie völlig recht —: eine solche Frage in einem Wirtschaftssystem zu stellen, das, wie das unsere, auch freie Berufe kennt.

(Eigen [CDU/CSU]: Das verlangt ja keiner. Das ist reine Polemik, was Sie da machen!)

— Ach, entschuldigen Sie vielmals, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie einmal ein bißchen zuhören könnten. Denn die Zwischenrufe kosten mich so viel Zeit, daß meine Argumente sonst holzschnittartig sein müßten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901617300
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kiechle?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0901617400
Bitte, jetzt nicht mehr. Ich bin am Ende gern dazu bereit, wenn ich sehe, daß die Zeit noch ausreicht.

(Kiechle [CDU/CSU]: Sie müssen einmal die BML-Nachrichten lesen, Herr Kollege!)

— Ich lese sehr gerne, aber seien Sie nun bitte so nett zuzuhören. — Die Einkommensentwicklung der Landwirte hängt im wesentlichen mit der Frage zusammen: Welche Entwicklung vollzieht sich auf der europäischen Ebene im Haushalt der Europäischen Gemeinschaft? In diesem Zusammenhang hoffe ich, daß gemeinsame Position in diesem Hause immer noch ist, daß wir über die Jahre hinweg im europäischen Haushalt einen so starken Anstieg hatten, was den Agrarsektor anlangt

(Eigen [CDU/CSU]: Was wird alles daraus bezahlt? Lomé-Abkommen und Polenhilfe werden daraus bezahlt! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Warum denn?)

— ich gebe zu: nicht alles von ihm selbst verursacht, aber mit ihm zusammenhängend —, daß wir spätestens im nächsten Jahr, wie wir alle wissen, an die Decke stoßen, wenn wir in der Finanzierung nichts tun. — Ach, jetzt tun Sie mir doch einmal die Liebe an und machen Sie mir gegenüber nicht immer den Mund auf! Das ist ja schlimm. Ich muß ja einmal einen Gedanken vollziehen können. —

(Eigen [CDU/CSU]: Aber nicht falsche!)

Also: Wir haben im europäischen Haushalt einen immer größeren Anteil für den Agrarbereich. Er drückt uns die anderen Sektoren zwangsläufig kaputt, er drückt sie an die Wand, wenn wir nicht irgendwann eine Tür öffnen. Diese Tür könnte heißen: Die Finanzierungsgrenze 1 % Mehrwertsteuer wird nach oben durchbrochen. Darüber, daß wir das nicht machen können, sind wir uns in diesem Hause hoffentlich alle einig. Wir müssen diese 1-%-Grenze festhalten; wir wissen genau, daß die notwendige europäische Agrarreform sonst nicht kommt. Das ist das einzige Druckmittel, das wir in der Hand haben.
Also dürfen wir diese Tür nicht öffnen. Ich bitte Sie, dabei mitzuhelfen, daß wir auf europäischer Ebene konkrete Vorschläge mit Ihnen zusammen durchsetzen können, die es uns ermöglichen, eine vernünftige Lösung dieser großen Probleme zu finden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die europäische Ebene bringt für uns natürlich auch kurzfristige Probleme mit sich. Ich möchte, weil Herr Kiechle das angesprochen hat, ein Problem herausgreifen, die Gasölsubvention. Ein Vortragen der Tatbestände erspare ich mir; denn die kennen Sie alle ganz genau. Die Forderung nach Abbau dieser Subvention insgesamt wird von uns unterstützt, wenn sie europäisch durchsetzbar ist. Das heißt, wir müssen eine Gleichbehandlung auf europäischer Ebene haben. Aus diesem Grunde möchte ich von hier an die Bundesregierung offiziell die Aufforderung richten, einen entsprechenden Vorstoß auf der europäischen Ebene so schnell wie möglich zu unternehmen, damit wir auf europäischer Ebene von der Gasölsubvention herunterkommen und es nicht national allein ausbaden müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Endlich einmal ein vernünftiger Satz!)

Für die Fachleute, die gern Zahlen hören, darf ich sagen, daß die Subvention, die wir in der Bundesrepublik diesem Sektor pro 100 Liter bezahlen, 41,60 DM ausmacht.

(Eigen [CDU/CSU]: Genau 41,15 DM, Herr Kollege!)

— Na also, ich habe sie mit 41,60 DM; ich überprüfe die Zahl gern noch einmal. — Ich nenne Ihnen einmal die Parallelzahlen anderer Staaten:

(Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Nennen Sie einmal die Zahl für Italien!)

Die Franzosen zahlen aus staatlicher Kasse 33,80 DM, die Niederländer 15 DM, die Dänen 20 DM. Die einzigen, die einen größeren Landwirtschaftsbereich haben und die ein bißchen mehr bezahlen als wir, sind die Briten; sie zahlen nämlich 47,80 DM. Das heißt in diesem Fall: Wir brauchen uns hier nicht zu verstecken. Ich sage nur, wir müssen im EG-Gleichklang an diesen Pott dran, sonst haben wir hier eine Subvention, die mit Sicherheit nicht in die energiepolitische Landschaft hineinpaßt.

(Schartz [Trier] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Danke schön, ich möchte sehr schnell zu Ende kommen. Deshalb kann ich Ihre Zwischenfrage nicht zulassen.
Weil ich das EG-Problem angeschnitten habe und um die Gewichte nicht zu verschieben, möchte ich hier gern sagen, daß uns der EG-Markt natürlich erhebliche Vorteile auch für den Verbraucher gebracht hat. Das will ich nicht unterschätzen. Er hat uns eine sichere Versorgung mit Agrarprodukten von guter Qualität gebracht, mit breiten Auswahlmöglichkeiten und mit Preisen, die — gemessen an



Hoffmann (Saarbrücken)

der allgemeinen Einkommensentwicklung — maßvoll sind.

(Eigen [CDU/CSU]: Das hört sich doch gut an!)

Für den Agrarsektor hat er ebenfalls positive Entwicklungen gebracht. Inzwischen liegen nämlich die landwirtschaftlichen Produkte bei den Exporterlösen auf Platz 4 unserer Statistik, was ja etwas bedeutet, was im Prinzip die Mißstände, die Herr Kiechle mit Krokodilstränen beweint hat, beseitigt. Es ist doch ganz deutlich, daß ein solcher Bericht nicht so krank sein kann, wie Sie hier dargestellt haben, wenn er sich in der Exportwirtschaft so stark entwickelt hat. Ich glaube auch, daß Sie der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft kein gutes Zeugnis ausstellen, wenn Sie solche Behauptungen aufstellen, wie das vorhin geschehen ist.
Ich will das auch anhand von Zahlen beweisen. In den 60er Jahren flossen 4 Milliarden DM jährlich in den Exportsektor, heute sind es 18 Milliarden DM — ein Beweis der Leistungsfähigkeit unserer Landwirtschaft.
In der Tat gibt es natürlich auch Gefahren, die von dieser Ebene kommen, wie beispielsweise allgemeine Wettbewerbsverzerrungen, denen wir begegnen müssen. Ich nenne stellvertretend zwei Bereiche, einmal den Fischereibereich, über den gerade verhandelt wird, zum zweiten den Bereich des Obstbaus und des Gemüsebaus, wo ebenfalls die Gefahr starker Wettbewerbsverzerrungen besteht.
Es kommen verstärkt einige Aufgaben auf uns zu, die wir auch haushaltsmäßig diskutieren müssen. Ich meine die Fragen des Natur- und Tierschutzes, wo es einige Mißstände abzubauen gibt. Damit sich die Aufregung nicht an diesem Punkt entzündet: Das ist mit Sicherheit auch im Interesse der Landwirtschaft, die nicht auf einzelne schwarze Schafe festgenagelt werden darf. Deshalb verstehe ich eigentlich nicht, daß auf diesem Sektor manchmal Sensibilitäten vorhanden sind, wenn man erklärt, daß gerade Naturschutz und Tierschutz mehr Bedeutung als bisher erhalten müssen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassend erklären, daß wir, was die haushaltspolitischen Bedingungen und die entsprechenden Bedingungen des europäischen Haushalts angehen, dafür sorgen wollen, daß eine vorsichtige Preispolitik betrieben wird, daß eine Steigerung der Mitverantwortung erreicht wird und daß die Investitionsbeihilfe für Überproduktionsgüter abgeschafft wird. Wir können aber die meisten dieser Probleme nur europäisch lösen. Das heißt beispielsweise, daß wir nicht mit einem Rasiermesser darübergehen können, sondern das heißt, daß wir sehr genau hinsehen müssen, um welche Arten von Betrieben, um welche Größenordnungen, um welche Art der Ausstattung mit Maschinen, um welche Bodenerträge und um welche Bodenqualitäten usw. es sich handelt. Ich brauche Ihnen, die Sie zum Teil Fachleute auf diesem Gebiet sind, das nicht im einzelnen darzustellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zusammenfassen. Das Bild, daß Herr Kiechle für die Opposition von der Landwirtschaft hier gezeichnet hat, trifft überhaupt nicht zu. Die Wahrheit ist, daß unsere Landwirtschaft leistungsfähig ist, wahr ist, daß sie im europäischen Standard einen guten Platz einnimmt, wahr ist, daß der Haushalt, den wir hier in erster Lesung diskutieren, ein Schwergewicht auf vorbildliche Leistungen im sozialen Bereich legt. Ich verstehe deshalb Ihren Diskussionsbeitrag nicht. Ich glaube, daß Sie in der weiteren Diskussion — in der zweiten oder dritten Lesung — vielleicht in einem Punkt noch etwas konkreter sein sollten. Sie haben das am Schluß Ihrer Rede als „dumme Frage" klassifiziert. Ich sage nur: So dumm kann sie gar nicht sein. Sie müssen irgendwann, um es mal auf Platt zu sagen, Butter bei die Fische tun und sagen, wo Sie Veränderungen im Agrarbereich und im Haushalt vornehmen wollen; denn sich auf diese Art zurückzuziehen und zu sagen: Ihr seid doch die Regierungskoalition, Ihr müßt doch Eure Vorstellungen darlegen, ist ein Verständnis von Opposition, das sich um jedes Problem drückt. — Ich bedanke mich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901617500
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Zumpfort das Wort.

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901617600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um bei meinem Vorredner zu bleiben: Butter haben wir genug, Fische haben wir in der jetzigen Situation zuwenig.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Das berührt gerade die aktuellen Probleme der Agrarpolitik.
Noch eine Vorbemerkung. Ich sehe Herrn Schröder (Wilhelminenhof); da ist er. Ich kann mich noch an die letzte Agrardebatte erinnern. Da hat er mir einen Bannfluch nachgeworfen und gesagt, wenn ich so weiter redete, dann würde ich mit Sicherheit nicht wieder in den Bundestag kommen. Sie sehen, ich bin wieder da, obwohl ich so geredet habe.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie ganz anderen Fakten zu verdanken!)

Nun zum Einzelplan 10. Es wurde schon von beiden Vorrednern erwähnt: er hat eine negative Steigerungsrate von 7,2 %. Allerdings sage ich hier: Wir stehen als Liberale und als Koalition zu diesen Einsparungen, und wir glauben, damit einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts geleistet zu haben. Ich glaube, wir strafen damit all diejenigen Lügen, die immer behaupten und das auch jetzt noch tun, die Landwirtschaft werde geschont. Das muß man an dieser Stelle festhalten.
Es gibt allerdings auch keinen Anlaß, über diese negative Steigerungsrate — das geht an Ihre Adresse, Herr Kiechle — hier in ein Wehgeschrei auszubrechen. Denn man muß das machen, was mein Vorredner gemacht hat: man muß die Zahlen genau analysieren. Die Qualität einer Politik zeigt sich nicht allein an dem Auf und Ab der Haushaltszahlen, sondern man muß das gewogene Mittel nehmen und die zehn Jahre Agrarpolitik der FDP, der sozialliberalen



Dr. Zumpfort
Koalition betrachten. Ich glaube, dann kann man das Urteil, das Sie gefällt haben, nicht gelten lassen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Dann wird es miserabel! — Kiechle [CDU/CSU]: Dann wird es ja noch schlimmer!)

— Herr Kiechle, die Analyse der Zahlen — das wissen Sie auch — zeigt, daß wir es im Bereich ZIP, beim Sofortprogramm für die Fischerei und bei der Umstellungshilfe für die Unterglas-Gartenbaubetriebe mit auslaufenden Programmen zu tun haben

(Kiechle [CDU/CSU]: Das habe ich ja gesagt!)

— ja — und daß zwei zusätzliche Ausgabenkürzungen bei der Gasölbeihilfe und der Gemeinschaftsaufgabe kommen. Diese Kürzung macht insgesamt 760 Millionen DM aus. Sie wissen aber auch, daß demgegenüber bei der Sozialpolitik ein Plus zu verzeichnen ist; daß muß man schon sehen.
Wenn man die wegfallenden Ausgaben herausrechnet — darauf ist mein Vorgänger eingegangen, hat es aber nicht in einer Zahl ausgedrückt —, dann kommt man zu einer effektiven Steigerungsrate von plus 0,5 % — immerhin eine Steigerung. Ich glaube, das ist eine legitime Betrachtung. Wenn Sie dann noch berücksichtigen, daß es andere Haushalte mit negativen Steigerungsraten wie den des Verkehrs- und des Innenministers gibt, dann sehen Sie, daß hier an der Substanz zumindest in großem Stil nichts geändert worden ist.
Eine weitere Behauptung von Ihnen, Herr Kiechle, muß man hier einmal klarstellen. Sie haben gesagt, die in der Bundesrepublik anfallenden EG-Agrarausgaben gingen um 700 Millionen DM zurück, das heißt, wir hätten eine negative Steigerungsrate von minus 9,9 %. Sie beziehen sich allerdings auf einen Vergleich von Soll-Zahlen. Vergleichen Sie die Ist-Zahlen vom vergangenen und dem Jahr davor, dann werden Sie feststellen, es hat eine Steigerung, einen realen Zuwachs von 300 Millionen DM gegeben. Das Argument, das mein Vorredner brachte, stimmt auch hier: Sie haben sich bislang immer geweigert, solche Zahlen in die Agrardebatte einzubeziehen. Dann sollten Sie aber auch bei diesem Stil bleiben.
Nun zu den Schwerpunkten des Haushalts. Da ist einmal die landwirtschaftliche Sozialpolitik, der klassische Bereich, wo Minister Ertl in den letzten zehn Jahren die Dinge geschaffen hat, um die uns sicherlich im Ausland viele beneiden. Ich glaube, hier kann man nicht, wie Sie es getan haben, Herr Kiechle, davon sprechen, daß hier unsozial gehandelt wird oder daß es sich um einen unsozialen Haushalt handele. Ich glaube, wer dies behauptet, der will der Bevölkerung und den Landwirten ein X für ein U vormachen.
Was die Gasölverbilligung angeht, so handelt es sich, wie wir alle wissen, nicht um einen Abbau der Leistungen, sondern um eine Verschiebung der
Zahlungen. Es gibt sicherlich Zinsprobleme für die Landwirte, wenn sie das finanzieren müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Allerdings möchte ich an dieser Stelle sagen: Auch die Landwirte müssen wie alle Bürger in unserer Republik ihren Beitrag zu Energieeinsparung bringen. Ich sage das ganz deutlich. Sie müssen auch überlegen, daß es nicht darauf ankommt, immer mehr PS über die Furche ziehen zu lassen, sondern diese PS eventuell mit weniger Energie zu betreiben.

(Sehr gut! bei der SPD)

An diesem Ziel kommt man auch in der EG nicht vorbei, und ich bin sicher, daß wir über dieses Problem in der Zukunft noch reden müssen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Niegel [CDU/CSU]: Zurück zu den Pferden!)

Was die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" angeht, Herr Kiechle, so wissen Sie, daß die Reduzierung nicht allein im Einzelplan 10 angefangen hat, sondern auch in anderen Ressorts. Wir halten dies für eine richtige und vernünftige Maßnahme zur Bereinigung und zur Konsolidierung des Haushalts.
Ziel muß es jetzt sein — da sind auch Sie gefragt —, zusammen mit den Ländern bei einem verringerten Finanzvolumen neue agrarpolitische Prioritäten zu setzen. Ich darf Sie daran erinnern, daß es mit die Länder sind, die im Planungsausschuß darüber befinden. Sie können das nicht allein der Bundesregierung anlasten. Hier sind wir alle gemeinsam gefordert, hier müssen wir Sie beim Wort nehmen, wenn Sie Ihre Mitarbeit ankündigen.
Ich möchte ein zweites Ziel erwähnen. Ich halte es für sinnvoll, hier umzustrukturieren und sich zu überlegen, was herauskommen kann. Es könnten nämlich auch Ausgaben herauskommen, die konsumtiv sind. Wir wissen alle, daß die durchschnittliche Steigerungsrate im konsumtiven Bereich in den nächsten vier Jahren an der Obergrenze von 5 % liegt, während die Steigerungsrate im investiven Bereich in diesem Jahr sogar negativ und in den anderen Bereichen in den nächsten Jahren relativ niedrig ist. Im Bereich der Agrarstruktur könnten wir durch eine Umstrukturierung der Ausgaben, d. h. durch neue Zielsetzungen, erreichen, daß vom konsumtiven Bereich in die investiven Bereiche umgeschichtet wird. Ein Beispiel dafür ist die Dorferneuerung. Wir werden versuchen, das in die Haushaltsberatungen einzubringen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901617700
Herr Kollege Zumpfort, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901617800
Bitte schön.

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0901617900
Herr Kollege, sind Sie sich darüber im klaren, daß, wenn man bei der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz" 20 % Mittel einspart, sich gerade beim investiven Teil die Auswirkung ergibt, daß mindestens 30 bis 40 % weniger gefördert werden, und daß dies, wie Herr Kollege Kiechle richtig sagte, für die Wirt-



Eigen
schaft — nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die gewerbliche Wirtschaft im ländlichen Raum, die sowieso schon einen schwierigen Stand hat — eine tödliche Veränderung wäre?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901618000
Herr Kollege Eigen, Sie sind ja bekannt für Zwischenrufe und auch für Zwischenfragen. Ich kann hierzu nur sagen: mir ist bekannt, daß nur 900 Millionen DM von den verbleibenden 1,2 Milliarden DM fest sind. Die anderen Beträge sind noch variabel. Bei den vielen Programmen, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden, läßt sich feststellen, daß sie in dieser Form nicht mehr notwendig sind. Ich glaube, wenn wir so konstruktiv an die Aufgaben herangehen, haben wir gemeinsam etwas zu tun.
Ich möchte noch auf besondere Probleme im Bereich der Landwirtschaft eingehen. Wie wir alle wissen, liegen sie nicht nur in dem Bereich des Bundeshaushalts, der durch dieses Plenum geregelt werden kann. Es sind Probleme im Bereich des Naturschutzes, im Bereich der Seefischerei; es sind die Probleme der Einkommenssicherung und der Preisentwicklung in der Landwirtschaft, und es ist natürlich das große Problem der EG-Reform.
Ich glaube, im Bereich des Naturschutzes haben wir die Chance, ohne finanzielle Auswirkungen Reformen zu betreiben. Hier handelt es sich um die von Ihnen vielgeschmähte, von uns gerühmte Verbandsklage. Auch hier kann man noch einmal deutlich sagen: Es handelt sich um die eingeschränkte Verbandsklage, durch die solche Verbände, die im Bundesnaturschutzgesetz anerkannt sind, das Recht bekommen sollen, dann, wenn sie vorher im Verwaltungsprozeß mitgearbeitet haben und ihre Vorstellungen nicht durchsetzen konnten, eine Klage einzureichen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Fragen Sie einmal Ihre Kommunalpolitiker, was die dazu sagen!)

Gerade am Beispiel des Deiches Emmerleff-Kliff läßt sich zeigen, Herr Eigen wird das bezeugen können — dort hat es über 40 000 Einwendungen gegeben —, daß durch eine solche Verbandsklage auch eine Rationalisierung des ganzen Vorgangs erreicht werden kann. Darauf setzen wir. Das ist der vernünftige Grund für diese Maßnahme.

(Beifall bei der FDP)

Was die Seefischerei angeht, so stehen wir vor dem traurigen Dilemma, daß wir zwar innerhalb der EG viele Wünsche anmelden, aber nicht alles erreichen können. Die gemeinschaftliche Fischereipolitik kommt seit Jahren keinen Schritt voran. Gerade in diesem Jahr sollte es soweit sein, daß wir ein gemeinsames Fischereiregime haben, das es uns erlaubt, extern und intern alle Fischer in allen beteiligten EG-Nationen gleichmäßig zu beteiligen.
Aus Gründen, die nicht wir, nicht Herr Ertl und auch die Bundesregierung nicht zu verantworten haben, ist es nicht soweit gekommen. Im Gegenteil, Herr Genscher hat ein eindringliches Telegramm gesandt, und Herr Ertl ist jetzt da und versucht, die Verhandlungen zu beeinflussen. Aber solange wir
solche Entscheidungsmechanismen wie z. B. die Einstimmigkeitsregel haben, wird man schwerlich, wenn keine gleichgeartete Zielsetzung vorliegt, zu einem gemeinsamen Ziel kommen.
Die Hilfen laufen ja 1980 aus. Sie wissen alle, wie die Situation ist. Die Schiffe liegen in den Häfen. Sowohl in der Ostsee als auch mit den Drittländern kommen wir nicht zu Verträgen, die die Existenz unserer Fischer sichern. Da muß es auch für Haushälter in einer Zeit, wo es schwierig ist, überhaupt mehr Ausgaben zu finanzieren, legitim sein, zu prüfen, ob und wie gegebenenfalls befristete nationale Hilfsmaßnahmen für die deutsche Seefischerei zur Verfügung gestellt werden können. Da muß überlegt werden, ob das überhaupt im Rahmen eines stark gekürzten Haushaltes machbar ist. Ich lasse das so als Problem stehen. Darüber müssen wir uns alle zusammen noch Gedanken machen.
Was die Einkommenssituation der Landwirte angeht, habe ich schon in meiner Rede anläßlich des Agrarberichtes gesagt, daß Landwirte wie Einkommensbezieher zu betrachten sind, wie Unternehmer, die mit dem Risiko ihres Berufs leben müssen.
Dennoch konnten die Landwirte in den letzten Jahren trotz der Schwankungen mit einer relativen Steigerungsrate von 7 % rechnen, bei einem sogenannten gewerblichen Vergleichslohn von 8,3 %.

(Abg. Susset [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Damals habe ich — ich darf das noch ausführen, bevor Sie Ihre Frage anschließen, Herr Susset — darauf hingewiesen — das tue ich auch jetzt —: das sind Bruttozahlen, d. h. vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Wir sollten vorsichtig sein, wenn wir hieran Unterschiede aufzuzeigen versuchen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901618100
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901618200
Bitte schön.

Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0901618300
Die fortgeschrittene Zeit läßt es nicht zu, dem Kollegen Hoffmann zu antworten. Darf ich deshalb an Sie eine Frage stellen, die an und für sich an den Kollegen Hoffmann hätte gestellt werden müssen?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901618400
Das ist aber nett. Also, so dick sind wir nicht.

(Heiterkeit)


Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0901618500
Nachdem Sie Vertreter der Fraktion sind, die den Bundeslandwirtschaftsminister stellt, frage ich Sie, ob die Zahlen, die in den BMELF-Informationen vom 19. Januar, was die Sozialleistungen der einzelnen Länder der Europäischen Gemeinschaft für die Landwirtschaft anlangt, richtig sind, nämlich daß Frankreich — —

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901618600
Herr Kollege, nach der Geschäftsordnung sollen Sie die Fragen sehr kurz stellen und keine Feststellungen in sie hinein verbin-



Vizepräsident Leber
den. Sie sind im Begriffe, gegen die Geschäftsordnung zu verstoßen.

(Heiterkeit)


Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0901618700
Nein, ich — — Darf ich — —

(Anhaltende Heiterkeit)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901618800
Es liegt ja an Ihrem Geschick, die Frage richtig zu formulieren.

(Erneute Heiterkeit)


Egon Susset (CDU):
Rede ID: ID0901618900
Daß Frankreich 88 %, Italien 87 % und die Bundesrepublik Deutschland 55 % staatliche Zuwendungen für die Agrarsozialpolitik gibt — würden Sie das bestätigen, was die Bundesregierung uns im Gegensatz zu dem vorgetragen hat, was der Kollege Hoffmann hier sagte?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901619000
Verehrter Kollege Susset, im Gegensatz zum Bauernverband zweifle ich die Zahlen des Ministeriums nicht an; der Bauernverband hat das schon häufiger getan. Man muß sicherlich nationale Unterschiede berücksichtigen. Das werden wir auch in Zukunft tun müssen. Das Problem ist nur, eine solche relative Gleichheit herzustellen, daß unsere Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland nicht strukturell benachteiligt wird.

(Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Denen geht es doch viel besser!)

Was nun die Einkommenszahlen angeht, ist mir natürlich bekannt — wir wissen das alle —, daß wir im Jahr 1979/80 im Verhältnis zu dem Jahr 1978/79 mit einem Rückgang des durchschnittlichen Einkommens pro Familien-AK rechnen müssen, nämlich mit einem negativen Wachstum in Höhe von 1 bis 2 %. Ich komme aus Schleswig-Holstein. Dort liegt das negative Wachstum wahrscheinlich über 16 %, in Niedersachsen wahrscheinlich bei 12 %. Das wirft natürlich enorme Probleme auf. Da tut sich natürlich auch die Schere mit den Kosten auf. Dennoch halte ich es für nicht richtig, angesichts der Stimmung in der Öffentlichkeit, wenn die COPA Einkommenssteigerungen, d. h. Preissteigerungen um 15 % fordert. Das paßt in dieser Form nicht in die Landschaft.
Mit diesen Preissteigerungen — das muß man hier wieder deutlich machen — wird gerade denjenigen Vollerwerbsbetrieben nicht geholfen, die am unteren Viertel der Einkommenspyramide hängen. Hier müssen wir sehen, daß eine Reform der europäischen Agrarpolitik auch schon aus diesem Grunde notwendig ist.
Die Reform wird also nicht nur auf Grund der enormen Kostensteigerungen, sondern auch auf Grund der Tatsache eingeleitet werden müssen, daß man mit festen Preisen und Interventionsmechanismen den kleineren Höfen nicht das Einkommen geben kann, auf das sie nach dem Gesetz und nach den politischen Vorgaben Anspruch haben. Wir müssen dahin kommen, das Instrument der direkten, personenbezogenen Einkommenshilfen anzuwenden — dann, wenn man keine alternativen Erwerbsmöglichkeiten hat. Dies kann z. B. wie im Rahmen eines Bergbauernprogramms erfolgen. Sie alle wissen, daß die Franzosen das jetzt schon machen, und Sie alle wissen, daß die Franzosen hier sehr stark beobachtet werden. Es wird ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie das schon im Bereich der verspäteten Agrarpreise 1980 getan haben. Man muß prüfen, ob sie ihrer Notifizierungspflicht nachgekommen sind. Dann muß man prüfen, ob das überhaupt zulässig war, was sie gemacht haben. Aber immerhin, Sie sehen, es geht. Sie dürfen nicht länger kommen und sagen: Minister Ertl, so kannst Du nicht weiter Politik machen. Im Gegenteil; wir haben die Vorschläge gemacht, und Sie sollten sie mit prüfen, um zu sehen, ob das ein sinnvoller Weg ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme zum letzten Problem der EG-Problematik. Die Situation ist aus der Sicht des Haushälters durch eine enorme Kostensteigerung und einen Finanzengpaß gekennzeichnet. Die Kostensteigerung — das wissen Sie alle — resultiert aus einem Selbstversorgungsgrad bei den wichtigsten Agrarerzeugnissen, hauptsächlich Veredlungsproduktion, von weit über 100 %. Dadurch entstehen erhebliche Mehrkosten durch die Marktmechanismen, die dann greifen, nämlich Lagerung usw. Sodann gibt es erhebliche Einfuhrzugeständnisse gegenüber den Drittländern, die auch bekannt sind: Lomé-Abkommen, Rindfleisch im Rahmen des GATT, Neuseeland-Butter. Schließlich gibt es — und das ist die Schere, das hat mein Vorredner erwähnt, und dem haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zugestimmt — den Beschluß des Haushaltsausschusses und des Parlaments, nicht mehr als 1 % der Mehrwertsteuer für die Finanzierung des EG-Haushalts abzugeben.
Angesichts dieser Situation haben wir Vorschläge gemacht. Diese lauten: vorsichtige Preispolitik mit dem Ziel, das Angebot an die Nachfrage anzupassen, zweitens, stärkere Beteiligung der Erzeuger an der Finanzierung der Überschüsse,

(Kiechle [CDU/CSU]: Das heißt Preissenkung!)

drittens Überprüfung und Auflockerung überzogener Interventionspolitiken und viertens Durchforstung der vielfältigen Prämien- und Beihilfenregelungen.
Ich bin mir sicher, daß dies den Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft nicht gerade abbremst, sondern daß das Probleme gibt.

(Eigen [CDU/CSU]: Senkung des Bauerneinkommens!)

Aber für diesen Fall hat der Staat die Fürsorgepflicht. Es wurde angedeutet,

(Kiechle [CDU/CSU]: Sehr nebulos angedeutet!)

wie wir es machen wollen, den dann sozialbedürftig Gewordenen zu helfen. Aber ich glaube, das ist der einzige zur Zeit erkennbare, vernünftige Weg, der begehbar ist. Das Problem ist nur, daß wir dann noch die anderen Mitglieder der EG überzeugen müssen, daß sie das mitmachen müssen. Hier ist, glaube ich,



Dr. Zumpfort
auch von Ihnen noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten.

(Abg. Eigen [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Bitte schön.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901619100
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0901619200
Herr Kollege, können Sie uns mal erklären, wie die Bundesregierung Wettbewerbsgleichheit für die deutsche Landwirtschaft herstellen will angesichts der Tatsache, daß beispielsweise Frankreich und Holland massive Investitionshilfen und Einkommensausgleichsbeträge geben, wie Sie soeben selbst gesagt haben, während in der Bundesrepublik Deutschland der Etat für die Landwirtschaft um 7,3 % gekürzt wird?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901619300
Zum einen habe ich eben dargestellt, verehrter Herr Kollege Eigen, daß es sich bei der Kürzung nicht um den Betrag handelt, den Sie meinen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Zum zweiten können wir nicht mit dem Hinweis darauf, daß sich die anderen vertragswidrig verhalten
— Frankreich und Holland haben das mehrmals getan —, selber vertragswidrig handeln, sondern wir müssen erst einmal die anderen auffordern, sich vertragsgerecht zu verhalten. Da müssen wir gemeinsam solche Ziele ausformulieren und in die praktische Politik umsetzen, daß alle Landwirte in unterschiedlichem Maße, nämlich relativ, gleichbehandelt werden. Das muß auch für die bundesdeutsche Landwirtschaft erreicht werden.

(Beifall bei der FDP — Kiechle [CDU/CSU]: Sie regieren ja seit zehn Jahren!)

Das hätten Sie vor zehn Jahren tun sollen.

(Kiechle [CDU/CSU]: Sie regieren doch die ganze Zeit!)

— Ja, wir regieren, und wir regieren, wie Sie wissen, auch mit gutem Erfolg für die Landwirte, Herr Kiechle.

(Beifall bei der FDP und SPD)

Es gab einmal Steigerungsraten von über 40 %.

(Kiechle [CDU/CSU]: Jetzt reden Sie aber von negativen Steigerungsraten!)

— Sie wissen auch, woran es liegt: daß z. B. in Frankreich noch keine Wahlen abgehalten worden sind oder daß wir Zugeständnisse an die Engländer machen müssen oder daß sich andere Leute auf die Hinterbeine stellen.

(Kiechle [CDU/CSU]: Aber das haben die deutschen Bauern nicht zu verantworten!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901619400
Herr Kollege Dr. Zumpfort, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901619500
Ja, gern.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901619600
Bitte sehr, Herr Kollege.


Karl Eigen (CDU):
Rede ID: ID0901619700
Wenn das der Weg wäre, Herr Kollege, den Sie eben aufgezeigt haben, was sagen Sie denn dann dazu, daß das WIR-Programm in Holland — das Investitionsprogramm — schon seit drei Jahren existiert? Wo ist da die Alternative der Bundesregierung? Welches sind die Maßnahmen der Bundesregierung, um dies zu verhindern?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901619800
Verehrter Kollege Eigen, Sie saßen in den letzten vier Jahren nicht im Bundestag; sonst hätten Sie nämlich erlebt, wie der Staatssekretär Gallus berichtet hat, daß er selber in Holland gewesen ist, wie er bei den Holländern interveniert hat und wie die Gaspreise heruntergesetzt worden sind,

(Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])

wie man auch im Bereich des WIR-Gesetzes Zugeständnisse gemacht hat. Daß das nicht von Anfang an und mit einem Mal zu einem Erfolg geführt hat, ist natürlich klar. Da haben Sie recht, da muß man weitermachen. Sie dürfen hier aber nicht behaupten, die Bundesregierung habe nichts getan. Im Gegenteil, wo immer es geht, wird darauf hingewiesen, und wo immer es geht, müssen auch Sie darauf hinweisen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901619900
Herr Kollege Zumpfort, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Oostergetelo? — Bitte sehr.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID0901620000
Herr Kollege, ist es im Hinblick auf die von Ihnen skizzierten Maßnahmen, soweit sie beispielsweise das Verhältnis der Bundesregierung zu Holland betreffen, nicht so, daß man, wenn man sich ein Bild machen will, auch dazu sagen muß, daß alle holländischen Betriebe buchführungspflichtig sind? Wie kommt es eigentlich, Herr Kollege, daß die Holländer in Deutschland Höfe pachten, das aber umgekehrt nicht der Fall ist? Kann man daraus nicht schließen, daß es bei uns so schlecht gar nicht sein kann?

Dr. Wolf-Dieter Zumpfort (FDP):
Rede ID: ID0901620100
Herr Kollege Oostergetelo, Ihre Information ist mir bekannt; sie stimmt. Ich kann das nur bestätigen. Wir wollen innerhalb der Landwirtschaft — wir haben das mit dem Besteuerungsgesetz in der letzten Legislaturperiode versucht — eine objektivere Besteuerungsgrundlage schaffen. Ich glaube, es ist ein richtiger Weg eingeschlagen worden. Die Mehrzahl aller aufgeklärten Landwirte sagt, das sei der Anfang eines Weges, auf dem wir dann sinnvoll weiter schreiten könnten, wenn der Staat bei Offenlegung aller Brutto-NettoBezüge mit Hilfen für die Bedürftigen nicht zurückhält.

(Beifall bei den Regierungsparteien — Zuruf von der CDU/CSU: Aufgeklärte Abgeordnete wären auch gut!)

Meine Damen und Herren, ich bin am Schluß meiner Rede, möchte aber noch zum Ausdruck bringen, daß es bedauerlich ist, daß Sie den Termin vorgezogen haben. Ich glaube, Minister Ertl wäre auch sehr gespannt auf das gewesen, was Sie zum Problem der Landwirtschaft gesagt haben. Vielleicht ist es Ihnen



Dr. Zumpfort
möglich, den Termin in Zukunft so zu legen, daß alle Mitglieder der Bundesregierung anwesend sein können. Ich wünsche das dem Minister und glaube, wir können dann die Wege noch besser beschreiten. — Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0901620200
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende der Sitzung des heutigen Tages angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 28. Januar 1981, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.