Rede von
Dr.
Hugo
Decker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht nicht überflüssig, daß ich die Begründung dieses Antrages mit dem Hinweis beginne, daß es sich hier um keine Angelegenheit handelt, die irgendwie mit Volksbelustigung, mit Vergnügungsveranstaltungen oder auch nur mit Pseudofolklore in Zusammenhang gebracht werden kann oder auch darf. Wenn ich im folgenden besonders auf die Verhältnisse der bayerischen Trachtenvereine hinweise, so geschieht das nur deswegen, weil ich sie am besten kenne und weil sie vielleicht am lebendigsten sind. Es soll aber dieser Teil für das Ganze stehen.
Das Schwergewicht der vorgeschlagenen Gesetzesänderung darf nicht so sehr in der finanziellen Maßnahme und in der finanziellen Auswirkung gesehen werden, sondern es liegt im Bereich der Gesellschaftsordnung. Der Bund soll zeigen, daß er eine verständnisvolle Haltung für die Heimat- und Volkstrachtenvereine einnimmt, die sich in einer Zeit der Auflösung der überkommenen Lebensformen bemühen, durch Bewahrung und Festigung des Erhaltenswerten einen Kristallisationspunkt für die weitere Entwicklung und für die Neugestaltung unseres Volkslebens zu schaffen. Es ist deshalb eine kulturpolitische und staatspolitische Pflicht, die Bestrebungen dieser Vereine zu unterstützen.
Die Trachtenvereine haben mit Duliöh-Veranstaltungen, mit Seppl-Kostüm oder Modehaus-Dirndln nicht das geringste zu tun; im Gegenteil, damit stehen sie im schärfsten Kampf. Die Gebirgstrachtenerhaltungsvereine pflegen gemäß ihrem Wahlspruch „Treu dem guten alten Brauch" nicht nur die Tracht, sondern auch Brauchtum und Sitte und nicht zuletzt den Dialekt als Urquell unserer Sprache. Es ist auch durchaus nicht so, daß in einem historisierenden Romantizismus versucht wird, Altes, Abgestorbenes aus dem Museum hervorzuholen und wieder lebendig zu machen. Nein, die lebendige Tracht soll erhalten werden gegen den Ansturm der gleichmachenden Allerweltsmode.
Die Tracht hat j a nicht nur eine ästhetische und bildmäßige Wirkung, sondern sie zwingt auch zu Haltung und Würde. Jeder, der einmal ein bayerisches Trachtenfest mitgemacht hat, staunt darüber, wie trotz aller Lebendigkeit, aller Fröhlichkeit und Heiterkeit die Trachtler — Bauern und Bäuerinnen, Landarbeiter, Handwerker — durch die Tracht gehalten werden, Haltung und Würde zu zeigen.
Weiterhin darf der erzieherische Einfluß der Trachtenvereine auf die Jugend nicht übersehen werden. Die Trachtenvereine übermitteln j a der bäuerlichen Jugend das bäuerliche Kulturgut.
Ich möchte eins noch besonders betonen: Obwohl die Versuchung sehr nahe lag und sehr groß war, haben sich die Trachtenvereine mit aller Energie dagegen gewehrt, für die Blut- und Boden-Propaganda Hitlers ausgenutzt zu werden. Sie haben sich lieber auflösen lassen, als seinerzeit den Blubo-
Rummel mitzumachen. Allein dies zeigt schon, mit welch hohem Verantwortungsgefühl die Heimat- und Trachtenvereine sich bemühen, ihre kulturelle Aufgabe zu erfüllen. Sie werden hierbei in keiner Weise vom Staat finanziell unterstützt, im Gegensatz z. B. zu Österreich, wo sich der Staat unter großem finanziellen Aufwand bemüht, neue Trachtenschöpfungen einzuführen.
Die Mitglieder der Heimat- und Trachtenvereine sind meist Leute mit kleinem Einkommen: Bauern, Landarbeiter, ländliche Handwerker. Sie nehmen dem Staat einen wesentlichen Aufwand und Kosten ab, die er sonst für die kulturelle Betreuung der Landbevölkerung aufbringen müßte. Schon aus diesem Grunde ist es berechtigt, auf steuerlichem Gebiet die Arbeit dieser Vereine zu unterstützen.
Verhindern möchten wir aber, daß Nutznießer und Parasiten mit diesem Antrag Geschäfte machen, die Nutznießer nämlich, die die Tracht und das Brauchtum in schreienden Karikaturen für ihre geschäftlichen Zwecke verwenden. Deshalb soll den Vereinen die Vergünstigung gewährt werden, nur soweit wirklich ein höheres kulturelles Interesse vorliegt und soweit der Umsatz im Kalenderjahr nicht über 8000 DM hinausgeht. Wir würden es durchaus für berechtigt halten, wenn bei der Prüfung des kulturellen Wertes ein sehr strenger Maßstab angelegt werden würde. Ich glaube, daß wir damit einem Wunsch der Heimat- und Trachtenvereine selber nachkommen würden.
Wir hoffen, daß das Hohe Haus mit der Annahme unseres Antrags einen Beitrag zur Erhaltung unseres Volkstums und Brauchtums leistet, und wir würden es begrüßen, wenn der Antrag ohne vorherige Überweisung in den Ausschuß angenommen würde.