Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 174. Sitzung des Deutschen Bundestages und darf zunächst bitten, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Kern für vier Wochen wegen Krankheit.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs einverstanden ist.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Imig, Böhm, Kuhlemann, Parzinger, Dr. Greve, Gockeln, Dr. Oesterle, Dr. Laforet, Wallner, Dr. Fink, Neumann, Dr. Friedrich, Brandt, Kalbfell, Loritz.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Pferdmenges, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Henle, Frau Dr. Steinbiß, Dr. Orth, Hilbert, Reimann, Rische, Fisch, Kohl , Müller (Frankfurt), Niebergall, Vesper, Harig, Agatz.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. November 1951 beschlossen,
zum Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen;
zum Soforthilfeanpassungsgesetz zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Er hat jedoch die Bundesregierung gebeten, ungeachtet formeller Bedenken für die sofortige Auszahlung von Teuerungszuschlägen in Höhe von 20 % an die Soforthilfeempfänger Sorge zu tragen;
gegen das Bundesbahngesetz einen Einspruch nicht einzulegen.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat unter dem 9. November 1951 die Anfrage Nr. 223 der Abgeordneten Dr. Frey, Dr. Horlacher, Dr. Dr. Müller , Dannemann, Lampl, Tobaben und Genossen betreffend Landwirtschaftlicher Grundbesitz und Traktatrecht im deutsch-holländischen Grenzgebiet — Drucksache Nr. 2728 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2789 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 2. November 1951 über die bisherigen Schritte der Bundesregierung zum Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 146. Sitzung betreffend Neufassung des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2796 vervielfältigt.
Die Verordnung über Verwendungsbeschränkungen für Baumaterial ist dem Deutschen Bundestag zur Kenntnisnahme von der Bundesregierung zugestellt worden und liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder die traurige Pflicht, des Heimganges eines unserer Kollegen zu gedenken.
Gestern 19 Uhr 30 ist bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn Frankfurt—Köln in der Nähe von Linz der Bundestagsabgeordnete Chefredakteur Karl Brunner ums Leben gekommen. Durch den gleichen Unfall ist auch seine Gattin getötet worden.
Karl Brunner wurde am 12. April 1905 in Berlin geboren. Er ist zunächst Lehrer geworden. Da er wegen der damaligen Junglehrernot keine Anstellung finden konnte, ist er zunächst als Telefonist, dann als Stenograph zur Presse gegangen und in dieser Eigenschaft in einer Berliner Redaktion für Zeitungen im Reich tätig gewesen. Er hat in diesem Wirkungskreis eine segensreiche Tätigkeit entfalten können. Nach 1945 ist er ins Rheinland gezogen, wo er zunächst Redakteur und dann stellvertretender Chefredakteur der „Rheinischen Zeitung" in Köln war. 1947 wurde er Chefredakteur der „Neuen Ruhrzeitung" in Essen. 1949 wurde er durch das Vertrauen seiner Berufskollegen zum 1. Vorsitzenden des Rheinisch-Westfälischen Journalistenverbandes gewählt. Er war gleichzeitig als Rundfunkkommentator im Nordwestdeutschen Rundfunk tätig.
In den Bundestag wurde er auf dem Landesergänzungsvorschlag der SPD Nordrhein-Westfalen gewählt. Er war stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der Presse, des Films und des Rundfunks und stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Grenzlandfragen.
Meine Damen und Herren, wir stehen wieder vor einem außerordentlich tragischen Heimgang eines Kollegen, und ich darf wohl als die Meinung des ganzen Hauses aussprechen, daß wir das in diesem Falle besonders auch wegen der menschlichen Eigenschaften des Kollegen Brunner empfinden, der sich in der Zusammenarbeit überall dort, wo er in diesem Hause und darüber hinaus mitarbeitete, kraft seiner persönlichen Fähigkeiten und seiner persönlichen Eigenschaften der größten Wertschätzung erfreute. Wir stehen in tiefer Trauer am Sarge dieses Kollegen.
Sie haben sich zu seinen Ehren von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß wir beabsichtigen, etwa um 14 Uhr 30 eine kurze Unterbrechung der Sitzung zur Begrüßung der Delegation beider Häuser des amerikanischen Parlaments eintreten zu lassen, die auf unsere Einladung hin in diesen Tagen in Deutschland weilt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzierung eines Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Nr. 2749 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 354, 356, 357, 358, 359).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Kuntscher.
Gemäß dem Beschluß des Ältestenrates schlage ich Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten für diesen Punkt der Tagesordnung vor.
Ich bitte den Herrn Abgeordneten Kuntscher, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon die kurze Aussprache über den zur Verhandlung stehenden Gesetzentwurf über die Finanzierung eines Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951 in der 162. Plenarsitzung am 13. September ließ erwarten, daß vor der materiellen Behandlung dieses Gesetzentwurfs wichtige Grundsatzfragen zur Aussprache stehen werden. Das ergab sich auch bei den mehrmaligen Ausschußberatungen. Die von den Vertretern der SPD angemeldeten Bedenken führten zu sehr ausgiebigen Grundsatzdebatten im Ausschuß. Ich fühle mich verpflichtet, auf das Wesentliche dieser Aussprache in aller Kürze einzugehen.
Es war erstens aus dieser Debatte heraus zu prüfen, ob durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht Grundsätze des AVAVG verletzt werden, da — zweitens — Versicherungsgelder oder Prämienreserven der Arbeitslosenversicherung, die an und für sich für Versicherungsleistungen zweckgebunden sind, zur Arbeitsbeschaffung verwendet werden sollen. Drittens wurde der Vorwurf erhoben, daß durch diesen gesetzlichen Vorgriff die kommende Selbstverwaltung der Bundesanstalt verletzt werde. Viertens wurde die Frage aufgeworfen, ob auch die Form der Inanspruchnahme richtig sei, da durch die im Gesetz festgelegte Hergabe dieser Gelder zur Arbeitsbeschaffung angeblich der Bundeshaushalt im Titel „Arbeitslosenfürsorge" indirekt entlastet wird. Schließlich wurde die Frage erörtert, ob es vertretbar sei, daß ein so hoher Betrag an Prämienreserven durch Festlegung in Arbeitsbeschaffungsdarlehen auf lange Sicht gebunden werde, wodurch eventuell die Gefahr heraufbeschworen werden könnte, daß im Falle größerer Arbeitslosigkeit die flüssigen Mittel zur Erfüllung der Ansprüche der Versicherten fehlen.
In ernster und verantwortungsbewußter Aussprache wurden diese von den SPD-Vertretern geäußerten Bedenken durch die Ausschußmitglieder geprüft und die Vertreter des Arbeitsministers aufgefordert, in den folgenden Sitzungen des Ausschusses durch konkretes Zahlenmaterial die aufgeworfenen Bedenken zu zerstreuen.
Das ist durch die Argumentation des Bundesarbeitsministeriums für die Mehrheit des Ausschusses auch der Fall gewesen. Im § 140 des AVAVG steht die Bestimmung, daß Mittel der Arbeitslosenversicherung für werteschaffende Vorhaben aufgewandt werden können, und zwar auch für Personen, die aus der Alu, also der Arbeitslosenunterstützung, ausgesteuert sind. Ferner lag in der Sitzung am 9. Oktober eine genaue Aufstellung über die Höhe der Überschüsse und der Prämienreserven der Arbeitslosenversicherung bei den Ländern zum 30. September vor, die rund 1 Milliarde DM betragen haben. Zu dieser Milliarde Prämienreservenbestand kommt noch ein Betrag von 135 Millionen DM, der als Länderschuld an die Arbeitslosenversicherung abzuführen wäre. Die Gläubigerländer für diese 135 Millionen DM sind Schleswig-Holstein mit 98,8 Millionen DM, Niedersachsen mit 15,9 Millionen DM und Hessen mit 20,4 Millionen DM. Von dem Überschuß bei den Ländern in Höhe von 1 Milliarde DM sind nach dem Stande vom 30. September gegenwärtig frei verfügbar 60,6 Millionen DM, kurzfristig gebunden, d. h. auf einen Monat, 114,3 Millionen DM, mittelfristig bis zu 6 Monaten 345,1 Millionen DM und langfristig über 6 Monate hinaus 456,1 Millionen DM. Das sind 45 % des Gesamt-Überschußbestandes als langfristige Anlagen.
Das gegenwärtige monatliche Aufkommen der Arbeitslosenversicherung beträgt rund 110 Millionen DM. Als Überschuß ergab sich in den letzten Monaten aus diesem monatlichen Aufkommen durchschnittlich ein Betrag von 40 Millionen DM.
Durch dieses konkrete Zahlenmaterial konnten vom Bundesarbeitsministerium bei der Mehrheit des Ausschusses die Bedenken zerstreut werden, daß durch die Verwendung von 200 Millionen DM für Arbeitsbeschaffung Liquiditätsschwierigkeiten bei einem Auftreten größerer Arbeitslosigkeit entstehen könnten. Der in der Aussprache vorgetragene Vergleich, daß auch im Jahre 1928 die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung in große finanzielle Schwierigkeiten kam, ist nicht am Platze, da der Reichsanstalt damals nur ein Vermögen von 50 Millionen RM übertragen worden war, während das Vermögen heute immerhin 1 Milliarde DM, also das Zwanzigfache, beträgt.
Weiter wurde im Ausschuß mit Recht zum Ausdruck gebracht, daß durch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen auch erhöhte Beitragsaufkommen für die Sozial- und Arbeitslosenversicherung gewährleistet sind.
Die vorliegende erste Aufstellung über die Aufteilung der ersten 50 Millionen DM für bereits laufende Arbeiten aus dem Titel dieses heute in der zweiten und dritten Lesung zu beschließenden Gesetzes zeigt, daß durch die gewährten Mittel für eine Grund- und verstärkte Förderung sehr ansehnliche Beträge für diese Notstandsarbeiten auch aus eigenen Mitteln der Länder, der Kreise, der Gemeindeverbände und der Städte mobilisiert werden können. Mit diesen ersten 50 Millionen DM Förderungsbeiträgen werden gegenwärtig Arbeiten für insgesamt 162 Millionen DM durchgeführt. Damit sind mehr als 4 Millionen Tagewerke sichergestellt, und es ist damit auch der Nachweis erbracht, daß sich die Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden anstrengen müssen, um an die Mittel heranzukommen, die durch dieses Gesetz bereitgestellt werden.
Im Zuge der materiellen Beratung des Gesetzentwurfs stellte Kollege Richter als Sprecher seiner Kollegen aus der SPD-Fraktion den Antrag, daß aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung nur 50 Millionen DM als Darlehen an den Bund gewährt werden sollen. Die Gewährung weiterer 150 Millionen DM solle erst dann behandelt werden, wenn die Selbstverwaltung der Bundesanstalt in Kraft getreten ist. Wenn dieser Antrag aber im Ausschuß keine Annahme finde, so schlage er vor, daß der § 1 so zu fassen sei, daß zur Durchführung des Sofortprogramms 100 Millionen DM — aber nur als verstärkte Förderung, also ohne jede Grundförderung — zur Verfügung gestellt werden. Dieser Antrag wurde vom Ausschuß gegen die Stimmen der SPD mit allen übrigen Stimmen abgelehnt. § 1 Abs. 1 wurde in der Fassung des Regierungsentwurfs mit der Änderung angenommen, daß die 200 Millionen DM für Zwecke der Arbeitsbeschaflung für die Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung nicht gänzlich im Rechnungsjahr 1951, sondern bis zum 30. Juni 1952 zur Verfügung gestellt werden sollen. In dieser abgeänderten Form wurde der § 1 angenommen. Nach Ansicht der Ausschußmehrheit ist diese Terminerstreckung dadurch gerechtfertigt und begründet, da die Bundesanstalt nach den gesetzlichen Bestimmungen erst am 1. Januar 1952 ihre Tätigkeit aufnimmt und daß doch einige Zeit vergehen wird, bis sie zur Aufkündigung mittel- oder langfristiger Darlehen schreiten kann, um diese 200 Millionen DM zur Gänze zu bedienen.
Entsprechend den Abänderungsvorschlägen des Bundesrates wurden zu § 1 die neuen Absätze 2 und 3 vom Ausschuß übernommen. Der übernommene Abs. 2 lautet:
Die Mittel sollen insbesondere in den Arbeitsamtsbezirken mit einer den Bundesdurchschnitt übersteigenden Arbeitslosigkeit Verwendung finden.
Diese gesetzliche Bestimmung wird zur zwingenden Notwendigkeit, wenn den Gebieten — Bezirken und Ländern — eine Hilfe gebracht werden soll, die arm an Industrie und arm an Arbeitsplätzen sind und die in den Jahren 1945 bis 1947 den größten Bevölkerungszuwachs durch die Einweisung von Heimatvertriebenen hatten. Die Übersicht der Überschüsse der Arbeitslosenversicherung zeigt, daß die Länder Schleswig-Holstein mit 3,5, Niedersachsen mit 12 Millionen DM Überschuß und Bayern als einziges Land sogar mit 7,5 Millionen DM Fehl- betrag — die allerdings vorübergehend durch die Staatshauptkasse gedeckt sind — weit hinter den industriereichen Ländern in der Aufbringung von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen zurückliegen. Um Ihnen zwei dieser wirtschaftlich gut situierten Länder zu nennen, möchte ich anführen, daß die Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung zum 30. September 1951 im Lande Nordrhein-Westfalen 283 Millionen, in Württemberg-Baden 241,5 Millionen DM betragen.
Ferner schlägt Ihnen der Ausschuß vor, dem § 1 des Regierungsentwurfs einen neuen Abs. 3 hinzuzufügen, der im Prinzip einem Bundesratsvorschlag entspricht. Der Absatz bestimmt die Zusammensetzung und die zahlenmäßige Stärke des Gremiums, das bis zur Errichtung der Organe der Bundesanstalt über die Zuteilung der Mittel an die Träger der Notstandsarbeiten entscheiden soll. Dieser Absatz lautet wörtlich:
Bis zur Errichtung der Organe der Bundesanstalt entscheidet über die Zuteilung der Mittel an die Träger der Arbeit ein aus
je vier Vertretern der Arbeitnehmer und
Arbeitgeber,
zwei Vertretern der Länder und
zwei Vertretern der Bundesregierung bestehender Ausschuß. Dieser Ausschuß kann seine Befugnisse an entsprechende Ausschüsse
bei den Landesarbeitsämtern übertragen.
Schließlich bestimmt ein neuer Abs. 4 die zuständigen Gremien, die die Benennung der Vertreter durchführen. Er heißt wörtlich:
Die Vertreter der Sozialpartner
— der Begriff „Sozialpartner" soll wie im Abs. 3 nach einem Antrag in „der Arbeitnehmer und Arbeitgeber" ersetzt werden —
werden von deren Spitzenorganisationen, die
Vertreter der Länder vom Bundesrat benannt.
In der Stellungnahme der Regierung wird diesem Vorschlag des Bundesrates gleichfalls zugestimmt. Die Regierung hält es aber für erforderlich, daß die Bundesratsfassung des § 1 Abs. 3 durch eine Ergänzung erweitert wird, die die Bestimmung enthält, daß der Bundesarbeitsminister oder dessen Beauftragter den Vorsitz in dem zu bildenden Ausschuß als Vertreter der Bundesregierung führt. Der Ausschuß ist diesem Vorschlag der Regierung nicht beigetreten, sondern ist der Auffassung, daß auch bei den kommenden Sitzungen dieses Ausschusses der Vorsitz wie bisher von einem Vertreter des Arbeitsministers oder vom Arbeitsminister selbst geführt werden soll und daß es deshalb auch nicht notwendig ist, diese Bestimmung über den Vorsitz eigens ins Gesetz aufzunehmen.
§ 2 des Gesetzes wurde bei Stimmenthaltung der Vertreter der SPD entsprechend der Gesetzesvorlage angenommen, wobei jedoch der bereitzustellende Kassenkredit von 50 auf 80 Millionen DM erhöht werden soll. Diese Erhöhung um 30 Millionen DM hält die Mehrheit des Ausschusses für notwendig, um durch eine entsprechende zeitgerechte Verplanung dieses Kassenkredites die oftmals langwierigen Vorarbeiten für die durchzuführenden Notstandsvorhaben zu ermöglichen. Um aber auch den Organen der Bundesanstalt die Disposition über diesen Kassenkredit zu ermöglichen, hält es die Ausschußmehrheit für geboten, einen Termin festzusetzen, bis zu dem dieser Kassenkredit an den Bundesminister der Finanzen abzuführen ist. Aus diesem Grunde sollen im Schlußsatz des § 2 die Worte: „bis zum 31. März 1952 abzuführen" eingefügt werden.
Ein neuer § 2 a bestimmt, daß auch das Land Berlin, wenn es gemäß Art. 87 Abs. 2 seiner Landesverfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat, der Vorteile dieses Gesetzes teilhaftig werden soll
§ 3 des Entwurfs bestimmt das Inkrafttreten des Gesetzes am Tage nach seiner Verkündung.
Zusammenfassend möchte ich Ihnen die Beschlüsse des Ausschusses zur Annahme empfehlen und Sie bitten:
1. dem Gesetzentwurf mit den aus der vorliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen zuzustimmen;
2. die folgende Entschließung anzunehmen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis zum Abschluß der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus dem Gesetz über die Finanzierung des Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951 den beteiligten Ausschüssen des Bundestages vierteljährlich eine Ubersicht über die verausgabten und eingeplanten Mittel zu geben. Aus dieser Übersicht soll die Zuweisung an die Länder ersichtlich sein, weiterhin die Art der Objekte, für die eine Finanzierung auf Grund dieses Gesetzes erfolgt.
Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Berichterstatter, der es fertiggebracht hat, durch die vielfachen Unterhaltungen hindurch den Bericht zum Vortrag zu bringen. Zum Unterschied vom Kollegen Gockeln in Düsseldorf bin ich der Meinung, daß es dann vielleicht doch zweckmäßiger ist, sich während der Berichterstattung aus der Presse zu informieren.
Ich eröffne die Einzelberatung der zweiten Beratung und rufe zunächst § 1 Abs. 1 auf. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Sabel und Genossen, Umdruck Nr. 357 Ziffer 1 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abänderungsantrag zum § 1 entspricht einem Wunsch des Bundesrats, der dahin geht, diese 200 Millionen DM nicht nur für Maßnahmen der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge für Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger anzuwenden, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit zu schaffen, die Arbeitslosenunterstützungsempfänger an diesen Maßnahmen zu beteiligen. Diese Anregung des Bundesrats wurde leider bei der Beratung im Ausschuß übersehen. Ich bin allerdings der Meinung, daß hier kaum Meinungsverschiedenheiten vorliegen, und bitte Sie, dieser Änderung zustimmen zu wollen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst die übrigen Absätze dieses Paragraphen aufrufen, die Begründung der Abänderungsanträge hören und dann über den § 1 abstimmen.
Ich rufe zunächst noch auf Abs. 2. Hierzu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion des Zentrums vor. — Bitte schön, Herr Abgeordneter Determann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion ist der Meinung, man sollte versuchen, diese Gelder zweckentsprechend anzuwenden, d. h., daß man nach Möglichkeit Arbeitsplätze schaffen soll, die den Arbeitslosen auch im Engpaßbereich für längere Zeit -die Möglichkeit zum Arbeiten gibt. Deshalb bittet die Zentrumsfraktion, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort dazu Wünscht Herr Abgeordneter Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider muß ich darum bitten, diesen Antrag abzulehnen, da mir die von der Zentrumspartei gewünschte Ausweitung nicht zweckmäßig erscheint. Das Gesetz ging davon aus, daß gerade die Länder in sehr starkem Maße mit zusätzlichen Mitteln für die Arbeitsbeschaffung versorgt werden sollen, die eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit haben. Die anderen Länder sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber diese Rücksichtnahme
muß meines Erachtens obwalten. In dem Antrag ist gesagt, daß die Mittel gerade in den Bezirken einzusetzen seien, wo es zur Steigerung der Produktion in den Engpaßbereichen notwendig ist. Ich nehme an, daß die Antragsteller hier im wesentlichen auch an Kohle und Eisen gedacht haben, und da ist doch zu sagen, daß diese Industrie im wesentlichen in Nordrhein-Westfalen liegt. Wir hatten Ende September in Nordrhein-Westfalen 3,6 % Arbeitslose, während wir im Bundesdurchschnitt 7,7 %, in den Notstandsländern Schleswig-holstein 19,9 %, in Niedersachsen 13,8 % und in Bayern 10 % an Arbeitslosen hatten. Ich bin der Meinung, die Dinge, die von dem Antrag der Zentrumspartei angesprochen werden, sind auf andere Art und Weise zu regeln. Ich darf daran erinnern, daß sich das Investitionshilfegesetz mit diesen Fragen beschäftigt. Hier scheint mir dafür nicht der geeignete Raum zu sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kneipp.
Wünscht zu diesem Paragraphen noch jemand das Wort? — Herr Abgeordneter Odenthal, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Solange der erste Entwurf vorsah, daß aus Mitteln der Beiträge, die von Versicherten und Arbeitgebern aufgebracht werden, ein größerer Betrag zur Entlastung von Kosten für Pflichtaufgaben des Bundes bereitgestellt werden sollte, mußten wir erhebliche Bedenken haben. Der Antrag des Herrn Abgeordneten Sabel kommt unseren Wünschen entgegen und macht es uns, da wir die Notwendigkeit der Arbeitsbeschaffung bejahen, leichter, dem Antrag zuzustimmen.
Ich darf aber bei der Gelegenheit zu § 1 zunächst einen Antrag begründen, der darauf hinausgeht, daß auch die Vertreter der kommunalen Spitzenorganisationen in dem Verteilungsausschuß beteiligt werden.
Herr Abgeordneter, ich hatte Abs. 4 noch nicht aufgerufen. Ich wollte erst Abs. 3 aufrufen. Wollen Sie zu Abs. 3 schon sprechen?
Jawohl. Präsident Dr. Ehlers: Bitte schön!
Das Gesetz, das die Zustimmung des Bundesrates nicht gefunden hat und von dem wir nicht wissen, ob oder wann es gegebenenfalls in Kraft treten wird, sah vor, daß die Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände mitwirken sollten. Wenn wir aber schon im Vorgriff auf Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung in diesem Gremium weitere Mittel verwenden, dann sollten wir doch zweifellos darin einig sein, daß wir zwei Vertreter dieser Organisationen auch mitberaten lassen sollten. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen vorschlagen, daß wir Abs. 4 gleich dazunehmen und die Gesamtheit von § 1 diskutieren.
Meine Damen und Herren! In Abs. 4 war vorgesehen, daß hier die Sozialpartner mitwirken. Wir halten es nicht für tunlich, daß bereits in diesem Gesetz der Begriff der Sozialpartner interpretiert wird, und beabsichtigen deshalb mit unserem Antrag, hier wieder die Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorzusehen.
Lassen Sie mich noch eine Bitte hinzufügen. Wir sind alle daran interessiert — und darum unterstütze ich grundsätzlich die Auffassung des Herrn Abgeordneten vom Zentrum —, daß nicht nur vorübergehende Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden, an deren Ende erneute Arbeitslosigkeit, vielleicht auch die Fehlleitung von öffentlichen Mitteln zu bedauern ist, sondern daß möglichst Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Wir möchten deshalb folgenden Antrag stellen:
Der Bundesminister für Arbeit wird ersucht, alle zwei Monate, erstmalig Anfang Januar 1952, den Bundestagsausschüssen für Arbeit und Wirtschaft Bericht über den Stand der Arbeiten zu geben, die im Zuge dieses Sofortprogrammes für Arbeitsbeschaffung geleistet worden sind oder eingeleitet worden sind.
Wir bitten Sie, auch diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Zur Begründung des Antrages der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck Nr. 359 Herr Abgeordneter Ewers, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den wir einbringen, soll in erster Linie dem Wunsch, dem die Bundesregierung in der Drucksache Nr. 2533 auf der letzten Seite zur Stellungnahme des Bundesrates Ausdruck gegeben hat, Rechnung tragen, nämlich, daß den Vorsitz in dem Ausschuß, wie ich es für selbstverständlich halte, der Bundesminister für Arbeit zu führen haben wird oder, soweit der Ausschuß ohne gesetzliche Grundlage, die wir legalisieren müssen, schon tätig gewesen ist, zu Recht innegehabt hat. Dies ist meines Erachtens vom Ausschuß nur versehentlich nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Deswegen zunächst einmal als Ziffer 1 des Abs. 3 die besondere Hervorhebung, daß der Herr Bundesminister für Arbeit dem Ausschuß als Vorsitzender angehört. Daß er einen Beamten beauftragen kann, ist verwaltungsmäßig selbstverständlich; das brauchen wir nicht in das Gesetz aufzunehmen. In Ziffer 4 ist dann noch ein weiterer Vertreter der Bundesregierung vorgesehen. Eine Erhöhung der Zahl soll ja nicht durchgeführt werden.
Ob man dann dem Wunsch der SPD, noch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände hereinzunehmen, Rechnung tragen will, ist eine Frage für sich. Wir haben uns insoweit an die Vorlage des Ausschusses gehalten.
Ich möchte aber hinzufügen, daß ich mit meiner Fraktion diese Änderung nicht nur für formal, sondern aus folgenden Gründen auch sachlich für hochbedeutsam halte. Die notleidenden Länder — ich spreche hier für Schleswig-Holstein — legen Wert darauf, daß die bisher für die Arbeitsbeschaffung noch nicht eingesetzten Mittel so rasch wie möglich zum Zuge kommen. Es ist bedauerlich, daß der normale Träger dieser Mittel, die Anstalt, daran gescheitert ist, daß der Bundestag den Vermittlungsvorschlag und im Zuge dessen, wie zu erwarten war, der Bundesrat die vom Bundestag verabschiedete Vorlage abgelehnt hat. Ich darf darauf hinweisen, daß es sich bei dem Gesetz betreffend die Bundesanstalt um ein Zustimmungsgesetz handelt. Es nützt also nichts, daß die eine
der beiden gesetzgebenden Körperschaften sich einig ist, sondern es muß in diesem Falle eine übereinstimmende Willensbildung beider Gesetzgebungsorgane herbeigeführt werden. Nach den Erfahrungen im Vermittlungsausschuß bin ich skeptisch, daß das sehr bald gelingt. Mit Recht ist daher eine Übergangsregelung vorgeschlagen worden. Diese darf aber nicht so gehalten sein, daß sie etwa den Wunsch, die Bundesanstalt zu errichten, bis in alle Ewigkeit zurücktreten läßt, sondern sie sollte eine typische Notlösung sein, die in keiner Weise das nachbilden soll und kann, was die Anstalt später sein wird, die, wie bekannt, ja nicht eine reine Selbstverwaltungsanstalt sein wird, weil in ihr auch Bundesmittel mit verwaltet werden. Deshalb wollen wir einen aktionsfähigen, rasch arbeitenden, aber bestimmt nur vorübergehenden Ausschuß einsetzen, der zunächst einmal versuchen soll, die drohende Arbeitslosigkeit des kommenden Winters so weit wie irgend möglich in geeigneter Weise einzudämmen. Deswegen unsere Vorschläge zu Abs. 3, die ich das Hohe Haus anzunehmen bitte, weil die Fassung, wie meines Erachtens auch der Ausschußbericht ergibt, von vornherein so gemeint war. Damit wird Klarheit darüber erreicht, daß der Arbeitsminister als Ausschußvorsitzender für ein rasches Arbeiten des Ausschusses zu sorgen hat.
Ich komme zu unserem Antrag bezüglich des Abs. 4. In der Vorlage ist die Fassung vorgesehen: „von deren Spitzenorganisationen". Auch hier haben wir in unserem Antrag Vokabel vermieden und von „Vertretern der Vereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer" gesprochen. Daß diese ohne weiteres Persönlichkeiten sollen benennen können, genau so wie der Bundesrat, die damit das Anrecht erwerben, über öffentliche Mittel zu verfügen, ist meines Erachtens keinesfalls angängig. Wer über öffentliche Mittel verfügt, muß eine amtliche Ernennungsurkunde in Händen haben. Keine private Vereinigung, sie mag noch so viel Ansehen besitzen oder noch so sehr Einfluß haben, ist in der Lage, jemanden endgültig zu bestimmen, der über öffentliche Mittel mitverfügt. Nach unserem Vorschlag müssen daher diese von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen vorzuschlagenden Personen vom Bundesarbeitsminister berufen werden. Wir glauben, daß das die einzig mögliche technische Form ist. Das gleiche müßte meines Erachtens auch gelten, wenn man etwa unter Ziffer 5 noch die Vertreter von kommunalen Körperschaften hineinnehmen will. Auch die müßten nur vorgeschlagen, berufen werden dagegen in ihr verantwortungsvolles Amt durch den Bundesarbeitsminister.
Ich bitte, dieser Vorlage zuzustimmen, und möchte dazu folgendes sagen. Die Tatsache, daß die längst in Aussicht gestellten, bei Schleswig-Holstein sogar teilweise schon im Vorgriff verteilten Mittel nicht in größerem Umfang zum Zuge kommen, ist wesentlich durch den Umstand verursacht, daß die Bundesanstalt noch nicht geschaffen ist. Wir bitten diesen Ersatzausschuß, so rasch wie möglich zu arbeiten, da sich die notleidenden Länder auch von dieser Möglichkeit, Mittel zur Arbeitsbeschaffung einzusetzen, eine, wenn auch nicht vollständige, so doch fühlbare Abhilfe ihrer Notlage versprechen.
Das Wort hat zunächst der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und. Herren! Ich habe nur zwei kurze Bemerkungen zu machen. Es ist eine Entschließung beantragt worden, nach der das Bundesarbeitsministerium alle zwei Monate über den Stand der Arbeiten berichten soll. Das ist für uns selbstverständlich. Wir haben dagegen keine Bedenken. Ich möchte Sie aber aus rein technischen und geschäftsmäßigen Gründen darum bitten, diesen Antrag dahin zu beschränken, daß die Berichterstattung über diese Aufgabe nur während der Laufdauer erfolgen soll. Denn diese Sache läuft ja nur noch für ein Vierteljahr, und es hat keinen Zweck, diese Berichterstattung auf ewig hinaus zu erstrecken.
Zweitens ist der Antrag gestellt worden, daß Vertreter der kommunalen Spitzenverbände zugezogen werden sollen. Ich darf darauf aufmerksam machen: wenn Sie das Kräfteverhältnis, das an sich für das Gesetz über die Bundesanstalt vorgesehen ist, aufrechterhalten wollen, dann müssen Sie, wenn Sie zwei Vertreter der kommunalen Spitzenverbände zuziehen, auch zwei weitere Vertreter der Arbeitgeber und zwei weitere Vertreter der Arbeitnehmer zuziehen. Ob es allerdings lohnt, einen Ausschuß von dieser Größe mit den Aufgaben zu betrauen, möchte ich bezweifeln.
Sie wissen, daß wir im Interesse der guten Sache mit außerordentlicher Schnelligkeit gearbeitet haben und daß wir von den uns bisher im Vorgriff gegebenen Mitteln den weitaus größten Teil bereits verteilt haben. Wir sehen ja auch schon die wohltätigen Wirkungen. Ich darf nur darauf verweisen, daß selbst im Oktober die Zahl der Arbeitslosen noch um 21 000 gesunken ist.
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei — Umdruck Nr. 358 — hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 9 des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Fassung des Mündlichen Berichts des 20. Ausschusses — Drucksache Nr. 2385 — sollen sich die Organe der Bundesanstalt aus Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Körperschaften zusammensetzen. Die Bestimmung des § 9 ist weder von dem Mündlichen Bericht des Vermittlungsausschusses noch von dem Bundestag in seiner Sitzung am 17. Oktober angegriffen worden. Da die Zuteilungen der von der Bundesanstalt bereitzustellenden Mittel bei einer unbehinderten Verabschiedung des Gesetzentwurfs über die Bundesanstalt von den dergestalt zusammengesetzten Organen der Anstalt vorzunehmen gewesen wären, besteht keine Veranlassung, die klassischen Repräsentanten der öffentlichen Körperschaften, die Gemeinden also, mit deren Aufgabenbereich ständig und unmittelbar die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Notstandsarbeiten zusammenhängen, in dem vorgesehenen Zuteilungsausschuß nach § 1 Abs. 3 des Entwurfs in der Fassung des Mündlichen Berichts des 20. Ausschusses — Drucksache Nr. 2749 — nicht zu berücksichtigen. Ob sich dann infolge dieser Berücksichtigung noch Weiterungen oder Veränderungen bezüglich der zahlenmäßigen Stärke anderer Repräsentationen innerhalb des Zuteilungsausschusses als notwendig erweisen, lasse ich hier dahingestellt. Jedenfalls erscheint es mir notwendig, zu sichern, daß so wesentliche Faktoren der Notstands- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie die Gemeinden in dem Zu-
teilungsausschuß nicht fehlen. Wir bitten daher das Hohe Haus, unserem Antrag auf Umdruck Nr. 358 zustimmen zu wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß die Bedeutung des Verteilungssauschusses hier etwas übertrieben wird. Der Ausschuß kam zu dem Vorschlag in der Erkenntnis, daß die wesentlichen Mittel von 80 Millionen DM aus der Vorlage des Finanzministers bereits auf die Länder verteilt worden sind. An der Verteilung hat ein Ausschuß mitgewirkt, der so zusammengesetzt war, wie es jetzt der Ausschuß für Arbeit vorschlägt. Der Ausschuß hatte keineswegs die Absicht, die Gemeinden zu übersehen. Wir glaubten nur, weil es sich ja hier um einen vorläufigen Ausschuß handelt und die Verteilung des wesentlichen Betrages doch sehr wahrscheinlich von den Organen der Bundesanstalt vorgenommen wird, es bei der Zusammensetzung belassen zu können, wie sie bisher war.
Wenn allerdings den Wünschen Rechnung getragen werden soll, die von verschiedenen Fraktionen geäußert wurden, dann wird man an einer allgemeinen Ausweitung nicht vorbeikommen. Der Antrag der SPD besagt praktisch, daß an die Stelle der Ländervertreter die Vertreter der kommunalen Spitzenorganisationen treten sollen.
— Nein? Gut, dann habe ich das mißverstanden. — Wenn sie zusätzlich hinzutreten sollen, so würde das bedeuten, daß dieser öffentliche Sektor mit sechs Personen vertreten ist. Das entspricht auch dem Antrag der Bayernpartei. Dann wäre es notwendig — obschon die Sache nicht so wichtig ist —, die Arbeitnehmer mit sechs Personen, die Arbeitgeber mit sechs Personen und die öffentlichen Körperschaften ebenfalls mit sechs Personen an diesem Ausschuß zu beteiligen, wovon dann zwei auf die Bundesregierung, zwei auf die Länder und zwei auf die kommunalen Spitzenorganisationen entfallen. Wir haben keine größeren Bedenken dagegen, daß eine solche Ausweitung erfolgt; aber wir sollten die Bedeutung des Ausschusses nicht übersteigern.
— Ja, er wird jetzt groß, er besteht aus 18 Personen, aber ich sehe keine andere Möglichkeit, den Wünschen Rechnung zu tragen. Und ich möchte nicht, daß der Grundsatz der Dreigleisigkeit, den wir nun einmal in dem Gesetz über die Errichtung der Bundesanstalt festgelegt haben, verlassen wird. Er würde ja verlassen werden, wir würden ja den einen Teil eben über dieses Drittel an diesem Gremium beteiligen. Deswegen wäre dann diese Ausweitung notwendig.
Zu den Vorschlägen des Kollegen Odenthal bezüglich der Berichterstattung darf ich darauf hinweisen, daß bereits der vierteljährliche Bericht verlangt worden ist. Wir haben keine Bedenken, wenn dieser Bericht nun in kürzeren Abständen, jeweils nach zwei Monaten, erstattet werden soll. Das kann ohne weiteres akzeptiert werden.
Vom Kollegen Odenthal ist noch beantragt worden, in Abs. 4 statt von „Sozialpartnern" nun von den „Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber" zu sprechen. Das ist j a auch von uns beantragt worden und hier schon aus dem Grunde zweckmäßig, weil an anderer Stelle ebenfalls von „Arbeitnehmern und Arbeitgebern" die Rede ist und weil das Wort „Sozialpartner" in der Gesetzgebung bisher praktisch noch nicht verwandt wurde. Wir stimmen dem also zu.
Wir stimmen ferner dem Vorschlag zu, daß die Bestellung von den Gewerkschaften und den Organisationen der Arbeitgeber erfolgen soll, also nicht, wie es ursprünglich hieß, „von den Spitzenorganisationen". Hier handelt es sich um eine Anpassung, die wir inzwischen auch in anderen Gesetzen gefunden haben.
Nun zu dem Antrag der Deutschen Partei. Da bin ich der Auffassung — und meine Auffassung deckt sich mit der des Ausschusses —, daß es nicht unbedingt notwendig ist, über den Vorsitz in diesem Ausschuß im Gesetz etwas zu sagen. Es war bisher üblich, daß der Arbeitsminister bzw. sein Vertreter den Vorsitz in diesem Verteilungsausschuß hatte. Es ist nicht beabsichtigt, daran etwas zu ändern; es ist also meines Erachtens nicht notwendig, diese Korrektur durchzuführen.
Der zweite Änderungsantrag der Deutschen Partei, der den Abs. 4 des § 1 betrifft, entspricht praktisch dem Antrag, der von der SPD gestellt wurde.
Herr Abgeordneter Odenthal, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können der Auffassung des Herrn Vertreters der Regierung nicht folgen, wenn er glaubt, nachweisen zu müssen, daß sich mit der Hereinnahme der Vertreter der öffentlichen Körperschaften auch zwangsläufig die Zahl der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter erhöhen müsse. Ich sehe darin keine Logik. Aber wir haben keine Bedenken, diesem Vorschlag zu folgen, und sind durchaus einverstanden, wenn nun von jeder Seite sechs Vertreter hereinkommen sollen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich komme also zunächst zur Abstimmung über den in Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 357 gestellten Antrag der Abgeordneten Sabel und Genossen auf Änderung des Satzes 1 des Abs. 1 des § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit des Hauses; dieser Änderungsantrag ist angenommen. Ich lasse über diesen Paragraphen nachher insgesamt abstimmen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des Zentrums zu Abs. 2, Umdruck Nr. 356. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ein Teil der Anträge unterscheidet sich nur durch die Formulierung. Es ist etwas schwierig, festzustellen, welcher Antrag der weitestgehende ist. Zweifellos ist am wenigsten weitgehend der Antrag der Deutschen Partei, der keine unmittelbare Benennung, sondern lediglich einen Vorschlag zum Inhalt hat. Darf ich vorschlagen, daß wir nach der Reihenfolge der Anträge verfahren.
Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 354 zu a) abstimmen, hinter dem Wort „Bundesregierung" die Worte „zwei Vertretern der kommunalen Spitzenorganisationen"
einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich darf annehmen, daß damit der Antrag der Fraktion der Bayernpartei erledigt ist. Auch der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck Nr. 359 ist damit erledigt,
soweit er sich auf Abs. 4 bezieht.
— Ja, das ist richtig: der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei zu Abs. 3. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen
— ergänzt um das eben Beschlossene —, eine Hand zu erheben. — Das scheint mir keine Mehrheit des Hauses zu sein. Dann ist der Antrag der Deutschen Partei zu Abs. 3 abgelehnt.
Weitere Anträge zu Abs. 3 liegen nicht vor.
Ich komme zu Abs. 4. Hier liegen der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 354 unter b), der Antrag der Fraktion des Abgeordneten Sabel Umdruck Nr. 357 unter Ziffer 2
und der Antrag der Deutschen Partei vor. Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 357 unter b). Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.
Wie ist es mit Ihrem Antrag, Herr Abgeordneter Sabel?
— Damit ist der Antrag des Herrn Abgeordneten Sabel erledigt. Der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei ist damit ebenfalls sachlich erledigt.
— Also, Herr Abgeordneter Ewers, Sie sind der Meinung: er ist nicht erledigt.
— Herr Abgeordneter Ewers, da der Antrag der Fraktion der SPD, der den Weg der Benennung festlegt, angenommen ist, scheint mir Ihr Antrag, der lediglich den Weg eines Vorschlags vorsieht, erledigt zu sein.
— Meine Damen und Herren, ich vermag nicht mehr zu sehen, welche Möglichkeiten für eine Abänderung durch den Antrag der Deutschen Partei noch bestehen.
— Herr Abgeordneter Preller, Sie auch nicht?
Sie wollen zur Abstimmung sprechen?
Sind wir uns einig, Herr Abgeordneter Ewers?
— Herr Abgeordneter Ewers, ich muß schon der Meinung sein, daß ein Antrag, der eine endgültige Benennung zum Ziele hat, weitergeht als ein Antrag, der ein Vorschlagsrecht verlangt.
— Ich habe bereits über den Antrag der Fraktion der SPD abstimmen lassen. Nach meiner Auffassung ist der Antrag der Deutschen Partei sachlich hiermit erledigt. Deckt sich meine Auffassung mit der der Mehrheit des Hauses?
— Das ist der Fall.
Herr Abgeordneter Preller zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns sehr, daß § 1 Abs. 4 in der von uns beantragten Fassung angenommen worden ist. Ich darf aber der Ordnung halber darauf aufmerksam machen, daß darin der Satz enthalten war, daß die Benennung von Vertretern der Gemeinden durch deren Spitzenorganisationen erfolgt. Mir ist das bei der Abstimmung selber entgangen. Da die vorhergehende Abstimmung über den Abs. 3 darunter gelitten hat, daß wir nicht formgerecht beantragt hatten, für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber je sechs Vertreter zu benennen, möchte ich nun darum bitten, über die Abs. 3 und 4 noch einmal abzustimmen, wenn das zulässig ist.
— Oder wir müssen das in der dritten Lesung in Ordnung bringen. Wir können jedenfalls den Abs. 4 unmöglich so lassen, wie er augenblicklich ist, weil er die Gemeindevertreter mit umfaßt.
Mir ist das, wie gesagt, bei der Abstimmung selber entgangen. Wir können uns vielleicht dahin einigen, daß wir die Sache dann in der dritten Beratung in Ordnung bringen.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß ich keine Möglichkeit hatte, darüber abstimmen zu lassen, die Zahl der Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer von vier auf sechs zu erhöhen, weil ein dahingehender Antrag nicht gestellt war, sondern die Frage nur in der Debatte erörtert worden ist.
Ich stelle anheim, entsprechende Anträge in der dritten Beratung zu stellen.
Wir sind nun mit der Abstimmung über die Abänderungsanträge zu § 1 offenbar fertig. Ich komme
zur Abstimmung über § 1 in seiner Gesamtheit. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 unter Berücksichtigung der angenommenen Abänderungsanträge zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die ganz überwiegende Mehrheit des Hauses.
Ich rufe § 2 auf. Dazu liegt der Abänderungsantrag des Abgeordneten Sabel auf Umdruck Nr. 357 unter Ziffer 3 vor.
Herr Abgeordneter Sabel, bitte, zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderung des § 2 ergibt sich aus der Ablehnung des Gesetzes über die Errichtung der Bundesanstalt. Es wird notwendig, hier eine Anpassung vorzunehmen. In dem Antrag wird folgende Formulierung verlangt:
Die Bundesanstalt ist verpflichtet, die vom Bundesminister für Arbeit aus diesem Kassenkredit in Anspruch genommenen Beträge an den Bundesminister der Finanzen spätestens drei Monate nach Errichtung der Bundesanstalt abzuführen.
Ursprünglich war der 31. März 1952 genannt worden. Da bis jetzt noch keine Klarheit darüber besteht, wann die Bundesanstalt funktionsfähig sein wird, und weil man den Organen auch eine bestimmte Zeit zur Abdeckung der eingegangenen Verpflichtungen lassen muß, erscheint diese Änderung notwendig. Ich bitte, dementsprechend zu beschließen.
Wünscht jemand, das Wort dazu zu nehmen? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Sabel auf Umdruck Nr. 357 unter Ziffer 3. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über § 2. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen ? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist § 2 in dieser Form angenommen.
Zu § 2a und § 3 liegen Wortmeldungen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über § 2a, § 3 und gleichzeitig über Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die ganz überwiegende Mehrheit.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Zur allgemeinen Aussprache in der dritten Beratung wünscht das Wort der Herr Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion ist nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung zu geben.
Es handelt sich nach unserer Auffassung bei den Geldern, über die Sie hier verfügen, um Gelder der Arbeitslosenversicherung.
— Wenn Sie es wissen, ist es um so unverständlicher, daß Sie dabei mitmachen, diese Gelder für Zwecke zu verwenden, die dein Versicherungszweck wesensfremd sind. Wenn wir in den zurückliegenden Monaten Anträge in der Richtung der Erhöhung der augenblicklichen Leistungen der Arbeitslosenfürsorge und -versicherung gestellt haben, wurden diese Anträge immer mit der Begründung abgelehnt, es fehlten die Mittel.
— Sicher, Arbeit ist besser. Aber dann holen Sie die Gelder aus den Mitteln der Bundesregierung und nicht aus den Geldern, deren Zweck es ist, Arbeitslose zu unterstützen!
In dem Gesetzentwurf, wie er vermutlich angenommen werden wird, sind noch einige andere Dinge enthalten, auf die hinzuweisen wir uns verpflichtet fühlen. In der Aussprache ist zum Ausdruck gekommen, daß über den Einsatz dieser Gelder keineswegs Klarheit besteht. Einer der Herren hat gemeint, man müsse auch Arbeiten finanzieren, die Dauercharakter hätten.
Es wurde gesagt, man müsse auch Arbeiten privater Art finanzieren, die nicht diesen vorübergehenden Charakter trügen. Wir vermissen, daß Sie sich nicht einmal zu der Festlegung aufschwingen, daß diese Mittel bestenfalls nur zur Finanzierung öffentlicher Arbeiten gegeben werden dürfen.
Wir sind auch der Auffassung, daß der eigentliche Zweck, von dem Sie hier reden, schon deshalb nicht erfüllt werden kann, weil gerade die finanzschwächsten Länder und Gemeinden, denen angeblich die Leistungen zugute kommen sollen, nicht in der Lage sind, die Beträge aus eigenem aufzubringen, die notwendig sind, um überhaupt in den Genuß dieses Bundeszuschusses zu gelangen.
Wir lehnen auch die Zusammensetzung des Verteilungsausschusses ab, schon aus dem einfachen Grunde, weil diese Verteilung eine Bejahung des Prinzips der Dreiseitigkeit darstellt.
Außerdem sind wir der Meinung, der schlimmste Mangel in diesem Gesetz besteht darin, daß in ihm keine ausdrückliche Verpflichtung dahingehend enthalten ist, diese Gelder nicht auch noch zur Förderung der Kriegsproduktion zu verwenden.
Nun noch eine. letzte Bemerkung! Wir vermissen in diesem Gesetz auch die Kautele, daß, wenn schon solche Arbeiten gemacht und aus diesen Geldern finanziert werden sollen, die Arbeiten nur gegen Zahlung des Tariflohns geleistet werden dürfen, daß also durch diese Arbeitsaufnahme ein ordentliches Arbeits- und Versicherungsverhältnis gegeben ist.
Aus diesen Gründen sind wir nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung zu geben. Wir sind — wie ich noch einmal wiederhole — der Auffassung, daß die Mittel der Arbeitslosenversicherung zur Verbesserung der derzeitigen elenden Hungerleistungen verwendet werden sollten.
Deutscher Bundestag — 1'74. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. November 1951 7145
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Odenthal.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Arbeitslosigkeit hat im Bundesgebiet trotz aller optimistischen Prognosen einen solchen Umfang behalten, und die Schwerpunkte der Arbeitslosigkeit haben immerhin eine so geringe Entlastung erfahren, daß wir, wie schon wiederholt, auch heute Maßnahmen der Arbeitsfinanzierung fordern müssen. Wir werden trotz mancher Bedenken der Vorlage zustimmen, wollen aber mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß mit solchen Notstandsmaßnahmen eine wirkliche Behebung der Arbeitsnot nicht zu erreichen ist. Eine Sozialpolitik, die sich nur auf die Linderung sozialer Notstände richtet und die nicht das Übel an der Wurzel anfaßt, wird leider einen Dauererfolg niemals zeitigen. Massenarbeitslosigkeit kann durch Notstandsarbeiten nicht behoben werden, schon weil in der Form von Notstandsarbeiten nur zu oft solche Maßnahmen mit erheblichen öffentlichen Mitteln gefördert werden, die im Verhältnis zu anderen volkswirtschaftlich wertvolleren und wichtigeren Arbeiten sehr oft zurückstehen müssen und deshalb manchmal nicht zu vertreten sind. Denn ganz gleich, aus welchem Topf die Mittel genommen werden, sie werden so oder so aus dem Volkseinkommen genommen.
Ob die Bundesanstalt kommt, ist noch nicht ganz sicher. Ob sie noch in diesem Haushaltsjahr kommt, ist sicher sehr ungewiß. Wir wollen nicht nein sagen. Wir müssen uns aber fragen, was diese Maßnahmen kosten und wie der Aufwand für Lohn und für Material im Verhältnis zu dem zu erwartenden volkswirtschaftlichen Nutzen steht. Soweit es sich nicht um reine lohnintensive Maßnahmen handelt, also nicht um Förderungen in der Landwirtschaft und in der Forstwirtschaft, werden die Kosten des Tagewerks im Durchschnitt mit mindestens 40 DM für Lohn und Material anzusetzen sein. Sie werden im Höchstsatz mit 25 DM aus Grundförderung und verstärkter Förderung gedeckt werden. Der Betrag reicht jedoch immer dann nicht aus, wenn zu diesen Arbeiten Berufsfremde, also Angestellte, Textilarbeiter, Metallarbeiter und andere, herangezogen werden müssen, also Arbeiter, die die Normalleistung eines Bauarbeiters nicht erfüllen können, weil sie eben mit diesen Arbeiten nicht vertraut sind und weil sie praktisch diese Arbeiten nicht leisten können. Wenn aber zu diesen schweren Arbeiten Nichtbauarbeiter herangezogen werden, dann erhöhen sich die Kosten zwar nicht des Tagewerks, aber die Kosten der Maßnahme insgesamt in manchmal unvertretbarem Ausmaß. Hinzu kommt in sehr vielen Fällen, daß die Arbeiter zum Arbeitsort und zur Wohnung zurück transportiert werden müssen.
Herr Abgeordneter Odenthal, ich darf Ihnen vorschlagen, einen Augenblick zu unterbrechen. — Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Besprechung einen Augenblick. Herr Abgeordneter Odenthal ist so liebenswürdig, seine Ausführungen nachher fortzusetzen. Unsere amerikanischen Gäste betreten in diesem Augenblick den Saal.
Meine sehr verehrten Herren! Es ist sicher ein erstmaliger Vorgang in der deutschen Parlamentsgeschichte, daß eine offizielle Delegation beider Häuser des amerikanischen Kongresses im deutschen Parlament willkommen geheißen wird. Nachdem zahlreiche Mitglieder des Deutschen Bundestages ' auf die freundlichen Einladungen Ihres Staates hin die parlamentarischen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Ihres Landes kennengelernt haben, war es uns eine besondere Freude, daß Sie unsere Einladung zu einem Besuche des Bundestages und Deutschlands ohne Zögern angenommen haben. Ich betrachte es als ein besonders günstiges Vorzeichen Ihres Besuches, daß der verehrte Senior Ihrer Delegation, Herr Senator Green, vor genau 60 Jahren hier in Bonn studiert hat.
Er kann daher wie wenige unter uns den ungeheuren Wandel der Dinge auch in der politischen Situation seit jener Zeit überschauen.
Wir haben in diesen 60 Jahren Ereignisse erlebt, deren Auswirkungen sich wahrscheinlich auf einen viel längeren Zeitraum erstrecken werden. Zweimal haben sich in diesen 60 Jahren unsere Länder ill Kriegen gegenübergestanden. Wir wissen, was das bis heute an inneren und äußeren Belastungen mit sich gebracht hat. Ich freue mich daher, das Wort aufnehmen zu können, das Ihr Sprecher beim Begrüßungsabend in diesem Hause am Sonntag ge- sagt hat, daß es uns geboten sei, nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft zu schauen.
Lassen Sie mich aber dennoch einen Blick in die Vergangenheit tun. Im Laufe langer Zeiträume sind Millionen deutscher Menschen in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert. Sie sind bei aller Liebe zu ihrem Volkstum, das sie auch heute noch pflegen, zusammen mit Menschen vieler anderer Völker zu vollberechtigten und vollverantwortlichen Gliedern Ihres Volkes und Staates geworden. Sie haben damit ein Beispiel gegeben, das uns allen wichtig sein sollte: daß sich Menschen verschiedener Völker und diese Völker selbst im gemeinsamen Interesse größeren Gemeinschaften einfügen können und sollen. Das deutsche Volk hat nicht nur in seinem Grundgesetz zum Ausdruck gebracht, daß es dazu bereit ist, sondern es versucht in mannigfacher Weise, dazu beizutragen, daß es als gleichberechtigtes Glied in eine größere Gemeinschaft der europäischen Völker und in darüber hinausgehende Vereinigungen von Völkern hineinwächst.
Ich glaube allerdings, daß der Beginn solcher größeren Gemeinschaften zunächst in der unmittelbaren Begegnung von Mensch zu Mensch liegt. Lassen Sie mich darum auch Ihnen gegenüber aussprechen, daß wir die unermeßliche Hilfeleistung, die unser Volk in den Zeiten seiner größten Not, bereits unmittelbar nach dem Ende des Krieges von zahllosen Organisationen und Einzelpersonen Ihres Volkes erfahren hat, unauslöschlich in der Erinnerung bewahren.
Kirchliche und andere karitative Organisationen und viele einzelne Amerikaner haben hier in einer beispiellosen Offensive der Hilfsbereitschaft die Mauern politischer Scheidewände durchstoßen. Sie haben damit nicht nur einen unerhörten Beitrag zur persönlichen Fühlungnahme zwischen unseren Völkern geleistet, sondern auch politische Handlungen unterstützt, die dann gefolgt sind.
Ich habe Sie bei unserer ersten Begegnung gebeten, bei Ihrem Besuch nicht nur die Fassaden des deutschen Lebens zu sehen, sondern auch all die Schwierigkeiten und die Not, die trotz aller Erfolge unserer Aufbauarbeit seit 1945 und insbesondere seit 1949 noch vorhanden sind und die
angesichts des Ausmaßes unseres Zusammenbruchs einfach noch nicht überwunden werden konnten. Das bezieht sich insbesondere auf die Frage der in unseren Staat gekommenen fast 9 Millionen Vertriebenen aus dem Osten. Wir haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß die Frage ihrer Unterbringung und insbesondere ihrer wirtschaftlichen Eingliederung in ihre gegenwärtigen Aufenthaltsländer aus unseren eigenen Kräften nicht völlig gelöst werden kann, sondern einer internationalen Unterstützung bedarf. Wir sagen das nicht nur im Interesse des deutschen Volkes, sondern im Interesse des Friedens und der Ordnung in der Welt, die durch das Vorhandensein von Millionen von Vertriebenen, die nicht in das wirtschaftliche Leben ihrer Völker eingegliedert sind, unerträglich belastet werden.
Ihre Regierung und Ihr Parlament haben in den vergangenen Jahren Maßnahmen zur Hilfe für die unter den Folgen des Krieges leidenden Nationen und dabei nicht zuletzt für unser Volk getroffen, die zweifellos in ihrer Zielsetzung und in ihrer Anlage epochemachend sind, weil sie einen völligen Wandel in den sonst üblichen Verhältnissen zwischen Siegern und Besiegten bedeuten. Diese Hilfsmaßnahmen haben den seit 1945 geschehenen Ereignissen erst ihr volles Gewicht und ihre Bedeutung für die Zukunft gegeben. Wir haben ihre Maßnahmen so verstanden, daß Ihr Ziel nicht nur darin besteht, die wirtschaftliche und politische Ordnung in den durch die Folgen des Krieges zerstörten Ländern wiederherzustellen, sondern ebenso stark auch darin, die politische Gleichberechtigung herbeizuführen. Sie wissen, daß es die Politik dieses Hauses und unserer Regierung ist, dazu zu helfen, daß wir mit allen Völkern, die dazu bereit sind, in Frieden und Freiheit zusammenleben können. Dazu ist unseres Erachtens die Herstellung der deutschen Souveränität eine unabdingbare Voraussetzung. Wir sind dessen gewiß, daß Ihr Volk, wie kaum ein anderes, Verständnis dafür hat, daß wirklich dauernde und für die Zukunft verbindliche politische Entscheidungen nur von freien Völkern aus freier Entschließung gefaßt werden können.
Wir danken Ihnen für Ihren Besuch, weil wir in ihm das starke Interesse Ihres Staates und seines Parlaments für die Probleme in Deutschland erkennen und weil wir hoffen, daß dieser Besuch nicht nur das Verhältnis unserer Völker untereinander verbessert, sondern daß er zum Frieden und zur Wohlfahrt aller Völker dieser Erde beiträgt. In diesem Sinne heiße ich Sie im Deutschen Bundestag herzlich willkommen und hoffe, daß Sie hier und überall im deutschen Volk den Eindruck haben, daß wir mit Ihren Vorstellungen von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit übereinstimmen und deshalb bereit sind, in der Zukunft gemeinsame Wege zu gehen.
Darf ich Herrn Senator Green bitten, das Wort zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, möchte ich zunächst zum
Ausdruck bringen, daß wir mit großem Bedauern von dem tödlichen Unglücksfall gehört haben, der einem Ihrer Mitglieder, dem Abgeordneten Brunner, gestern zugestoßen ist. Ich darf diese Gelegenheit benutzen, Ihnen und den Angehörigen meine tiefe Anteilnahme an diesem Unfall zum Ausdruck zu bringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mitglieder des gemeinsamen Ausschusses des Kongresses der Vereinigten Staaten, die in den letzten Tagen Ihre Gastfreundschaft genossen haben und für die ich die Ehre habe, hier zu sprechen, sind Ihnen zu tiefem Dank verpflichtet für diese wunderbare Gelegenheit, die Sie uns geboten haben, Sie besser kennenzulernen.
Die Einladung, die Sie, der Deutsche Bundestag, an uns ergehen ließen, an die Abgeordneten des amerikanischen Kongresses, und die Annahme dieser Einladung durch uns ist in der Tat ein einmaliges Ereignis. Ich habe an verschiedenen Tagungen interparlamentarischer Gruppen teilgenommen, aber niemals zuvor habe ich einen so herzlichen Empfang und eine so freundliche Aufnahme erlebt, wie sie uns in der vergangenen Woche zuteil gegeworden ist, und niemals zuvor habe ich so befriedigende und erfolgreiche internationale Besprechungen erlebt wie die, an denen teilzunehmen wir Gelegenheit hatten.
Ich darf meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß diese Zusammenkunft nicht die letzte gewesen sein wird.
Alles, was wir hier in Bonn getan haben, alles, was wir bei Ihnen gesehen haben, die Damen und Herren, die wir hier kennengelernt haben, die Gefühle, die wir empfunden und die wir bei Ihnen festgestellt haben, all das wird sehr viel dazu beitragen, uns zum Nutzen und zum Vorteil unserer beiden Völker näher zusammenzubringen.
Meiner Meinung nach gibt es nur wenige Handlungen einzelner Nationen, die nicht auch in ihrem eigenen Interesse getan werden. Es gibt deswegen auch Menschen in dieser Welt, die behaupten, die wirtschaftliche Unterstützung, die die Vereinigten Staaten ganz Europa angeboten haben und zuteil werden ließen, sei in Wirklichkeit nur von dem Wunsche getragen gewesen, den Vereinigten Staaten selbst zu helfen. Das ist nicht der Fall. Wir versuchten, Europa zu helfen, weil wir die Freiheit genau so wollten, wie Sie sie wollen. Wir wußten, daß die Freiheit nicht auf dem Boden der Not und des Elends gedeihen kann, und — vielleicht war das egoistisch — wir wußten auch, daß, wenn die Freiheit in Europa nicht länger bestünde, sie dann auch in allen anderen Teilen der Welt bedroht wäre.
Insofern könnte man dies vielleicht egoistisch
nennen — wenn man den Wunsch, die Freiheit zu
schützen, als ein egoistisches Motiv bezeichnen will.
Ich habe den Eindruck, daß die Einladung, die Sie an uns ergehen ließen, von gutem Willen getragen war. Ich weiß aber bestimmt, daß unsere Annahme dieser Einladung von diesem guten Willen ausging.
Mr. Theodore Francis Green)
Europa sieht sich heute einer Lage gegenüber, die der ähnlich ist, welche die Vereinigten Staaten zu bestehen hatten, als unsere Republik gegründet wurde. Am 4. Mai 1776 erklärte mein eigener Staat — das war Rhode Island, zu jener Zeit die kleinste der 13 Kolonien — seine Unabhängigkeit von Großbritannien und entledigte sich des Einflusses, der von außen ausgeübt worden war. Zwei Monate später, am 4. Juli 1776, wurde unsere Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, und zwar von den vereinigten Kolonien. In den Jahren, die folgten, gingen auch die amerikanischen Kolonien durch die Grauen und Schrecken eines Krieges. Wie wir heute wissen, war es nur ein kleiner Krieg. Aber auch zu jener Zeit wurden die Städte geplündert, Menschen fanden den Tod, Frauen und Kinder litten genau so wie heute.
Nachdem wir einmal die Unabhängigkeit erlangt hatten, kam eine Zeit, in der die 13 Kolonien versuchten, ihren eigenen unabhängigen Weg zu gehen. Jede Kolonie versuchte, ihre unumschränkte Souveränität aufrechtzuerhalten. Für eine gewisse Zeit waren unsere Vorfahren sogar der Ansicht, machten den fast tödlichen Fehler, zu glauben, daß wichtiger für einen Staat das Bestreben sei, seine Souveränität uneingeschränkt zu erhalten, als die Aufgabe, für die Verteidigung dieses Staates selbst vorbereitet zu sein.
In Artikel II der Articles of Confederation, die die Grundlage der Einigung der Vereinigten Staaten bildeten, heißt es: „Jeder Staat behält seine Souveränität, seine Freiheit und seine Unabhängigkeit." Ich möchte hier darauf hinweisen, daß die Bevölkerung meines Landes, als sie die Union gründete, vielleicht im Anfang etwas im unklaren und etwas besorgt war über die Vorstellung und die Bedeutung des Begriffs der Souveränität. Sie schrieb das Wort „Souveränität" in ihre Verfassung. Gleichzeitig aber gaben in diesem Dokument die einzelnen Staaten jeweils einen Teil ihrer Souveränität auf.
Dasselbe gilt auch heute. Wenn in einem Vertrage oder in einem Abkommen ein Staat bereit ist, etwas zu tun oder etwas zu unterlassen, dann bedeutet das, vom Tatsächlichen her gesehen, eine Beeinträchtigung, eine Einschränkung seiner Souveränität. Wenn ein Staat einen Vertrag unterzeichnet, beschränkt er auf diese Weise seine Souveränität. Wir müssen uns aber. vor Augen halten, daß in einer Welt wie der unsrigen die Souveränität niemals vollständig sein kann. Ich wage mir nicht auszumalen, was geschehen wäre, wenn wir diesen Begriff „Souveränität" zwischen uns und die Ausnutzung und Entwicklung der Möglichkeiten unseres Volkes in unserem großen Lande hätten treten lassen. Eine Vorstellung dieser Art — das können wir unter gar keinen Umständen dulden — darf zwischen den Völkern Europas und der Erfüllung ihres Schicksals nicht stehen.
Einer unserer großen Politiker, James Madison, sagte bei den Verhandlungen über die Ausarbeitung der Verfassung folgendes — ich zitiere es hier wörtlich „Die Bestimmungen über die Verteidigung müssen in diesem Falle wie in allen anderen Fällen dem Grad der Gefahr eines Angriffs angepaßt werden".
Man sollte sich deswegen in der Welt von heute umsehen und die Lage, wie sie ist, wirklich erkennen. Dann wird man zu der Einsicht gelangen, daß das Fortbestehen unserer großartigen Zivilisation, die wir im Laufe der Jahre geschaffen haben, die gestützt ist auf die Freiheit und die sich in Frieden entwickelt hat, gefährdet werden könnte, wenn wir nicht bereit wären, auch Opfer zu bringen. Wenn jeder von uns bereit ist, Opfer zu bringen für die Einheit, dann kann unsere Freiheit niemals bedroht werden; denn in der Einheit liegt unüberwindliche Stärke.
Meine Damen und Herren! Ich spreche in Ihrem Namen, wenn ich Herrn Senator Green unseren Dank und unsere Bewunderung für die Frische ausspreche, mit der er uns seine Ansichten vorgetragen hat.
Meine Herren! Ich darf Sie einladen, im Rahmen Ihrer Zeit noch an den Beratungen des Bundestages teilzunehmen, wenn wir jetzt in der Behandlung der Tagesordnung fortfahren.
Meine Damen und Herren, ich darf zuvor eine Berichtigung vornehmen. Die Mitteilung, daß auch die Ehefrau unseres heimgerufenen Kollegen Brunner verstorben sei, ist nach den letzten Nachrichten nicht zutreffend. Es wird mir mitgeteilt, daß Frau Brunner schwer verletzt sei, aber lebe, daß jedoch der Fahrer verstorben sei. Ich möchte das hier richtigstellen.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Beratung zu Punkt 1 unserer Tagesordnung fort:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzierung eines Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Nr. 2749 der Drucksachen).
Das Wort hat zur Fortsetzung seiner Ausführungen Herr Abgeordneter Odenthal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich fortfahren. Ich habe versucht, darzutun, daß leider allzu oft die Lohnkosten von Notstandsmaßnahmen wegen der Unfähigkeit der Nichtfacharbeiter, eine gewisse Normalleistung zu erfüllen, unverhältnismäßig hoch werden. Ich habe weiter gesagt, daß die Anmarschwege, die Transportierung der Arbeiter zu und von der Arbeitsstelle manchmal hohe Kosten bedingen und daß diese Nebenkosten sehr oft noch durch die Errichtung, Einrichtung und Unterhaltung von Unterkünften erhöht werden. Wenn aber dann das Ergebnis einer solchen Maßnahme vorliegt, zeigt sich mit der Ausgabe unvertretbar hoher Kosten manchmal eine Fehlleitung von Mitteln, und die gesamte Maßnahme war nach unserer Erfahrung in den letzten 30 Jahren leider oft glatt eine Fehlanlage.
So werden wir schließlich auch mit dem Betrag von 200 Millionen DM und den zusätzlichen Kosten in der gleichen Höhe zur Restfinanzierung
vielleicht etwa 90 000 Arbeitslose ein halbes Jahr oder 180 000 Arbeitslose ein Vierteljahr beschäftigen und für sie vorübergehende Arbeitsplätze schaffen. Die Endergebnisse sind dann wieder erneute Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und die Ausgabe unvertretbar hoher Mittel auf der anderen Seite. Trotzdem sagen wir nicht nein zu diesen Arbeiten, weil wir sie als notwendig erachten. Wir erwarten sowohl von der Bundesregierung als auch von den Verteilungsausschüssen, daß sie nach genauer Prüfung nur solche Maßnahmen fördern, die volkswirtschaftlich vertretbar sind und zu deren Durchführung der heranzuziehende Personenkreis am Arbeitsort oder im nahen Einzugsbereich mit zumutbaren Anmarschwegen vorhanden ist. Wir denken hierbei insbesondere an Projekte der Energieerzeugung und Energieverteilung, der Verkehrswege, der Enttrümmerung der Ortschaften und Stadtkerne in zerstörten Gemeinden, der Baureifmachung von Siedlungsgelände einschließlich des Baus von Straßen und Versorgungsanlagen. Wir denken auch an die Steigerung des Bodenertrages, wenn wir zustimmen, daß Maßnahmen der Melioration und Flurbereinigung durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren! Aus der Erfahrung der letzten 30 Jahre wissen wir, daß selten mehr als 7 % der arbeitslosen Arbeitnehmer zur Leistung von Notstandsarbeiten herangezogen werden konnten. Das wird auch heute nicht anders sein, und schon deshalb sind Notstandsarbeiten nicht der Weg zur Behebung der Massenarbeitslosigkeit.
Schließlich darf nicht vergessen werden, daß auch bei Gewährung der verstärkten Förderung — mit der Grundförderung bis zu 25 DM — die Finanzierung der Restkosten das Problem ist. Die Arbeitslosigkeit ist doch in der Regel dort am größten, wo sich die Zerstörungen des Krieges am stärksten ausgewirkt haben oder wo die Einschleusung von Flüchtlingen besondere Belastungen der Bezirke bewirkt. Dort ist nach derselben Regel auch die Wirtschaftskraft, die Steuerkraft der Gemeinden am schwächsten oder doch so geschwächt, daß ihnen die Restfinanzierung der Maßnahmen kaum möglich ist. Diejenigen Gemeinden jedoch, die feststellen könnten, daß ihnen die Steuer- und die Wirtschaftskraft erhalten geblieben oder einigermaßen erhalten geblieben sind, weisen auch die geringste Arbeitslosigkeit auf. Diese Gemeinden haben zwar die Möglichkeit, solche Maßnahmen zu finanzieren; aber sie stehen nicht unter dem Zwang, sie durchzuführen, weil die Arbeitslosigkeit sie eben nicht zu solchen Lösungen zwingt.
Hinzu kommt eine andere Überlegung. In den Bezirken, die noch nicht stark mit Flüchtlingen besetzt sind, die jedoch nach unserer Auffassung auch Flüchtlinge aufnehmen sollen oder müssen, müssen aber sehr oft erst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß sie Flüchtlinge aufnehmen können, indem also durch Schaffung von echten Dauerarbeitsplätzen eine wirtschaftliche Belebung eintritt, der Wohnungsbau sich belebt und anderes mehr.
Darum wünschen wir von der Bundesregierung, die Durchführungsvorschriften so zu fassen, daß Abs. 2 von § 1 Möglichkeiten der Auslegung in diesem Sinne zuläßt.
Meine Damen! Meine Herren! Wir behandeln heute wieder einmal ein Thema an den Symptomen. Wie wir vor Tagen über Kartoffelpreise debattierten, uns über Kohlenpreise unterhielten, so werden wir uns demnächst über Mietpreise unterhalten. Das wirkliche Übel sitzt aber an der Wurzel einer falsch gesehenen und deshalb schlecht gesteuerten Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik. Die dauernde Senkung der Reallöhne, die damit steigende Diskrepanz zwischen Lohn und Preis, der sinkende Anteil der Arbeitnehmer am Sozialprodukt schwächen in steigendem Maße die Massenkaufkraft und drosseln die Wirtschaftskraft der deutschen Volkswirtschaft. Der Sozialhaushalt, über den wir so oft reden, muß zwangsläufig in dem gleichen Maß ansteigen, wie die Arbeitskraft und die Arbeitsbereitschaft der arbeitslosen, aber arbeitsfähigen Arbeitnehmer unserer Wirtschaft nicht dienstbar gemacht werden. Es ist zwar erfreulich, daß die Exportquote steigt; aber wir dürfen doch nicht verkennen, daß unserem Export durch die Verlagerung in der Weltwirtschaft ganz bestimmte Grenzen gezogen sind. Der Export kann nicht ersetzen, was an Absatzmöglichkeiten und Produktionsmöglichkeiten durch die sinkende Konsumkraft verlorengeht.
Meine Damen und Herren! Ich darf den Herrn Präsidenten des Bundesrates auf den Sitzen der Abgeordneten begrüßen.
Darum sollte die Forderung nicht nur dahin gehen, mehr zu erzeugen und mehr zu exportieren, sondern auch dahin, das Volumen der Erzeugung im Binnenverkehr abzusetzen und zu verbrauchen. Darum sind wir der Meinung, daß neben dem Export die Hebung der Binnenkaufkraft durch Steigerung der Realeinkommen den Weg zum normalen Kreislauf von Geld und Ware, zur Behebung der Arbeitslosigkeit und zu einer möglichen Vollbeschäftigung weist.
So betrachtet dürften 200 Millionen DM mit den Restfinanzierungssummen in gleicher Höhe, wenn sie für Notstandsarbeiten ausgegeben werden, nur eine Notlösung darstellen. Mit den gleichen 200 Millionen DM und der gleichen Summe für die Restfinanzierung könnten bei richtiger Lenkung nicht nur 90 000 bis 180 000 Arbeitslose vorübergehend beschäftigt werden, sondern wir sind der Meinung, daß mit der gleichen Summe etwa 60 000 Dauerarbeitsplätze geschaffen werden könnten.
Das geht allerdings nur, wenn man die Durchschnittskosten eines Dauerarbeitsplatzes in einem Wertbetrag von etwa 6 000 DM sieht, von dem dann die Hälfte mit den Mitteln, die wir sonst à fonds perdu ausgeben, zinsverbilligt als Darlehen hergegeben werden könnte. Dabei sollten wir natürlich von den durch den Dauerbedarf gegebenen Möglichkeiten der Erweiterung vorhandener und der Schaffung neuer Kapazitäten ausgehen, nicht im Rahmen der einzelnen Länder, wie wir das so oft beobachten, sondern gesehen im Wirtschaftsraum der Bundesrepublik.
Meine Damen und meine Herren! Wenn überhaupt, dann dürfen die Beiträge der Versicherten und auch der Arbeitgeber nur der wirtschaftlichen Betätigung beider Kreise wieder zugeführt werden. Heute aber werden diese Beiträge und diese Summen weit über das Notwendige hinaus der Wirtschaft entzogen und dienen in der Gesamtsumme und in der Art ihrer Verwendung leider dazu, nicht die Wirtschaft zu fördern, sondern sie zu drosseln.
Wir ersuchen die Bundesregierung, dem Bundestag baldigst ein Arbeitsfinanzierungsprogramm vorzulegen, das einmal dem Unternehmer eine gesunde Initiative, dem Arbeiter auch die Freizügigkeit läßt und das zum andern für arbeitslose Flüchtlinge und Evakuierte Dauerarbeitsplätze und für die arbeitslose und stellenlose Jugend Lehrstellen schafft. Dazu aber gehört die Ordnung des Raumes, in dem wir leben, und eine Planung, die Wohn- und Arbeitsort in einer gesunden Synthese verbindet.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Odenthal zwingen doch zu einer Stellungnahme. Er hat zunächst betont, daß eine gewisse Stagnation in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen sei. Weiter hat er die Auffassung vertreten, das Gesetz sei nicht geeignet, eine wirksame Hilfe zu geben. Er hat auf die Gefahr von Fehlleitungen hingewiesen und schließlich auch betont, daß es mit der Finanzierung der Restkosten bei der Durchführung solcher Maßnahmen hapert. Ich halte es für notwendig, dazu einiges zu sagen.
Richtig ist, daß die Zahl der Arbeitslosen im Augenblick nur um einige 10 000 niedriger liegt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Aber richtig ist auch, daß seit dem Vorjahr, von Ende September 1950 bis Ende September 1951, insgesamt 589 000 neue Arbeitsplätze besetzt worden sind.
Nehmen Sie nun die über 20 000 noch im Oktober besetzten Arbeitsplätze dazu, dann sehen Sie, daß in einem Zeitraum von ungefähr einem Jahr mehr als 600 000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden; und das dürfen wir nicht vergessen.
— Ja, Herr Professor Preller, ich komme darauf.
Nun wird gesagt: Bei den Dauerarbeitslosen haben wir immer noch die gleiche Zahl. Wir sollten uns allen Ernstes einmal die Mühe machen, die Zahl der Arbeitslosen dahingehend zu überprüfen, welche Arbeitslosen wirklich noch vermittlungsfähig sind. Jeder Fachmann weiß, daß sich in dieser Arbeitslosenreserve eine große Anzahl Menschen befinden, die leider nicht vermittlungsfähig sind.
— Ja, Herr Marx, was das nun mit Niederbreisig
zu tun hat, kann ich im Augenblick nicht begreifen.
Von den im Augenblick gemeldeten Arbeitslosen ist ein großer Teil nicht voll einsatzfähig; er ist schwer zu vermitteln, ich möchte sagen nicht vermittlungsfähig. Ich bitte Sie, einmal mit Ihren Fachleuten darüber zu reden; die werden Ihnen das bestätigen. Ich darf Ihnen, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, wenige Zeilen aus dem Monatsbericht eines mittleren Arbeitsamtes vorlesen. Es handelt sich um den Bericht einer Vermittlungsstelle für gewerbliche Arbeiterinnen über den Monat Oktober 1951. Da heißt es:
Bei der Vermittlungsstelle für gewerbliche Arbeiterinnen waren Ende des Monats 438 Arbeitslose gemeldet. Von diesen sind 143 verheiratete Frauen, deren Männer mit geringen Ausnahmen beschäftigt sind. Etwa die Hälfte besteht aus älteren, kränklichen und häuslich gebundenen Frauen und zum Teil aus asozialen Personen, die bei der heutigen Arbeitsmarktlage nicht vermittelt werden können.
Es verbleiben also bei dieser Vermittlungsstelle nur rund 90 Arbeitslose, die als voll vermittlungsfähig gelten können und bei denen von einer wirklichen Belastung des Arbeitsmarktes gesprochen werden kann. Von 423 Gemeldeten dieser Dienststelle sind also nur 90 vermittlungsfähig! Das zeigt doch die Situation auf.
Ich gebe zu, hier handelt es sich um ein krasses Beispiel. Wir könnten aber ähnliche Beispiele in sehr großer Zahl anführen. Damit ist nichts über die Notsituation dieser Menschen gesagt, sondern es ist nur zum Ausdruck gebracht, daß tatsächlich bei einem großen Teil der augenblicklich verfügbaren Arbeitslosen — —
— Herr Professor Preller, ich habe gar nicht die Absicht, die strukturelle Arbeitslosigkeit wegzudiskutieren. Ich sage Ihnen j a, das ist ein Beispiel, das vielleicht sehr kraß ist. Auch ich kenne die strukturelle Arbeitslosigkeit, und gerade ihr wollen wir mit diesem Gesetz doch weitgehend zu Leibe rücken.
Nun ist vorhin vom Herrn Kollegen Odenthal gesagt worden, das Gesetz sei nicht geeignet, eine wirksame Hilfe zu geben. Die Situation ist doch so: Es wird möglich sein — selbst wenn ich den höchsten Förderungssatz annehme —, mit den Mitteln, die ausgeworfen werden, etwa 14 Millionen Tagewerke zu finanzieren; das ist immerhin eine ganz beachtliche Zahl. Herr Kollege Odenthal, Sie wissen j a, mit den Richtlinien zu diesem Gesetz, nach denen bisher schon verfahren wurde, wurde gerade eine Ausweitung der Finanzierung ermöglicht.
Die bisherigen Schwierigkeiten bei der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge bestanden darin, daß die Träger der Arbeit mit der Restfinanzierung nicht fertig werden konnten. Darum die Ausweitung, die hier versucht worden ist; eine beachtliche Ausweitung. Herr Professor Preller, es ist doch möglich, auf Grund der Richtlinien zu diesem Gesetz einmal à fonds perdu für jedes Tagewerk 5 DM zu geben; es ist ferner möglich, an Darlehen noch 10 DM zu geben unter der Voraussetzung, daß das Land oder der Träger ebenfalls 10 DM geben. Also 15 DM pro Tagewerk werden zur Verfügung gestellt, wesentlich mehr als das, was bisher bei solchen Maßnahmen der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge möglich war. Wir sind also der Meinung, hier geschieht doch etwas Beachtliches; denn wir können in bestimmten Bezirken eine ganze Reihe von Menschen für einen bestimmten Zeitraum in Arbeit bringen. Das ist uns wertvoll genug bei dieser gesetzlichen Maßnahme.
Ich sage in aller Offenheit: Wir finden uns damit nicht ab; es ist eine Maßnahme. Sie wissen so gut wie ich, daß im Laufe der vergangenen Jahre die verschiedensten Maßnahmen durchgeführt worden sind und daß sie weiter durchgeführt werden. Es sind eine ganze Reihe von Maßnahmen durchgeführt worden mit dem Ziel, Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Ich habe auch die feste Überzeugung, daß seitens der verantwortlichen Stellen — und das ist ja nicht die Bundesregierung allein, Herr Kollege Odenthal, sondern auch der Verteilungsausschuß —, dafür Sorge getragen wird, daß Fehlleitungen vermieden werden, daß nur solche Objekte finanziert werden, deren Finanzierung volkswirtschaftlich vernünftig ist. Ich habe zu diesem Ausschuß das Vertrauen, daß er die einzelnen Maßnahmen sehr sorgfältig überprüfen wird.
Ich sage noch einmal: es ist nicht die einzige Maßnahme, und es darf auch in Zukunft nicht die einzige Maßnahme bleiben; aber wir halten sie für äußerst wertvoll und geeignet, in bestimmten Notstandsgebieten wirksame Hilfe zu leisten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Odenthal hat bereits versucht, Ihnen den Rahmen der unter dieses Gesetz fallenden oder mit diesem Gesetz zu ermöglichenden Arbeiten vorzutragen. Er hat dabei ganz schüchtern darauf hingewiesen, daß auch Maßnahmen in Frage kommen, die eine Steigerung des Bodenertrags im Gefolge haben. Ich glaube, es ist geradezu die Absicht des Gesetzgebers gewesen, diese Maßnahmen vordringlich zu fördern. Deshalb sind j a auch in der Begründung zu dem Gesetz die Meliorationen, Flußregulierungen, Küstenschutzarbeiten, Aufforstungen und dergleichen in den Vordergrund gestellt worden. Sie entsprechen auch dem ganz besonderen Charakter von sogenannten Notstandsarbeiten. Damit soll nicht gesagt werden, daß der Rahmen, den Kollege Odenthal hier vorgetragen hat, von uns irgendwie perhorresziert würde. Wenn es sich ermöglichen ließe, auch solche Arbeiten durchzuführen, dann würden meine politischen Freunde selbstverständlich auch dazu j a sagen. Aber man muß — und Kollege Sabel hat das zuletzt ebenfalls herausgestellt — auch auf den volkswirtschaftlichen Wert dieser Arbeiten hinweisen.
In der Begründung zu dem Gesetz hat man leider nicht auf die Ödlandkultivierungen verwiesen. Diese bringen auf die Dauer einen entsprechenden Ertrag und ermöglichen dem einen oder andern Mann, der sich der Landwirtschaft verschrieben hat, sich eine Existenz aufzubauen. Es sollte also bei einer Ausweitung der Maßnahmen in den nächsten Jahren gerade darauf besonders großer Wert gelegt werden, zumal den Ländern, die für den Einsatz dieser Mittel in erster Linie in Frage kommen, solche Flächen zur Verfügung stehen. Die Sache hat sich jetzt erst eingespielt, und es ist zu erwarten, daß, wenn das Verfahren im nächsten Jahre vielleicht fortgesetzt wird, gerade nach der Richtung hin Vorlagen an den zuständigen Ausschuß oder an die Landesarbeitsämter bzw. die. Bundesanstalt herangetragen werden. Insbesondere die Landwirtschaft wird darauf besonderen Wert legen müssen, weil sie das Stiefkind der ganzen deutschen Kreditwirtschaft ist. Auf diesem Wege wird sie aber einen entsprechenden Anteil an einer Ausweitung der Agrarproduktion erhalten können.
Meine Freunde hatten ursprünglich Bedenken, daß der Bundesanstalt, die noch im Werden ist, hier schon etwas abgeknappt wird, daß man einen Vorgriff auf Gelder macht, die allein der Verfügungsgewalt der Bundesanstalt unterstehen. Aber eine außerordentliche Zeit — und in einer solchen leben wir schließlich — erfordert außerordentliche Mittel. Ich glaube, wir müssen immer und immer wieder darauf hinweisen, daß hier ein gerechter Ausgleich zwischen den Ländern mit einem hohen Beitragsaufkommen und den Ländern mit einem geringen Aufkommen an Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung erfolgt. In dieser Beziehung kommen — das beweist die Zusammenstellung der Ausgaben zur Genüge — die agrarischen Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern in erster Linie zum Zuge. Es ist also eine Art horizontaler Finanzausgleich auf anderer Grundlage, der hier verwirklicht wird. Wir bedauern nur, daß nicht noch viel mehr solcher Maßnahmen möglich sind, daß praktisch nur 30 000 Menschen für sechs oder etwas mehr Monate eingespannt werden können und wieder einmal das Glück genießen, in entsprechend bezahlter Arbeit zu stehen und am Wochenende etwas mehr als die karge Arbeitslosenunterstützung nach Hause zu bringen.
Ich darf wiederholen: meine politischen Freunde stimmen dem Gesetzentwurf in der Fassung der zweiten Lesung zu.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor.
Ich komme zur Einzelberatung der dritten Lesung.
Zu § 1 ist inzwischen ein Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Preller eingegangen, der, nachdem der Antrag Umdruck Nr. 354 unter a) angenommen ist, an die Stelle von „vier Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber" zu setzen wünscht: „sechs Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber".
— Jawohl, je sechs; an Stelle des Wortes „vier" das Wort „sechs".
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die Ergänzung, die ich vorhin in der zweiten Lesung als notwendig bezeichnet habe. Nachdem Sie unseren Antrag zu § 1 Abs. 4 angenommen haben, darf ich Sie bitten, nun auch zu Abs. 3 zu beschließen, daß nicht vier Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern je sechs Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und zwei Vertreter der kommunalen Spitzenorganisationen den Ausschuß bilden.
Das ist in der zweiten Lesung bereits beschlossen worden!
Nein, eben nicht!
Meine Damen und Herren, der Antrag Umdruck Nr. 354 zu a) ist nach meinen Notizen angenommen. Haben Sie andere Notizen?
— Offenbar nicht.
— Nur die Ergänzung, die Ersetzung der Zahl 4 durch die Zahl 6, — nichts anderes steht zur Debatte. Ist das klar? — Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, damit wir völlig klar sehen, die Formulierung einmal vorlesen. Wir sollten so sagen:
Bis zur Errichtung der Organe der Bundesanstalt entscheidet über die Zuteilung der Mittel (§ 2) an die Träger der Arbeit ein aus
je sechs Vertretern der Arbeitnehmer und
Arbeitgeber,
zwei Vertretern der Länder,
zwei Vertretern der Bundesregierung und zwei Vertretern der kommunalen Spitzenorganisationen
bestehender Ausschuß.
Dann weiter wie bisher.
Herr Abgeordneter Sabel schlägt also vor, die in zweiter Beratung angenommene Abänderung — Umdruck Nr. 354 unter a) — insofern zu verändern, als die Worte „zwei Vertretern der kommunalen Spitzenorganisationen" nach dem Wort — — das ist auch angenommen worden; das ist genau dasselbe, Herr Abgeordneter Sabel, was bisher schon zur Debatte stand. Sie haben es nur für die erläutert, die es bisher noch nicht verstanden haben. Dazu gehörte ich in diesem Augenblick auch,
— Herr Abgeordneter Wellhausen, Sie nicken mit
dem Kopf; ich freue mich über die Bestätigung.
Weitere Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Preller, an die Stelle des Wortes „vier" das Wort „sechs" zu setzen. Alles andere ist bereits klar. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit des Hauses; der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den § 1 unter Berücksichtigung dieser Abänderung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Angenommen.
Ich rufe auf § 2, — § 2 a, — § 3, — Einleitung und Überschrift. Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.
Damit komme ich zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Finanzierung eines Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme ohne Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 2749 Ziffer 2.
— Zunächst der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der vorhin vorgetragen worden ist, an die Stelle des Wortes „vierteljährlich" das Wort „zwei Monate" zu setzen. Der Antrag deckt sich nicht völlig in der Formulierung. Wie wollen wir verfahren, meine Damen und Herren? — Herr Abgeordneter Sabel!
Ich würde empfehlen, diese Entschließung zu ändern, indem statt „vierteljährlich" „zwei Monate" gesetzt wird.
Meine Damen und Herren, es gehört doch nicht zu den Befugnissen des Präsidenten, einen Antrag selbständig zu ändern. Ich bedaure, das von mir aus nicht tun zu können. Wenn die Herren Antragsteller das nicht wollen, kann ich es nicht tun.
— Von der Fraktion der SPD wird beantragt, in dem Entschließungsantrag des Ausschusses an die Stelle des Wortes „vierteljährlich" „alle zwei Monate" zu setzen. Ist das klar? — Dann bitte ich die Damen und Herren, die diesem abgeänderten Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit des Hauses; die Entschließung ist angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Abkommen über die soziale Sicherheit der Rheinschiffer und über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer nebst Schlußprotokoll ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Nr. 2763 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt ihnen vor, auf eine allgemeine Aussprache zu verzichten.
Bitte, Herr Abgeordneter Walter!
Meine Damen und meine Herren! Am 27. Juli 1950 wurde von Vertretern der Rheinanliegerstaaten und Belgien ein Abkommen unterzeichnet, das die soziale Sicherheit der Rheinschiffer und deren Arbeitsbedingungen regeln soll. Diesem Abkommen soll durch Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs zugestimmt werden.
Das Abkommen selber kann als ein bedeutender Schritt zur europäischen Verständigung gewertet werden. Unsere Rheinschiffer werden in Zukunft in den oben genannten Ländern die gleichen sozialen Sicherheiten und Arbeitsbedingungen erhalten wie die einheimischen und umgekehrt. Beide Ausschüsse, Verkehrs- und Arbeitsausschuß, haben dem Gesetz einmütig und einstimmig ihre Zustimmung gegeben. Der Bundesrat hat ebenfalls zugestimmt. Der Arbeitsausschuß als der federführende Ausschuß bittet den Bundestag, das gleiche zu tun.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die kurze Berichterstattung.
Ich komme zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Aussprache soll nicht stattfinden. Zur Einzelbesprechung: Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Danke! Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Abkommen über die soziale Sicherheit der Rheinschiffer und über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer nebst Schlußprotokoll. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz. in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit des Hauses; das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Brese, Dr. Kneipp, Tobaben und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (Nr. 2726 der Drucksachen).
Herr Abgeordneter Dr. Kneipp wünscht offenbar, den Entwurf zu begründen. Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 541 der Reichsversicherungsordnung sind diejenigen Berufe usw. aufgeführt, die Versicherungsfreiheit genießen. Dabei fehlen die Tierärzte, die schließlich dasselbe Recht für sich in Anspruch nehmen können wie z. B. die Zahnärzte und die Humanärzte. Der Gesetzentwurf will die Tierärzte in den § 541 aufgenommen haben. Ich bitte Sie, den Antrag dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen.
Es wünscht niemand dazu das Wort zu nehmen. Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik erfolgt ist. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Verkündung der vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetze .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 20 Minuten, eine Aussprachezeit von höchstens 90 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Jacobi.
Jacobi , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem kürzlich dem Bundestag von der Registerabteilung zugeleiteten Sonderdruck über den Stand der Beratung von Gesetzentwürfen findet sich am Schluß eine ziffernmäßige Zusammenstellung der dem Bundestag in der Zeit vom 7. September 1949 bis zum 30. September 1951 insgesamt vorgelegten Gesetzentwürfe nach dem Stande vom 12. Oktober 1951. Es handelt sich um insgesamt 378 Gesetze, die hier aufgeführt werden. Von diesen 378 Entwürfen sind im Bundesgesetzblatt 217 verkündet, 30 auf andere Weise erledigt, 10 noch nicht behandelt, 98 zwar schon behandelt, aber noch nicht beschlossen und 23 Gesetzentwürfe beschlossen, aber noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündet. Diesen letzten Komplex meint die Interpellation, die ich für die sozialdemokratische Fraktion zu begründen habe.
Der flüchtige Betrachter der soeben vorgetragenen Zahlen mag vielleicht meinen, daß die Tatsache der Nichtverkündung von wenig mehr als 10 % verabschiedeter Gesetze — da die Verkündung ja sicherlich nicht unterbleiben würde — kein Grund für ein Frage- und Antwortspiel zwischen Parlament und Regierung zu sein brauche und daß es wichtigere Dinge gebe. Nun, wer ein wenig nachdenklicher ist, muß anderer Meinung sein. Er wird sehr schnell erkennen, daß mit der sozialdemokratischen Interpellation eine Frage angesprochen wird, die mehr als eine Erörterung von Fragen der Gesetzestechnik auslöst. Es geht bei dem Punkt, der hier berührt wird, um die Geltung des Parlaments, um den Respekt der Regierung gegenüber der Volksvertretung, ja, um mehr, es geht um die Verfassung. Das Grundgesetz erklärt in seinem Art. 82:
Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkündet.
Es verzichtet auf eine Fristsetzung, wie sie etwa der Art. 70 der Weimarer Verfassung enthielt. Dort war bestimmt, daß der Reichspräsident die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze binnen Monatsfrist im Reichsgesetzblatt zu verkünden hat. Aus der Fortlassung einer solchen Fristklausel im Grundgesetz ist jedoch nicht etwa der Schluß zulässig, daß es dem Gutdünken der Bundesregierung überlassen bleibe, innerhalb welcher Zeit der vom Bundestag beschlossene Gesetzentwurf dem Bundespräsidenten vorgelegt werden, also die Vorbereitung der Ausfertigung erfolgen solle. Auch ist es nicht in das Ermessen des Bundespräsidenten gestellt, sich beliebig Zeit für die Verkündungsverfügung zu nehmen. Aus den Materialien des Grundgesetzes ergibt sich vielmehr, daß der Verfassunggeber auf die Aufnahme einer Verkündungsfrist allein deshalb verzichtet hat, weil allgemeines Einverständnis darüber bestand, daß ein verfassungsmäßig zustande gekommenes und vom damals noch geltenden Einspruchsrecht der Besatzungsmächte nicht betroffenes Gesetz unverzüglich zur Ausfertigung und Verkündung zu bringen ist.
Diese Auffassung war und ist auch um so logischer, als es im Grundgesetz im Gegensatz zur Weimarer Verfassung eine Reihe von Hemmungen nicht mehr gibt, die damals zu beachten waren. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Bestimmung des Art. 72 der Weimarer Verfassung, nach der die Verkündung eines Reichsgesetzes auf Antrag einer Reichstagsminderheit in Verbindung mit dem Referendum des Art. 73 um zwei Monate auszusetzen war, oder an das Recht des Reichspräsidenten, ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz binnen eines Monats zum Volksentscheid zu bringen. Diese Möglichkeiten gibt es heute nicht mehr. Damit entfiel für den Parlamentarischen Rat die Notwendigkeit, eine Anhaltefrist zu statuieren. Er hat es als selbstverständlich betrachtet, daß ein ordnungsgemäß zustande gekommenes Gesetz ohne Verzug ausgefertigt und verkündet werden würde.
Die Praxis der Bundesregierung entspricht der geschilderten Auffassung des Verfassunggebers, wie ich eingangs bereits darlegte, nicht immer. Wir erheischen mit unserer Interpellation hierzu nunmehr eine eindeutige Rechtfertigung der Regierung vor dem Parlament. Unsere beiden ersten Fragen lauten:
1. Welche vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetze sind bisher nicht verkündet worden?
2. Aus welchen Gründen ist die Verkündung unterblieben?
im Hinblick auf die Antwort der Bundesregierung möchten wir mit Nachdruck darum ersuchen, uns nicht etwa mit dem Hinweis auf technische Schwierigkeiten zu kommen, die sich z. B. bei der Revidierung für die Drucklegung im Einzelfall ergeben. Was wir verlangen, ist die Unverzüglichkeit der durch den Gesetzesbeschluß ausgelösten und zu treffenden Maßnahmen, d. h. also eine Bearbeitung des Vorganges ohne schuldhaftes Zögern. Hierbei aber kann und darf es sich lediglich um eine Behandlung der Sache handeln, die sich auf die Vorbereitung der Ausfertigung beschränkt. Was aber bedeutet die Ausfertigung? Nichts anderes als die Unterzeichnung der Urschrift des Gesetzes, nach der das Gesetz zu datieren ist. Die Ausfertigung ist nicht mehr und nicht weniger als die Beurkundung, daß die Urschrift den Wortlaut des Gesetzes darstellt, wie es sich aus den Beschlüssen des Bundestages und Bundesrates ergeben hat. Die Prüfung der Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Grundgesetz gehört nicht zu den Obliegenheiten der Bundesregierung. Hüter des Grundgesetzes ist der Bundespräsident. Im übrigen gibt es das richterliche Prüfungsrecht, so die Möglichkeit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts. Aber das alles steht buchstäblich auf einem anderen Blatt und bedarf im Zusammenhang mit dieser Interpellation keiner eingehenden Erörterung.
Ich habe bereits den Art. 82 des Grundgesetzes zitiert. Gestatten Sie mir einen weiteren Hinweis. In der Geschäftsordnung der Bundesregierung — abgedruckt im Gemeinsamen Ministerialblatt vom 5. Juni 1951 — findet sich lediglich eine — ebenfalls sehr kurze und klare — Bestimmung über die Behandlung von Gesetzesbeschlüssen. Es heißt dort in § 29, soweit er hier interessiert:
Gesetze sind dem Bundespräsidenten erst nach der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler und den zuständigen Bundesminister zur Vollziehung vorzulegen.
Auch die Bestimmung, die ich eben zitiert habe, schafft, von ihrer Rangigkeit als interne Regel einmal abgesehen, keinen Ermessensspielraum für die Bundesregierung. Wir haben Grund zu der Besorgnis, daß dies von der Bundesregierung gelegentlich nicht genügend beachtet wird. Sie nimmt sich in nicht seltenen Fällen sehr viel Zeit, bis sie die Urkunde des beschlossenen Gesetzes an den Bundespräsidenten weitergibt, auch in Fällen, in denen in keiner Weise andere als Momente der politischen Unlust erkennbar sind. Ob Gesetze der Volksvertretung einer Regierung genehm sind oder nicht, ist aber eine Frage, die sich nicht in der Behandlung der Ausfertigung und Verkündung eines Gesetzes niederschlagen darf. Im übrigen kann sich eine Regierung gelegentlich durch einen Gesetzesbeschluß zwar für überspielt halten, ihr kann ein Gesetz als eine durchaus ungute Sache erscheinen, dennoch entbindet sie eine solche Auffassung nicht von der unabdingbaren Pflicht, alles zu tun, was
notwendig ist, um die Entscheidung des Parlaments zu respektieren, dies um so weniger, als ein Gesetzentwurf ja nicht von heute auf morgen verabschiedet wird. Er hat immer drei Entwicklungsstadien zu passieren: Einbringung, Beratung und Beschluß. Für den mit unserer Interpellation aufgeworfenen Fragenkomplex ist das Mittelstück dieser Skala, die Beratung, von besonderer Bedeutung.
Gemäß Art. 43 des Grundgesetzes haben die Mitglieder der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten zu allen Sitzungen des Bundestags und seiner Ausschüsse Zutritt. Hieraus hat sich de facto ein System der Mitberatung entwickelt. Es dient der gegenseitigen Information und gibt der Bundesregierung von der Einbringung eines Gesetzentwurfes an die Möglichkeit, eventuelle Bedenken gegen Wortlaut und Inhalt des Entwurfs anzumelden. Es ist wichtig, das hier festzuhalten, weil die Regierung offenbar glaubt, auch nach der Verabschiedung eines Gesetzentwurfes noch widerstehen, ja manipulieren zu dürfen.
Lassen Sie mich ein illustres Beispiel dafür anführen. Unter den 23 eingangs erwähnten beschlossenen, aber nicht verkündeten Gesetzentwürfen befindet sich einer, der in den Schubladen des betroffenen Fachministeriums bereits Schimmel angesetzt hat. Ich meine das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost. Dieses Gesetz ist in diesem Hohen, in diesem Falle aber von der Bundesregierung äußerst niedrig bewerteten, Hause am 6. Dezember 1950 verabschiedet worden.
Der Herr Bundestagspräsident hat dem Plenum am 10. Januar 1951 davon Kenntnis gegeben, daß das Gesetz auch den Bundesrat passiert hat. Bis zur Stunde — wir schreiben heute den 14. November ' 1951 — ist die Ausfertigung und Verkündung nicht erfolgt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Angesichts einer solchen Stellungnahme ist man versucht, den Satz aus Kortums Jobsiade zu zitieren:
Ob dieser Antwort des Kandidaten Jobses Geschah ein allgemeines Schütteln des Kopses.
Eine derartige Stellungnahme ist aber um so mehr verwunderlich, als sie doch ganz offensichtlich etwas enthält, was fast an Unwürdigkeit grenzt. Unwürdig ist die Stellungnahme nicht nur in bezug auf das Verhalten gegenüber diesem Hause, sondern auch, soweit die Haltung der Bundesregierung gegenüber den Alliierten in Betracht kommt. Die sozialdemokratische Fraktion hält jedenfalls die eingeschlagene Prozedur für absolut unerträglich und hofft, daß auch die übrigen Fraktionen keine Neigung haben, mit einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzesbeschluß so verfahren zu lassen. Wir erwarten besonders auch zu diesem Einzelfall eine unzweideutige Stellungnahme der Bundesregierung vor dem Parlament.
Unsere Interpellation ist wesentlich durch die Nichtverkündung gerade dieses Gesetzes und die mehr als merkwürdige Art der Behandlung, die sich in der schriftlichen Äußerung des Bundespostministeriums ausdrückt, veranlaßt worden. Jedoch gibt es auch eine Reihe anderer Fälle, in denen uns eine unzulässige und unerträgliche Verzögerung, zum Teil auch eine Unterlassung der Verkündung vorzuliegen scheint, wegen der die Regierung sich zu rechtfertigen hat. Wir haben feststellen können, daß die Bedenken, die wir mit unserer Interpellation zum Ausdruck bringen, und die allgemeine Sorge, die uns wegen der gerügten Praxis erfüllt, nicht allein bei uns vorliegen. Gestern hat die Parteikorrespondenz der FDP in ihrer Nr. 80 angekündigt, daß in Kreisen der Freien Demokraten die Zeit für gekommen angesehen wird, eine wichtige Lücke im Grundgesetz, nämlich die der Verkündungsfrist, auszufüllen. Es wird darauf hingewiesen, daß beabsichtigt sei, einen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, nach dem die Gesetze vom Bundespräsidenten binnen eines Monats zu verkünden sind.
Lassen Sie mich noch kurz auf drei Gesetze hinweisen! Wir haben eine ungebührliche, ja unzulässige Verzögerung beispielsweise bei dem sogenannten Blitzgesetz über den Südweststaat sowie bei dem Gesetz über die Rentenumstellung festgestellt, und wir haben schließlich vermerkt, daß ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz nicht verkündet worden ist, für dessen Nichtverkündung sachliche und rechtliche Gründe nicht angeführt werden können, nämlich das Gesetz über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Meine Damen und Herren! Ich habe versucht, Ihnen die zwei ersten Fragen der Interpellation nahezubringen. Die dritte Frage bedarf einer Richtigstellung, da sie in ihrer bisherigen Formulierung mißverständlich ist. Selbstverständlich war den Interpellanten bekannt, daß die Verkündung als Institut nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, sondern daß die Bundesregierung lediglich zum Zweck der Publikation im Bundesgesetzblatt, also als Beauftragte des Bundespräsidenten tätig wird. Ich erlaube mir daher, folgende Neufassung der Ziffer 3 bekanntzugeben, die der Klarstellung dient:
Erkennt die Bundesregierung an, daß sie verpflichtet ist, vom Bundestag und Bundesrat
verabschiedete Gesetze unverzüglich dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorzulegen und
— jetzt kommt die Neuformulierung —
die von dem Bundespräsidenten verfügte Verkündung sofort auszuführen?
Zur Begründung dieser Frage 3 bedarf es nach dem vorhin Ausgeführten keiner weiteren Darlegungen mehr.
Es bleibt die vierte Frage:
Erkennt die Bundesregierung an, daß sie sich unverzüglich zu entscheiden hat, ob sie unter den Voraussetzungen des Artikels 113 des Grundgesetzes einem Gesetz ihre Zustimmung erteilt?
Wir meinen, eine Antwort auch auf diese Frage sollte der Bundesregierung eigentlich nicht schwer fallen.
— Ich beeile mich, zum Schluß zu kommen, Herr Präsident. — Eine Antwort sollte der Bundesregierung nicht zuletzt deshalb nicht schwerfallen, weil nicht nur die Volksvertretung, sondern vor allem auch das Volk selbst einen Anspruch darauf hat, alsbald zu erfahren, ob ein unter die Sperrbestimmung des Art. 113 des Grundgesetzes fallender Gesetzesbeschluß durchgeführt wird oder nicht. Die Bundesregierung aber wird bei der Gewandtheit des Herrn Bundesfinanzministers, Sperren aufzubauen, kaum einwenden können, daß sie sehr lange Zeit braucht, um zur Frage der Anwendung des Art. 113 Stellung nehmen zu können. Eine möglichst alsbaldige Äußerung der Bundesregierung im Einzelfall bei einem solchen Gesetz erscheint uns Gebot und Verpflichtung zugleich zu sein.
Meine Damen und Herren! Was unsere Interpellation anspricht, ist kein Randproblem, sondern eine Frage, bei der Grundsatzprobleme der Demokratie überhaupt berührt werden. Gerade in einer Zeit, die in vielfacher Hinsicht eine Zeit der Probe für die Geltung und Wirklichkeit der Verfassung ist, muß von der Regierung die Einhaltung des Grundgesetzes, die Achtung vor der Volksvertretung und die Beachtung von deren Beschlüssen mit ganz besonderem Nachdruck verlangt werden.
Diesem Anliegen gilt unsere Interpellation, die wir dem Hause unterbreitet haben und deren befriedigende Beantwortung durch die Bundesregierung wir alsbald erwarten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist die selbstverständliche Pflicht der Bundesregierung, jedes ordnungsgemäß zustandegekommene Gesetz sofort dem Herrn Bundespräsidenten zur Ausfertigung und zur Verkündung vorzulegen. Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung jemals dieser Pflicht aus politischer Unlust oder mit dem Ziel der Manipulation nicht entsprochen habe. Die Zahl von 23 Gesetzen, die bis zum 12. Oktober zwar beschlossen, aber nicht verkündet worden sind, besagt natürlich nichts. Man müßte aufgliedern und fragen, wie der Prozeß des Gesetzgebungsgangs im einzelnen gerade am 12. Oktober gewesen ist.
Der Herr Interpellant hat einige Gesetze, die angeblich verzögert worden sind,
— angeblich, ich will einmal sagen, schuldhaft verzögert worden sind, genannt. Dazu will ich mich äußern. Er hat das sogenannte Blitzgesetz über den Südweststaat genannt. Die Bundesregierung hat dieses Gesetz ordnungsgemäß sofort dem Herrn Bundespräsidenten vorgelegt. Der Herr Bundespräsident hat Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gehabt und hat deswegen die Verkündung erst mit dem zweiten Neuordnungsgesetz vorgenommen. Von einem Verschulden kann somit bestimmt keine Rede sein.
Das Gesetz über die Umstellung der privaten Renten bedurfte nach Art. 113 des Grundgesetzes der Zustimmung der Bundesregierung. Die Erteilung dieser Zustimmung war überaus schwierig, weil die Mittel für die Durchführung des Gesetzes nicht vorhanden waren. Von einer schuldhaften Verzögerung kann also auch hier keine Rede sein.
Richtig ist, daß die Verkündung des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost sich sehr hinausgezögert hat. Ich gestehe zu, daß das Hohe Haus ebenso wie der Bundesrat einen Anspruch darauf gehabt hätte, unterrichtet zu werden.
Ich bedaure sehr, daß das nicht geschehen ist. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger über den jeweiligen Gesetzgebungsstand der einzelnen Vorlagen geht auf mich zurück, gerade um einen Überblick zu gewinnen und zu geben. Ich werde es auch in der Folge so halten, daß die beiden gesetzgebenden Gremien jederzeit, wenn irgendwelche Bedenken oder Schwierigkeiten bei der Verkündung auftreten, unverzüglich unterrichtet werden.
Bei dem Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost liegt es wie folgt: Das Gesetz ist am 6. Dezember 1950 von Ihnen verabschiedet worden, und schon am 15. Dezember 1950 hat der Bundesrat seine Zustimmung erteilt. Das Gesetz mußte damals unter der Geltung des alten, nicht revidierten Besatzungsstatuts der Alliierten Hohen Kommission vorgelegt werden. Die Alliierte Hohe Kommission hat ihr Veto eingelegt
wegen der Bestimmung des § 2 des Gesetzes betreffend das Eigentum am sogenannten Unterhaltungsrundfunk.
— Es ist ein Veto eingelegt worden. Ich bin nicht Sachbearbeiter, mein Ministerium ist nicht das Fachministerium. Aber so ist die Unterrichtung, die ich erhalten habe. In dem Schreiben des Herrn Postministers ist von dieser Tatsache nichts erwähnt. Von dem Schreiben habe ich heute zum ersten Mal gehört. Ich bin dahin unterrichtet, daß seitens der Alliierten Hohen Kommission förmlich erklärt worden sei, es werde Veto erhoben gegen die Bestimmung des § 2, die mit der damaligen alliierten Gesetzgebung nicht übereinstimme; nach der alliierten Gesetzgebung war das Vermögen am Unterhaltungsrundfunk auf die Länder übertragen worden.
Nun ist es richtig, daß nach der Revision des Besatzungsstatuts an sich die Möglichkeit zur Verkündung bestanden hätte und daß man es hätte darauf ankommen lassen können, ob die Alliierte Hohe Kommission wegen ihrer Bedenken das Gesetz wirklich aufheben würde. Die Sache ist im Kabinett mehrmals beraten worden. Man hat immer wieder versucht, mit den Sachbearbeitern der Alliierten Hohen Kommission zu einer Verständigung zu kommen. Das ist bisher nicht gelungen. Vor ungefähr 14 Tagen wurde nun die Sache im Kabinett noch einmal behandelt. Es ist eine peinliche Frage. Wir sind uns dann dahin schlüssig geworden, mit der Verkündung auf den Zeitpunkt der Ablösung des Besatzungsstatuts und damit auf unsere gesetzgeberische Souveränität zu warten. Ich gebe zu, insoweit liegt ein Sonderfall mit ganz besonderen Schwierigkeiten vor, die dazu geführt haben, daß das Gesetz nicht verkündet wurde.
Weiter ist das Gesetz über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung genannt worden. Dieses Gesetz ist vom Bundestag am 11. Juli 1951 und vom Bundesrat am 27. Juli 1951 verabschiedet worden. Die Verzögerung ist nach meiner Meinung durchaus verständlich. Ich persönlich hatte Bedenken, ob dieses Gesetz ordnungsgemäß zustande gekommen war. Die Frage wurde im Kabinett am 28. August 1951 eingehend behandelt. Die Schwierigkeiten wegen der Ferien haben eine frühere Behandlung nicht möglich gemacht. Das Kabinett hat sich angesichts des Umstandes, daß das Gesetz über die Errichtung der Bundesanstalt inzwischen in den Vermittlungsausschuß gekommen war und der Bundesrat einen Antrag vorbereitet hatte, wonach die Bestimmung des Sitzes dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt übertragen werden sollte, so daß, wenn der Antrag angenommen worden wäre, die Grundlage für das Gesetz betreffend den Sitz entfallen wäre, entschlossen, zuzuwarten, bis die Entscheidung des Vermittlungsausschusses und die Entscheidung der beiden Gremien vorlag. Sie haben selbst erlebt, daß der Beschluß des Vermittlungsausschusses nicht angenommen wurde. Daraufhin hat nunmehr die Bundesregierung die Verkündung des Gesetzes beschlossen; sie wird in den nächsten Tagen im Bundesgesetzblatt erfolgen.
Nun liegt folgende nicht unwichtige verfassungsrechtliche Frage vor: Welches Recht hat die Regierung,
welches Recht hat der Herr Bundespräsident? — Ich weiß nicht, ob wir uns jetzt hier darüber unterhalten sollen.
Eine Beschlußfassung des Bundeskabinetts liegt nicht vor. Meine Meinung ist es, daß der Bundespräsident selbstverständlich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, sowohl zu prüfen, ob ein Gesetz formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist, als auch, ob es sachlich mit der Verfassung vereinbar ist. Deswegen haben wir ihm im Bundesverfassungsgerichtsgesetz für den Fall des Zweifels die Möglichkeit gegeben, die Verkündung auszusetzen und ein Gutachten des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Ich nehme für die Bundesregierung und für jeden Bundesminister auch das Recht in Anspruch, dann, wenn sie der Überzeugung sind, ein Gesetz sei nicht in Ordnung,
sei nicht mit der Verfassung vereinbar, ihre Gegenzeichnung zu verweigern. Was dann folgt, das ist ein politischer Konflikt, der ausgetragen werden muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns mit unserer Interpellation darüber beklagt haben, daß die Bundesregierung bei der Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen manchmal sehr langsam vorangeht und zögernd handelt, dann müssen wir jetzt anerkennen, daß die Bundesregierung auf unsere Interpellation sehr schnell geantwortet hat. Aber die Antwort ist keinesfalls befriedigend und zeugt zum Teil davon, daß der Herr Bundesminister der Justiz unser Anliegen mißverstanden hat.
Ich darf auf einen Punkt hinweisen, Herr Minister. Ich habe in Verbindung mit meinen begründenden Ausführungen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Herr Bundespräsident Hüter der Verfassung ist.
Ich brauche Ihnen nicht darzutun, was das bedeutet. Daß damit mehr verbunden ist als das formale Recht und die formale Pflicht der Verkündung von Gesetzen, bedarf keiner besonderen Betonung. Aber es ist auf der anderen Seite sehr verwunderlich gewesen, aus Ihrem Munde, Herr Justizminister, zu hören, daß Sie das Kabinett für befugt halten, noch nach der Verabschiedung eines Gesetzes in Verbindung mit der Frage, ob das Gesetz auszufertigen und zu verkünden ist, auch noch materielle Fragen zu prüfen, wie sie durch das Gesetz geregelt sind, und daß Sie die Antwort darauf, ob ein Gesetz ausgefertigt oder verkündet werden soll, von dem Ergebnis Ihrer Nachprüfungen abhängig machen zu können behaupten. Das ist völlig neu, das hat es früher nicht gegeben und das kann es auch heute während der Geltung des Grundgesetzes nicht geben.
Beispielsweise wurde das Gesetz über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung erwähnt. Dieses Gesetz ist als ein isoliertes, in sich abgeschlossenes und aus sich heraus wirkendes Gesetz verabschiedet worden, für dessen Ausfertigung und Verkündung es völlig gleichgültig ist, in welcher Form die Bundesanstalt eingerichtet wird. Wir können der Regierung nicht das Recht zugestehen, hier in dem von Ihnen angedeuteten Sinne eine Entscheidung zu treffen, die auf eine Verzögerung und sogar — ich muß den Ausdruck noch einmal gebrauchen — eine Manipulierung dieser Entscheidung hinausläuft.
Im übrigen sind wir auch darüber verwundert, daß Sie, Herr Justizminister, glauben zu dem Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundespost einen Standpunkt einnehmen zu können, den wir für unmöglich, ja für unzulässig halten. Abgesehen davon, daß in dem Brief, den wir von dem Herrn Bundespostminister erhalten haben, von einem Veto gar keine Rede war — wir mögen da nicht vollständig unterrichtet worden sein —, ist es außerordentlich verwunderlich, daß, wenn ein solches Veto ausgesprochen worden ist, die Bundesregierung es nicht für notwendig gehalten hat, dem Bundestag durch den Herrn Bundestagspräsidenten von diesem Veto Mitteilung zu machen.
Das ist eine Methode, die in mancherlei Hinsicht bedenklich ist, und wir möchten nicht, daß sie Schule macht.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, glauben Sie uns: Wir haben unsere Interpellation nicht aus Freude an Kritik und deshalb eingebracht, weil wir uns als Opposition in dieser oder jener Frage wieder einmal in einen Raufhandel mit der Regierung einlassen möchten. Wir haben die Interpellation eingebracht aus der Sorge über die Handhabung des Grundgesetzes, wie wir sie in diesen Fällen bei der Bundesregierung festgestellt haben und wie wir sie für unmöglich und ganz allgemein für eine Gefahr für die parlamentarische Demokratie halten.
Ich darf abschließend erklären, daß die Mitteilungen des Herrn Bundesjustizministers uns als Antwort auf unsere Interpellation nicht befriedigen und daß wir vor allem hinsichtlich der von uns im einzelnen aufgezählten Punkte der Interpellation eine Ergänzung erwarten.
Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Nach der Geschäftsordnung wird eine Interpellation erst dann besprochen — und der Herr Vorredner hat diese Interpellation nunmehr besprochen —, wenn vorher auf Antrag von 50 Mitgliedern die Besprechung der Interpellation beschlossen worden ist.
Ich gehe nicht so weit, dieses Versehen nun meinerseits als eine Manipulation zu bezeichnen, sondern es ist ein Lapsus, der leicht mal vorkommen kann. Ich beantrage nunmehr meinerseits Besprechung der Interpellation.
Ich danke Ihnen sehr, Herr Abgeordneter Dr. Becker, für diese Unterweisung in der Handhabung der Geschäftsordnung. Ich hatte allerdings angenommen, daß auch Sie damit einverstanden sein könnten, einen Antrag auf Besprechung als gestellt zu betrachten, wenn die Interpellation von einer Fraktion eingebracht wird, die 131 Mitglieder zählt.
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Minister dargelegt hat, worin die Verzögerung in einzelnen Fällen gelegen hat, und nachdem er mit Recht und zur Befriedigung des Hauses zugesagt hat, daß, wenn irgendwann einmal, gleich, aus welchem Grunde, weitere Verzögerungen entstehen, die beiden Häuser sofort benachrichtigt werden, wird es in diesem Zusammenhang nur darauf ankommen, einige grundsätzliche Bemerkungen zu der vom Herrn Interpellanten an sich mit Recht angeschnittenen verfassungsrechtlichen Frage zu machen.
Die grundsätzliche Frage ist die: soll man in die Verfassung eine Bestimmung hineinbringen, wo-
Dr. Becker [Hersfeld])
nach die Verkündung von Gesetzen innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen soll? Wir haben die Frage hin und her erörtert. Wir waren der Meinung, man könne es, da andere Verfassungen eine gleiche Bestimmung enthalten, auch bei uns für nötig ansehen, eine solche Bestimmung zu schaffen. Dann haben wir aber die Dinge nochmals besprochen und sind dabei davon abgekommen, einen solchen Antrag zu stellen, und zwar aus Gründen, mit denen wir uns, glaube ich, mit dem Interpellanten und auch mit den Ausführungen des Herrn Ministers in Übereinstimmung befinden. Wir sind der Auffassung, daß die Regierung grundsätzlich verpflichtet ist, unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern, die jeweils rette beschlossenen Gesetze dem Herrn Bundespräsidenten zur Veröffentlichung vorzulegen. Die Einführung einer Frist würde gegebenenfalls nur die Möglichkeit einer weiteren Verzögerung begründen können, nämlich in den Fällen, in denen unter Umständen nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes eine sehr schnelle Publizierung gewünscht bzw. als notwendig erachtet wird.
Wir sind ferner der Überzeugung — und das möchte ich besonders betonen —, daß die Regierung, ehe sie die Gesetze dem Herrn Bundespräsidenten vorlegt, auch ihrerseits zu prüfen hat, nicht nur, ob diese Gesetze formell richtig zustande gekommen sind, sondern auch, ob ihr Inhalt nicht gegen die Verfassung verstößt.
Das ergibt sich allein schon aus der Eidesleistung der Minister und aus dem Inhalt des Eides.
— Bitte, sie haben die Möglichkeit, ihre Bedenken vorher zu äußern. Werden diese Bedenken vom Bundestag überstimmt, so ist damit noch längst nicht gesagt, daß die Mehrheit die Bedenken durch ihren Beschluß aus der Welt geschafft hat. Die gleichen Grundsätze gelten für die Prüfung durch den Herrn Bundespräsidenten. Ich lege Wert darauf, diese unsere grundsätzliche Meinung hiermit in aller Form festgestellt zu sehen.
Weitere Wortmeldundungen? — Das Wort hat der Herr Justizminister.
Es ist das gute Recht des Herrn Interpellanten, zu verlangen, daß ich seine Fragen etwas präziser beantworte. Zunächst hat er gefragt, welche vom Bundestag beschlossenen Gesetze noch nicht verkündet seien. Ich nehme an, daß damit nicht die laufenden Gesetze, die vor 8 oder 14 Tagen beschlossen worden sind und jetzt zur Verkündung kommen, gemeint sind.
Ich muß dann noch auf ein Gesetz hinweisen, dessen Verkündung sich verzögert hat. Das ist das Gesetz zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes, also die Durchführung der Auftragsverwaltung auf dem Gebiete der Finanzen. Dieses Gesetz hat der Bundestag am 12. Juli 1951 verabschiedet. Am 13. Juli hat der Bundesrat beschlossen, seine Zustimmung zu verweigern. Er hat es also als ein Zustimmungsgesetz erachtet und hat davon abgesehen, Einspruch einzulegen, sich vielmehr damit begnügt, die Zustimmung nicht zu erteilen. Die Bundesregierung hat sich auf den Standpunkt gestellt, es sei kein Zustimmungsgesetz, und hat das Gesetz dem Herrn Bundespräsidenten zur
Verkündung zugeleitet. Der Herr Bundespräsident hat ein Gutachten des Bundesverfassungsgerichts über diese verfassungsrechtliche Frage beantragt, das Gutachten liegt aber noch nicht vor.
— Nein, das geht nicht zu Lasten der Regierung, sondern das ist ganz regulär behandelt worden.
Verzögert hat sich auch die Verkündung des Gesetzes über die Bundesdienststrafgerichte. Dieses Gesetz ist allerdings erst, ich glaube, am 26. September beschlossen worden.
Inzwischen haben sich redaktionelle Unstimmigkeiten ergeben. Deswegen mußte ich mich noch einmal an das Innenministerium wenden. Das Innenministerium hat sich mit dem Redaktionsbüro des Bundestages in Verbindung gesetzt. Daraus hat sich insgesamt eine Verzögerung von 4 Wochen ergeben. Aber das kann man nicht vermeiden. — Das sind, glaube ich, alle Gesetze, die in Frage kommen; alle anderen sind regulär behandelt worden.
Die Frage 3 möchte ich präzis dahin beantworten: die Bundesregierung ist nach meiner Meinung verpflichtet, jedes beschlossene Gesetz dem Herrn Bundespräsidenten zur Ausfertigung und Verkündung vorzulegen. Dann hat der Herr Bundespräsident zu prüfen, ob er die Ausfertigung und die Promulgation vornehmen will, während die Bundesregierung sich ihrerseits darüber schlüssig werden muß, ob sie durch ihre Gegenzeichnung die politische Verantwortung übernehmen will. Es ist denkbar, daß sie das aus bestimmten Gründen nicht tun will. Ich habe schon darauf hingewiesen, welche Folgen dann eintreten.
Nun zur Frage 4: Wie ist es, wenn durch ein Gesetz erhöhte Ausgaben, entweder eine Erhöhung der im Haushalt vorgesehenen Ausgaben oder zusätzliche Ausgaben entstehen und die Wirksamkeit des Gesetzes von der Zustimmung der Bundesregierung abhängig ist? Auch insoweit erkennt die Bundesregierung ihre Verpflichtung an, sich unverzüglich schlüssig zu machen. Aber es können natürlich dabei Verzögerungen, die auch mehr als Wochen betragen, eintreten. Denn die Regierung muß für die Bereitstellung der Mittel im Haushalt Sorge tragen, die für die Durchführung des Gesetzes erforderlich sind, muß möglicherweise erst ein Gesetz einbringen, durch das die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir haben deswegen auch im Parlamentarischen Rat mit guten ründen davon abgesehen, in Art. 82 eine Frist zu setzen, nicht nur im Hinblick auf die Eingriffsmöglichkeit der Besatzungsmächte und die damit verbundene Verzögerung, sondern weil wir davon ausgegangen sind, daß die Bundesregierung grundsätzlich die Pflicht zur sofortigen Vorlage und der Bundespräsident die Pflicht zur sofortigen Ausfertigung und Verkündung hat. Aber wir haben auch erwogen, daß Schwierigkeiten eintreten können; ein Gesetz soll verständig sein und nicht Schranken aufrichten, die nicht erforderlich sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beschränke mich auf die grundsätzliche Seite der vorliegenden Interpellation. Das Gesetzgebungsverfahren des Bundes gliedert sich — das ist allgemeines Staatsrecht — regel-
mäßig in drei Hauptabschnitte: erstens die Beschlußfassung durch die gesetzgebenden Körperschaften mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit, wobei die Stellung und Befugnis des Bundesrats verschieden ist, je nachdem es sich um ein echtes Zustimmungsgesetz handelt oder nicht; zweitens die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten unter Gegenzeichnung des Kanzlers oder Fachministers gemäß Art. 58 und 82 des Grundgesetzes, welche die Authentizität und Verfassungsmäßigkeit des Gesetzestextes und die Einhaltung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzgebungsverfahrens nach Prüfung durch den Bundespräsidenten urkundlich bescheinigt; drittens den Gesetzesbefehl durch die Verkündung. Zu diesen Regularien kommt nach Art. 113 des Grundgesetzes — was eine staatsrechtliche Neuerung und eine starke Beschränkung der gesetzgebenden Faktoren darstellt — für ausgabenerhöhende Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften die Zustimmung der Bundesregierung als viertes Erfordernis hinzu. Ohne sie werden solche Beschlüsse nicht wirksam und nicht staatsrechtlich existent.
Die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten, die Gegenzeichnung des Kanzlers oder Fachministers, die erforderliche Anordnung der Verkündung durch den Bundespräsidenten sowie die Entscheidung und Erklärung der Bundesregierung nach Art. 113 sind nicht nur politische Verantwortlichkeiten, sondern grundgesetzliche Pflichten dieser Bundesorgane und Persönlichkeiten. Ihre Verletzung zieht die bekannten Folgen der Art. 61, 67 und 68 des Grundgesetzes nach sich. Auch die Verantwortung des Fachministers besteht, wie unzweifelhaft sein dürfte, unmittelbar gegenüber dem Bundestag, wennschon sie nur mit etwaigen politischen Folgen, nicht aber mit verfassungsrechtlich unmittelbaren Wirkungen geltend gemacht werden kann. Eine Verletzung der grundgesetzlichen Pflicht liegt nicht nur in der Ablehnung der Ausfertigung eines Gesetzes, der Verweigerung der Gegenzeichnung oder der Unterlassung der Anordnung der Verkündung, sondern auch in ihrer Verzögerung oder sogar Verschleppung.
Daß die gesetzgeberischen Beschlüsse des Bundestages, gleichviel welche Zeitpunkte für das Inkrafttreten eines Gesetzes vorgesehen sind — ob es mit dem Ablauf des Tages der Verkündung, am Tage nach der Verkündung, mit dem 14. Tage nach dem Ablauf des Tages, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben wurde, wie in Art. 82 Abs. 2 vorgesehen ist, oder an einem im Gesetz angegebenen bestimmten Kalendertage in Kraft treten soll —, prompt gemeint sind, geht unzweifelhaft aus Art. 77 Abs. 1 des Grundgesetzes hervor, wonach die vom Bundestag angenommenen Gesetze durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesrat zuzuleiten sind. Es ist ganz offensichtlich der Wille des Grundgesetzes, daß das Inkrafttreten der Gesetze, wenn sie einmal von der Legislative verabschiedet sind, nicht etwa durch Bürokratismus, Gleichgültigkeit oder bestimmte Absichten in der Schwebe gehalten oder sonst verzögert werden darf. Die politische und die verfassungsrechtliche Verantwortung der beteiligten Bundesorgane entfällt auch nicht dadurch, daß Berufungen auf das Besatzungsstatut versucht werden oder erfolgen.
Der Klärung dieser Rechtslage dient wohl die vorliegende Interpellation. Wenn sie keinen weiterreichenden Zweck verfolgt, als daß aus dieser Klarstellung auch die notwendigen Konsequenzen für die Zukunft gezogen werden, dann war sie nützlich. Der Meinung, daß es notwendig oder zweckmäßig sei, etwa nach Vorgang der Weimarer Verfassung für die Verkündung oder die Anordnung der Verkündung von Gesetzen eine Frist zu setzen, vermag ich nicht beizupflichten. Ich glaube, daß es unzweckmäßig wäre und den Ausdruck eines nach meiner Auffassung nicht von vornherein gerechtfertigten Mißtrauens des Bundestages gegenüber den verfassungsmäßigen Organen bedeuten würde, die an der Verkündung und ihrer Herbeiführung beteiligt sind, wenn eine solche reglementierende Frist eingeführt würde. Ich glaube, daß es dem guten Einvernehmen zwischen dem Parlament, dem Bundespräsidenten, den verfassungsmäßigen Organen der Bundesregierung dienen kann, wenn die Festsetzung einer solchen Frist im Grundgesetz selbst unterbleibt.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die einzige Bestimmung, die das Grundgesetz über die Möglichkeit der Regierung enthält, ein vom Bundestag ordnungsmäßig verabschiedetes Gesetz durch ein Veto irgendwie aufzuhalten, ist der Art. 113. Dieser Art. 113 ist im Parlamentarischen Rat auf Anregung des damaligen Kollegen Herrn Dr. Höpker-Aschoff beschlossen worden, des Parteifreundes des Herrn Justizministers Dehler. Es ist im Parlamentarischen Rat auch nicht entfernt bestritten worden, daß die Regierung die Verpflichtung hat, vom Bundestag beschlossene Gesetze unverzüglich an den Bundespräsidenten zur Ausfertigung weiterzuleiten. Nur um zu verhindern, daß der Bundestag Beschlüsse faßt, die Verpflichtungen finanzieller Natur beinhalten, die über die eingesetzten Etatmittel hinausgehen und also den Haushalt nach Auffassung der Regierung ungebührlich belasten, hat man der Regierung ein Vetorecht eingeräumt. Das ist das einzige Vetorecht, das das Grundgesetz enthält.
Wenn der Herr Bundesjustizminister jetzt erklärt, er sei der Auffassung, daß er auch nach ordnungsmäßiger Verabschiedung eines Gesetzes durch den Bundestag verpflichtet sei oder die Verpflichtung fühle, dieses Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu untersuchen, und wenn er dann sagt, daß er seine Unterschriftleistung davon abhängig mache, daß er die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bejaht, dann maßt sich der Herr Justizminister damit ein Recht an, das in der Verfassung keine Grundlage hat. Wenn die Bundesregierung gegen ein Gesetz Bedenken hat, das im Bundestag behandelt wird, das ja vorher den Bundesrat durchlaufen muß, dann hat sie die Verpflichtung, diese Bedenken vor der endgültigen Verabschiedung hier im Bundestag vorzutragen und zu begründen. Ist aber ein Gesetz einmal beschlossen, dann ist die Regierung gehalten, anzuerkennen, daß das ein ordnungsmäßiges, verfassungsmäßig zustande gekommenes Gesetz ist. Ich erkenne der Regierung höchstens die Möglichkeit zu, im Prozeß der Weiterleitung dieses ordnungsmäßig beschlossenen Gesetzes an den Bundespräsidenten den Bundespräsidenten auf gewisse Mängel formaler Natur aufmerksam zu machen. Aber die Entscheidung darüber, ob das Gesetz vom Bundespräsidenten durch ein Veto vorübergehend angehalten werden
soll, liegt nur beim Bundespräsidenten und nicht bei der Regierung.
Daß es bei dem Art. 113 nur auf die aufgezeigte Einschränkung angekommen ist, ist ganz eindeutig. Der Entwurf von Herrenchiemsee wollte j a seinerzeit der Regierung ein gewisses Vetorecht genereller Natur zugestehen. Dieses Vetorecht hat der Parlamentarische Rat abgelehnt. Er hat nur dieses Vetorecht auf der Basis des Art. 113 anerkannt. Wenn die Bundesregierung mit derartigen Begründungen, wie sie der Herr Bundesjustizminister heute hier gegeben hat, dem Bundestag verfassungswidrige Auffassungen oktroyieren will
— ja, sicher wird das versucht —, dann ist das eine Sache, die der Herr Justizminister mit dem Bundestag abzumachen hat. Was ist das für eine komische Erklärung, es träten dann in dem Falle die üblichen Konflikte ein? Was sind das für Konflikte? Ein Minister, der die Verfassung bricht, hat abzutreten. Einen anderen Konflikt gibt es doch gar nicht. Ein Minister, der sich erlaubt, die Verfassung brechen zu wollen, wird unter das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gestellt. Das ist doch Ihre Verfassung, meine Damen und Herren, die Sie gemacht haben!
Die Sache an sich hat also durch diese sehr fragwürdige Erklärung des Herrn Bundesjustizministers eine Verschärfung erhalten, die wirklich vom gesamten Bundestag beachtet werden muß. Diese Art der Auslegung, Herr Justizminister, der Sie sich neuerlich neben Herrn Dr. Lehr berufen fühlen, scheinbar die Verfassung zu schützen, ist so gefährlich, daß man mit Fingern darauf zeigen muß, um Ihnen rechtzeitig, wenn ich so sagen darf, den Star zu stechen und Ihnen beizubringen, daß Sie endlich auch einmal auf anderen Gebieten die bewiesenen Verfassungsbrüche abstellen sollten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Börsenzulassung umgestellter Wertpapiere .
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, sich mit der Entgegennahme der gedruckten Begründung zu begnügen und auf Aussprache zu verzichten. Ist das Haus einverstanden? — Die Vorlage wäre zu überweisen an die Ausschüsse für Geld und Kredit — federführend — und für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dann rufe ich auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der
Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes .
Meine Damen und Herren! Hier schlägt der Ältestenrat vor, für die Begründung 10 Minuten und für die Aussprache im Höchstfalle 40 Minuten vorzusehen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr.-Ing. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht nicht überflüssig, daß ich die Begründung dieses Antrages mit dem Hinweis beginne, daß es sich hier um keine Angelegenheit handelt, die irgendwie mit Volksbelustigung, mit Vergnügungsveranstaltungen oder auch nur mit Pseudofolklore in Zusammenhang gebracht werden kann oder auch darf. Wenn ich im folgenden besonders auf die Verhältnisse der bayerischen Trachtenvereine hinweise, so geschieht das nur deswegen, weil ich sie am besten kenne und weil sie vielleicht am lebendigsten sind. Es soll aber dieser Teil für das Ganze stehen.
Das Schwergewicht der vorgeschlagenen Gesetzesänderung darf nicht so sehr in der finanziellen Maßnahme und in der finanziellen Auswirkung gesehen werden, sondern es liegt im Bereich der Gesellschaftsordnung. Der Bund soll zeigen, daß er eine verständnisvolle Haltung für die Heimat- und Volkstrachtenvereine einnimmt, die sich in einer Zeit der Auflösung der überkommenen Lebensformen bemühen, durch Bewahrung und Festigung des Erhaltenswerten einen Kristallisationspunkt für die weitere Entwicklung und für die Neugestaltung unseres Volkslebens zu schaffen. Es ist deshalb eine kulturpolitische und staatspolitische Pflicht, die Bestrebungen dieser Vereine zu unterstützen.
Die Trachtenvereine haben mit Duliöh-Veranstaltungen, mit Seppl-Kostüm oder Modehaus-Dirndln nicht das geringste zu tun; im Gegenteil, damit stehen sie im schärfsten Kampf. Die Gebirgstrachtenerhaltungsvereine pflegen gemäß ihrem Wahlspruch „Treu dem guten alten Brauch" nicht nur die Tracht, sondern auch Brauchtum und Sitte und nicht zuletzt den Dialekt als Urquell unserer Sprache. Es ist auch durchaus nicht so, daß in einem historisierenden Romantizismus versucht wird, Altes, Abgestorbenes aus dem Museum hervorzuholen und wieder lebendig zu machen. Nein, die lebendige Tracht soll erhalten werden gegen den Ansturm der gleichmachenden Allerweltsmode.
Die Tracht hat j a nicht nur eine ästhetische und bildmäßige Wirkung, sondern sie zwingt auch zu Haltung und Würde. Jeder, der einmal ein bayerisches Trachtenfest mitgemacht hat, staunt darüber, wie trotz aller Lebendigkeit, aller Fröhlichkeit und Heiterkeit die Trachtler — Bauern und Bäuerinnen, Landarbeiter, Handwerker — durch die Tracht gehalten werden, Haltung und Würde zu zeigen.
Weiterhin darf der erzieherische Einfluß der Trachtenvereine auf die Jugend nicht übersehen werden. Die Trachtenvereine übermitteln j a der bäuerlichen Jugend das bäuerliche Kulturgut.
Ich möchte eins noch besonders betonen: Obwohl die Versuchung sehr nahe lag und sehr groß war, haben sich die Trachtenvereine mit aller Energie dagegen gewehrt, für die Blut- und Boden-Propaganda Hitlers ausgenutzt zu werden. Sie haben sich lieber auflösen lassen, als seinerzeit den Blubo-
Rummel mitzumachen. Allein dies zeigt schon, mit welch hohem Verantwortungsgefühl die Heimat- und Trachtenvereine sich bemühen, ihre kulturelle Aufgabe zu erfüllen. Sie werden hierbei in keiner Weise vom Staat finanziell unterstützt, im Gegensatz z. B. zu Österreich, wo sich der Staat unter großem finanziellen Aufwand bemüht, neue Trachtenschöpfungen einzuführen.
Die Mitglieder der Heimat- und Trachtenvereine sind meist Leute mit kleinem Einkommen: Bauern, Landarbeiter, ländliche Handwerker. Sie nehmen dem Staat einen wesentlichen Aufwand und Kosten ab, die er sonst für die kulturelle Betreuung der Landbevölkerung aufbringen müßte. Schon aus diesem Grunde ist es berechtigt, auf steuerlichem Gebiet die Arbeit dieser Vereine zu unterstützen.
Verhindern möchten wir aber, daß Nutznießer und Parasiten mit diesem Antrag Geschäfte machen, die Nutznießer nämlich, die die Tracht und das Brauchtum in schreienden Karikaturen für ihre geschäftlichen Zwecke verwenden. Deshalb soll den Vereinen die Vergünstigung gewährt werden, nur soweit wirklich ein höheres kulturelles Interesse vorliegt und soweit der Umsatz im Kalenderjahr nicht über 8000 DM hinausgeht. Wir würden es durchaus für berechtigt halten, wenn bei der Prüfung des kulturellen Wertes ein sehr strenger Maßstab angelegt werden würde. Ich glaube, daß wir damit einem Wunsch der Heimat- und Trachtenvereine selber nachkommen würden.
Wir hoffen, daß das Hohe Haus mit der Annahme unseres Antrags einen Beitrag zur Erhaltung unseres Volkstums und Brauchtums leistet, und wir würden es begrüßen, wenn der Antrag ohne vorherige Überweisung in den Ausschuß angenommen würde.
Der Antrag ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Mertins.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meiner Fraktion scheint dieser Antrag etwas umfassend, etwas allgemein und etwas verschwommen zu sein. Wenn ich z. B. den Satz lese: „soweit ein höheres kulturelles Interesse dabei obwaltet", dann kommt mir in den Sinn, daß zwischen der Kulturauffassung z. B. des Herrn Hundhammer in Bayern und der der sozialdemokratischen Fraktion immerhin eine gewisse Lücke klafft. Wenn ich das Wort „Trachtenvereine" lese, dann kommt mir in den Sinn, daß man vielleicht auch aus einer Zillertaler Kirmeskapelle einen Trachtenverein machen kann. Ich glaube nicht, daß es im Interesse der Antragsteller sein kann, eine solche Auslegung dieses Gesetzes zuzulassen.
Nach der Auffassung meiner Freunde ist es auch nicht richtig, immer wieder wegen Einzelfragen in die Gesetzgebung einzugreifen. Wir wissen, daß wir bei der Beratung des Umsatzsteuergesetzes schon einige andere Befreiungsfragen diskutiert haben. Schon damals waren wir der Meinung, auch über den Begriff „Steuerfreiheit bei kulturellen Veranstaltungen" müßte einmal ausgiebig und grundsätzlich diskutiert werden. Wir halten es auch für richtig, daß dieses Gesetz, wenn es eine vernünftige Form bekommen soll, erst einmal den Ausschuß passiert, damit man dort zu Begriffen kommt, mit denen man etwas anfangen kann. Meine Fraktion ist daher bereit, im Ausschuß über dieses Gesetz bzw. über eine Abänderung zu diskutieren.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Es ist der Antrag gestellt, den Entwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist überwiesen. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 2751 der Drucksachen).
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miessner als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Änderung eines Steuerparagraphen der Reichsabgabenordnung. Die Sache hat eine nicht geringe materielle Bedeutung auf dem Gebiet des Steuerrechts und damit des Wirtschaftslebens.
Im Steuerstrafrecht haben wir die eigenartige Bestimmung der sogenannten „tätigen Reue". Durch § 410 der Reichsabgabenordnung ist die Möglichkeit gegeben, auch nach Vollendung eines Steuerdelikts durch Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen.
Um die Bedeutung der jetzt vorgebrachten Gesetzesvorlage darzulegen, ist es notwendig, eine kurze vergleichende Betrachtung der bisherigen Fassungen des § 410 der Reichsabgabenordnung voranzustellen.
Bis zu der bizonalen Regelung vom 20. April 1949 hatten wir eine Fassung des § 410 mit folgendem Inhalt: Um Straffreiheit zu erlangen, also um die Möglichkeit zu haben, ein begangenes Steuerdelikt doch noch straffrei sein zu lassen, war in objektiver Hinsicht Voraussetzung, daß noch „keine Anzeige erstattet" oder noch „keine Untersuchung eingeleitet" war. Die „Einleitung der Untersuchung" hatte nun für den Steuerpflichtigen ihren Haken. Sie konnte nämlich darin bestehen, daß von der zuständigen Stelle des Finanzamts durch einen Aktenvermerk das Verfahren eingeleitet war, ohne daß der Steuerpflichtige davon Kenntnis erhielt. Das war recht unbefriedigend; denn es konnte vorkommen, daß der Steuerpflichtige guten Willens „tätige Reue" üben wollte, nun aber wegen dieses Aktenvermerks, von dem er gar nichts wußte, doch keine Straffreiheit erhielt. Die Regelung bis 1949 hatte ferner in subjektiver Hinsicht zur Voraussetzung, daß die Selbstanzeige nicht durch die unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlaßt sein durfte.
In der Absicht, die während der RM-Zeit besonders abgesunkene Steuermoral zu heben, glaubte man nach der Währungsreform, die Möglichkeit der Straffreiheit bei Steuerdelikten etwas erleichtern zu müssen. So stand die Neufassung durch das zweite Steuerneuordnungsgesetz der Bizone im April 1949 unter dem Motto, die Voraussetzungen für die „tätige Reue" zu mildern. Das geschah dadurch, daß man die Möglichkeit der Straffreiheit nur dann ausschloß, wenn ein steuerliches Strafverfahren dem Steuerpflichtigen gegenüber bereits eröffnet war. Es genügte also nicht mehr der einfache Aktenvermerk im internen Betrieb des Finanzamtes, sondern dem Steuerpflichtigen mußte amtlich davon Kenntnis gegeben werden, daß gegen ihn bereits ein Steuerstrafverfahren in Gang gesetzt worden ist. Das fand in den Worten „Strafverfahren eröffnet" seinen Niederschlag. Dies war eine wirkliche Verbesserung der Bestimmung in jeder Hinsicht.
Allerdings war man nun auch der Meinung, daß auf die subjektive Seite ganz verzichtet werden könnte. So war also von 1949 bis heute nur diese eine objektive Voraussetzung: Eröffnung des Strafverfahrens, für die Ausübung der „tätigen Reue" hinderlich. Dies hat in der Praxis zu ganz merkwürdigen Situationen geführt. Es konnte
vorkommen, daß der Prüfer bei der steuerlichen Betriebsprüfung Steuervergehen feststellte und der Steuerpflichtige sich das in aller Ruhe ansah, aber nach Schluß der Prüfung, wenn der Betriebsprüfer ihm alles vorgerechnet hatte, ein Auto nahm, vor dem Prüfer zum Finanzamt fuhr und bezüglich des ganzen vom Finanzprüfer vorgetragenen Sachverhalts „tätige Reue" übte. Das ist natürlich nicht im Sinne der Hebung der Steuermoral, die man an sich hatte erzielen wollen. Der Steuerpflichtige konnte aber so verfahren, weil man durch das Zweite Steuerneuordnungsgesetz jegliches subjektive Moment als Voraussetzung ausgeschaltet hatte. Ob er sich objektiv in der Gefahr der unmittelbaren Entdeckung befand oder ob er nur glaubte, daß er sich darin befand, das alles spielte ja keine Rolle mehr.
Hinzu kommt, daß das, was ein Steuerpflichtiger in dieser Weise ausgeknobelt und vorexerziert hatte, durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart gedeckt wurde. Dieses Gericht erklärte nämlich eine strafbefreiende Selbstanzeige auch dann noch für zulässig, wenn sich der Täter lediglich die Feststellung des Betriebsprüfers zu eigen mache und das Ergebnis der Prüfung der Steuerbehörde als Berichtigung mitteile. Gerade dieses Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart war wohl der Anlaß für die Bundesregierung, uns eine Gesetzesvorlage zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung vorzulegen. Man kann die jetzige Änderung daher geradezu „Lex Oberlandesgericht Stuttgart" nennen.
Naturgemäß hatte die jetzige Vorlage wieder eine Verschärfung der Bestimmungen zum Ziel. Das Pendel sollte wieder in der anderen Richtung — Regelung wie vor 1949 — ausschlagen. Aber die Dinge sind nun doch nicht so gelaufen, daß wir jetzt etwa wieder zu dem Zustand von vor 1949 zurückgekehrt sind. Denn die Situation, daß die „tätige Reue" lediglich durch einen internen Aktenvermerk des Finanzamtes ausgeschlossen wurde, sollte es nicht wieder geben. Insofern haben die Regierung ebenso wie der Finanz- und Steuerausschuß, der die Regierungsvorlage im übrigen aber in mehrfacher Hinsicht geändert hat, daran festgehalten, daß es nicht auf die Einleitung der Untersuchung, sondern auf die Eröffnung des Verfahrens als eine der objektiven Voraussetzungen, die gegebenenfalls die Straffreiheit ausschließen, ankommt. Die jetzige Regelung knüpft also unmittelbar an den geltenden Rechtszustand an, der zweifellos insoweit eine notwendige Verbesserung gegenüber dem Rechtszustand bis 1949 gebracht hat.
Um nun aber die Dinge abzustellen, die sich in den letzten zwei Jahren bei der zu weitgehenden Erleichterung der tätigen Reue eingeschlichen haben, hat man zwei weitere Voraussetzungen in den Gesetzentwurf aufgenommen. Die beiden neuen Tatbestände, die die tätige Reue und die strafbefreiende Selbstanzeige verhindern, sind folgende. Erstens kann man heute keine „tätige Reue" mehr üben, wenn die Betriebsprüfung im Hause ist. Das ist der entscheidende praktische Unterschied gegenüber allen bisherigen Regelungen, sowohl vor als auch nach 1949, und das ist natürlich sehr wesentlich, zumal wenn man weiß, daß die Betriebsprüfung ein ganz normales finanzamtliches Verfahren ist, das sich turnusmäßig alle drei Jahre in jedem Betrieb wiederholt. In den § 410 Abs. 1 ist jetzt wörtlich eingefügt, daß „tätige Reue" nicht mehr geübt werden kann, wenn ein Prüfer der Finanzbehörde zur steuerlichen oder steuerstrafrechtlichen Prüfung erschienen ist. Das ist, ich möchte sagen, der praktisch wesentlichste Punkt, in dem der vorliegende Gesetzentwurf geändert worden ist
Daneben hielt man es aber für notwendig, auch in subjektiver Hinsicht in gewissem Sinne an den früheren Rechtszustand wieder anzuknüpfen. Das kommt durch Abs. 2 zum Ausdruck, in dem es heißt:
Straffreiheit tritt nicht ein, wenn der Täter im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung wußte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte, daß die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war.
Es kommt — darüber ist in den Ausschußberatungen eingehend gesprochen worden — nicht allein darauf an, ob etwa die Entdeckung der Tat unmittelbar bevorstand, sondern die Ausschließung der Straffreiheit ist von dem subjektiven Moment abhängig, ob der betreffende Steuerpflichtige davon wußte oder jedenfalls bei verständiger Würdigung damit rechnen mußte. Aber, wie gesagt, dieser Abs. 2 ist zwar gegenüber dem jetzt geltenden Recht, das gar kein subjektives Moment kennt, eine Neuerung, lehnt sich jedoch im großen und ganzen an das frühere Recht an, das bis 1949 galt.
Im Abs. 3 hat der § 410 noch eine gewisse Besonderheit. Es ist gesagt, daß die Straffreiheit nur eintritt, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, innerhalb einer bestimmten Zeit, die ihm vom Finanzamt gesetzt ist, nachentrichtet. Auch darüber hat der Ausschuß des längeren beraten. Von juristischer Seite her wird es immer als ein Rückschritt angesehen, wenn irgendeine Tat durch den Erfolg qualifiziert wird; denn durch den Erfolg qualifizierte Delikte gehören ja bekanntlich nicht in den Bereich eines modernen Strafrechts. Trotz dieser Überlegungen, die für das allgemeine Strafrecht maßgebend sind, ist der Ausschuß mit der Regierung der Meinung gewesen, daß diese Bestimmung doch in das Gesetz gehöre. Zu dieser Meinung ist der Ausschuß aus rein praktischen Erwägungen gekommen. Es darf nämlich nicht dahin kommen, daß jemand zunächst einmal ein Steuervergehen begeht, dann „tätige Reue" übt und, wenn er zahlen soll, erklärt, er habe nichts. Diese Situation wäre ziemlich unerträglich. Darum müssen wir diese im Sinne des allgemeinen Strafrechts rückschrittliche Bestimmung schon in Kauf nehmen.
Der Abs. 4 des § 410 ist an sich keine Neuerung. Hierdurch haben lediglich die Einzelbestimmungen aus der ersten Durchführungsverordnung vom 2. Juni 1949 zum Zweiten Steuerneuordnungsgesetz ihre gesetzliche Grundlage erhalten. Das ist erfreulich, denn die Übersichtlichkeit wird dadurch besser gewahrt.
Nun finden Sie, meine Damen und Herren, daß in dem § 410 des Entwurfs zwei Paragraphen nicht mehr aufgeführt sind, die bis jetzt in diesem Paragraphen genannt waren. Das ist zunächst der § 401 b der Reichsabgabenordnung. Der § 401 b betraf den gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder gewaltsamen Schmuggel. Diese Frage ist ja heute sehr aktuell. Man war allerseits der Meinung, daß für solche schwere Delikte die Vergünstigung der strafbefreienden Selbstanzeige überhaupt ausgeschlossen sein sollte. Ich glaube, dagegen ist nichts zu sagen. Es dürfte praktisch auch keine große Rolle spielen. Wer bandenmäßigen Schmuggel betreibt,
der kommt ohnehin kaum auf die Idee, „tätige Reue" üben zu wollen.
Wesentlich ist aber, daß auch der § 402 nicht erwähnt ist. Der § 402 betrifft im Gegensatz zu § 396 nicht die Steuerhinterziehung, sondern die Steuergefährdung, also die fahrlässige Steuerverkürzung. Man war im Ausschuß der Meinung, daß die neuen verschärfenden Bestimmungen des § 410 durchaus ihre Berechtigung hätten für den Fall des Vorsatzes, daß sie aber zu scharf und zu einschränkend seien bei der großen Zahl der fahrlässigen Steuerdelikte. So ist der § 402 im § 410 nicht mehr auf geführt und dafür ein neuer § 411 geschaffen worden. Die Paragraphenziffer 411 war in der gegenwärtigen Reichsabgabenordnung frei; daher konnte die freie Stelle mit dieser Bestimmung ausgefüllt werden. Diese Abweichung von der Regierungsvorlage ist nun etwas sehr Wesentliches, denn bei der größten Zahl der Steuerdelikte wird es sich in subjektiver Hinsicht um Fahrlässigkeit handeln. Damit ist nun für den Fall der Fahrlässigkeit bei Steuervergehen der bisherige Rechtszustand beibehalten worden, so daß die „tätige Reue" mit strafbefreiender Wirkung lediglich dann ausgeschlossen ist, wenn bereits ein Steuerstrafverfahren eröffnet, dem Betreffenden also amtlich die Einleitung eines Verfahrens bekanntgegeben worden ist. Hierbei spielen demnach weder die Tatsache einer schon in Gang befindlichen Betriebsprüfung, noch die subjektiven Momente des § 410 Abs. 2 — daß der Täter mit der Entdeckung rechnen mußte usw. — eine Rolle. Demgemäß sind in § 411 Abs. 2 auch nur die Abs. 3 bis 5 des § 410 angezogen worden.
Abschließend glaube ich, als Berichterstatter sagen zu können, daß mit dieser stärkeren Einengung der „tätigen Reue" bei Vorsatz einerseits und mit der Fortführung des geltenden Rechtes bei Fahrlässigkeit andererseits der rechte Mittelweg gefunden worden ist. Demgemäß hat auch der gesamte Ausschuß der jetzigen Fassung einmütig zugestimmt. Ich darf daher namens des Ausschusses das Hohe Haus bitten, diese Gesetzesvorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in der zweiten Beratung auf Art. 1 Ziffer 1, § 410. — Keine Wortmeldung. Ziffer 2, § 411; — Art. II; — Art. III, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich eröffne die Einzelaussprache. — Art. I bis III, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen eine Stimme angenommen.
Schlußabstimmung! Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen eine Stimme angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung des Schornsteinfegerwesens ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Nr. 2745 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dirscherl.
— Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Horlacher!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Namens der Fraktion der CDU/CSU und namens anderer Fraktionen, die den Antrag auch unterschrieben haben, beantrage ich erstens, den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu dieser Gesetzesvorlage zurückzustellen, und zweitens, die Vorlage auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen, damit die rechtlichen Belange genau nachgeprüft werden können.
Wir sind an sich mit der Linie des Gesetzentwurfs, mit der Fürsorge für den Nachwuchs im Schornsteinfegergewerbe, einverstanden. Wir möchten aber auch, daß im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht alle rechtlichen Fragen geprüft werden, damit auf diesem Gebiet eine völlig gerechte Ordnung herbeigeführt werden kann, denn gerade beim Schornsteinfegerwesen ist sie notwendig. Das ist einer der schönsten auf lichter Höhe ausgeübten Berufe und ist außerdem für viele Menschen ein glückverheißender Beruf, so daß wir alle Veranlassung haben, hier für Recht und Ordnung zu sorgen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Lange.
Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion muß ich diesem Antrag des Herrn Kollegen Dr. Horlacher widersprechen. Ich will vermeiden, in eine Sachdebatte einzutreten, aber
— ja, damit hat er recht gehabt — um dem Hause Gelegenheit zu geben, zu den anstehenden Fragen Stellung zu nehmen, sollten wir die zweite und dritte Lesung vornehmen. Wir sollten mindestens den Bericht des Herrn Berichterstatters entgegennehmen, damit die Dinge klar werden. Sonst bin ich gezwungen, im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte einige sachliche Bemerkungen zu machen. Ich bitte also den Herrn Präsidenten, so zu verfahren, daß wir erst den Berichterstatter zu Worte kommen lassen.
Ich muß über den Antrag abstimmen lassen, und zwar über den weitestgehenden Antrag.
— Sie können in der Geschäftsordnungsdebatte keine Ausführungen zur Sache machen.
Ich muß abstimmen lassen über den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Mit den Schornsteinfegern scheint es so eine Sache zu sein; so ganz sicher scheint das mit dem Glück nicht zu sein, Herr Kollege Horlacher!
Wer für die Überweisung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war zweifelsfrei die Mehrheit, dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist damit stattgegeben.
Ich rufe auf Punkt 9 des Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrat der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Nrn. 2741, 2626 der Drucksachen).
Berichterstatter ist die Abgeordnete Frau Hütter.
Ich finde hier einen Vermerk, daß ohne Aussprache Beschluß gefaßt werden soll. Ist das Haus damit einverstanden, Beschluß zu fassen, ohne vorher den Bericht der Frau Bericherstatterin angehört zu haben?
— Dann bitte ich, das Wort zu ergreifen.
Ich möchte dem Hohen Hause sagen, daß der von der Bundesregierung geforderte Gesetzentwurf bereits fertiggestellt ist. Es finden zur Zeit Verhandlungen zwischen den Ressorts statt. Er wird ganz bestimmt noch im Laufe dieses Monats an den Bundesrat gehen. Die Erfüllung der Forderung, den Gesetzentwurf bis zum 30. November dem Bundestag zuzuleiten, ist allerdings eine Unmöglichkeit.
Bleibt das Haus auch nach der Erklärung der Regierung bei seiner Meinung? — Die Frage ist allerdings, ob der Antrag des Ausschusses nach dieser Feststellung nicht gegenstandslos geworden ist. Ich möchte aber annehmen, daß dies nicht der Fall ist. Ich lasse also abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 2741 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Naegel, Dr. Greve, Dr. Hasemann und Genossen betreffend Verkehrsflughafen für Niedersachsen und über den Antrag der Abgeordneten Dr. Wellhausen, Strauß, Dr. Seelos und Genossen betreffend Verkehrsflughafen für Nordbayern (Nrn. 2732, 2120, 2553 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Haushaltsausschusses in dieser Sache kann verhältnismäßig kurz sein.
Es liegen dem Hause zwei Anträge vor. der Antrag Drucksache Nr. 2120 vom 5. April 1951, der sich mit dem Verkehrsflughafen für Niedersachsen im Raume Hannover beschäftigt, und der Antrag Drucksache Nr. 2553 vom 11. September 1951 über den Verkehrsflughafen für Nordbayern im Raume Nürnberg.
Der Verkehrsausschuß hat sich mit beiden Anträgen befaßt und dem Haushaltsausschuß gegenüber folgende Stellungnahme zum Ausdruck gebracht:
Der Ausschuß für Verkehrswesen erkennt nach eingehender Prüfung und Beratung die verkehrspolitische Notwendigkeit für die Verkehrsflughäfen für Niedersachsen und Nordbayern grundsätzlich an. Der Ausschuß für Verkehrswesen vertritt jedoch die Auffassung, daß die vom Bund dafür bereitzustellenden Mittel keinesfalls zu Lasten des bereits bestehenden Etats gehen dürfen.
Das heißt, die bereits in den Haushaltsplänen vorgesehenen Ansätze für ähnliche Zwecke dürften durch die Bereitstellung von Mitteln für diese Flughafenprojekte nicht geschmälert werden. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß wir dann eben an anderer Stelle des Haushalts zusätzlich Mittel bereitstellen müssen, um diesen An- trägen entsprechen zu können.
Es hat im Haushaltsausschuß eine Debatte gegeben, die im wesentlichen dadurch ausgelöst wurde, daß, wie wir feststellten, der Herr Bundesfinanzminister den beiden Anträgen mit unterschiedlichem Wohlwollen gegenübersteht. Das Bundesfinanzministerium war durchaus bereit, Mittel für den Flughafen in Nordbayern vorzusehen, hatte sich aber noch nicht entschlossen, in seiner Planung die Bereitstellung von Mitteln für den Verkehrsflughafen für Niedersachsen vorzusehen.
Dem Ausschuß und auch dem Hause ist eine ganze Reihe von Zahlen unterbreitet worden, aus denen hervorgeht, daß das Verkehrsbedürfnis für einen Flughafen im Raume Hannover dem im Raume Nürnberg mindestens gleichzuachten ist. Wir haben in Deutschland bis zum heutigen Tage keinesfalls zu viele Flughäfen. Es handelt sich nicht um eine Fehlinvestition. Nehmen wir zum Vergleich etwa die englischen Verhältnisse. Großbritannien hat annähernd die gleiche Größe wie die Bundesrepublik, annähernd die gleiche Bevölkerung, eine sehr ähnliche industrielle Struktur. In Großbritannien gibt es 25 Flughäfen, in der Bundesrepublik 10. In Großbritannien sind in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni, also in einem halben Jahr, auf diesen Flughäfen 197 000 Flugzeuge angekommen und abgeflogen, in der Bundesrepublik nur 18 000. Die Zahl der Fluggäste hat in Großbritannien fast eine Million erreicht; in der Bundesrepublik beträgt sie 471000. Auf 1000 Einwohner entfallen in Großbritannien 21 Fluggäste, in der Bundesrepublik 11. Das zeigt eindeutig, daß wir noch mit einer sehr erheblichen Verstärkung des Luftverkehrs rechnen müssen, zumal von dem Zeitpunkt ab, in dem die
Bundesrepublik wieder Herr ihres Luftraumes sein wird, in dem die Lufthoheit wieder auf Deutschland übergegangen sein wird.
Der Haushaltsausschuß hat daher — gegen vier Stimmen; das möchte ich nicht verschweigen — die Meinung vertreten, die ich Ihnen hier vortrage, daß man beide Projekte gleich behandeln sollte. Der Haushaltsausschuß hat sich dagegen nicht entschließen können, jetzt schon zu sagen, in welcher Höhe Mittel in den Haushalt eingesetzt werden müßten, in welcher Reihenfolge die Mittel in den kommenden Jahren etwa zu verbauen wären und in welcher Weise die Mittel gegeben werden sollen, ob als Zuschuß oder als Darlehen. Das ist alles noch nicht endgültig geklärt. Die Bundesregierung muß erst noch klären, in welcher Weise sich der Bund an den Flughafengesellschaften finanziell beteiligt. In welchem Tempo die Bauarbeiten vonstatten gehen, das kann man jetzt noch nicht wissen; aber es soll angefangen werden. Deshalb schlägt Ihnen der Haushaltsausschuß vor,
die Bundesregierung zu ersuchen, für den Ausbau der Verkehrsflughäfen bei Nürnberg-
Kraftshof und Hannover-Langenhagen im zweiten Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 Mittel zur Verfügung zu stellen.
Das Gesamtprogramm wird dem Hause also noch anläßlich der Beratung des zweiten Nachtrags zu unterbreiten sein. Wieviele Teile des Programms noch in diesem Jahre verwirklicht werden können, weiß der Haushaltsausschuß nicht; das muß von der Regierung untersucht werden. Der Haushaltsausschuß möchte aber nicht, daß etwa in Nürnberg begonnen und in Hannover gezögert wird, oder umgekehrt. Er möchte, daß die beiden Flughäfen, die eine durchaus vergleichbare Lage haben, gleichzeitig vom Bund fördernd betreut und die Projekte in Angriff genommen werden.
Ich darf Sie im Auftrage des Haushaltsausschusses bitten, der Drucksache Nr. 2732 in der vorgetragenen Fassung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme des Ausschußantrags auf Drucksache Nr. 2732 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz und Genossen betreffend Räumung des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung (Oberpfalz) (Nrn. 2733, 2597 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der 168. Sitzung des Deutschen Bundestages hat die hier zur Entscheidung stehende Frage, nämlich der Antrag der Abgeordneten Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz und Genossen auf Drucksache Nr. 2597, zur Diskussion gestanden. Der Herr Bundesfinanzminister hat damals bestimmte Erklärungen zu den vorliegenden Fragen abgegeben. Er hat darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung sich ihrerseits bereits bemüht habe, eine Hinausverlegung des Räumungstermins zu erreichen. Der Herr Bundesfinanzminister hat auch bestimmte Erklärungen in bezug auf die Bereitstellung der erforderlichen Mittel, die in dem Antrag der Abgeordneten Kahn und Genossen gefordert werden, abgegeben.
Der Antrag selbst geht davon aus, daß die Bundesregierung gebeten werden soll, durch Verhandlungen mit den zuständigen amerikanischen Besatzungsbehörden zu erreichen, daß die Räumung des für militärische Zwecke beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung bis zum 1. Februar 1952 verschoben wird, und daß zweitens eine sofortige Bereitstellung von 20 Millionen DM für die durch die Räumung entstandene Besitzablösung gewährleistet werden soll. In einer eingehenden Aussprache hat sich der Haushaltsausschuß mit dem ihm überwiesenen Antrag befaßt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dem Hohen Hause zu empfehlen, Punkt 1 des Antrages unverändert anzunehmen, d. h. der Bundesregierung zu empfehlen, mit den zuständigen amerikanischen Besatzungsbehörden zu verhandeln, um eine Hinausschiebung des endgültigen Räumungstermins bis zum 1. Februar 1952 trotz der in weiten Teilen ablehnenden Haltung der amerikanischen Militärbehörden doch noch zu erreichen. Unter Punkt 2 schlägt der Haushaltsausschuß vor, einen Betrag von 20 Millionen DM mit der Maßgabe anzufordern, daß es sich zunächst um 20 Millionen DM handeln soll, die in dem Einzelplan XXVII des Bundeshaushalts etatisiert werden sollen.
Mit der Annahme dieses Antrages des Haushaltsausschusses würden die Umdrucke Nr. 333, 334 und 337, die sich in der Hauptsache auf die Entschädigungen beziehen, als erledigt angesehen werden können, ebenso auch diejenigen Erklärungen, die der Herr Bundesfinanzminister in der 168. Sitzung des Deutschen Bundestages abgegeben hat. Ich darf auf das Stenographische Protokoll über die damaligen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzminister im Anschluß an die Reden der Herren Abgeordneten Kahn und Dr. Meitinger ausdrücklich Bezug nehmen.
Namens des Haushaltsausschusses empfehle ich Ihnen die Annahme des Antrages des Ausschusses vom 24. Oktober 1951 auf Drucksache Nr. 2733.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Redezeit auf 40 Minuten festzusetzen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden bei dem Problem Hohenfels wahrscheinlich mit einer geringeren Redezeit zu Ende kommen. Ich habe in der 168. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Oktober dieses Jahres den Antrag gestellt, durch Verhandlungen zu versuchen, den Räumungstermin vom 15. November bis zum 1. Februar 1952 hinauszuschieben. Der Herr Kollege Ritzel als Berichterstatter des Haushaltsausschusses hat eben erwähnt, daß der Haushaltsausschuß sich positiv zu Punkt 1 unseres Antrages geäußert habe. Leider sind die Dinge durch die Verhältnisse überholt. Mit dem 15. November dieses Jahres ist der gesamte Raum Hohenfels in der Oberpfalz bereits geräumt und von den amerikanischen Besatzungstruppen beschlagnahmt worden.
Zu Punkt 2 unseres Antrages darf ich dem Haushaltsausschuß den Dank dafür aussprechen, daß er zunächst eine sofortige Bereitstellung von 20 Millionen DM aus Einzelplan XXVII genehmigt hat. Ich glaube auch, daß das Haus heute dem Antrage des Haushaltsausschusses stattgeben und der Vorschlag des Haushaltsausschusses realisiert werden wird.
Meine Damen und Herren! Als durch die süddeutschen Zeitungen und durch die Presse der Oberpfalz die Nachricht ging, daß der Haushaltsausschuß eine sofortige Bereitstellung von 20 Millionen DM realisieren wird, ist unten in dem geräumten Gebiet bei der Bevölkerung, die dieses Gebiet verlassen mußte, manche Unruhe geschwunden. Im großen und ganzen ist zu sagen, daß dadurch eine einigermaßen günstige Gelegenheit geboten wurde, die Bevölkerung, die ihren Besitz verlassen mußte, zu entschädigen, wie es nach bestem Wissen und Gewissen geschehen konnte.
Ich würde herzlich bitten, dem Antrage des Haushaltsausschusses stattzugeben. Wir hätten damit das Problem Hohenfels, das in der Öffentlichkeit von Bayern zu so manchen stürmischen Auseinandersetzungen Anlaß gegeben und uns am 16. Oktober im Bundestag zu unserem Antrage geführt hat, doch in einer einigermaßen günstigen Form gelöst.
Das Wort hat der Abgeordnete Höhne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute wieder einmal mit dem Fall Hohenfels zu beschäftigen. Der Haushaltsausschuß schlägt vor, zunächst 20 Millionen DM zu gewähren, um die durch die Evakuierungen hervorgerufenen Schwierigkeiten zu bereinigen. Wir hören durch den Rundfunk und lesen in der Presse, daß der Fall Hohenfels nunmehr abgeschlossen sei und daß, wie der bayerische Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl erklärt hat, diese Frage sich günstiger entwickelt habe, als ursprünglich angenommen worden sei. So entsteht allseits die Meinung, daß die Angelegenheit Hohenfels eigentlich in Ordnung sei. Ich möchte Sie dringend bitten, meinen kurzen Detailausführungen zu folgen und daraus zu ersehen, wieweit die Regelung des Falles Hohenfels tatsächlich erfolgt ist und was noch zu tun ist, um die größten Schwierigkeiten zu beheben.
Der Fall Hohenfels ist nicht erledigt. Ich darf mir erlauben, Ihnen zu sagen, wieviele Bauern z. B. untergebracht worden sind. Wir kommen hier zu einem Ergebnis, das uns nicht angenehm sein kann. Der alte Truppenübungsplatz umfaßt 176 Bauernhöfe, wobei noch 50 Flüchtlingsbauern in Ausweichlagern sind.
-- Nein, das sind nicht alle. Im Erweiterungsgebiet warten noch 20 Bauern auf ihre Unterbringung. Die Verhältnisse sind also durchaus nicht in Ordnung. Ausweichquartiere sind keine seßhaften Höfe. Deshalb möchte ich dringend bitten, auch von Bonn aus alles zu tun, um dem Landessiedlungsamt in Bayern Möglichkeiten an die Hand zu geben, die noch in Ausweichquartieren befindlichen Bauern unterzubringen. Dazu sind brauchbare Vorschläge gemacht worden. Ich denke hier — der Herr Bundesfinanzminister ist leider nicht anwesend —
an das Gut Lerchenfeld. Lerchenfeld ist verkäuflich
und würde Raum für 30 Siedlungsstellen geben.
Lerchenfeld ist trotz wiederholter Vorlagen abgelehnt worden. Nun sind diese 70 Bauernstellen nirgendwo aufzutreiben. Untergebracht sind bisher an die 190. Wenn Sie bedenken, was Lerchenfeld beispielsweise für brauchbare und gute Siedlerstellen hergegeben hätte, und wenn Sie auf der anderen Seite betrachten, wie die Bauern im einzelnen auf Ganthöfe verwiesen worden sind, für die sie bei einem Einheitswert von 15 000 DM 55 000 und 60 000 DM gezahlt haben, dann müssen Sie zugeben, daß hier nicht planmäßig genug vorgegangen worden ist. Die Bauern, die eingewiesen worden sind, sind doch die Kleinbauern. Um die großen Bauern und die Holzbesitzer brauchte sich sowieso niemand zu bemühen. Diese haben durch ihren Holzeinschlag wahrlich so viel Mittel an die Hand bekommen, daß sie sich die wünschenswerten Objekte selber kaufen konnten. Gerade um die Kleinbauern geht es doch. Sie sitzen nun auf den Ganthöfen, die zum größten Teil in 20 Jahren vier- bis fünfmal den Besitzer gewechselt haben, und zwar alles mit öffentlichen Mitteln. Ordentliche Siedlerstellen werden nicht ernsthaft angestrebt. Das hat der Fall Lerchenfeld klar und eindeutig bewiesen.
Mit den Bauern ist aber das Problem Hohenfels nicht abgeschlossen. Was soll mit den Gewerbetreibenden und mit den Arbeitskräften in diesem Wirtschaftsgebiet geschehen, das zerstört oder abgeschnitten worden ist? Welche Möglichkeiten ergeben sich für die Flüchtlinge, die sich auch noch im Raum Hohenfels befinden? Hier ist bisher nichts geschehen. Noch gestern konnte mir das Landessiedlungsamt keine Auskunft geben, was mit den Gewerbetreibenden und den Arbeitern überhaupt geschehen soll. Es wäre eine dringende Aufgabe des Bundes, hier schleunigst einzugreifen, denn die Beschlagnahme des Truppenübungsplatzes ist eine Maßnahme übergeordneter Kräfte. Wir können die Regelung dieser Angelegenheit nicht dem Land Bayern überlassen. Hier muß der Bund eingreifen.
Welche Mittel und Wege haben wir, um die sichtbarsten Schäden zu beseitigen? Unter der Beseitigung der sichtbarsten Schäden verstehe ich, daß diejenigen, die durch die Beschneidung, Einengung und Zerstörung eines gesunden, gewachsenen Wirtschaftskreises betroffen sind, in Arbeit kommen, daß neue Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden, damit die Hoffnungslosigkeit dort nicht bis in alle Ewigkeit aufrechterhalten bleibt. Was gäbe es dort zu tun? Wenn ich heute den Antrag stellen wollte, die Straßen des Gebietes Hohenfels instand zu setzen, würde der Bund sagen: Das geht uns nichts an, die Instandsetzung der Straßen im Gebiet Hohenfels ist Sache des Landes Bayern und der Kreise! Dabei darf nicht vergessen werden, daß die dortigen Straßen, die jetzt sibirische Verhältnisse aufweisen, durch Maßnahmen übergeordneter Kräfte zerstört worden sind. Deshalb möchte ich doch dringend empfehlen, als erste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für das Gebiet Hohenfels die Straßenbauten vorzunehmen, die dringend notwendig sind, um einen regelmäßigen und ordnungsmäßigen Verkehr zu gewährleisten.
Ich erlasse mir eine Antragstellung hierfür und bitte den Bundestag, sich einstimmig für eine entsprechende Verwendung der 20 Millionen DM auszusprechen. An das Finanzministerium möchte ich die Bitte richten, außer diesen 20 Millionen DM, wenn möglich, noch weitere Mittel im Nachtrags- etat bereitzustellen, um die Straßen des Gebietes um den Truppenübungsplatz Hohenfels instand zu setzen. Damit erreichten wir zunächst einmal die Beschäftigung der nun brotlos, existenzlos Ge-
wordenen, und wir hätten wieder einen gewissen Hoffnungsschimmer bei den Menschen erweckt, die so dringend auf eine günstige Regelung in der Zukunft warten.
Ich bitte den Bundestag, dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen und im Nachtragsetat Mittel vorzusehen, die für den Ausbau der Straßen des Gebietes Hohenfels dringend notwendig sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat in der 168. Sitzung, als von mir und meinen Parteifreunden der Antrag auf Gewährung von 20 Millionen DM gestellt wurde, betont, daß diese Summe für alle Abfindungsmaßnahmen nicht ausreichen werde. Wahrscheinlich wird der Haushaltsausschuß noch 10 bis 11 Millionen DM zusätzlich genehmigen müssen.
Ich darf noch eines erwähnen. Mein bayerischer Landsmann, der Herr Kollege Höhne, hat nun eine sehr starke Lanze für den Raum Hohenfels gebrochen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er mit mir, meinem Freunde Solleder und unseren Freunden von der CSU in den Sommertagen, in den Augustwochen in einer einheitlichen Linie gestanden wäre, als die Frage Hohenfels und die Beschlagnahme dieses Raumes akut wurden.
Ein Teil der Rede des Herrn Kollegen Höhne hätte meines Erachtens auf den Plafond des Bayerischen Landtages gehört.
Wir sind hier im Deutschen Bundestag, und wir
alle, die wir den Raum Hohenfels kennen, kennen
die Nöte und Sorgen. Wir haben auch anerkannt,
mit welcher Ruhe die Bevölkerung dann doch ihr
Stück Heimat verlassen hat. Man kann aber heute
hier im Bundestag nicht sagen, daß von Bonn aus,
vom Bundestag aus auf dem Gebiet der Sicherstellung der erforderlichen Mittel nicht das Menschenmögliche geschehen wäre. Die anderen Dinge
liegen auf der bayerischen Ebene und gehören meines Erachtens nicht hierher. Damit können wir, glaube ich, in aller Sachlichkeit und in
aller Ruhe das Problem Hohenfels abstreifen und
im Bundestag als erledigt betrachten, wenn auch
unten in Bayern selber manche Dinge nicht so abgelaufen sind, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Ich muß mich wundern, wie der Abgeordnete Kahn hier sagen kann, daß wir mit Ruhe und mit Gelassenheit dem entgegensehen können, was jetzt in Hohenfels passiert, und daß das nicht Angelegenheit des Deutschen Bundestages sei. Ich möchte meine Ausführungen einleiten mit einer Notiz aus der „Mittelbayerischen Zeitung", um einmal zu charakterisieren, wie die Lage dort wirklich ist. Dort heißt es u. a.:
Das Schicksal der Flüchtlinge von Riedhausen müßte einen einzigen gellenden Aufschrei aller, die sich noch Mensch fühlen, nicht nur in Bayern, sondern in ganz Westdeutschland zur Folge haben. Hier gibt es nichts mehr zu bemänteln und zu beschönigen.
Die „Nordbayerische Zeitung", auch eine Ihrer Zeitungen, schreibt dazu: „Skandal bei der Aussiedlung der Hohenfelser".
Wie kam es nun zu der jetzt so empörenden Lage der Hohenfelser Bevölkerung? Einige Tatsachen zur Lage selbst. Aus dem erfolgreichen Widerstand der Hammelburger Bevölkerung, der Hammelburger Bauern, haben die USA-Befehlsstellen und ihre deutschen Hilfskräfte, die bayerische Regierung, die Schlußfolgerung gezogen, bei der Vertreibung der Bauern und der Umsiedler aus dem Gebiet einmal durch Bestechung auf einzelne Großwaldbesitzer einzuwirken und zum anderen die übrigen Bewohner durch Drohung und durch Terror einzuschüchtern. 171 alteingesessene Bauernfamilien und 174 Familien, meistens Umsiedler — das sind insgesamt 345 Familien —, sind unmittelbar von der Austreibung betroffen, während heute schon feststeht, daß eine weitere Ausdehnung des Truppenübungsplatzes vorgesehen ist.
Gegen den Widerstand der Bevölkerung ging man zur offenen Gewalt über. Amerikanische Panzer sind über die Felder gefahren, haben die Gärten und die Felder verwüstet, haben Rüben und Kartoffeln, die zum Abtransport aufgestapelt waren, zu Brei zermalmt. Gegenüber der Empörung und den Tränen der Männer und Frauen hatten die amerikanischen Insassen dieser Panzer nichts anderes als ein verächtliches Lächeln. Damit wollten sie sagen: Seht, so machen wir es, um euch aus eurer Heimat, aus euren Dörfern und von euren Ackern zu verdrängen! Das ist nämlich ihre Drohung: So fahren wir heute über eure Kartoffeln, über eure Rüben, über eure Vorräte, und so fahren wir morgen durch eure Scheunen und durch eure Häuser! Zur Unterstreichung dieser Drohung rollten auch kurz danach im Gebiet von Parsberg große, schwere Sherman-Panzer durch die Dörfer.
Inzwischen haben sich im Hohenfelser Gebiet amerikanische Soldaten, „Ami-Mädchen" und deutsche Söldner in schwarzen Uniformen, von der Bevölkerung Hiwis genannt — das ist nämlich die Abkürzung für angebliche Hilfswillige —, bereits als neue Bewohner eingenistet und üben einen unglaublichen Terror auf die Bevölkerung aus.
Um das Umsiedlungslager Meinhof gibt es bereits eine Kasernenzone, die durch die Hiwis abgesperrt ist. Dort werden Straßen kontrolliert und die Autos durchsucht. Seit Sonntag ist der Truppenübungsplatz bereits für alle Deutschen zum. militärischen Sperrgebiet geworden. So hat sich nach Ihren Ausführungen das Problem Hohenfels „gelöst". In Meinhof haben kürzlich Hiwis mit einer unglaublichen Brutalität eine Protestkundgebung der Bevölkerung gesprengt. Dabei haben sie damit gedroht, daß sie den Teilnehmern an dieser Kundgebung und den übrigen Widerstand leistenden Bauern mit Karabinern den Schädel einschlagen würden. Daß bei dieser Kundgebung und bei anderen Protestkundgebungen auch Journalisten verschiedener Zeitungen, wie z. B. „Wochenend" und „Münchener Abendzeitung" von deutscher Polizei entsprechend diesen Drohungen, zumindest aber sehr wenig demokratisch behandelt worden sind, sei nur am Rande vermerkt.
Inzwischen ist es ein offenes Geheimnis, daß beabsichtigt ist, die bisherige Beschlagnahme noch weiter auszudehnen bis in das Gebiet von Amberg hinein. Auch die vom Landraub betroffenen Bauern
und Gewerbetreibenden der Gemeinde Dittendorf, Kreis Burglengenfeld, mit ihrem Bürgermeister an der Spitze wandten sich an die bayerische Regierung, auch an die Bonner Regierungsstellen und an die gesamte Öffentlichkeit, weil sie durch diesen Landraub ihrer Existenzgrundlage beraubt werden. Es sind alles durchweg alteingesessene Bauernfamilien, die mit ihrer Heimat aufs engste verbunden sind. Sie erklären, daß sie nicht gewillt sind, sich als Knechte in Nachbarorten zu verdingen, und lehnen auch das bezeichnende Angebot, sich als Hiwis bei den Amerikanern zu verdingen, empört ab. Sie wissen auch, daß entgegen allen Versprechungen die bereits ausgesiedelten Hohenfelser entweder in Baracken oder in Elendquartieren oder in Wohnungen mit weit überhöhten Mieten untergebracht wurden. Sie wissen, daß diese Menschen inzwischen arbeitslos und wurzellos geworden sind, daß sie seit 6 Jahren nach dem Kriege Opfer schon für einen neuen Krieg geworden sind. Die Bewohner von Dittendorf fordern weiter, der bayerischen Regierung zu untersagen, den Amerikanern weitere Ländereien für die Schaffung von Truppenübungsplätzen und von Aufmarschgebiet für einen dritten Weltkrieg zur Verfügung zu stellen.
Dieser Forderung der Bewohner von Dittendorf entspricht auch unser Antrag, der nach dem Bericht des Haushaltsausschusses als erledigt betrachtet wird.
Unser Antrag entspricht auch der bayerischen Verfassung, wonach Bauernland nicht anderen Zwecken zur Verfügung gestellt werden darf.
Mit unserem Antrag versuchen wir der Hohenfelser Bevölkerung und darüber hinaus dem ganzen deutschen Volk wirklich zu helfen, weil er nämlich der weiteren Kriegsvorbereitung Einhalt gebietet. Er verlangt von jedem Abgeordneten wirkliche Konsequenz. Dagegen bedeutet der Beschluß des Haushaltsausschusses nichts anderes, als daß den Menschen im Grunde genommen Bettelpfennige gegeben werden, diesen Menschen, die ihre Heimat verloren. Außerdem aber bedeutet er ein weitere Unterstützung der amerikanischen Kriegsvorbereitung auf deutschem Boden, eine Unterstützung des Bundestages dafür, daß fruchtbares Ackerland, daß friedliche Dörfer für einen Krieg verwüstet werden.
Meine Herren und Damen, es ist ja verständlich: die gleiche Mehrheit, die diesen Beschluß faßt, unseren Antrag, den für jeden aufrichtigen Deutschen einzig möglichen Antrag abzulehnen,
fordert immer neue Besatzungstruppen. So heißt es auch in einer Verlautbarung aus dem Landratsamt Parsberg, die USA-Befehlsstelle begründe ihre immer weitergehenden Ansprüche damit, daß die Forderung der Bonner Regierung nach weiterer Verstärkung der Besatzungstruppen auch entsprechend größere Truppenübungsplätze erforderlich mache. Sie, meine Herren und Damen, mögen bedenken, daß die Bauern aus Hammelburg, aus Hohenfels, aus Werl und alle vom Krieg bedrohten Menschen, die in Bewegung geraten sind, einmal von Ihnen Rechenschaft darüber fordern werden, wie Sie die nationalen Interessen unseres Volkes vertreten 'haben.
Sie alle erwarten, daß der Bundestag den Weg
der Verständigung geht. Sie erwarten, daß der
Bundestag, statt Kriegsvorbereitungen zuzustimmen, das Angebot der Volkskammer auf gesamtdeutsche Beratungen an mt.
Dann brauchen wir keine Truppenübungsplätze. Dann brauchen keine Menschen von ihren Höfen und aus ihren Häusern vertrieben zu werden.
Dann kann fruchtbares, blühendes Ackerland dem
Frieden und dem Wohlstand unseres Volkes dienen.
Ich sage Ihnen das, auch wenn es Ihnen unangenehm ist,
weil es nämlich die Menschen da unten, weil es
Ihre eigenen Wähler so von Ihnen fordern. Darum
müssen Sie sich das heute auch von mir anhören!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höhne.
Meine Damen und Herren! Ich bin leider gezwungen, noch einige Worte zu sagen.
— Nein, die Geschichte ist nicht erledigt,
und zwar aus zweierlei Gründen. Der Abgeordnete Kahn wirft mir vor, ich hätte eine stärkere Lanze für Hohenfels brechen können, wenn ich mich von Anbeginn an dafür eingesetzt hätte. Herr Abgeordneter Kahn, Sie wissen ganz genau, daß ich damals einem Manöver erlegen bin. Sie wissen ganz genau, daß ich mich bei Herrn Staatsrat Rattenhuber erkundigt hatte, wie die Geschichte mit Hohenfels steht. Herr Staatsrat Rattenhuber hat mir damals erklärt, es bestehe überhaupt keine Gefahr; diese Maßnahmen der Abgeordneten, die bei ihm gewesen seien, seien eine Gschaftlhuberei; ich hätte überhaupt keine Veranlassung, mich wegen Hohenfels aufzuregen, denn es sei gar nicht zu erwarten, daß Hohenfels beschlagnahmt werde.
— Das ist zur Sache! — Zum gleichen Zeitpunkt haben Sie, Herr Abgeordneter Kahn, den Antrag Hohenfels eingebracht. Ich weiß nicht, gibt es in diesem Hause zweierlei Abgeordnete? Gibt es Abgeordnete der Regierungsparteien mit mehr Recht und mehr Informationsvermögen, und gibt es solche der Opposition, die von den Maßnahmen nicht in Kenntnis gesetzt werden?
Abschließend bedaure ich, daß Sie, Herr Abgeordneter Kahn, der Meinung sind, vorn Bund her sei die Aktion Hohenfels abgeschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drüben von der rechten Seite ertönt der Ruf, ich mache Parteipropaganda. Herr Abgeord-
neter Besold, es ist keine Parteipropaganda, die hier bei dem Problem Hohenfels gemacht wird. Ich stelle folgendes fest: Als die Frage Hohenfels-
Hammelburg auftauchte, habe ich mit den Kollegen Solleder und Dr. Schatz auf der Dienststelle Blank vorgesprochen. Ich bin mit dem Landrat Dr. Schedl und dem Landrat Lanzhammer von Neumarkt und Parsberg zweimal in Bonn gewesen. Wir haben zweimal bei den zuständigen Stellen und Behörden in Bonn die maßgebenden und ernsten Bedenken gegen die Räumung des Raumes Hohenfels vorgebracht. Der Entscheid fiel anders. Das stelle ich sachlich fest. Ich glaube, daß ich auch in meinen Ausführungen gegenüber dem Kollegen Höhne Noblesse und Fairness an den Tag gelegt habe.
Und nun ein Wort zur Kollegin auf der äußersten Linken. Diese Propaganda, Frau — —
— Bitte, wie ist doch der Name?
— Frau Thiele! Ich verwechsle Sie immer mit der etwas schlankeren und längeren Dame Ihrer Fraktion.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, diese Propaganda ist nicht einmalig; man findet sie überall da, wo Not und Elend auftauchen.
Lassen Sie mich, meine Herren von der äußersten Linken, ein Wort klar und sachlich sprechen:
Sagen Sie diese Sätze und führen Sie diese Thesen in der Volkskammer in Berlin an und nicht hier im Deutschen Bundestag!
Wenn wir als Bayern und als Deutsche — und die Frage Hohenfels ist eine Frage Bayerns und Deutschlands über den Rahmen einer einzelnen Partei hinaus — diese Frage heute deklarieren und endgültig zu lösen versuchen, so geschieht es, weil wir schweren Herzens ein Stück bayerischer und deutscher Erde aufgeben, aber auch aufgeben — und damit wende ich mich an die äußerste Linke, also an die kommunistische Partei und Fraktion — für die Sicherheit der bayerischen Heimat und die Sicherheit des deutschen Bundesstaates.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist beendet.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2733. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Lenz und Genossen betreffend Lohn- und Gehaltszahlungen für zusätzliche Förderschichten im Kohlenbergbau .
— Nein, der ist nicht abgesetzt.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Winkelheide.
Der Ältestenrat hat für die Begründung 10 und für die Beratung 90 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller verzichten auf eine eingehende Begründung. Ich beantrage namens meiner Fraktion, den Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zur eingehenden Beratung zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Mir liegt hier ebenfalls bereits ein schriftlicher Antrag auf Überweisung an den Finanz- und Steuerausschuß vor. Zur Begründung ist das Wort erteilt worden; zur Beratung wird es nicht gewünscht.
— Dann müssen wir in die Beratung eintreten. Das Wort hat der Abgeordnete Agatz.
Meine Damen und Herren! Zu diesem Antrag darf nicht geschwiegen werden.
Es handelt sich darum, daß die Bergarbeiter mit Steuerermäßigung verlockt werden sollen, weitere Überschichten zu machen. Wir als Bundestag müssen uns darüber klar sein, daß unsere Bergarbeiter infolge Überbeanspruchung ihrer Arbeitskraft jetzt schon auf das allerschwerste gefährdet sind. Ich glaube, meine Damen und Herren, auch Ihnen liegt doch wohl am Herzen, was aus unseren Bergarbeitern wird.
Wir haben eine ungeheure Steigerung der Zahl der Unfälle.
Wir haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres schon so viel Verluste an Bergarbeitern durch tödlich verlaufene Unfälle wie im ganzen vorigen Jahre zusammen. Ich meine, das ist Veranlassung genug, sich für die Bergarbeiter einzusetzen, daß ihr Lohn erhöht wird, damit sie keine Überschichten mehr zu machen brauchen. Dieser Antrag jedoch zielt in die Richtung, die Bergarbeiter zu weiteren Überschichten zu veranlassen. Dagegen muß mit allem Nachdruck protestiert werden.
Ich beantrage, diesen Antrag zurückzuweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es liegt der Antrag vor auf Überweisung des Antrages Drucksache Nr. 2752 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit. Damit ist die Überweisung beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Stillegung der Eisenbahnstrecke Zweibrücken — Hornbach (Nr. 2723 der Drucksachen).
Dazu liegt mir eine Mitteilung vor, daß die Beratung auf Wunsch der Antragsteller heute zurückgestellt werden soll. Punkt 13 kommt also heute nicht zur Erledigung.
Meine Damen und Herren, damit ist die Tagesordnung der 174. Sitzung beendet.
Ich berufe die nächste, die 175. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 15. November 1951, 13 Uhr 30.
Die 174. Sitzung ist geschlossen.