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ID0901600600

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Metadaten
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    Plenarprotokoll 9/16 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 16. Sitzung Bonn, Dienstag, den 27. Januar 1981 Inhalt: Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Dr. Häfele CDU/CSU 515 C Westphal SPD 523 C Gärtner FDP 529 C Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 5300 Bonn Alleinvertrieb: Verlag Dr. Hans Heger, Postfach 200821, Herderstraße 56, 5300 Bonn 2, Telefon (0228) 363551 Haase (Kassel) CDU/CSU 537 B Walther SPD 542 A Frau Matthäus-Maier FDP 548 A Dr. Sprung CDU/CSU 554 A Gobrecht SPD 557 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU 559 D Löffler SPD 563 D Rentrop FDP 566 A Carstens (Emstek) CDU/CSU 568 B Dr. Spöri SPD 570 B Dr. Waffenschmidt CDU/CSU 572 D Kühbacher SPD 576 A Rapp (Göppingen) SPD 580 A Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU 581 D Wieczorek (Duisburg) SPD 583 D Hoffie FDP 586 D Dr. Hauff, Bundesminister BMV 589 C Kiechle CDU/CSU 593 A Hoffmann (Saarbrücken) SPD 596 A Dr. Zumpfort FDP 599 C Nächste Sitzung 604 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . .605* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. Januar 1981 515 16. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens * 30. 1. Dr. Althammer * 27. 1. Dr. Bardens * 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Dr. Enders * 30. 1. Ertl 27. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Dr. Geßner * 30. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. Jung (Kandel) * 27. 1. Junghans 28. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Kittelmann * 30. 1. Klein (Dieburg) 30. 1. Korber 30. 1. Lemmrich * 30. 1. Lenzer * 30. 1. Männing * 30. 1. Dr. Müller * 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack * 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen ** 30. 1. Reddemann * 30. 1. Rösch * 30. 1. Sander 30. 1. Dr. Schäuble * 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 30. 1. Dr. Sprung * 30. 1. Dr. Unland * 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek 30. 1.
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    Rede von Dr. Hansjörg Häfele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Wir haben inzwischen einen hervorragenden Kronzeugen, Herrn Koschnick. Wir können das jetzt also überall benutzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich komme zu dem Ergebnis: Die Neuverschuldung im laufenden Jahr, vor allem aber in den kommenden Jahren, ist zu hoch. Die staatliche Handlungsfähigkeit ist weitgehend eingeschränkt und wird in den kommenden Jahren vollends bis zur Handlungsunfähigkeit des Staates eingeschränkt.



    Dr. Häfele
    Zweitens. Die Regierung legt weniger ein Sparprogramm als ein Abgabenerhöhungsprogramm vor. Sie hat die Entwürfe für zwei Gesetze eingebracht, für das Mineralöl- und Branntweinsteuererhöhungsgesetz und für das Subventionsabbaugesetz.
    Wenn man die Abgabenerhöhungen, die in diesem Jahr auf die Bürger und auf die Betriebe zukommen, in Vergleich setzt zu dem, was das letzte Steuerpaket an Entlastungen für das laufende Jahr bringt, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß die Abgabenmehrbelastung größer ist als das, was auf der anderen Seite an Entlastung gewährt wird. Dabei ist diese Entlastung durch das letzte Steuerpaket ja keine Steuersenkung im echten Sinne des Wortes, sondern nur ein verspäteter Teilabbau von heimlichen Steuererhöhungen gewesen, die sich bei einer Inflationsrate von 5,5 oder 6 % im Zusammenwirken mit der Progression automatisch ergeben.
    Die Regierung will jetzt die Mineralölsteuer und die Branntweinsteuer anheben sowie einige Steuervergünstigungen abbauen. Dies soll im laufenden Jahr 2,8 Milliarden DM erbringen. Die Postablieferung soll, gesetzlich verbrieft, auf Dauer eine Sonderabgabe zur Finanzierung des Bundeshaushalts sein, nichts anderes als eine Sondersteuer für Telefonbenutzer. Dies soll 1,3 Milliarden DM erbringen.
    Die Anhebung des Rentenversicherungsbeitrages, die geplant und beschlossen war, um ein gewisses Reservepolster zu haben, um die Schwankungsbreite zu verbessern und um vor allem im Hinblick auf 1984, wo gewisse Korrekturen beim Rentensystem angebracht werden sollen, ein Polster zu haben, wird völlig zweckentfremdet als eine Sondersteuer zur Finanzierung des Bundeshaushalts verwandt, indem die entsprechenden Zuschüsse an die Rentenversicherungsträger nicht gegeben werden, um den Bund davon zu entlasten, bei der Bundesanstalt für Arbeit seine Zuschüsse leisten zu müssen. Man muß dies also als eine Sondersteuer hinzuaddieren. Wenn ich dann noch die laufenden Anhebungen der Krankenversicherungsbeiträge, die draußen im Lande im Gang sind, ganz vorsichtig mit 4,4 Milliarden DM annehme, dann ergibt dies in der Summe 11,7 Milliarden DM. Dagegen stehen 9,3 Milliarden DM an Steuerentlastung, an Abbau heimlicher Steuererhöhungen, so daß eine Mehrbelastung von 2,4 Milliarden DM auf die Bürger und die Betriebe zukommt.
    Meine Damen und Herren, die Abgabenerhöhung ist immer der im Augenblick bequemere Weg. Aber sie ist — gerade in unserer gefährlichen Entwicklung — der von Grund auf falsche -Weg, weil Abgabenerhöhungen im Gegensatz zu Ausgabeneinschränkungen die Leistungskräfte der Bürger und der Betriebe vermindern, Leistungskräfte, die wir in den kommenden Jahren so dringend notwendig haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Machen Sie Vorschläge!)

    Dies gilt um so sehr, als die Einsparungen, die der Bundesfinanzminister vorgenommen hat — vor allem im außergesetzlichen Bereich, also etwa bei den Gemeinschaftsaufgaben —, in erster Linie investive
    und nicht konsumtive Einsparungen sind, so daß der investive Anteil des Bundeshaushalts in den kommenden Jahren immer mehr absinkt.
    Ein paar kurze Bemerkungen zu den beiden Gesetzentwürfen im einzelnen: Die CDU/CSU sagt zu der Anhebung der Mineralölsteuer und der Branntweinsteuer nein, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens. Es ist, wie erwähnt, der grundsätzlich falsche Weg, in erster Linie mit Abgabenerhöhungen anstatt mit Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben vorzugehen. Zweitens. Meine Damen und Herren, wir haben hier einen weiteren Fall, bei dem die Wahrheit vor der Wahl völlig anders war als nach der Wahl.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Vor der Wahl erklärte die Regierung: Wir werden die Mineralölsteuer nur um 3 Pfennig anheben. Jetzt soll sie um 7 Pfennig je Liter angehoben werden; mit Mehrwertsteuer bedeutet dies eine Anhebung von genau 8 Pfennig. Dies ist eine weitere Preistreiberei in einer schwierigen Lage, und zwar durch den Staat, nicht durch die „Bande von Preistreibern", wie irgendein Kollege aus der SPD-Fraktion gesagt hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Durch die Regierung!)

    Wenn Sie diese Formel aufrechterhalten würden, müßten Sie hier ganz schöne Ausdrücke gegenüber der Regierung benützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Kritiker, der Karikaturist Kolfhaus hat kürzlich in manchen Zeitungen eine herrliche Bilder-glosse über dieses Thema abdrucken lassen. Da war ein Wettrennen abgebildet, und Matthöfer lag mit den Preissteigerungen weit und nicht nur mit Brustbreite vor den Multis. Untertitel: „Eines muß man Matthöfer lassen: Er weiß die Leute zu motivieren."

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Anhebung der Mineralölsteuer trifft vor allem die Pendler, die auf den Pkw angewiesen sind;

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    in den Flächenstaaten gibt es davon Millionen in Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es trifft sie um so mehr, als die SPD und die Bundesregierung ihr Versprechen — schon 1969 abgegeben —, die Kilometerpauschale, die steuerliche Kilometerpauschale von 36 Pfennig — sie ist j a einmal von 50 Pfennig auf 36 Pfennig reduziert worden —

    (Frau Matthäus-Maier [FDP]: Von wem denn?)

    wenigstens wieder auf 50 Pfennig anzuheben, nicht eingelöst haben. Dadurch wird die Lage für diese Pendler jetzt doppelt verschärft.
    Diese Anhebung trifft die Nahverkehrsbetriebe, die ja attraktiv werden sollen, und sie belastet die Wirtschaft in einer schwierigen Lage mit zusätzlichen Kosten.



    Dr. Häfele
    Sie beeinträchtigt vor allem die deutsche Automobilindustrie zusätzlich, die im internationalen Wettbewerb ohnedies schwer ringt. Auch wird sie ihre Wirkung auf die erdölfördernden Staaten nicht verfehlen, die natürlich genau registrieren, daß der Staat bei uns von einem Liter Benzin jetzt schon 56 oder 58 Pfennig kassiert, daß 8 Pfennig noch dazukommen sollen, so daß er also dann 64 oder 66 Pfennig von einem Liter Benzin einnehmen würde. Und dabei redet die Bundesregierung, vor allem vertreten durch die FDP, immer noch blauäugig von einer Reform der Kraftfahrzeugsteuer, davon, daß weitere 14 Pfenning — mit Mehrwertsteuer 16 Pfennig — umgelegt werden sollen — und das in dieser Lage der deutschen Automobilindustrie! Das ist eine Spielwiese für Blauäugige — nach Abschluß des Jahrzehnts der Reformen. Vor zehn Jahren hätten wir darüber reden können; das haben Sie versäumt. Vielmehr. haben Sie die Mineralölsteuer schon damals um 9 Pfennig zum Stopfen von Haushaltslöchern mißbraucht. Jetzt ist da kein Spielraum mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei der Anhebung der Branntweinsteuer und der Einführung einer zusätzlichen Steuer für Körperpflegemittel ist zu prüfen, ob der Schaden nicht größer sein wird als der Nutzen, ob nicht einige kleinere mittelständische Existenzen vernichtet werden mit der Folge, daß das der Öffentlichkeit per Saldo mehr kostet als hereinkommt.
    Zum Subventionsabbaugesetz! Wir haben hierzu im Finanzausschuß ein Anhörungsverfahren mit den Verbänden bewirkt. Der erste wichtige Punkt ist die Beseitigung der Sparprämien. Es wird zu prüfen sein, ob nicht andere Vorschläge zum Tragen kommen könnten, die eine etwas andere Aufteilung im Rahmen der Vermögensbildung zum Ziel haben, so daß die Entlastung des Fiskus zwar gleich hoch, aber die vermögenspolitische Zielrichtung positiver wäre.
    Die Regierung muß sich überhaupt einige Fragen stellen lassen. Sie hat doch noch in der letzten Legislaturperiode kraft Regierungserklärung zugesagt, sie wolle neue Konzepte der Vermögensbildung verwirklichen. Was geschieht jetzt? Eine ersatzlose Streichung der Sparprämien. Man muß sich darüber im klaren sein, meine Damen und Herren: Das trifft natürlich nur den kleinen Mann wegen der berühmten Einkommensgrenzen.
    Ich möchte einen Vorschlag machen. Ich benutze den Ausdruck nicht — ich schlage vor, daß wir alle ihn nicht benutzen —, aber wer hat ihn denn immer benutzt? Sie haben doch jede Frage nach Einsparungsmöglichkeiten, die im öffentlichen Leben auch nur andeutungsweise gestellt wurde, sofort mit dem „Totschlagswort" „soziale Demontage" belegt. — Das betreiben Sie hier. Der kleine Mann muß das zahlen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist vielleicht notwendig und unvermeidlich, aber streichen Sie doch bitte dieses Totschlagswort aus Ihrem Vokabular.
    Ich muß hier an Einlassungen von Bundeskanzler Schmidt oder von Graf Lambsdorff erinnern — die Frage wurde damals schon seit Jahren diskutiert —, als der Präsident der Sparerschutzgemeinschaft — das war damals Herr Poullain — vorgeschlagen hat, man könne über die Sparprämien durchaus reden; sie könnten vielleicht eingeschränkt werden. Dazu sagte Bundeskanzler Schmidt in seiner Regierungserklärung am 17. September 1975 hier im Deutschen Bundestag:
    Daß ausgerechnet der Präsident der Sparerschutzgemeinschaft für eine völlige Streichung aller Sparprämien eingetreten ist, bedeutet für mich nur eine von mehreren Merkwürdigkeiten der gegenwärtigen öffentlichen Debatte, an der manche Personen teilnehmen und sich hervortun, die vorher nicht genug nachgedacht hatten.
    Jetzt muß er es tun — wahrscheinlich einige Jahre verspätet —, anstatt rechtzeitig gewisse Einsparungsmaßnahmen einzuleiten. Damals sind Leute, die — sogar gegen ihre eigenen Interessen — solche Sparvorschläge gemacht haben, verspottet worden. Ich erinnere daran, wie auch Graf Lambsdorff — damals noch als Abgeordneter und nocht nicht als Minister — in der gleichen Debatte hier im Deutschen Bundestag diesen Vorschlag von Herrn Poullain — ich empfehle jedem, das nachzulesen — abgetan hat.
    Die Mehrbelastung der Kreditwirtschaft mit Steuern, die in dem Subventionsabbaugesetz vorgesehen ist, gehört unseres Erachtens in den Zusammenhang der Frage, wie es innerhalb der Kreditwirtschaft mit dem Wettbewerb weitergehen soll. Dazu hat die Bundesregierung — zwar jetzt nicht in der Regierungserklärung, aber wiederholt an anderer Stelle — eine Änderung des Kreditwesengesetzes angekündigt. Das ist die zweite Frage, Herr Matthöfer, die ich an Sie richten möchte — ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie im Laufe der Debatte beantworten würden —: planen Sie eine Novelle des Kreditwesengesetzes und — wenn ja — welche? Die Frage der Mehrbelastung der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken, der Volksbanken ist natürlich im Zusammenhang mit den Änderungen des Kreditwesengesetzes zu sehen. Das sind Fragen des Wettbewerbes zwischen den verschiedenen Zweigen der Kreditwirtschaft. Wenn man eine Frage isoliert vorweg behandelt, ohne das andere zu kennen, dann können Verdrückungen eintreten, die gerade zu Lasten des Mittelstandes gehen. Denn gerade die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken sind ja vielfach Hauptanreger für private Investitionen im mittelständischen Bereich, die wir in den nächsten Jahren so dringend notwendig haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die „Telefonsteuer", die hier eingeführt wird, stellt auch eine klare Täuschung der Öffentlichkeit dar. Vor der Wahl sagte man, das sei eine einmalige Sonderabgabe für ein Jahr, jetzt soll es auf Dauer gesetzlich festgelegt werden.
    Beim Abbau der Gasölbeihilfen — was den öffentlichen Nahverkehr berührt — ist zu prüfen, ob hier nicht nur eine Verschiebung zu Lasten anderer öf-



    Dr. Häfele
    fentlicher Hände — nämlich zu Lasten von Ländern und Gemeinden — stattfindet.
    Ähnlich ist das bei der Abschaffung der halbierten Steuersätze für wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Nebentätigkeit. Meine Damen und Herren, es könnte sein, daß Volksbildungswerke, Bildungsinstitutionen, auch Prüfungskammern beim Staat, die Prüfungen abnehmen, den Leuten unvergleichlich mehr Mittel aus dem Staatshaushalt bezahlen müssen, weil sonst der Anreiz für die dort Tätigen, mehr zu leisten — das ist der Sinn dieser Vorschrift —, nicht mehr vorhanden ist. Das muß geprüft werden.
    Ich komme zur Kernfrage unserer Auseinandersetzung, meine Damen und Herren, die wir seit Jahren in der Öffentlichkeit und in diesem Hohen Hause führen, nämlich zur Frage des Verhältnisses zwischen öffentlichem Haushalt und der Wirtschaftsentwicklung. Denn die Schuldenpolitik der letzten Jahre wurde von der Bundesregierung immer damit begründet und gerechtfertigt, daß dies die einzig richtige wirtschaftliche Politik sei, um die Beschäftigung zu sichern. Es gibt hier genügend Zitate. Vor allem Bundesfinanzminister Matthöfer hat x- mal — ich habe hier hundert Zitate — immer wieder in diesem Hohen Hause den Satz geprägt: „Ich bin nicht bereit, auch nur eine einzige Mark mehr an Krediten aufzunehmen, als zur Erreichung und dauerhaften Sicherung der Vollbeschäftigung erforderlich ist." So immer in der gleichen Form stereotyp wiederholt. Es war die alte Lehre, als ob es an privater Nachfrage fehle, als ob wir Konjunkturschwankungen nur im Nachfragebereich hätten und man das mit staatlichen Ausgabenprogrammen ausbügeln müsse.
    Inzwischen hat sich gezeigt — und wir weisen seit Jahren darauf hin —, daß wir eine völlig andere Krankheit haben als etwa die von 1929 bis 1932.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Damals war Stagnation, damals waren rückläufige Preise, rückläufige Löhne, Nachfragemangel. Das war eine völlig andere Lage. Wir dagegen hatten am Anfang die Inflation, als Folge der Inflation die Stagnation, die Stagflation, die Arbeitslosigkeit, die Kombination von beidem, eine dauerhafte Strukturkrise aus den verschiedensten Gründen, weil wir immer mehr über unsere Verhältnisse gelebt haben, wie andere Staaten es auch getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieses Rezept des jahrelangen Schuldenmachens — und zu meinen, damit könne man Beschäftigung sichern — ist schon seit zwei, drei Jahren längst ins Gegenteil verkehrt worden. Diese Schuldenpolitik war nicht mehr eine Beschäftigungspolitik, sondern ist sogar eine Beschäftigungsbremse, eine Wachstumsbremse geworden, weil der Staat die Zinsen in die Höhe getrieben hat, weil er damit die Quelle für private Investitionen verstopft oder gebremst hat.
    Dieses Rezept ist in der westlichen Welt am Ende, auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Die praktischen Erfahrungen der letzten Jahre sind schlecht. Die wissenschaftliche Erkenntnis hat seit Jahren die Angebotsseite wiederentdeckt, nicht nur die Nachfrageseite. Vor allem sind die Staaten nicht aus Tugend, sondern aus Notwendigkeit zu einer besseren Erkenntnis gekommen.
    Diese letztere, meine Damen und Herren, ist der tiefere Grund, warum Bundesfinanzminister Matthöfer jetzt in seiner Haushaltsrede eine völlige Kehrtwendung vorgenommen hat

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und plötzlich die Angebotsseite entdeckt, als ob plötzlich über Nacht etwas Neues geschehen wäre.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Da ist nichts mehr zu spüren vom Glauben an die staatliche Machbarkeit der Dinge. Da wird das Hohelied von privaten Investitionen, von privaten Initiativen, von privater Leistungsbereitschaft gesungen, von den Rahmenbedingungen, die der Staat für die Privaten nur liefern könne, von dem unternehmerischen Wettbewerb, von den Grenzen staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten — völlig anders als das, was wir bis zum Wahltag hier seit Jahren gehört haben. Oder der Satz, der von der Union seit fünf Jahren geäußert wird: „Entscheidend sind vorwiegend nicht staatliche Ausgaben, sondern unternehmerische Entscheidungen, Initiativen, Investitionen und Innovationen."

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Die behindert der doch! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das hat er bei mir abgeschrieben!)

    Meine Damen und Herren, nach einem Jahrzehnt der Verketzerung von Leistung und Unternehmern wird heute das Hohelied der Unternehmer und der Privatinitiative vom Bundesfinanzminister in seiner Haushaltsrede gesungen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Not lehrt beten!)

    Nach einem Jahrzehnt, in dem man die „Belastbarkeit ausprobiert" hat, werden die privaten Freiräume — verbal — wieder entdeckt.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Verbal! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Das Interessanteste war: aus den Kreisen der SPD hat sich nicht eine Hand zum Beifall zu diesen grundlegenden Passagen von Bundesfinanzminister Matthöfer gerührt.

    (Franke [CDU/CSU]: Doch, die haben die Faust in der Tasche geballt! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Das ist ja auch verständlich. So plötzlich, wie der Bundesfinanzminister die Kurve hat nehmen müssen, nachdem er jahrelang bei gleicher Situation etwas völlig Entgegengesetztes unter dem Beifall seiner Fraktion hier gesagt hat, kann das eine Fraktion, die noch ein bißchen Selbstbewußtsein hat, nicht ohne weiteres über Nacht verkraften. Dafür habe ich Verständnis.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Aber es ist nichts Neues eingetreten.




    Dr. Häfele
    Denken Sie etwa an die Energieprobleme. Seit 1973 wissen wir, daß wir dem Diktat der ständigen Ölpreiserhöhungen ausgeliefert sind. Eine Politik, die in die Zukunft schaut, hätte alles tun müssen — und das ist der Vorwurf, den wir an die Regierung richten —, um sich möglichst unabhängig vom 01 zu machen. Was haben wir statt dessen jahrelang erlebt? Sowohl ja als auch nein zur Kernenergie, bis zu diesem Tag, bis zu den Meldungen heute in den Zeitungen über Brokdorf. Man sagt bis heute zugleich j a und nein wie keine Regierung in der gesamten westlichen Welt. Das ist nicht neu, das ist seit sieben Jahren vorhersehbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die sind regierungsunfähig!)

    Der zweite Punkt: Gibt es nicht seit Jahren besorgte Stimmen, hat nicht auch die Union seit Jahren warnend darauf hingewiesen, daß unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit da und dort beeinträchtigt sein könnte, vor allem wegen der Kostenentwicklung — Lohnnebenkosten, staatliche Abgaben, staatliche Gängelung —? Das sind die Themen, die wir hier seit Jahren diskutiert haben. Gab es diese Stimmen denn nicht? Ist es etwas Neues, daß andere plötzlich auf unserem deutschen Markt wettbewerbsfähiger sind als die deutsche Wirtschaft selbst? Das ist doch nicht erst seit dem 5. Oktober bekannt. Das ist doch nicht über Nacht auf uns heruntergefallen, sondern das sind seit Jahren klar erkannte Dinge.
    Oder schließlich: Gab es nicht seit Jahren die warnenden Stimmen, die sagten, die Schuldenpolitik ist längst umgeschlagen zu einer Antibeschäftigungspolitik, weil zuviel Ressourcen vom Staat mit der Folge in Anspruch genommen werden, daß die Zinsen steigen, mit der Folge, daß wir jetzt in der Verdrückung sind, daß die Bundesbank nicht mehr handlungsfähig sein kann, mit der Folge, daß das, was die SPD fordert, natürlich alles nicht machbar ist?
    Eine Zinssenkungsaktion ist doch nicht machbar. Wenn der Staat seine Neuverschuldung herunterführt, dann gibt es wieder Spielräume für Zinssenkungen, aber nicht durch eine internationale Zinssenkungsaktion, sondern das ist eine Frage des Marktes. Die Finanzmärkte richten sich nicht nach Wunschvorstellungen von SPD-Leuten, sondern nach den Realitäten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wahrscheinlich, Herr Matthöfer, hätten Sie Beifall von Ihrer Fraktion bekommen, wenn Sie in Fortführung Ihrer Reden der letzten Jahre gesagt hätten: Angesichts der schrumpfenden Wirtschaft müssen wir die Neuverschuldung nicht nur auf 27,4 Milliarden DM festsetzen, auch 30 Milliarden DM sind zu wenig, auch 35 Milliarden DM sind zu wenig, das muß jetzt einen neuen Schub geben: mit 40 Milliarden DM Neuverschuldung treiben wir die richtige Beschäftigungspolitik! Dann hätten Sie von Ihrer Fraktion wahrscheinlich den Beifall bekommen, den Sie so nicht erhalten haben.
    Das wäre von der Warte der SPD her gesehen auch konsequent gewesen; denn in den letzten Jahren, als wir ein gutes wirtschaftliches Wachstum hatten, war die Neuverschuldung ungefähr so hoch, wie sie jetzt für 1981 vorgesehen ist. 1978 hatten wir ein Wachstum von 3,6 % und eine Neuverschuldung von 25,9 Milliarden DM; 1979 ein sehr gutes Wachstum von 4,5% und eine Neuverschuldung von 25,6 Milliarden DM; im letzten Jahr hatten wir ein Wachstum von beinahe 2 % und eine Neuverschuldung von 27,2 Milliarden DM.
    Es zeigt sich: Die jahrelangen Versäumnisse der Bundesregierung, nämlich in guten Wachstumsjahren nicht an die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen herangegangen zu sein, haben den Handlungsspielraum des Staates jetzt fast bis auf Null eingeschränkt. Die Ansprüche des Staates an das Bruttosozialprodukt waren in den letzten Jahren zu hoch, als daß jetzt noch irgendwo ein Spielraum für ein Handeln wäre.
    Der letzte Nachweis, daß wir jahrelang über unsere Verhältnisse gelebt haben, ist jetzt am Leistungsbilanzdefizit abzulesen, das aber auch schon seit Jahren erkennbar war. Schon 1979 haben wir eine negative Leistungsbilanz in Höhe von immerhin 10 Milliarden DM gehabt. Das war ein Umschlag von 1978 auf 1979. Das war seit Jahren vorhersehbar, so daß auch dieses nichts Neues ist.
    Meine Damen und Herren, es hilft nichts: Wenn wir weniger für das Ausland leisten, als wir vom Ausland in Anspruch nehmen — das ist das Leistungsbilanzdefizit —, dann kann die Lücke nicht durch eine staatliche Verteilung oder durch eine Verteilung durch die Tarifpartner wettgemacht werden, sondern dann gibt es nur eine Lösung: Wir müssen alle weniger Ansprüche an das Bruttosozialprodukt stellen. Nur dann können die Spielräume entstehen, die wir für die private Produktivität brauchen, die uns allein aus dieser ungünstigen Wirtschaftsentwicklung herausführen kann.
    Wir müssen endlich aus den leidvollen Erfahrungen der letzten Jahre die Schlußfolgerungen ziehen: Es geht nicht um Konjunkturprogramme — das ist nicht das Thema; es geht vielmehr um ganz andere Dinge —, sondern wir müssen den Rahmen für die private Produktivität wieder so weiten, daß sie sich entfalten kann. Das heißt, wir müssen die Energieabhängigkeit endlich verstärkt verkleinern, und das geht nicht ohne ein entschlossenes Vorantreiben der Kernenergie. Jeder Industriestaat muß das tun, oder er soll seinen Bürgern sagen: Ab sofort wollen wir kein Industriestaat mehr sein, wobei die wirkliche Alternative die Verarmung breitester Schichten sein wird.
    Wir müssen die internationale Wettbewerbsfähigkeit, soweit sie nicht mehr intakt ist, wiederherstellen und wiedergewinnen, vor allem im Hinblick auf die Kostenentwicklung — das ist vor allem eine Kostenfrage —, auch qualitativ. Wir müssen die Investitionsbremsen lösen, etwa in der Steuerpolitik. Da ist überhaupt nichts in Aussicht genommen. Das braucht nicht von heute auf morgen zu geschehen, aber es muß wenigstens als Perspektive aufgezeigt werden.



    Dr. Häfele
    Es müssen auch beim Wohnungsbau die Bremsen gelöst werden. Warum haben wir denn die Misere beim Mietwohnungsbau? — Weil durch staatliche Gängelung, durch staatliche Vorschriften der private Anreiz, sich hier zu betätigen, immer mehr geschwunden ist. Und wir müssen die Bremsen der Regierung beim Ausbau der Fernmeldetechnik lösen. Wir müssen — das ist ein entscheidender Produktivitätsfaktor geworden — unser jahrelanges strukturelles Staatsdefizit beseitigen, damit der Staat nicht so viel vom Bruttosozialprodukt in Anspruch nimmt und mehr Freiräume vorhanden sind. Das sind die wirklichen Weichenstellungen.
    Daß dies mühsame Jahre sind, daß dies schwierig ist, liegt auf der Hand. Personalkosten, Subventionen, Transferleistungen müssen durchforstet werden. Die Regierung hat bei den Personalkosten einen internen Anlauf genommen. Sie ist dann selber steckengeblieben. Aber das ist nicht in erster Linie eine Frage der Beamten. Die Beamten führen ja nur die Gesetze aus, die von der Politik gemacht werden. Wenn man bei den Beamten sparen will, dann braucht man weniger Gesetze. Die Regierung geht aber schon wieder den falschen Weg. Ihre alten Gesetzentwürfe, die am Schluß der letzten Legislaturperiode dank einer entschlossenen Haltung des Bundesrats gescheitert sind, hat sie wieder eingebracht: Lasten auf Gemeinden, Lasten auf Länder. Demgegenüber hat die CDU/CSU in der letzten Woche einen Grundsatzbeschluß herbeigeführt, angesichts der Lage vorerst auf jedes kostenwirksame Gesetz zu verzichten.
    Die Subventionen müssen wesentlich gründlicher durchforstet werden, als es die Regierung tut. Das ist ja nicht nur eine Sparmaßnahme, sondern die Subventionen haben sich immer mehr als eine „süße Eingangsdroge" zur Systemüberwindung gezeigt. Es ist nachzulesen etwa der Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes für das Jahr 1978. Da heißt es: „Die Mittelverwendung war vielmehr überwiegend bestimmt von der Zufälligkeit des Eingangs von Förderanträgen."
    Meine Damen und Herren, was ist denn der Garski-Skandal anders als die Folge dieses Subventionsstaates, eine Vermengung, eine Verfilzung zwischen Politik, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, die keiner mehr am Schluß auseinanderdividieren kann, mit den Verlockungen, den Willkürlichkeiten und dann mit dem Versagen der Persönlichkeiten, die damit verknüpft sind?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Jetzt muß der Steuerzahler 130 Millionen bezahlen. Aber was ist das wesentlich anderes als damals die Bürgschaft an Beton- und Monierbau, wo der Bund 50 Millionen bezahlen mußte,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wo durch freundschaftliche Verbindungen des Bundeskanzlers gleichsam über die Stunde Staatssekretär Lahnstein einen Kredit besorgen mußte und dann prompt etwas ähnliches passiert ist wie in Berlin? Das ist nichts wesenhaft anderes. Das ist eine
    Folge einer Vermischung zwischen Wirtschaft und Politik, die Grenzen überschritten hat.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Staat als Privateigentum! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Oder die Transferleistungen! Inzwischen hört man nichts mehr, Herr Finanzminister, von dem Transferbericht, den Sie einmal angekündigt haben. Keine Silbe mehr.
    Warum kann denn dieser Haushalt nicht das Vertrauen schaffen, daß die Regierung mit den Problemen der Staatsverschuldung und des Leistungsbilanzdefizits fertig wird?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Es geht hier nicht nur um Finanzthemen. Die Problematik reicht tiefer. Die Regierung hat sich nicht redlich die Frage vorgelegt — und damit auch nicht beantwortet —: was kann denn der Staat vernünftigerweise noch leisten, und was muß er und kann er seinen Bürgern zutrauen — oder gar zumuten?
    Die Regierungskoalition SPD/FDP hat in dieser entscheidenden Frage keinen gemeinsamen Standort. Die SPD will etwas völlig anderes, als Teile der FDP wollen. Deshalb konnte hier kein Entwurf für eine grundsätzliche Umkehr in der Finanzpolitik entstehen.

    (Kiep [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Da hilft es nichts, daß gelegentlich aus dem Munde des Bundeskanzlers richtige Sätze formuliert werden, etwa in seiner Sylvesteransprache. Da hat er den Satz geprägt: „Ansprüche müssen wir an uns selbst richten, nicht an andere und nicht an den Staat." Sehr richtig! Aber das ist nicht der Entwurf einer anderen Politik.
    Da gab es vor 15, 20 Jahren einen Mann, Ludwig Erhard, der genau dies, aber als Entwurf einer Politik damals verkündet hat. Ein Ludwig Erhard! Wie ist er verspottet worden, als er damals das Maßhalten gepredigt hat! Heute wissen wir: der war nicht hintendrein, der war seiner Zeit voraus. Der hat den Kampf gegen den anbrandenden Zeitgeist aufgenommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lesen Sie die Regierungserklärung von Erhard 1963 nach! Das war der Entwurf einer Politik. Das war nicht ein beiläufiger Satz, wie ihn der Bundeskanzler möglichst so, daß man ihn nicht hört, auch einmal sagt.

    (Zurufe von SPD)

    Das war der Entwurf einer Politik. Aber was kam dann? Nach diesem Versuch, gegen den anbrandenden Zeitgeist anzurennen, kam der Rausch der Reformen. Dann sollte der öffentliche Korridor verbreitert werden. Dann sollte mehr Staat ausgebreitet werden. So kam die Anspruchsinflation in Gang. Solidarität wurde immer mehr dahin verstanden, Forderungen nach oben zu richten oder an andere zu stellen, aber nicht mehr dahin, wie es zur Solidarität gehört, daß man den anderen nicht zur Last fallen



    Dr. Häfele
    darf; das ist ein Begriff von Solidarität, der immer mehr in den Hintergrund getreten ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Politik in den letzten zehn, zwölf Jahren appellierte immer weniger an die Stärken der Bürger, sondern animierte die Bürger, den leichtesten, den bequemsten Weg zu gehen, Ansprüche zu stellen. Es war eine glücksorientierte Staatsauffassung. Das Kollektiv sollte das Glück der Bürger bringen. Es wurde immer mehr von Rechten gesprochen, von Pflichten immer weniger geredet. Nach einem Jahrzehnt der Reformen, die dieses Ergebnis gebracht haben, nennt es jetzt der Bundesfinanzminister ein „Jahrzehnt des Übergangs", ein Jahrzehnt des Übergangs zu schweren Lasten notabene.
    Meine Damen und Herren, wir haben in der Tat die Grenzen der politischen Machbarkeit erreicht. Das bietet auch eine Chance — und das ist natürlich in erster Linie ein geistiges Problem —, die ausufernde Subventionsmentalität wieder abzubauen und wieder mehr zur Selbstverantwortung der Bürger zurückzukehren.

    (Zurufe von der SPD)

    Das ist die Kehrseite von Freiheit. Ein Ludwig Erhard und die anderen Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft wußten immer, daß zur Freiheit auch die Selbstverantwortung als Kehrseite gehört. Jetzt wird das wieder entdeckt. Ich kann nur empfehlen, die Rede von Professor Ralf Dahrendorf nachzulesen, die er am 27. November letzten Jahres in Zürich gehalten hat, in der er neue „Ligaturen" entdeckt, neue Bindungen fordert, in der er sagt, daß es so nicht weitergeht. Es ist genau das gleiche, wenn auch zwar in anderen Worten, was Ludwig Erhard vor 15 und 20 Jahren schon gesagt hat. Neue Ligaturen, neue Bindungen werden hier verlangt. Es wird hier gesagt, wir bräuchten einen Abbau von Regierungstätigkeit, wir bräuchten einen Verzicht auf Regierungstätigkeit, wir bräuchten mehr Selbsthilfe, mehr Eigeninitiative usw. Ich kann nur empfehlen, dies nachzulesen.
    Meine Damen und Herren, die Regierung hat am Beginn dieser Legislaturperiode mit ihrer neuen Finanzplanung eine Chance verpaßt. Unser Volk ist ernüchtert. Unser Volk will keine falschen Versprechungen mehr hören. Unser Volk ist bereit, bei politischer und geistiger Führung mitzugehen. Unser Volk weiß, daß nichts mehr zu verteilen ist, was nicht dem Volk selbst vorher wegggenommen wurde. Unser Volk kennt die Weisheit Benjamin Franklins, der gesagt hat: „Wer euch sagt, daß ihr anders reich werden könnt als durch Arbeit und Sparsamkeit, der betrügt euch."

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weil die Regierung diese Chance verpaßt hat, ist dies kein Haushalt und keine mittelfristige Finanzplanung der wirklichen finanzpolitischen Umkehr. Es ist ein Haushalt der halben Wahrheiten. Die schwere Aufgabe der Konsolidierung steht noch vor uns.

    (Lebhafter, anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Wer hat denn Erhard damals fallengelassen?)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Westphal.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Westphal


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister der Finanzen hat am Freitag eine nüchterne und völlig unpolemische Rede gehalten und zur Grundlage unserer Debatte über den Haushaltsplanentwurf 1981 und die beiden ihn begleitenden Gesetzentwürfe gemacht. Mit aller Eindringlichkeit hat er uns vor Augen geführt, in welchen weltwirtschaftlichen Abhängigkeiten unsere Volkswirtschaft steht. Er hat erstens hingewiesen auf die enormen Ölpreissteigerungen der letzten Jahre, die trotz Einsparungserfolgen unsere Volkswirtschaft doppelt so hoch wie vor zwei Jahren belasten, zweitens auf das insbesondere hieraus erwachsende Defizit in unserer Leistungsbilanz, das wir zwar noch eine Weile finanzieren können, von dem wir aber wissen, daß insbesondere unsere Wirtschaft enorme Anstrengungen machen muß, um aus ihm wieder herauszukommen, und drittens auf das überhohe Zinsniveau, insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika, das zum Abfluß heimischer Kapitalien führt. Dem muß die Bundesbank mit einem für unsere Verhältnisse hohen Zins entgegensteuern, mit der negativen Folge, daß die Investitionsbereitschaft im eigenen Land eingeengt wird.
    Wohl wissend, welche Schwierigkeiten sich aus diesen drei untereinander im Zusammenhang stehenden Faktoren für alle Teile und Mitwirkenden unseres Wirtschaftslebens, also auch für den Staat mit seinen drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden, ergeben, schlußfolgert die Opposition daraus unzutreffend nur, die Bundesregierung habe eine „verfehlte Finanzpolitik" betrieben und in den vergangenen Jahren eine Haushaltskonsolidierung durch rechtzeitige Beschränkung des Ausgabenwachstums unterlassen.
    Wie tiefgreifend dieser Irrtum ist, wird deutlich, wenn wir uns klarmachen, daß wir uns heute in der Situation von Frau Thatcher mit zwei Millionen und mehr Arbeitslosen über längere Zeit befänden, hätten wir nicht mit konjunkturell und strukturell wirkenden Programmen und einer sich daraus ergebenden hohen Verschuldung entgegengesteuert.
    Man kann auch einmal beispielhaft die amerikanische Situation zum Vergleich heranziehen. Die prime rate, also die Zinskosten für erste Adressen — andere müssen noch mehr zahlen —, liegt zur Zeit bei 21 %. Das Bruttosozialprodukt sank in Amerika im ersten Halbjahr 1980 real um 1,4 % und wird 1981 insgesamt im Minus sein.

    (Zuruf des Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU])

    Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,4 %. Die Inflationsrate belief sich in der Endphase des Jahres 1980 auf 13 %. Der Schuldenstand betrug 1979 in Amerika 49 % vom Bruttosozialprodukt im Vergleich zu 29 % bei uns. Die soeben aufgezählten Wirtschaftsdaten sind fast alle doppelt oder sogar mehr als doppelt so schlecht wie bei uns.



    Westphal
    Meine Damen und Herren, stelle man sich doch bitte einen Moment lang vor, die CDU/CSU wäre im Repräsentantenhaus der USA die Opposition. Was würden die Sprecher dort wohl sagen?

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Erzähl das einmal einem Wohnungsuchenden!)

    — Herr Barzel, hören Sie zu, Sie müssen am Freitag die Schlußrede für Ihre Partei halten.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Ich höre mit großer Aufmerksamkeit zu!)

    Würden die Sprecher dort unsinnigerweise den Staatsbankrott in Amerika vorhersagen, weil sie feststellen müßten, daß alle Ziele unseres Gesetzes über Stabilität und Wachstum der Wirtschaft in Amerika wesentlich deutlicher als in unserem Lande verfehlt sind? Ich bin ziemlich sicher: Sie würden das so nicht sagen. Aber die notwendigerweise daraus zu ziehende Schlußfolgerung fällt unserer Opposition nicht ein: Unser Land, unsere Volkswirtschaft ist relativ besser dran als sogar die amerikanische, ja, als die der meisten anderen Industrieländer der Welt.
    Nur bei uns ist es als Ziel und Inhalt sozialliberaler Politik immer durchgehalten worden, alle Anstrengungen darauf zu richten, die Beschäftigung möglichst hoch zu halten, Arbeitslosigkeit so gering wie möglich sein zu lassen und für die Betroffenen eine in der Welt vorbildlich gestaltete soziale Absicherung zu gewährleisten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    Der Preis dafür war eine hohe Verschuldung. Wir stehen zu unserer Aussage, daß man mit einer hohen Verschuldung leichter als mit den Problemen, die sich aus wachsender Arbeitslosigkeit ergeben, fertig werden kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Niemand von uns denkt allerdings daran, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, den Grad der Verschuldung einfach weiter wachsen zu lassen.
    Herr Häfele, wenn Sie hier den Versuch machten, einen Unterschied zu konstruieren zwischen dem, was Redner der Sozialdemokraten im Wahlkampf sagten und was sie nach dem 5. Oktober sagen, dann kann man an dem, was Sie sagen, feststellen, daß Sie immer nur die Hälfte der Sätze zitieren. Gerade dann, wenn Sie den Bundeskanzler aus einer der Fernsehrunden nur halb zitierten, muß ich daran erinnern: Es gab nach meiner Einschätzung keine bessere, konkretere, klarere kurz zusammengefaßte Darstellung des gesamten Verschuldungsproblems mit allen seinen Seiten, als sie unser Bundeskanzler in der abschließenden Fernsehrunde des Wahlkampfes gegeben hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das heißt doch zusammengefaßt einfach: Wir haben uns gewehrt und tun dies genauso heute gegen den unsinnigen Vorwurf, unser Land stehe vor dem „Staatsbankrott". Wir haben uns nicht dagegen gewehrt, zu sagen, daß diese Verschuldung hoch ist,
    und wir wollen davon gern wieder herunter, unsere Politik ist darauf gerichtet.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Dafür werden die Schulden immer höher!)

    Lassen Sie mich also feststellen, daß da kein Unterschied zwischen dem ist, was wir im Wahlkampf gesagt haben und was wir heute sagen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!)

    Der Preis dafür ist also eine hohe Verschuldung, und niemand von uns denkt daran, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß das so weitergehen könnte und dürfte. Ich will auch gern, meine Damen und Herren, offen hinzufügen, daß unser Problem darin besteht, wieder ein Stück herunterzukommen von dem — ich bin mir über die Problematik dieses Satzes im klaren —, was wir einmal an staatlichen Leistungen und Hilfen geboten haben.
    Ich weiß, die Opposition denkt bei diesem Satz gleich an die sozialen Leistungen; ich aber denke dabei zuerst an Abschreibungsvergünstigungen, an Investitionshilfen, an Steuersenkungen und an Subventionen. Aber gut, meine Damen und Herren, beziehen wir ruhig beides in die Diskussionen mit ein; denn gerade dann, wenn man mittelfristig von der Verschuldung herrunterkommen will, stehen sie alle mit in der Diskussion.
    Wenn ich unter diesen Gesichtspunkten die fünf eben genannten Punkte durchdekliniere, habe ich den Eindruck, daß wir beide, auf Oppositions- und Regierungsseite, zu einem übereinstimmenden Ergebnis der Betrachtung kommen, zumindest in drei von den fünf Stichworten, die ich genannt habe.
    Abschreibungen verkleinern? Das wäre wohl falsch. Gerade Herr Strauß hat vor kurzem wieder deren Erhöhung gefordert, allerdings ohne hinzuzufügen, daß die sich daraus ergebenden Steuermindereinnahmen zu zusätzlicher Verschuldung führen müssen, wenn er nach wie vor — wie übrigens die ganze Opposition — keinen einzigen konkreten Vorschlag für Einsparungen zu machen bereit ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Investitionshilfen oder Investitionen streichen? Auch da dürften wir übereinstimmende Antworten im Haus geben und nein dazu sagen. Wir hören ja schon, wie die Opposition die von der Bundesregierung im Etatentwurf vorgenommenen Korrekturen gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung kritisiert; Herr Häfele hat das eben getan.
    Steuersenkungen rückgängig machen, die wir gerade erst als Ergebnis eines Kompromisses gemeinsam beschlossen haben und die seit Weihnachten 1980 zu wirken beginnen? Auch da ist unsere Antwort nein. Herr Häfele hat immer noch nicht eingesehen, daß diese Steuersenkungen genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen sind, um unsere schwierige konjunkturelle Situation abzuflankieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Über Subventionen sprechen wir gesondert und an anderer Stelle. Nur, als Herr Häfele in seiner Argumentation vom Durchforsten sprach, da fiel mir



    Westphal
    ein: Die CDU geht durch den Wald und findet dort die Äste, die wir nun im Subventionsabbaugesetz abgehackt haben, wendet sich schamhaft ab und sagt, nein, die nehmen wir lieber nicht. Wir reden lieber und machen Entschließungen für den Abbau von Subventionen, gehen aber an keine einzige mit heran.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und schließlich das fünfte Stichwort: Ins Netz der sozialen Sicherheit einschneiden? Da ist jedenfalls unsere Antwort eindeutig: Nein. Was die Opposition darüber denkt, hat sie uns trotz aller unserer Fragen immer verschwiegen. „Totschlagfrage" hat das Herr Häfele heute genannt. Wir können nur ahnen, was sie darüber denkt, und wir werden es abzuwehren haben, wenn unsere Ahnung zutrifft.
    Geht man von diesen Grundüberlegungen aus, dann weiß man, vor welcher schwierigen Aufgabe der Bundesminister der Finanzen bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs 1981 und der ihn begleitenden Gesetze stand.
    Was hat der Bundesminister getan, um in dieser Situation den richtigen Vorschlag vorzulegen? Er hat das Volumen des Haushalts weniger gesteigert, als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen war, und diese Steigerungsrate mit 4,3 % niedriger als das zu erwartende Wachstum des Bruttosozialprodukts angesetzt. Er hat die Nettokreditaufnahme auf der Höhe festgehalten, Herr Häfele, die in der Finanzplanung stand,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die wird höher!)

    und — entsprechend der Vereinbarung mit den Ländern und Gemeinden im Finanzplanungsrat — nicht über das Ist des Jahres 1980 hinaus gesteigert. Er hat, da keine entlastende Hilfe von den Ländern im Zusammenhang mit kräftig wachsenden internationalen finanziellen Verpflichtungen kam, die Apkündigung vom Juni 1980 — auch da muß ich Herrn Häfele ansprechen — wahrgemacht und schlägt uns die Erhöhung von zwei Verbrauchsteuern vor. Schließlich beginnt er, konsequent, wie er ist, mit dem Abbau einer Reihe von Subventionen, was vor ihm kein anderer getan hat.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU])

    Er tut es im Wissen darum, daß die Streichung jeder Vergünstigung — Subventionen sind nun mal für bestimmte Personenkreise oder Institutionen Vergünstigungen — bei den jeweils Betroffenen Schmerzen auslöst. Wir werden den Finanzminister dabei nicht allein lassen. Wir werden ihn unterstützen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Faßt man die vier genannten Elemente der Finanzpolitik der Bundesregierung zusammen, so zeigt sich, daß sie an allen Fronten gleichzeitig handelt, also sowohl beim Sparen — durch Ausgabenkürzung — als auch bei der Begrenzung der Kreditaufnahme, als auch bei der Mitheranziehung der Verbraucher an bestimmten Stellen, als auch beim Abbau einer ganzen Anzahl von Subventionstatbeständen. An jeder Teilfront hat der Finanzminister das jetzt Mögliche und Notwendige getan. Er hat darüber hinaus die Absicht angekündigt, diese Politik fortzusetzen. Auch dabei unterstützen wir ihn und zerreden nicht sein Konzept.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Von Herrn Häfele hören wir nun zum wiederholten Mal, es handle sich dabei weniger um ein Sparprogramm als um ein Steuer- und Abgabenerhöhungsprogramm.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sicher!)

    Die Rechnungen, die er dafür vorlegt, stimmen in keiner Weise und zeigen recht deutlich, daß er von dem inneren Vorgang der Gestaltung dieses Haushalts eigentlich keine ausreichende Kenntnis hat. Das muß ich jetzt sagen, nachdem er dieselben falschen Rechnungen dreimal oder viermal wiederholt hat.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Die eigentliche Sparleistung des Bundesfinanzministers zeigt sich erst, wenn man sich klarmacht, daß er in einem nur um 4,3 % wachsenden Etatvolumen neue, in der bisherigen Finanzplanung nicht enthaltene Ausgaben eingefangen hat, die einerseits Ausdruck der Politik dieser Koalition sind, z. B. die Kindergelderhöhung und die Wohngelderhöhung, und die andererseits als neue Belastungen unabweisbar sind, z. B. die Mehrausnutzung der BAföG-Stipendien, die Herabschleusung des Kokskohlepreises für die Stahlproduzenten, die erhöhten Verteidigungskosten und die Bereitstellung von Mitteln für die Bundesanstalt für Arbeit. Das summiert sich zu einem Mehrbedarf von 8,5 Milliarden DM.
    Zur gleichen Zeit mußte auf der Einnahmeseite des Haushalts ein Betrag von fast gleicher Höhe, nämlich 7,6 Milliarden DM, Mindereinnahmen aufgefangen werden, der sich ebenfalls einerseits als Ausdruck unserer Politik, nämlich der Steuersenkung ab 1. Januar 1981, und andererseits als Folge der niedrigeren Steuerschätzungen ergibt.
    Ein Finanzminister, der es fertigbringt, diese etwa 16 Milliarden DM in einen Haushaltsentwurf einzuarbeiten und dabei die politisch vorgegebenen Eckdaten einzuhalten, ist zu loben; der hat seine Sparleistung erbracht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Er hat die Tendenz in Richtung auf Konsolidierung nicht verlassen. Dies war ihm nur möglich durch Streichungen an anderen Stellen gegenüber der bisherigen Planung, und zwar in einer Größenordnung von immerhin 10 Milliarden DM.

    (Zuruf des Abg. Kiep [CDU/CSU])

    Bei diesen Streichungen sind wohl oder übel — — Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden, Herr Kiep, aber wenn Sie das Abwehren von Ressortforderungen meinen: Das ist noch außen vor, das waren noch einmal soviel.

    (Kiep [CDU/CSU]: Mein Zwischenruf galt der FDP! — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Der hat gar nicht mit Ihnen geredet!)

    — Ich bitte um Entschuldigung, es sah fast so aus.



    Westphal
    Meine Damen und Herren, 10 Milliarden DM hat der Finanzminister herausnehmen müssen. Bei diesen Streichungen sind wohl oder übel auch etwa 3 Milliarden DM aus dem investiven Bereich gestrichen worden. Man wird dabei beachten müssen, daß das Zukunftsinvestitionsprogramm in diesem Jahr ausläuft und dies sich auswirkt. Der überwiegende Teil dieser Kürzungen betrifft aber Sachausgaben der verschiedensten Art. Er setzt bei konsumorientierten Ausgaben an und führt auch zu einem geringeren Anwachsen der Förderungsbeträge für die vielfältigen Institutionen und Organisationen, die am Bundeshaushalt partizipieren. Auch die Tatsache, daß der Haushaltsentwurf keine neuen Personalstellen vorsieht, trägt mit dazu bei.
    Wie Herr Häfele bei diesem enormen Umschichtungs- und Einsparungsvorgang im Haushalt zu der unzutreffenden Schlußfolgerung kommen kann, es handele sich im wesentlichen um ein Steuer- und Abgabenerhöhungsprogramm, bleibt wirklich schleierhaft, zumal die Einnahmeverbesserung aus der Branntweinsteuer, der Mineralölsteuer und dem steuerlichen Subventionsabbau zusammen den Betrag von 2,7 Milliarden DM nicht übersteigt.
    Die Opposition scheut sich nicht, die erhöhte Postablieferung als zusätzliche Belastung des Bürgers darzustellen. Es trifft einfach nicht zu, daß der Postkunde dadurch zusätzlich belastet wird.

    (Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/ CSU])

    — Sie glauben schon fast selbst, was bei Ihnen immer geredet wird. Dies trifft nicht zu!

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: In zwei Jahren wird es so sein!)

    'Nach mehrmaligen Herabsetzungen der Telefongebühren und bei Aufrechterhaltung der Investitionsmöglichkeiten der Bundespost ist es doch wohl berechtigt, eine seit langem geforderte Anpassung der Postabgabe an frühere, vergleichbare Entwicklungen im Steuerbereich vorzunehmen, ohne dafür den Postkunden zusätzlich noch etwas abzuverlangen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Aber in zwei Jahren wird es so sein! — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Herr Kollege Westphal, hat die Abschaffung des Mondscheintarifs das Telefonieren verbilligt?)

    — Wissen Sie, die Postdebatte kommt noch. Wenn Sie über Mondschein reden wollen, haben Sie dann dazu sicherlich Gelegenheit. Ich rede hier über Zahlen und nicht über Mondschein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Im übrigen finde ich, daß das, was auf diesem Gebiet gemacht worden ist, auch aus der Sicht des Bürgers ein sinnvoller und richtiger Ansatz gewesen ist.
    Meine Damen und Herren, bei den Entlastungen des Jahres 1981 den Weihnachtsfreibetrag und das erhöhte Kindergeld gar nicht mit einzurechnen, wie es Herr Häfele bei seiner Rechnung getan hat, ist einfach unredlich. Niemand von uns bestreitet, daß der Bürger in die Rechnung, was ihm 1981 unter dem Strich übrigbleibt, selbstverständlich auch die Beitragserhöhung zur gesetzlichen Krankenversicherung einbezieht. Das bestreitet niemand von uns. Aber der Politiker, der seriös bleiben will, müßte dann doch wenigstens hinzufügen, daß diese Beitragserhöhungen einerseits eine Folge von Lohnsteigerungen des vergangenen Jahres sind, daß den erhöhten Beiträgen auch höhere Leistungen gegenüberstehen, und daß diese Entscheidungen über Beitragserhöhungen von Selbstverwaltungsgremien, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind, getroffen werden, und eben nicht vom Staat.
    Was den Staat in diesem Zusammenhang betrifft, wäre j a wohl auch anzumerken, daß die Bemühungen um Kostendämpfung im Gesundheitswesen für den Krankenhausbereich, die wir hier unternommen haben, zweimal von der Mehrheit des Bundesrates, also durch die von CDU und CSU geführten Länderregierungen, kaputtgemacht worden sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Herr Haase — auch den muß ich hier zitieren,
    obwohl er noch nicht geredet hat; aber ich kenne ja
    schon ein bißchen von dem, was zu erwarten ist —

    (Lachen bei der SPD)

    in seine Rechnung, die netto zu einer Belastung statt zu einer Entlastung der Bürger führt, nicht einmal die geringste Lohnsteigerung in diesem Jahr einrechnet,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das wissen wir ja noch gar nicht!)

    dann gerät seine Darstellung des Be- und Entlastungsvergleichs vollends zu einer Milchmädchenrechnung, die man eben nicht mehr ernst nehmen kann.

    (Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Milchmädchen?)

    Ich will aber auch nicht versäumen, mich mit den Kritikern auseinanderzusetzen, die meinen — um es wörtlich zu zitieren —, daß „Löcher im Bundeshaushalt gestopft würden durch das Aufreißen von Lükken in anderen Bereichen". Das ist so nicht zutreffend. Die einmalige Kürzung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherungsträger geschieht im ersten Jahr der Wirkung der Beitragserhöhung um 0,5 %, und sie wird vollzogen, nachdem die Konsolidierung der Rentenfinanzen bereits gelungen ist. Das weisen ja die Abschlußrechnungen des Jahres 1980 aus. Die Verlagerung eines Teils des Kreditbedarfs auf die Bundesbahn zwingt bei diesem selbständig wirtschaftenden Unternehmen zu größerer Sparsamkeit und wirtschaftlicherem Verhalten, und das wollen wir doch wohl alle. Aber man könnte ja auch einmal umgekehrt vorgehen und die Frage aufwerfen, wie es die Opposition gemacht hätte, wenn sie diesen Etat aufzustellen gehabt hätte.

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr! — Zuruf von der CDU/CSU: Dann wäre das gar nicht so weit gekommen!)

    Wo hätte denn die Opposition den um 3,65 Milliarden DM höheren Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit wohl hergenommen?

    (Zustimmung bei der SPD)




    Westphal
    Hätte sie lieber die Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhöht?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das werden Sie bald tun!)

    Bei der Ausgabenbelastung für das neue, erhöhte Kindergeld wissen wir doch, daß die von der CDU und CSU regierten Bundesländer diese finanzielle Belastung am liebsten ganz dem Bund aufgeladen hätten und wir hart ringen mußten, um die Hälfte davon abzubekommen.
    Für die ab 1. Januar 1981 erhöhten Wohngeldleistungen war es doch so, daß es seitens der Opposition keine Anträge zur Verminderung dieser Leistung gegeben hat. Nein, im Gegenteil! In der ersten Runde des Bundesrats lag ein Antrag des CDU-regierten Landes Baden-Württemberg zur weiteren Heraufsetzung der Wohngeldleistung über das, was wir schon gemacht haben, hinaus vor.
    Und wie steht es mit der Kokskohlebeihilfe und dem dafür erforderlichen Milliardenbetrag? Hätte die Opposition etwa Kohle und Stahl in dieser Sache im Regen stehen lassen?
    Was die Verteidigungsausgaben betrifft, so sind es bei der Opposition wohl nur die Haushälter, die Erhöhungsanträgen, die Herr Kohl vor Weihnachten noch für möglich hielt, entgegengetreten sind.
    Wo ist das Konzept der Opposition für eine Einschränkung der europäischen Agrarausgaben? Nicht ein Wort kann man von Ihrer Seite zu diesem schwierigen Thema hören.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber die Mineralölsteuererhöhung wollen Sie ablehnen; ich komme noch darauf zurück.
    Beim geplanten Abbau der Sparförderung kann man nicht so genau wissen, was die Opposition eigentlich will. Herr Kiep hat irgendwann gesagt, die Opposition habe diesen Vorschlag erfunden; ich zitiere Sie richtig. Herr Späth kritisiert — auch Herr Häfele hat das hier getan —, daß dadurch die kleinen Leute getroffen würden, obwohl wir die großen gar nicht treffen können, weil wir ihnen die Möglichkeit, an der Sparprämie teilzunehmen, schon 1975 genommen haben. Ich weiß, daß das eine Belastung ist, und mache kein Hehl daraus. Ich habe meinen Ausgangspunkt klargemacht: Wer in die Situation kommt, Subventionen streichen zu müssen, nimmt Vergünstigungen weg, und das trifft Leute. Die Betroffenen wehren sich; dies ist ihr gutes Recht. Wir diskutieren auch ernsthaft mit ihnen über all ihre Argumente. Aber es bleibt dabei: Es gilt durchzuhalten. Wir können nicht so handeln, wie es diese schöne Karikatur dargestellt hat: Alle stehen im Kreis und jeder weist auf den anderen und sagt: Jawohl, Subventionen abbauen, aber bitte nicht bei mir, sondern bei dem anderen!
    Es bleibt leider dabei, daß auch jemand getroffen wird und daß es gegenüber bisherigen Vergünstigungen jetzt Belastungen gibt.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich bin noch bei der Verhaltensweise der Opposition und meiner Annahme, wie es aussehen würde, wenn sie den Haushalt aufzustellen hätte. Bei der vorgesehenen Kürzung aller drei Gemeinschaftsaufgaben um jeweils 20 % läßt sich noch nicht ganz ahnen, wie sich die Opposition verhalten wird. Herrn Stoltenberg haben wir in der Debatte zur Regierungserklärung gehört, als er aus schleswig-holsteinischer Sicht zu diesem Thema ängstlich aufbegehrte.
    Wie steht es mit der Haltung der Opposition zum Abbau von Subventionen des Ölverbrauchs? Jeder von uns weiß, daß dies ein schmerzlicher Vorgang sein wird. Aber er ist doch wohl notwendig. Aus der schwierigen Debatte um die Personalkosten hält sich die Opposition — außer dem Hinweis, den auch Herr Häfele gebracht hat, man müsse sparen — völlig heraus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist doch wohl ein Wort, wenn dieser Bundeshaushaltsentwurf keine neuen Stellen und fast keine Hebungen enthält. Wir würden auch gern wissen, ob uns die Opposition hilft, hier noch ein Stück weiter voranzukommen.

    (Kiep [CDU/CSU]: Dann müssen Sie einmal den Schritt tun!)

    Ich muß noch einige Anmerkungen zum Thema Mineralölsteuererhöhung hinzufügen. Gewiß, dies trifft hart. Ich stehe auch nicht an, zu sagen: Jawohl, ein Grund für diese Erhöhung liegt darin, den öffentlichen Haushalt auszugleichen, ohne in Leistungsgesetze einschneiden und ohne die Kreditaufnahme weiter erhöhen zu müssen. Aber dies ist eben nur der eine Grund. Der andere ist darin zu finden, daß diese Maßnahme auch energiepolitisch vernünftig ist und uns helfen soll, vom Öl wegzukommen. Machen wir uns nichts vor! Energie wird teurer. Hier gibt es wohl oder übel keine Möglichkeiten des sozialen Ausgleichs.
    Die Art, wie die Multis in den letzten Monaten zugegriffen haben, muß man sich noch einmal genauer angucken. Mir fällt dabei Herr Häfele ein. Herr Häfele, Sie haben ja auch versucht, dies zu relativieren und den Bundesfinanzminister mit dem Erhöhungsbetrag von 7 Pf in die Ecke zu stellen. Das, was Sie zu dem Thema gesagt haben, Herr Häfele, sah so aus, als wollten Sie den Anschein erwecken, daß Sie die Preiserhöhung durch die Multis gar noch verteidigten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Aber bitte, Sie fahren doch auch ab und zu an die Tankstelle, und Sie wissen auch, daß die Multis in den letzten Monaten so viel weggeholt haben, wie Matthöfer zu tun beabsichtigt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Wir wissen doch, daß wir auf deutscher Ebene allein nicht die Möglichkeit haben, dies zu verhindern. Das bringt einen manchmal fast dazu, zu denken, daß die Spanne, die darin noch enthalten ist, bevor sich der Verbraucher beim Benzin tatsächlich einschränkt,



    Westphal
    lieber in die Kasse des Bundesfinanzministers zur Sicherung unseres sozialen Leistungssystems gehen sollte, als sie den Multis zu geben. Ich habe das sehr vorsichtig gesagt. Ich bin mir der Problematik dieser Sätze durchaus bewußt.
    Im übrigen ist es ja auch falsch, zu argumentieren, daß dieser Weg über den Preis beim Benzin der einzige wäre, der zu energiesparendem Verhalten führt oder allein Inhalt unserer Politik wäre.
    Das uns hier vorliegende Gesetz zum Abbau von Subventionen enthält den Beginn des Abbaus sämtlicher Ölverbrauchssubventionen. Durch den Forschungsetat fördern wir die Erforschung und Entwicklung nichtölabhängiger Technologien im Energiebereich. Der Haushaltsentwurf weist nach, daß wir weiterhin bereit sind, für den Ausbau von Fernwärme etwas zu tun. Das gleiche gilt für den Bau neuer umweltfreundlicher Kohlekraftwerke. Weiterhin ist ein beachtlicher Teil dieses Haushalts von den Maßnahmen zur Stützung der heimischen Kohle bestimmt. Darüber hinaus läuft auch weiterhin das 4,35-Milliarden-Programm zur Förderung energiesparender Maßnahmen an Häusern und Wohnungen. Da wird man allerdings nachdenken müssen, welche Änderungen sich aus den gesammelten Erfahrungen für die Zukunft einer auf Energiesparen ausgerichteten Politik auf diesem Gebiet ergeben.
    Ich will zwar den energiepolitischen Teil der Debatte dieser Woche nicht vorwegnehmen, aber doch wenigstens hinzufügen, daß der Abbau von Hemmnissen auch zu unserem Konzept gehört, wenn auch nicht zu Lasten der Sicherheit der Menschen. Im übrigen dürfen wir die Länder bei dieser schwierigen Aufgabe nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie das einmal der SPD in Schleswig-Holstein!)

    Meine Damen und Herren, nimmt man zu dem soeben für den energiepolitischen Bereich Gesagten auch die anderen Inhalte der Forschungsförderung, die Unterstützung kleinerer und mittlerer Betriebe sowie die Förderung der beruflichen Bildung hinzu und hofft man darüber hinaus, daß Länder und Bund doch zusammen eine sinnvolle Veränderung des Systems der regionalen Wirtschaftsförderung zustande bringen werden, dann läßt sich sagen, daß dieser Haushalt strukturpolitischen Anforderungen gerecht wird.
    Die immer aktueller gewordene Frage ist aber, ob dieser Entwurf auch konjunkturgerecht ist.

    (Dr. Langner [CDU/CSU]: Aha, jetzt geht's los!)

    Lassen Sie mich da zunächst einmal die Tassen im Schrank zurechtrücken. Die Bundesregierung hat diese Haushaltsvorlage am 16. Dezember 1980 beschlossen. Sie mußte und konnte dabei also nur von den Wirtschaftsdaten ausgehen, die zu jenem Zeitpunkt vorlagen. Jeder von uns weiß, daß die Regierung sich nach den Konjunkturdaten gerichtet hat, die von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten Mitte Oktober 1980 und dann vom Sachverständigenrat Mitte November 1980 erarbeitet und vorgelegt worden sind. Daraus ergab sich auch die diesem Haushalt zugrunde liegende Steuerschätzung von Anfang Dezember 1980. Der Haushaltsentwurf berücksichtigte also die konjunkturelle Situation. Der in ihm enthaltene Ansatz von insgesamt 31,2 Milliarden DM für investive Ausgaben, zu dem die Investitionen im Verteidigungsbereich noch hinzukommen, die nach unserer Definition des Begriffs „Investition" bekanntlich nicht mitgezählt werden, stellt ja keinen geringen Betrag dar, insbesondere wenn man daran denkt, daß von den drei Ebenen des Gesamthaushalts der Bundesetat gegenüber den Länder- und Gemeindeetats der am wenigsten investitionsintensive Teil ist. Auch die Neuverschuldung von 27 Milliarden DM ist ja wohl ein Wort.
    Es wäre leichtfertig, behaupten zu wollen, dieser Haushaltsentwurf der Bundesregierung täte nichts, um in schwieriger konjunktureller Situation Investitionsmöglichkeiten zu stützen und zu verstetigen. Aber es führt kein Weg daran vorbei, daß die neueren Wirtschaftsdaten, die der Jahreswirtschaftsbericht, den das Kabinett in der nächsten Woche verabschieden will, enthält, schlechter sind als die, die dem Entwurf zugrunde lagen.
    Der in solchen Sachen immer etwas vorlaute Herr Späth aus Baden-Württemberg verlangt gleich die Zurückziehung des ganzen Etatentwurfs und eine neue Vorlage. Macht er das mit seinem Landeshaushalt in seinem Parlament genauso?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der ist solide finanziert!)

    Haben nicht alle Bundesländer ihre Haushaltsentwürfe auf der Grundlage älterer Wirtschaftsdaten aufgestellt? Das sind doch nichts weiter als polemische Übungen.
    Wir Parlamentarier, meine Damen und Herren, sind jetzt die Herren des Haushaltsverfahrens. Die uns bevorstehende Beratungszeit über diesen Haushalt nach seiner ersten Lesung ermöglicht und zwingt uns, neue Erkenntnisse über die wirtschaftliche Entwicklung in unsere Betrachtungen mit einzubeziehen. Die Bundesregierung hat uns dazu — das hat Herr Matthöfer hier gesagt — ihre Hilfe angeboten. Am konkretesten wird dieses Problem — das wissen viele von uns — bei den Bundeszuschüssen für die Bundesanstalt für Arbeit. Es hilft nichts: Wir müssen damit fertigwerden, aber doch wohl nicht durch ein Zusammenstreichen des ganzen Haushalts und nicht durch Eingriffe an Punkten, die der Konjunkturstützung dienen. Gewiß, dort, wo Umschichtungen von sogenannten konsumtiven Ausgaben in den investiven Bereich möglich sind, wollen wir dies machen, müssen wir dies machen. Der Spielraum dafür ist allerdings nicht übermäßig groß. Vorschläge, die mein Kollege Rudi Walther später hier erörtern wird, gehen in diese Richtung. Doch auch sie sind meist mittelfristig angelegt und helfen nicht um die Erkenntnis herum, daß es aus konjunkturellen Gründen sehr schwer sein wird, die Höhe der Nettokreditaufnahme zu halten.
    Doch wir haben uns die Dinge gründlich überlegt. Wir kündigen in dieser Situation keine neuen Programme an, die von dem bisher erfolgreichen



    Westphal
    Schema ausgehen. Wir sehen, daß die wichtigen Gründe der gegenwärtigen konjunkturellen Schwäche, die in den drei am Anfang genannten Größen — Ölpreissteigerung, Leistungsbilanzdefizit und ein international hohes Zinsniveau — zu suchen sind, andere, neue Antworten für das Handeln von Wirtschaft und Staat verlangen. Dabei rücken die Aufgaben der Energieeinsparung und der effektiven Förderung des Wohnungsbaues in den Vordergrund. Es ist doch unsinnig, zu sagen, wir seien in einer solchen Situation nicht handlungsfähig. Wir warten ja gar nicht ab, wir handeln jetzt mit diesem Etat, und wir sind auch in der Lage, neu, anders zu reagieren, wenn man die Datenentwicklung des ganzen Jahres 1981 genauer und besser überblicken kann als heute.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Eines ist klar: Wir machen nicht Politik à la Brüning. Diese tragische Lehre von Anfang der 30er Jahre haben ja wohl inzwischen alle begriffen. Doch vielleicht ist es auch richtig anzufügen, daß die Wirtschaftswissenschaft und auch die Wirtschaftspolitik heute weiter sind, als nur die Grundlehre von Keynes undifferenziert nachzuvollziehen. Das bitten wir — ich sage das hier offen — insbesondere die Gewerkschaften zu verstehen. Auch die Mitglieder der Gewerkschaften sind Steuerzahler und wollen keine zu hohe Neuverschuldung. Das kann man doch wohl so sagen. Ich meine schon, daß es Sache des Bundeswirtschaftsministers sein wird, uns zum richtigen Zeitpunkt zu sagen, welche Schlußfolgerungen wann zu ziehen sind. Er hat ja seine prinzipielle Haltung zu dieser Frage schon im Finanzplanungsrat angedeutet.
    Deutlicher aber, als die Regierung es kann, können wir Abgeordneten sagen, wie sehr die hohen Zinsen in den USA einer vernünftigen Wirtschaftsentwicklung nicht nur bei uns, sondern in weiten Teilen der Welt und auch in Amerika selbst im Wege stehen. Der Finanzminister hat uns erläutert, daß eine Zinssenkung bei uns um nur 1 % schon 8 Milliarden DM mobilisieren würde. Wir hatten bisher eine durchaus gute Investitionsbereitschaft, die wir auch weiterhin brauchen und gern unterstützen möchten.
    Meine Damen und Herren, für uns Sozialdemokraten bleibt die Beschäftigungswirkung unserer staatlichen Haushaltspolitik weiterhin die wichtigste Leitlinie. Herrn Matthöfer da herausdividieren zu wollen, ist ein unsinniger Versuch; man muß schon seine ganze Rede hören und nicht nur ein paar Sätze, die auch ergänzend darauf gezielt waren, Herr Häfele, darzustellen, was vielleicht auch andere in diesem Konzert Wichtiges zu machen haben. Der Staat zieht sich nicht aus seiner Verantwortung zurück, solange Sozialdemokraten in diesem Lande mitregieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Für uns Sozialdemokraten bleibt also die Beschäftigungswirkung unserer staatlichen Haushaltspolitik weiterhin die wichtigste Leitlinie.
    Wir stehen vor dem schwierigem Fahrwasser, in das wir kommen, nach wie vor wesentlich besser da als die meisten Industrienationen dieser Welt,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Es wird immer besser!)

    gar nicht erst zu reden von der schlimmen Situation der Entwicklungsländer. Wir haben in unserem Land eine hervorragende Infrastruktur geschaffen. Die soziale Sicherung unserer Menschen ist vorbildlich für viele in der Welt, und die Zukunft erfordert mehr als bisher Solidarität. Das heißt wohl für die Zukunft, daß die Bessergestellten den Schwächeren, mehr als bisher helfen müssen und daß die Bereitschaft vorhanden sein muß, gemeinsam Lasten zu tragen. Wir sind dazu entschlossen, mit Schwierigkeiten fertig zu werden. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall bei der FDP)