Rede von
Dr.
Rudolf
Sprung
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister hat in seiner Haushaltsrede fast die Hälfte seiner Ausführungen dem Problem der Leistungsbilanz und der außenwirtschaftlichen Lage gewidmet. Dies ist ein erfreulicher Fortschritt. Bis vor kurzem hat die Bundesregierung diese Probleme sehr heruntergespielt bzw. nicht sehen wollen.
Bezüglich der Ursachen unseres Leistungsbilanzdefizits hat der Bundesfinanzminister allerdings nur halbe Wahrheiten gesagt. Wenig konkret waren auch seine Vorstellungen darüber, wie das strukturelle Loch in unserer Leistungsbilanz geschlossen werden kann. Ich möchte deshalb auf die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Haushaltsdefizit, Leistungsbilanzdefizit und Zinspolitik ein wenig näher eingehen.
Meine Damen und Herren, hier tut sich ein Teufelskreis auf, der mit seinen Folgewirkungen auf die gesamte Finanz- und Wirtschaftspolitik von allergrößter Bedeutung ist. Durch das Leistungsbilanzdefizit verliert die Bundesbank ihre Zinsautonomie. Hohe Zinsen ersticken die Konjunktur und führen damit zu Einnahmeausfällen beim Staat. Hohe Zinsen sind zudem direkt höhere Kosten für die öffentlichen Kassen. Das Leistungsfinanzdefizit vergrößert mittelfristig das Haushaltsdefizit.
Auf der anderen Seite ist die Beseitigung des Haushaltsdefizits eine entscheidende Voraussetzung für die Beseitigung des Leistungsbilanzdefizits, da durch das Haushaltsdefizit inländische Ressourcen beansprucht werden, die ansonsten für die Steigerung des Exports und damit zur Verringerung des Leistungsbilanzdefizits zur Verfügung stünden.
Wie die Haushaltsrede am Freitag gezeigt hat, hat offenbar auch der Bundesfinanzminister diesen Zusammenhang mittlerweile erkannt. Das Haushaltsdefizit, ein wichtiges Glied in der Kausalkette, hat er dabei allerdings schamhaft verschwiegen.
Die Bundesrepublik ist in den letzten beiden Jahren von einem traditionellen Überschuß- und Gläubigerland zu einem Defizit- und Schuldnerland geworden. Es kann nicht oft genug auf diesen Wandel hingewiesen werden. Erstmals seit 15 Jahren wies unsere Leistungsbilanz 1979 rote Zahlen auf: 10 Milliarden DM nach einem Plus von noch 17,5 Milliarden DM im Jahre 1978. 1980 belief sich das Minus bereits auf 28 Milliarden DM. Für 1981 muß mit einer Devisenlücke in ähnlicher Größenordnung gerechnet werden. Dieses Leistungsbilanzdefizit des letzten Jahres ist das größte aller Industrieländer Die
Verschlechterung um 46 Milliarden DM in nur zwei Jahren ist erschreckend und alarmierend.
Meine Damen und Herren, für die Bundesregierung ist die Ursache dieser Entwicklung leicht gefunden: die gestiegene Ölrechnung. Natürlich, Herr Finanzminister, haben die höheren Kosten für unsere Öleinfuhren die Leistungsbilanz belastet. Wer wollte das bestreiten. Nur: Andere Länder mußten im vergangenen Jahr die gleichen höheren Ölpreise verkraften, ohne daß sich bei ihnen das Leistungsbilanzdefizit ähnlich dramatisch verschlechtert hätte, wenn wir einmal von den Entwicklungsländern absehen. Herr Finanzminister, es ist eben nicht nur die Ölrechnung, die das Leistungsbilanzdefizit verursacht hat, schwerer wiegt inzwischen, daß sich die Außenhandelsposition der Bundesrepublik ganz allgemein infolge eines schleichenden Verlustes unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit wesentlich verschlechterte.
Das hat auch die Bundesbank in ihrem Dezember-Bericht erstmalig sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie können darin lesen, man sei inzwischen vielerorts zu der Einsicht gekommen, daß es sich bei dem Leistungsbilanzdefizit nicht nur um die Folgen der Ölpreiserhöhung und nicht nur um ein konjunkturelles Phänomen handelt, das bei einer entsprechenden Konjunkturabschwächung wieder verschwindet, sondern zu einem beachtlichen Teil auch um ein längerfristiges und insoweit strukturelles Problem, auf das die Wirtschaftspolitik noch nicht reagiert hat, aber reagieren muß.