Rede von
Grete
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Herren und Damen! Ich muß mich wundern, wie der Abgeordnete Kahn hier sagen kann, daß wir mit Ruhe und mit Gelassenheit dem entgegensehen können, was jetzt in Hohenfels passiert, und daß das nicht Angelegenheit des Deutschen Bundestages sei. Ich möchte meine Ausführungen einleiten mit einer Notiz aus der „Mittelbayerischen Zeitung", um einmal zu charakterisieren, wie die Lage dort wirklich ist. Dort heißt es u. a.:
Das Schicksal der Flüchtlinge von Riedhausen müßte einen einzigen gellenden Aufschrei aller, die sich noch Mensch fühlen, nicht nur in Bayern, sondern in ganz Westdeutschland zur Folge haben. Hier gibt es nichts mehr zu bemänteln und zu beschönigen.
Die „Nordbayerische Zeitung", auch eine Ihrer Zeitungen, schreibt dazu: „Skandal bei der Aussiedlung der Hohenfelser".
Wie kam es nun zu der jetzt so empörenden Lage der Hohenfelser Bevölkerung? Einige Tatsachen zur Lage selbst. Aus dem erfolgreichen Widerstand der Hammelburger Bevölkerung, der Hammelburger Bauern, haben die USA-Befehlsstellen und ihre deutschen Hilfskräfte, die bayerische Regierung, die Schlußfolgerung gezogen, bei der Vertreibung der Bauern und der Umsiedler aus dem Gebiet einmal durch Bestechung auf einzelne Großwaldbesitzer einzuwirken und zum anderen die übrigen Bewohner durch Drohung und durch Terror einzuschüchtern. 171 alteingesessene Bauernfamilien und 174 Familien, meistens Umsiedler — das sind insgesamt 345 Familien —, sind unmittelbar von der Austreibung betroffen, während heute schon feststeht, daß eine weitere Ausdehnung des Truppenübungsplatzes vorgesehen ist.
Gegen den Widerstand der Bevölkerung ging man zur offenen Gewalt über. Amerikanische Panzer sind über die Felder gefahren, haben die Gärten und die Felder verwüstet, haben Rüben und Kartoffeln, die zum Abtransport aufgestapelt waren, zu Brei zermalmt. Gegenüber der Empörung und den Tränen der Männer und Frauen hatten die amerikanischen Insassen dieser Panzer nichts anderes als ein verächtliches Lächeln. Damit wollten sie sagen: Seht, so machen wir es, um euch aus eurer Heimat, aus euren Dörfern und von euren Ackern zu verdrängen! Das ist nämlich ihre Drohung: So fahren wir heute über eure Kartoffeln, über eure Rüben, über eure Vorräte, und so fahren wir morgen durch eure Scheunen und durch eure Häuser! Zur Unterstreichung dieser Drohung rollten auch kurz danach im Gebiet von Parsberg große, schwere Sherman-Panzer durch die Dörfer.
Inzwischen haben sich im Hohenfelser Gebiet amerikanische Soldaten, „Ami-Mädchen" und deutsche Söldner in schwarzen Uniformen, von der Bevölkerung Hiwis genannt — das ist nämlich die Abkürzung für angebliche Hilfswillige —, bereits als neue Bewohner eingenistet und üben einen unglaublichen Terror auf die Bevölkerung aus.
Um das Umsiedlungslager Meinhof gibt es bereits eine Kasernenzone, die durch die Hiwis abgesperrt ist. Dort werden Straßen kontrolliert und die Autos durchsucht. Seit Sonntag ist der Truppenübungsplatz bereits für alle Deutschen zum. militärischen Sperrgebiet geworden. So hat sich nach Ihren Ausführungen das Problem Hohenfels „gelöst". In Meinhof haben kürzlich Hiwis mit einer unglaublichen Brutalität eine Protestkundgebung der Bevölkerung gesprengt. Dabei haben sie damit gedroht, daß sie den Teilnehmern an dieser Kundgebung und den übrigen Widerstand leistenden Bauern mit Karabinern den Schädel einschlagen würden. Daß bei dieser Kundgebung und bei anderen Protestkundgebungen auch Journalisten verschiedener Zeitungen, wie z. B. „Wochenend" und „Münchener Abendzeitung" von deutscher Polizei entsprechend diesen Drohungen, zumindest aber sehr wenig demokratisch behandelt worden sind, sei nur am Rande vermerkt.
Inzwischen ist es ein offenes Geheimnis, daß beabsichtigt ist, die bisherige Beschlagnahme noch weiter auszudehnen bis in das Gebiet von Amberg hinein. Auch die vom Landraub betroffenen Bauern
und Gewerbetreibenden der Gemeinde Dittendorf, Kreis Burglengenfeld, mit ihrem Bürgermeister an der Spitze wandten sich an die bayerische Regierung, auch an die Bonner Regierungsstellen und an die gesamte Öffentlichkeit, weil sie durch diesen Landraub ihrer Existenzgrundlage beraubt werden. Es sind alles durchweg alteingesessene Bauernfamilien, die mit ihrer Heimat aufs engste verbunden sind. Sie erklären, daß sie nicht gewillt sind, sich als Knechte in Nachbarorten zu verdingen, und lehnen auch das bezeichnende Angebot, sich als Hiwis bei den Amerikanern zu verdingen, empört ab. Sie wissen auch, daß entgegen allen Versprechungen die bereits ausgesiedelten Hohenfelser entweder in Baracken oder in Elendquartieren oder in Wohnungen mit weit überhöhten Mieten untergebracht wurden. Sie wissen, daß diese Menschen inzwischen arbeitslos und wurzellos geworden sind, daß sie seit 6 Jahren nach dem Kriege Opfer schon für einen neuen Krieg geworden sind. Die Bewohner von Dittendorf fordern weiter, der bayerischen Regierung zu untersagen, den Amerikanern weitere Ländereien für die Schaffung von Truppenübungsplätzen und von Aufmarschgebiet für einen dritten Weltkrieg zur Verfügung zu stellen.
Dieser Forderung der Bewohner von Dittendorf entspricht auch unser Antrag, der nach dem Bericht des Haushaltsausschusses als erledigt betrachtet wird.
Unser Antrag entspricht auch der bayerischen Verfassung, wonach Bauernland nicht anderen Zwecken zur Verfügung gestellt werden darf.
Mit unserem Antrag versuchen wir der Hohenfelser Bevölkerung und darüber hinaus dem ganzen deutschen Volk wirklich zu helfen, weil er nämlich der weiteren Kriegsvorbereitung Einhalt gebietet. Er verlangt von jedem Abgeordneten wirkliche Konsequenz. Dagegen bedeutet der Beschluß des Haushaltsausschusses nichts anderes, als daß den Menschen im Grunde genommen Bettelpfennige gegeben werden, diesen Menschen, die ihre Heimat verloren. Außerdem aber bedeutet er ein weitere Unterstützung der amerikanischen Kriegsvorbereitung auf deutschem Boden, eine Unterstützung des Bundestages dafür, daß fruchtbares Ackerland, daß friedliche Dörfer für einen Krieg verwüstet werden.
Meine Herren und Damen, es ist ja verständlich: die gleiche Mehrheit, die diesen Beschluß faßt, unseren Antrag, den für jeden aufrichtigen Deutschen einzig möglichen Antrag abzulehnen,
fordert immer neue Besatzungstruppen. So heißt es auch in einer Verlautbarung aus dem Landratsamt Parsberg, die USA-Befehlsstelle begründe ihre immer weitergehenden Ansprüche damit, daß die Forderung der Bonner Regierung nach weiterer Verstärkung der Besatzungstruppen auch entsprechend größere Truppenübungsplätze erforderlich mache. Sie, meine Herren und Damen, mögen bedenken, daß die Bauern aus Hammelburg, aus Hohenfels, aus Werl und alle vom Krieg bedrohten Menschen, die in Bewegung geraten sind, einmal von Ihnen Rechenschaft darüber fordern werden, wie Sie die nationalen Interessen unseres Volkes vertreten 'haben.
Sie alle erwarten, daß der Bundestag den Weg
der Verständigung geht. Sie erwarten, daß der
Bundestag, statt Kriegsvorbereitungen zuzustimmen, das Angebot der Volkskammer auf gesamtdeutsche Beratungen an mt.
Dann brauchen wir keine Truppenübungsplätze. Dann brauchen keine Menschen von ihren Höfen und aus ihren Häusern vertrieben zu werden.
Dann kann fruchtbares, blühendes Ackerland dem
Frieden und dem Wohlstand unseres Volkes dienen.
Ich sage Ihnen das, auch wenn es Ihnen unangenehm ist,
weil es nämlich die Menschen da unten, weil es
Ihre eigenen Wähler so von Ihnen fordern. Darum
müssen Sie sich das heute auch von mir anhören!