Rede:
ID0901610000

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    Vokabeln: 7
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    5. Herr: 1
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    7. Rentrop.: 1
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    Plenarprotokoll 9/16 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 16. Sitzung Bonn, Dienstag, den 27. Januar 1981 Inhalt: Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Dr. Häfele CDU/CSU 515 C Westphal SPD 523 C Gärtner FDP 529 C Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 5300 Bonn Alleinvertrieb: Verlag Dr. Hans Heger, Postfach 200821, Herderstraße 56, 5300 Bonn 2, Telefon (0228) 363551 Haase (Kassel) CDU/CSU 537 B Walther SPD 542 A Frau Matthäus-Maier FDP 548 A Dr. Sprung CDU/CSU 554 A Gobrecht SPD 557 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU 559 D Löffler SPD 563 D Rentrop FDP 566 A Carstens (Emstek) CDU/CSU 568 B Dr. Spöri SPD 570 B Dr. Waffenschmidt CDU/CSU 572 D Kühbacher SPD 576 A Rapp (Göppingen) SPD 580 A Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU 581 D Wieczorek (Duisburg) SPD 583 D Hoffie FDP 586 D Dr. Hauff, Bundesminister BMV 589 C Kiechle CDU/CSU 593 A Hoffmann (Saarbrücken) SPD 596 A Dr. Zumpfort FDP 599 C Nächste Sitzung 604 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . .605* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. Januar 1981 515 16. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens * 30. 1. Dr. Althammer * 27. 1. Dr. Bardens * 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Dr. Enders * 30. 1. Ertl 27. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Dr. Geßner * 30. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. Jung (Kandel) * 27. 1. Junghans 28. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Kittelmann * 30. 1. Klein (Dieburg) 30. 1. Korber 30. 1. Lemmrich * 30. 1. Lenzer * 30. 1. Männing * 30. 1. Dr. Müller * 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack * 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen ** 30. 1. Reddemann * 30. 1. Rösch * 30. 1. Sander 30. 1. Dr. Schäuble * 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 30. 1. Dr. Sprung * 30. 1. Dr. Unland * 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek 30. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Lothar Löffler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Redner der Opposition, insbesondere die Kollegen Haase und Riedl, haben wieder einmal ein gar schreckliches Gebilde von dem Untier Staat gemalt, das dem Bürger das Geld gierig aus den Taschen frißt.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Mit „Staat" ist natürlich in allererster Linie der Bund gemeint. Die Farben dieses Gemäldes sind zu grell, die Konturen verschwommen. Deshalb trifft dieses Bild auch die Realität nicht, wie der Kollege Riedl eben mit seinen Schlußworten noch einmal ganz eindeutig für alle, die ein bißchen rechnen können, unter Beweis gestellt hat.
    Sollte man dieses hier dargestellte Gemälde kunsthistorisch einordnen, dann wäre es wohl der Wiener Schule des phantastischen Realismus zuzurechnen. Die einzelnen Elemente wirken zwar realistisch, aber die Gesamtdarstellung bringt nichts, was rational erkennbar wäre, sondern sie vermitteln nur Empfindungen und Gefühle. In Ihrem Gemälde sind es Gefühle der Unruhe, der Unsicherheit und der Angst, die Sie verbreiten wollen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, der Kanzler hat von dieser Stelle alle — auch Sie — aufgerufen zum Mut zur Zukunft.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Der Kanzler hat sich selber Mut Löffler gemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)




    Nehmen Sie dieses Wort des Bundeskanzlers etwas ernster als bisher! Legen Sie doch Ihren Kleinmut ab! Kleinmut ist doch keine Alternative. Fürchten Sie sich nicht, wir sind ja bei Ihnen, Herr Häfele!

    (Lachen bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Jetzt wird er auch noch blasphemisch!)

    Wie sieht nun die Realität aus? Herr Häfele und auch der Herr Kollege Haase haben von einem bestimmten Anteil gesprochen, den sich der Staat vom Bruttosozialprodukt nimmt, um seine Aufgaben zu erfüllen. Ich habe mir gestern auch einmal die Zahlen angeguckt. Wir beide, Herr Haase, sind schon über soviel Jahre miteinander politisch im Clinch, so daß man sich gegenseitig gut einschätzen kann. Ich habe an meinem Schreibtisch gestern genau gewußt, was Sie heute sagen werden und habe mir auch einiges durchgerechnet.
    Der Staat braucht diesen Anteil am Bruttosozialprodukt, um seine vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben wird von dem Moloch Staat nicht als Selbstbedienungsgeschäft betrieben, sondern dient den Menschen dieses Landes; das darf man nicht vergessen. Das Geld wird von den staatlichen Organen nicht irgendwelchen Interessengruppen hingeschoben, sondern dahinter steckt das eindeutige Bemühen, die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande und den Fortschritt aufrechtzuerhalten.
    Aber nun zu den konkreten Zahlen. 1970 lag die Staatsausgabenquote — also ohne Sozialversicherung — bei 31,4 % des Bruttosozialprodukts. Der Bund nahm 13,38 % des Bruttosozialproduktes für die Erfüllung seiner Aufgaben in Anspruch, die Länder und Gemeinden beanspruchten 18,02 %. 1979 ist dieser Anteil der Staatsausgabenquote am Bruttosozialprodukt auf 36,9 % gestiegen. Auf den Bund entfielen 14,5 %, auf die anderen öffentlichen Kassen, also Länder und Gemeinden, 22,4 %.
    Daraus ergibt sich, daß der Anteil des Bundes am Bruttosozialprodukt für seine Aufgaben in neun Jahren um 1 % gestiegen ist. Bei Ländern und Gemeinden hingegen beträgt die Steigerung 4 %. Diese geringfügige Steigerung des Bundesanteils muß man sehen vor dem Hintergrund einer gewachsenen außenpolitischen Verpflichtung, unseres starken finanziellen Engagements in der EG, der Verantwortung des Bundes für den sozialen Konsens in unserer Gesellschaft und für eine ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung in allen Regionen der Bundesrepublik. Hinzu kommt die Hauptverantwortung des Bundes für wirtschaftliches Gleichgewicht und Vollbeschäftigung. In all diesen Bereichen hat sich der Bund in den vergangenen Jahren immer stärker engagiert und hat dennoch seinen Anteil am Bruttosozialprodukt im Gegensatz zu den Ländern nur um 1 % erhöht; bei den anderen hat sich der Anteil, wie gesagt, um über 4 % erhöht.
    Lieber Herr Kollege Riedl, wer dem Staat leichtfertigen Umgang mit den Finanzen vorwerfen will, steht im Plenarsaal des Deutschen Bundestages am falschen Platz. Ich empfehle z. B. das Maximilianeum in München.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Herr Kollege Riedl, niemand zwingt die Opposition, an ihre eigene Polemik auch noch zu glauben. Es reicht schon, wenn Sie sie vortragen: Sie brauchen nicht noch daran zu glauben.
    Allein an diesem Zahlenbeispiel wird doch deutlich, daß sich der Bund in den vergangenen Jahren um eine außerordentlich strenge Prioritätensetzung bemüht hat. Und was ist in diesem Zusammenhang Prioritätensetzung anderes als strenge Sparsamkeit.
    Die relative Zurückhaltung des Bundes bei den Staatsfinanzen wird auch bei einer anderen Betrachtung deutlich, über die bisher heute noch kein Wort gesagt worden ist. Von 1970 bis 1979 sind die Ausgaben des Bundes um 224 % gestiegen. Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse, also diejenigen Mittel, die der Bund zur Förderung bestimmter Ausgaben gleich weiterreicht und die im Bundeshaushalt nur durchlaufende Posten sind, sind dagegen überproportional um 230 % und die Ausgaben für Investitionen sogar um 284 % gestiegen. Der Staat hingegen ist, gemessen am Bruttosozialprodukt, in diesen Jahren nicht teurer geworden. Was er für Gehälter, Versorgungsbezüge, Dienstwagen, Beihilfen, Unterstützungen und für seine sächlichen Ausgaben für die Verwaltung zahlt, entspricht fast genau der allgemeinen Steigerung der Bundesausgaben. In diesem Zusammenhang davon zu reden, es sollten Repräsentationsmittel gekürzt werden und der Wagen könne auch eine Nummer kleiner sein, ist eine völlige Verkennung der finanzpolitischen Tatsachen in unserem Lande.
    Man kann also feststellen: Die Zuwächse beim Bruttosozialprodukt hat sich der Staat nicht unter den Nagel gerissen; er hat sie vielmehr dafür ausgegeben, unsere nach vorn gerichtete wirtschaftliche Entwicklung weiterhin zu erhalten.
    Die hohe Kreditaufnahme in den letzten und auch in den künftigen Jahren muß tatsächlich mit Sorge betrachtet werden, und zwar schon allein wegen der daraus resultierenden wachsenden Zinsbelastungen in der Zukunft. Der Grund für eine Sorge ist aber immer eine andere Sorge, über die ich jetzt einiges sagen möchte, weil es die hochverehrten Herren Vorredner der Opposition bisher völlig vergessen haben, auf diese Sorge einzugehen.
    Seit Jahren befindet sich unsere Weltwirtschaft in schweren Turbulenzen. Davon werden die einzelnen Volkswirtschaften unterschiedlich hart betroffen, andere, nebenbei gesagt, sehr viel härter als unsere. Hand in Hand mit diesen wirtschaftlichen Turbulenzen treten auch machtpolitische Turbulenzen auf, die den Frieden gefährden können und deshalb alle Staaten, die den Frieden erhalten wollen, zu besonderen Anstrengungen verpflichten, auch zu Anstrengungen finanzieller Art. Das ist die Stunde, die geschlagen hat, Herr Haase, nicht das, was Sie hier vorgetragen haben.



    Löffler
    Wie unsere Welt aussehen wird, wenn sich diese Turbulenzen einmal gelegt haben werden, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand mit Sicherheit vorhersagen. Hoffentlich wird daraus eine neue Solidarität zwischen den Völkern der Welt als eine Voraussetzung für Frieden und eine nach vorn gerichtete wirtschaftliche und soziale Entwicklung überall in der Welt erwachsen. Aber wer weiß, ob alle die Zeichen der Zeit richtig zu deuten vermögen.
    Aber zumindest eines weiß man heute schon: daß es in solch unruhigen und schwierigen Zeiten darauf ankommt, daß Erreichtes, Bewährtes und Gefestigtes nicht untergehen darf, auch wenn zur Finanzierung Wege eingeschlagen werden müssen, die nicht frei von Risiken sind.
    Ich will keine internationalen Vergleiche anstellen, weil sie immer ein wenig hinken, weise aber darauf hin, daß der japanische Staatshaushalt zu einem Drittel aus Krediten finanziert wird. Herr Häfele hat heute den bemerkenswerten Satz gesagt: Wer arbeitet und spart, wird reich. Lieber Herr Kollege Häfele, ich will die Glaubwürdigkeit und Richtigkeit Ihres Satzes nicht untersuchen. In meiner Familiengeschichte bin ich bis zum Jahre 1700 vorgestoßen. Die Löfflers, aus Schwaben stammend, waren immer sehr arbeitsam und sparsam — reich sind sie nicht geworden.

    (Heiterkeit)

    Ich glaube, es geht vielen Familien so.
    Ich wollte nur das eine sagen, sehr geehrter Herr Kollege Häfele: Wer glaubt, daß er mit Weisheiten aus den gesammelten Sprüchen für die biedere Haustochter die gegenwärtige schwierige weltpolitische Lage meistern kann, der irrt doch wohl.

    (Beifall bei der SPD)

    Hier müssen tatsächlich andere Maßnahmen Platz greifen.
    Herr Kollege Häfele hat heute den früheren Bundeskanzler Ludwig Erhard zitiert. Die Politik, die wir heute betreiben, ist j a nicht neu; sie ist gedanklich schon vorbereitet. Da gibt es eine Regierungserklärung, aus der ich einmal zitieren darf:
    Zur Sicherung des Haushaltsausgleichs werden strenge Sparsamkeit bei allen Bundesausgaben und die Aufnahme von Kredit beitragen müssen.
    Jetzt kommt ein bemerkenswerter Satz:
    Alle Ausgleichsmöglichkeiten im Rahmen des Gesamthaushalts von Bund und Ländern müssen erschöpft werden.
    So der stellvertretende Bundeskanzler Professor Ludwig Erhard in seiner Regierungserklärung 1961. Besonders der letzte Satz dieses Zitats ist bemerkenswert; denn offensichtlich hatte die damalige Bundesregierung genau die gleichen Schwierigkeiten mit dem Finanzsystem, das zwischen Bund und Ländern herrscht, wie wir sie heute haben. Gebt dem Bund, was des Bundes ist! Das ist mehr wert, als
    hier große Reden zu halten über zu hohe Staatsverschuldung.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bund kann seine umfassenden Aufgaben, in die auch alle Länder mit einbegriffen sind, nur erfüllen, wenn er die Mittel für diese Aufgaben erhält.
    Verständlicherweise wird viel über die Grenzen der Staatsverschuldung philosophiert. Wer in die finanzwissenschaftlichen Bücher hineinsieht in der Hoffnung, dort mathematische Größen zu finden, kombiniert zu einer Formel, die uns einen Hinweis geben, der wird enttäuscht werden. Es gibt keine solchen mathematischen Formeln für die Staatsverschuldung. Aber es gibt dennoch einige Einsichten darüber, wie weit ein Staat, wie weit eine Gesellschaft sich verschulden dürfen. Die Verschuldungsgrenze eines Staates wird bestimmt von der Leistungsmöglichkeit und von der Leistungsbereitschaft einer Gesellschaft. Jede Mark Zinsen, die jetzt mehr gezahlt werden muß, findet ihre Rechtfertigung nur darin, daß mit dem aufgenommenen Kapital die Leistungsmöglichkeit und Leistungsbereitschaft einer Gesellschaft verbessert werden. Wer Schulden macht, bekennt sich zur Leistung, allerdings nicht zu einer inhumanen Leistung. Aber wer Schulden macht, muß sich auch positiv gegenüber dem Begriff Leistung einstellen, und er muß auch zwar nicht auf undifferenziertes, wohl aber auf qualifiziertes Wachstum setzen, damit die Relationen zwischen den volkswirtschaftlichen Daten stimmig bleiben.
    Unser Kapital — das Kapital unseres Volkes, unserer Gesellschaft — ist nach wie vor die Erhaltung und Steigerung der Leistungsmöglichkeit und der Leistungsbereitschaft. Leistungsmöglichkeit bedeutet verbesserte Infrastruktur, bedeutet technischen Fortschritt, aber Leistungsmöglichkeit bedeutet auch die Bewahrung eines sozialen Klimas, das erst Leistung möglich macht. Leistungsbereitschaft bedeutet eben die Erkenntnis, das Wissen der Menschen darum, daß sich Arbeit in dieser Gesellschaft lohnt; und wer von Ihnen möchte bestreiten, daß sich Arbeit in unserem Volke nach wie vor lohnt, daß wir uns bei allen Schwierigkeiten und bei allen Turbulenzen mit großem Erfolg bemühen, unser Volk, unsere Gesellschaft über diese Turbulenzen hinwegzubringen?
    Es hat verhältnismäßig wenig Wert, in unseren Schwierigkeiten und Sachzwängen selbstquälerisch herumzuwühlen. Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, bedeutet ja nicht, irgenwelche Träume zu verwirklichen, sondern Politik bedeutet, die Realität so zu verändern, daß sie sich einer gewollten Absicht anpaßt, die sich wiederum ableiten läßt aus Erkenntnissen über das Zusammenleben von Menschen und Völkern.
    Der Haushalt 1981, wie ihn die Bundesregierung vorgelegt hat und wie er von uns im Geist der Bundesregierung, wenn auch mit Veränderungen, beraten wird, ist ein Beitrag zu diesem Selbstbewußtsein, das auch deutlich macht, daß wir in schwierigen Situationen unseren Mann stehen. Der Haushalt 1981



    Löffler
    ist kein Beispiel für etwas, woran man Ängste und Kleinmut aufhängen kann.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall bei der FDP)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rentrop.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedhelm Rentrop


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als neues Mitglied dieses Hauses, das 25 Jahre lang als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mehr mit wirtschaftlichen Einheiten und dem Gespräch über wirtschaftliche Lösungen zu tun gehabt hat, eingangs meiner Enttäuschung über die Beiträge der Opposition zu dieser Haushaltsdebatte Ausdruck geben.
    Ich bin sehr froh, daß von dem Kollegen Riedl wenigstens einige Ausformung gekommen ist, wenngleich er das, was wir gemacht haben, abgelehnt hat. Sonst wäre ich völlig verzweifelt gewesen. Es wäre alles im Ansatz der Kritik hängengeblieben.
    Wir sind uns über den Ernst der Lage in unserem Land einig.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Dies sollte uns mehr denn je dazu verpflichten, gemeinsame Lösungen anzustreben.
    Dem dient sicher nicht der Vergleich mit der guten alten Zeit. Die 50er und 60er Jahre sind nun einmal nicht die vor uns stehenden 80er Jahre; das gleiche gilt auch für die hinter uns liegenden 70er Jahre. Das haben die Außenbedingungen sehr deutlich gezeigt.
    Der Kollege Löffler hat soeben finanzpolitische Werke zitiert. Auch ich habe versucht, Ihre finanzpolitischen Grundlagen zu eruieren. Ich bin auf ein Werk gestoßen, aus dem ich — mit Erlaubnis des Präsidenten — einen Satz zitieren darf, vielleicht auch im Vorgriff auf die morgige Debatte. Es heißt da:
    Man kann einem Volk, auch wenn es ihm gut geht, die Gegenwart als schwer erträglich und durch düstere Prophezeiungen die Zukunft .als gefährlich vorgaukeln,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    bis sogar Anwandlungen von Hysterie auftreten und durch Angstreaktion die Gefahren erst beschworen werden, vor denen angeblich nur gewarnt werden soll. Dazu gehört auch der leichtfertige, das Gesetz der Dimension verletzende Gebrauch der Begriffe Krise, Depression, Inflation u. ähnliches.
    Dieses Werk ist 1969 erschienen. Der Autor heißt Franz Josef Strauß. Es heißt „Finanzpolitik — Theorie und Wirklichkeit".

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Na und?)

    — Sie sind der Meinung, dies ist richtig, Herr Dr. Kohl?

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Da ist kein Gegensatz!)

    — Das ist aber Ihr Tun: das Beschwören — —

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sind 6 % Preissteigerung Inflation?)

    — 6 % Preissteigerung sind je nachdem eine inflationäre Tendenz oder nicht. Es kommt darauf an, in welcher Situation man steht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es kommt darauf an, ob Sie ein dickes Portemonnaie haben oder ein kleines, nicht wahr!)

    — Das ist sicher nicht allein vom Portemonnaie abhängig.
    Aber lassen Sie mich zu einzelnen Punkten meiner Vorredner kommen.
    Herr Dr. Sprung hat heute morgen erklärt, bei unserem Leistungsbilanzdefizit — das sicher uns allen Sorgen macht und das durch die Ölpreissteigerung entstanden ist — werde unsere Volkswirtschaft bald nicht mehr uns, sondern dem Ausland gehören. Ich habe mehr die Sorge: wir haben uns zuwenig darum gekümmert, die inzwischen 800, 900 Milliarden floatierender Öldollars irgendwie in unseren nationalen Volkswirtschaften anzubinden. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, als es nur 60 Milliarden Dollar waren, die von den Multis, den internationalen Unternehmen stammten, aber wir haben uns später im einzelnen nicht mehr darum gekümmert. Ganz im Gegenteil, wir haben es verhindert, daß sich diese Öldollars bei uns niederlassen konnten, indem wir bei großen Aktiengesellschaften das Stimmrecht auf 5% beschränkt haben. Ich möchte Sie bitten, einmal darüber nachzudenken, wie die Situation heute aussähe, wenn diese Ölmultis etwas mehr Zuflucht in der deutschen Automobilindustrie gefunden hätten. Sie hätten sicherlich Probleme damit, uns das Öl reichlich zu liefern, damit diese Industrie auch läuft.
    Herr Dr. Sprung hat auch die etwas kritische Betrachtung der Energiepolitik der Verwendung aller Energieträger angesprochen. Ich bin schon der Meinung, daß man den Ausbau der Kernenergie nicht mit einem Hurra-Optimismus betreiben sollte, zumal in einer Zeit sich schnell entwickelnder Technologien — diese Werke werden ja für Jahrzehnte errichtet —, und schon gar nicht im Hinblick auf die Beurteilung von Bedarfslagen. Nachdem heute morgen Ludwig Erhard zitiert worden ist, erinnere ich Sie gern daran, daß Mitte der 50er Jahre bereits einmal eine Fehlbeurteilung der künftigen Energiesituation erfolgt ist. Als der Nobelpreisträger Jan Tinbergen in einem Gutachten feststellte, Ende der 50er Jahre gehen in Europa die Lichter aus, beging Ludwig Erhard wohl seinen einzigen dirigistischen Sündenfall, indem er der deutschen Wirtschaft eine Investitionshilfeabgabe von 10 Milliarden DM auferlegte. Das führte zur Abteufung neuer Kohlebergwerke und zum Ausbau der Kohlekraftwerke, die wir dann Mitte der 60er Jahre mit Hilfe der Ruhrkohle-AG und dem Einsatz von weiteren 8 Milliarden DM staatlicher Gelder geschlossen haben; Gott sei Dank nicht völlig, worüber wir heute froh sind. So schnelläufig sind die Zeiten, und so schnell ändert sich die Einschätzung einer Situation als richtig oder falsch. Ich frage mich, ob die heutigen Zu-



    Rentrop
    kunftserwartungen im Hinblick auf die Energie richtig sind, ob der Energiezuwachs angesichts der Verteuerung der Energie nicht weit langsamer vor sich geht. Dennoch bin ich der Meinung, daß wir den Kernkraftwerksausbau betreiben müssen, allerdings mit Maß, mit Augenmaß, und nicht so, wie ich es gestern von einem Kollegen der CDU/CSU-Fraktion gehört habe: möglichst wie in Frankreich — in jedes Departement ein Kernkraftwerk —, nur dann können wir die Zukunft gewinnen. Sicherlich nicht so!

    (Kiep [CDU/CSU]: Ist Augenmaß das, was die FDP in Schleswig-Holstein gemacht hat?)

    — Was die FDP gemacht hat, ist zumindest der Versuch des Augenmaßes.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Daß auch wir Probleme haben, soll hier doch nicht bestritten werden.