Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, möchte ich zunächst zum
Ausdruck bringen, daß wir mit großem Bedauern von dem tödlichen Unglücksfall gehört haben, der einem Ihrer Mitglieder, dem Abgeordneten Brunner, gestern zugestoßen ist. Ich darf diese Gelegenheit benutzen, Ihnen und den Angehörigen meine tiefe Anteilnahme an diesem Unfall zum Ausdruck zu bringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mitglieder des gemeinsamen Ausschusses des Kongresses der Vereinigten Staaten, die in den letzten Tagen Ihre Gastfreundschaft genossen haben und für die ich die Ehre habe, hier zu sprechen, sind Ihnen zu tiefem Dank verpflichtet für diese wunderbare Gelegenheit, die Sie uns geboten haben, Sie besser kennenzulernen.
Die Einladung, die Sie, der Deutsche Bundestag, an uns ergehen ließen, an die Abgeordneten des amerikanischen Kongresses, und die Annahme dieser Einladung durch uns ist in der Tat ein einmaliges Ereignis. Ich habe an verschiedenen Tagungen interparlamentarischer Gruppen teilgenommen, aber niemals zuvor habe ich einen so herzlichen Empfang und eine so freundliche Aufnahme erlebt, wie sie uns in der vergangenen Woche zuteil gegeworden ist, und niemals zuvor habe ich so befriedigende und erfolgreiche internationale Besprechungen erlebt wie die, an denen teilzunehmen wir Gelegenheit hatten.
Ich darf meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß diese Zusammenkunft nicht die letzte gewesen sein wird.
Alles, was wir hier in Bonn getan haben, alles, was wir bei Ihnen gesehen haben, die Damen und Herren, die wir hier kennengelernt haben, die Gefühle, die wir empfunden und die wir bei Ihnen festgestellt haben, all das wird sehr viel dazu beitragen, uns zum Nutzen und zum Vorteil unserer beiden Völker näher zusammenzubringen.
Meiner Meinung nach gibt es nur wenige Handlungen einzelner Nationen, die nicht auch in ihrem eigenen Interesse getan werden. Es gibt deswegen auch Menschen in dieser Welt, die behaupten, die wirtschaftliche Unterstützung, die die Vereinigten Staaten ganz Europa angeboten haben und zuteil werden ließen, sei in Wirklichkeit nur von dem Wunsche getragen gewesen, den Vereinigten Staaten selbst zu helfen. Das ist nicht der Fall. Wir versuchten, Europa zu helfen, weil wir die Freiheit genau so wollten, wie Sie sie wollen. Wir wußten, daß die Freiheit nicht auf dem Boden der Not und des Elends gedeihen kann, und — vielleicht war das egoistisch — wir wußten auch, daß, wenn die Freiheit in Europa nicht länger bestünde, sie dann auch in allen anderen Teilen der Welt bedroht wäre.
Insofern könnte man dies vielleicht egoistisch
nennen — wenn man den Wunsch, die Freiheit zu
schützen, als ein egoistisches Motiv bezeichnen will.
Ich habe den Eindruck, daß die Einladung, die Sie an uns ergehen ließen, von gutem Willen getragen war. Ich weiß aber bestimmt, daß unsere Annahme dieser Einladung von diesem guten Willen ausging.
Mr. Theodore Francis Green)
Europa sieht sich heute einer Lage gegenüber, die der ähnlich ist, welche die Vereinigten Staaten zu bestehen hatten, als unsere Republik gegründet wurde. Am 4. Mai 1776 erklärte mein eigener Staat — das war Rhode Island, zu jener Zeit die kleinste der 13 Kolonien — seine Unabhängigkeit von Großbritannien und entledigte sich des Einflusses, der von außen ausgeübt worden war. Zwei Monate später, am 4. Juli 1776, wurde unsere Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, und zwar von den vereinigten Kolonien. In den Jahren, die folgten, gingen auch die amerikanischen Kolonien durch die Grauen und Schrecken eines Krieges. Wie wir heute wissen, war es nur ein kleiner Krieg. Aber auch zu jener Zeit wurden die Städte geplündert, Menschen fanden den Tod, Frauen und Kinder litten genau so wie heute.
Nachdem wir einmal die Unabhängigkeit erlangt hatten, kam eine Zeit, in der die 13 Kolonien versuchten, ihren eigenen unabhängigen Weg zu gehen. Jede Kolonie versuchte, ihre unumschränkte Souveränität aufrechtzuerhalten. Für eine gewisse Zeit waren unsere Vorfahren sogar der Ansicht, machten den fast tödlichen Fehler, zu glauben, daß wichtiger für einen Staat das Bestreben sei, seine Souveränität uneingeschränkt zu erhalten, als die Aufgabe, für die Verteidigung dieses Staates selbst vorbereitet zu sein.
In Artikel II der Articles of Confederation, die die Grundlage der Einigung der Vereinigten Staaten bildeten, heißt es: „Jeder Staat behält seine Souveränität, seine Freiheit und seine Unabhängigkeit." Ich möchte hier darauf hinweisen, daß die Bevölkerung meines Landes, als sie die Union gründete, vielleicht im Anfang etwas im unklaren und etwas besorgt war über die Vorstellung und die Bedeutung des Begriffs der Souveränität. Sie schrieb das Wort „Souveränität" in ihre Verfassung. Gleichzeitig aber gaben in diesem Dokument die einzelnen Staaten jeweils einen Teil ihrer Souveränität auf.
Dasselbe gilt auch heute. Wenn in einem Vertrage oder in einem Abkommen ein Staat bereit ist, etwas zu tun oder etwas zu unterlassen, dann bedeutet das, vom Tatsächlichen her gesehen, eine Beeinträchtigung, eine Einschränkung seiner Souveränität. Wenn ein Staat einen Vertrag unterzeichnet, beschränkt er auf diese Weise seine Souveränität. Wir müssen uns aber. vor Augen halten, daß in einer Welt wie der unsrigen die Souveränität niemals vollständig sein kann. Ich wage mir nicht auszumalen, was geschehen wäre, wenn wir diesen Begriff „Souveränität" zwischen uns und die Ausnutzung und Entwicklung der Möglichkeiten unseres Volkes in unserem großen Lande hätten treten lassen. Eine Vorstellung dieser Art — das können wir unter gar keinen Umständen dulden — darf zwischen den Völkern Europas und der Erfüllung ihres Schicksals nicht stehen.
Einer unserer großen Politiker, James Madison, sagte bei den Verhandlungen über die Ausarbeitung der Verfassung folgendes — ich zitiere es hier wörtlich „Die Bestimmungen über die Verteidigung müssen in diesem Falle wie in allen anderen Fällen dem Grad der Gefahr eines Angriffs angepaßt werden".
Man sollte sich deswegen in der Welt von heute umsehen und die Lage, wie sie ist, wirklich erkennen. Dann wird man zu der Einsicht gelangen, daß das Fortbestehen unserer großartigen Zivilisation, die wir im Laufe der Jahre geschaffen haben, die gestützt ist auf die Freiheit und die sich in Frieden entwickelt hat, gefährdet werden könnte, wenn wir nicht bereit wären, auch Opfer zu bringen. Wenn jeder von uns bereit ist, Opfer zu bringen für die Einheit, dann kann unsere Freiheit niemals bedroht werden; denn in der Einheit liegt unüberwindliche Stärke.