Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Angesichts einer solchen Stellungnahme ist man versucht, den Satz aus Kortums Jobsiade zu zitieren:
Ob dieser Antwort des Kandidaten Jobses Geschah ein allgemeines Schütteln des Kopses.
Eine derartige Stellungnahme ist aber um so mehr verwunderlich, als sie doch ganz offensichtlich etwas enthält, was fast an Unwürdigkeit grenzt. Unwürdig ist die Stellungnahme nicht nur in bezug auf das Verhalten gegenüber diesem Hause, sondern auch, soweit die Haltung der Bundesregierung gegenüber den Alliierten in Betracht kommt. Die sozialdemokratische Fraktion hält jedenfalls die eingeschlagene Prozedur für absolut unerträglich und hofft, daß auch die übrigen Fraktionen keine Neigung haben, mit einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzesbeschluß so verfahren zu lassen. Wir erwarten besonders auch zu diesem Einzelfall eine unzweideutige Stellungnahme der Bundesregierung vor dem Parlament.
Unsere Interpellation ist wesentlich durch die Nichtverkündung gerade dieses Gesetzes und die mehr als merkwürdige Art der Behandlung, die sich in der schriftlichen Äußerung des Bundespostministeriums ausdrückt, veranlaßt worden. Jedoch gibt es auch eine Reihe anderer Fälle, in denen uns eine unzulässige und unerträgliche Verzögerung, zum Teil auch eine Unterlassung der Verkündung vorzuliegen scheint, wegen der die Regierung sich zu rechtfertigen hat. Wir haben feststellen können, daß die Bedenken, die wir mit unserer Interpellation zum Ausdruck bringen, und die allgemeine Sorge, die uns wegen der gerügten Praxis erfüllt, nicht allein bei uns vorliegen. Gestern hat die Parteikorrespondenz der FDP in ihrer Nr. 80 angekündigt, daß in Kreisen der Freien Demokraten die Zeit für gekommen angesehen wird, eine wichtige Lücke im Grundgesetz, nämlich die der Verkündungsfrist, auszufüllen. Es wird darauf hingewiesen, daß beabsichtigt sei, einen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, nach dem die Gesetze vom Bundespräsidenten binnen eines Monats zu verkünden sind.
Lassen Sie mich noch kurz auf drei Gesetze hinweisen! Wir haben eine ungebührliche, ja unzulässige Verzögerung beispielsweise bei dem sogenannten Blitzgesetz über den Südweststaat sowie bei dem Gesetz über die Rentenumstellung festgestellt, und wir haben schließlich vermerkt, daß ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz nicht verkündet worden ist, für dessen Nichtverkündung sachliche und rechtliche Gründe nicht angeführt werden können, nämlich das Gesetz über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
Meine Damen und Herren! Ich habe versucht, Ihnen die zwei ersten Fragen der Interpellation nahezubringen. Die dritte Frage bedarf einer Richtigstellung, da sie in ihrer bisherigen Formulierung mißverständlich ist. Selbstverständlich war den Interpellanten bekannt, daß die Verkündung als Institut nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, sondern daß die Bundesregierung lediglich zum Zweck der Publikation im Bundesgesetzblatt, also als Beauftragte des Bundespräsidenten tätig wird. Ich erlaube mir daher, folgende Neufassung der Ziffer 3 bekanntzugeben, die der Klarstellung dient:
Erkennt die Bundesregierung an, daß sie verpflichtet ist, vom Bundestag und Bundesrat
verabschiedete Gesetze unverzüglich dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorzulegen und
— jetzt kommt die Neuformulierung —
die von dem Bundespräsidenten verfügte Verkündung sofort auszuführen?
Zur Begründung dieser Frage 3 bedarf es nach dem vorhin Ausgeführten keiner weiteren Darlegungen mehr.
Es bleibt die vierte Frage:
Erkennt die Bundesregierung an, daß sie sich unverzüglich zu entscheiden hat, ob sie unter den Voraussetzungen des Artikels 113 des Grundgesetzes einem Gesetz ihre Zustimmung erteilt?
Wir meinen, eine Antwort auch auf diese Frage sollte der Bundesregierung eigentlich nicht schwer fallen.
— Ich beeile mich, zum Schluß zu kommen, Herr Präsident. — Eine Antwort sollte der Bundesregierung nicht zuletzt deshalb nicht schwerfallen, weil nicht nur die Volksvertretung, sondern vor allem auch das Volk selbst einen Anspruch darauf hat, alsbald zu erfahren, ob ein unter die Sperrbestimmung des Art. 113 des Grundgesetzes fallender Gesetzesbeschluß durchgeführt wird oder nicht. Die Bundesregierung aber wird bei der Gewandtheit des Herrn Bundesfinanzministers, Sperren aufzubauen, kaum einwenden können, daß sie sehr lange Zeit braucht, um zur Frage der Anwendung des Art. 113 Stellung nehmen zu können. Eine möglichst alsbaldige Äußerung der Bundesregierung im Einzelfall bei einem solchen Gesetz erscheint uns Gebot und Verpflichtung zugleich zu sein.
Meine Damen und Herren! Was unsere Interpellation anspricht, ist kein Randproblem, sondern eine Frage, bei der Grundsatzprobleme der Demokratie überhaupt berührt werden. Gerade in einer Zeit, die in vielfacher Hinsicht eine Zeit der Probe für die Geltung und Wirklichkeit der Verfassung ist, muß von der Regierung die Einhaltung des Grundgesetzes, die Achtung vor der Volksvertretung und die Beachtung von deren Beschlüssen mit ganz besonderem Nachdruck verlangt werden.
Diesem Anliegen gilt unsere Interpellation, die wir dem Hause unterbreitet haben und deren befriedigende Beantwortung durch die Bundesregierung wir alsbald erwarten.