Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie
herzlich zum letzten Tag unserer Haushaltsberatungen.
Da heute nicht einmal Geburtstage zu feiern sind, kön-
nen wir gleich in die Debatte einsteigen.
– Das hättet ihr bei der Terminierung der eigenen Ge-
burtstage früher anders organisieren müssen.
Darauf kann ich jetzt leider nicht mehr in der gewünsch-
ten Weise Bezug nehmen.
Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt I – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2013
– Drucksachen 17/10200, 17/10202 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses zu der Unterrich-
Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Johannes Kahrs
Dr. Claudia Winterstein
Roland Claus
Sven-Christian Kindler
Zu diesem Einzeletat liegen vier Änderungsanträge
der Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt je ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. Gibt es dagegen
Einwände? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Johannes Kahrs. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Es ist doch immer eine große Freude, als Ers-ter reden zu dürfen.
Ich freue mich immer wieder, hier den Minister undseine Riege an Staatssekretären zu sehen; sie sind fastkomplett angetreten.
Wenn man sie so sieht, könnte man glauben, dass es indiesem Haus richtig aufwärtsgeht. Wenn man sich mitder Sache beschäftigt, stellt man fest, dass der erste Ein-druck, den man hier vielleicht gewinnen kann, täuscht.Wir alle haben in den letzten drei Jahren den Ministererlebt. Er ist mit sehr viel Vorschusslorbeeren gestartet.Ich glaube, am Ende muss man einfach feststellen – dasist der Etat, mit dem wir ja in den Wahlkampf gehen –,
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Johannes Kahrs
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– Das Problem ist, Herr Fraktionsvorsitzender, dass Siees zwar sagen – Ihr Minister sagt auch viel –, aber Sietun nichts. Das hat Sie und Ihre Koalition in den letztendrei Jahren ausgezeichnet.
Sie sitzen zwar hier, Herr Kauder, und sagen manchmalkluge Sachen, aber Sie tun nichts, außer sich zu streitenoder gegenseitig als Gurkentruppe zu bezeichnen, wasich wiederum nachvollziehen kann.Wenn wir das im Einzelfall betrachten, werden wir,glaube ich, feststellen, dass dieses Haus in dieser Sacheeher schlampt. Wenn man als zuständiger Minister nichtin der Lage ist, einfache Fragen zu beantworten undSachstände zu erfassen, und später sagt, man kann dazunichts sagen, weil man die Planungsstände nicht hat,dann ist das in meinen Augen einfache Schlamperei.Vier Jahre Aussitzen schaden diesem Land. Wir sindauf eine vernünftige Infrastruktur angewiesen. Wir ha-ben Dauerbaustellen mit viel Frust, und wir haben dasProblem, dass die Deutsche Bahn wieder einmal auf ei-nen Winter zufährt und man wieder nicht genau weiß, obsie gerüstet ist. Bei der ersten Schneeflocke stehen wirvielleicht wieder alle.Das heißt, die Wasserstraßen haben ein Problem. DieBahn hat ein Problem. Die Autobahn hat ein Problem.Und wir haben einen Minister, der sich jahrelang überDinge unterhält, die er wichtig findet. Leider sind dasnicht dieselben, die wir für wichtig halten.
Wir haben vier Jahre über die Pkw-Maut gestritten,Herr Minister Ramsauer. Ich glaube, Sie haben jetzt dreiJahre lang die Pkw-Maut gefordert. Da Sie regieren,könnte man glauben, dass Sie das, was Sie fordern, auchin Ihrem eigenen Verein durchsetzen. Das haben Sie abernicht. Ich persönlich finde das gut, weil ich glaube, dassdie Pkw-Maut falsch ist. Wenn CDU/CSU und FDP diePkw-Maut wollen, dann ist das nichts anderes als einAbzocken der deutschen Autofahrer. Im Ergebnis kannman das alles nicht wollen. Aber wenn man es drei odervier Jahre lang fordert, sollte man doch zumindest diePerspektive haben, das, was man jedes Jahr fordert, ir-gendwann einfach mal zu bringen. Wenn man die abernicht hat, hat man ein Problem.Auf der anderen Seite haben Sie eine Luftverkehr-steuer eingeführt; jetzt fordern Sie, diese wieder auszu-setzen. Auch da fragt man sich, was der zuständigeMinister hier tut. Sie sind am Ende für Ihre Koalitionauch mit verantwortlich und im Wort. Sie können nichtsagen: Die haben mich zwar gewählt, die stellen hier dieRegierung und stimmen auch immer für mich, aber ichbin ein Opfer meiner eigenen Abgeordneten. – Das, sofinde ich, wäre etwas billig. So funktioniert das nicht.
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Johannes Kahrs
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Jetzt fehlt aber noch der Rest. Das heißt, die restlichen950 Millionen Euro sind nicht da, und sie kommen auchnicht. Das, was machbar ist, tun Sie nicht bzw. schiebenes nach hinten. Die Projekte, die jetzt nicht machbarsind, die kündigen Sie an, damit Sie erst einmal keinGeld ausgeben müssen. Das ist für das Land Schleswig-Holstein, für Hamburg, aber auch für Deutschland alsGanzes – alle brauchen den Nord-Ostsee-Kanal – eineKatastrophe.
Ähnliches gilt für den Elbe-Seitenkanal. In dasSchiffshebewerk von Scharnebeck investieren Sie nichtdas Geld, das Sie investieren müssten. Den Finanzbei-trag für die Seeschifffahrt haben Sie um die Hälfte redu-ziert. Es ist nur Ihrer eigenen Koalition zu verdanken,dass das wieder zurückgenommen worden ist, ansonstenhätten Sie in diesem Bereich überhaupt nichts gemacht.
– Das Problem ist, wenn die Abgeordneten den Ministerretten müssen, weil er gegenüber dem Finanzministe-rium verloren hat und weil er die Mittel für wichtigeProjekte gekürzt hat. Das ist bei der CO2-Gebäudesanie-rung passiert, das ist bei wichtigen Infrastrukturprojek-ten passiert, und deshalb kommen wir nicht weiter.Herr Minister, Sie haben sich um das Punktesystem inFlensburg gekümmert, um Autokennzeichen, um die Na-mensgebung für Autobahnraststätten, um Rastplätze undSorgentelefone und vieles andere, aber Sie haben sichnicht um die Straßen in diesem Land gekümmert, nichtum die Wasserwege, und Sie haben sich nicht darum ge-kümmert, dass unser Land die Infrastruktur vernünftigausbaut, damit wir nach vorne kommen. Stattdessen zer-schlagen Sie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.Das geht nicht. Das ist eine schlechte Bilanz. Das tut mirleid, und das ist nicht gut für dieses Land.Glück auf!
Bartholomäus Kalb ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! In der Verantwortung des Bundes liegen12 000 Kilometer Autobahnen, 40 000 Kilometer Bun-desstraßen, 37 000 Kilometer Schienenwege und7 350 Kilometer Wasserstraßen. Das heißt, dass wirgroße Verantwortung übernehmen; denn es handelt sichum die Hauptschlagadern unseres Staates, unserer Wirt-schaft, unserer Gesellschaft. Deswegen müssen wir mitbesonderem Verantwortungsbewusstsein mit dem hohenGut der Verkehrsinfrastruktur umgehen und dafür sor-gen, dass sie vernünftig ausgebaut und dass der Bestandgut erhalten wird.Natürlich sind wir andererseits in die Notwendigkei-ten der Haushaltskonsolidierung eingebunden, die unsGrenzen setzen. Deswegen ist es jedes Jahr ein Ringenund ein Kampf und ein Abwägen: Was können, wasmüssen wir für die Verkehrsinfrastruktur, für den weite-ren Ausbau und den Erhalt ausgeben, und was müssenwir vielleicht hintanstellen, weil wir die Haushaltskon-solidierungsziele, wie wir sie in den letzten Tagen be-sprochen haben, erreichen wollen und müssen?Die Infrastruktur nicht in gutem Zustand zu erhalten,wäre ebenfalls eine verdeckte Verschuldung, weil dannspäter Probleme umso stärker auf uns zukommen wür-den. Wir wollen nicht, wie wir es unter der RegierungSchröder erleben mussten, eine Desinvestition hinneh-men, sondern wir wollen die Vermögenswerte erhaltenund weiter zum Nutzen für unsere Gesellschaft, für un-sere Wirtschaft einsetzen können. Gute Verkehrswegesind eine Voraussetzung für die Befriedigung des Mobi-
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Bartholomäus Kalb
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Heute kommt die Kommunikationsinfrastruktur hinzu.Darauf sollten wir in besonderer Weise achten.Das Thema Verkehrsinfrastruktur war immer ein be-sonderes Anliegen der Koalitionshaushälter. In all denzurückliegenden Jahren haben wir uns innerhalb der Ar-beitsgruppe viele Gedanken gemacht und viele Überle-gungen angestellt, um am Ende notwendige Verbesse-rungen vornehmen zu können. Im letzten Jahr ist es unsgelungen, 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung zu stel-len. In diesem Jahr ist es ähnlich. Insbesondere ist derEinsatz unserer Fraktionsspitzen zu erwähnen. Ich darfnamentlich die Kollegen Volker Kauder, unseren Frak-tionsvorsitzenden, Gerda Hasselfeldt und RainerBrüderle nennen, die uns sehr dabei geholfen haben,
auch in diesem Jahr 750 Millionen Euro mehr für dieVerkehrsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Ichdenke, wir haben hier eine ganz vernünftige Aufteilungzustande gebracht. Wir haben gleichzeitig Vorkehrungendafür getroffen, dass die leider anfallenden Mehrkostenfür den Flughafen Berlin außerhalb dieser 750 MillionenEuro noch im Verkehrsetat geschultert werden, in die-sem Jahr 169 Millionen Euro, der Rest im Jahr 2014. Soist es jedenfalls vorgesehen. Ich will jetzt gar nicht sosehr über die Frage der Verantwortlichkeiten reden, wiedie Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden und seineWahrnehmung der Aufgaben ist, obwohl man das ma-chen könnte. Auch der Geschäftsführung könnte manviele Frage stellen. Daran denke ich jetzt nicht.Für mich, der am Beispiel München erlebt hat, wel-che Impulse von einem neuen Flughafen in günstigerLage ausgehen können, ist es eine Tragik, dass ein solchbedeutender Flughafen über Jahre hinweg verzögertwird und seine positiven Wirkungen für den gesamtenWirtschaftsraum Berlin und Brandenburg und darüberhinaus nicht entfalten kann. Auch diese positiven Wir-kungen könnte man hier sehr gut gebrauchen.
– Er sitzt hier.
Er hat uns im Haushaltsausschuss sehr eingehend undumfassend unterrichtet, soweit er dies nach Aktienrechtdurfte. Meine sehr verehrte Kollegin,
der Vorsitzende des Aufsichtsrates trägt eine besondereVerantwortung.
Er wird wahrscheinlich auch, wenn es normal zugeht,vom jeweiligen Sprecher der Geschäftsführung besserund umfassender unterrichtet als jedes andere Mitgliedeines Aufsichtsrates. Jedenfalls ist es im Normalfall so.Ich habe vorhin gesagt: Ich bin nicht hier, um nachVerantwortlichkeiten zu fragen,
sondern um deutlich zu machen, dass es tragisch ist. Esist auch kein gutes Aushängeschild für den Hightech-standort Deutschland, dass wir hier nicht zu Stuhle kom-men.
Meine Damen und Herren, zu anderen Bereichen.Trotz aller Nöte und Zwänge bei den Haushaltsberatun-gen ist es uns gelungen, auch die Städtebauförderung aufdem Niveau von 455 Millionen Euro
zu erhalten.
Auch damit werden Länder und vor allen Dingen Kom-munen bei der Modernisierung und dem Umbau der
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Bartholomäus Kalb
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sondern aus dem Energie- und Klimafonds finanziertwird. Wenn Sie hier aber Forderungen stellen, dannstimmen Sie im Bundesrat
schlicht und einfach unserem Gesetz zur energetischenGebäudesanierung zu. Dann können Sie Impulse setzten.
Wenn Sie oder Ihre Länder einen Euro in die Hand neh-men sollen, dann ist es viel zu teuer; von uns dagegenkönnen Sie gar nicht genug fordern.Wenn Sie mehr Geld brauchen, stimmen Sie im Bun-desrat dem Steuerabkommen mit der Schweiz zu!
Dann haben Sie ab Januar 5 bis 10 Milliarden Euro zu-sätzlich in den Kassen.
Wenn man mit Fachleuten von Ihnen unter vier Augenspricht,
wird klar: Es gibt nur ein einziges Argument – das aberkeines ist –, das gegen das Steuerabkommen mit derSchweiz spricht, nämlich Frau Kraft.
Das ist kein Argument, sondern ein politischer Stolper-stein.
Der Verkehrsetat – ich muss leider zum Schluss kom-men – mit seinem Volumen von über 26,4 MilliardenEuro und mit einem Investitionsanteil von über 13 Mil-liarden Euro ist der Investitionshaushalt des Bundesüberhaupt.In den Haushaltsberatungen haben wir immer großenWert darauf gelegt, dass die Investitionsquote – wo im-mer möglich – verbessert wird, weil damit zum Aus-druck gebracht wird, dass wir in die Zukunft und für dieZukunft investieren.Zum Schluss möchte ich den Kolleginnen und Kolle-gen Berichterstattern ganz herzlich danken, dem Haupt-berichterstatter Kollegen Claus,
Frau Kollegin Dr. Winterstein, Johannes Kahrs, der fürseine Verhältnisse heute eine mäßig emotionale Rede ge-halten hat,
und dem Kollegen Kindler.
Sie meinen wahrscheinlich: maßvoll.
Ganz herzlich danken möchte ich natürlich auch dem
Bundesminister, seinen Staatssekretären sowie den Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses.
Nun hat der Kollege Roland Claus für die Fraktion
Die Linke das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Den Dank gebe ich selbstverständlich gern zu-
rück, und zwar auch deshalb, damit das nicht einseitig an
mir hängen bleibt; denn das ist nicht nur karriereför-
dernd.
Meine Damen und Herren, es geht hier um den Infra-
strukturetat des Bundes. Es geht um unser aller Wohnen,
um Mobilität, um Bauen, um das urbane Miteinander
schlechthin, ja mehr noch, um das Gemeinwohl in Städ-
ten und Gemeinden. Frei übersetzt: um den segensrei-
chen Etat urbi et orbi.
– Kleiner geht es nicht.
Es geht um sehr viel Geld für unsere Infrastruktur.
Herr Kollege Claus, ich hoffe, dass Sie in Ihrem Ma-nuskript die Quelle korrekt angeben.
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Das sagt Ihnen jemand, der weiß, dass Mangel schwieri-ger zu verwalten ist als Überfluss.Eine der ersten Nachrichten in dieser Haushaltswochewar: Der Bund verkauft über 11 500 Wohnungen an ei-nen Finanzinvestor, 11 500 Wohnungen, die bisher derTreuhand Liegenschaftsgesellschaft gehörten. Nun denktman, es gibt in diesem Land einen Wohnungsminister.Was macht der? Er schweigt. Ihre Partei, Herr Ramsauer,heißt aber „Christlich-Soziale Union“. Die Mieterinnenund Mieter dieser Wohnungen hätten an dieser Stelle er-wartet, dass Sie sich für ihr Wohl einsetzen und einemsolchen Verkauf widersprechen. Das wäre an dieserStelle Ihre Pflicht gewesen.
Meine Damen und Herren, die Linke steht für eineVerkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, die stetsvon sozialer Verantwortung und demokratischer Teil-habe aller an den öffentlichen Gütern ausgeht.
Was alle brauchen, muss öffentlich zugänglich und be-zahlbar sein.Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir be-kanntlich viele Veränderungsvorschläge eingebracht.Auf einige will ich eingehen.Wie im vergangenen Jahr ist dem Bauminister imZuge der Haushaltsberatungen erneut ein Geschenk zu-geflossen: 750 Millionen Euro mehr für Verkehrsinfra-struktur. Das ist nicht zu bemängeln. Sie wollen600 Millionen Euro davon allein dem Bereich Straße zurVerfügung stellen. Das ist nicht ausgewogen, HerrMinister. Das ist wohl etwas wie eine Wiedergutma-chung gegenüber dem ADAC, nachdem Sie mehrfachöffentlich über Maut nachgedacht haben. Ich sage Ihnen:Die BILD-Zeitung kann Sie nicht für jede Ihrer Kaprio-len immer wieder raushauen, Herr Minister.
Inzwischen redet keiner mehr über den Börsengangder Bahn. Das ist eigentlich gut so. Im Einzelplan 60,also im Einzelplan der allgemeinen Finanzverwaltungdes Bundes, steht aber nach wie vor die Veräußerung desBahnvermögens als eine anzustrebende Aufgabe. Des-halb hätten wir schon erwartet, Herr Bundesminister– wohl wissend, dass Sie gegen den Börsengang derBahn sind und sich die Spitze der DB AG im Grundeschon von diesem Gedanken verabschiedet hat –, dassSie hier Klarheit schaffen und sagen: Schluss mit dieserunsäglichen Privatisierung! Kein Börsengang der DB AG!
Wir müssen auch darauf aufmerksam machen, dasserneut das elend lange Mautschiedsverfahren um die ent-gangenen Einnahmen hier nicht thematisiert wird. Esgeht hier um 3, 4 oder gar 5 Milliarden Euro, die demBund entgangen sind. Jeder Staatssekretär im Ministe-rium erklärt mir das Gleiche – ich höre es schon seit dreiJahren –, und nichts bewegt sich. Die staatsnahen Mono-polisten, die dem Bund das Ganze eingebrockt haben,werden von Ihnen geschont und nicht zur Kasse gebeten.Das werden wir nicht hinnehmen.
Erneut haben Sie die Mittel für die Städtebauförde-rung zurückgefahren; das können Sie hoch- und runter-rechnen, wie Sie wollen. Ein so erfolgreiches Programmwie „Altersgerecht Umbauen“, derzeit noch im Bestand,trägt bei Ihnen leider den Titel „Abwicklung“.
Dieses Programm haben wir erst vor wenigen Jahren ge-meinsam installiert. Es ist eines der am besten funktio-nierenden Programme, und Sie stellen es auf Abwick-lung, bloß weil Ihnen die FDP das einredet. Das ist dochpurer Unsinn, meine Damen und Herren.
Schließlich muss ich Sie daran erinnern, dass Sie nachwie vor ein in Berlin und Bonn zweigeteiltes Ministe-rium haben. Sie wollen jetzt noch eine Zentralbehördefür die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Bonn kon-struieren. Das kann niemand mehr im Lande verstehen,im Übrigen auch nicht in Bayern, Herr Minister.
Zum guten Schluss. Als Fraktion der konstruktiven,kreativen und lustvollen Oppositionsarbeit
würden wir herzlich gern einmal einem Infrastruktur-haushalt zustimmen. Nur: Hier, heute und für diesen Etatgeht das nicht.Vielen Dank.
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Roland Claus
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Das Wort erhält nun die Kollegin Claudia Winterstein
für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kahrs, Herr Claus, das Leben ist keinWunschkonzert, auch nicht das Leben unseres Ministers.
Wir alle wissen, dass er begrenzte finanzielle Mittel hat.
Nicht alles, was vielleicht notwendig und richtig ist, istzurzeit erfüllbar. – Ich habe immer gedacht, ihr seidHaushälter und geht mit dem Geld sorgfältig um. Dannwisst ihr ganz sicher, dass es eben nicht ohne Weiteresmöglich ist, alle Wünsche zu erfüllen.
Wir alle wissen natürlich: Eine funktions- und leis-tungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist für den Wirtschafts-standort Deutschland eine Grundvoraussetzung. DerEinzelplan 12 als größter Investitionshaushalt leistet ei-nen wichtigen Beitrag für Wirtschaftswachstum und Ar-beitsplatzsicherung. Deswegen hat die Koalition be-schlossen, die Investitionsmittel trotz der angespanntenHaushaltslage im Verkehrsbereich von 10,1 MilliardenEuro um 750 Millionen Euro zu erhöhen. Im nächstenJahr werden davon 600 Millionen Euro fließen. Zur Ver-fügung stehen 470 Millionen Euro für die Straße,100 Millionen Euro für die Wasserstraße und 30 Millio-nen Euro für die Bahn. Im Jahr darauf folgen dann wei-tere 150 Millionen Euro.Insbesondere für die Straßen sind Neubauprojektenotwendig, um die Überlastung der Bundesstraßen zu re-duzieren. Im vergangenen Jahr wurden allein auf denAutobahnen 189 000 Staus mit einer Gesamtlänge von450 000 Kilometern gezählt. Nicht nur, dass uns das alleärgert; das ist natürlich auch ein erheblicher volkswirt-schaftlicher Schaden. Deswegen werden die Mittel vor-nehmlich für baureife Neubauprojekte im Straßenbe-reich eingesetzt. Das ist auch richtig so.Dass die Grünen hingegen für den Stillstand sind, daszeigt der vorliegende Entschließungsantrag,
nämlich der Versuch, den Weiterbau der A 100 hier inBerlin zu verhindern. Diese Haltung ist allerdings ver-wunderlich, wenn man bedenkt, dass Frau Künast undHerr Trittin zu Zeiten von Rot-Grün am Kabinettstischsaßen, als der Ausbau der A 100 im Bundesverkehrs-wegeplan 2003 verankert wurde. Der Weiterbau istwichtig für Berlin; denn die A 100 zählt zu den Straßenmit dem höchsten Verkehrsaufkommen in ganz Deutsch-land. Deswegen werden wir natürlich den Antrag derGrünen ablehnen.Abgelehnt haben wir auch Änderungsanträge von SPDund Grünen zum Verkehrsetat 2013. Die SPD hat Mehr-ausgaben in Höhe von 1,9 Milliarden Euro gefordert, dieGrünen in Höhe von 3 Milliarden Euro, selbstverständ-lich alles ohne eine vernünftige Gegenfinanzierung. Rot-grüne Politik bedeutet letztendlich Steuererhöhung. Wirhingegen konsolidieren erfolgreich und senken die Net-tokreditaufnahme schneller, als wir es eigentlich müss-ten. Das ist unser erstes Ziel: ein entsprechend soliderHaushalt im nächsten Jahr.Zum Schreckgespenst für den deutschen Steuerzahlerwird auch immer mehr der neue Hauptstadtflughafen;das ist schon angesprochen worden. Zurzeit vergehtkaum ein Tag ohne negative Nachrichten. Die Fluglinien,die Passagiere und die Wirtschaft erwarten nun endlichdie Flughafeneröffnung zum 27. Oktober 2013. Insbe-sondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen,die sich am Flughafen angesiedelt haben, sind von derVerschiebung des Eröffnungstermins schwer betroffen,und sie befürchten eine weitere Verschiebung.Der Flughafen sollte zunächst 3,1 Milliarden Eurokosten. Die Flughafengesellschaft hat – bisher jeden-falls – einen finanziellen Mehrbedarf in Höhe von1,2 Milliarden Euro berechnet. Der Anteil des Bundes ander Gesellschaft beträgt 26 Prozent. Das heißt, wir müs-sen 312 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen. Das ha-ben wir Haushälter für die Jahre 2013 und 2014 getan.Allerdings haben wir die Mittel gesperrt, weil es hiernoch eine ganze Reihe von offenen Fragen gibt.Beim Brandschutz sind weiterhin große Probleme zulösen. Mit der Genehmigung der Brandschutzanlagesteht und fällt – das wissen wir alle – der Eröffnungster-min im Oktober nächsten Jahres. Die neuen Problemebei der Brandschutzanlage waren der Geschäftsführungund dem Aufsichtsrat schon vor unserer Haushaltsaus-schusssitzung am 7. November 2012 bekannt. Wir, dieMitglieder des Ausschusses, wurden darüber von HerrnWowereit jedoch nicht informiert. Insbesondere vomAufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Wowereit, erwarte ichhier schon detaillierte und belastbare Informationen.
Herr Professor Schwarz, der Geschäftsführer, hat demAufsichtsrat wiederholt wichtige Informationen vorent-halten. Ich kann nur sagen: Ich habe das Vertrauen indiesen Geschäftsführer verloren und erwarte personelleKonsequenzen.
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25502 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Dr. Claudia Winterstein
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– Nein, nein, im Gegenteil. – Die Mittel für das Pro-gramm „Stadtumbau West“ werden sogar auf 83 Millio-nen Euro erhöht und haben damit nahezu die gleicheHöhe wie die Mittel für das Programm „StadtumbauOst“. Die Mittel werden dringend benötigt, um diewachsende Aufgabe der Standortschließungen bei derBundeswehr zu bewältigen.Zum Schluss komme ich zur Erfolgsgeschichte desMaritimen Bündnisses.
Die Koalition hat den Förderansatz um 29,1 MillionenEuro angehoben und auf dem Niveau von 57,8 MillionenEuro verstetigt.
Durch die Förderung von Ausbildung und Beschäftigungdeutscher Seeleute auf deutschen Schiffen wird derSchifffahrtsstandort in Deutschland gestärkt. Die Koali-tion hat Wort gehalten und bleibt der verlässliche Partnerder maritimen Wirtschaft.Es wird deutlich: Mit dem Einzelplan 12 hat diechristlich-liberale Koalition die richtigen Investitions-schwerpunkte gesetzt.Vielen Dank.
Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen ist die Kollegin Valerie Wilms.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Die Verkehrspolitik dieserRegierung lässt sich am besten vergleichen mit dem Fah-ren im Nebel. Es wird maximal auf Sicht gefahren, ge-rade so weit, wie man im Nebel schauen kann. Weiter alsbis zur nächsten Kurve wird nicht gedacht.
Ob die Straße weitergeht oder der Abgrund kommt, dasinteressiert sie nicht mehr. – So funktioniert diese Regie-rung. Da werden zusätzliche 750 Millionen fast nur fürNeubauten ausgegeben. Wie es danach weitergeht, inte-ressiert sie nicht. Ein langfristiger Plan? Leider Fehlan-zeige!
Sie, Herr Minister Ramsauer und Ihre Koalition inAbwicklung, können die zusätzlichen Mittel für den Ver-kehr feiern, wie Sie wollen. Die bittere Wahrheit ist: Sievergrößern die Probleme damit.
Noch schlimmer ist: Sie wollen noch nicht einmal sehen,dass Sie durch diese Handlungsweise die Probleme ver-größern.Auf den ersten Blick könnte man ja denken, Sie hät-ten etwas gelernt. Im Haushaltsentwurf vom Sommerverschieben Sie mehr Mittel in den Erhalt und kürzenbeim Neubau. Vom Grundsatz her ist das richtig; dennwir alle wissen: Wir haben ein riesiges Problem mit demErhalt dessen, was wir schon gebaut haben. Das ist auchin Amerika so, Herr Kollege Kalb. Es geht nicht unbe-dingt um Neubau, sondern um den Erhalt dessen, was indie Welt gesetzt wurde.Der Haushaltsentwurf sah zunächst einigermaßenpassabel aus. Aber es war eine Mogelpackung, und zwaraus zwei Gründen. Erstens können die Länder die Mittelfür den Erhalt auch für den Neubau nutzen. Sie wissen,das ist lange so passiert, weil die Titel untereinander de-ckungsfähig sind. Zweitens ist dieser Haushaltsentwurfdas Papier, auf dem er geschrieben ist, nicht wert;
denn Sie fordern umgehend zusätzliche Mittel, um siefast komplett in Neubauten zu stecken. Wo bleibt denneigentlich die Ehrlichkeit, die Sie im Umgang mit demParlament angekündigt haben?
Drei Viertel der zusätzlichen Mittel landen im Stra-ßenneubau. Wir werden also im nächsten Jahr wieder ei-nige blitzblank geputzte Spaten sehen, die pünktlich zuden Wahlen neue Bauprojekte ankündigen. Im Frühjahrdieses Jahres haben Sie das in Brunsbüttel an derSchleuse gemacht. Ihre Mitarbeiter vom Wasser- undSchifffahrtsamt haben extra neue Spaten gekauft, ganzfrisch, nigelnagelneu. Die haben sie in den Boden ge-
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Dr. Valerie Wilms
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Das Ganze tun Sie, obwohl Sie genau wissen, dass dieProbleme größer werden; denn jeder neu gebaute Kilo-meter bindet Mittel in der Zukunft. Eine verantwor-tungsvolle Regierung würde sich darüber ernsthaft Ge-danken machen;
aber Sie stellen sich diesem Problem nicht. Die neuenStraßen werden nicht durchfinanziert,
der Bau wird über Jahrzehnte gestreckt; aber das interes-siert Sie nicht. Das Einzige, was für Sie zählt, sind einpaar schöne Bilder und Versprechen für den Wahlkampf.Das mag Ihnen vielleicht gefallen, aber eine solcheHandlungsweise ist unverantwortlich.
Mit Nachhaltigkeit, die für unsere zukünftigen Genera-tionen wichtig ist, hat das überhaupt nichts zu tun.Der größte Hammer aber ist: Wenn es nach dieser Re-gierung geht, soll sich das nicht ändern. Derzeit wird dernächste Bundesverkehrswegeplan vorbereitet. Aber nochwährend Sie überlegen, nach welcher Methodik die Pro-jekte aufgenommen werden sollen, laden Sie die Länderherzlich ein – das muss man sich einmal auf der Zungezergehen lassen: herzlich –, ihre Wünsche zu äußern. Inden nächsten Monaten werden wir wieder landauf,landab neue und alte Wünsche hören; das kennen wir jaschon. IHK, Wahlkreisabgeordnete und Länder werdensich gegenseitig mit Vorschlägen zu Verkehrsprojektenüberbieten.
Das Schöne für die Länder ist, dass der Bund alles be-zahlt. In der Verkehrspolitik geht es zu wie zu Weihnach-ten: Man darf sich etwas wünschen, das Spielzeug be-nutzen und kaputtmachen, wie man will. Hauptsache,der Bund als Weihnachtsmann bezahlt die ganze Num-mer.So kann es nicht weitergehen.
Wir müssen grundlegend etwas verändern, und wir müs-sen jetzt damit anfangen.
Beton bedeutet nicht: mehr Fortschritt. Damit betonierenwir nämlich vor allem die Möglichkeiten für unsere Kin-der, unsere Enkel und deren Kinder in der Zukunft. Da-her appelliere ich hier an alle Fraktionen, nicht nur andie Regierungsfraktionen.
Bei der Aufstellung dieses Haushalts wurden wiedereinmal alle Chancen liegen gelassen. Die Koalition zeigtbeim Verkehrsetat, dass sie nicht verantwortungsvoll mitGeld umgehen kann – jeder Mittelständler rauft sich dieHaare –: Ohne Plan und auf Pump verplempern Sie Geldfür Prestigeprojekte.
Das ist möglich, weil Sie nicht so vernünftig rechnen,wie es ein Mittelständler tut. Als Bund leisten wir uns,wie ein Dinosaurier, weiterhin die kameralistische Haus-haltsführung. Damit kann niemand nachvollziehen, wasan Werten vorhanden ist. Wir wissen nicht, wie viel wireigentlich jährlich zurücklegen müssten, um die Sub-stanz zu erhalten. Deswegen fahren wir dauernd auf Ver-schleiß. Kein Mittelständler könnte sich so etwas leisten;aber die schwarz-gelbe Chaostruppe, die von Wirtschaftangeblich etwas versteht, fasst dieses Grundsatzproblemnicht an.
Ich plädiere deswegen dafür, dass sich zumindest dieVerkehrspolitiker einmal zusammensetzen und überneue Steuerungsmodelle für den Verkehrsetat nachden-ken. Hier könnten wir mit doppischer Haushaltsführungviel klarer die Mittel einteilen, statt sie, wie heute, zuverstecken. Diese Diskussion müssen wir jetzt beginnen.Wir brauchen sie für die langfristige Planung.
Frau Kollegin Wilms!
Ich bin gleich so weit, Herr Präsident.
Das wäre schön.
Wir brauchen einen ganz neuen Ansatz.
Wir wollen die Mobilität unserer Menschen und der
Wirtschaft in Deutschland sichern. Das sind wir den zu-
künftigen Generationen schuldig. Wir dürfen nicht nur
bis zur nächsten Wahl denken.
Vielen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Patrick Schnieder fürdie CDU/CSU-Fraktion.
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Sie von der Opposition haben hier bisher nur ein Zerr-bild der Wirklichkeit gezeichnet. Das hat mit seriöserHaushaltspolitik, mit seriöser Verkehrs- und Baupolitiknun wirklich nichts zu tun.
Um Ihr Bild aufzugreifen, verehrte Kollegin Wilms: Ichverstehe, dass Sie das Gefühl haben, im Nebel zu fahren.Das ist kein Wunder bei dem Bild von Verkehrs- undBaupolitik, das Sie hier präsentiert haben.
Dass wir die Herausforderungen annehmen, insbeson-dere im Verkehrsbereich, zeigt sich nicht nur an der ho-hen Investitionslinie, die wir fortführen, sondern auchdaran, dass der Minister und diese Koalition im Kampfum zusätzliche Mittel erfolgreich waren. Nach der Mil-liarde im laufenden Jahr können wir im nächsten Jahr0,75 Milliarden Euro zusätzlich für den Verkehrsbereichausgeben.
Das sind zusätzliche Mittel. Dabei halten wir die Schul-denbremse ein.Herr Kollege Kahrs, wir befinden uns nicht in einemsteuerpolitischen Blindflug wie Sie. Wir wollen keineSteuererhöhungsorgien starten und blockieren keinewichtigen steuerpolitischen Vorhaben im Bundesrat,sondern gestalten die Zukunft auf vernünftige Art undWeise.
Es ist schon eine Chuzpe, meine Damen und Herrenvon der Opposition, zu behaupten, dass vor allem dieBayern Nutznießer der zusätzlichen Investitionen imVerkehrshaushalt seien und dass das an der bevorstehen-den Landtagswahl in Bayern liege.
Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, was Ihre Lan-desregierungen im Verkehrsbereich machen. Die blo-ckieren und schaffen kein Baurecht. Sie wollen das Gelddes Bundes nicht, um zu bauen, und beschweren sichdann, dass die Länder, die Baurecht geschaffen haben,bauen können.
– Ich bedanke mich dafür, dass der Kollege Bartol mirrecht gibt. Jawohl, wir setzen die richtigen Prioritäten:
Erhalt vor Neubau. Genau das tun wir.Wir stecken viel Geld in die Unterhaltung der Stra-ßenverkehrsinfrastruktur.
Ich nenne als Beispiel das Brückenprogramm. InDeutschland gibt es etwa 39 000 Brücken, die zwischen30 und 50 Jahre alt sind. In den letzten zehn Jahren wur-den hier durchschnittlich 300 Millionen Euro pro Jahrinvestiert. Wir werden im neuen Haushalt mehr als dasDoppelte in die Unterhaltung der Brückenbauwerke in-vestieren.Ich nenne als weiteres Beispiel die Lärmschutzmaß-nahmen; dazu haben wir von Ihnen in dieser WocheSpannendes gehört. Im Straßenbereich werden im nächs-ten Jahr 50 Millionen Euro für entsprechende Maßnah-men bereitgestellt. Hinzu kommen die Mittel, die wir fürdie Lärmvorsorge bei Neu- und Umbaumaßnahmen ein-stellen. Das sind noch einmal mehr als 100 MillionenEuro. Das schließt auch die Schiene ein. Hier fließen zu-sätzlich 40 Millionen Euro.Wir arbeiten unser Programm ab.
Wir schaffen den Schienenbonus ab; das haben wir indieser Woche im Ausschuss mit der Änderung des Bun-des-Immissionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht.
Wir schaffen das, was Sie in elf Jahren unter SPD-Ver-kehrsministern nicht auf die Reihe bekommen haben.
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Patrick Schnieder
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Alle warten auf diese Förderung: die Wirtschaft, dieHauseigentümer und die Mieter. Aber Sie blockierendas, obwohl hier ein riesiges Potenzial – ich verweisenur auf den Klimaschutz, die Bedeutung der Investitio-nen für Handwerk und Mittelstand und Innovationspro-gramme – besteht.Herr Kahrs, jetzt kehren wir zur Wahrheit zurück.
Natürlich haben die Länder Steuerausfälle zu verkraften.Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Mehrauf-kommen aus der Umsatzsteuer die Ausfälle überkom-pensiert. Was Sie machen, ist nichts anderes, als mit derWahrheit flexibel umzugehen.
– Meine sehr geehrten Kollegen von der Opposition, ichweiß, dass Sie erregt sind, weil hier entlarvt wird, wel-che falsche Politik Sie machen. Sie machen einfach denLafontaine und sonst gar nichts, ohne irgendeinenGrund.
Wir setzen unsere Politik im Bereich der energeti-schen Stadtsanierung – KfW-Förderprogramm und CO2-Gebäudesanierungsprogramm – fort.
Lassen Sie mich noch ein letztes Wort zur Städte-bauförderung sagen.
Wir befinden uns dort mit 450 Millionen Euro weiterhinauf einem hohen Niveau. Das sollten Sie schätzen. Sielegen hier ein Wunschprogramm auf und bleiben der Öf-fentlichkeit nach wie vor den Nachweis schuldig, wieSie das seriös finanzieren wollen.
– Das tun wir nicht. Wir führen die Städtebauförderung– das ist wichtig – auf hohem Niveau fort. Dazu stehenwir, darauf können wir stolz sein. Sie wissen genau, dasses Länder gibt, deren Führung Ihrer Provenienz ist,
die hinter vorgehaltener Hand sagen: Wir können den Ei-genanteil gar nicht aufbringen, wenn die Mittel dortnoch verstärkt werden. – Also auch da ist bei Ihnen vielmehr Ehrlichkeit gefordert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube,wir sind in der Verkehrs- und Baupolitik dank dieser Ko-alition auf einem guten Weg.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Sören Bartol für
die SPD.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Vielen Dank, Kollege Kahrs, für die Aufforderung. –Zum dritten Mal legen Sie von der schwarz-gelben Ko-alition einen Haushaltsentwurf vor, der den Problemenin unserem Land nicht gerecht wird. Er dokumentierteinmal mehr das Scheitern des zuständigen Bundesmi-nisters Dr. Peter Ramsauer und der Regierungskoalition.Lieber Herr Minister, ich glaube, dass Sie sich vor lauterScham ganz bewusst ans Ende der Rednerliste haben set-zen lassen.
Ich hoffe, Herr Minister Ramsauer, dass dieser Haus-halt der letzte ist, den Sie gegenüber diesem Parlamentzu vertreten haben.
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25506 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Sören Bartol
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Nach über drei Jahren Amtszeit beklagt der zustän-dige Bundesverkehrsminister immer noch, dass die In-vestitionen in die Verkehrsinfrastruktur unterfinanziertsind.
Dabei nimmt er jedes Jahr über die Zwangsdividende derSchiene eine halbe Milliarde Euro weg, die im allgemei-nen Bundeshaushalt versickert.
Außerdem redet er zwar dauernd von der Pkw-Maut,sorgt aber praktisch für sinkende Lkw-Mauteinnahmenund damit für weitere Einnahmeausfälle.
Sie von den Koalitionsfraktionen und Ihr Bundesminis-ter sind schlechte Verwalter unserer Steuergelder.
Die Sondermilliarde für die Verkehrsinvestitionen er-weist sich dieses Jahr als zu kurzatmig; sie kommt beiden Menschen auch nicht an. Sie verpufft. Bis zumSommer war das Geld nicht einmal zur Hälfte verbaut.Auch die zusätzlichen 750 Millionen Euro für dasnächste Jahr werden als schwarz-gelbes Spatenstichpro-gramm im Landtags- und Bundestagswahljahr enden.Die Schiene bekommt zum wiederholten Male den ge-ringsten Anteil.Im Gegensatz zur Bundesregierung wollen wir klarePrioritäten beim Aus- und Neubau unserer Verkehrs-wege setzen. Wie man das macht, zeigen gerade die so-zialdemokratischen Verkehrsminister in den Ländern.Gebaut werden muss dort, wo der Verkehr stattfindet.Der Grundsatz kann nicht immer nur heißen: Bayern zu-erst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ichbin froh, dass sich die FDP mit ihren Forderungen nacheiner totalen Privatisierung der Wasser- und Schifffahrts-verwaltung sowie einem massiven Personalabbau imBundeshaushalt 2013 noch nicht durchsetzen konnte.
Aber trotzdem: Es kann doch nicht wahr sein, dass Sie,Herr Ramsauer, ohne gesetzliche Grundlage in IhremMinisterium bereits anfangen, eine neue, riesige Zentral-behörde aufzubauen,
die wirklich niemand in diesem Land will.
Gleichzeitig verunsichern Sie alle mit einer absurdenKategorisierung der Bundeswasserstraßen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-rung stellt in ihrem Wohnungs- und Immobilienberichtfest, dass in Großstädten, Ballungszentren, aber auch inUniversitätsstädten die Mieten 2011 um bis zu 10 Pro-zent gestiegen sind. Das trifft vor allen Dingen Familien,Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner sowie Stu-dierende. Sie finden in den Innenstädten keine bezahlba-ren Wohnungen mehr. Wenn Haushalte mit einem Ein-kommen von 1 300 Euro 45 Prozent für Miete undNebenkosten aufbringen müssen, dann ist die Belas-tungsgrenze deutlich überschritten. Was ist die Antwortder Bundesregierung? Ein Angriff auf das Mietrecht zu-lasten der Mieterinnen und Mieter!
Wenn Sie nicht endlich etwas tun, um die Mietpreis-spirale zu stoppen, wenn Sie nicht endlich etwas tun, umdem Neubau bezahlbarer Wohnungen Impulse zu geben,
wenn Sie nicht endlich die energetische Sanierung ver-lässlich und ausreichend fördern, um die Heizkostenbe-lastungen zu senken, ohne dieses peinliche Spiel mitdem Bundesrat zu veranstalten,
dann sind Sie dafür verantwortlich, dass die Menschenin unserem Land aufgrund steigender Mieten aus ihremsozialen Umfeld verdrängt werden.
Mit der Kürzung der Mittel für die Städtebauförde-rung, besonders der Mittel für das Programm „SozialeStadt“, tun Sie ein Übriges, um den sozialen Frieden inunseren Städten zu gefährden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25507
Sören Bartol
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Dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von derUnion, das mittragen, finde ich unglaublich. Drei JahreKürzungen gerade in den Stadtbezirken, in denen ammeisten für Integration und sozialen Zusammenhalt ge-leistet werden muss, sind genug!Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz zeigt seitseiner Wahl, wie man in der Politik gegen steigendeMieten vorgehen kann. Er schließt ein Bündnis mit Woh-nungsunternehmen und Mieterverbänden, fördert denBau neuer Wohnungen und entlastet so den Wohnungs-markt. Auch auf Bundesebene bräuchten wir endlichsolch ein entschlossenes Vorgehen, Herr Minister.
Ich sage: Führen Sie endlich die Heizkostenkompo-nente beim Wohngeld wieder ein! Dass die Energie-kosten gesunken sind, das glaubt Ihnen kein Menschmehr.
Stoppen Sie die Mietrechtsänderung und tun Sie endlichetwas gegen die Preisspirale am Wohnungsmarkt! Stop-pen Sie den Verkauf der bundeseigenen TLG-Wohnun-gen an einen privaten Investor! Es darf nicht sein, dassder Bund Wohnungen verkauft und die Mieterinnen undMieter in die Hände von Finanzinvestoren fallen!
Fördern Sie den altersgerechten Umbau wieder mitZuschüssen aus Bundesmitteln, damit ältere Menschenmöglichst lange – das ist unser aller Ziel – in der eigenenWohnung bleiben können!
Mit Krediten allein ist vielen älteren Menschen nicht ge-holfen.Nehmen Sie die Kürzungen bei der Städtebauförde-rung zurück und investieren Sie in die Zukunft derStädte und Gemeinden, statt ihnen, wie Sie es tun, dieLuft abzudrehen!Stocken Sie die Mittel zur Förderung der CO2-Gebäu-desanierung auf 2 Milliarden Euro auf und finanzierenSie sie verlässlich in Ihrem eigenen Haushalt!
Wie unsicher die Einnahmen des Energie- und Klima-fonds sind, haben mittlerweile hoffentlich alle verstan-den.Die Menschen in unserem Land wollen einen starkenVerkehrsminister, der Reformen bei der Finanzierungunserer Verkehrswege anpackt und sich nicht nur in ei-ner Reform des Flensburger Punktesystems verheddert.
Ich glaube, dass die Menschen in unserem Land einenstarken Bauminister brauchen, der sich für die sozialenRechte der Mieterinnen und Mieter und für bezahlbarenWohnraum einsetzt. Sie, Herr Minister Ramsauer, stehenganz sicher nicht dafür. Deswegen ist klar: Wir werdenIhren Haushalt ablehnen.
Oliver Luksic erhält nun das Wort für die FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Wir stehen für zukunftssichere Mobilität und klugeInfrastrukturpolitik. Der Einzelplan 12 bleibt trotz dernotwendigen Haushaltskonsolidierung der größte Inves-titionshaushalt.
Die Opposition stellt es hier so dar, als ob die Koali-tion nichts tun würde, aber das Gegenteil ist der Fall.Kollege Kahrs hat die vielen internationalen Verpflich-tungen angesprochen. Wer hat die denn unterschrieben?
Wer ist die vielen Verpflichtungen eingegangen? Diemeisten sind Herr Stolpe und Herr Tiefensee eingegan-gen, ohne eine solide Finanzierung zu haben.
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25508 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Oliver Luksic
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Wir bekennen uns klipp und klar zur Notwendigkeit,die Infrastruktur auszubauen.
Wir haben den Haushalt um 750 Millionen Euro aufge-stockt;
das ist ein großer Erfolg des Bundesministers Ramsauerund der Verkehrspolitiker der Koalition.Lieber Kollege Bartol, über den Verkauf von Woh-nungen werden hier Märchen erzählt. Auch der BerlinerSenat verkauft doch gerade Wohnungen. Wer regiertdenn da? Es ist die SPD.
Insofern ist das doch alles nicht glaubwürdig, was davon der SPD kommt.
Wir werden von diesen 750 Millionen Euro einen be-sonders hohen Anteil den Wasserstraßen zur Verfügungstellen; das ist auch gut und richtig.
Ich glaube, dass beispielsweise die Moselschleusen drin-gend Investitionen brauchen.
Es gibt hier in der Tat einen großen Unterschied zwi-schen unserer Politik und Ihrer Politik: Sie fordern aufder einen Seite immer mehr Ausgaben, und auf der ande-ren Seite werfen Sie uns, wenn wir mehr investieren,vor, Wahlgeschenke zu verteilen. Da muss sich die SPDschon entscheiden: Will sie mehr Investitionen, odersind das Wahlgeschenke?
Eines von beidem muss ja richtig sein. Elf Minuten ha-ben wir Ihnen jetzt zugehört, lieber Kollege Bartol.
Ich habe aber keine einzige Idee von der SPD gehört.
Die Bilanz der Koalition ist gut.
Wir haben unseren Koalitionsvertrag solide abgearbeitet.Die verschleppte Reform der Wasser- und Schifffahrts-verwaltung – immer wieder hat der Bundesrechnungshofdarauf hingewiesen – sind wir angegangen.
Das maritime Bündnis haben wir wieder zukunftsfest ge-macht; die Kollegen Rehberg, Winterstein und Staffeldthaben sich hierfür besonders eingesetzt.
Das Eisenbahnregulierungsgesetz haben wir auf denWeg gebracht und den Wettbewerb auf der Schiene ge-stärkt. Was den Schienenbonus betrifft, ist unter der Ver-antwortung der SPD elf Jahre nichts passiert. Wir tunetwas für den Lärmschutz und sorgen auch für den Ein-stieg in lärmabhängige Trassenpreise.
Wir haben das begleitete Fahren mit 17 nach vorn ge-bracht, den Finanzierungskreislauf Straße eingeführt undmit dem Mautmoratorium letzten Endes Verlässlichkeitfür das Gewerbe geschaffen. Jetzt gehen wir die überfäl-lige Reform des Verkehrszentralregisters an. Wir habenes geschafft, dafür zu sorgen, dass die Liberalisierungdes Fernbusverkehrs angestoßen wird. Das ist eine Bi-lanz dieser Koalition, die sich sehen lassen kann, liebeKolleginnen und Kollegen.
Entscheidend ist doch: Was will die Opposition?
Im Haushaltsverfahren fordern Sie immer mehr Geld;das haben wir ja gerade gehört. Wir sind sehr viele Vor-haben angegangen. Die Kollegen von SPD und Grünenhaben zum Einzelplan 12 zusammen Mehrausgaben inHöhe von 6,5 Milliarden Euro vorgeschlagen – nur zumEinzelplan 12 Mehrausgaben von 6,5 Milliarden Euro! –,aber keinen einzigen Einsparvorschlag zum Einzel-plan 12 gemacht.
– Das kann man nachrechnen und nachlesen.
Sie haben keinen einzigen Einsparvorschlag gemacht.
Sie fordern die Erhöhung der Kfz-Steuer, die Einführungeiner Logistikabgabe, die Grünen fordern die Einfüh-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25509
Oliver Luksic
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Sie wollen immer weiter regulieren, ja sogar überregu-lieren: Citymaut, Pkw-Maut und andere Punkte, flächen-deckend Tempo-30-Zonen, Maut für alle. Regularitis,das ist Ihre Politik.
Wir stehen für Mobilität. Das ist der Unterschied zuIhnen, liebe Freunde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten die Pro-
tokollführer nicht überfordern.
Mehr als 30 Zwischenrufe gleichzeitig werden im Proto-
koll nicht namentlich wiederzufinden sein.
Herr Kollege, bitte schön.
Ein wichtiger Hinweis an den Kollegen Kahrs. Wir
können die von Ihnen geforderten Mehrausgaben von
6,5 Milliarden Euro nachher gerne einmal zusammen
durchgehen. Es ist leider so: In den Anträgen der Ver-
kehrspolitiker von den Grünen und der SPD werden
Mehrausgaben von 6,5 Milliarden Euro gefordert.
Da kommen Sie jetzt nicht raus. Sie wollen doch zusam-
men regieren. Da sind 6,5 Milliarden Euro ein bisschen
viel.
Wir haben die Infrastrukturmittel erhöht, solide ge-
genfinanziert. Wir wollen auch die nichtbundeseigenen
Eisenbahnen stärker fördern; das ist ein wichtiger Punkt
für unsere Koalition. Das ist eben der Unterschied zu Ih-
nen: Sie wollen nur hemmungslos Geld ausgeben, das
Sie nicht haben. Wir betreiben Haushaltskonsolidierung,
sorgen für zukunftssichere Mobilität und machen eine
kluge Infrastrukturpolitik –
und das solide gegenfinanziert. Das ist der Gegensatz zu
Ihnen. Deswegen regieren wir, und das wird auch so
bleiben.
Vielen Dank.
Heidrun Bluhm ist die nächste Rednerin für die Frak-
tion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorallem ein herzliches Willkommen den Gästen aus Meck-lenburg-Vorpommern, meinem Heimatland!
Die Fraktion Die Linke hat sich in ihren Anträgenzum Haushalt 2013 beim Etat „Bauen und Wohnen“ aufzwei Schwerpunkte konzentriert, zum Ersten auf den so-zialen Wohnungsbau und zum Zweiten auf die Altschul-denhilfe für die ostdeutsche Wohnungswirtschaft. DieEreignisse zeigen, dass unsere Schwerpunkte gleichzei-tig leider auch Brennpunkte sind.
Am 10. November dieses Jahres hat es in mehreren deut-schen Städten – in Berlin, Hamburg und Freiburg – wohlerstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Demon-strationen von Mieterinnen und Mietern gegeben. DieMenschen wollen und können die rasant steigendenMiet- und Wohnkosten nicht mehr länger hinnehmen.
Sie machen die Bundesregierung und deren jahrelangeFehlleistung in der Wohnungspolitik dafür verantwort-lich, dass die Wohnkosten überall dramatisch steigenund mittlerweile einen Großteil des Haushaltseinkom-mens förmlich auffressen.Die Demonstrationen hätten ebenso gut in Greifs-wald, Jena oder München stattfinden können. Das wer-den sie sicherlich zukünftig auch; denn das wird sich zueinem Flächenbrand in der Republik entwickeln, und dieBundesregierung ist immer noch nicht wach.
Sie hat noch nicht akzeptiert, dass Wohnen eine sozialeFrage und eine politische Aufgabe ist.Durch den Privatisierungswahn in Deutschland steu-ern wir auf eine neue Wohnungsnot zu. Eine der grundle-genden Ursachen für den galoppierenden Mangel an be-
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25510 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Heidrun Bluhm
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In den letzten zwei Jahrzehnten sind immer mehrWohnungen aus der Sozialbindung herausgefallen, alleinin den letzten zehn Jahren 100 000 pro Jahr. Die Pestel-Studie, die uns allen vorliegt, hat das Ergebnis, dass,vorsichtig gerechnet, bundesweit insgesamt 5,6 Millio-nen Sozialwohnungen benötigt werden. Tatsächlich sindzurzeit nur noch 1,6 Millionen solcher Wohnungen ver-fügbar, und wir werden zum Jahresende die 1,5-Millio-nen-Grenze unterschreiten.In Metropolregionen, Groß- und Universitätsstädtenzeigt sich die Wohnungsnot schlicht in fehlendemWohnraum; dort kann alles, egal in welchem Zustand,vermietet werden – und das zu Mondpreisen. Die Folgeist: Nicht nur Transferempfänger werden aus städtischenQuartieren ausquartiert, auch Berufstätige mit geringe-rem Einkommen oder durchschnittlichem Einkommenkönnen es sich einfach nicht mehr leisten, in angemesse-ner Entfernung zu ihrer Arbeitsstätte zu wohnen. DerWohnungsmarkt ist für sie faktisch geschlossen. Not-wendig sind dringend mehr Sozialwohnungen.Im ländlichen Raum, in kleineren Städten, abseits derBoomtowns, gibt es zwar kein Wohnungsproblem, dassich in fehlenden Quadratmetern ausdrücken ließe. Hierzeigt sich die Wohnungsnot allerdings in einem Mangelan energetisch sanierten und altersgerechten Wohnun-gen.
Trotz stabiler Kaltmieten treiben die Mietnebenkostendie Preise für das Wohnen steil nach oben. Wer heute imNiedriglohnsektor arbeitet oder Hartz IV bezieht, wirdspäter von Altersarmut betroffen sein und das Wohnenüberhaupt nicht mehr bezahlen können. Wohnen wirdüberall in unserer Republik zu einem existenziellen Pro-blem.Neben dem Umstand, dass immer mehr Wohnungenaus der Mietpreisbindung herausfallen, werden einfachzu wenige Wohnungen mit Preisbindung oder Bele-gungsbindung gebaut. Neu gebaut werden aktuell noch10 000 solcher Wohnungen im Jahr. Gebraucht würdenfünfmal so viele.Wir fordern deshalb nicht nur, dass die Kompensa-tionszahlungen des Bundes beibehalten werden, sondernwir wollen, dass sie auf 700 Millionen Euro angehobenund auf diesem Niveau verstetigt werden.
Dies muss begleitet werden von verbindlichen Vereinba-rungen mit Ländern und Kommunen, damit diese Mitteltatsächlich restlos zweckgebunden eingesetzt werden.Nun noch ein Satz zu den Altschulden. Wir fordern,dass die noch verfügbaren Mittel der Altschuldenhilfeauch über das Jahr 2013 hinaus für die ostdeutschenWohnungsunternehmen verfügbar gehalten werden;denn wenn diese Mittel – circa 75 Millionen Euro – bisEnde 2013 nicht abgerufen werden sollten, dann nichtdeshalb, weil sie nicht gebraucht würden, sondern des-halb, weil es gerade den kleineren Wohnungsunternehmenin ländlichen Bereichen an Wirtschaftskraft mangelt, umdie Mittel der Altschuldenhilfe formal fristgerecht einzu-setzen. Das sagt auch der GdW. Also kassieren Sie dieseMillionen nicht wieder ein! Denn damit verhindern Sieden Abriss von 20 000 leerstehenden Wohnungen im Os-ten.
Herr Minister, ein letztes Wort: Sie sagen, man könnedie Städtebauförderung mit einem Tanker vergleichen.Das sage ich auch öfter, und das ist auch richtig. Aberder Unterschied zwischen einem Tanker und der Woh-nungspolitik der Bundesregierung ist, dass ein Tankeram Start mit ausreichend Treibstoff und mit einem Navi-gator ausgestattet ist. Nehmen Sie unsere Anträge alsNavigator
und die Fördermittel als Treibstoff! Dann kommen Siegemeinsam mit den Mieterinnen und Mietern inDeutschland und mit uns ins Ziel.Danke schön.
Das Wort hat nun der Bundesminister PeterRamsauer.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Dieser Etat ist ein exzellenter, ein guter Etat.
Alle, die etwas auf gute Verkehrsinfrastruktur, auf guteMobilität, auf guten Städtebau, auf gutes Bauen und aufgutes Wohnen in unserem Land halten, können froh überdiesen Haushaltsentwurf sein.
Einige Bemerkungen zum Thema Bauen. Dabeigreife ich Anmerkungen aus der Opposition gerne auf.Der Bund ist und bleibt ein zuverlässiger Partner vonStädten und Gemeinden in der Städtebauförderung;
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25511
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
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verstetigt.
Es ist uns gelungen, die Energiewende, für die meinMinisterium ein hohes Maß an Verantwortung mitträgt,
durch das KfW-Programm „Energetische Stadtsanie-rung“, für das wir die Mittel von in diesem Jahr 92 Mil-lionen Euro auf 100 Millionen Euro im kommenden Jahrerhöhen wollen,
mit der Städtebauförderung zu verzahnen.Nun ein Wort zur energetischen Gebäudesanierung.Dazu, dass hier von Rot und Grün giftige Anmerkungenkommen,
kann ich nur sagen: Da reden die Richtigen.
Wir, diese Koalition, haben vor eineinviertel Jahrendas Gesetz zur steuerlichen Abschreibungsförderung fer-tiggestellt, das eine hervorragende Ergänzung zu unsererUnterstützung der energetischen Gebäudesanierung ist,die wir aus der Kreditanstalt für Wiederaufbau herausohnehin leisten. Unser Ziel ist eine Sanierungsquote vonjährlich 2 bis 3 Prozent im Gebäude- und Wohnungsbe-stand. Dafür ist die Förderung durch die Kreditanstalt fürWiederaufbau ein wichtiger Baustein.
Dies muss aber durch die steuerliche Abschreibungs-förderung ergänzt werden, die dieser Regierung durchdie Länder, die rot und grün regiert sind, im Bundesratverwehrt wird.
Alle, die ihre Gebäude durch eine Abschreibung auf die-ser Basis sanieren wollen, können sich bei Ihnen von derOpposition dafür bedanken, dass sie es noch nicht kön-nen.
Zum Thema Wohnungsbau. Ich bin froh und freuemich darüber, dass der Wohnungsbau in den letzten zweiJahren wieder deutlich angezogen hat.
Gegenüber dem Jahr 2010 gab es im Jahr 2011 ein Plusan Baugenehmigungen von 22 Prozent. Dieses Plus anBaugenehmigungen setzt sich in diesem Jahr ganz klarfort. Ich setze darauf, dass sich dieser Trend auch in denkommenden Jahren fortsetzen wird, weil auch wiederbessere Renditen erwirtschaftet werden können.Sie haben das Thema „Soziale Wohnraumförderung“angesprochen. Wer hat denn die Änderung der Zustän-digkeit für die soziale Wohnraumförderung in der vor-letzten Legislaturperiode mit beschlossen? Das war auchdie Opposition, die hier sitzt.
Sie müssten eigentlich wissen, dass die alleinige gesetz-liche Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderungseit dem Jahr 2007 bei den Ländern liegt.
Ich halte aber wenig davon, dass man mit dem Fingerauf andere zeigt,
und versucht, mit den Ländern gute Wege zu finden.Der Bund gibt den Ländern jedes Jahr gut 518 Millio-nen Euro, die sie für die soziale Wohnraumförderungverwenden sollen. Das tun die Länder aber nicht immerganz so, wie wir uns das vorstellen.
Dazu, dass die Länder das Geld über das Jahr 2013 hi-naus zwar weiter haben wollen, gleichzeitig aber for-dern, dass sie mit dem Geld tun und lassen können, wassie wollen, muss ich sagen: Da hört der Spaß auf.
Ich trete dafür ein, dass dieses Geld weiter fließt, abermit einer ganz klaren Zweckbindung.
Die Länder müssen das Geld für Investitionen in die so-ziale Wohnraumförderung verwenden.
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25512 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
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Jawohl, damit hat er recht.Dann hat er die Frage gestellt: Welche Initiativen hatdiese Bundesregierung zu diesem Erfolg ergriffen? Ichmöchte einige wichtige Initiativen klar herausstellen:Wir stellen durch eine strukturelle, intensive Verstärkungder Investitionsmittel in die Verkehrsinfrastruktur sicher– dreimalig; ich komme darauf zu sprechen –,
dass diese wichtige Basis unserer volkswirtschaftlichenWertschöpfung weiter ausgebaut wird, liebe Kolleginnenund Kollegen. Unsere Verkehrsinfrastruktur ist die Basisunserer volkswirtschaftlichen Wertschöpfung, die Basisfür Wohlstand in unserem Land, die Basis für Arbeits-plätze in unserem Land, die Basis für Eigentumsbildungin unserem Land, die Basis für eine gute, verlässlicheAltersvorsorge und die Basis für einen Sozialstaat, der inder Welt seinesgleichen sucht.
Für diese Aufstockung – dreimalig! – möchte ich michbei der Bundeskanzlerin und beim Bundesfinanzministerganz persönlich und als Bundesminister für Verkehr be-danken; denn sie sehen, wo die strukturellen langfristi-gen Erfordernisse in unserem Land liegen.In den letzten zwei Jahren floss 1 Milliarde Euro zu-sätzlich in den Finanzierungskreislauf Schiene. Das zu-sätzliche Geld fließt in zusätzliche Eisenbahninvestitio-nen.
Eine weitere Milliarde Euro stellen wir für dieses Jahrund in das nächste Jahr hinein für die Verkehrsinfra-struktur insgesamt zur Verfügung. Für das kommendeJahr beschließen wir eine zusätzliche Dreiviertelmil-liarde für die Verkehrsinfrastruktur.
Mit dem, was früher in der Planung war, investieren wirzusätzlich zwei Dreiviertelmilliarden in die Verkehrs-infrastruktur.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann feststellen:Wir investieren in allen Bereichen auf Rekordniveau:
bei der Straße, bei der Schiene und bei der Wasserstraße.
Liebe Kollegin Wilms, wenn Sie bei der SchleuseBrunsbüttel noch keinen Bagger gesehen haben, dannkann das nur daran liegen, dass Sie nie mehr dort waren.
Wir investieren auf Rekordniveau. Das heißt aber na-türlich auch, dass wir eine Rekordzahl von Baustellenhaben, weil wir eben in die Instandhaltung hineingehenund maßvoll Ausbau- und Neubaumaßnahmen durch-führen.
Als Bundesbauminister sage ich ganz ehrlich: Ich be-kenne mich zu jeder Baustelle in der deutschen Ver-kehrsinfrastruktur; denn nur durch Bauen wird etwasbesser, und nur Bauen sichert die Zukunft.
Wir haben in Deutschland so viele Baustellen aufsechsstreifig geführten Autobahnen wie noch nie zuvor.Wir haben so viele Ganztagesbaustellen, Nachtbaustel-len und Wochenendbaustellen auf Deutschlands Auto-bahnen und Bundesstraßen wie noch nie zuvor. Ichfinde, es ist heute eine gute Gelegenheit, dass ich alsBundesverkehrs- und -bauminister mich einmal bei al-len, die auf diesen nicht gerade angenehmen Baustellenzu jeder Tag- und Nachtzeit in schwierigen klimatischenVerhältnissen beschäftigt sind und hart arbeiten, für ih-ren Einsatz ganz herzlich bedanke. Das ist ein großarti-ger Einsatz auf unseren Baustellen.
Auf diesen Moment habe ich gewartet! Ich war ge-spannt, wer hier applaudiert. Die alte sozialistische Ar-beiter- und Bauernpartei sitzt hier und rührt keine Hand!Dazu zähle ich auch Sie ein bisschen.
Was ist das für eine Sozialdemokratie, die, wenn es umArbeitnehmerinteressen geht, nicht einmal eine Handrührt? Aber so sind Sie eben.Die Prinzipien sind: zuallererst Instandhaltung sowiemaßvoller Ausbau und Neubau. Aber wir brauchen na-türlich dringend auch neue Projekte.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25513
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
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Bitte schön, Herr Beckmeyer.
Herr Minister, Sie haben eben in Ihrer Rede ausge-führt, dass Sie sehr stolz auf den – ich sage mal – Zu-wachs an Investitionsmitteln seien, die Sie im Rahmender Haushaltsberatungen bereitgestellt bekommen. Aus-weislich der mittelfristigen Finanzplanung des Bundesfür 2012 bis 2016 sinkt die Investitionsquote von 8,6 auf8,0 Prozent.
Ich frage Sie: Können Sie dafür eine Erklärung geben?Welche Auswirkungen hat das auf Ihren Haushalt?Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Diese Frage können Sie nachher in der dritten Bera-tung stellen. Jedenfalls trägt die Aufstockung um750 Millionen Euro Jahr erheblich dazu bei, dass wir imkommenden Jahr eine Investitionsquote im gesamtenBundeshaushalt von knapp 9 Prozent aufrechterhaltenkönnen.
Deswegen liefern wir mit diesem Haushalt einen Beitragzur Stabilisierung der gesamten Investitionstätigkeit desBundes.Allerdings – ich bin mit meiner Antwort noch nichtganz fertig, bitte bleiben Sie stehen – will ich, wenn soinvestiert wird, dass die Länder diese Investitionen da tä-tigen, wo wir Erfordernisse sehen. Ich nenne ein Bei-spiel, weil ich gerade den Kollegen Ingo Wellenreuthersehe. Wenn der Bund will, dass in der Stadt Karlsruheeine dringend erforderliche zusätzliche Rheinbrücke ge-baut wird
– Herr Beckmeyer, ich bin noch nicht fertig;
Sie wollten eine Antwort, bitte bleiben Sie stehen! –,dann tragen Sie, Herr Beckmeyer, auch dafür Sorge, dassBaden-Württemberg als grün-rot regiertes Bundesland,
das von Ihrer Partei mit regiert wird, dafür Sorge trägt,dass das Baugenehmigungsverfahren für das Projekt, dasder Bund dringend will, nämlich diese neue zusätzlicheRheinbrücke bei Karlsruhe an der B 10
– nein, ich bin mit der Antwort nicht fertig;
wer eine Frage stellt, muss sie sich auch beantwortenlassen, auch wenn es peinlich wird –,
nicht boykottiert wird.
Aber Sie selbst haben in den Koalitionsvertrag inStuttgart geschrieben – ich zitiere –:Beim Ausbau der Bundesfernstraßen werden wir– also die rot-grüne Landesregierung –
gegenüber dem Bund einfordern, dass vor Beginnvon neuen zunächst alle im Bau befindlichen Vor-haben fertig zu stellen sind.
Sie wollen überhaupt keine Neubauten. Das ist die trau-rige Wahrheit.
Damit ist die Frage beantwortet.
Ich habe gerade vernommen, dass sich KollegePronold zu Wort gemeldet hat. Passen Sie auf, dass Ih-
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25514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer
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Wenn ich lesen muss, dass Sie inzwischen von den eige-nen Genossen in Bayern als Ballast für die Landtagswahlund vieles mehr empfunden werden, dann können wiruns alle auf diese zweiminütige Rede freuen.
Danke an alle, die zu diesem starken Haushalt beige-tragen haben.
Daniela Wagner erhält nun das Wort für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Verehrter Herr Minister, man merkt schon, dass Sie
sich doch am liebsten mit Autokennzeichen, Autobah-
nen und Punktekatalogen beschäftigen.
Anschließend kommt nur noch Nebel.
Derweil explodieren in Deutschland die Mieten, sogar
nicht mehr nur in Ballungsräumen, sondern auch bis in
den ländlichen Raum hinein, und unser Minister
stellt sich hier hin und erklärt: Mit bezahlbarem Wohn-
raum haben wir nichts zu tun; das müssen die Länder
machen; sie sollen gefälligst das Geld, das sie von uns
bekommen, für Wohnungen ausgeben. – Richtig, Herr
Ramsauer. Dann sorgen Sie dafür! Verlangen Sie doch
das Geld von den Ländern zurück! Lassen Sie sich nicht
reinlegen. Wenn das wirklich so ist, dann unternehmen
Sie etwas dagegen.
Es hat keinen Sinn, nur auf andere zu schielen. Es hat
weiterhin auch keinen Sinn, sich nicht dazu zu äußern,
dass jedes Jahr 100 000 Wohnungen aus der Bindung
fallen, und sich nicht dazu zu äußern, wie man mit den
518 Millionen Euro Entflechtungsmitteln aus dem sozia-
len Wohnungsbau künftig umzugehen gedenkt. Geben
Sie doch den Ländern das Geld über 2013 hinaus!
Machen Sie das zum Bestandteil eines Kompromisspa-
ketes in der Frage der steuerlichen Förderung! Aber
nichts von alledem bringen Sie voran.
Stattdessen schieben Sie der energetischen Gebäudesa-
nierung auch noch die Mitverantwortung für den Mie-
tenanstieg zu und schauen dabei zu, wie Ihre Justiz-
ministerin im Zuge der energetischen Gebäudesanierung
sogar noch Mieterrechte abbaut. Man hat drei Monate
kein Mietminderungsrecht im Falle einer energetischen
Gebäudesanierung.
Herr Minister Ramsauer, das Mietrecht ist kein Instru-
ment, um die energetische Gebäudesanierung voranzu-
bringen. Das einzige Instrument ist eine verlässliche
Förderung, und zwar aus dem Bundeshaushalt, in Höhe
von mindestens 2 Milliarden Euro jährlich.
Das ist das einzig wirkungsvolle Instrument. Alles an-
dere ist Unsinn.
Es gibt natürlich Gründe für die steigenden Mieten:
steigende Einwohnerzahlen in den Ballungsräumen, die
Finanzmarktkrise und Großanleger und Kleinanleger auf
globaler Ebene, die im Wohnungskauf Sicherheit su-
chen. Sogar der Bund verscherbelt seine eigenen Woh-
nungen, nämlich den TLG-Wohnungsbestand, mittler-
weile an einen Investor, von dem wir nicht wissen, was
er anschließend damit vorhat.
Wir alle kennen die leuchtenden Beispiele von An-
nington.
– Sie brauchen mir jetzt nicht mit Dresden zu kommen.
Ich habe mich inzwischen erkundigt. Das ist am Ende
erst durch ein Gerichtsurteil korrigiert worden; aber las-
sen Sie mich fortfahren. – Wir reden neben Annington
von GAGFAH, von Fortress und von verzweifelten Mie-
tern. Regelmäßig hören wir all diese Dinge. Nichts da-
von ist beim Wohnungsbauminister angekommen.
Frau Kollegin, lassen Sie Zwischenfragen zu?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25515
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Aber wenn Sie dieser Bundesregierung vorwerfen, dass
sie 11 000 Wohnungen privatisiert – Sie haben ja gerade
gesagt, dass Sie das für etwas ganz Schlimmes halten –,
dann stellt sich für mich die Frage: Wie beurteilen Sie
als Mitglied der grünen Fraktion das Handeln der rot-
grünen Bundesregierung in Ihrer Amtszeit, die über
200 000 Eisenbahnwohnungen des Bundes verkauft hat?
Ich halte grundsätzlich nichts davon, große Woh-
nungsbestände als große Pakete an Investoren zu verkau-
fen.
Ich halte sehr wohl etwas davon, Mieterprivatisierung
vorzunehmen. Ich halte auch etwas davon, einzelne Pa-
kete zu schnüren und sie an kommunale Wohnungsbau-
unternehmen oder an kommunale Verbünde, die sich bil-
den, zu verkaufen. Davon halte ich etwas. Ich halte
etwas davon, überschaubare Einheiten zu belassen, da-
mit der Mieter vor Ort weiß, mit wem er es zu tun hat
und nicht monatelang Briefe und E-Mails schreiben und
telefonieren muss, ohne dass das irgendjemanden inte-
ressiert, weil der Chef irgendwo in England oder in
Amerika sitzt. Dafür habe ich kein Verständnis.
Herr Ramsauer sagt, er sei ein verlässlicher Partner
der Kommunen. Ja, was ist denn nun? Sie tun nichts in
Richtung einer Änderung des BImA-Gesetzes, damit die
BImA endlich aufhört, den Kommunen nur zu Höchst-
preisen Kasernenareale zum Kauf anzubieten, mit der
Folge, dass diese Areale in manchen Städten und Ge-
meinden jahrelang brachliegen, weil niemand den gefor-
derten Preis bezahlen kann
bzw., wenn doch, niemand den Wohnraum, der dort dann
entsteht, bezahlen kann.
Sie leisten sich einmal mehr Kürzungen beim Pro-
gramm „Soziale Stadt“.
Die einseitige Deckungsfähigkeit, die die Kollegin von
der FDP so gerne mag, damit das Bund-Länder-Pro-
gramm bloß nicht von den anderen Städtebauförderungs-
programmen profitieren kann, ist ein Unding. In den
Stadtteilen, die in diesem Bund-Länder-Programm sind,
wird die höchste Integrationsleistung erbracht, die über-
haupt in der Republik geleistet werden kann. Dort gibt es
Schulen, an denen mehr als 70 Prozent der Kinder einen
Migrationshintergrund haben. All diese Integrationsleis-
tungen müssen honoriert werden, und zwar insgesamt
aus dem Bundeshaushalt.
Weitere Stichworte sind die Städtebauförderung und
das Baugesetzbuch. Sie nutzen die Möglichkeiten, die
das Baugesetzbuch bietet, nicht, um zum Beispiel Miet-
preisobergrenzen festzulegen. Diese könnten quartiers-
bezogen festgelegt werden und die Stadtteile umfassen,
in denen die Gentrifizierung mittlerweile zur Vertrei-
bung von Mietern geführt hat. Sie lassen alles treiben
und schauen zu, wie selbst Mittelstandsfamilien an die
Stadtränder gedrängt werden, während in den Stadtker-
nen die Gehwege und die Türklinken vergoldet werden.
Gegen all das tun Sie nichts.
Deswegen kann ich Ihnen sagen: Sie haben als Ver-
kehrsminister, zumindest als Bundesbauminister, kom-
plett versagt.
Sie haben nichts, aber auch gar nichts in den vergange-
nen drei Jahren vorangebracht. Das Ergebnis Ihrer Re-
gentschaft als Minister ist, dass es viele Baustellen auf
den Straßen gibt, zugegebenermaßen, aber es gibt keinen
preiswerten Wohnraum mehr, die Städtebauförderung
wird zurückgefahren, das Bund-Länder-Programm „So-
ziale Stadt“ ist im Prinzip zahnlos geworden, weil
nichtinvestive Maßnahmen nicht mehr möglich sind.
Das ist ein komplettes Versagen. Sie haben Ihre Aufgabe
als Bundesbauminister überhaupt nicht begriffen.
Nächster Redner ist der Kollege Dirk Fischer für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Die bisherige Bilanz der Haushaltspolitik der Koalitionaus CDU/CSU und FDP kann sich sehen lassen. Das istzu Recht heute schon mehrfach betont worden.
Unser Ziel, schon 2014 einen Haushalt ohne struktu-relle Neuverschuldung aufzustellen, rückt in greifbareNähe. Die nach der Schuldenbremse mögliche struktu-relle Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent des Brutto-
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Dirk Fischer
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Diese Mittel sind eine ganz wichtige Verstärkung, umunsere Verkehrswege zu erhalten und weiter auszu-bauen. Laufende Baumaßnahmen werden beschleunigt,dringende neue Projekte werden begonnen, Instandhal-tungsdefizite werden beseitigt, die im Übrigen bei denBrückenbauwerken in Deutschland eine Hinterlassen-schaft von elf Jahren SPD-Verkehrsministern sind.
– Sie wissen, Kollege Beckmeyer, dass ich in der Gro-ßen Koalition im Koalitionsgespräch bei HerrnTiefensee gesagt habe: Bei mir hört da der Spaß auf.Wenn es um die Brückensicherheit geht, müssen wir dasNotwendige tun. Alles andere könnte irgendwann einmaleinen immensen Vertrauensschaden auslösen, den wirnie wieder ausgleichen können. – Das ist nach meinerÜberzeugung historisch festzuhalten.Neue Radwege werden gebaut, Schleusen und Brü-cken werden saniert. Insgesamt fließen 517 MillionenEuro der Extramillionen in Straßen. Die Mittel für denLärmschutz an Schienenwegen werden nochmals an-gehoben, und zwar um 40 Millionen Euro. Dies ist einpositives Signal für Anwohner von Bahnlinien. DieAbschaffung des Bonus von 5 Dezibel bei denLärmwerten des Schienenverkehrs wird dieses noch ein-mal verstärken.
Das zeigt, dass diese Koalition das Problem der Lärmbe-lastung für unsere Bürger sehr ernst nimmt und auchhandelt in dem Sinne.
Im Übrigen will ich bei dieser Gelegenheit einmal da-rauf hinweisen, dass der Lkw- und Pkw-Verkehr inDeutschland im Jahr 53 Milliarden Euro an Mineral-ölsteuer, darauf liegender Umsatzsteuer, Kraftfahrzeug-steuer und Lkw-Maut zahlt.
53 Milliarden! Davon fließen nur etwas mehr als 10 Pro-zent in die Straße zurück. Es muss Schluss gemacht wer-den mit dem Ammenmärchen, die Autofahrer müsstenendlich einmal für die Straßen bezahlen.
Dies ist richtig dummes Zeug.Die Zunahme des Güterverkehrs erfordert stetige Ver-besserungen. Zum Beispiel werden wir im Bundeshaus-halt 2013 erstmals Mittel für nichtbundeseigene Schie-nenwege bereitstellen, insoweit sie Teil des öffentlichenSchienengüternetzes sind. Insgesamt geht es hier um25 Millionen Euro als Einstieg in die Finanzierung. Wirerwarten, dass die Länder ihre Mittel für die Kofinanzie-rung bereitstellen. Hier müssen die Länder konstruktivmitwirken.Das Gleiche gilt – das ist heute schon angesprochenworden – bei dem so wichtigen Thema der CO2-Gebäu-desanierung. Die steuerliche Förderung der energeti-schen Gebäudesanierung wird seit über einem Jahr vonden SPD- und grüngeführten Ländern im Bundesrat blo-ckiert. Dabei wissen wir doch, dass in der energetischenGebäudesanierung mit über 40 Prozent die größten CO2-Einspar- und Klimaschutzpotenziale vorhanden sind.
Wer dies als grüne Politikerin, Frau Kollegin Wagner,nicht ernst nimmt, der muss seinen Wählern endlich ein-mal eingestehen, dass er es mit CO2-Minderung und Kli-maschutz eigentlich gar nicht so ernst nimmt, sonderndas für ein Element politischer Taktiererei hält.
Dies ist der Lackmustest für Ihre Glaubwürdigkeit. Wirwerden es Ihnen in den nächsten Monaten bis zur Wahl2013 und darüber hinaus nicht ersparen, Sie in dieserFrage einem Glaubwürdigkeitstest zu unterwerfen.
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Hinzu kommt, dass diese Maßnahme ein großes wirt-schaftliches, finanzielles Potenzial beinhaltet. Denn je-der Euro an Förderung löst das Acht- bis Neunfache anprivaten Investitionen aus, mit allen positiven Folgen:mehr Beschäftigung im Handwerk, steigende Steuerein-nahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden und höhereSozialbeiträge.Insbesondere Eigenheimbesitzer sollen durch diesteuerliche Förderung der Gebäudesanierung zu mehrInvestitionen angeregt werden. Viele Eigenheime inDeutschland sind noch nicht energieeffizient ausgebaut.Nur wenn wir so viele Wohnungs- und Hauseigentümerwie möglich ins Boot holen, können wir die ehrgeizigenKlimaschutzziele erreichen. Wirken Sie also schnells-tens auf die von Ihnen geführten Bundesländer ein, umdiese Blockadehaltung endlich zu beenden. Dann hättenSie sich um der Sache willen ein großes Verdienst erwor-ben.Wer Nein zur steuerlichen Förderung der energeti-schen Gebäudesanierung sagt, der sagt Nein zu Investi-tionen und Klimaschutz. Wer heute im Übrigen Neinzum Haushalt sagt, der sagt Nein zu einer besseren Ver-kehrsinfrastruktur, der sagt Nein zu besserem Lärm-schutz, der sagt Nein zu neuen Radwegen,
der sagt Nein zur Sanierung von Schleusen und Brücken,der sagt Nein zur Verlagerung des Verkehrs auf dieSchiene usw.
Wer heute Nein sagt, sagt insgesamt Nein zu Haus-haltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen.
Dabei ist genau dieses so wichtig, weil es Deutschlandhilft, in der schwierigen Lage Europas auch in der Zu-kunft der Fels in der Brandung zu bleiben.
Nun höre ich – der Minister hat es schon angespro-chen –, dass der Kollege Bartol dem Kollegen Pronoldzwei Minuten Redezeit abgetreten hat. Damit soll wohlder verzweifelte Versuch unternommen werden, für dieSPD hier noch etwas herauszureißen.
Ich will dem Kollegen Pronold den gutgemeinten Rat-schlag aus der Bürgschaft von Schiller geben:Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,So rette das eigene Leben!
Ich hoffe, dass ich für den nun folgenden Kurzbeitrag
des Kollegen Pronold nicht die Parlamentsärztin zu Hilfe
holen muss.
Jedenfalls erhält er jetzt als letzter Redner der Debatte
das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wenn der Herr Minister und der Herr KollegeFischer sich so gründlich auf den Haushalt vorbereitethätten wie auf meine Person, dann wären hier andere Re-den gehalten worden.
Das, was wir hier erlebt haben, sind Nebelkerzen, Ne-belkerzen über die echte Bilanz der schwarz-gelben Ver-kehrs- und Baupolitik der letzten drei Jahre.
Die Wahrheit ist, dass es keinen Fortschritt gegeben hat.Im Bereich des Verkehrs hat diese Regierung jedes Jahr1,5 Milliarden Euro eingesammelt, die nicht in die Infra-struktur zurückgeflossen sind. Sie hat auf ganzer Linieversagt. Das ist die Wahrheit, und darüber ist hier ge-schwiegen worden.
Der Herr Minister hat selber gesagt, dass die Sonder-milliarde nur Luftschnappen ist und hinten und vornenicht ausreicht. Was macht er heute? Eine Voodoobe-rechnung von irgendwelchen zusätzlichen 2,5 MilliardenEuro, die sich im Haushalt zwar nirgends finden, die eraber irgendwo entdeckt zu haben glaubt. Auf die Fragedes Kollegen Beckmeyer, warum die Investitionsquotesinkt, stammelt er und hat keine Antwort.
Die Wahrheit ist, dass Sie versagt haben bei der struktu-rellen Verbesserung der Infrastruktur. Die Wahrheit ist,dass weniger für Klimasanierung zur Verfügung steht alsunter jeder anderen Bundesregierung. Sie können sichnicht mit dem Bundesrat herausreden.
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Florian Pronold
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Wer enthält sich? – Auch wenn nicht alle abgestimmt ha-ben,
ist jedenfalls erkennbar, dass der Änderungsantrag mehr-heitlich abgelehnt worden ist.Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-sache 17/11562. Wer stimmt diesem Änderungsantragzu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Auch die-ser Änderungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-plan 60 – Allgemeine Finanzverwaltung – in der Aus-schussfassung. Wer stimmt zu? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Einzelplan 60 ist mit den Stim-men der Koalition gegen die Stimmen der Oppositionangenommen.Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I.21 auf:Haushaltsgesetz 2013– Drucksachen 17/10824, 17/10825 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthleCarsten Schneider
Otto FrickeDr. Gesine LötzschPriska Hinz
Zu dem Haushaltsgesetz 2013 liegt ein Änderungs-antrag der Fraktion Die Linke vor.
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Präsident Dr. Norbert Lammert
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Wir haben in dieser Woche die Einzelpläne diskutiert.Wir haben in dieser Woche von Peer Steinbrück gehört,mit welcher Fülle diese Bundesregierung eigentlich ge-segnet ist,
wie viele Steuermehreinnahmen es gibt, wie viel man anZinsgewinnen bei der Staatsschuld mitnimmt. Trotz die-ser Steuermehreinnahmen und trotz dieser Geschenke,die sich über den Finanzminister ergossen haben, wirddie Neuverschuldung, die im Haushalt 2012 bei18,3 Milliarden Euro gelegen hat, im Haushalt 2013 bei17,1 Milliarden Euro liegen.Das heißt, trotz hervorragender wirtschaftlicher Lage,trotz Steuermehreinnahmen und trotz Zinsgewinnen istes dieser Bundesregierung nicht gelungen, die Neuver-schuldung zu senken. Es werden in diesem Jahr Schul-den gemacht. Es werden im nächsten Jahr Schuldengemacht. Das heißt, diese Bundesregierung, dieserFinanzminister haben es nicht geschafft, die guten Zei-ten zu nutzen, um für die schlechten Zeiten Vorsorge zutreffen.
Man kann es ja aus den Reihen der Koalition hören:Dass es überhaupt zu diesen Steuermehreinnahmen ge-kommen ist – das zu sagen, sei mir erlaubt –, ist nicht einVerdienst dieser Bundesregierung und ihrer Politik,
sondern das ist ein Verdienst der Reformen der rot-grü-nen Regierung von Gerhard Schröder.
Das sind die Reformen, die jetzt wirken. Diese Faktenmuss man mit einbeziehen, wenn man diesen Haushaltbetrachtet. Sie profitieren von dem, was Rot-Grün undGerhard Schröder gemacht haben. Sie selber habenMehreinnahmen, die Sie jedoch verspielen.Betrachten wir einmal, womit Sie sich aufhalten: Dasist zum Beispiel das heute auch schon von der Koalitionangesprochene Steuerabkommen mit der Schweiz – hie-rüber haben wir schon interessante Gespräche geführt –,das der Bundesrat abschließend abgelehnt hat. Das istgut für den braven, ehrlichen Steuerzahler in diesemLand, das ist gut für die ehrlichen Menschen;
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Johannes Kahrs
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Betrachten wir das Ganze einmal etwas genauer. DasProblem kann man insbesondere an der Europakrise fest-machen. Hierzu gibt es eine Zusammenfassung im Spie-gel, die man sich einmal durchlesen sollte. Dort stehenunter der Überschrift „Merkel und Schäuble in der Euro-Krise – Die Schönredner“ die schönen Worte:Beschönigen, Beruhigen, Beteuern – damit tun sichBundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminis-ter Wolfgang Schäuble in der Euro-Krise hervor.Doch ihre Versicherungen erweisen sich in der Re-gel bald als Fehlinformationen oder Fehleinschät-zungen.Dann wird seitenlang aufgezählt, was alles nicht funktio-niert hat, was alles nicht geklappt hat. Schließlich heißtes:Das Fazit: Ob Merkel und Schäuble seit Anfang2010 in Sachen Euro-Krise wiederholt die Unwahr-heit gesagt haben oder ob sie es einfach nicht besserwussten, bleibt dahingestellt. Ebenso die Frage,was aus Sicht der Wähler hier eigentlich das Be-denklichere wäre: dass Politiker einer Partei, die
ker in Sachen Euro so naiv sind, dass sie glaubten,was sie sagten.Urteil: Die Aussagen der Bundeskanzlerin und ih-res Finanzministers in Sachen Euro-Krise sind überdie Jahre immer wieder völlig falsch. Note: eineklare Sechs.
So der Spiegel. So nachzulesen auf insgesamt sechs Sei-ten das Versagen der Bundesregierung in SachenEuropa.Gleichzeitig wissen wir, dass es in Sachen Griechen-land zur Belastung des Bundeshaushalts kommen wird.Wir wissen auch, dass diese Belastung direkt vor der Türsteht. Ab Montag wird darüber verhandelt. Wir alle wis-sen, dass es Nachtragshaushalte geben muss, dass dasuns allen entweder in diesem Haushalt oder im nächstenJahr deutlich zur Last fallen wird. So hat Peer Steinbrückin seiner Rede darauf hingewiesen, dass in dem Haus-halt, den wir jetzt für 2013 verabschieden wollen, dieGriechenland-Hilfen, über die jetzt beraten wird, nichtenthalten sein werden. Das bedeutet, dass wir hier einenHaushalt für das nächste Jahr beschließen und schonjetzt wissen, dass es am Ende nicht so kommen wird,wie wir es beschließen.
Darum hat Peer Steinbrück darum gebeten, dass wirdiesen Haushalt heute nicht so beschließen, sondern dasswir ihn schieben, sodass wir die Möglichkeit haben, dieRisiken im Hinblick auf die möglichen Kosten im nächs-ten Jahr mit einzupreisen, damit der Haushalt nichtschon gleich in der Sekunde, in der Sie ihn verabschiedethaben werden, wieder Makulatur ist.Wo wir alle das doch wissen, wäre es ein Akt derRedlichkeit, die Blamagen, die wir uns im Rahmen derEuro-Krise bereits erlaubt haben, nicht fortzusetzen. Dasgeschähe aber, wenn wir jetzt einen Haushalt beschlie-ßen, von dem wir alle wissen, dass er in der Sekunde, inder er beschlossen wird, schon Makulatur ist.
Deswegen sollte man die Bitte von Peer Steinbrück nichtnur ernsthaft erwägen, sondern Sie sollten sich auchselbst einmal ans Revers fassen und aus dem Sumpf zie-hen, die Bitte der Opposition aufgreifen und mit uns ge-meinsam darüber reden.Schauen Sie sich einmal die Bilanz Ihres Handelnsan: Wir haben hier über EFSF und ESM verhandelt, wirhaben gehebelt, wir haben alle möglichen Dinge getan,die sich nach Monaten als Fehlschläge herausgestellt ha-ben. Das Einzige, das Sie, Herr Schäuble, und Ihre Re-gierung zurzeit rettet, ist die Europäische Zentralbank.Dort wird zurzeit das Geld gedruckt, von dort wird aufden Sekundärmärkten aufgekauft. Das hätten Sie übri-gens schon am Anfang dieser Krise haben können, wennSie nicht zweieinhalb Jahre lang von Gipfel zu Gipfelgerannt wären, die Krise nicht immer schlimmer gewor-den wäre, Sie nicht Sachen zugesagt und versprochenhätten, die drei oder vier Monate später nicht mehr wahrsein sollten. Dann hätte man vielleicht das Vertrauen derMärkte gewinnen können.Man kann fragen: Was wäre die Alternative gewesen?Wir haben über die Alternativen geredet. Ich sage es ein-mal so: Man kann über das, was die Europäische Zen-tralbank jetzt macht und was Sie begrüßt haben, und da-rüber, ob das später zu einer Inflation führt, denken, wasman will. Aber eines ist doch sicher: Hätte man dies amAnfang der Krise gemacht, dann wäre die Krise nicht soschlimm gekommen, wie sie gekommen ist.
Man muss am Anfang einer Krise energisch auftreten, sowie wir es in der Großen Koalition gemeinsam geschaffthaben.
Damals haben wir am Anfang der Krise alle notwendi-gen Maßnahmen beschlossen und die Krise relativschnell in den Griff bekommen. Sie haben hier aber überJahre nur Gipfelhopping betrieben und keine Ergebnissevorgelegt. Die Krise wurde immer schlimmer. Die Men-schen, die abhängig Beschäftigten, die Rentner, die Bür-ger in Griechenland, Spanien und Portugal müssen esausbaden. Wir Steuerzahler in Deutschland müssen esausbaden; wir müssen es in diesem Bundeshaushalt aus-baden. Wenn man am Anfang richtig gehandelt hätte,
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Johannes Kahrs
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Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Brackmann
von der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wer seine Rede so aufbaut, dass er einerseitsfrühe Entscheidungen fordert und andererseits appelliert,die heute anstehende Verabschiedung des Haushalts zuverschieben, der strahlt wirklich eine besondere Tatkraftaus.
Darüber kann auch noch so große Kampfrhetorik nichthinwegtäuschen.
Sie müssen auch nicht ständig Ihren Kanzlerkandida-ten zitieren. Die Zeitungen berichten: Erst hat die SPDkein Glück, dann kommt auch noch Peer dazu.
Sie unterstützen das auch noch. Das ist doch jener PeerSteinbrück, der hier mit einem Haushaltsentwurf geendetist, in dem er 86,1 Milliarden Euro Nettoneuverschul-dung vorsah. Heute sind wir bei 17,1 Milliarden EuroNettoneuverschuldung im Haushalt 2013
und haben damit die Nettoneuverschuldung so weit zu-rückgeführt, wie sie in Deutschland noch nie innerhalbeiner Legislaturperiode zurückgeführt worden ist.
Das ist aber nicht die einzige Einmaligkeit. In dieserLegislaturperiode haben wir mit einem Haushaltsvolu-men von 303,7 Milliarden Euro im Jahr 2010 angefan-gen. Jetzt legen wir einen Haushalt mit einem Volumenvon 302 Milliarden Euro vor. Auch das hat es in der Ge-schichte Deutschlands noch nicht gegeben, dass dasHaushaltsvolumen am Ende einer Legislaturperiode ge-ringer war als am Anfang.
Genauso wahr ist, dass wir drei Jahre früher, als esunser Grundgesetz vorschreibt, die Schuldenbremse ein-halten. Wir dürfen ab 2016 eine Nettoneuverschuldunggemessen am BIP von maximal 0,35 Prozent erreichen.Schon 2013 erreichen wir 0,34 Prozent. Auch dies zeigtdeutlich, dass wir uns auf einem Konsolidierungspfadohnegleichen befinden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir habendiese Woche immer wieder ähnliche Vorwürfe der Op-position zur Kenntnis genommen. Der eine Vorwurf ist,dass im Bereich Arbeit und Soziales gespart werde.Klar: Wir geben hier weniger aus; das ist so. Aber wa-rum ist es so? Weil wir es geschafft haben, die Menschenwieder in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs-verhältnisse zu bringen, und weniger Arbeitslosigkeit fi-nanzieren müssen.
2005 hatten wir 38,8 Millionen sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigte, 2010 waren es 40,5 Millionenund im September 2012 41,85 Millionen. Das ist derhöchste Stand in der Geschichte der BundesrepublikDeutschland. Auch das ist ein Erfolg dieser christlich-liberalen Koalition.
Sie werfen uns vor – auch der Kollege Kahrs ebenwieder –, wir hätten den höchsten Stand an Steuerein-nahmen in der Geschichte der Bundesrepublik.
Ja, das ist richtig.
Die Frage ist: Was folgt daraus?
Sie sagen: „nichts daraus gemacht“. Was machen Siedenn daraus?
Sie wollen trotz des höchsten Stands an Steuereinnah-men noch mehr Steuereinnahmen generieren –
durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, durch einehöhere Erbschaftsteuer und durch die Einführung einerVermögensteuer. Das würde eine weitere Belastung derWirtschaft nach sich ziehen.
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Norbert Brackmann
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Haushalt hat etwas mit Haushalten zu tun,
das heißt, man muss sich selbst beschränken. Diejeni-gen, die in Deutschland Steuern zahlen, haben einen An-spruch darauf, dass wir vernünftig haushalten und unsereAusgaben begrenzen.
Die Frage, was wir mit den Steuereinnahmen gemachthaben, ist natürlich berechtigt.
Wir haben damit Maßnahmen für die ZukunftssicherungDeutschlands angeschoben und weiter verstärkt.
Als ein Land, das nicht auf Rohstoffe bauen kann, mussDeutschland weiter in Bildung und Forschung investie-ren. Der Etat für 2013 ist mit 13,7 Milliarden Euro derEtat, der sich durch den höchsten Mitteleinsatz für Bil-dung und Forschung in der Geschichte der Bundesrepu-blik auszeichnet. Damit schaffen wir eine zukunftsfähigeStruktur.
Beim letzten Tagesordnungspunkt wurde es im Zu-sammenhang mit der Verkehrsinfrastruktur schon ange-sprochen: Wir geben 750 Millionen Euro mehr für dieInfrastruktur aus. Zudem zeichnet diese Koalition aus,dass wir unsere Kommunen weiter stärken.
Noch nie hat eine Koalition so viel für die finanzielleAusstattung der Kommunen getan, wie wir das getan ha-ben. Allein die Erhöhung des Bundesanteils an derGrundsicherung auf 75 Prozent würde die Kommunenenorm entlasten – wenn nicht Ihre Länder diejenigen wä-ren, die sich mit ihren klebrigen Fingern einen Teil da-von in die eigene Tasche stecken.
– Fragen Sie Ihren Kollegen Albig, der sich die Hälfteder Mittel in die Tasche steckt und damit den Kommu-nen Geld wegnimmt.
Der Überschuss an Steuereinnahmen geht mit einerwirtschaftlich günstigen Entwicklung einher. Die Kom-munen haben in 2012 insgesamt – das heißt jetzt nicht,dass es allen Kommunen gut geht – einen Überschuss von2,3 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das BMF schätzt,dass wir 2016 in der kommunalen Familie 5,3 MilliardenEuro Überschuss haben werden.
Diese Erfolgszahlen muss man nicht verstecken, sondernman muss sie den Menschen mitteilen. Was tun Sie? Sieblockieren genau diese Weiterentwicklung hin zu einerVerbesserung der Steuereinnahmen für die Länder undKommunen.
Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und derSchweiz wurde schon angesprochen. Das haben Sie so-eben im Bundesrat mit Ihrer Mehrheit blockiert.
Sie, Herr Kahrs, begründen Ihre Ablehnung hier damit,dass dadurch Steuerhinterziehung möglich gemachtwird.
Sie machen mit Ihrer Blockade Steuerhinterziehungmöglich; denn die ersten Hinterziehungen verjähren auf-grund Ihrer Blockade, und es ist dadurch nicht mehrmöglich, die hinterzogenen Steuern für Deutschland ein-zutreiben.
Mit Ihrer Hilfe sichern sich ausgerechnet diejenigen,die ihr Vermögen in die Schweiz schaffen können – unddas ist nicht die breite Masse der Bevölkerung –, ihreVorteile aus der Steuerhinterziehung. Sie verhindern mitIhrer Blockade, dass rund 10 Milliarden Euro in dieHaushalte der Länder und Kommunen fließen.
Sie verhindern damit, dass die finanzielle Situation derLänder und Kommunen verbessert wird. Das ist für sichgenommen schon schlimm genug. Dann müssen wir unsaber auch noch von Ihrem Kollegen Steinbrück anhören,wir müssten Steuerschlupflöcher in Griechenland stop-fen. Griechenland verhandelt aber gerade auf der Basisdes Abkommens, das wir mit der Schweiz verhandelt ha-ben, ein solches Abkommen. Im nächsten Jahr werdenwir vor der Situation stehen, dass Griechenland diesesSchlupfloch durch ein Steuerabkommen mit der Schweizgeschlossen hat, während wir Deutsche hinterherhinken,weil wir das nicht schaffen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25523
Norbert Brackmann
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Dann tragen Sie die Verantwortung dafür, dass wir alsDeutsche nicht in der Lage sind, Steuern so einzutreiben,wie Griechenland das kann.
Wer soziale Verantwortung spürt,
wer mit dem Herzen bei den real existierenden Men-schen ist und in die Zukunft Deutschlands investierenwill, der muss diesem Haushalt 2013 zustimmen.Vielen Dank.
Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Liebe Gäste auf den Zuschauertribünen! Die Bun-deskanzlerin Angela Merkel hatte einmal ein Vorbild:die schwäbische Hausfrau. Die Sparsamkeit der schwä-bischen Hausfrau durfte in keiner Rede fehlen.
Daran sollten sich die Menschen ein Beispiel nehmen.Jetzt muss ich Ihnen aber sagen: Die schwäbische Haus-frau ist tot. Die Koalition hat sie auf dem Gewissen;denn Sparsamkeit an der richtigen Stelle ist für dieseBundesregierung ein Fremdwort. Das sollten sich allemerken.
Wir haben gerade vor einer knappen halben StundeHerrn Ramsauer hier erlebt. Herr Ramsauer hat für sei-nen Wahlkampf in Bayern außer der Reihe, zwei Wo-chen vor Verabschiedung des Haushalts, 750 Millio-nen Euro bekommen.
Horst Seehofer hat sein unsinniges Betreuungsgelddurch den Bundestag peitschen können, obwohl er garnicht mehr Mitglied des Bundestages ist. Diese Maßnah-men kosten alle Steuerzahler ab 2014 1,2 Milliar-den Euro im Jahr. Die Koalition hat sich also einenWahlkampfhaushalt gestrickt. Das hat mit seriöser Haus-haltspolitik nichts zu tun. Ich nenne das illegale Partei-enfinanzierung.
Wir als Linke haben viele Sparvorschläge unterbrei-tet. Besonders im Rüstungsbereich lassen sich Milliar-den einsparen. Ich nenne hier nur einmal exemplarischdie Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Sie kosten schon jetzt 1 Milliarde Euro im Jahr. Diesegefährlichen und kostspieligen Kriegseinsätze sind nochgar nicht beendet, da will die Bundesregierung mit Pa-triot-Raketen in den Syrien-Konflikt eingreifen. Das istbrandgefährlich. Das dürfen wir nicht zulassen.
Leider wurden alle unsere Vorschläge zur Reduzie-rung der Kriegskosten von der Koalition abgelehnt.Wenn man darüber nachdenkt, merkt man, dass das ei-gentlich gar nicht so verwunderlich ist; denn wenn eskeine Kriege gäbe, dann würden ja auch die deutschenWaffenexporte nicht so florieren. In diesem Sinne ist dieFDP-Außenpolitik eng mit der FDP-Wirtschaftspolitikverbunden. Das ist wirklich Politik für Rüstungslobbyis-ten aus einem Guss. Wir fordern: Keine Rüstungsexportein Krisengebiete! Das muss sofort beendet werden.
Meine Damen und Herren, wenn es um Sparen geht,dann muss man auch sagen: Die Bundesregierung istnicht bereit, ungerechtfertigte Subventionen für Unter-nehmen abzubauen. Dem Bundeshaushalt gehen durchdie Energiesteuersubvention für die Industrie 3,3 Mil-liarden Euro pro Jahr verloren. Nun werden viele sagen:Ja, wir wollen, dass Industriearbeitsplätze erhalten blei-ben. Richtig. Aber was wird da alles subventioniert?Selbst Golfplätze erhalten jetzt Energiesubventionen.
In Deutschland wird immer mehr Menschen der Stromabgeschaltet, weil sie ihre Stromrechnung nicht bezahlenkönnen. Und was machen Sie? Sie übernehmen dieStromrechnungen für Ihre Golfplätze. Besser kann mandie Spaltung dieser Gesellschaft nicht beschreiben. Dasist ein Verdienst dieser Koalition. Die Gewinne derStromkonzerne und der Golfklubs müssen nicht in denHimmel wachsen, aber die Strompreise – das ist unsereForderung – müssen endlich wieder staatlich kontrolliertwerden. Wir brauchen dringend eine Strompreisbremse.
Wir haben es die ganze Woche gesehen: Die Koali-tion hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Selbst dieDeutsche Bank geht in ihrem aktuellen Konjunkturbe-richt von einem Stillstand der Wirtschaft im Winterhalb-jahr aus. Wir fordern, dass im Haushalt Vorsorge zu tref-fen ist. Eine vorausschauende Politik muss zumindestden Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit wiedereinführen, damit ausreichend Geld da ist, um in einerKrise Kurzarbeitergeld zu zahlen. Wir haben eine Ver-antwortung für die arbeitenden Menschen in diesem
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Dr. Gesine Lötzsch
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Eine vorausschauende Politik muss ein finanzielles Pols-ter anlegen. Wir fordern eine Vermögensteuer in Formeiner Millionärsteuer, eine Finanztransaktionsteuer undeinen höheren Spitzensteuersatz auf sehr hohe Einkom-men.Wir als Linke haben zahlreiche Änderungsanträgeeingebracht, die alle ein Ziel verfolgen: Wir wollen ei-nen Rettungsschirm für Arbeitnehmer, Familien, Rent-ner und Arbeitslose aufspannen. Mit unseren Steuervor-schlägen könnten wir 61 Milliarden Euro pro Jahr mehreinnehmen. Dieses Geld brauchen wir dringend, um aufdie kommende Krise vorbereitet zu sein.
An einer Stelle allerdings will ich diese Koalitionauch einmal loben. Die Abschaffung der Praxisgebührwar richtig.
Wir sehen das auch als Erfolg der Linken an. Wir hattenschon bei der Einführung der Praxisgebühr durch SPD,CDU/CSU und Grüne gewarnt. Allerdings – das mussich Ihnen auch sagen – können wir es uns in unsererschnelllebigen Zeit wirklich nicht leisten, dass offen-sichtliche Fehler erst nach neun Jahren korrigiert wer-den, und die Bundesregierung macht genügend Fehler,die schnellstens korrigiert gehören.
Ich möchte unsere Kritik an dem Haushalt 2013 nocheinmal in drei Punkten zusammenfassen: Erstens. DieserHaushalt ist kein Schutzschirm für die Menschen in un-serem Land. Die Regierung lässt die Bürger im Regenstehen.Zweitens. Die Bundesregierung unternimmt nichts,aber auch gar nichts, um die soziale Spaltung in unseremLand zu überwinden. Im Gegenteil: Sie verschärft dieSpaltung und gefährdet damit den Zusammenhalt derGesellschaft.Drittens. Die Bundesregierung verschwendet Steuer-mittel für den Wahlkampf. Uns wurde ein Wahlkampf-haushalt vorgelegt und keiner, der sich auf die nächsteKrise einstellt.Meine Damen und Herren, dieser kritische Nachrufauf die schwäbische Hausfrau zeigt, dass sie gar nicht sosparsam war wie von der Kanzlerin immer behauptet.Wenn es um Kürzungen im Sozialbereich ging, war dieSparsamkeit legendär. Wenn es aber um Rüstungsauf-träge oder Wahlgeschenke für Unternehmen ging, neigtedie schwäbische Hausfrau zur Verschwendung.Aber dieser Nachruf gilt nicht nur der schwäbischenHausfrau. Es ist auch ein Nachruf auf diese Bundesre-gierung. Wir haben in unendlich langen Sitzungen imHaushaltsausschuss und in anderen Ausschüssen überden Haushalt 2013 immer wieder diskutiert. Aber schonjetzt ist klar, dass es vergeudete Lebenszeit war; dennwenn der Schuldenschnitt für Griechenland kommt– und wir alle gehen davon aus, dass er kommt –, dannist dieser Haushalt nur noch Makulatur. Die Koalitionhat sich bei den Haushaltsberatungen wie ein kleinesKind die Hände vor die Augen gehalten und die Euro-Krise einfach ausgeblendet. Wir alle wissen: Wir werdenwahrscheinlich bereits am Anfang des nächsten Jahreshier über einen Nachtragshaushalt diskutieren. DiesesIgnorieren, dieses Augenzuhalten wird sich in dennächsten Monaten bitter rächen. Aber leider hat die Bun-desregierung die Gewohnheit, die Bürgerinnen und Bür-ger zahlen zu lassen, anstatt selber zu zahlen.Die Linke wird diesen Haushalt ablehnen. Da wir so-wieso bald über einen Nachtragshaushalt beraten müs-sen, haben Sie alle Chancen, unsere Vorschläge und An-regungen im Sinne der Menschen für dieses Landaufzunehmen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. h. c. Jürgen
Koppelin von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich zu Beginn Dank sagen an die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter des Haushaltsausschusses.
Wenn Sie erlauben, möchte ich auch Dank sagen an dieMitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Abgeordne-tenbüros für die sehr gute Zuarbeit. Es ist auch für dieseMitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Tagen nichtleicht gewesen.
Die Koalition ist mit dem Bundeshaushalt 2013 demZiel, ohne Neuverschuldung auszukommen, ein Stücknähergekommen.
Wir könnten sogar einen Überschuss von etwa 2,1 Mil-liarden Euro verzeichnen,
wären da nicht die Ausgaben für den Europäischen Sta-bilitätsmechanismus von etwa 8,7 Milliarden Euro unddie zusätzlichen Zugeständnisse an die Bundesländer imUmfang von 10,5 Milliarden Euro.Carsten Schneider macht schon jetzt laufend Zurufe;deshalb komme ich direkt auf ihn zu sprechen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25525
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Als er das sagte, habe ich gedacht: Jetzt spricht er vomFlughafen Berlin-Brandenburg.
Weit gefehlt: Keiner der Redner der Sozialdemokratenist auf das Versagen der Herren Wowereit und Platzeckeingegangen. Auch das schlägt im Bundeshaushalt mitdreistelligen Millionenbeträgen zu Buche; auch dasmuss der deutsche Steuerzahler bezahlen.
– Herr Trittin, Sie sind doch gar nicht dran. Melden Siesich doch einfach! Sonst ist das nicht so gut für Sie undIhren Blutdruck.
Dann sprach die Opposition, zuletzt die KolleginLötzsch, auch noch von einem „Wahlkampfhaushalt“.
Ach, wenn doch Wahlkampfhaushalte immer so aus-sehen würden!Die Koalition hat in den Haushaltsberatungen dieNettokreditaufnahme noch einmal erheblich gesenkt.Darauf sind wir stolz.
Bereits drei Jahre früher als vorgesehen, kann jetzt imSinne der Schuldenbremse ein ausgeglichener Haushalterreicht werden. Darauf sind wir stolz.Die Ausgaben im Jahre 2013 liegen unter denen dervorherigen Haushalte. Die Koalition hat Ausgabendiszi-plin gewahrt.
Darauf sind wir stolz.Der Personalbestand des Bundes ist weiter reduziertworden, im Vergleich zu 2010 um 11 340 Stellen.
Darauf sind wir stolz.Trotz der Ausgabensenkungen im Bundeshaushalt2013 steigen die Investitionen des Bundes um 470 Mil-lionen Euro. Das sichert Arbeitsplätze. Darauf sind wirstolz.
Dem gegenüber stehen die von den Sozialdemokratengeforderten 7 Milliarden Euro Mehrausgaben, die durchSteuererhöhungen bezahlt werden sollen. Eine Reichen-steuer muss her, damit der Wunschzettel der SPD erfülltwerden kann.
Selbst Peer Steinbrück spricht plötzlich davon, dass derSpitzensteuersatz erhöht werden müsse. Vielleicht soll-ten die Sozialdemokraten – allerdings auch PeerSteinbrück – einmal nachlesen, was Steinbrück als Fi-nanzminister hier wörtlich im Bundestag gesagt hat:25 Prozent der Steuerzahler, also diejenigen mit ei-nem Einkommen im oberen Bereich, zahlen über80 Prozent der Steuern in Deutschland.
Irgendwann– so Steinbrück damals als Finanzminister –muss es Ihnen doch einmal auffallen, dass es dieseStatistik gibt.Das sollte man sich doch merken bei den Sozialdemo-kraten. Herr Steinbrück hat allerdings auch das verges-sen. Er hat vieles an der Garderobe abgegeben, was ervielleicht hätte in Erinnerung haben müssen.
Herr Kollege Koppelin, würden Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Hoppe von den Grünen zulassen?
Selbstverständlich, das verlängert ja meine Redezeit.
Und Frau Künast kann sich dann wieder beruhigen.
Bitte schön, Herr Hoppe.
Herr Kollege Koppelin, Sie zählen gerade auf, aufwas alles Sie stolz sind. Ich möchte fragen, ob Sie auchstolz darauf sind, dass erstmals der Entwicklungsetat aufIhr Betreiben hin gekürzt wurde.
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25526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Thilo Hoppe
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Deshalb weise ich diese Aufregung zurück.
Herr Steinbrück beklagte in dieser Woche, wir hätten
zu wenig Gesetzesinitiativen zur Förderung von Wachs-
tum und Beschäftigung gehabt. Dazu sage ich Ihnen:
Nicht laufend neue Gesetze helfen bei der Förderung
von Wachstum und Beschäftigung; Gesetze haben wir
nämlich genug. Er hat – als Bundesfinanzminister übri-
gens – vergessen, dass der Bundeshaushalt auch ein Ge-
setz ist. Hier machen wir etwas für Wachstum und Be-
schäftigung. Das sieht man auch bei diesem Haushalt
2013, den wir beschließen wollen.
Weiter kritisieren Herr Steinbrück und auch die SPD,
dass wir 1 Milliarde Euro von der KfW in den Bundes-
haushalt fließen lassen.
– Hört doch einfach einmal zu! Ich weiß gar nicht, wa-
rum ihr euch so aufregt.
Steinbrück sagte wörtlich, das sei „eine Neuauflage der
Panzerknackerbande“.
Das Protokoll verzeichnete „Heiterkeit bei der SPD“.
Erstens ahne ich, warum die SPD gelacht hat; das sage
ich Ihnen aber später. Er sprach von einer „Neuauflage“.
Er ist nämlich Ehrenmitglied in der Panzerknacker-
bande, weil er früher als Bundesfinanzminister von den
ERP-Mitteln schon einmal 2 Milliarden Euro wegge-
nommen hat, um sie in den Bundeshaushalt fließen zu
lassen. Sie haben gelacht, weil wir nur so wenig wegge-
nommen haben. Sie hätten nämlich viel mehr wegge-
nommen. Da haben Sie über uns gelacht.
Das müssen Sie doch nach den Auftritten Ihres Kanz-
lerkandidaten hier zugeben. Diese Auftritte und über-
haupt der Start Ihres Kanzlerkandidaten waren mehr als
rumpelig.
– Ja, natürlich; wir müssen uns aber doch mit Ihrem
Kanzlerkandidaten auseinandersetzen, lieber Herr Kol-
lege, und der Start war mehr als rumpelig.
Ich zitiere nur, was Frau Nahles gesagt hat: Steinbrücks
Start war rumpelig. – Diese Aussage ist nicht von mir.
Damit müssen Sie sich beschäftigen.
Diesen Kanzlerkandidaten also lassen Sie hier reden.
Dabei hat er seinen Blödsinnsvergleich – sage ich einmal
ganz offen – mit der Frittenbude gebracht; den möchte
ich gar nicht wiederholen. Soll ich Ihnen was sagen?
Jede Frittenbude hat ein besseres Personalmanagement
als die SPD und Herr Steinbrück in diesen Tagen. Das
kann man auch lesen.
Natürlich wissen wir, dass der Bundeshaushalt nicht
unabhängig von äußeren Einflüssen ist. Die Stichworte
sind Griechenland, Portugal und Spanien.
– Herr Präsident, darf ich einmal fragen, ob nicht ein
bisschen Ruhe bei der SPD eintreten kann?
Herr Kahrs, Sie hatten ja bereits Gelegenheit, hier zu
sprechen. Wenn Sie wünschen, weitere Äußerungen zu
machen, dann können Sie sich zu einer Kurzintervention
melden.
Das weiß ich.
Jetzt hat der Kollege Koppelin das Wort.
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – In dieserWoche ist zu Recht darauf hingewiesen worden, wiewichtig auch für uns die Haushalts- und Wirtschaftsda-
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Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Noch Ende Mai hieß es in einer Presseerklärung aus derSPD-Bundestagsfraktion: „Europa braucht mehrHollande und weniger Merkel“.Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich liegt bei23 Prozent, die Haushalts- und Wirtschaftsdaten sind ka-tastrophal. Nach sechs Monaten Amtszeit des Sozialis-ten Hollande befindet sich Frankreich im Abwärtsstru-del. Darüber können wir uns als Deutsche nicht freuen;ich stelle das einfach nur fest. Ich will nicht mehrHollande, ich will mehr Merkel. Das ist das Entschei-dende.
Wir können auf unsere Politik stolz sein.
Mit dieser Koalition ist die Jugendarbeitslosigkeit zu-rückgegangen. Mit dieser Koalition sind die Arbeitslo-senzahlen zurückgegangen, und wir haben erfreulicher-weise immer noch eine sehr gute Konjunktur.
Das alles kann sich sehen lassen. Die Sozialdemokratenhaben uns dabei nicht geholfen, die Grünen, die jetztnoch einmal 8 Milliarden Euro Mehrausgaben fordern,übrigens auch nicht. Wenn wir die auf Ihrem Bundespar-teitag beschlossene Hartz-IV-Erhöhung von 50 Euro um-setzen würden, würde das den Haushalt mit 7,4 Milliar-den Euro mehr belasten. Woher wollen Sie das Gelddenn nehmen?
Das können Sie doch nur durch Steuererhöhungen schaf-fen. All das, was Sie hier fordern, ist doch unrealistisch.Grüne Parteitage – Herr Trittin winkt ab – sind so-wieso etwas Besonderes. Ich erinnere mich: Sie habeneinmal in Kiel, also in meinem Heimatland Schleswig-Holstein, einen Bundesparteitag abgehalten. KleineRückblende: Da forderte der Parteivorsitzende Özdemir,dass Schuldenländer wie Griechenland nicht fallengelas-sen werden dürfen; darüber können wir uns unterhalten.Dann sprach der Festredner, der ehemalige griechischeMinisterpräsident Papandreou, der wie die Grünen eineVergemeinschaftung der Schulden durch Euro-Bondsforderte. Da kann ich nur sagen: Gut, dass Rot und Grünjetzt nicht regieren. – Papandreou reist übrigens inzwi-schen laut Medienberichten auf Luxustouren um dieWelt. Das ist das Vorbild der Grünen. Das kann ich gutverstehen.Wenn ich einmal die Reden der Sozialdemokraten Re-vue passieren lasse, merke ich, dass es einen roten Fadengab: das ständige Zitieren aus der Frankfurter Rund-schau. Ich würde einmal sagen: Diese kostenlosen Wer-beeinblendungen für die Frankfurter Rundschau werdendieser SPD-nahen Zeitung, die Insolvenz angemeldethat, nicht helfen.Zum Schluss noch eine Meldung, die ich Ihnen nichtersparen kann. Die SPD besitzt eine Reisefirma namensAmbiente. Diese betreibt ein Kreuzfahrtschiff.
– Ja.
– Wir reden über Einnahmen. Den Zusammenhang wer-den Sie gleich sehen.
– Er kann wirklich nicht ruhig zuhören, Herr Präsident.
Die SPD betreibt also ein Kreuzfahrtschiff. Es musstein Griechenland aufgrund von Schulden der Reedereizwangsweise vor Anker gehen. Die Passagiere wurdennach Deutschland ausgeflogen. Die Schatzmeisterin derSPD, unsere Kollegin Hendricks, erklärte dazu: Wir sindinteressiert, die Schiffsreisen fortzusetzen; denn mit die-sem touristischen Angebot will die SPD neue Einnahme-quellen erschließen. Prominente Mitreisende sollen denVerkauf fördern. – Das wäre doch etwas für PeerSteinbrück als Prominenter. Er könnte dort als Rednerauftreten.
Denn ich befürchte, mit der Kanzlerschaft wird es nichtsfür Steinbrück. Wie soll ich es anders formulieren? Ermuss, wenn es so weitergeht, aufpassen, dass er über-haupt euer Kanzlerkandidat bleibt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt2013 zeichnet sich durch solide Staatsfinanzen aus.
Er zeichnet sich dadurch aus, dass die schwarz-gelbeKoalition dafür gesorgt hat, dass Deutschland auch 2013finanz- und haushaltspolitisch Stabilitätsanker ist. DieFDP wird diesem Haushalt zustimmen. Die Oppositionsollte wegen Alternativlosigkeit ebenfalls zustimmen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort derKollege Dr. Tobias Lindner.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Während wir heute diesen Haushaltsentwurf ab-schließend beraten, ist Angela Merkel in Brüssel wohlgerade dabei, die Scherben der vergangenen Nacht zu-sammenzukehren. Die Bundeskanzlerin tritt ja in Europaals diejenige auf, die den nächsten EU-Haushalt, dienächsten Haushalte gern kürzen würde. Genauso wenigwie man zur politischen Mitte in diesem Land gehört,nur weil man zwischen Rainer Brüderle und HorstSeehofer sitzt, genauso wenig ist man eine engagierteEuropäerin, nur weil man weniger Kürzungen möchteals David Cameron, meine Damen und Herren.
Wir beraten heute einen Etatentwurf – der KollegeJohannes Kahrs hat es schon erwähnt –, der in wenigenTagen bereits überholt sein könnte. Sagen Sie den Men-schen in diesem Land endlich die Wahrheit: Die RettungGriechenlands, der Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone wird den deutschen Steuerzahler Geld kosten, auchim Bundeshaushalt. Sprechen Sie diese Wahrheit endlichaus!Ich bin froh, dass man sich jetzt politisch dazu ent-schieden hat – zumindest nehme ich die Äußerungen vonHorst Seehofer und Angela Merkel so wahr –, dass Grie-chenland in der Euro-Zone verbleiben soll. Aber es istschon sinnbildlich für Ihre Koalition, dass man auch an-dere Töne hört. Es ist schon sinnbildlich, wenn der Vize-kanzler im Sommer Sätze sagt wie: Ein Austritt Grie-chenlands hat den Schrecken verloren. – Was für einSchrecken, meine Damen und Herren, ist das für dieMenschen in Griechenland, die unter harten Sparbemü-hungen leiden müssen? Was für ein Bild von Deutsch-land zeichnet das?Ich präsentiere Ihnen noch etwas. Die dpa meldete um10.16 Uhr heute Morgen: „Söder schließt Euro-Aus fürGriechenland weiter nicht aus.“ Zitat:Der Austritt des Landes aus dem Euro müsse eineOption bleiben, forderte Bayerns FinanzministerMarkus Söder …
Ich bin gespannt, ob Herr Söder das auch mit bayeri-schen Unternehmen wie BMW, Audi oder Siemens be-sprochen hat. Mich würde interessieren, was die ihmdazu gesagt hätten.
Nein, meine Damen und Herren, diese Bundesregie-rung und ihr Schlingerkurs sind alles andere als ein Vor-bild in Europa. Ihre Haushaltspolitik und das, was Sie inBrüssel erzählen, ist alles andere als konsistent. Sie tra-gen die Haushaltskonsolidierung auf der europäischenEbene ja gern wie eine Monstranz vor sich her
und nennen Deutschland als Vorbild. Sie tun aber dasGegenteil. Schwarz-Gelb konsolidiert diesen Bundes-haushalt nicht.
Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen. Über denRegierungsentwurf hat meine Kollegin Priska Hinz be-reits in der ersten Lesung, in der allgemeinen Finanzde-batte, einiges gesagt, beispielsweise dass es im nächstenJahr konjunkturelle Verbesserungen geben wird – durchSteuermehreinnahmen, durch geringere Zinskosten,durch geringere Zuschüsse an die Sozialkassen –, undzwar in Höhe von etwa 16 Milliarden Euro. Die Netto-kreditaufnahme sinkt aber – ich beziehe mich jetzt aufden Regierungsentwurf – um nur 13,3 Milliarden Euro.Mit anderen Worten: Schon im Entwurf hätte die Netto-kreditaufnahme um 2,7 Milliarden Euro niedriger seinkönnen, wenn Sie es mit der Konsolidierung ernst mei-nen würden.In Bereinigungssitzungen passieren ja manchmalganz seltsame Dinge. Da haben Sie unter anderem Steu-ermehreinnahmen eingestellt, Privatisierungserlöse imJahr 2013 verbucht, Zinsausgaben gesenkt usw. usf.Wenn man das alles zusammenzählt, dann hätte die Neu-verschuldung um weit mehr – um 1 Milliarde Euro mehr –als um die 1,7 Milliarden Euro, um die Sie in der Berei-nigungssitzung bei der Neuverschuldung heruntergegan-gen sind, sinken können. Nein, das ist alles andere alsdas Zeichen für eine Haushaltspolitik, bei der man wirk-lich Prioritäten setzt und überflüssige Ausgaben kürzt.
Nicht zuletzt: Sie plündern nicht nur die Sozialkassen,sondern Sie bedienen sich jetzt auch noch am Gewinnder KfW, am Gewinn einer Förderbank. Gerade eineFörderbank, die in schwierigen Zeiten Investitionskapi-tal bereitstellen soll, gerade eine Förderbank, die aucheinmal höhere Risiken eingehen können muss, brauchtRücklagen. Die Gewinnentnahme, die Sie planen, wirddazu führen, dass es entweder weniger Investitionen ge-ben wird oder die KfW ein hohes Risiko eingehen muss.Beides lehnen wir ab.
In diesen Tagen ist viel über Energie- und Klimapoli-tik geredet worden. Sie haben immer noch diesen Schat-tenhaushalt EKF. Stellen Sie die Energiewende endlichauf sichere, kalkulierbare und finanziell tragfähige Füße!Geben Sie Deutschland, geben Sie den Menschen, die ander Energiewende mitarbeiten wollen, endlich Planungs-sicherheit! Beenden Sie den Eiertanz beim EEG, den Siein den letzten Monaten aufgeführt haben!Wir Grüne haben uns in diesen Haushaltsberatungeneiniges anhören müssen. Wann immer Einzelpläne bera-ten wurden, bei denen wir mehr Geld ausgeben würden,haben Sie uns im Plenum entgegengehalten: Wie wolltihr das denn gegenfinanzieren, wo konsolidiert ihr dann?– Das will ich Ihnen sagen – addieren wir die Einzel-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25529
Dr. Tobias Lindner
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Ich weiß nicht, ob sie zuvor mit Helmut Kohl darübergesprochen hat und wie Helmut Kohl darüber denkenmag; aber eines haben Angela Merkel und Helmut Kohlgemeinsam: Sie sitzen die Dinge gerne aus. Währenddas bei Herrn Kohl vielleicht politische Strategie warund man sich daran abarbeiten konnte, ist das bei der Re-gierung Merkel ein Ausdruck von Hilflosigkeit. DieseRegierung regiert nicht. Sie ertragen die meisten Dingepassiv. Ihr Problem, Herr Koppelin, ist gerade, dass Sieauf diesen Entwurf stolz sind. Dabei ist dieser Entwurfunambitioniert, ebenso wie Ihre Politik. Statt Orientie-rung bildet Konzeptlosigkeit Ihre programmatischeGrundlage. Dieser Haushalt ist leider ein papiergeworde-nes Zeugnis Ihrer politischen Ermüdung.Wir haben mit unseren Anträgen gezeigt: Eine niedri-gere Neuverschuldung ist möglich. Eine bessere Politikist möglich. Eine bessere Politik ist grün.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans Michelbach
von der CDU/CSU.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Haus-haltsberatungen dieser Woche waren für unsere Koali-tion ein voller Erfolg.
Die Forderung von Herrn Steinbrück, die Verabschie-dung des Haushalts zu verschieben, hat sich als Windeierwiesen, nach dem Fehlstart sozusagen ein fehlerhafterNeustart.Für die Menschen in unserem Land ist die Verab-schiedung des Haushalts eine sehr gute Nachricht. Mitihm setzen wir die wirtschafts-, arbeitsmarkt- und fi-nanzpolitischen Erfolge unseres Landes in dieser Legis-laturperiode fort. Kein Land hat die Wirtschafts- und Fi-nanzkrise der vergangenen Jahre so gut gemeistert wieDeutschland.
Dieser Haushalt ist ein weiterer Meilenstein für eine er-folgreiche Zukunft.Wir erleben in diesen Tagen deutlich, dass es sehrwohl einen Unterschied macht, wer ein Land regiert.Spätestens mit der europäischen Staatsschuldenkrisemuss man erkennen, dass der Weg einer Schuldenpolitik,einer Politik auf Pump, wie sie in den rot-grün regiertenBundesländern nach wie vor geradezu hemmungslos be-trieben wird – ich denke an Nordrhein-Westfalen, aberauch an Baden-Württemberg –, volkswirtschaftlich völ-lig falsch ist. Freiräume, Konsolidierung und geordneteFinanzen: Damit haben wir letzten Endes den Schlüsselfür Wachstum und Beschäftigung in unserem Land bzw.unserer Volkswirtschaft in der Hand.Ich möchte einen Unterschied zwischen den Bundes-ländern, in denen Rot-Grün oder Grün-Rot regiert, undBayern deutlich machen. Es ist eine Tatsache: Wir habenim achten Jahr hintereinander keine Nettoneuverschul-dung.
2030 werden wir keine Schulden mehr vorweisen kön-nen. Das ist ein Erfolg! Das ist eine Politik für die Zu-kunft!
Das ist eine Politik für die junge Generation!
Rot-Grün hat Deutschland mit Verstößen gegen denStabilitätspakt zuerst zum Schuldensünder in Europa ge-macht.
Wir haben die Trendwende geschafft. Deutschland istvom Defizitsünder zum Stabilitätsanker und zur Wachs-tumslokomotive in Europa geworden.
Das kann uns niemand absprechen.
Das sind die Tatsachen, die wir heute bilanzieren kön-nen.
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25530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Dr. h. c. Hans Michelbach
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Dagegen fällt Rot-Grün zum Abbau der Staatsschuldenleider immer wieder nur ein Wort ein: Steuererhöhun-gen, Steuererhöhungen, Steuererhöhungen!
Das ist Ihr Credo für die Menschen: die Menschen mehrbelasten, ihnen mehr Geld abnehmen, die Betriebe durcheine Substanzbesteuerung belasten. Das ist die Wahrheitund der Unterschied zu unserer Politik.
Sie verstehen einfach nicht, dass Einkommensteuerer-höhungen das Realeinkommen unserer Bürger verrin-gern, wodurch die wichtige Binnenkonjunktur geschmä-lert wird, dass diese Steuererhöhungen über höhereLohnstückkosten schädlich für die Wettbewerbsfähigkeitder Unternehmen sind und dass eine Erhöhung der Steu-ern auf die Betriebssubstanz, dass eine Erhöhung derErbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermö-gensteuer investitionsfeindlich, wirtschaftsfeindlich undarbeitsplatzfeindlich sind und den Staat letzten Endesauch weniger Steuern einnehmen lassen. Das ist der Un-terschied!Das alles sind für die Opposition anscheinend sehrkomplizierte makro- und mikroökomische Zusammen-hänge, die Sie nicht verstehen wollen und ausblenden.
Ihre Ideologie lässt das nicht zu. Ich frage Sie nur: Wa-rum hat es in der Großen Koalition denn gemeinsameSteuerentlastungen für eine stärkere Wirtschaft und mehrInvestitionen gegeben?All das wollen Sie heute nicht mehr wissen. Damalshaben Sie das für gut befunden, heute sprechen Sie nurvon Steuererhöhungen. Das ist der Unterschied!
Unsere Haushaltspolitik
lautet: konstante Ausgabenreduzierung bei steigendenEinnahmen durch Wachstum. Das ist das Erfolgsmodell,das mit diesem Haushalt zum Ausdruck kommt.Wir könnten in diesem Land noch mehr Wachstumund Einnahmen erzielen,
wenn die Opposition derzeit nicht Entlastungen für dieBürger, die sich auf etwa 20 Milliarden Euro belaufenkönnten, aus ideologischen und parteitaktischen Grün-den über den Bundesrat einfach blockieren würde. Ichmeine zum Beispiel die Blockade unseres Gesetzes zumAbbau der kalten Progression, das Steuerabkommen mitder Schweiz, die Förderung der energetischen Gebäude-sanierung, das Jahressteuergesetz mit Entbürokratisie-rung durch eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristenfür Buchhaltungsunterlagen und das Unternehmensteu-ergesetz mit Liquiditätshilfe durch Verlustrücktrag.Meine Damen und Herren, diese Blockadepolitik derOpposition schadet unserem Land. Sie schadet unserenMitbürgern, sie schadet der Wirtschaft, und sie schadetden Kommunen. Das, was Sie hier aus parteitaktischenGründen vollziehen, ist unverzeihlich.
Es ist für mich nahezu Untreue gegenüber den deut-schen Steuerzahlern, insbesondere auch gegenüber unse-ren Kommunen, wenn Rot-Grün das deutsch-schweize-rische Steuerabkommen einfach verweigert.
Mit Ablauf der Verjährungsfristen nehmen Sie aus reinparteitaktischen Gründen den Verlust von mehreren Mil-liarden Euro an Steuereinnahmen in Kauf. Das ist dieWahrheit.
Demgegenüber befürworten wir, dass nun endlich jedeAnlage, egal ob in Deutschland oder in der Schweiz,gleich besteuert wird.
Das ist Steuergerechtigkeit: gleiche Besteuerung sowohlin Deutschland als auch in der Schweiz. Deswegen: Ver-weigern Sie sich diesem Steuerabkommen nicht!
Große Differenzen gibt es auch bei der Lösung desProblems der Staatsschuldenkrise insbesondere mit
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25531
Dr. h. c. Hans Michelbach
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Bei allen diesen Themen unterscheiden wir uns wesent-lich: Wir machen die Finanzmarktregulierung, um die Ex-zesse auf dem Finanzmarkt einzudämmen. Wir schauen,dass wir Lösungen für die Staatsschuldenkrise bekom-men, und zwar letzten Endes nicht durch einen Schulden-schnitt, wie Sie es machen wollen. Sie haben noch garnicht verstanden, dass man finanzverfassungsrechtlichnicht einen Schuldenschnitt machen und gleichzeitig hel-fen kann. Das verbietet sich. Das ist finanzverfassungs-rechtlich gar nicht möglich. Deswegen sollten Sie einmalin die Finanzverfassung schauen, um weiterzukommen.Wir haben großes Vertrauen in die Verhandlungen derBundeskanzlerin und unseres Bundesfinanzministers.
Wir danken insbesondere Wolfgang Schäuble für seinenenormen Einsatz in dieser Frage.Wir stimmen dem Haushalt zu. Wolfgang Schäubleund die Bundeskanzlerin
verteidigen die deutschen Interessen nach bestem Wis-sen und Gewissen. Das muss auch für die Zukunft sobleiben.
Für die Sozialdemokraten spricht jetzt der Kollege
Klaus Hagemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wenn man einen roten Faden durch die Debattezieht, die wir diese Woche hatten, und insbesonderedurch die Rede, die wir gerade gehört haben, dann stelltman eines fest: Die Koalition, insbesondere die CSU, be-weihräuchert sich selbst, lobt sich selbst und diffamiertdie anderen, und das ohne jegliche Substanz, KollegeMichelbach. Das muss hier einmal herausgestellt wer-den.
Dieser Haushalt – ich denke, mein Kollege Schneiderwird nachher noch einmal darauf eingehen – ist einHaushalt, der gerade auf die großen Herausforderungen,die im nächsten Jahr anstehen und die sich schon in die-sem Jahr abzeichnen, keine klaren Antworten gibt. Ergibt keine klaren Antworten auf das, was uns in Grie-chenland erwartet, auf das, was eventuell in Italien oderin Spanien kommen wird. Es wird über diesen Terminhinaus verhandelt.Die Bevölkerung wartet auf Antworten der Bundesre-gierung. Sie wartet auf Antworten der Koalition. Aber esgeschieht nichts, meine sehr verehrten Damen und Her-ren.
Wenn Sie hier von Konsolidierung sprechen – HerrKollege Lindner hat schon darauf aufmerksam ge-macht –, dann muss man natürlich auch einmal schauen,wie es mit der Verschuldung in diesem und im nächstenJahr aussieht. Sie machen im Haushalt 2013 eine Neuver-schuldung von 17 Milliarden Euro. Wenn diese Legisla-turperiode von Schwarz-Gelb abgelaufen sein wird, wer-den es fast 115 Milliarden Euro Nettokreditaufnahmeobendrauf sein. Das hat natürlich Auswirkungen auf diekommenden Zinszahlungen. Der Kollege Schneider hatschon deutlich gemacht: Der Bund hat täglich 6 Millio-nen Euro mehr an Zinsen zu bezahlen.Kollege Michelbach, Sie haben die Verschuldung derdeutschen Ebenen, also Bund, Länder und Gemeinden,angesprochen. Da schauen wir uns doch einmal dieHöhe der Gesamtverschuldung an, als Gerhard Schröder2005 abgewählt wurde: 68,5 Prozent des Bruttoinlands-produktes. Nachdem Peer Steinbrück das Amt des Fi-nanzministers innegehabt hatte und die schwarz-gelbeKoalition die Verantwortung übernommen hat, lag dieVerschuldung bei 74,5 Prozent. Schauen wir uns die ak-tuelle Zahl an: Sie liegt bei fast 82 Prozent.So viel zu der von Ihnen vorgetragenen Konsolidie-rung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das isteine Schimäre. Das ist eine Monstranz, die Sie vor sichhertragen. Das ist Weihrauch, den Sie sich selbst dar-bringen. Das muss man immer wieder deutlich sagenund nach außen tragen und gegenüber den Menschen he-rausstellen.
Ich darf auf das Bezug nehmen, was der KollegeBrackmann in einem ruhigen und sachlichen Ton gesagthat. Vielen Dank für den ruhigen Ton, KollegeBrackmann. Aber ich muss auch einiges von dem, wasSie ausgeführt haben, richtigstellen. Sie haben die Ver-schuldung im Jahr 2009 angesprochen. Ja, sie war hoch.Nebenbei darf ich erwähnen, dass zu diesem Zeitpunkt –ich weiß nicht, ob Sie damals schon Mitglied des Bun-destags waren – eine Große Koalition regierte und IhreFraktion, die CDU/CSU, mit uns gemeinsam diese Neu-verschuldung beschlossen hat.Aber wir müssen auch sehen, warum wir das gemachthaben. Wegen der Bankenkrise, nicht wegen der Staats-schuldenkrise, haben wir bei den Schulden kräftigdraufgelegt. Wir haben zusammen die Konjunkturpro-gramme I und II aufgelegt, deren Auswirkungen sichnoch heute deutlich in den Kommunen feststellen lassen.Ich weiß, allein in meinem Landkreis – Alzey-Wormsmit 125 000 Einwohnern – haben wir Mittel in Höhe von
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25532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Klaus Hagemann
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– Klatschen Sie nicht zu früh, da können wir höchstensgemeinsam klatschen. Wir, die Sozialdemokratie und dierot und grün geführten Länder, haben die Leistungen, dieden Kommunen zukommen – Grundsicherung ist hierdas Stichwort – zusammen ausgehandelt, damit für dieseRegelung die dafür nötige Zweidrittelmehrheit zustandekam,
um den Fiskalpakt im Zusammenhang mit dem Europäi-schen Stabilitätsmechanismus durchzusetzen. Das müs-sen wir doch sehen.
– Hier wird „Erpressung“ gerufen. Auf der anderen Seiteheißt es dann, das sei eine große Leistung dieser Koali-tion. Was ist es denn nun? Ist es nun Erpressung oderHilfe und Unterstützung für die Kommunen? KollegeFricke, Sie müssen dies deutlich machen und hier fürKlarheit sorgen.
Kollege Brackmann, Sie haben gesagt, bei den Kom-munen sei alles so toll. Schauen Sie sich das einmal an;ich glaube, Sie sind selbst Kommunalpolitiker. Dannwissen Sie, wie die Realität aussieht. Es ist nämlich beiden meisten Kommunen nicht so, dass sie auf einem gol-denen Sessel sitzen und alle Probleme lösen können, imGegenteil. Zurzeit werden in den Kommunen die Haus-haltsreden gehalten. Ich gehöre auch dem Kreistag Al-zey-Worms an. Dort ist es der Unionskollege, der amhäufigsten darauf hinweist, welche Probleme auftreten.Es stimmt nämlich nicht: Es ist zwar eine kleine Verbes-serung erreicht worden, aber den Kommunen geht esnicht gut,
um das noch einmal deutlich herauszustellen, meine Da-men und Herren.In diesem Zusammenhang fällt mir auch das Pro-gramm „Soziale Stadt“ ein, bei dem Sie deutliche Kür-zungen vornehmen. Auch bei der Gebäudesanierung sol-len deutliche Kürzungen vorgenommen werden, sodassgute Programme nicht mehr weitergeführt werden kön-nen. Deswegen muss man das zurückführen. Das sindkeine Entlastungen der Kommunen, um das deutlich zusagen.
Meine Redezeit geht zu Ende. Sie haben einen Haus-haltsentwurf vorgelegt. Wir haben die höchsten Steuer-einnahmen. Das ist gut so. Die Gründe habe ich auchdargelegt. Wir haben die niedrigsten Zinsen, wer weiß,wie lange. In Ihrer mittelfristigen Finanzplanung ma-chen Sie sogar deutlich, dass wir mit steigenden Zinsenrechnen müssen, und zwar mit 10 Milliarden Euro mehr.Ich frage mich, wie Sie das alles finanzieren wollen, wasSie hier ankündigen.Sie machen trotz der tollen Situation mehr Schulden.Sie greifen in die Sozialkassen. Sie greifen bei der Kre-ditanstalt für Wiederaufbau zu. Das kann man nicht gut-heißen. Vieles ist unsicher. Deswegen werden wir denHaushalt ablehnen.
Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege
Otto Fricke.
Geschätzter Herr Vizepräsident! Meine Damen undHerren! Neben dem Dank an das Haushaltssekretariatmöchte ich, sicherlich auch im Namen aller Haushälter,der Haushaltsausschussvorsitzenden von der SPD, Petra
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25533
Otto Fricke
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Das kriegen wir hin, liebe Petra, und wenn du in dennächsten vier Jahren einen guten Kollegen bei der SPDfindest, der wieder dem Haushaltsausschuss vorsitzenkann – Anmerkung: Das macht immer die Opposition –,dann würden wir uns freuen.
Meine Damen und Herren, die Kollegin Lötzsch hatin, wie ich fand, diskriminierender Weise gesagt: Dieschwäbische Hausfrau ist tot. –
Das Bild der Hausfrau hat sich doch in unserer Gesell-schaft überlebt. Das muss man ganz klar festhalten. Da-bei sind wir als Liberale und Christliche wahrscheinlichetwas weiter als Sie.
Deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle nur sagen:Dieser Haushalt zeigt: Die schwäbische Haushaltsge-meinschaft der Koalition lebt, wächst und gedeiht.
Das ist das, was Sie stört.In dieser Woche merkt man immer wieder, dass manmit der Opposition nur eines machen kann, nämlichAchterbahn fahren. Das hat der Kollege Hagemann ebenauch wieder gemacht. Erst wird gesagt: „Ihr spart nichtgenug“, zwei Sätze später heißt es: Da müsst ihr mehrausgeben, da gebt ihr zu wenig aus, da tut ihr zu wenig.
Liebe Bürger, wenn Ihnen ein Politiker sagt: „Die ei-nen sparen nicht genug, aber sie müssen da mehr ausge-ben“, dann sagt er damit auch: Das Geld holen wir unsnachher von euch wieder.Liebe SPD, es ist wie mit der Achterbahn: Man fährterst einmal schön hoch, und erst wenn man oben ist,sieht man, was passiert und was für Volten man fährt.Was Sie mit Ihrem Spitzenkandidaten Steinbrück ma-chen, ist bemerkenswert. Dass Herr Steinbrück ein gro-ßer Philosoph ist, wäre zu viel gesagt, aber er hält sichgerne an starke Worte. Er hat wohl Dürrenmatt gelesen.Dieser hat einmal gesagt: „Je öfter sich ein Politiker wi-derspricht, desto größer ist er.“ Mir ist jetzt klar, warumHerr Steinbrück so ist, wie er ist, nachdem ich das gele-sen habe.
Meine Damen und Herren, was kann man nach dieserWoche feststellen? Wir halten die Verschuldungsgrenzein der Verfassung drei Jahre früher ein als gefordert.
Wir bauen die Neuverschuldung gegenüber 86 Milliar-den Euro von Herrn Steinbrück um 70 Milliarden Euroab. Das hat keine Koalition bisher geschafft. Wir sind dieeinzige Koalition in der Geschichte, die es geschafft hat,am Ende der Legislaturperiode niedrigere Ausgaben zuhaben als am Anfang.Wir sind dabei in der Lage, die Sozialquote auf einemNiveau zu halten, wie es von Rot-Grün nie erreicht wor-den ist. Wir sind in der Lage, mit der niedrigsten Ar-beitslosigkeit seit der Wiedervereinigung zu glänzen.Wir sind in der Lage, am Ende der Legislaturperiode diegrößten Puffer in den Sozialkassen aufzuweisen.
All das sind Fakten, über die Sie nicht hinwegkom-men und die Sie ärgern. Deswegen versuchen Sie, ir-gendwelche Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen. Solcheinen Haushalt hätte niemand von der Koalition erwar-tet, außer diese Koalition selbst, die weiß, wie viel Kraftund Fähigkeit zur Einigung in ihr stecken. Das ist es,was Ihnen so sehr wehtut.
Im Übrigen will ich noch einen kleinen Hinweis ge-ben. Herr Kollege Hagemann, wir dürfen doch im Zu-sammenhang mit den Kommunen darauf hinweisen,dass Ihre Darstellung, die rot-grünen Länder hätten dafürgesorgt, dass die Kommunen mehr Geld für die Grund-sicherung im Alter erhalten, etwas verdreht ist. Sie vonRot-Grün haben seinerzeit die Kommunen belastet.
Wir als Koalition haben von uns aus den Kommunen an-geboten, sie im Bereich der Grundsicherung zu unter-stützen. Danach gab es die Entscheidung zum Fiskal-pakt. Ihre Verdrehungen, Herr Kollege Hagemann,helfen nicht weiter.
Diese Koalition wusste und weiß, dass die Kommunenals Basis unseres sozialen Zusammenlebens nicht immernur mit Aufgaben belastet werden dürfen,
sondern auch bei der Finanzierung dieser Aufgaben ent-lastet werden müssen. Das hat die Koalition getan, undzwar in Milliardenhöhe. Das ist nicht wenig, HerrHagemann, sondern eine Entlastung in Milliardenhöheist nach meiner Meinung viel.
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Otto Fricke
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Dahinter steckt die übliche Methode. Sie wollen denLeuten das Geld wegnehmen, damit Sie es nachher wie-der verteilen und Sie Ihren Wünschen nach Mehrausga-ben nachgeben können.
Der Kollege Hoppe hat sich vorhin gemeldet und denRedner gefragt, wie er es denn finde, dass gekürztwerde. Dazu sage ich: Keiner findet eine Kürzung in sei-nem Bereich schön. Niemand nimmt gerne jemandemetwas weg. Aber nur der, der Verantwortung übernimmt,ist auch bereit, dazu zu stehen und den Leuten zu sagen:Ich verstehe eure Gründe, ich bin emotional auf eurerSeite, aber ihr müsst auch verstehen, dass wir einen lang-fristigen Plan haben, wie wir handeln. – Das hat die Ko-alition sowohl in finanziellen Dingen getan als auch– auch den Hinweis darf ich noch geben – im BereichPersonal.
Herr Kollege Fricke, jetzt muss ich Sie doch einmal
kurz unterbrechen. Der Kollege Koppelin würde Ihnen
gerne eine Zwischenfrage stellen.
Sehr gerne. Ich hoffe, ich kann sie ihm beantworten.
Lieber Otto, du bist leider viel zu schnell in deiner
Rede. – Ich habe eine Frage an dich. Als du eben die
Steuererhöhungen aufgezählt hast, die die Opposition
beabsichtigt, ist mir aufgefallen, dass die Sozialdemo-
kraten bei Nennung der Mehrwertsteuer, wie üblich vor
Wahlen, Nein gesagt haben. Könntest du bitte sagen, was
immer nach den Wahlen bei den Sozialdemokraten ge-
schieht?
Ich werde der Opposition jetzt nicht anbieten, dieMehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte zu erhöhen, damitsie später diese Steuer um 3 Prozentpunkte erhöht. Daswerde ich mit Sicherheit nicht tun, auch wenn die Mehr-wertsteuer in allen anderen Ländern, in denen Sozialde-mokraten an der Regierung sind, in der letzten Zeit er-höht worden ist.
Wenn ihnen nichts anderes einfällt, erhöhen sie dieMehrwertsteuer.Nächster Punkt. Ich will eines für die Bürger festhal-ten. Es wird immer gesagt, der Apparat werde aufge-bläht. Liebe Bürgerinnen und Bürger im Lande, wirhaben im Jahr 2010 11 340 Stellen im Bereich des Bun-deshaushalts mehr gehabt, als wir am Ende des Jah-res 2013 haben werden. Auch dort wird gespart.
Dazu noch ein Hinweis: Das Personal für Gesamt-deutschland ist weniger, als Westdeutschland vor derWiedervereinigung hatte. Auch diese Zahl kann sich se-hen lassen.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der mehrmit dem Bereich Steuern und Finanzen zu tun hat. DieOpposition macht immer so lockere Gegenfinanzie-rungsvorschläge und verweist dabei auf das Ehegatten-splitting. Auf den ersten Blick hören sich die Argumentetoll an. Nehmen wir aber einmal als Beispiel ein Durch-schnittspaar – Otto Normalverbraucher –, wobei sie40 000 Euro und er 20 000 Euro verdient. Dieses Paarhat Kinder erzogen, arbeitet jetzt auch noch in einem et-was höheren Alter, nimmt weiter Verantwortung gegen-seitig wahr und der eine kümmert sich um den jeweilsanderen. Was würde die Abschaffung des Ehegatten-splittings für dieses Paar bedeuten, wenn es einem vonbeiden schlechter ginge oder einer von beiden einen Un-fall hätte?
Das bedeutet für dieses Paar schlicht 500 Euro weniger.Das ist viel Geld für diese Leute. Und Sie sagen, diese500 Euro hätten diese Leute nicht verdient. Sie solltenehrlich sagen, dass jemand, der solche Beträge verdient,Ihnen diese 500 Euro nicht wert ist.
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Otto Fricke
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Übrigens, Sie hätten diesen Menschen am liebstenauch noch gesagt: Ihr müsst mehr Rentenbeiträge zah-len. Die Grünen sind da ganz toll. Wenn zum Beispieldie Frau aus meinem Beispiel im Außendienst arbeitenwürde und einen Dienstwagen hätte, dann hätten sie ihrgesagt: Nein, den damit verbundenen steuerlichen Vor-teil gewähren wir Ihnen nicht. – Auch diese zusätzlicheBelastung würden Sie den einfachen, normalen Leutengern mit auf die Tasche legen. Das ist Ihre Vorstellungdavon, wie man mit Otto Normalverbraucher umgeht.Wir haben eine andere Vorstellung; denn wir sindschlichtweg näher an demjenigen dran, der etwas leistet,der sich kümmert und der Verantwortung trägt. So, wieSie es vorschlagen, kann man keinen Haushalt gegen-finanzieren.
Zum Schluss möchte ich noch etwas zum ThemaEuropa sagen. Der Kollege Lindner hat hier gesagt, dassdie Koalition die Scherben aufkehren müsse.
Das stimmt. Ich kann Ihnen sogar sagen, welche Farbendie Scherben haben: Rot und Grün. Diese Koalitionkehrt gerade rot-grüne Scherben auf, die dadurch ent-standen sind, dass ein Land in die Euro-Zone aufgenom-men worden ist, das man nicht hätte aufnehmen dürfen,das man jetzt aber nicht hinauswerfen kann und auchnicht hinauswerfen sollte, weil uns Europa viel zu wich-tig ist.
Sie haben rot-grüne Scherben hinterlassen, weil Sie dasMaastrichter 3-Prozent-Defizit-Kriterium nicht erfüllthaben. Sie sind es, die dafür sorgen, dass wir den Besenholen und gleichzeitig uns darum kümmern müssen,dass Europa so stabilisiert wird, dass das, was an Europadoch so toll ist, endlich wieder zur Geltung kommenkann.Ich will für meine Fraktion eines deutlich sagen:
Wir sollten aufhören, immer nur zu sagen: Europa bringteuch den Himmel, Europa bringt euch das Paradies.
Aber wir müssen uns in diesem Lande doch über einesklar sein: Ohne Europa ist dieses Land deutlich weiterentfernt vom Himmel und deutlich näher an der Hölle. –Deswegen sind wir an dieser Stelle so vorsichtig. Des-wegen machen wir es Schritt für Schritt.Es gibt keine einfachen Lösungen; auch das will ichnoch einmal deutlich sagen. Es geht nicht an, den Bür-gern zu erzählen, es gebe in Sachen Europa einen Licht-schalter, den man drückt und alles ist geregelt. Wenn Sieim Prozess des Umbaus Europas weg von verschuldetenStaaten hin zu einer Situation der allgemeinen Stabilisie-rung auch nur ein einziges Mal die Versprechung ma-chen, alle Probleme würden gelöst werden, wie könnenSie dann erwarten, dass die Bürger bereit sind, anzuer-kennen, dass sie noch etwas tun müssen, dass es weitereReformen geben muss und dass die Lage erst am Endeder Reform besser sein wird?
Wir sind in Europa mit diesem Haushalt sicherlichkeine Musterschüler – das stimmt –;
aber wir sind ein Vorbild. Man kann nur eines sagen:Hätte jedes Land in Europa unsere Haushaltszahlen,
dann würden wir beim Thema Europa über ganz andereDinge reden als über das Aufkehren von rot-grünenScherben. Wir sprächen dann wahrscheinlich von einerschönen gelben Sonne am blauen Himmel.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus von der
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bun-desfinanzminister Wolfgang Schäuble hat am Dienstagdiese Haushaltsberatungen mit einer sehr bemerkens-werten Aufforderung eröffnet. Er hat gesagt: Wir Abge-ordneten sollten uns um die Sorgen der Leute kümmernund nicht so sehr um die bevorstehenden Bundestags-wahlen. Da will ich Ihnen sagen, Herr Bundesfinanz-minister: Für diese Aussage haben Sie auch meine volleZustimmung.Kümmern bedeutet angesichts dieses Haushaltes of-fenbar Kürzungen bei der aktiven Arbeitsmarktförde-rung. Sie feiern sozusagen volle Sozialkassen ab. Dasgeschieht doch nur deshalb, weil faktisch keine Arbeits-marktförderung mehr betrieben wird. Das wirkt sich na-türlich vor allem im Osten aus. So ein Kümmern nenneich zynisch.
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Roland Claus
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Kümmern heißt bei Ihnen: weniger Wirtschaftsförde-rung im Osten. Kümmern bedeutet bei Ihnen auch, dassam gleichen Tag, an dem Sie diese Aussage hier ge-macht haben, mitgeteilt wurde, dass der Bund über11 000 Wohnungen im Osten, die ihm gehören, an einenFinanzinvestor verkaufen will. Damit treiben Sie Zehn-tausende Mieterinnen und Mieter in eine unsoziale Zu-kunft. Ein solches Kümmern wollen wir nicht.
Da heute wiederholt die Formel „Das ist alles alterna-tivlos“ zu hören war, will ich hier noch einmal ganzdeutlich sagen: Politik ist immer Menschenwerk, undwas Menschenwerk ist, geht immer auch anders und istnie alternativlos.
Der Bundeshaushalt 2013 taugt nicht für eine sozialgerechte und zukunftsfähige Politik. Sie führen immergerne die Größe Ihres Sozialetats als Beweis dafür an,wie viel Sozialstaatlichkeit hier herrscht. Gerade habenwir den Kollegen Otto Fricke, alias Otto Normalverbrau-cher, dabei erlebt, wie er sein Herz für Geringverdienerentdeckt. Es ist doch Fakt in diesem Lande, dass dieserEtat nur so gewaltig, so gigantisch ist, weil Sie vorhermit einer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik dieGesellschaft so gespalten haben, dass Sie hinterher wie-der so viel Geld aufwenden müssen.
Es ist bedrückend – auch Sie werden das kennen –,wenn man in öffentlichen Begegnungen auf MenschenAnfang 50 trifft, die einem sagen: Herr Abgeordneter,ich wünschte mir, ich wäre schon 10, 15 Jahre älter undhätte manche Probleme nicht mehr. Das kann doch nichtunser Bild von einer zukunftsfähigen Gesellschaft sein.Es geht aber auch noch weiter. Selten habe ich in ei-ner Haushaltsdebatte so viel Länderschelte in einer sol-chen Schärfe wahrgenommen wie in dieser. Da fehltenur noch der Satz: Der Hauptfeind sind die 16 Länder. –Ich dachte bisher, nur ich hätte ein etwas mangelhaftesVerständnis von Föderalismus. Aber dann kommt dieFDP und wettert den Föderalismus regelrecht kaputt. Dakann man die Regierung nur fragen: Wäre es nicht bes-ser, die Regierung löste die Länder auf und wählte sich16 neue?
Dieser Haushalt ist nicht gut für den Osten. Ich willIhnen ein Beispiel nennen. Ich gehörte 1990 der Volks-kammer an, die über den Einigungsvertrag verhandelthat. Ich hielt es für widersinnig und abenteuerlich, dieostdeutschen Wohnungsunternehmen mit sogenanntenAltschulden, die fiktiv waren, zu belasten. Diese Alt-schulden haben dazu geführt, dass Mieterinnen und Mie-ter diese Last über Jahrzehnte mit sich trugen. Ich hattejede Menge Fantasie, damals 1990. Dass ich aber noch22 Jahre später im Deutschen Bundestag über diesesProblem reden muss, dass ich erleben muss, dass An-träge zur Aufhebung dieser Situation abgelehnt werden,hätte ich wirklich nicht für möglich gehalten.
Wir haben in dieser Woche auch erlebt, dass mit die-sem Haushalt erneut eine Kapitulation vor der Über-macht der Finanzmärkte in Kauf genommen wurde. Esist schon darauf hingewiesen worden: Sie hatten früherEinnahmen aus der Finanztransaktionsteuer in der mit-telfristigen Finanzplanung. Nichts davon steht mehr imHaushalt. Frau Merkel spricht inzwischen von einerfinanzmarktkonformen Politik. Wir erfahren, dass soge-nannte Schattenbanken im Jahre 2012 einen Umsatz vonüber 50 000 Milliarden Euro machen werden.
Das ist doch nicht mehr eine staatseigene Bank, sondernein bankeigener Staat.Die Haushaltswoche geht zu Ende. Wir sollten nichtzu schnell vom letzten Bundeshaushalt dieser Koalitionreden. Es sind – darüber ist gesprochen worden – soviele Fragen offen, dass es nach einem Nachtragshaus-halt aussieht. Auch deshalb handelt eine Oppositionnicht etwa verantwortungslos, sondern durchaus in vol-ler Verantwortung vor den Wählerinnen und Wählern,wenn sie zu diesem Haushalt Nein sagt. Alternativensind nötig, meine Damen und Herren. Alternativen sindmöglich, und das alles mit links.
Das Wort hat jetzt der BundesfinanzministerDr. Wolfgang Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Haushaltsberatungen sind anstrengende Arbeitüber Monate hinweg. Deswegen möchte ich gegen Endeder Haushaltsdebatte zunächst einmal den Kolleginnenund Kollegen des Haushaltsausschusses für die intensiveArbeit danken. In diesen Dank schließe ich ausdrücklichdie erkrankte Vorsitzende mit ein und schließe mich denGenesungswünschen an.
Ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen undMitarbeitern des Parlaments und, wenn Sie erlauben, beiden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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– Es ist klar, dass Sie gleich zu Beginn laut werden. Of-fensichtlich gibt es noch etwas, was Sie bisher nur ver-drängt und noch nicht verarbeitet haben.
– Ich habe auf die Ausführungen des Herrn KollegenClaus geantwortet.Sie haben über die Arbeitslosigkeit gesprochen.Meine Damen und Herren, natürlich ist jeder Arbeitsloseein Arbeitsloser zu viel. Die Wahrheit ist aber, dass wirden niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit der Wie-dervereinigung haben. Die Wahrheit ist auch, dass wirden höchsten Beschäftigungsstand in Deutschland über-haupt erreicht haben. Das ist ein Erfolg für die Men-schen.
Wenn Sie die Sorgen und Nöte von Menschen nichtmissbrauchen wollen, dann müssen Sie auch sagen, dassdie Arbeitslosigkeit vor allem in den neuen Ländern si-gnifikant zurückgegangen ist und dass vor allen Dingenauch die Langzeitarbeitslosigkeit in den neuen Bundes-ländern zurückgeht. Das ist ein Erfolg und Ergebnis ei-ner insgesamt guten Entwicklung, die wir in den letztenJahren vorangebracht haben.
Herr Kollege Hagemann, ich habe schon zu Beginnder Haushaltsdebatte gesagt, dass der erste Haushaltsent-wurf dieser Legislaturperiode eine Neuverschuldung imJahr 2010 von 86 Milliarden Euro vorsah. Dieser ersteEntwurf ist von Peer Steinbrück unterschrieben wordenund der zweite von mir als Finanzminister. Diese Neu-verschuldung war die Folge davon, dass wir die starkenAuswirkungen der Krise in den Jahren 2008 und 2009im Haushalt 2010 bekämpfen mussten.Herr Kollege Hagemann, weil dies so ist, sollten Sienicht sagen, wir hätten in dieser Legislaturperiode dieNettokreditaufnahme auf – ich habe es mir aufgeschrie-ben – insgesamt 117 Milliarden Euro erhöht. 86 Milliar-den Euro davon waren schon für das Jahr 2010 vorgese-hen. Sie erkennen daran, wie widersprüchlich Ihreeigene Argumentation ist.
Wahr ist, wir haben gemeinsam eine Krise gut über-wunden. Wahr ist, dass wir kontinuierlich die damalsnotwendige, aber dauerhaft zu hohe Verschuldung zu-rückgeführt haben. Wahr ist, dass wir diesen Weg konse-quent fortsetzen. Wir bewegen uns deutlich im Bereichder Einhaltung der Schuldenbremse des Grundgesetzes,und das ist der richtige Weg.Zudem führen wir diese Haushaltsberatungen heute ineiner Lage, in der wir alle miteinander mit einem Ohrmehr in Brüssel als im Deutschen Bundestag sind; denndie Verhandlungen über die mittelfristige Finanzplanungsind für die Europäische Union von großer Bedeutung.Dadurch wird natürlich wie in einem Brennglas deutlich,wie schwierig die Lage in Europa insgesamt ist. AmMontag wird die Euro-Gruppe wieder tagen. Am Mitt-woch hatte ich die Freude, alle Fraktionen des Deut-schen Bundestages kurz über den erreichten vorläufigenStand der Beratungen in der Euro-Gruppe zu informie-ren.Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil dies so wichtigist, müssen wir unsere Haushaltspolitik einbinden in das– ich sage es erneut –, was wir europäisch und interna-tional miteinander besprochen haben. Auf europäischerund internationaler Ebene gibt es die klare Verabredung,dass wir alle unsere viel zu hoch verschuldeten Haus-halte konsolidieren und die Verschuldung zurückführen.Wir führen die Verschuldung aber so zurück, dass wirgleichzeitig unserer Verantwortung für nachhaltigesWachstum in jedem Land und in Europa insgesamt ge-recht werden. Bei der Zurückführung der Verschuldungachten wir darauf, dass die Ungleichgewichte innerhalbdes gemeinsamen Währungsraums nicht größer, sondernkleiner werden. Deshalb erfüllen wir mit unserer Finanz-und Wirtschaftspolitik unsere europäischen Verpflich-tungen.Sie können doch nicht in einer Rede zunächst sagen,wir sollten viel mehr für Europa tun, und anschließendkritisieren, dass wir Ihrer Meinung nach viel zu viel fürEuropa tun würden. Das macht doch keinen Sinn.Unsere nationale Finanz-, Haushalts-, Wirtschafts-und Sozialpolitik bindet sich ein in unsere europäischenund globalen Verpflichtungen. Das wird uns im Übrigenvon allen internationalen Institutionen und auch von derEuropäischen Kommission bestätigt. Das ist ein wichti-ges Argument gegen den Vorwurf, wir hätten die Defi-zite schneller reduzieren können. Dann wären wir aberauf der anderen Seite unserer Verantwortung, die wir inEuropa haben und übernommen haben, nicht gerecht ge-worden.Nun zu einem anderen Punkt, den Beratungen in Eu-ropa. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Wieso hast du nicht mitgezählt? – Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Herr Finanzminister, ichfinde, dass Sie mit Ihrer Rede zum Haushaltsentwurf2013 hier in der Abschlussrunde eine Chance vergebenhaben.
– Ja, er hätte konkreter etwas zum Haushalt sagen müs-sen.Wenn Sie schon davon reden, dass wir bei unseremHaushalt die europäische Situation im Blick haben müs-sen, dass wir überlegen müssen, was die Situation in Eu-ropa eigentlich für die Konjunktur und die Wirtschaft inDeutschland und für unseren Haushalt bedeutet, dannhätten Sie heute auch Klartext reden und über das spre-chen müssen, was an Vorsorge in Ihrem Haushalt fehltund notwendig gewesen wäre.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25539
Priska Hinz
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Sie haben auch die Chance vertan, über die RettungGriechenlands zu sprechen, über die wir in der nächstenWoche hier im Bundestag entscheiden werden, undheute schon deutlich zu machen, dass die Rettung Grie-chenlands im bundesdeutschen Haushalt ankommenwird. Sie können sich nicht mehr darum herumdrücken.
– Natürlich wird es im deutschen Haushalt ankommen.
Erstens wollen Sie es nur noch nicht wahrhaben, HerrBarthle. Zweitens wollen Sie es vor der Wahl nicht sa-gen. Aber die Rettung Griechenlands wird im Haushaltankommen.Zurzeit kommen Sie noch ein bisschen darum herum,sich damit zu beschäftigen, weil der Bundesfinanzminis-ter sogenannte T-Bills in Aussicht gestellt hat.
– Ja, genau, das kann die EZB. – Was aber sind TreasuryBills? Über Geschäftsbanken in Griechenland, die dannauch wieder an der Rettung Griechenlands verdienen,werden Staatsanleihen bei der EZB hinterlegt. Das isttatsächlich Staatsfinanzierung über die EZB.
Sie von der Union können schon jetzt den Antrag für Ih-ren Bundesparteitag in die Tonne kloppen; denn darinsagen Sie, dass Sie keine Staatsfinanzierung über dieNotenpresse wollen.
Der Bundesfinanzminister verteidigt dieses Vorgehenaber offensiv, anstatt für klare Regelungen einzutreten,die im Endeffekt günstiger wären, nämlich tatsächlicheinen Altschuldentilgungsfonds einzurichten und eindrittes Rettungsprogramm aufzulegen, um allen Men-schen in Deutschland reinen Wein einzuschenken. Wennman Griechenland in der Euro-Zone halten will – das istwirtschaftlich und sozial vernünftig –, dann kostet unsdas auch Geld, meine Damen und Herren.
Der Haushalt ist insofern eigentlich schon wieder nach-tragsbedürftig; das werden wir in den nächsten Wochenerleben.Herr Bundesfinanzminister, ich finde es auch bedau-erlich, dass Sie zur Krisenvorsorge in Deutschlandnichts weiter gesagt haben. Die Wachstumsprognose istvon 1,5 auf 1 Prozent gesenkt worden. Die prognosti-zierte Zahl der Arbeitslosen steigt schon wieder um140 000 an, ohne dass die zusätzlichen Krisenszenarieneintreten, die die Firmen an die Wand malen, weil sienicht mehr genügend verkaufen. Wegen des Anstiegs derprognostizierten Zahl der Arbeitslosen rechnet die Bun-desagentur für Arbeit mit zusätzlichen Ausgaben von700 Millionen Euro. Damit schrumpft ihr Puffer; erwächst nicht auf, sondern er schrumpft. Wenn erschrumpft, bedeutet das: Wir müssen demnächst wiederzuzahlen.Aber der Haushalt 2013 baut zurzeit doch darauf auf,dass Sie 5,5 Milliarden Euro aus den Sozialversicherun-gen herausnehmen. Ihre Nettokreditaufnahme sinkt nur,weil Sie die Taschen der Beitragszahler entleeren. Dasist keine vernünftige Krisenvorsorge.
Worin ist die Koalition eigentlich gut?
Sie ist gut bei der Plünderung der Sozialversicherung,sie ist gut im Aufbau von Schulden,
über 100 Milliarden Euro in vier Jahren. Sie ist gut,wenn es um Steuersenkungen für Hoteliers und das Be-lasten der Länder- und Kommunalhaushalte geht. Sie istgut, wenn es darum geht, Großunternehmen von derStromsteuer auszunehmen, und sie ist gut darin, dieSteuerlast auf Privathaushalte umzulegen.
Sie ist gut, wenn es darum geht, bei den Arbeitslosen zusparen. Sie ist gut darin, den Entwicklungsetat zu kür-zen, anstatt ihn – wie wir das wollen – um 1,2 Milliardenaufzustocken.
Sie ist gut darin, Niedriglöhnern den Mindestlohn zuverweigern. Aber sie ist leider schlecht darin, Vorsorgezu betreiben, so wie wir das tun wollen.Wir wollen Steuergerechtigkeit durch Steuermehrein-nahmen. Wir wollen aber auch den Grundfreibetrag er-
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Priska Hinz
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und denen, die wenig verdienen, wollen wir zusätzlicheEinnahmen ermöglichen. Wir wollen ökologisch-schäd-liche Subventionen reduzieren bzw. abschaffen. Wirwollen im Bundeshaushalt zusätzlich 3 Milliarden Euroeinsparen. Trotzdem wollen wir in Bildungsgerechtig-keit, in die Sozialpolitik und die Energiewende investie-ren. Ich sage Ihnen noch einmal klar und deutlich – auchwenn Sie es nicht hören wollen –: Grün kann es besser!Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Flosbach
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diegrüne Fraktion hat gestern sehr stark gejubelt, als derKollege Brüderle die Steuererhöhungsorgie der Grünendargestellt hat: Einkommensteuer, Vermögensteuer, Ver-mögensabgabe, Erbschaftsteuer, Unternehmensteuer.
Es glaubt doch keiner in diesem Hause, dass wir dieKrise von 2009 durch diese Maßnahmen behoben hätten.Das Gegenteil ist richtig. Glauben Sie, Sie würden durcheine Vermögensabgabe trotz Freibeträge mehr Arbeits-plätze in Deutschland schaffen? Die Vermögensabgabetrotz Freibeträge trifft vor allem die großen und mittel-ständischen Unternehmen.
Der Mittelstandsbetrieb ist doch nicht der Biobauernhof.In meinem Wahlkreis gibt es Betriebe mit 100, 500 oder1 000 Beschäftigten. Da wird investiert, das sind die ver-steckten Champions, die Hidden Champions, da entste-hen Arbeitsplätze, und genau die greifen Sie mit IhrerVermögensabgabe an.
Es war gestern sehr interessant, die Presse zu lesen.Dort wurde über eine Studie der Weltbank und der Wirt-schaftsprüfungsgesellschaft PwC berichtet. Die Über-schrift lautet – bitte lesen Sie es nach –: „Wachstumdurch kluge Steuerpolitik“. In dem Bericht geht es übri-gens nicht um Steuersenkung, sondern es wird daraufhingewiesen, welche Kaufkraft Arbeitsplätze in Deutsch-land schaffen und welche Nachfrage wir damals mit un-serem Wachstumsbeschleunigungsgesetz – 4,6 Milliar-den Euro für die Familien – geschaffen haben. Das warein erfolgreicher Weg. Das ist die Basis für den Erfolgdieser Koalition, und um den Erfolg Deutschlands benei-den uns alle.
Heute erleben wir im Bundesrat, dass all die Maßnah-men, die wir durchführen wollen, von den Oppositions-parteien dieses Haus blockiert werden. Dies betrifft denunternehmerischen Bereich. Hier wollen wir Änderun-gen in Bezug auf den Ergebnisabführungsvertrag. Fürdie mittelständischen Betriebe sehen wir Verbesserungenbeim Verlustrücktrag und für alle Arbeitnehmer bei denReisekosten vor. Vor allem aber geht es um die Anhe-bung des Grundfreibetrags und die Aufhebung der kaltenSteuerprogression für die Bezieher unterer Einkommen.Diese Blockade im Bundesrat ist ein Angriff auf den Er-folg dieses Landes. Sie wollen uns in das Jahr 2002 zu-rückführen, als Deutschland das Schlusslicht in Europawar. Heute sind wir an der Spitze.
Herr Trittin hat während der Debatte zum Etat desBundeskanzleramtes deutlich gemacht, dass 83 Prozentder Maßnahmen im Einkommensteuerbereich der oberenHälfte der Einkommensbezieher zugutekämen. Da hat errecht. Denn 40 Prozent in Deutschland zahlen gar keineEinkommensteuer. 10 Prozent kämen 17 Prozent zugute,und der Rest geht an die Bezieher von oberen Einkom-men, an diejenigen, die 30 000, 40 000, 50 000 oder60 000 Euro zu versteuern haben. Wir haben ja nicht denSpitzensteuersatz einbezogen, sondern wir haben dennormalen Arbeitnehmer erfasst. Das mag Herr Trittinnicht so genau wissen.Es war aber eine Dreistigkeit von Herrn Trittin, dasser die Frau Bundeskanzlerin vorgestern angegriffen hat,indem er gesagt hat – ich will das einmal zitieren –:Gleichzeitig haben Sie in diesem Zeitraum– in den sieben Jahren –die gesamtstaatliche Verschuldung von 63 Prozent– damit waren die Maastricht-Kriterien fast einge-halten –
auf im nächsten Jahr über 84 Prozent gesteigert.Wenn auch nicht viel von Ihrer Kanzlerschaftbleibt: Dieser Haufen Schulden bleibt für kom-mende Generationen.
Das ist erstens falsch, weil das am Anfang der Regie-rungszeit der Großen Koalition, im Jahr 2005, nicht63 Prozent waren, Herr angehender, gern beliebter, gerngewählter Möchtegernfinanzminister,
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Klaus-Peter Flosbach
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sondern 68 Prozent, genau genommen 68,5 Prozent. Dasentspricht 122 Milliarden Euro, die Sie uns unterschie-ben wollen. Das ist eine Sauerei, Herr Trittin!
Die zweite falsche Behauptung ist, dass Sie die Maas-tricht-Kriterien fast eingehalten hätten. Sie haben dochdie Maastricht-Kriterien gebrochen. Warum haben wirdenn heute diese Probleme? Sie haben in der Zeit derrot-grünen Koalition die Maastricht-Kriterien gebro-chen. Dadurch haben wir diese Probleme in Europa.
Drittens möchte ich Ihnen sagen – Sie wollen dochFinanzminister werden; Sie können im Finanzministeriumanrufen –: Sie geben für das Jahr 2013 die Prognose ab,dass die gesamtstaatliche Verschuldung 84 Prozent betra-gen wird. Diese Prognose ist falsch.
Es sind eigentlich 82 Prozent. Das entspricht 50 Milliar-den Euro weniger, aber für Sie ist das ja keine Größen-ordnung.
Das Wichtigste ist, dass von diesen 82 Prozent Staatsver-schuldung, bezogen auf die wirtschaftliche Leistung,12 Prozent nichts anderes als eine Sicherung für die so-genannten Bad Banks sind.
Wir sind für die Vermögenswerte der beiden Bad Banks– das sind 300 Milliarden Euro – zuständig. Vermögens-werte der Bad Banks werden übrigens jeden Tag ver-kauft und abgebaut. Es gibt Prognosen, nach denen al-lein aus diesem Grund die Staatsverschuldung in dennächsten fünf Jahren um 7 Prozent zurückgehen wird.
Sie wollen das für sich vereinnahmen. Wir aber habendie Basis für Solidität geschaffen. Wir führen die Staats-verschuldung auch in den nächsten Jahren zurück. Dasist ein Erfolg dieser Bundesregierung.
Als Finanzpolitiker weiß ich, dass die Finanzmarkt-regulierung eine große Rolle für die Stabilität spielt. Ichmöchte ein Zitat vorbringen:Anders als manche Oppositionspolitiker behaupten,lässt sich belegen, was uns in diesen letzten zwölfMonaten an Regulierungsmaßnahmen und der Um-setzung des Prinzips, dass kein Finanzmarktteilneh-mer, kein Finanzmarktprodukt, kein einzelnerFinanzmarkt ohne Aufsicht und ohne Regelung seinsoll, gelungen ist.
– Stopp, das ist ein Zitat vom 8. September 2009. Daswar die letzte Rede von Steinbrück vor der Wahl 2009 indiesem Hause.
Er hat vor drei Jahren behauptet, er habe alle Finanz-marktteilnehmer und alle Finanzmarktprodukte im Griff.
Vor drei Jahren hatten wir aber eine völlig andere Si-tuation. Seitdem ist in diesem Land vieles passiert: Wirhaben die Eigenkapitalanforderungen dramatisch ver-schärft. Wir haben das Restrukturierungsgesetz einge-führt, sodass wir Banken sanieren, aber auch zerschlagenkönnen. Wir haben die Bankenabgabe eingeführt – Stich-wort: Schuld der Banken –; ich nenne auch die Stich-worte Verbriefungen und Vergütungsregelungen. Wirhaben Spekulationsgeschäfte, die sogenannten Leerver-käufe, untersagt. Wir haben das Anlegerschutzgesetzverbessert. In der nächsten Woche geht es um die Regu-lierung der außerbörslichen Derivate und des Hochge-schwindigkeitshandels. Wir haben die Honorarberatungund die Regulierung von Hedgefonds in Bearbeitung.Wir reden nicht, wir handeln – im Gegensatz zu IhremKanzlerkandidaten.
Leider geht meine Redezeit zu Ende.
Ich denke, es war wichtig, noch einmal zu sagen, welcheAnsprüche vom Kanzlerkandidaten und vom designier-ten Finanzminister erhoben werden. Die größte Gefahrfür die Entwicklung in diesem Staat besteht, wenn Rot-Grün an die Regierung kommt.
Gegenüber der Steuerschätzung aus dem Jahr 2008haben wir 200 Milliarden Euro weniger Steuern einge-nommen.
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25542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Klaus-Peter Flosbach
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Deswegen sage ich: Nur diese Koalition steht für Sta-bilität, für Wirtschaftswachstum, für Arbeitsplätze undfür eine gute Zukunft in Deutschland.
Jetzt hat das Wort der Kollege Carsten Schneider von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Nach dieser Portion Autosuggestion ein Blick auf denHaushalt. Herr Minister, so wie Sie eben den Haushalt inder Schlussrunde verteidigt haben, nämlich fast gar nicht– das war mehr eine allgemeine Plauderstunde, aberkeine Rechtfertigung für 17 Milliarden Euro neue Schul-den, die Sie machen –, führen Sie vermutlich nicht nurIhr Haus, sondern auch die gesamten Verhandlungen mitden Fachressorts. Anders ist es nicht erklärbar, dass esIhnen nicht gelungen ist, trotz bester Lage in Deutsch-land, was die Steuereinnahmen, aber auch die Arbeitslo-senzahlen und die Zinsleistungen, die zu erbringen sind– sie sind aufgrund des Zinsniveaus so gering wie seitlangem nicht mehr –, betrifft, einen ausgeglichenenHaushalt vorzulegen. Das wäre Ihre zentrale Aufgabehier in Deutschland gewesen. Sie sind daran gescheitert,Herr Schäuble.
Die Koalition hat gesagt, dass wir von der SPD aufder einen Seite Mehrausgaben in Höhe von – hier gab esunterschiedliche Angaben – 6 Milliarden bis 8 Milliar-den Euro verlangen und auf der anderen Seite teuflischeSteuererhöhungen vornehmen wollten. Um zur Sache zukommen: Deutschland ist, gemessen am staatlichen Ka-pitalstock, in den letzten 20 Jahren verarmt. Der Verlustan staatlichem Eigenkapital beträgt 800 Milliarden Euro.Das private Vermögen ist in diesem Zeitraum von4,5 Billionen auf 10 Billionen Euro gestiegen. Das sindkeine Propagandazahlen der SPD, sondern ist dem Ar-muts- und Reichtumsbericht dieser Bundesregierung zuentnehmen.
Wenn wir dieser Entkernung des Staates insbesonderebei der Infrastruktur – das ist einer der Hauptpunkte –,aber auch bei den kommunalen Finanzen und der extremhohen Verschuldung, die sich von fast 60 auf 80 Prozentder jährlichen Wirtschaftsleistung erhöht hat, etwas ent-gegensetzen wollen, dann geht dies nur, wenn wir denvon der SPD vorgeschlagenen Weg einschlagen: erstensAbbau von Subventionen, insbesondere von Steuersub-ventionen, und zweitens Veränderung der ungerechtenVerteilung von Einkommen und Vermögen in Deutsch-land – ich glaube, das können selbst Sie nicht wegdisku-tieren – mittels Steuerpolitik. Genau das schlagen wirvor.
Dadurch wollen wir im ersten Jahr 15 MilliardenEuro mehr einnehmen. Subventionsabbau kommt bei Ih-nen gar nicht vor. Es hat mich im Übrigen verwundert,dass Sie auf unsere exakten Vorschläge nicht eingegan-gen sind. Wahrscheinlich haben Sie das deswegen nichtgetan, weil Sie dann hätten deutlich machen müssen,dass bei Ihnen das Gegenteil passiert ist. Sie haben Sub-ventionen aufgebaut und nicht abgebaut. Ich nenne alsBeispiel nur das Hotelsteuerprivileg bei der Mehrwert-steuer. Damit hat die Legislaturperiode angefangen, undmit einer neuen Subvention, dem Betreuungsgeld, hörtsie auf. Das ist keine solide, gerechte Finanzpolitik.
Sie haben die Steuermehreinnahmen von 3 MilliardenEuro für 2013 nicht genutzt, um – das wäre Ihre Aufgabeals Haushälter gewesen; normalerweise kürzt der Haus-haltsausschuss die Mittelansätze im Regierungsentwurfnoch ein bisschen – die Nettokreditaufnahme zu reduzie-ren. Das haben Sie nicht getan, im Gegenteil. Sie senkendie Nettokreditaufnahme von geplant 18,8 Milliardenauf 17,1 Milliarden Euro, um irgendwie unter die Netto-kreditaufnahme von 2011 zu kommen. Es sähe auch ko-misch aus, wenn man Mehreinnahmen im Jahr 2013 hatund trotzdem eine höhere Verschuldung als 2011 hätte.Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten denkontinuierlichen Abbau der Neuverschuldung geplant.Vielleicht haben Sie ihn geplant, aber gemacht haben Sieihn nicht.
Im Jahr 2011 hatten Sie eine Nettokreditaufnahme von17 Milliarden Euro. Für das Jahr 2012 hatten Sie 32 Mil-liarden Euro geplant. Es werden nun 28 Milliarden Euro.Es geht also im Vergleich eindeutig nach oben. Im Jahr2013 soll die Nettokreditaufnahme wieder auf rund17 Milliarden Euro sinken.
– Für den ESM sind 8 Milliarden Euro vorgesehen.Wenn Sie diese Summe von den 28 Milliarden EuroNeuverschuldung in diesem Jahr subtrahieren, dann stel-len Sie fest, dass es 20 Milliarden Euro sind.Unter dem Strich handelt es sich nicht um eine Sen-kung, sondern um eine Steigerung. Der Bruch kam, alsSie als Finanzminister die Arbeit im Innern aufgegebenhaben. Ich habe Sie gar nicht mehr wahrgenommen. Esgab keine Chefgespräche; es gab auch keinen Streit. Dasist immer schlecht.Wissen Sie, warum? Es musste natürlich einen Streitum die Ressourcen geben. Sie haben mehr oder wenigerallen Begehrlichkeiten stattgegeben. Der Höhepunkt war
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Carsten Schneider
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Wir als SPD setzen dem zwei Punkte entgegen. Denersten Punkt, den Subventionsabbau, habe ich schon an-gesprochen. Die größte Einzelsubvention, die es gibt, istder nichtexistierende Mindestlohn. Die Forderung nachEinführung eines Mindestlohns findet sich nirgendwobei Ihnen. Diesen gibt es in fast allen europäischen Län-dern, in Deutschland nicht. Die Mehrausgaben für denGesamtstaat aufgrund eines fehlenden Mindestlohns ma-chen in etwa, wenn Sie die Steuermehreinnahmen miteinbeziehen, 8 Milliarden Euro aus; für den Bund ist esetwa die Hälfte, ein bisschen mehr. Diese 8 MilliardenEuro könnten wir einsparen. Damit könnten wir denMenschen letzten Endes wieder ein Stückchen Würdezurückgeben, damit sie, wenn sie arbeiten, nicht nochdanach aufs Amt gehen müssen. Stattdessen sollten sievon ihrer Arbeit – zumindest wenn sie alleinstehend sindund keine Familie haben – auch halbwegs leben können.
Das machen Sie nicht, diese Subvention bauen Sie nichtab. Andere, wo es um Ihre Klientel geht, bauen Sie auf.Ich komme zum zweiten Punkt. Sie sagen immer, IhreAusgaben seien stabil. Dabei geht es – Pi mal Daumen –um 300 Milliarden Euro. 2010 gab es einen Krisenhaus-halt mit einem Konjunkturprogramm und mit höherenSozialausgaben. Wenn Sie davon hätten herunterkom-men wollen – das muss ein ganz natürlicher Prozesssein; wenn der Staat einigermaßen steuert, muss er, wennes besser läuft, die Ausgaben senken –, hätten Sie eineZahl erreichen müssen, die viel geringer wäre als die von2010. Da sind Sie aber nicht. Sie haben die Minderaus-gaben in diesem Bereich nicht genutzt, um deutlich her-unterzukommen. Im Gegenteil: Sie haben das Geld, dasdurch die Steuereinnahmen hereingekommen ist, mehroder weniger verprasst.Was die Zinsausgaben angeht, hatten Sie in der Fi-nanzplanung für 2013 11 Milliarden Euro mehr vorgese-hen. Die fließen da natürlich hinein. Auch hier gibt eseine Entlastung. Sie machen sich also etwas vor, indemSie uns hier vorgaukeln, Sie würden mit den Ausgabenhalbwegs hinkommen. Das ist nicht der Fall. Wenn Siedie Zahlen real bereinigen, haben Sie durch Aufwüchseoder Subventionsaufbau bzw. –ausbau sogar Minderein-nahmen.Meine Damen und Herren, das alles führt dazu, dasswir sagen: Dieser Haushalt ist nicht solide. Er hat im so-zialen Bereich eine Schlagseite. Hohe Vermögen werdenviel zu wenig herangezogen. Sie wollten dadurch, dassSie das Steuerabkommen mit der Schweiz geschlossenhaben – gut, dass der Bundesrat dagegen gestimmt hat –,nicht nur auf europäischer Ebene die Zinsrichtlinie – dasist gemeinsame Politik – unterminieren bzw. verhindern,sondern Sie wollten diejenigen, die über Jahrzehnte Geldhinterzogen und schwarz in die Schweiz gebracht haben,noch denjenigen gegenüber privilegieren, die sauber ihreSteuern zahlen.
Das ist – dies ist ganz klar – mit der SPD nicht zu ma-chen. Deswegen bin ich froh, dass der Bundesrat ent-sprechend entschieden hat.Sie haben keinerlei Vorsorge für Griechenland getrof-fen. Herr Minister, Sie waren bei uns in der Fraktion undauch bei den anderen Fraktionen. Ich habe Respekt vorden körperlichen Belastungen, die Sie dadurch hatten.Ich meine, dass es für Europa und auch für alle anderenMinister, die da nächtelang herumsitzen, besser wäre,wenn Sie den Leuten hier in Deutschland endlich dieWahrheit sagen würden, dass nämlich die Rettung Grie-chenlands und die Stabilisierung des Euro nicht umsonstzu haben sind. Sie und Ihre Fraktion haben sich einge-mauert: Sie wollen Griechenland unbedingt in der Euro-Zone halten; aber es darf nichts kosten. Das geht nichtauf, die Quadratur des Kreises funktioniert nicht.Ich komme auf das Signal zu sprechen, das vomDienstag dieser Woche ausgegangen ist. Da haben Siebis halb fünf bzw. fünf Uhr nachts getagt. Die Griechenhaben alles geliefert, was sie sollten. Die Strategie ist nurgescheitert: Mit reiner Spar- und Austeritätspolitikwurde ihre Wirtschaft letztendlich abgewürgt. Das istauch eines Ihrer „Verdienste“. Wir haben das von An-fang an gesagt.Die Strategie ist hinsichtlich eines zweiten Punktesgescheitert. Im Jahr 2010 haben Sie die PrivatgläubigerGriechenlands laufen lassen. Sie haben sie letztendlichmit Steuergeld herausgekauft. Das sagt Ihnen auch derneue Wirtschaftsweise heute im Interview im Handels-blatt. Wir haben damals gesagt, dass wir sofort eine Fi-nanztransaktionsteuer einführen und eine Beteiligungder privaten Gläubiger wollen. Jetzt haben wir dieSchuldenlast zu tragen. Über kurz oder lang werden wir– das ist klar – nicht um eine stärkere Entlastung Grie-chenlands herumkommen. Das müsste hier in diesemBundeshaushalt abgebildet sein, ist es aber nicht.
Im Gegenteil, wenn von dieser Bundesregierung et-was in Erinnerung bleibt, dann, dass sie die Unabhängig-keit der Europäischen Zentralbank geopfert hat. Sie wirdmehr und mehr zu einem politischen Spieler. Wenn Sieernsthaft in Erwägung ziehen – und dies am Montag inder Euro-Gruppe verabreden wollen –, dass die Europäi-sche Zentralbank über einen Dispokredit – so kann mandie T-Bills auch bezeichnen – mehr oder weniger dauer-haft in die Staatsfinanzierung Griechenlands involviertwird, dann sollten Sie nie wieder über Inflationsbekämp-fung, Stabilitätspolitik und unabhängige Geldpolitik re-den.
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25544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Carsten Schneider
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der
Kollege Cajus Caesar.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solide Finan-zen, mehr Mittel für Bildung, Forschung und Infrastruk-tur, weniger Arbeitslose und mehr Beschäftigung – dassind die Erfolge dieser unionsgeführten Bundesregie-rung.
Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich unserem Frak-tionsvorsitzenden, Volker Kauder, und unserem haus-haltspolitischen Sprecher, Norbert Barthle, dass dieserHaushaltsentwurf in dieser Form möglich war. Sie habendurch Ihre Initiativen, durch Ihre Ideen wesentlich dazubeigetragen. Herzlichen Dank dafür!Die Schuldenbremse werden wir drei Jahre eher alsgeplant einhalten. Viele auch hier im Haus hätten davonnicht zu träumen gewagt. Ich denke, das ist Ausdruckdes Erfolgs dieser Regierung, dieser christlich-liberalenKoalition.
Schauen wir zurück, können wir feststellen: GerhardSchröder hat seinerzeit das Maastricht-Kriterium von3 Prozent mit 4,2 Prozent gerissen. Die Neuverschul-dung unter Steinbrück war mit 86 Milliarden Euro diehöchste Deutschlands. Diese Bundesregierung mit demklug agierenden Finanzminister Wolfgang Schäuble hates geschafft, Ihnen heute einen solchen Haushaltsent-wurf vorzulegen. Ich denke, das ist der Weg in die rich-tige Richtung.
Wir handeln anders als Sie,
indem wir schauen, wie der Bürger mit seinem Geld um-geht; er muss nämlich auskömmlich damit umgehen.
Das wollen auch wir. Wir machen das. Sie sind nicht aufdem richtigen Weg. Diese Bundesregierung hat Erfolg.Das ist gut für die fleißigen Menschen in unserem Landund für die innovativen Betriebe. Wir setzen die richti-gen politischen Rahmenbedingungen und treffen dierichtigen Entscheidungen. Diese Unionsmehrheit imDeutschen Bundestag garantiert, dass wir auf dem richti-gen Weg sind.
Wir stehen für solide Finanzen. Wir stehen dafür, dassdas Vermögen unserer Bürger geschützt wird. Wir – mitunserer Kanzlerin an der Spitze – wollen, dass Schuldennicht vergemeinschaftet werden. Wir wollen, dass dieSpareinlagen unserer Bürger sicher sind. Dafür dankenwir an erster Stelle unserer Kanzlerin Angela Merkel.
Wir haben die Rahmenbedingungen für Finanzge-schäfte richtig gesetzt. Wir wollen nicht, dass mancheüber alle Maßen verdienen und dafür andere bluten müs-sen. Wir wollen die Bankenaufsicht stärken. Wir wollendie Erhöhung des Eigenkapitals der Banken. Wir wolleneinen verbesserten Anlegerschutz. Wir wollen klare Re-gelungen, die gewährleisten, dass das Vermögen unsererBürger und Betriebe sicher und geschützt ist.Wir wollen vor allem nicht mehr Steuerbelastungen.Peer Steinbrück hat ja angekündigt, dass er, wenn manalles addiert, Mehrbelastungen für Bürger und Betriebein Höhe von rund 30 Milliarden Euro will. Wir wollenkeine Erhöhung der Abgeltungsteuer von 25 auf 32 Pro-zent. Wir wollen keine Erhöhung der Erbschaftsteuer.Wir halten das für falsch, Sie halten das für richtig. Wir
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Cajus Caesar
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Wir wollen das Ehrenamt fördern; deshalb haben wirauch dort angesetzt. Wir haben die steuerfreie Übungs-leiterpauschale von 2 100 auf 2 400 Euro erhöht. Wir ha-ben den Freibetrag für ehrenamtliche Tätigkeiten von500 auf 720 Euro erhöht. Wir haben die Begünstigungzweckgebundener Vereine bei der Umsatzsteuer von35 000 auf 45 000 Euro erhöht. Das sind zugegebener-maßen kleine Beiträge; aber es sind Beiträge. Wir wollendas Ehrenamt nämlich fördern.
Schauen wir uns die U-3-Betreuung an. Das ist eineLandesaufgabe. Der Bund hat dafür – obwohl dies nichtin seine Verantwortung und seinen Zuständigkeitsbe-reich fällt – 4 Milliarden Euro bereitgestellt. Wir habendiesen Betrag jetzt um weitere 580 Millionen Euro er-höht; ich denke, das sollten Sie anerkennen. Das ist übri-gens anders als in Nordrhein-Westfalen, wo man bei derU-3-Betreuung die rote Laterne hält und wo in 2013 einezusätzliche Neuverschuldung in Höhe von 3,2 Milliar-den Euro und in 2014 in Höhe von 3,5 Milliarden Euroangedacht ist. Das ist keine auf die Zukunft ausgerich-tete Politik. Das ist rot-grüne Politik. Wir sehen das an-ders. Wir setzen uns ein für die zukünftigen Generatio-nen, für Bildung, Kinder, Jugend und für dieBevölkerung insgesamt.
Sie blockieren, dass die verdienenden Bürger, die Ar-beitnehmer in unserem Land, durch Milderung der kal-ten Progression entlastet werden. Das können wir sonicht hinnehmen. Wir wollen die Infrastruktur stärken.Dafür stellen wir 750 Millionen Euro zusätzlich zur Ver-fügung.Sozial ist, was Arbeit schafft. Alle 60 Sekunden ent-steht in Deutschland ein neuer Job. 92 Prozent der jun-gen Menschen in unserem Land haben einen Arbeits-platz. Das ist sozial, und das ist gerecht. Wir dankenunserer Kanzlerin, die dieses Land durch Kompetenz,Menschlichkeit und Führungsstärke voranbringt. DiesePolitik der Union ist Zukunftspolitik.
Als letztem Redner in dieser Haushaltsdebatte erteile
ich das Wort dem Kollegen Norbert Barthle von der
CDU/CSU-Fraktion.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Meine Damen und Herren! Am Ende ei-ner langen Woche darf auch ich zunächst einen ganzherzlichen Dank aussprechen – ich tue das auch im Na-men unserer Ausschussvorsitzenden Petra Merkel, derich ebenfalls gute Besserung wünsche –, insbesondereden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Haushaltsse-kretariats unter Führung von Frau Dr. Hasenjäger; dahinten sitzt sie, noch etwas ermattet, aber schon wiederfrisch. Wir hatten allein in den Haushaltsberatungen– die Sondersitzungen zur Euro-Stabilisierung nicht mit-gezählt – 57 Sitzungsstunden zu absolvieren. Wir haben957 Änderungsanträge vorbereitet und bearbeitet, übersie abgestimmt, argumentiert und dokumentiert.Deshalb auch an die Mitarbeiter in den einzelnen Ar-beitsgruppen ein ganz herzliches Dankeschön!
Ich beziehe in diesen Dank das BMF ein – den HerrnBundesfinanzminister, die Staatssekretäre Kampeter undGatzer und den Haushaltsdirektor Mießen –, aber auchdie Kollegen und Kolleginnen. Ich will mich dafür be-danken, dass wir in den langen, anstrengenden Beratun-gen ein – das will ich betonen – gutes Miteinander, einkollegiales Klima hatten.Erlauben Sie mir am Ende dieser Woche zwei, dreikritische Anmerkungen zu dieser Debattenwoche. Ichglaube, wenn man die ganze Woche Revue passierenlässt, kann man eines feststellen: Die Koalition ist nachwie vor dabei, durch harte, fleißige, akribische Arbeit ei-nen Haushalt aufzustellen, der zum Ausdruck bringt, wowir stehen und wohin wir wollen, während sich die Op-position erkennbar bereits im Wahlkampfmodus befin-det. Das ließ sich bei den einzelnen Debattenbeiträgenimmer wieder heraushören.
Ich finde: Wenn der Kanzlerkandidat der SPD die Re-gierung als „Panzerknackerbande“ bezeichnet, dann istdas schon grenzwertig. Das kann man machen, wennman vor den Bochumer Stadtwerken redet; aber hier istdas grenzwertig.
Wenn Herr Trittin meint, er müsse den Ministerpräsi-denten des erfolgreichsten Bundeslandes – Bayern – als„Crazy Horst“ bezeichnen, dann finde ich auch dasgrenzwertig. Das kann man machen, wenn man vor derGrünen Jugend redet, aber nicht hier.
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25546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Norbert Barthle
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Die Situation im Lande wird in der Regel von der Regie-rung geprägt, nicht von der Opposition. Das ist eine Bin-senweisheit, und das wissen die Menschen da draußenauch. Also Danke für dieses Kompliment!Dann heißt es immer, wir hätten nur Glück gehabt,wegen der guten Steuereinnahmen. Meine Damen undHerren, wenn das stimmt, dann gilt das auch für dieBundesländer; denn die Hälfte der Steuereinnahmen lan-det bei den Bundesländern. Eigenartigerweise macht dasGlück aber vor den Ländern halt, in denen – wie in Ba-den-Württemberg – die Grünen regieren oder – wie inNordrhein-Westfalen – die SPD. Die machen Schuldenwie die Schweinstreiber.
Wenn ich daraus lernen darf, dass das Glück nur bei denRegierungen ankommt, die von der CDU oder von derCSU geführt werden, dann ist das eine schöne Botschaftan die Wählerinnen und Wähler; dann wissen sie, wassie im kommenden Jahr zu tun haben. Herzlichen Dankauch dafür!
Dann wurde argumentiert mit den Schulden, die sichim Laufe dieser Legislaturperiode addiert haben.
Kollege Barthle, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
In dieser letzten Rede nicht mehr. Es war jetzt langegenug, eine ganze Woche lang, Gelegenheit.
Ich erinnere nochmals an die Ausgangslage: Nach demSteinbrück-Etat waren 86 Milliarden Euro neue Schul-den vorgesehen. Wer beobachten will, wie engagiert dieSPD ans Sparen geht, der muss sich die mittelfristige Fi-nanzplanung des Herrn Steinbrück anschauen: Was saher für 2013 vor? 46 Milliarden Euro Schulden.Wir machen nicht 46 Milliarden Euro, sondern17,1 Milliarden Euro neue Schulden. Auch hier liegenwir fast 30 Milliarden Euro unter Steinbrücks Planung,unter der Planung der SPD. Wir sind deutlich engagierter,stringenter und konsequenter, wenn es darum geht,Schulden zurückzuführen.
Dabei kommt hinzu, dass von der Opposition ganzlässig permanent nicht zur Kenntnis genommen wird,dass wir in diesem und im kommenden Jahr rund20 Milliarden Euro in die Kapitalstöcke des Europäi-schen Stabilitätsmechanismus und der Europäischen In-vestitionsbank abführen. Das sind Transfers auf andereKonten. Das Geld liegt dort als Guthaben und erbringtim Übrigen auch Zinsen. Wir sprechen hier von insge-samt 20 Milliarden Euro! Wenn Sie diese Zahlungen vonunserer Nettoneuverschuldung in 2013 abziehen wür-den, dann sähen Sie, dass unsere Nettokreditaufnahmeviel geringer wäre.Daneben wird auch nicht zur Kenntnis genommen,dass wir die Kommunen in den nächsten Jahren deutlichentlasten, und zwar um insgesamt 60 Milliarden Euro.Das ist eine Leistung dieser Koalition! Das haben Sie sonie hinbekommen.
Ich will noch einmal die Vorschläge, die die Opposi-tion permanent macht, zusammenfassen:Auf die Steuererhöhungen wurde schon hingewiesen.Die Parteitagsbeschlüsse der Grünen sprechen eine deut-liche Sprache. Die FAZ hat geschrieben: Die Grünen be-finden sich „im Sozialrausch“. Manchmal hat man denEindruck, Sie müssten Ihre Farbe wechseln und ein biss-chen mehr Rot in das Grün mischen. Das würde der Sa-che gerechter.Während wir hier in der Schlussberatung zum Haus-halt sind, wurde im Bundesrat das Steuerabkommen mitder Schweiz auf Betreiben der SPD behindert.
Dafür sollten Sie sich eigentlich schämen. Das war reineParteistrategie.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25547
Norbert Barthle
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In dieser Woche hätte Herr Steinbrück die Chance ge-habt, zum Goldenen Reiter der SPD aufzusteigen. Nein,die Chance hat er verpasst. Er macht sich zum DonQuichotte der SPD, und der Herr Gabriel darf denSancho Pansa machen. Das ist doch peinlich.
Kommen wir zu dem weiteren Vorwurf der Opposi-tion, nämlich: Wir würden durch einen Griff in die So-zialkassen einen sozialen Kahlschlag betreiben.
Liebe Bürgerinnen und Bürger draußen, es ist tatsächlichwahr: Wenn wir wollten, könnten wir die Nettokreditauf-nahme unter Hintanstellung aller Vernunft auf nahezunull senken.
Dafür bräuchten wir nur alle Rücklagen der Sozialkassenabzugreifen. Das tun wir nicht. Wir lassen die Rücklagenim Gesundheitsfonds, in den Krankenkassen und in derRentenversicherung ein Stück weit stehen.
– Sie würden das anders machen. Eher legt sich einHund einen Wurstvorrat an, als dass Sozialdemokratenirgendwo Rücklagen stehen lassen würden. Wir lassensie stehen. – Das ist Vorsorge für die Zukunft. Deshalbist das an dieser Stelle auch richtig.
Gleichzeitig investieren wir mehr: in Verkehr, in Bil-dung, in Forschung, in die Bereiche, die unsere Zukunftgarantieren.
Deshalb ist diese Koalition gut für die Zukunft diesesLandes und gut für Europa,
und deshalb werden wir auch im kommenden Jahr dieseArbeit kontinuierlich und fleißig fortsetzen.
Danke.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Schlussabstimmung über das Haus-haltsgesetz 2013. Es geht um die Drucksachen 17/10200,17/10202, 17/10801, 17/10802, 17/10804 bis 17/10809,17/10811 bis 17/10814, 17/10816, 17/10821 bis 17/10825.Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich möchteSie daran erinnern, dass nach der namentlichen Abstim-mung einfache Abstimmungen über Entschließungsan-träge folgen werden.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihrePlätze einzunehmen. – Sind jetzt alle Abstimmungs-plätze mit Schriftführern besetzt? – Das ist der Fall. Icheröffne die Abstimmung.Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme noch nicht abgeben konnte? – Das ist nicht derFall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnenspäter bekannt gegeben.1)Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit wir die Ab-stimmungen fortsetzen können und das Präsidium zwei-felsfrei die Abstimmungsergebnisse feststellen kann,bitte ich Sie, Platz zu nehmen.Wer setzen jetzt die Abstimmungen fort und kommenzu den Entschließungsanträgen.Wir beginnen mit der Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache17/11601. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist abge-lehnt.Wir stimmen nun über die acht Entschließungsanträgeder Fraktion Die Linke ab.Entschließungsantrag auf Drucksache 17/11564. Werstimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.Entschließungsantrag auf Drucksache 17/11566. Werstimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Druck-sache 17/11567. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-gen? – Wer enthält sich? – Auch dieser Entschließungs-antrag ist abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Druck-sache 17/11569. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-gen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag istabgelehnt.1) Ergebnis Seite 25548 C
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25548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Vizepräsidentin Petra Pau
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Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 569;davonja: 311nein: 258JaCDU/CSUPeter AltmaierPeter AumerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerJosef GöppelPeter GötzDr. Wolfgang GötzerReinhard GrindelMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersOlav GuttingFlorian HahnDr. Stephan HarbarthJürgen HardtGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung
Bartholomäus KalbSteffen KampeterAlois KarlBernhard Kaster
Volker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachDr. Karl A. Lamers
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25549
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Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelErika SteinbachChristian Freiherr von StettenDieter StierGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Vogel
Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg
Peter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar G. WöhrlDr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewFDPJens AckermannChristian AhrendtChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr
Sebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtRainer BrüderleAngelika BrunkhorstErnst BurgbacherMarco BuschmannSylvia CanelHelga DaubReiner DeutschmannBijan Djir-SaraiPatrick DöringMechthild DyckmansHans-Werner EhrenbergRainer ErdelJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckMiriam GrußJoachim Günther
Heinz-Peter HausteinManuel HöferlinBirgit HomburgerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberHolger KrestelPatrick Kurth
Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtLars LindemannDr. Martin Lindner
Michael Link
Dr. Erwin LotterOliver LuksicHorst MeierhoferPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückeBurkhardt Müller-SönksenDr. Martin Neumann
Dirk NiebelHans-Joachim Otto
Cornelia PieperGisela PiltzJörg von PolheimDr. Birgit ReinemundDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerFrank SchäfflerChristoph SchnurrJimmy SchulzMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerTorsten StaffeldtDr. Rainer StinnerStephan ThomaeManfred TodtenhausenDr. Florian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel
Dr. Daniel VolkDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff
NeinSPDIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeinz-Joachim BarchmannDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsKlaus BarthelSören BartolBärbel BasSabine Bätzing-LichtenthälerDirk BeckerUwe BeckmeyerLothar Binding
Gerd BollmannKlaus BrandnerWilli BraseEdelgard BulmahnMarco BülowUlla BurchardtPetra CroneDr. Peter DanckertMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSebastian EdathyIngo EgloffSiegmund EhrmannPetra ErnstbergerKarin Evers-MeyerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagSigmar GabrielMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserUlrike GottschalckAngelika Graf
Kerstin GrieseGabriele GronebergWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann
Hubertus Heil
Wolfgang HellmichRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz
Dr. Eva HöglChristel HummeOliver KaczmarekJohannes KahrsDr. h. c. Susanne Kastner
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25550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Vizepräsidentin Petra Pau
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– Drucksache 17/11138 –Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts-ausschusses
– Drucksache 17/11586 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthleCarsten Schneider
Dr. Florian ToncarDr. Gesine LötzschPriska Hinz
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Wir leisten heute einen wesentli-chen Beitrag, zwei Prinzipien unserer sozialen Markt-wirtschaft wieder näher zusammenzuführen, und zwarRisiko und Verantwortung. Nicht der Staat, sondern dieVerursacher der Finanzkrise müssen für die verursachtenKosten ihren Anteil tragen.Nach den Verwerfungen auf den internationalen undnationalen Finanzmärkten haben wir durch die Finanz-marktstabilisierungsgesetze innerhalb kürzester Zeit ver-lässliche Regelungen des Schutzes gegen systemischeBankenrisiken eingeführt. Damit haben wir unmittelbarund zielgerichtet nach dem Einsetzen der Finanzmarkt-krise reagiert. Diese Politik hat wesentlich zur Stabilisie-rung der Finanzmärkte in den letzten Jahren beigetragen.Durch das Dritte Finanzmarktstabilisierungsgesetz,das wir heute beschließen werden, wird die Möglichkeitverlängert werden, Stabilisierungsmaßnahmen über denFinanzmarktstabilisierungsfonds zu erhalten, und zwarbis zum Inkrafttreten der einheitlichen europäischenRestrukturierungsvorgaben. Mit der Umsetzung des Ent-wurfs der Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens fürdie Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten undWertpapierfirmen ist erst im Jahr 2015 zu rechnen.Mit dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf ver-folgen wir zwei Kernziele: Zum einen sichern wir durchdie Ausweitung der Laufzeit des Soffin bis Ende 2014unsere Handlungsmöglichkeiten, im Falle einer systemi-schen Krise schnell und angemessen reagieren zu kön-nen, um Verwerfungen auf den Finanzmärkten zu ver-hindern.
Zum anderen wollen wir Belastungen durch möglicheBankenrettungen für die öffentlichen Haushalte und da-mit eine Belastung für jeden Bürger und jede Bürgerinmöglichst vermeiden.Finanzmarktstabilisierungsfonds und Restrukturie-rungsfonds werden enger miteinander verknüpft. FürVerluste aus Rettungsmaßnahmen werden in Zukunftauch Beiträge aus der Bankenabgabe verwendet. Dasentspricht aus unserer Sicht dem Verursacherprinzip undist im deutlichen Interesse der Bürgerinnen und Bürger.
– Das ist keine neue Erkenntnis, sondern eine Erkennt-nis, die wir umgesetzt haben.
Liebe Kollegen der SPD – das passt gerade schön –,wenn ich den Entschließungsantrag lese, den Sie heutein die Debatte einbringen, dann frage ich mich, in wel-cher Welt Sie leben. Was das Eigenlob angeht, das Sie inder allgemeinen Begründung bringen: Die SPD solltenicht die eigenen Vorhaben, die man in Regierungsver-antwortung nicht umsetzen konnte, jetzt in den Himmelloben. Das ist, glaube ich, Ihrer Arbeit nicht angemes-sen, meine sehr geehrten Damen und Herren von derSPD, und entspricht auch nicht dem, was Sie in der ZeitIhrer Regierungsverantwortung hätten umsetzen müs-sen.
Wir waren es, meine sehr geehrten Damen und Her-ren der Opposition, die verantwortungsvolle Finanzpoli-tik und Regulierungsmaßnahmen auf den Weg gebrachthaben. Die drei Restrukturierungsgesetze – heute wer-den wir das dritte verabschieden – sind unter Federfüh-rung der Regierung Merkel auf den Weg gebracht wor-den.Ihr Kanzlerkandidat Steinbrück, über den in letzterZeit viel diskutiert wird, hat vor kurzem ein Papier mitseinen finanzmarktpolitischen Vorstellungen, seinen Re-gulierungsvorschlägen und seinen Programmen vorge-stellt, die er gern auf den Weg bringen möchte. Er hatviel Wind gemacht, aber Substanzielles war nicht dabei.Er hat keine Neuerungen vorgeschlagen. All das, waswir im Bundestag bereits verabschiedet haben, hat erwieder aufgewärmt, all das, was auf europäischer Ebeneschon in Arbeit ist, verkauft er als große Neuerung. VielLärm um nichts, meine sehr geehrten Damen und Herrender SPD. Das gilt auch für den Antrag, den Sie heuteeingebracht haben.
Wir wollen – das ist der Auftrag, den wir von denBürgerinnen und Bürgern bekommen haben – verlässli-che Politik machen, auch was die Finanzmärkte betrifft.Wir wollen dem Grundprinzip der sozialen Marktwirt-schaft wieder Geltung verschaffen. Der große LudwigErhard, der einer der Väter der sozialen Marktwirtschaftwar, hat einmal einen Satz gesagt, der zu dem vorliegen-den Gesetzentwurf passt:Der tiefe Sinn der Sozialen Marktwirtschaft liegtdarin, das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mitdem des sozialen Ausgleichs und der sittlichen Ver-antwortung jedes Einzelnen dem Ganzen gegenüberzu verbinden.Diesem Prinzip verhelfen wir mit dem vorliegendenGesetzentwurf zur Geltung. Es war sicherlich nicht ein-fach, in dieser schwierigen Zeit verlässliche Entschei-dungen zu treffen. Die christlich-liberale Koalition hatdas gemacht. Unser Finanzminister Wolfgang Schäubleverhandelt sehr klug auf europäischer Ebene über die
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Peter Aumer
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Das tun wir in der verlässlichen Art und Weise, dieman von einer christlich-liberalen Koalition erwartet.Deswegen bitte ich Sie, meine sehr geehrten Damenund Herren, um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Das Wort hat der Kollege Carsten Schneider für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das isteine für Deutschland teure Lernkurve, die CDU/CSUund FDP hier gemacht haben. Warum?
Dieses Gesetz bringt die zweite Verlängerung und ist da-mit das Dritte Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Wir re-den hier über mehr Geld, als der Bundeshaushalt um-fasst, den wir eben verabschiedet haben. Es geht darum,bis zum Ende, in zwei Jahren, dem Soffin die Möglich-keit zu geben, Bürgschaften in Höhe von 400 MilliardenEuro oder Rekapitalisierungshilfe für die Banken inHöhe von 80 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.Im Jahr 2008, beim ersten Gesetz dazu, haben wir alsSozialdemokraten gesagt: Es ist entscheidend, dass derSektor – der Bankensektor, der Finanzsektor –, der vonder Stabilisierung profitiert, auch für die Kosten auf-kommt, Stichwort: Bankenabgabe. Damals haben Siedas verhindert.
Die Kosten unter dem Strich betragen Pi mal Daumen– wir wissen es noch nicht genau; das werden wir in20 Jahren wissen – zwischen 20 Milliarden und 30 Mil-liarden Euro. Ich glaube, das ist eine reale Schätzung.Ich kann Ihnen noch genau die Beteiligten nennen, diedamals dagegen waren. Jetzt ändern Sie Ihre Meinungund führen die Bankenabgabe ein. Das ist in Ordnung.Es ist eine teure Lernkurve, aber immerhin.Herr Kollege Aumer hat gerade gesagt: Der Steuer-zahler soll nie wieder für die Verluste der Banken haf-ten. – Tritt das mit der von Ihnen konzipierten Banken-abgabe aber ein? Ich weiß nicht, welche VorstellungenSie von Banken haben. Meinen Sie Sparkassen oderVolks- und Raiffeisenbanken? Die Deutsche Bank jeden-falls werden wir mit dem avisierten Geld nicht abwi-ckeln können. Das ist doch vollkommen klar.Wie hoch ist das Volumen der Bankenabgabe? Dashängt natürlich von der Konjunktur und auch der Ge-winnsituation der Banken ab. Bis heute haben wir inzwei Jahren 1,1 Milliarden Euro oder 1,2 MilliardenEuro eingenommen.
– 1,3 Milliarden Euro, vielen Dank. – Das ist nicht soviel. Ich möchte Ihnen die Situation einmal veranschau-lichen. Wenn eine mittelgroße Bank so große Verlustemacht, dass sie pleite geht, dann müssten wir bei einemVolumen von 20 Milliarden Euro bei diesem Tempo40 Jahre ansparen, um diese Bank abzusichern. Es isteine Schimäre.
Um Ihnen den Weg zu ebnen, haben wir einen Ände-rungsantrag eingebracht. Wir wollen, dass deutlich mehrEinnahmen erzielt werden. Wir als SPD-Fraktion schla-gen eine Verdoppelung der Bankenabgabe vor.
– Das reicht natürlich nicht für die Deutsche Bank, HerrWissing. Das ist doch klar. Dafür müssten Sie bei derRegulierung viel stärker ansetzen. Die Deutsche Bank istvon ihrem Bilanzvolumen her größer als die deutscheVolkswirtschaft. „Eigentlich sollte das anders sein“, hatdie Kanzlerin einmal gesagt. Was haben Sie regulato-risch eigentlich dagegen getan, dass die Deutsche Banknoch größer geworden ist, als sie es vor der Finanzkrisewar? Dass wir als Steuerzahler, als Staat das Risiko tra-gen, sie bei einer Pleite letztendlich auffangen zu müs-sen, dass ihr die Staatshaftung garantiert wird und siedeswegen immense Zinsvorteile von fast 2,5 MilliardenEuro hat, für die wir keinen Cent Entgelt bekommen, da-gegen haben Sie nichts getan. Daran sieht man, auf wel-cher Seite die Bankenlobby sitzt.
Viel wichtiger als dieses Gesetz ist aber die Verhand-lungslinie auf europäischer Ebene. Mein Kollege hat daseben angesprochen, was Bankenaufsicht und Restruktu-rierung anbetrifft. Ich meine – da haben wir einen Kon-sens –, das muss man in Ruhe entscheiden. Dass auf die-ser Sache so ein Druck lastet, hängt ja damit zusammen,dass die Bundeskanzlerin im Juni dieses Jahres zugesagthat, ausländische Banken über den Europäischen Stabili-tätsmechanismus, also auch über deutsche Steuergelder,direkt zu rekapitalisieren. Natürlich wollen alle den di-rekten Zugriff; dem ist jetzt nur die Bankenaufsicht vor-geschaltet.Ich halte es eigentlich für einen Fehler – daher bin ichskeptisch –, die Europäische Zentralbank mit einem wei-teren Thema, für das sie eigentlich nicht zuständig ist, zuüberfrachten.
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Carsten Schneider
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Es macht keinen Sinn, eine Aufsicht zu haben, aber imEndeffekt nicht eingreifen und eine Bank nicht abwi-ckeln zu können. Das Europäische Parlament hat dazuVorschläge gemacht, die Sie nicht aufgegriffen haben.Ich wüsste gern einmal: Was ist eigentlich die Strategieder Bundesregierung, außer den Beschluss von Juni wie-der zu kassieren? Ich kann keine Strategie erkennen. Miteiner reinen Verhinderungspolitik auf europäischerEbene werden wir jedenfalls keine Ordnung und kein eu-ropäisches Abwicklungsregime bekommen.
Vielmehr bekommen wir durch Ihre Zustimmung „Euro-Bonds light“, indem Banken direkt über den ESM reka-pitalisiert werden. Deswegen lehnen wir diesen Gesetz-entwurf ab.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Florian Toncar für die
FDP-Fraktion.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Allein die Zeit, zu der wir diese Debatteheute führen, zeigt, wie weit wir seit 2008 vorangeschrit-ten sind. Führe ich mir die dramatischen Umstände, un-ter denen wir damals debattiert haben, vor Augen undziehe ich einen Vergleich zu den heutigen Umständen,dann zeigt das, dass die Finanzmarktstabilisierung inDeutschland in den letzten Jahren im großen Ganzenerfolgreich gewesen ist. Wir sollten auch einmal denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzmarktstabi-lisierungsanstalt Dank sagen, die jeden Tag ihre neue,auch schwierige Aufgabe erledigen.
Wir müssen natürlich auch feststellen, dass es in denAnfangszeiten Probleme gegeben hat. Ich darf insbeson-dere an die ausgesprochen schwierigen Umstände undauch an die hohen Kosten erinnern, zu denen die HypoReal Estate verstaatlicht worden ist, nicht zuletzt auf Be-treiben des damaligen Finanzministers Peer Steinbrück.Die Folgen dieser Verstaatlichung trägt heute eine soge-nannte Bad Bank, die FMS Wertmanagement. Sie wirduns in der Tat noch einiges an Geld kosten. Ich darf auchan den Einstieg des Bundes bei der Commerzbank erin-nern. Er ist unter anderem für 6 Euro pro Aktie im Jahr2009 über die Bühne gegangen. Wer ein bisschen ver-folgt, wo der Aktienkurs heute steht, der kann nur fest-stellen: Da hat sich wohl jemand getäuscht. Dieser Je-mand saß damals im Bundesfinanzministerium und heißtebenfalls Peer Steinbrück. – Am Anfang sind Fehlent-wicklungen passiert und Fehler gemacht worden, überdie man auch heute sprechen muss.
Unsere Koalition hat darauf 2010 reagiert. Wir habenmit dem Restrukturierungsgesetz ein eigenes Banken-insolvenzrecht geschaffen. Hätte es zuvor bestanden,hätte es den Bund beispielsweise im Fall der Hypo RealEstate natürlich in eine ganz andere Situation versetzt.Man kann durch die neue Rechtslage mit solchen Fällenwesentlich besser umgehen. Man kann eine Bank, dievor dem Zusammenbruch steht, kontrolliert vom Marktnehmen und abschirmen. Das ist neu. Unsere Koalitionhat dies 2010 eingeführt.Jetzt wird der Bankenrettungsfonds, der Soffin, nochweiter fortgeführt. Es gibt dazu keinen akuten Anlass. Esist eine Vorsorgemaßnahme. Wir wollen, dass die Instru-mente, die wir besser gemacht haben, als sie 2008 wa-ren, vorbeugend weiterhin zur Verfügung stehen. Dasbedeutet aber nicht, dass unser Restrukturierungsgesetzdamit außer Kraft gesetzt wäre, ganz im Gegenteil. Wirhaben noch einmal klargemacht, auch mit den Änderun-gen, die wir im Ausschuss beschlossen haben, dass füruns immer noch und auch in Zukunft gilt: Wenn eineBank kein Geschäftsmodell hat, muss sie vom Marktverschwinden. Dann muss dafür gesorgt werden, dass siesich konsolidiert, dass der Sektor sich konsolidiert, dasssie abgewickelt werden kann, und zwar ohne dass dieKosten dafür – anders als es in der Vergangenheit bei Ih-nen der Fall war – bei der Allgemeinheit abgeladen wer-den.
Wir haben in diesem Gesetzentwurf eine weitere Än-derung vorgenommen. Sollte ein solcher Stabilisierungs-fall auf den Fonds zukommen, dann gilt klipp und klar– das ist jetzt ausdrücklich so geregelt –: zuerst die Ei-gentümer. Erst wenn das nicht mehr möglich ist, kommtder Fonds als Geldgeber in Betracht. Das ist eine Verbes-serung; denn dies stellt klar: Wer ein Unternehmen be-treibt, der muss auch dafür geradestehen, wenn etwasschiefgelaufen ist.
Ich glaube, dass wir aufgrund dieser Änderungen dasGesetz beschließen können.Ich will auf die Änderungsvorschläge, die die SPD-Fraktion gemacht hat, eingehen. Die Vorschläge, diezum Thema Bankenabgabe gemacht werden, zeigen eherIhr schlechtes Gewissen, als dass es uns in der Sacheweiterführt. Sie haben damals den Fonds, über dessenFortführung wir heute beschließen, ohne Bankenabgabeeingeführt. Es war vorgesehen, dass der Steuerzahler dieRechnung bezahlen muss. So ist es letzten Endes ja auchdurch Ihre Entscheidungen gekommen. Dass gerade die,die es damals anders gemacht haben, heute beklagen, die
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Dr. Florian Toncar
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Ich suche im Übrigen immer noch den Protest, vondem Sie reden. Sie haben ja gesagt, die SPD sei schonim Jahr 2008 für eine Bankenabgabe gewesen. LiefernSie mir einmal einen Beleg dafür! Ich bin seit Wochennicht fündig geworden. Ich vermute, dass er, wenn erdenn stattgefunden hat, sehr unauffällig war und wahr-scheinlich nie schriftlich niedergelegt worden ist.
Ein letzter Punkt zur Bankenabgabe. Man muss nocheinmal darauf hinweisen: Große Banken zahlen mehrBankenabgabe. Das ist ein progressiver Tarif.
Sie sagten gerade, die großen Banken kämen besser da-von. Genau das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie sicheinmal an, wie sie berechnet wird! Mit steigenderBilanzsumme, mit steigender Größe der Banken wird einhöherer Satz fällig. Es ist auch völlig richtig, dass großeBanken, die ein größeres systemisches Risiko darstellen,mehr Bankenabgabe zahlen müssen als die kleinen undmittleren. Hier haben wir genau aufgepasst. Es ist letztenEndes eine ausgesprochen überzeugende Konstruktion,und deshalb erbitte ich Ihre Zustimmung.
Das Wort hat der Kollege Roland Claus für die Frak-
tion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die vor drei Wochen vorgetragene Kritik meinerFraktion an diesem Gesetzentwurf müssen wir leideraufrechterhalten. Es ist eben nicht so, wie der KollegeAumer hier gesagt hat, dass wirklich die Verursacher he-rangezogen werden. Wir reden im Übrigen nicht von ei-ner Bankenkrise, die in der Vergangenheit stattgefundenhat, sondern von einer, die uns nach wie vor belastet.Das wird mit diesem Gesetz nicht besser.
Staatssekretär Kampeter hat hier vor drei Wochen zurBegründung dieses Gesetzes gesprochen. Ich hatte seineRede danach als kapitalismuskritisch eingestuft undmusste sie deshalb nachlesen. Ich trage Ihnen jetzt dasfolgende Zitat von Kampeter vor:Wir wollen weg vom regellosen Kapitalismus, undwir wollen für die Finanzindustrie die Prinzipiender sozialen Marktwirtschaft durchsetzen.Wenn man das liest, reibt man sich die Augen.
Das heißt doch im direkten – nicht einmal im dialekti-schen – Umkehrschluss: Erstens. Wir leben zurzeit imregellosen Kapitalismus. Zweitens. Die Finanzindustriebewegt sich außerhalb der sozialen Marktwirtschaft. –Da muss sich Steffen doch mit meiner Kollegin SahraWagenknecht verabredet haben. Herzlich willkommenim Klub!
Es geht hier um die Fortsetzung der staatlichen Risi-kovorsorge für große deutsche Banken. Die Regierungsagt uns jetzt, das koste nichts. Der Hintergrund ihrerÜberlegungen ist die, wie wir finden, falsche politöko-nomische These, wonach sich Staaten finanzmarktkon-form verhalten müssten. Wir halten das für grundfalsch.Wir wollen eine Rückgewinnung des Politischen gegen-über den Finanzmärkten und keine Dominanz der Fi-nanzmärkte gegenüber Regierungen, auch nicht gegen-über der Wirtschaft.
Eines passt aber ins Bild, meine Damen und Herren:Zur Sitzung des Finanzausschusses in der nächsten Wo-che haben Sie den Chef der Deutschen Bank eingeladen.Dieser sagt Ihnen aber kurzerhand: Für euch habe ichkeine Zeit. Ich komme nicht. Ich schicke einen Vertreter. –So ist die gegenwärtige Lage. Ich bin sehr gespannt, wasjetzt passiert, ob sich unser Parlament so etwas gefallenlässt. Wir werden uns nächste Woche wieder sprechen.
Wir müssen natürlich wissen, dass die Banken derKonkurrenz der sogenannten Schattenbanken ausgesetztsind, also der Hedgefonds und der nicht beaufsichtigtenZweckgesellschaften, die im Jahr 2012 einen giganti-schen Umsatz von mehr als 50 Billionen Euro erreichensollen. Dies entspricht in etwa dem Volumen von170 Bundeshaushalten. Wir sagen Ihnen: Das ist staat-lich begünstigter Wahnsinn.
Nun erklärte uns am Mittwoch Frau Merkel, die G-20-Staaten beabsichtigten, die Schattenbanken erst zubeaufsichtigen und dann zu regulieren. Ich denke, Schat-tenbanken kann man weder beaufsichtigen noch regu-lieren. Diese gehören abgeschaltet und crash-arm abge-wickelt.
Sie begründen dieses Gesetz auch damit, mit der Ban-kenabgabe werde das alles bezahlt. Da kann ich nur wie-derholen: Das ist organisierter Selbstbetrug und Täu-schung der Öffentlichkeit. Bisher haben Sie damit nichteinmal 5 Prozent des realen Verlustes angespart. Ichhabe die Bundesregierung einmal gefragt, ob sie es dennbeziffern könne, wenn sie schon eine Vorhersage treffe.
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Roland Claus
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Über die Rettung deutscher Banken redet diese Bundes-regierung schon seit Monaten nicht mehr.Sie werden diesem Gesetzentwurf heute offenbar zu-stimmen. Wenn Sie das schon tun, dann fordere ich Sieauf, die Leute in der Öffentlichkeit wenigstens nicht hin-ter die Fichte zu führen, sondern ihnen reinen Wein ein-zuschenken und die Wahrheit darüber zu sagen, was hieralles abgeht.Vielen Dank.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatder Kollege Dr. Gerhard Schick das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz ist einNotgesetz. So kam es 2008 zustande, nämlich sehrschnell und in großer Bedrängnis, und zwar aus zweiGründen: Der eine Grund ist, dass sich unser Banken-sektor über Jahre hinweg falsch entwickelt hat, riskanteGeschäfte aufgetürmt hat und dann in Schwierigkeitengeriet, als die Blase platzte. Der andere Grund ist, dasskeine Auffangmechanismen zur Verfügung standen undkeine Möglichkeit zur Abwicklung von Instituten gege-ben war. – Diese beiden Gründe sind entscheidend dafür,dass ein solches Gesetz notwendig wurde und wir– Carsten Schneider hat schon darauf hingewiesen – miteinem gigantischen Volumen von 480 Milliarden Euroden Steuerzahler ins Risiko nehmen.Jetzt muss man sich fragen, warum die Geltungsdauerdieses Gesetzes um weitere zwei Jahre verlängert wer-den muss. In dieser Woche haben wir von den Rednerin-nen und Rednern der Koalition immer gehört, wie tolldie Lage überall sei. Man muss leider sagen, dass beibeiden Gründen noch nicht Entwarnung gegeben werdenkann. Das hat auch etwas mit Ihrer Politik zu tun.
So sagt der Sachverständige Professor Siekmann,
der eine Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf abge-geben hat:Die erneute Verlängerung … um weitere zwei Jahrespiegelt die immer noch andauernde strukturelleSchwäche des Bankensektors wider. Diese Schwä-che hätte durch die zahlreichen … Reformbemü-hungen sowie die umfangreiche finanzielle Unter-stützung durch den Steuerzahler … längst beseitigtsein sollen.In der Tat. Sie haben die gute Zeit, in der die Bankge-winne groß waren – 2010 und 2011 –, nicht genutzt, umden Bankensektor stabil zu machen. Deswegen müssenwir uns jetzt immer noch Sorgen um die Banken ma-chen.
Bezogen auf den zweiten von mir angeführten Grundstellt sich die Frage, warum immer noch nicht die Me-chanismen zur Verfügung stehen, um Banken abwickelnzu können. Sie bedauern zwar, dass es einen solchen Ab-wicklungsfonds auf europäischer Ebene noch nicht gibt.Das hat aber damit zu tun, dass genau diese Bundesre-gierung bisher auf der Bremse stand und nach wie vorauf der Bremse steht.
Das genau ist die Ursache, warum wir jetzt den deut-schen Steuerzahler noch einmal mit diesen Garantien be-lasten müssen.
Ja, diese Maßnahme ist notwendig. Aber so, wie Siees machen, muss man es nicht tun. Sie nehmen zwarmarginale Korrekturen vor; aber es ist doch nicht so, wieSie sagen, dass der Bankensektor die Lasten übernimmt.Da machen Sie den Leuten doch etwas vor. Es liegen be-reits 22 Milliarden Euro im „Schattenhaushalt Finanz-marktfonds“ in Frankfurt statt im Bundeshaushalt. Siesagen jetzt, die Lastenübernahme erfolge über die Ban-kenabgabe, die ein paar Hundert Millionen Euro ein-spielt. Die Größenordnungen passen doch überhauptnicht zusammen.Die großen Progressionswirkungen, von denen Sie re-den, enden bei den mittelgroßen Banken. Bei den richtiggroßen Banken wird der Vorteil, den sie haben, gar nichtabgeschöpft. Wir haben vorgeschlagen, die Progressionweiterzuziehen, damit richtig große Banken auch deut-lich mehr zahlen als kleine und mittlere Banken. Das ha-ben Sie aber abgelehnt.
Die Zeit ist knapp; aber ich muss kurz noch etwasdazu sagen, wie die Kontrolle funktioniert. Es gibt dochjeden Freitag ein Ringen um die Informationen vom ge-heim tagenden Finanzmarktgremium, bis wir überhauptdie Informationen erhalten, um eine effektive Kontrolleausüben zu können. Was die Öffentlichkeit anbetrifft:Wenn denn alles so erfolgreich sein soll, warum werdenuns dann viele Informationen nur unter Geheim gegebenund nicht veröffentlicht? Warum wird der Öffentlichkeit
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Dr. Gerhard Schick
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Wenn das, was in den letzten Jahren gelaufen ist, alles sotoll wäre, dann könnten Sie die Öffentlichkeit auch an-ständig informieren. Einen ganz großen Teil dessen, waswir unter Geheim diskutieren, könnte man auch öffent-lich diskutieren. Wir Grünen werden hier weiter fürmehr Transparenz streiten.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Ralph Brinkhaus für die
Unionsfraktion.
Meine Damen und Herren! Um gleich einmal aufmeinen Vorredner einzugehen: Diese Verschwörungs-theorien, dass wir der Öffentlichkeit irgendwelche In-formationen vorenthalten und dass man von einem Ge-heimgremium nicht genügend informiert wird, sindhanebüchen. Im Übrigen halte ich es auch für eine Un-verschämtheit. Beschweren Sie sich da, wo Sie sich be-schweren müssen, und versuchen Sie nicht, hier Sachenzu vermischen! Das ist ein Geheimgremium; über die In-formationen darf nicht berichtet werden, auch nicht imDeutschen Bundestag.
Die zweite Frechheit, Herr Schick – das muss ich Ih-nen auch sagen –:
Wenn Sie hier behaupten, die Bundesregierung hättedurch irgendwelche Maßnahmen dazu beitragen können,dass die weltweite Bankenkrise, unter der wir leiden, inden Griff zu bekommen wäre, und suggerieren, dass Siedas geschafft hätten, dann muss ich sagen: Das ist eineSelbstüberschätzung, die ich selbst Ihnen nicht zugetrauthätte.
Meine Damen und Herren, eigentlich reden wir hierüber ein richtig gutes Gesetz. Das Finanzmarktstabilisie-rungsgesetz ist im Jahr 2008 unter schwierigen Umstän-den eingeführt worden; das musste damals sehr schnellgehen. Es ist – das können wir uns, glaube ich, alle aufdie Fahne schreiben – eine Meisterleistung des Parla-mentarismus, dass das in dem Konsens in dieser kurzenZeit so gut geklappt hat.Das Gesetz ist so schlecht nicht.
Wir haben es geschafft, mit diesem Gesetz einen Banken-sektor zu stabilisieren, und zwar nicht nur in Deutschland,sondern auch über Deutschland hinaus in Europa. Es hatsich gezeigt, dass die Mechanismen, die in diesem Gesetzangelegt sind, wirken. Diese Mechanismen waren so gut,dass sie dann ins Restrukturierungsgesetz übernommenworden sind. Dieses Restrukturierungsgesetz wird dieBlaupause sein für entsprechende Restrukturierungsge-setze in Europa.
Insofern muss man meinen Vorgängern – ich war damalsnicht dabei – hohen Respekt für dieses Gesetz zollen.Jetzt kann man sich fragen: Wir haben ein Restruktu-rierungsgesetz, und wir haben ein Finanzmarktstabilisie-rungsgesetz. Warum brauchen wir beides? – Ich habe dasvor einem Jahr, als wir eine ähnliche Debatte geführt ha-ben, so zusammengefasst: Wir arbeiten mit Hosenträgerund Gürtel. Das ist in dieser Zeit auch gut so. Denn es istrichtig: Wir befinden uns im Bereich der Finanzmärktenicht in einem Normalzustand. Wir befinden uns auchnicht in einer „normalen“ Krise, wie sie hin und wiedervorkommt, sondern wir befinden uns immer noch in ei-ner tiefen Systemkrise im Bereich der Finanzdienstleis-tungen, und zwar weltweit. Unsere Antwort darauf lau-tet, dass wir neben dem Restrukturierungsgesetz, das fürden Normalzustand, für normale Krisen gilt, das Finanz-marktstabilisierungsgesetz eingeführt haben.Dieses Finanzmarktstabilisierungsgesetz ist aus ei-nem weiteren Grund notwendig. Es ist notwendig – daswurde schon gesagt –, weil wir auf europäischer Ebenenoch keinen Mechanismus in Kraft gesetzt haben, dereine länderübergreifende Bankenrestrukturierung er-möglicht. Wir brauchen dieses Gesetz für die Zeit bisAnfang 2015, also bis zu dem Zeitpunkt, für den wir dasInkrafttreten des länderübergreifenden Mechanismus er-warten. Wir müssen also weitere zwei Jahre mit Hosen-träger und Gürtel arbeiten.Nichtsdestotrotz ist es richtig, dass wir das Gesetz je-weils befristet haben, dass wir uns im Jahr 2008 nichthingestellt und gesagt haben: Wir machen ein Gesetz fürden Zeitraum bis 2020. – Es ist auch richtig, dass wirAnfang des Jahres gesagt haben: Wir verlängern dieseRegelung nur um ein Jahr. Denn dieses Gesetz soll unddarf nicht zum Normalzustand werden.Es darf sich niemand darauf verlassen, über das Fi-nanzmarktstabilisierungsgesetz gerettet zu werden. Des-wegen haben wir das Dritte Finanzmarktstabilisierungs-gesetz gegenüber dem zweiten modifiziert. Wir habennämlich das Zusammenwirken von Restrukturierungs-gesetz und Finanzmarktstabilisierungsgesetz geregelt,und zwar so, dass ganz klar ist, dass zuerst die Eigen-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012 25557
Ralph Brinkhaus
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Jetzt versucht die SPD, sich an diesem Gesetz abzuar-beiten, und zwar mit einem Entschließungsantrag undeinem Änderungsantrag. Das ist ganz erstaunlich. Ersteinmal wird dort, wie das bei SPD-Anträgen zum Fi-nanzmarkt leider oft der Fall ist, ein bisschen weinerlichformuliert: Eigentlich waren wir die Urheber des Re-strukturierungsgesetzes; Ruhm und Ehre gebühren FrauZypries und Herrn Steinbrück. – Geschenkt!
Sie können sich das gerne zuschreiben. Ich glaube, denMenschen in diesem Land geht es nicht darum, wer ir-gendwann einmal welche Idee hatte, sondern darum, wersie umsetzt, und das haben wir gemacht. Es ist auch gut,dass das umgesetzt worden ist.
Die Bankenabgabe spielt im Dritten Finanzmarktsta-bilisierungsgesetz eine große Rolle, weil wir über denmit Mitteln aus der Bankenabgabe gefütterten Restruktu-rierungsfonds die Verluste aufgrund des Finanzmarktsta-bilisierungsgesetzes ausgleichen wollen. Sie sagen nun:Über die Bankenabgabe kommt zu wenig Geld zusam-men. – Dann kommen Sie auf die großartige Idee, einenAntrag zu stellen: Liebe Bundesregierung, legt mal einKonzept dafür vor, wie die Banken so richtig an denKosten der Krise beteiligt werden können. – Da habe ichgedacht: Okay, jetzt kommt das eigene Konzept derSPD. – Pustekuchen! In diesem Entschließungsantragstand nicht viel drin.Sie haben deswegen einen Änderungsantrag nachge-reicht. Carsten Schneider hat gesagt: Ich habe die Königs-idee. – Sie haben überall in der Presse herumgekräht undgesagt: Dadurch, dass wir die Obergrenze, den maxima-len Anteil am Gewinn, der über die Bankenabgabe ab-geführt werden muss, von 20 Prozent auf 25 Prozent an-heben, kommt ein richtig großer Schlag obendrauf. –Herr Schneider, ich gehe einmal davon aus, dass Sie essich vom Finanzministerium haben durchrechnen lassen,ob dadurch die Einnahmen aus der Bankenabgabe tat-sächlich verdoppelt werden. Wir haben es jedenfallsdurchrechnen lassen: Es ist nicht der Fall. Das heißt, dieErhöhung der Obergrenze auf 25 Prozent, für die Sie inder Öffentlichkeit werben, ist – wie haben Sie sich ebenausgedrückt? – eine Schimäre.Jetzt kommen wir zu den weiteren SPD-Vorschlägen.Es wird behauptet: Ja, es ist so; am Ende des Tages wer-den die Großen geschont, und die Kleinen müssen blu-ten. – Wir haben die kleinen Banken von der Regelungzur Bankenabgabe ausgenommen. Es sind die großenBanken, die zahlen, und das ist auch gut so. Wir habendas bewusst so gemacht. Dementsprechend ist an dieserStelle keine Kritik vorzubringen.Meine Damen und Herren, insgesamt könnte ichwahrscheinlich noch eine Stunde davon erzählen, was andiesen Anträgen Quatsch ist.
Diese Zeit habe ich nicht mehr; die Kollegen wollennach Hause. Deswegen höre ich an dieser Stelle damitauf.Ich sage aber noch – da sind wir uns, glaube ich, alleeinig –: Wir brauchen einen europäischen Restrukturie-rungsmechanismus. Wir alle müssen daran arbeiten. Eshilft nicht, zu sagen, wer wann irgendwo irgendetwasverhindert hat. Ich glaube, diese Bundesregierung hatdaran so hart gearbeitet wie keine andere; denn sie hatdas Restrukturierungsgesetz vorgelegt und damit dieBlaupause für europäische Regelungen geliefert.Darüber hinaus müssen wir uns mit einigen anderenThemen beschäftigen, zum Beispiel mit der Frage: Wiegeht es mit den Landesbanken weiter?
Das können SPD und Union nur zusammen machen,weil es eine föderale Angelegenheit ist. Da müssen wiruns hier einig sein; da muss man sich auf Länderebeneeinig sein.Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch ei-nem Bereich zuwenden, in dem, wie wir in den letztenWochen gesehen haben, dringender Handlungsbedarfbesteht und der vom Restrukturierungsgesetz und vomFinanzmarktstabilisierungsgesetz nicht oder nur unvoll-kommen abgedeckt ist: dem Versicherungsbereich. Ichglaube, da haben wir noch viel Arbeit vor uns.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Sieling für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Als letzter Redner habe ich jetzt die Möglichkeit, dasThema abschließend zusammenzufassen.
– In vier Minuten.Ich will einige Punkte geraderücken. Es war 2008richtig, das Finanzmarktstabilisierungsgesetz auf denWeg zu bringen. Einer meiner Vorredner hat von „Ge-wissen“ gesprochen. Ich kann für uns sagen: Wir habenein gutes Gewissen dabei, weil es eine Entscheidungwar, die zur Stabilisierung beigetragen hat. Das hat hierauch breite Zustimmung gefunden. An dieser Stelle soll-ten wir alle etwas vorsichtiger argumentieren.
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25558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 23. November 2012
Dr. Carsten Sieling
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Man kann unsere Vorschläge geißeln und sagen: Damitkommen wir auch nicht so schnell zum Ziel. – Das istvöllig richtig. Auch unser Vorschlag wird nicht dazuführen, dass wir in drei oder vier Jahren die notwendigeSumme zusammenhaben.Zur Erhöhung der Zumutbarkeitsgrenze. Wir habendafür geworben, dass man beispielsweise die Förderban-ken in Deutschland aus der Pflicht zur Bankenabgabeherausnimmt. Das führt dazu, dass man die kleinen Ban-ken verschont. Mit der bisherigen Begrenzung auf nur20 Prozent des Gewinns verschont man aber insbeson-dere die ganz großen Banken, zum Beispiel die DeutscheBank. Deshalb schlagen wir eine Abgabe in Höhe von25 Prozent vor. Das macht die Sache besser und gerech-ter, weil die großen Banken stärker beteiligt werden.
Der Vorschlag, die Bankenabgabe zu erhöhen, ist richtig.Damit wird dieses Gesetz, dessen Verlängerung der Gel-tungsdauer wir völlig richtig finden, zu einem stärkerenInstrument.Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen. Siepreisen immer, Sie hätten durch Ihre Maßnahmen dieAuswirkungen der Krise wesentlich begrenzt und be-kämpft. Ich will darauf hinweisen, dass die Bilanzen derBanken in unserem Land immer noch wachsen und dieEinnahmen explodieren, vor allem im Verhältnis zumBruttoinlandsprodukt. Die von Ihnen ergriffenen Maß-nahmen haben offensichtlich nicht dazu geführt, dass dienotwendigen Regulierungen stattgefunden haben. IhrePolitik reicht nicht, und dieses Gesetz reicht nicht. Des-halb werden wir heute diesen Gesetzentwurf ablehnen.Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, undein schönes Wochenende.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent-
wurf eines Dritten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes.
Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/11586, den Gesetzent-
wurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Druck-
sache 17/11138 in der Ausschussfassung anzunehmen.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
SPD auf Drucksache 17/11605 vor. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der
SPD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Lesung durch die
Unionsfraktion und die FDP-Fraktion gegen die Stim-
men der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenom-
men.
Zuletzt stimmen wir über den Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11606 ab. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die
nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mitt-
woch, den 28. November 2012, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen, so-
weit möglich, etwas Erholung am Wochenende.