Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Zuallererst möchte ich von ganzem Herzen in unse-rem Hohen Haus die Oppositionsführerin des Unterhau-ses des Parlaments der Republik der Union Myanmar,Frau Aung San Suu Kyi, mit ihrer Delegation begrüßen.
Nachdem Sie bereits gestern ein Treffen mit unseremBundestagspräsidenten Professor Lammert hatten,freuen wir uns von Herzen, dass wir Sie heute bei uns imPlenum begrüßen können. Seien Sie sich sicher: Wir be-wundern Ihren großen Mut. Wir bewundern Ihre Gerad-linigkeit und Ihre Kraft, weltweit für Freiheit und Demo-kratie einzutreten.
Im Namen des ganzen Hauses wünschen wir Ihnenfür Ihren Aufenthalt in Berlin und für Ihr weiteres parla-mentarisches Wirken in Ihrer Heimat viel Erfolg, vielKraft und alles Gute. Genießen Sie jetzt eine Haushalts-debatte im Deutschen Bundestag!
Wir setzen die Haushaltsberatungen fort.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für
Drucksache 18/700Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungFinanzplan des Bundes 2013 bis 2017Drucksache 17/14301Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussAm Dienstag haben wir für die heutige Ausspracheeine Redezeit von insgesamt 3 Stunden 41 Minuten be-schlossen. Bitte halten Sie sich an die Redezeiten.Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mitdem Geschäftsbereich des Bundesministeriums fürVerkehr und digitale Infrastruktur, Einzelplan 12.Beginnen wird diese Debatte der BundesministerAlexander Dobrindt. Herr Dobrindt, Sie haben das Wort.
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Die deutscheWirtschaft befindet sich im Aufschwung. Die deutscheWirtschaft wächst stabil und kräftig – das beschreibt dasgestern vorgestellte Frühjahrsgutachten –: 1,9 ProzentWachstum in diesem und 2 Prozent Wachstum im nächs-ten Jahr.Das ist eine gewaltige Leistung, die aber auch gewal-tige Herausforderungen für unsere Verkehrssysteme wieauch für unsere Infrastruktur bedeuten wird. Wirtschafts-wachstum in einer industrialisierten Gesellschaft bedeu-tet auch Wachstum der Verkehrsströme. Wirtschafts-wachstum und wachsende Verkehrsströme auf einerInfrastruktur, die leistungsfähig ist, sind die Grundlagefür unseren Wohlstand. Deswegen müssen wir die Leis-tungsfähigkeit unserer Infrastruktur weiter ausbauen undin die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur investieren.Meine Damen und Herren, wer glaubt, man könnteWirtschaftswachstum vom Wachstum der Infrastrukturabkoppeln, wird uns am Schluss vom Wohlstand abkop-peln. Deswegen werden wir das nicht zulassen.
Statt Entkopplungs- und Abkopplungskonzepten fürVerkehr und Wirtschaft brauchen wir eine konzertierteVernetzung aller Verkehrsträger – Straße, Schiene, Was-ser, Luft und Datenwege. Damit stehen wir in einer Tra-
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dition, die Ludwig Erhard begründet hat. Schon Erhardhat die Verkehrspolitik so beschrieben. Er hat gesagt:Wenn wir erfolgreiche Verkehrspolitik betreiben wollen,dann geht es um die Beantwortung der Frage: Wie kanndiese Arbeit Früchte tragen und Fortschritte erzielen?Die Antwort lautet: Wenn sie an einem gesellschaftli-chen Leitbild orientiert ist.Es geht um ein gesellschaftliches Leitbild bei der Ver-kehrspolitik. Unser Leitbild der Verkehrspolitik kannheißen, eine aktivierende Mobilitätspolitik in Deutsch-land zu gestalten. Das bedeutet, dass die Investitionen inInfrastrukturmaßnahmen sich an der verkehrlichen Ge-samtwirkung und dem volkswirtschaftlichen Nutzenorientieren müssen und an nichts anderem.
Die Beantwortung der Frage, ob wir ein Innovations-land bleiben oder ein Stagnationsland werden, hängtauch davon ab, wie viel wir in unsere Infrastruktur zu in-vestieren bereit sind. Deswegen ist die Sicherung derLeistungsfähigkeit unserer Verkehrsinfrastruktur einesder zentralen Projekte der Koalition. Wir geben ein kla-res Bekenntnis ab, dass wir dauerhaft auf einem hohenNiveau in die Infrastruktur investieren wollen.Wir bekommen in wenigen Wochen eine neue Ver-kehrsprognose auf den Tisch, die für alle Verkehrsträgersehr klar Auskunft geben wird, wie die Verkehre in Zu-kunft anwachsen werden. Es ist schon heute erkennbar,dass wir deutliche Zuwächse bei allen Verkehren bzw.allen Verkehrsträgern haben, sowohl auf der Wasser-straße als auch auf der Schiene als auch auf der Straße.Dieser Tatsache und den sich daraus ergebenden Heraus-forderungen müssen wir uns natürlich stellen. Das hatdiese Koalition dadurch getan, dass sie 5 MilliardenEuro zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur investierenwill.
Wir werden diese Haushaltsmittel zur Verfügung stellen.Das entwickelt unsere Investitionslinie in den nächstenJahren von in diesem Jahr 10,5 Milliarden Euro auf einNiveau von über 12 Milliarden Euro im Jahr 2017.An dieser Stelle darf ich auch einmal ganz herzlichDankeschön an den Bundesfinanzminister und an unsereHaushälter sagen. Das ist eine große Kraftanstrengung,auch für diesen Haushalt. Investitionen in Höhe von über12 Milliarden Euro in die Verkehrssysteme:
Das hätten sich viele andere gewünscht. Das war langegefordert. Wir schaffen es jetzt. Wir wollen dieses hoheNiveau auch in der Zukunft beibehalten.
Die 12 Milliarden Euro, die wir erreichen wollen,sind übrigens nicht die Spitze, sondern die Basis für wei-tere Anstrengungen und zusätzliche Investitionen, diewir für die Zukunft planen. Wir steigern mit verschiede-nen Möglichkeiten übrigens auch die Effizienz dieserdann 12 Milliarden Euro, die wir einsetzen wollen, unteranderem im Hinblick auf die Mehrjährigkeit der Mittel.Wir haben als Verkehrspolitiker jahrelang gerade hier imParlament dafür gekämpft, dass wir angesichts der lan-gen Planungszeiten und der Verzögerungen, die manch-mal durch Klagen – ob gerechtfertigt oder nicht – her-vorgerufen werden, die Mittelverwendung näher an denBaufortschritt der jeweiligen Maßnahme heranbringen.Dazu dient die Mehr- und Überjährigkeit. Dass dies ge-lungen ist, ist ein großer Erfolg der Verkehrspolitik inDeutschland.
Wir wollen die Nutzerfinanzierung weiterentwickeln.Wir werden die Lkw-Maut verbreitern und vertiefen.
– Warten Sie es doch einmal ab!
Dass sich die Grünen darüber freuen, dass wir aufgrundvon Mautmindereinnahmen weniger Geld in die Straßeinvestieren können, glaube ich. Aber der Rest des Parla-ments findet es bedauerlich und will Maßnahmen ergrei-fen, damit wir mehr und nicht weniger Geld investierenkönnen.
Wir werden die Lkw-Maut verbreitern und vertiefen.Deswegen werden wir Mitte 2015 zusätzlich tausend Ki-lometer autobahnähnliche Bundesstraßen bemauten undab Herbst nächsten Jahres Lkws ab 7,5 Tonnen in dieBemautung einbeziehen. Aber das alles führt noch nichtdazu, dass das, was uns das Wegekostengutachten be-schert, nämlich eine Kalkulationsgrundlage, die unter-halb der bisherigen Mauteinnahmen liegt, komplett aus-geglichen wird; ich habe darüber berichtet. Mein Ärgerdarüber ist bisher nicht verflogen. Dass in dieser Legis-laturperiode eine der wesentlichen Finanzierungsgrund-lagen, die Einnahmen aus der Lkw-Maut, bei steigendenPreisen und Kosten sowie den notwendigen Investitio-nen in die Straße um 2 Milliarden Euro einbrechen wird,ist in der Tat kein wirklich gutes Zeichen.
Aber das liegt daran, dass die Bemessungsgrundlage da-für das Zinssystem ist.
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Wenn sich fast 50 Prozent der Lkw-Maut über das Zins-system in Europa bestimmen, dann kann man dies nurals ausdrücklichen Fehler bezeichnen.
Es ist doch nicht die Aufgabe der Europäischen Zentral-bank, über die Einnahmen aus unserer Lkw-Maut zu ent-scheiden. Deswegen werden wir das angreifen und än-dern.
Wir haben zugesagt, dass wir alle rechtlichen Maß-nahmen, die das Wegekostengutachten zulässt, zur Ver-breiterung und Vertiefung ergreifen werden.
Dadurch wird übrigens ein Teil der Mindereinnahmenausgeglichen. Es bleibt aber in dieser Legislaturperiodeimmer noch eine theoretische Lücke. Diese theoretischeLücke müssen wir schließen. Deswegen war ich in Ver-handlungen mit dem Bundesfinanzminister. Ich darf andieser Stelle sagen: Es ist eine großartige Leistung – ichbin dem Finanzminister ausgesprochen dankbar –, dasser dies als notwendig anerkannt hat. Wir werden an dengeplanten 5 Milliarden Euro Mehrausgaben für die Infra-struktur festhalten. Diese werden durch Mindereinnah-men aus der Lkw-Maut nicht geschmälert werden. Wennes eine Lücke gibt, wie ich sie beschrieben habe, dannwird sie über allgemeine Haushaltsmittel ausgeglichen.Das ist die Vereinbarung, die wir mit dem Bundesfinanz-ministerium getroffen haben.
Es ist eine großartige Leistung, dass der Finanzministerdem zugestimmt hat.
Das ist Verkehrspolitik:
sich den Problemen zu stellen und, wenn die Finanzenknapp sind, dafür zu sorgen, dass darunter trotzdemnicht die Investitionen in die Infrastruktur leiden.
Wir haben neben der Diskussion über die Nutzerfi-nanzierung bei der Lkw-Maut auch eine Diskussion überdie Einführung der Pkw-Maut. Ich freue mich immerwieder, wenn ich sehe, wie eifrig diese Diskussion
auch außerhalb des Parlaments geführt wird. Ich habeheute festgestellt, dass auch wohlmeinende Ratschlägeaus den europäischen Nachbarländern kommen, mit de-nen ich übrigens in ausgesprochen guten Gesprächenbin. Wenn die Verkehrsministerin der Niederlande da-rauf hinweist, dass es nicht ihr größter Wunsch ist, dassin Deutschland eine Pkw-Maut eingeführt wird, dannkann man dies verstehen. Aber beim besten Willen: Ichmache die Verkehrspolitik nicht für die Niederlande, ichmache die Verkehrspolitik für Deutschland,
und für Deutschland ist es gut, wenn wir mehr Geld ein-nehmen. Deswegen werden wir das umsetzen.
Wir haben einen klaren Fahrplan,
was die Nutzerfinanzierung betrifft. Wir werden ab1. Juli 2015 die Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstra-ßen erheben, wir werden am 1. Oktober 2015 die Lkw-Maut für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen einführen,
wir werden zum 1. Januar 2016 die Pkw-Maut einfüh-ren, und wir werden Mitte 2018 die Ausweitung derLkw-Maut auf alle Bundesstraßen umsetzen, wie es derKoalitionsvertrag vorsieht.Wir haben eine hohe Investitionslinie für die zukünf-tigen Haushalte. Wir erreichen sie durch die Nutzerfi-nanzierung, durch die Finanzierung aus dem allgemei-nen Haushalt, durch Steuerfinanzierung, und wirerreichen dieses hohe Niveau auch, wenn wir öffentlich-private Partnerschaften als alternative Finanzierung zu-lassen.
Wir haben vereinbart, dass wir dieses Instrument dann,wenn die Maßnahmen rascher und effizienter durch einÖPP-Projekt durchgeführt werden können, auch nutzen.Ich sage Ihnen: Ja, Kontrolle ist wichtig an dieser Stelle,ja, Beobachtung muss sein, ob das effizienter ist,
und ja, wir müssen genau schauen, ob diese Projekte da-durch wirtschaftlich realisiert werden können; aber esmuss auch fair geprüft werden. Wenn es möglich ist,werden wir die Investitionen über diesen Weg tätigen.
Wir müssen unsere Finanzmittel möglichst effektiveinsetzen; das ist wahr. Deswegen geht es auch um eineklare Prioritätensetzung. Die aktivierende Mobilitäts-
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politik hat unser Land übrigens zum Logistikweltmeistergemacht. Wir profitieren von ständig wachsenden natio-nalen und internationalen Warenströmen. Die Weltbankhat es uns in diesen Tagen sehr deutlich gesagt: Deutsch-land ist der wichtigste Logistikmarkt der Welt. Warumist dies so? Wegen der großen Leistungsfähigkeit derdeutschen Infrastruktur, wegen der Zuverlässigkeit undPünktlichkeit der deutschen Logistiker. Das ist ein Krite-rium, für das Deutschland die höchste Wertung im Ran-king erhalten hat. Es ist die Qualität der Transportinfra-struktur, die dazu führt, dass wir der LogistikmarktNummer eins auf der Welt sind. Wir wollen dies auchbleiben, und deswegen unterstützen wir die Logistikermit unseren Investitionen in die Infrastruktur.
Durch die wachsenden Verkehre entstehen hohe Be-anspruchungen, sowohl auf der Schiene als auch auf derStraße als auch auf der Wasserstraße. Wir haben die Ver-antwortung, dass diese Verkehrswege in Schuss bleiben,damit der Warenstrom darauf stattfinden kann.
Wir bleiben bei der Priorisierung, die wir schon vor Jah-ren gewählt haben: Erhalt geht vor Neubau.
Das ist auch die Maßgabe für diese Legislaturperiode.Wir haben eine ganze Reihe von Problemen bei Brückenin diesem Land.
„Brückenschmerzen“ heißt die Schlagzeile eines Maga-zins. Deswegen sage ich: In wenigen Wochen bekom-men wir den Brückenzustandsbericht mit Nachberech-nungen unserer Brückenstatik. Ich sage schon heutevoraus: Da wird vieles ernüchternd sein,
und deswegen ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen,dass wir ein Brückensanierungsprogramm für dieSchiene und für die Straße in Deutschland bekommen,ein Sonderprogramm für Investitionen in Brücken zurErtüchtigung von Brücken.
Auch wenn wir uns sehr klar für den Erhalt vor Neu-bau aussprechen, lieber Kollege Kindler, müssen wir na-türlich auch in den Neubau investieren.
Wir haben eine ganze Reihe von Straßen- und Schienen-projekten, die entsprechend umgesetzt werden wollen.Aber wir sagen auch deutlich: Priorität ist, dass alle Pro-jekte, die nicht bis 2015 im Bau sind, im Rahmen desBundesverkehrswegeplans neu überprüft werden.Ich habe dies übrigens auch den Kollegen der Länderauf der Verkehrsministerkonferenz so mitgeteilt. Daschaute ich erst einmal in eine Reihe von relativ ratlosenGesichtern und wurde darauf hingewiesen, das könntedazu führen, dass es bestimmte Projekte vielleicht nichtmehr gibt. –
Ja, genau dazu könnte das führen. Aber das ist auch Sinnund Zweck der Übung. Wir brauchen keine politischenStraßen, keine politischen Schienen und keine politi-schen Wasserwege.
Das passt nicht in die Zeit. Wir brauchen eine Verkehrs-politik, die sich am volkswirtschaftlichen Nutzen aus-richtet, und das setzen wir um.
Wir werden den Schienenverkehr deutlich stärken.Wir führen mit der Deutschen Bahn Verhandlungen überdie LuFV, die Leistungs- und Finanzierungsvereinba-rung. Wir werden auch da mehr Geld in den Bestand in-vestieren. Ich sage deutlich: Wir haben auch Anforde-rungen an die Bahn. Wir haben der Bahn den Auftraggegeben, eine Digitalisierungsoffensive zu starten.Bahnverkehre müssen auch über Digitalisierungen in dieNeuzeit hineingetragen werden. Die Bahn und unserHaus werden in wenigen Wochen gemeinsam das Digi-talisierungskonzept der Bahn vorstellen. Die Bahn hatden Auftrag sehr ernst genommen, sich an der Lebensre-alität der Menschen auszurichten, das Verkehrskonzeptder Zukunft darzulegen
und mit uns gemeinsam diese Digitalisierung voranzu-treiben.Ich sage Ihnen hier klar: Diese Bundesregierung stehtzu den Bahnen. Sie haben das in den letzten Wochendeutlich verfolgen können. Wir hatten an dieser Stelle imZuge der EEG-Reform, der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, eine intensive Diskussion. Wir ha-
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ben es auf dem Verhandlungswege geschafft, dafür zusorgen, dass die Bahnen weiterhin einen Rabatt bei derÖkostromumlage erhalten.
Das ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass das Bahnfahrennicht teurer wird, damit das Bahnfahren attraktiv bleibtund der Transport auf der Schiene erhalten bleibt. Ichwill an dieser Stelle ganz herzlich dem Bundeswirt-schaftsminister Sigmar Gabriel dafür danken, dass diesegute Einigung möglich war.
Lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderungender Zukunft, die insbesondere im Bereich der alternati-ven Antriebe, der Elektromobilität und der besseren Nut-zung der Verkehrswege liegen, bewältigen. Wir brau-chen auch die Digitalisierung unserer Verkehrswege. Ichweiß, dass Sie, liebe Kollegin Wilms, sich beim letztenMal noch darüber ausgelassen haben, dass wir uns zwarum die Infrastruktur im digitalen Bereich kümmern, dassaber die nötigen Mittel dazu im Haushalt fehlen.
Ich weise Sie darauf hin, dass es gelungen ist, eine Ver-einbarung darüber zu treffen, wie wir in die digitale In-frastruktur investieren können. Das Geld, das durch dieDigitale Dividende,
also im Zuge der Versteigerung von Frequenzen, in denBundeshaushalt fließt, soll zu einem Großteil wieder indie digitale Infrastruktur gesteckt werden.
Das werden wir 2016 haushaltswirksam erreichen. Folg-lich werden wir unser Ziel einer flächendeckendenGrundversorgung mit mindestens 50 Megabit pro Se-kunde bis zum Jahr 2018 erreichen.
Das ist etwas, womit Sie nicht gerechnet haben. DieseBundesregierung macht ernst. Wir investieren in die di-gitale Infrastruktur.
Ich darf an dieser Stelle noch einmal auf etwas hin-weisen, was ich bereits beim letzten Mal erwähnt habe:Es gibt so etwas wie ein Grundrecht auf Mobilität. Mirist entgegengehalten worden: Es gibt kein Grundrechtauf Mobilität. Aber, meine Damen und Herren, es gibtmit Sicherheit ein Grundbedürfnis nach Mobilität. Werin unserem Grundgesetz nachliest, wird feststellen, dassnach Art. 11 alle Deutschen Freizügigkeit im ganzenBundesgebiet genießen. Ich glaube, wer sich darauf be-sinnt
– lesen Sie das im Grundgesetz nach –, unser Leitbildmit der im Grundgesetz verankerten Freizügigkeit zuverknüpfen, der wird vielleicht darauf kommen, dass esein Grundrecht auf Mobilität gibt. Wir wollen es auf je-den Fall mit Leben erfüllen.Herzlichen Dank.
Danke, Herr Minister Dobrindt. – Die Kolleginnen
und Kollegen der CDU/CSU werden verstehen, dass für
sie ein bisschen weniger Redezeit drin ist. Der Minister
hat die Redezeit nämlich
umfänglich überzogen.
Roland Claus ist der nächste Redner für die Links-
Partei.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrBundesminister Dobrindt, der Etat für Verkehr und Inf-rastruktur ist in der Tat der Investitionsetat des Bundes.Das weiß natürlich auch die Opposition zu schätzen. Esgeht hier um sehr viel Geld.Das Problem ist, Herr Minister: In Ihrem Ministeriumist das viele Geld leider nicht in guten Händen.
Nur wenige Belege: Mit dem Hauptstadt-Flughafen ha-ben wir uns inzwischen weltweit blamiert.
Der Ausbau des meistbefahrenen Kanals der Welt, desNord-Ostsee-Kanals, verzögert sich aufgrund geringer
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Investitionen und ist überteuert. Bei der Lkw-Maut kom-men Sie im Schiedsverfahren mit Toll Collect seit fasteinem Jahrzehnt zu keinem Ende. Beim Neubau desSchlosses in Berlin steht meiner Vermutung nach dasnächste Desaster ins Haus. Der Ausbau von Breitband-netzen, um endlich die digitale Spaltung der Gesellschaftzu überwinden, lässt auf sich warten.
Autobahnen, die im Rahmen der Verkehrsprojekte Deut-sche Einheit neu ausgebaut wurden, müssen nach dreioder vier Jahren schon wieder grundsaniert werden. Sollich weitermachen? –
Ich glaube, das könnten Sie auch. Mein Fazit ist: Sie indieser Regierung können nicht mit Geld umgehen undschon gar nicht mit viel Geld.
Ein kleiner Rückblick. Wenn in der DDR Pfusch amBau zum Vorschein kam, dann wurde immer gesagt: Soetwas wird es im Westen nicht geben. Die haben Markt-wirtschaft. Da geht so etwas nicht. – Welch gigantischerIrrtum!
Leider haben Sie mit der Abgabe des Ressorts Woh-nen und Städtebau die Idee eines großen, zukunftsfähi-gen Infrastrukturministeriums aufgegeben. Ich hätte mireher gewünscht, dieses Ministerium um die kleinenNachbarressorts Wirtschaft und Landwirtschaft zu berei-chern und so ein wirkliches Infrastrukturministerium zuschaffen. Sie haben da einen anderen Weg gewählt.Stichwort Maut. Hier haben wir eine halbe MilliardeEuro weniger an Einnahmen zu erwarten. Sie, HerrMinister, nennen das eine „theoretische Lücke“, die manaus den allgemeinen Haushaltsmitteln schließen könne.Es ist keine theoretische Lücke, wenn eine halbe Mil-liarde Euro fehlt. Auch allgemeine Haushaltsmittel müs-sen erst durch Steuern gedeckt werden. Reden Sie unshier also nicht die Dinge schön. Das Problem muss ge-löst werden, und zwar zügig.
Sie müssen sich auch über den auslaufenden Vertraghinsichtlich der Mauterhebung entscheiden. Sie habenmitgeteilt, Herr Dobrindt, Sie wollten das im Laufe desJahres entscheiden. Verdammt noch mal, bis Weihnach-ten kann das Parlament nicht warten! Wir werden Siedrängen, da zu einer Entscheidung zu kommen.
Was nun überhaupt nicht geht, Herr Minister, ist, dassSie öffentlich über eine Pkw-Maut für Ausländer schwa-dronieren, dem Parlament dazu aber kein Wort sagen.
Ich habe in einer Zeitung ein Interview mit Ihnen gele-sen, in dem Sie ziemlich konkret werden. Sie benutzendie Formulierung: „Am 1. Januar 2016 wird die Pkw-Maut scharf gestellt“,
und sagen, Sie wollten das Konzept vor der parlamenta-rischen Sommerpause ins Parlament einbringen. Aber,verdammt noch mal, dann lesen wir hier zum zweitenMal den Haushalt! Es kann doch wohl nicht wahr sein,dass ein öffentlich so vieldiskutiertes Thema von Ihnenin den Medien bedient wird, Sie aber dem Parlamentkein Wort dazu sagen. Das können wir nicht hinnehmen.
Ich finde auch Ihre Wortwahl „scharf stellen“ äußerstunangemessen.
Wer solche Begriffe benutzt, der denkt in der Kategorievon Feindbildern. Ich hoffe mal nicht, dass ausländischeAutofahrer Ihr Feindbild sind, Herr Minister.
Ich will auch ein Wort zur Eisenbahn sagen. Übereine Sache reden Sie alle in der Großen Koalition über-haupt nicht mehr. Aber in den langfristig angelegten Be-teiligungsberichten und -beschlüssen – auch zu Priva-tisierungsvorhaben – der Bundesregierung steht nochimmer etwas von einem geplanten Börsengang der BahnAG. Warum reden Sie nicht mehr darüber? Weil Ihnendas natürlich peinlich ist!
Nun haben mir sowohl Bundesminister Dobrindt alsauch Bahnchef Grube gesagt: Herr Claus, niemand hatdie Absicht, einen Börsengang der Bahn zu vollziehen.
Das glaube ich inzwischen auch. Aber wozu ich Sie auf-fordere, ist, der Öffentlichkeit einmal zu sagen: Wir ha-ben uns in dieser Sache vertan. – Haben Sie doch denMut, zu sagen: „Wir haben da einen Fehler gemacht; diePrivatisierung und der geplante Börsengang sind vomTisch“! Das wäre endlich einmal eine ordentliche Posi-tion.
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Herr Minister, Sie wissen von uns: Bei vielen wichti-gen Infrastrukturentscheidungen ist die Opposition da-bei. Das heißt aber auch: Transparenz gegenüber demParlament ist gefordert. Der Haushaltsausschuss lässtsich nicht austricksen. Wenn das so weit klar ist, dannsollte das künftig auch niemand versuchen, auch nie-mand aus dem Bundesverkehrsministerium.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist
Sören Bartol für die SPD.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute inerster Lesung den Entwurf des Bundeshaushalts, mitdem wir die ersten Vorhaben unseres wirklich gut ver-handelten Koalitionsvertrags erfolgreich umsetzen wol-len.
Insbesondere in den Bereichen Verkehr und digitale In-frastruktur werden alle in unserem Land spüren, dassdiese Koalition wirklich handelt. Ich sage Ihnen: Wir pa-cken endlich die Probleme dieses Landes an. Wir küm-mern uns nämlich um die maroden Straßen, Schienenund Wasserstraßen. Unser Motto lautet: Wir reparierenDeutschland.
Daher werden wir in diesem Jahr 2,6 Milliarden Euroin den Erhalt unserer Verkehrswege investieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die höchsteSumme, die jemals für die Sanierung unserer Straßenund Schienen ausgegeben wurde.
– Sie können immer weiter schreien; ich rede einfachweiter.
Unser Ziel ist die Erhöhung der Mittel für die Reparaturder Schlaglöcher, der kaputten Brücken auf Schienen-wegen und Straßen bis 2017 auf 3 Milliarden Euro. Ichdenke, das wird ein Erfolg dieser Koalition werden.
Wir wissen jedoch auch, dass wir bei unseren Ver-kehrswegen natürlich noch den einen oder anderenLückenschluss brauchen, damit wir alle sicher und zu-verlässig von A nach B kommen. Dafür wird dieseKoalition bis 2017 zusätzlich 5 Milliarden Euro investie-ren. Am Ende der Legislaturperiode werden wir das Ni-veau von 12 Milliarden Euro erreichen, was übrigensseit Jahren von allen Experten und Vertretern der Ver-kehrswirtschaft als Mindestmaß gefordert wird und bis-her – außer unter dem SPD-Minister Wolfgang Tiefenseemithilfe der Konjunkturprogramme – noch von keinerBundesregierung erreicht worden ist.Sehr geehrte Damen und Herren, mehr Geld alleinmacht noch keine bessere Verkehrspolitik.
Wir finanzieren unsere Investitionen in die Verkehrs-wege aus den Steuergeldern aller sowie aus den Einnah-men aus der Erhebung der Lkw-Maut. Daher müssen wirverantwortungsvoll mit den Investitionsmitteln umge-hen. In der letzten Woche ist die Grundkonzeption desneuen Bundesverkehrswegeplans 2015 vorgestellt wor-den. Damit geht diese Große Koalition einen mutigenSchritt nach vorn. In Zukunft werden wir ganz klarePrioritäten setzen.
Es wird der neue Grundsatz gelten: Der Bund investiertvorrangig dort, wo es von überregionaler, nationaler Be-deutung ist. In diese Projekte werden wir 80 Prozent un-serer Mittel für den Neu- und Ausbau investieren.
Trotz der guten Botschaften verschließen wir natür-lich nicht die Augen vor den Problemen, die wir nochvor uns haben. Wir alle wissen: Wir können am Ende nurso viel ausgeben, wie wir auch einnehmen. Seit EndeMärz wissen wir, dass die Mautsätze gesenkt werdenmüssen, da der Bund für die Finanzierung des Erhaltsund des Neubaus der Straßen weniger Zinsen zahlt.
Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministers dro-hen uns bis zum Jahr 2017 ungefähr 2 Milliarden Euroweniger an Einnahmen. Es ist klar: Das müssen wir aus-gleichen.SPD, CDU und CSU haben sich in ihrem Koalitions-vertrag klar dazu bekannt, das Prinzip der Nutzerfinan-zierung „Verkehr finanziert Verkehr“ fortzuentwickeln.Daher finde ich es gut, dass BundesverkehrsministerAlexander Dobrindt die Ausdehnung der Lkw-Maut aufFahrzeuge ab 7,5 Tonnen und auf weitere 1 000 Kilome-ter vierspurige Bundesfernstraßen vorgeschlagen hat.Das kann ein erster Schritt sein. Darüber hinaus sollenbei der Berechnung der Lkw-Maut zum ersten Mal auchDinge wie zum Beispiel Luftverschmutzung und Lärm-
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belastung berücksichtigt werden. Das wird die sinken-den Einnahmen aus der Erhebung der Lkw-Maut nichtvollständig ausgleichen.
– Ich komme gleich dazu.Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchenwir einen zweiten Schritt, den wir auch im Koalitions-vertrag vereinbart haben. Wir haben gesagt, dass wir dieLkw-Maut auf alle Bundesfernstraßen ausdehnen wol-len.
Deswegen ist auch klar – der Verkehrsminister hat es ge-rade in seiner Rede betont –, dass dieses Projekt bisMitte Juli 2018 kommen wird. Entscheidend ist jetzt dieFrage der Umsetzung. Gemeinsam müssen wir jetzt zü-gig entscheiden, mit welchen konkreten Maßnahmen wirdie erfolgreiche Umsetzung erreichen wollen. Ich hoffe,dass wir am Ende einen Weg finden, der vielleicht voneiner breiten Mehrheit im Bundestag von Koalition bisOpposition mitgegangen wird.
Mein Ziel ist, nicht nur irgendwelche Löcher im Bun-deshaushalt zu stopfen, sondern am Ende zusätzlicheEinnahmen für das Schließen von Schlaglöchern, dieReparatur von Brücken und den Ausbau unserer Schie-nenwege und Bundesfernstraßen zu generieren. Deswe-gen müssen alle zusätzlichen Einnahmen aus der Erhe-bung der Lkw-Maut – das ist mein Appell an alle –ungekürzt und zusätzlich in die Verkehrsinvestitionenfließen. Das sind wir dem Mautzahler in Deutschlandschuldig.
Der Ausbau der Verkehrswege lebt von der Akzep-tanz der Bürgerinnen und Bürger. Daher werden wir indiesem Jahr mindestens 120 Millionen Euro in denLärmschutz im Schienenverkehr und 50 Millionen Euroin den Lärmschutz an Bundesfernstraßen investieren. Ichglaube – und ich hoffe, das stößt auf Ihre Zustimmung –,wir sollten an dieser Stelle noch ambitionierter vorange-hen.
Ich baue auf die Unterstützung der Mitglieder des Haus-haltsausschusses und der Mitglieder der Facharbeits-gruppen. Spätestens bis zum Ende dieser Legislatur-periode sollten wir eine Verdopplung der Mittel für denLärmschutz erreicht haben.
Eine gute Verkehrspolitik beschränkt sich nicht nurauf Investitionen in unsere Verkehrswege. Wir arbeitenan einer modernen Mobilität des 21. Jahrhunderts. Un-sere Vision ist, dass Deutschland zum Leitmarkt undLeitanbieter für Elektromobilität wird. Daher fördernwir in diesem Jahr die Entwicklung alternativer Antriebemit ungefähr 54 Millionen Euro. Gleichzeitig wollenwir, dass die digitale Welt auch im Bereich der Mobilitätendlich Einzug hält. Darum setzen wir weiter auf das eu-ropäische Satelliten-Navigationssystem Galileo. Aberauch kleinere Projekte wie die Online-An- und -Abmel-dung von Fahrzeugen im Internet wird mit Unterstüt-zung des Bundesverkehrsministeriums endlich vorange-trieben.
Die Digitalisierung unserer Mobilität wird jedoch nurgelingen, wenn wir am Ende schaffen, ein schnelles In-ternet für alle bereitzustellen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass es zu einer digitalenSpaltung zwischen Stadt und Land oder zwischen Jungund Alt kommt.
Der Schlüssel zum Erfolg, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, ist unter anderem der flächendeckende Breitbandaus-bau.
Diese Koalition hat sich zum Ziel gesetzt – Sie könnenes beklagen und beschimpfen –, bis 2018 eine flächen-deckende Versorgung mit Anschlüssen mit einer Über-tragungsrate von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zuerreichen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber wirpacken es wenigstens an.
Es gibt den Vorschlag, die Einnahmen aus der Verstei-gerung von neuen Mobilfunkfrequenzen in den Ausbaudes Breitbandnetzes fließen zu lassen. Das könnte we-nigstens zum Teil helfen, die bestehende Wirtschaftlich-keitslücke beim Breitbandausbau zu schließen. Wichtigist an dieser Stelle, dass die Bundesregierung schnell mitden Bundesländern ins Gespräch kommt, wie die Ver-steigerung am Ende auszusehen hat. Mit dem Breitband-büro des Bundes haben wir ein kompetentes Berater-team, das unsere Städte und Kommunen in ganz
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Deutschland beim Ausbau des Netzes sehr gut berät. Dassollten wir weiter fördern.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich aufdie weiteren Beratungen des vorliegenden Entwurfes füreinen Haushalt 2014 in den dafür zuständigen Ausschüs-sen des Deutschen Bundestages. Ich sage ganz klar: Ichbaue auf die Unterstützung aller Fraktionen für mehr In-vestitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in die Zu-kunft unserer Mobilität.Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner istSven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrter Herr Minister Dobrindt, ichhabe Ihre Rede wohl gehört, aber da war null Substanz,da waren nur markige Sprüche. Ich sage Ihnen, HerrDobrindt: Das hier ist der Deutsche Bundestag, das istkein CSU-Parteitag.
Sie sind jetzt über 100 Tage im Amt, Herr Dobrindt.Das schafft nicht jeder CSU-Minister.
Ich habe noch das Bild Ihres Amtsantritts vor Augen. Esgibt ein schönes Foto von Ihnen und Herrn Ramsauer:Im Hintergrund sieht man links die europäische Fahne,rechts die deutsche Fahne und in der Mitte die blau-weiße bayerische Fahne.
Das steht sinnbildlich für Ihre Verkehrspolitik: CSU-Klientelpolitik.
Ich sage Ihnen, Herr Dobrindt: Sie sind immer noch derCSU-Generalsekretär; im Amt des Verkehrsministerssind Sie noch lange nicht angekommen.
Typisch für einen CSU-Generalsekretär kamen Siewieder mit der alten Leier aus dem Wahlkampf: derRohrkrepierer Pkw-Maut für Ausländer.
Aber außer markigen Sprüchen gab es da nichts Substan-zielles, nichts zur Berechnungsgrundlage, zu den Büro-kratiekosten, zu den Erhebungskosten, zu den großen eu-roparechtlichen Problemen. Mein gut gemeinter Rat,Herr Dobrindt, lautet: Lassen Sie den RohrkrepiererPkw-Maut einfach in der Schublade, und ersparen Siesich doch die Peinlichkeit des Scheiterns!
Und jetzt weg von dem Quatsch der Pkw-Maut, hinzu zentralen Problemen im Verkehrsbereich. Wir habenein riesiges Defizit beim Erhalt und bei den Sanierungenvon Verkehrswegen. Die Infrastruktur wird auf Ver-schleiß gefahren. Nur bei Ihnen, Herr Dobrindt, ist dasnoch lange nicht angekommen; denn wie der Haushaltzeigt, gehen Sie das Problem überhaupt nicht an. Wasmachen Sie nämlich mit den zusätzlichen 5 MilliardenEuro pro Jahr, die Sie jetzt über vier Jahre einstellenwollen? Es gibt ein großes Loch bei den Einnahmen ausder Lkw-Maut; es ist fraglich, ob die 5 Milliarden Euroüberhaupt fließen. Über 70 Prozent, 3,6 Milliarden Euro,packen Sie in den Straßenbereich, und davon fließen100 Prozent in den Neu- und Ausbau von Straßen und0 Prozent in den Erhalt – kein Cent.
Das finde ich wirklich einfach wahnsinnig. Wenn manweiß, dass die Rader Hochbrücke gesperrt wurde, dassdie Rheinbrücke bei Leverkusen gesperrt wurde,
dann empfindet man diese Ignoranz, diese Politik nachdem Motto „Neubau vor Erhalt“, als verantwortungslos,Herr Dobrindt. Damit sorgen Sie dafür, dass weitereBrücken, Autobahnen und Bundesstraßen gesperrt wer-den müssen. Diese ignorante Politik ist wirklich der Gip-fel der Verantwortungslosigkeit.
Das ist ungefähr so, als würden Sie in ein neues Hauseinziehen und merken, dass es durch das Dach regnet,aber anstatt das Dach zu reparieren, fangen Sie an, einezweite Garage und einen neuen Wintergarten zu bauen.Die Frage ist ja: Warum machen das CSU-Verkehrs-minister? Dazu muss man einfach wissen, dass Bayernjetzt für den neuen Bundesverkehrswegeplan 400 neueStraßenbauprojekte angemeldet hat, Gesamtkosten rund17 Milliarden Euro.
Das umzusetzen, würde bei der derzeitigen Mittelaus-stattung circa 160 Jahre dauern. Dann wären wir imJahre 2174. Aber man kann ja als CSU-Verkehrsministerversuchen, in bester CSU-Selbstbedienungsmanier Geldfür den Erhalt nach Bayern umzuleiten, für den Bauneuer Straßen. Aber ich sage Ihnen, Herr Dobrindt – nur
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2592 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014
Sven-Christian Kindler
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damit das klar ist –: Es heißt „Bundesverkehrswegeplan“und nicht „bayerischer Verkehrswegeplan“.
Herr Dobrindt, Sie packen jetzt im Haushalt bei denöffentlich-privaten Partnerschaften ordentlich etwasdrauf, obwohl Sie wissen, dass Sie damit Lasten in dieZukunft verschieben. Das ist eine Umgehung der Schul-denbremse. Das sagen nicht nur wir; das kritisiert derBundesrechnungshof zu Recht immer wieder. Wenn Sieschon nicht auf uns hören, dann hören Sie doch bitte we-nigstens auf den Bundesrechnungshof. Mit dieser Umge-hung der Schuldenbremse muss endlich Schluss sein.
Ich will kurz auf den Breitbandausbau eingehen. Wirfinden dazu im Haushalt einfach nichts. Wo ist das Kon-zept? Es gibt viele schöne Ankündigungen, aber keinKonzept, keine Finanzierung. Auch das verschieben Sieauf später. Aber ich sage Ihnen: Nur aufgrund vollmun-diger Ankündigungen – dadurch, dass Sie sagen, Sie nut-zen irgendwann später die Digitale Dividende für denBreitbandausbau – wird doch kein einziges Glasfaserka-bel gelegt. Da hilft auch kein Deutscher Computerspiel-preis. Bisher ist das noch alles virtuelle Realität, HerrDobrindt.
Ich will zum Thema Großprojekte kommen. Wir ha-ben uns heute Morgen im Haushaltsausschuss zu Rechteinvernehmlich dafür ausgesprochen – alle Fraktionen –,dass die fünfte Schleuse in Brunsbüttel gebaut wird, dassdie Gelder dafür freigegeben werden. Das ist ein wichti-ges Verkehrsinfrastrukturprojekt. Aber was gar nichtgeht, ist der Umgang des Verkehrsministeriums mit demFall. Der Bundesrechnungshof hat dem Haus schonEnde Februar gesagt, dass er massive Bedenken hin-sichtlich der Wirtschaftlichkeit hat, dass er glaubt, dasses unwirtschaftlich sei. Diese Bedenken konnten wirjetzt ausräumen, aber nicht, weil das Verkehrsministe-rium so klasse gehandelt hat. Herr Dobrindt, Sie und IhrStaatssekretär haben uns kein Wort gesagt. Sie wolltendas einfach so im Haushaltsausschuss durchdrücken. Ichsage Ihnen: So kann man nicht mit den Haushältern, sokann man nicht mit dem Haushaltsausschuss umgehen.
Herr Dobrindt, das Schärfste ist: Sie wussten davongar nichts. Ihr eigenes Haus hat Sie nicht darüber infor-miert, dass das Projekt durch die Bedenken des Bundes-rechnungshofes massiv gefährdet ist. Ihre Abteilungslei-terin wusste es, Ihre Staatssekretäre wussten es, wirwussten es – seit der Sitzung des Haushaltsschusses am2. April –,
aber Sie haben es erst am Abend, also noch nach denHaushältern, erfahren. Daran sieht man doch: Ihnen tan-zen die Leute in Ihrem Haus auf der Nase herum. Siesind noch lange nicht als Verkehrsminister angekom-men.
Bei der Schleuse Brunsbüttel, bei Autobahnprojekten,bei Stuttgart 21 und vielen anderen Großprojekten ist esinzwischen die Regel, dass es zu Terminverschiebungenkommt und dass die Kosten explodieren. Ein besonderspeinliches Beispiel dafür ist die Großbaustelle des Flug-hafens BER. Viermal wurde die Eröffnung verschoben.2009 wurden die Kosten auf 2,4 Milliarden Euro ge-schätzt, in der Presse kursieren mittlerweile Zahlen von5 bis 10 Milliarden Euro, das brandenburgische Wirt-schaftsministerium rechnet mit 8 Milliarden Euro. Ab-surdistan, kann ich da nur sagen.Wir haben immer noch keine Transparenz hinsichtlichder tatsächlichen Kosten. Deswegen fordere ich Sie imNamen des Haushaltsausschusses auf: Legen Sie endlichsowohl den Kostenplan als auch den Zeitplan offen. AlsBund muss man politisch an die Sache herangehen, HerrDobrindt. Sie können sich nicht immer wegducken.Übernehmen Sie endlich Verantwortung beim BER, stattimmer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Meine Damen und Herren, klar ist: Wir brauchen einesachliche, finanziell realistische und transparente Ver-kehrsplanung. Wir müssen vor allen Dingen in den Er-halt und in sinnvolle Zukunftsprojekte, die wichtig fürden Klimaschutz sind, investieren. Immer neue Straßen,immer neue schillernde Großprojekte, die viel kostenund wenig bringen, können wir uns nicht mehr leisten.Wir brauchen eine echte Wende in der Verkehrspolitikund keine CSU-Klientelpolitik.Vielen Dank.
Danke, Herr Kollege. Sie haben eben von Fahnen ge-sprochen. Aus Bayern kommend muss ich HerrnStraubinger recht geben: Unsere Fahne ist weiß-blau. Siehaben blau-weiß gesagt, aber das ist Schalke, und dastraue ich Herrn Dobrindt nicht zu.
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Vizepräsidentin Claudia Roth
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Dass Herr Dobrindt keine Schalker Fahne aufzieht, dasist, glaube ich, unstrittig. – Nix gegen Schalke!
Aber das ist ein ganz anderes Thema. Jetzt kommen wirwieder zum Thema Verkehr.Nächster Redner in der Debatte ist Reinhold Sendkerfür die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! „Erhalt vor Neubau“ hat für uns ganz klarPriorität, das will ich noch einmal betonen.
Um weitere Verschlechterungen des Zustands unsererVerkehrsanlagen zu vermeiden, bedarf es zusätzlicherFinanzmittel. Vor diesem Hintergrund sind die 5 Milliar-den Euro, die mehr in den Bereich Verkehr investiertwerden, eine sehr positive Botschaft der Großen Koali-tion an unser Land.
Die abzusenkende Lkw-Maut, von der gesprochenwurde, vor allem begründet durch das derzeit geringeZinsniveau, führt zu einer Finanzierungslücke, die durchMaßnahmen wie beispielsweise einer weiteren Bemau-tung nur zum Teil kompensiert werden kann. Dass es imErgebnis bei den zusätzlichen 5 Milliarden Euro bleibt,ist der Verständigung zwischen Finanzminister und Ver-kehrsminister zu verdanken. Der Verkehrsminister hateben dem Finanzminister gedankt. Lieber AlexanderDobrindt, ich möchte ergänzen: Auch Sie haben sehrschnell und erfolgreich agiert. Herzlichen Dank dafür.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einbeziehungder externen Kosten für die durch den Lkw-Verkehr ver-ursachten Lärm- und Luftverschmutzungsfolgekosten istein Beitrag zur Kostenwahrheit im Bereich Verkehr undsomit ein Schritt in die absolut richtige Richtung. DerEtatentwurf für 2014 sieht rund 10,5 Milliarden Eurovor. Ein weiterer Aufwuchs auf 11 Milliarden Euro,dann auf 11,6 Milliarden Euro und schließlich auf12,1 Milliarden Euro ist geplant.Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass in den Jahrenvor der Finanz- und Wirtschaftskrise Investitionsmittelin Höhe von rund 9 Milliarden Euro vorgesehen waren.Der Aufwuchs der Investitionslinie ist nun unter derConditio der Haushaltskonsolidierung der letzten Jahreausdrücklicher Beweis dafür, dass uns durch stete undbeharrliche Bemühungen eine Verbesserung der Investi-tionslinie gelungen ist. Das ist ein Erfolg unserer Politik.
Wahr ist aber auch, dass die Investitionsmittel nichtausreichen. Das gilt für alle Verkehrsträger. Ein Beispielsind die zahlreichen notwendigen Brückenbausanierun-gen. Die Verkehrsprognosen weisen auf stark steigendeSchwerlastverkehre und damit auf die Notwendigkeit, zuhandeln, hin. Lieber Herr Minister, wir begrüßen die indieser Woche im Sinne der Anlagenverantwortung imBundesverkehrswegeplan vorgenommene Prioritätenset-zung: 70 zu 30, Erhalt vor Neubau.In dieser Diskussion sind für uns fünf Punkte von be-sonderer Bedeutung:Erstens. Ja, wir brauchen einen weiteren Aufwuchsim Bereich der Verkehrsinvestitionen. Dafür werben wir.Dass im Bundesverkehrswegeplan 2015 die Klassifizie-rung „Vordringlicher Bedarf Plus“ für hochbelasteteKnotenpunkte, für Netzlücken und für die Einbindungtranseuropäischer Verkehrsachsen vorgesehen ist, unter-streicht diese Forderung ausdrücklich.Zweitens. Der Bund hat seine Investitionslinie erhöht.Er leistet aber auch in anderen Bereichen, wie bei denEntflechtungsmitteln im Bereich der Gemeindeverkehrs-finanzierung, deutlich mehr, als ursprünglich gesetzlich be-stimmt wurde. Die Verkehrskommission von Dr. Daehreund Professor Bodewig hat den zusätzlichen Investi-tionsbedarf bezogen auf alle staatlichen Ebenen mit über7 Milliarden Euro beziffert. Dazu ist zunächst zu sagen:Das ist völlig richtig dargestellt. Es muss an dieser Stelleaber auch klar gesagt werden, dass der Bund die Investi-tionsanforderungen an alle staatlichen Ebenen im Be-reich Verkehr beim besten Willen nicht alleine schulternkann.Drittens. Mit der Erstellung des FinanzkreislaufsStraße seit dem Jahr 2011 wird mehr Transparenz er-reicht. Diesen Weg gilt es fortzusetzen. Dabei kann unsdie Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, un-sere VIFG, bestens unterstützen. Durch sie können wirschon heute titel- und maßnahmenbezogen tagesaktuelleDaten beziehen. Das ist im Sinne einer optimalen Trans-parenz und unterstützt uns ganz besonders in unseremAnliegen, regelmäßige Infrastrukturberichte zu erstellen,wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Das stärktvor allen Dingen auch die Kontrollfunktion des Parla-ments. Genau das, mehr Transparenz und mehr Akzep-tanz, ist das beste Fundament für unsere Investitionspoli-tik in der Zukunft.
Viertens. Die Unionsfraktion unterstützt ausdrücklichdie Forderung nach mehr Transparenz bei der ÖPP-Be-schaffungsvariante, also bei öffentlich-privater Partner-schaft. Wir plädieren noch einmal dafür, sie nachhaltigzu nutzen, wenn sie im Einzelfall vorteilhafter ist. Diegleiche Forderung stellt im Übrigen auch das DeutscheVerkehrsforum. Wer in dieser Wahlperiode angesichtsdes engen Finanzrahmens, über den wir hier sprechen,zusätzliche Verkehrsinvestitionen will, der kann vorteil-hafte ÖPP-Projekte beim besten Willen nicht zurückwei-sen.
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Reinhold Sendker
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Fünftens. Schließlich ist die Koalition mit der Her-stellung der Überjährigkeit auf einem richtigen Weg, vorallem im Sinne der Herstellung von mehr Flexibilität beider Mittelverwendung.Die Anpassung des Mittelbedarfs beim Bau der fünf-ten Schleusenkammer am Nord-Ostsee-Kanal, beim Er-halt des westdeutschen Kanalnetzes, bei Maßnahmen anMain, Mosel und Neckar sowie weitere 125 MillionenEuro Bedarfsmittel für die Schiene in 2016 sind weitereBotschaften des Einzelplans 12.Ich spreche die Lärmsanierungsaufgaben an Straßeund Schiene und die Ansätze für die kombinierten Ver-kehre und die NE-Bahnen, nicht bundeseigene Eisen-bahnen, an. Das ist angesichts einer umweltgerechtenBewältigung anwachsender Güterverkehre eine beson-dere Aufgabe. Was die Investitionen im Bereich Schieneinsgesamt anbelangt, möchte ich sagen, dass BahnchefDr. Grube am vergangenen Mittwoch vor Ausschussmit-gliedern Kritik geübt hat. Er hat aber auch unseren Ko-alitionsvertrag gelobt. Er hat – das sei ausdrücklich fest-gestellt – gesagt, es habe noch nie einen für die Schieneso positiven gegeben. Das haben wir sehr gerne gehört.Wir werden diese Punkte entsprechend umsetzen.Ich nenne nicht zuletzt das Thema Verkehrssicherheit.Die Zahl der täglich zu beklagenden Verkehrstoten imStraßenverkehr ist über die Jahre erfreulicherweise rück-läufig gewesen. 1970 waren es noch 58, im letzten Jahr9 Tote täglich. Auch hier sind wir erkennbar auf einemguten Weg, sodass diese Zahl weiter sinken wird.Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind gute Bot-schaften aus dem Einzelplan 12. Die positiven Optionenaus dem Koalitionsvertrag werden umgesetzt. UnserMinister ist erfolgreich unterwegs. Wir werden in unse-rer Koalition weiter daran arbeiten, unsere Verkehrsanla-gen im Interesse der Sicherheit der Menschen und derProsperität der Volkswirtschaft, also im Sinne vonWachstum, Fortschritt und Wohlstand für die Menschenin unserem Lande, weiter zu ertüchtigen.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Sendker. – Das Wort hat
Bettina Hagedorn für die SPD.
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Der Einzelplan 12 ist hier schon viel-fach gewürdigt worden als der Etat, der in den nächstenvier Jahren 5 Milliarden Euro mehr für Investitionsmaß-nahmen haben wird. Darüber sind wir alle sehr froh. AlsHaushälter wären wir – ich glaube, das kann ich für alleHaushälter sagen – bei der Besetzung der Jubelchöreaber eine glatte Fehlbesetzung. Haushälter gelten in die-sem Parlament nun einmal eher als Spaßbremsen.
Ich sage das aus folgendem Grund: Wo Licht ist, HerrMinister, ist auch Schatten. Wir alle in diesem Haus wol-len gemeinsam viel Geld für den Erhalt unserer Infra-struktur mobilisieren, insbesondere für den Erhalt vonSchienen, Straßen und Wasserwegen; denn die marodeInfrastruktur ist uns bekannt. Wir haben aber auch Ver-antwortung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes,und wer dieses Geld zur Verfügung stellen will, darf beiden 5 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag verein-bart sind, nicht stehen bleiben.Ich will hier deutlich sagen: Ja, Herr Minister, Sie ha-ben mit der Bekanntgabe des Wegekostengutachtens unddem Minus von 2 Milliarden Euro bei den Einnahmenaus der Lkw-Maut natürlich bedauernd eingestehen müs-sen, dass wir an dieser Stelle Mindereinnahmen habenwerden, die sich logischerweise auch negativ auf die In-vestitionen auswirken werden, wenn wir nicht gemein-sam gegensteuern. Darum möchte ich den Blick darauflenken, dass wir das wirklich mit ganzer Kraft tun müs-sen.Dieses Jahr spielt dabei eine wichtige Rolle. Es istschon darauf hingewiesen worden, dass wir selbstver-ständlich die Ausweitung auf alle die Bundesstraßen, dieInhalt des Koalitionsvertrages sind, vornehmen werden.Diese haben eine Länge von insgesamt 40 000 Kilome-tern. Aktuell wird nur auf 14 000 Kilometern Straße tat-sächlich Maut erhoben. Das macht deutlich, dass wir nurmit einem noch mutigeren Schritt als dem, den Sie hiergerade beschrieben haben, erfolgreich sein werden.
Herr Minister, dafür jetzt in diesem Jahr gemeinsamdie Weichen zu stellen, und zwar, wie mein KollegeSören Bartol es beschrieben hat, am besten mit einerbreiten Mehrheit hier in diesem Hause, muss unser ge-meinsames Ziel sein. Selbstverständlich muss es auchunser gemeinsames Ziel sein, das Schiedsverfahren mitToll Collect in dieser Legislaturperiode zu einem Endezu bringen. Das eine gehört auf jeden Fall mit dem ande-ren zusammen.Unser Ziel ist es natürlich nicht, dass wir, die wir2009 gemeinsam die Schuldenbremse eingeführt haben,jetzt mit Maßnahmen, die im Verkehrsbereich – nichtvon uns, aber von anderen – teilweise gefordert werden,sozusagen Schattenhaushalte aufbauen, die letzten En-des zwar dazu dienen würden, Geld zu mobilisieren, wasaber auf Kosten unserer Kinder und Enkel geschehenwürde. Das wollen wir ausdrücklich nicht.Ich möchte daher noch ein Thema ansprechen, dasauch schon von Ihnen angesprochen wurde. Das ist dasThema PPP. Herr Minister, Sie haben gesagt, PPP seieine Finanzierungsvariante. Das ist es ausdrücklichnicht. Es ist eine Beschaffungsvariante. Das steht auch
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Bettina Hagedorn
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so in unserem gemeinsamen Koalitionsvertrag. Dort ha-ben wir geschrieben:Wir wollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeitvon öffentlichen und privaten Geldgebern oder Infra-strukturgesellschaften als zusätzliche Beschaf-fungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespartund Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werdenkönnen.
Dies muss ebenso wie bei Betriebsvergaben in je-dem Einzelfall transparent und unabhängig nachge-wiesen werden.
Dieses Zitat aus unserem Koalitionsvertrag habe ichhier deshalb noch einmal vorgetragen, Herr Minister,weil Sie beim Thema PPP vorhin gesagt haben, wirwollten die Effizienz von Verkehrsvorhaben beobachten.Das ist in der Tat ein bisschen zu wenig. Wir wollendiese PPP-Projekte auch nicht, wie Sie es ausgedrückthaben, „fair“ prüfen. Für das Wort „fair“ gibt es eineganz klare Definition. Diese liefert uns der Bundesrech-nungshof. Ich möchte den Kollegen sagen, dass wir unsim letzten Sommer im Rechnungsprüfungsausschuss mitder Prüfbemerkung des Bundesrechnungshofes zu einemPPP-Verfahren in Niedersachsen beschäftigen mussten.Dabei wurde ganz klar nachgewiesen, dass dieses Ver-fahren teurer war, als wenn es von der öffentlichen Handin Auftrag gegeben worden wäre.
Es wurde vonseiten der Politik durchgesetzt und von Ih-nen angewiesen. Fakt ist aber, dass ein solches Projektaufgrund der Vereinbarungen in unserem Koalitionsver-trag in der Zukunft nicht mehr auf diese Weise in Auf-trag gegeben werden darf.
Vor diesem Hintergrund will ich ganz deutlich sagen:Ja, es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, dass wirMittel zur Verfügung stellen; die Lkw-Maut habe ich be-reits erwähnt. Es geht aber auch darum, dass wir uns be-wusst sind, welche Probleme wir in den nächsten Jahrennoch gemeinsam zu bewältigen haben werden.Herr Minister, Sie haben zu Recht das Thema LuFV– für die Zuschauer: das ist die Leistungs- und Finanzie-rungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn – angespro-chen. Diese sollte eigentlich schon 2012 bzw. 2013 vonder Vorgängerregierung verhandelt worden sein. Das hataber nicht funktioniert. Jetzt gibt es eine zweijährigeVerlängerung. Diese kostet uns 250 Millionen Euro proJahr. Im Klartext heißt das: Bisher hat die Bahn 2,5 Mil-liarden Euro pro Jahr im Rahmen dieser Leistungs- undFinanzierungsvereinbarung erhalten. Jetzt sind es2,75 Milliarden Euro. Wir werden uns noch in diesemJahr an den Folgevertrag setzen müssen. Wir haben mitIhnen weitere Kriterien zu diesem Thema fest verabredet– diese sind im Koalitionsvertrag zu finden –, die wirmiteinander weiterentwickeln wollen.Wir wollen auch – das sage ich als Haushälter im Na-men aller Kollegen im Haushaltsausschuss –, dass diePrüffähigkeit durch den Bundesrechnungshof in Zukunftgegeben ist; das ist gegenwärtig nicht der Fall. Das wirduns helfen, mehr Transparenz zu schaffen.Eines ist aber klar – das wissen wir alle –: Wir wer-den, wenn wir all diese Punkte geklärt haben, für dieLeistungs- und Finanzierungsvereinbarung mehr Geld indie Hand nehmen müssen. Es wird sich dabei um einenmehr als dreistelligen Betrag handeln. Das liegt deutlichüber dem, was bisher im Haushalt und im Finanzplanvorgesehen ist. Umso wichtiger ist es, dass wir auch diedafür notwendigen Einnahmen generieren, und zwarauch – aber nicht nur – zulasten des Steuerzahlers. Wirin der Großen Koalition sind gemeinsam von dem Ge-danken getragen, dass wir die Nutzer im notwendigenUmfang für die Finanzierung heranziehen wollen; dasgilt insbesondere im Hinblick auf die Lkw-Maut.
Ich freue mich auf die gemeinsame Zusammenarbeitmit Ihnen in der Koalition. Ich denke, wir werden schonim Jahr 2014 deutlich vorankommen.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hagedorn. – Nächste
Rednerin in der Debatte ist Sabine Leidig für die Linke.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Der Verkehrsetat ist mit Investitionsmitteln in Höhe vonüber 12 Milliarden Euro der größte Batzen, mit dem derBund die Zukunft des Landes festlegt bzw. betoniert.Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass man sich an-schaut, welche Weichenstellungen vorgenommen wer-den; denn sie betreffen nicht nur unsere Generation, son-dern auch die nächsten Generationen.Wir haben uns einmal angeschaut, was eigentlich seitder Klimaschutzkonferenz in Rio vor 22 Jahren gesche-hen ist. Damals hat die Weltgemeinschaft festgestellt,dass der Ausstoß von CO2 ein wesentliches Problem fürdie Zukunft ist. Ich erwähne diesen Zeitraum, weil derVerkehrssektor ein wesentlicher Treiber des Klimawan-dels ist.Wenn wir die letzten 20 Jahre betrachten, dann zeigtsich, dass alle acht Verkehrsminister dafür gesorgt ha-ben, dass es hierzulande mehr Autobahnen und wenigerEisenbahnen gibt – ob sie Wissmann, Müntefering,
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Sabine Leidig
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Klimmt, Bodewig, Stolpe, Tiefensee oder Ramsauer hei-ßen.Konkret bedeutet das, dass seit 1993 2 000 Kilometerzusätzliche Autobahnstrecken in diesem Land gebautworden sind. Das ist eine gigantische Größe, wenn manbedenkt, dass das Land auch 1993 schon voll industriali-siert, voll funktionsfähig war.
Hinzu kommt, dass in derselben Zeit das Schienennetzhierzulande um 7 000 Kilometer abgebaut worden ist.
Das ist eindeutig eine falsche und zerstörerische Rich-tung. Denn wer es ernst meint mit Klimaschutz undNachhaltigkeit, mit der Stärkung der Schiene, der mussdiesen Trend endlich umkehren;
mit jedem neuen Verkehrshaushalt können Sie darüberentscheiden. Unter diesem Aspekt muss man den vorge-legten Verkehrshaushalt ablehnen. Denn auch in diesemJahr sollen wieder rund 5 Milliarden Euro in die Straße,aber nur 4 Milliarden Euro in die Schiene investiert wer-den. Das ist die falsche Gewichtung.
Es ist gar nicht so schwer, dieses Verhältnis umzukeh-ren. Es gibt dafür ausgezeichnete Vorarbeiten. Ichmöchte Ihnen eine dicke Broschüre empfehlen. Sie istim Dezember letzten Jahres von dem Bundesnetzwerk„Verkehr mit Sinn“ vorgelegt worden. In diesem Rah-men haben sich 140 Bürgerinitiativen zusammenge-schlossen und mit Unterstützung des BUND, des NABUund des VCD eine Alternativen- und Streichliste im Hin-blick auf den Bundesverkehrswegeplan vorgelegt.
Das ist eine wirklich fundierte Arbeit geworden. Ichwünsche mir, dass wir solche Vorlagen auch einmal ausdem zuständigen Ministerium bekommen.
In dieser Liste werden – gut begründet – 61 Vorhabenzum Neu- und Ausbau von Bundesstraßen und Bundes-autobahnen in der ganzen Republik zur Streichung vor-geschlagen. Zu jedem einzelnen Projekt können Sienachlesen, warum es verzichtbar ist, ebenso im Einzel-nen die Kritikpunkte und die möglichen Alternativen,vor allem aber, wie hoch die sinnvollen Einsparungensind, die darin stecken. Das Ergebnis: Mehr als 20 Mil-liarden Euro können in den nächsten vier Jahren gespartwerden – ohne Weiteres –, wenn diese unnötigen undüberdimensionierten neuen Straßenbauprojekte nichtverwirklicht werden. Sie könnten diese 5 Milliarden Eurostattdessen komplett einsetzen, um die maroden Gleis-anlagen, Schleusen und Straßenbrücken zu renovieren.Das wäre nachhaltige Verkehrspolitik, die wir unterstüt-zen.
Damit aber nicht genug: Es geht uns überall darum,dass das Steuergeld so eingesetzt wird, dass der Nutzenfür die Allgemeinheit möglichst groß ist. Das gilt auchfür die Bahn. Wir wollen nicht, dass Unsummen fürfragwürdige Großprojekte ausgegeben werden, währendviele nützliche kleine Projekte auf der Strecke bleiben.Nach wie vor stehen viele Lückenschlüsse aus. Es gibtein Paradebeispiel für diese Art von Fehlinvestitionen,wie sie auch bei der Bahn vorkommt: Stuttgart 21.
Ursprünglich sollte Stuttgart 21 der große Wurf derBahn des 21. Jahrhunderts werden. Angeblich ging esum eine große europäische Magistrale. Irgendwann hingsogar die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutsch-land daran. Aber der Lack ist längst ab. Es sind zwei Stu-dien vorgelegt worden, die von der Bahn bezahlt wur-den; sie sind sozusagen Auftragsarbeiten, die 20 JahreBahnreform resümieren und die ganze Geschäftspolitikund alles andere in schillernden Farben loben. Aber– das ist bemerkenswert –: Stuttgart 21, das auch 20. Ge-burtstag feiert, kommt nirgendwo vor.
Mit keinem Wort wird es erwähnt, und das aus gutemGrund. Es soll offenbar einfach vergessen werden. Eshat keinen wirtschaftlichen Nutzen, und es hat schon garkeinen gesellschaftlichen Nutzen. Keiner der Projekt-partner will inzwischen noch den Kopf dafür hinhalten.Aber: Es ist noch möglich, mit einem Bruchteil derSumme, die da verbuddelt werden soll, eine vernünftigeAlternative zu bauen.
Ich fordere Sie auf, Herr Minister Dobrindt: Sperren Siedie Haushaltsmittel für Stuttgart 21, und machen Sie denWeg frei für eine bessere und weitaus billigere Lösung!
Wir wollen, dass die Bahn endlich flächendeckendausgebaut wird und alle Bahnhöfe barrierefrei werden– dafür bräuchten Sie nur einen Bruchteil dieserSumme –, wir wollen bessere und mehr Fahrradwege,wir wollen Stadtumbauprogramme, und wir wollen, dassdiejenigen unterstützt werden, die umweltfreundlich un-terwegs sind.
Dafür will die Linke nicht einfach mehr Geld ausgeben.Wir haben nicht nur ein gerechtigkeitsliebendes Steuer-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014 2597
Sabine Leidig
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konzept für mehr Einnahmen, sondern wir haben auchsehr gute Sparvorschläge – für den Verkehrshaushalt al-lemal.Danke.
Danke, Frau Kollegin. – Das Wort hat Steffen Bilger
für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem ich dem geschätzten Verkehrsminister einen
Teil meiner Redezeit abgeben durfte, kann ich jetzt lei-
der gar nicht viel entgegnen auf die Attacken gegen
Stuttgart 21.
Ich will nur auf einen Punkt hinweisen. Wenn wir schon
von Gutachten hören: Es gab kürzlich ein Gutachten des
Verkehrsministeriums in Stuttgart, das zu dem Ergebnis
gekommen ist, dass Stuttgart 21 leistungsfähig ist, dass
dieses Projekt Sinn macht. Deswegen lassen Sie uns
doch alle gemeinsam daran arbeiten, dass dieses Projekt
jetzt vernünftig vorankommt!
Meine Damen und Herren, es ist in der Tat zu begrü-
ßen, dass Investitionen in die Infrastruktur einen
Schwerpunkt der Politik dieser Bundesregierung darstel-
len. Wie sind wir dazu gekommen, dass jetzt mehr Mittel
für den Verkehrshaushalt zur Verfügung stehen? Es han-
delt sich um eine gemeinsame Leistung der Verkehrspo-
litiker aus Bund und Ländern, wofür auch wir im Ver-
kehrsausschuss des Deutschen Bundestages gekämpft
haben.
Während der Rede des Ministers und auch in der
Rede des Kollegen Kindler kam immer wieder der Vor-
wurf, dass so viele Mittel nach Bayern fließen würden.
Man darf aber nicht außer Acht lassen, wie es dazu
kommt. Wir hatten vor wenigen Wochen die Diskussion
darüber, dass Restmittel, dass Swingmittel nach Bayern
und in andere Bundesländer – auch in das rot-grün
regierte Niedersachsen – geflossen sind. Wer hat Geld
zurückgegeben? Baden-Württemberg beispielsweise hat
erstmals Geld zurückgegeben, das dann in andere Län-
der geflossen ist.
Nordrhein-Westfalen ist genau der gleiche Fall. Deswe-
gen bitte erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, be-
vor immer solche Anschuldigungen kommen.
Jetzt will ich aber Baden-Württemberg nicht nur kriti-
sieren, liebe Kollegen aus der Grünenfraktion. Kollege
Kindler hat angesprochen, dass Bayern für den Bundes-
verkehrswegeplan Projekte angemeldet hat, deren Reali-
sierung, wenn es bei der gleichen Mittelausstattung
bleibt, 160 Jahre brauchen wird. Ganz so straßenbau-
feindlich scheint aber auch Baden-Württemberg nicht zu
sein: Baden-Württemberg hat immerhin Projekte für
112 Jahre angemeldet.
Wenden Sie sich auch da bitte einmal an die eigenen
Kollegen!
Doch nun, meine Damen und Herren, will ich zu den
eigentlichen Zukunftsthemen kommen, und dabei ist
doch klar: Große Spielräume sind im vorliegenden
Haushalt nicht vorhanden. Umso mehr begrüße ich es,
dass sich dieser Verkehrshaushalt im Rahmen der beste-
henden Möglichkeiten zu den Zukunftstechnologien im
Mobilitätsbereich bekennt. Wir fordern und fördern al-
ternative Antriebe.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von
Harald Ebner?
Nachdem ich ja Redezeit abgeben durfte und ich noch
nie eine Zwischenfrage gestellt bekommen habe, freue
ich mich sehr darauf.
So sind se, de Schwoabe, die könnet rechna.
Kollege Bilger, vielen herzlichen Dank! Da kriegenSie doch gerne noch ein bisschen Redezeit dazu.Ich wollte Sie gerne fragen, ob Sie denn Kritik daranäußern, dass Baden-Württemberg diese Verkehrsprojekteangemeldet hat, und ob ich Ihre Äußerung dahin gehendrichtig verstanden habe, dass Sie gerne wünschen, dassBaden-Württemberg in der Zukunft weniger Verkehrs-projekte – Neu- und Ausbaumaßnahmen – anmeldet.Oder warum haben Sie diesen Satz so geäußert?
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2598 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014
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Vielen Dank, Herr Kollege Ebner. Ich begrüße es
sehr, dass Baden-Württemberg diese Projekte angemel-
det hat. Das ist in der Tat eine Vielzahl von Projekten;
aber wenn man sich die einzelnen Projekte anschaut,
dann sieht man, dass diese Projekte allesamt auch sinn-
voll sind. Jetzt geht es darum, zu kämpfen, dass wir
mehr Geld für die Infrastruktur bekommen. Dazu gehört
zum Beispiel, dass wir die Nutzerfinanzierung auswei-
ten. Wir können hier alle auch einen Beitrag dazu leis-
ten. Dann werden wir in Baden-Württemberg auch nicht
112 Jahre brauchen, um diese Projekte zu realisieren.
Wir wollen hier aber nicht nur Landespolitik Baden-
Württemberg machen; darum nur noch das als Hinweis:
Wenn die Landesregierung es nicht einmal schafft, die
Mittel für den Erhalt zu verbauen – von den Neubaumit-
teln gar nicht zu reden –, dann finde ich das wirklich be-
dauerlich. Also kämpfen wir doch gemeinsam dafür,
dass diese sinnvollen Projekte realisiert werden!
Doch zurück zur Mobilität der Zukunft: zur Elektro-
mobilität. Wir stehen zu dem Ziel, 1 Million Elektrofahr-
zeuge bis 2020 erreichen zu wollen. Zugegeben: Je nä-
her wir an das genannte Jahr 2020 kommen, desto mehr
wird offensichtlich, wie ehrgeizig dieses Ziel ist. Aber
ein gewisser Ehrgeiz hilft bekanntlich beim Erreichen
von Zielen. Bundesminister Alexander Dobrindt hat be-
reits angekündigt, dass es demnächst ein Elektromobili-
tätsgesetz geben wird. Das zeigt: Wir stehen weiter zur
Elektromobilität.
In diesem Elektromobilitätsgesetz wird es zunächst
vorrangig um verschiedene Einzelmaßnahmen gehen,
die den Steuerzahler nichts oder wenig kosten. Mit kla-
ren Regelungen zur Kennzeichnung von Elektrofahrzeu-
gen oder zu privilegierten Innenstadtparkplätzen können
wir hier schon einen wichtigen Beitrag leisten.
Klare Regelungen sind das eine, Fördermittel für
sinnvolle Projekte sind das andere. Deswegen begrüße
ich sehr, dass im Haushalt 280 Millionen Euro für Maß-
nahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität und
zusätzliche Mittel für das Nationale Innovationspro-
gramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie
vorgesehen sind. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass
wir zu den Zukunftsinvestitionen in die Mobilität stehen.
Meine Damen und Herren, es ist keine Frage: Es gibt
auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität der Zu-
kunft noch viel zu tun. Mit diesem Haushalt und unseren
weiteren Maßnahmen in dieser Legislaturperiode schaf-
fen wir aber die Voraussetzungen dafür. Packen wir es
gemeinsam an!
Vielen Dank, Herr Kollege Bilger. – Das Wort hat
Dr. Valerie Wilms für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Wenn ich das, was wir jetzt schon über eine Stunde langgehört haben, Revue passieren lasse, dann kann ich nurfeststellen: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen vonder Großen Koalition, Politik ist nicht nur das Aufzählenvon Problemen und Träumereien – das gilt insbesonderefür das, was Herr Dobrindt uns gezeigt hat –, sondernhier muss es auch um Lösungen gehen.
Ich finde es beschämend, wie Sie als Große Koalition,die Sie wirklich eine riesige Mehrheit in diesem Hausehaben – leider –, nur den Status quo verwalten. Sie ha-ben schon jetzt, zu Beginn der Wahlperiode, Ihre Arbeitpraktisch eingestellt. Sie reden um die wahren Problemeherum und tun so, als ob alles so weitergehen kann wiebisher. Dabei wissen Sie es ja wirklich besser.Auch die Bürgerinnen und Bürger merken zuneh-mend, dass etwas gewaltig schiefläuft. 95 Prozent derEinwohnerinnen und Einwohner kleinerer Städte bekla-gen laut einer infas-Umfrage aus dieser Woche inzwi-schen den Verfall der Verkehrswege. Alle sehen, dasswir so, wie bisher, nicht weitermachen können. Nur Siein der Großen Koalition sind da offensichtlich blind.
Sie tun so, als ob mit den zusätzlichen 5 MilliardenEuro, von denen Sie hier gesprochen haben, alle Pro-bleme gelöst werden.
Das stimmt aber nicht. Herr Dobrindt, sagen Sie doch of-fen, dass Sie den größten Brocken Ihrer zusätzlichen5 Milliarden Euro in den Beginn neuer Straßenbaumaß-nahmen stecken. Wohl gemerkt: Sie versenken das Geldfür den Beginn von neuen Projekten und verpflichtenuns für die nächsten Jahre – und auch unsere nachfolgen-den Generationen – zu weiteren Milliardenausgaben, umdas alles fertigzustellen, damit keine Investruinen he-rumstehen. Das ist ein unverantwortlicher Umgang mitSteuermitteln;
denn wir haben vor allem Probleme mit dem Erhalt un-serer Verkehrswege. Hierfür brauchen wir mehr Mittel,Herr Verkehrsminister, und nicht für den Neubau.Wir müssen es hier ganz deutlich sagen: Bringt dieseKoalition die fehlenden Mittel für den Erhalt nicht auf,können Straßen, Schienenstrecken und Wasserstraßennicht im heutigen Umfang erhalten bleiben. Das ist dochganz logisch! Das kann man mit dem kleinen Einmaleins
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Dr. Valerie Wilms
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berechnen; dafür braucht man keine Exponentialglei-chungen oder Ähnliches zu lösen.
Wenn die Mittel für den Erhalt der Substanz nicht dasind, dann müssen Sie von der Großen Koalition ehrlichsagen, was dem Verfall überlassen werden soll. WelcheStraße, welche Brücke oder welche Schienenstreckewollen Sie zurückbauen? Sagen Sie das den Menschenehrlich! Ich bin sehr gespannt, was dann in den Wahl-kreisen los ist, was die Damen und Herren mit Direkt-mandaten erleben werden.Ich kann nur sagen: Wir Grüne wollen die geschaffe-nen Werte erhalten und nicht herumtricksen. Hören Sievon der Großen Koalition endlich auf, den Menschenweiter etwas vorzugaukeln!Sie legen aber noch eine weitere Schüppe drauf, HerrDobrindt. Es ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, dassSie den Fertigbau begonnener Straßen als Bestandsin-vestitionen bezeichnen.
So wird das verkehrspolitische Mantra von Erhalt vorNeubau und Ausbau, das Sie ja auch wieder groß imMund geführt haben, zur echten Farce. Schade!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heuteviel über fehlende Mittel gehört. Das aber ist nur die eineSeite der Medaille. Die andere Seite der Medaille – dasviel tiefer liegende Problem – ist die gesamte Finanzie-rungsstruktur. Damit müssten Sie sich als Koalition be-fassen. Mit Ihren Mehrheiten könnten Sie das regeln. Siehaben aber die Probleme offensichtlich noch immernicht begriffen.Unser jetziges Haushaltssystem ist rein am Ausgebenvon Geld orientiert. Geld ausgeben ist ja auch die Lieb-lingsbeschäftigung dieser Großen Koalition. Das Kern-problem ist aber: Wir haben keine Ahnung vom Zustandunserer Verkehrswege, weil simple kaufmännische Prin-zipien im Bundeshaushalt missachtet werden. Das ist un-verantwortlich. Das ist die Verantwortung dieser GroßenKoalition und ihres bayerischen Verkehrsministers.Es ist nicht zu rechtfertigen, wie hier mit den uns an-vertrauten Steuermitteln umgegangen wird. Es ist jetztwirklich die Aufgabe dieser Großen Koalition, da end-lich etwas zu ändern; denn ich kann mich entsinnen: Ge-rade die Union legt doch immer großen Wert auf ihreWirtschaftskompetenz. Dann handeln Sie selbst endlichwie ehrbare Kaufleute. Das sehe ich bislang nicht.
Auch die SPD behauptet jetzt, Wirtschaftskompetenzzu besitzen, aber auch da sehe ich nichts. Würden näm-lich Unternehmen ihre Bilanz so machen, wie wir denBundeshaushalt führen, dann wären sie längst pleite.Meine dringende Aufforderung ist daher: Lassen Sie unsein System erarbeiten, mit dem wir endlich auch denvöllig normalen Wertverlust von Straßen, Schienen oderBrücken im Haushalt berücksichtigen.Meine Fraktion setzt sich daher für eine Vermögens-bilanz im Verkehrsetat ein. Wir wollen kaufmännischePrinzipien einführen. Damit könnten wir auf den erstenBlick erkennen, wie groß die Werteverluste durch Ab-nutzung der geschaffenen Anlagen sind, die wir mitSteuergeldern geschaffen haben. Wir würden dann se-hen, wie viel wir reinvestieren müssen – auch Sie, meineDamen und Herren Zuschauer, –
Ihre Redezeit, Frau Kollegin.
– könnten das dann sehr deutlich sehen –, um das Ver-
kehrsnetz wenigstens auf dem gleichen Stand zu erhal-
ten. Von unseren Kommunen verlangen wir das schon
längst.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Es reicht
nicht, vor allem für eine Koalition mit diesen Mehrhei-
ten, einfach so wie immer weiterzumachen. Sie haben
eine langfristige Verantwortung. Handeln Sie verantwor-
tungsbewusst! Erhalten Sie die geschaffenen Werte!
Lassen Sie uns das gemeinsam machen.
Vielen Dank.
Danke, Frau Kollegin. – Das Wort hat Kirsten
Lühmann für die SPD.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-nen! Europa reiste einst auf einem Stier. Wenn wir derSage glauben, geschah das nicht ganz freiwillig. Aber siekam sicher ans Ziel. – In dem vorliegenden Bundeshaus-halt geht es um etwas modernere Verkehrsmittel. Glück-licherweise haben wir heutzutage auch die Wahl, wie wirunsere Güter oder auch Personen von einem Ort zum an-deren bewegen. Die Bundesregierung hat die Weichendafür gestellt, dass diese sogenannte Multimodalität rei-bungslos funktioniert, in ganz Europa sogar grenzenlos.Es ist natürlich schwierig, Deutschland in dieser Mit-tellage so auszubauen, dass das alles so funktioniert, wiewir uns das vorstellen. Aber diese Mittellage ist fürDeutschland auch ein Pfund, mit dem wir wuchern kön-nen. Durch diese Mittellage profitieren nämlich nichtnur unsere Logistikunternehmen, sondern auch die Men-schen in unserem Lande mit ihrer individuellen Mobili-tät.Die EU hat nun mit den Leitlinien für die TEN, dietranseuropäischen Netze, Korridore im Bereich vonStraße, Schiene und Wasserstraße festgelegt, die vorran-gig auszubauen sind. Insbesondere hat die Europäische
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Kirsten Lühmann
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Union dem Aspekt der Vernetzung, also der Möglich-keit, von einem Verkehrsträger auf den anderen zu wech-seln, besondere Bedeutung zugemessen. Das findet sichauch in unserem Haushalt wieder. Auch dort haben wirTitel, mit deren Mitteln wir den Anlagenbau dadurchfördern, dass wir zum Beispiel Güter von der Schieneauf die Straße und umgekehrt transportieren können. Wirmüssen nur darauf aufpassen, dass das Geld, das wir zurVerfügung stellen, seine Wirkung voll entfalten kann.Neben der Vernetzung der Verkehrsmittel ist es auchbedeutend, dass wir die Rahmenbedingungen bei derMobilität europaweit harmonisieren. Neben den einheit-lichen Sicherheitsstandards auf hohem Niveau sind ins-besondere einheitliche Zulassungsverfahren im Eisen-bahnbereich oder zum Beispiel Veränderungen beimUmbau von Lkw im Sinne einer CO2-Reduzierung wich-tig, genauso aber wie die konsequente Umsetzung vonEU-Urteilen zum Verbraucherschutz.Dabei dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren,dass in einem so dicht besiedelten Land wie unserem dieBelastung der Bevölkerung zum Beispiel durch Lärmeine besondere Bedeutung hat. Daher haben wir in die-sem Haushalt die Mittel für den Lärmschutz an denSchienenwegen deutlich erhöht, und wir werden auchdie Anstrengungen im Straßenbereich ausweiten.Weil wir den Straßenverkehr sicherer machen wollen,werden wir auch hier verstärkt auf Vernetzung setzenmüssen, und zwar auf Vernetzung der Akteure auf derStraße von Telematik über Onlineparkplatzreservierun-gen an Autobahnen bis hin zu automatischen Abstands-warnungen. Hierbei wirkt es sich vorteilhaft aus, dassunser Ministerium jetzt auch für den Ausbau leistungsfä-higer, mobiler und stationärer Zugänge zum Internet zu-ständig ist. Das ist eine Voraussetzung für alle dieseInnovationen. Die Aktivitäten hierzu werden wir ab denfolgenden Haushalten realistisch abbilden.Aber zurück zu den TEN-Korridoren: Sie stellen dienationalen Regierungen, auch die unsere, vor große He-rausforderungen, zumal Deutschland in besonderemMaße betroffen ist: Sechs von neun dieser Korridore ver-laufen durch Deutschland. Mit der Aufstockung der Mit-tel für die Verkehrsinfrastruktur – mein Kollege SörenBartol hat das schon ausgeführt – ist ein wichtigerSchritt hin zu einer besseren Finanzierung getan worden.Bei den Beratungen wird es jetzt darauf ankommen, dassbei der Verteilung dieser Mittel alle Verkehrsträger ange-messen Berücksichtigung finden werden.
Bei der Realisierung unserer Projektideen werden wiraber mit der bisherigen Praxis der Verkehrswegeplanungdie neuen Herausforderungen nicht meistern können.Der Bundesverkehrswegeplan war und ist in seiner jetzi-gen Form eher ein Wünsch-dir-was-Konzert. Realisti-sche Priorisierungen, die sich an einem bundesweitenoder gar europäischen Netzgedanken orientieren, sindbis auf wenige Ausnahmen Fehlanzeige.Allein die höchste Kategorie „Vordringlicher Bedarf“im aktuellen Bundesverkehrswegeplan enthält knapp3 000 Kilometer Ortsumfahrungen, insgesamt etwa800 Fernstraßenprojekte, 47 Schienenprojekte und 26 Was-serstraßenprojekte. Sie alle bei annähernd gleichbleiben-den Mitteln zu bauen, würde uns 25 Jahre kosten. Aller-dings läuft dieser Bundesverkehrswegeplan im nächstenJahr aus.Die SPD-Bundestagsfraktion hat in der vergangenenWahlperiode umfangreiche Konzepte zu einer zukunfts-weisenden Verkehrspolitik vorgelegt und dabei einenEntwurf für eine moderne Verkehrsnetzplanung erarbei-tet. In der Grundkonzeption für einen neuen Bundesver-kehrswegeplan, den Verkehrsminister Dobrindt geradevorgelegt hat, finden wir unsere Vorstellung weitgehendund in entscheidenden Punkten wieder.Der neue Bundesverkehrswegeplan wird eine Netz-planung sein. Diese Netzplanung wird die Grundlage fürein nationales Prioritätenkonzept bilden. Damit werdenwir Projekte identifizieren, die besonders dringend um-gesetzt werden müssen, weil damit bedeutsame Netzlü-cken geschlossen oder hochbelastete Knoten entlastetwerden. Verkehrsachsen, zu denen wir binationale Ver-träge haben, oder auch die von mir angesprochenenTEN-Korridore gehören ebenfalls in diese Kategorie.Wir werden dafür bis zu 80 Prozent der Mittel zur Verfü-gung stellen.Die EU unterstützt unsere nationalen Anstrengungenbeim Ausbau dieser Korridore und bei der Lärmreduzie-rung an der Schiene mit deutlich aufgestockten Mitteln.Wir müssen zusehen, dass wir diese auch ausreichendnutzen können. Voraussetzung dafür sind aber ausrei-chende und zügige Planungen bei allen drei Verkehrsträ-gern. Bei Schiene und Wasserstraßen, den Verkehrsträ-gern, die in unserer Zuständigkeit liegen, werden wirOptimierungen vornehmen, damit wir schneller voran-kommen können.
Ich weiß nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, obdas Reisen auf Stieren heute noch möglich wäre. Ichdenke, verkehrsrechtlich gäbe es dabei weniger Pro-bleme, aber die Tierschützer würden das zu Recht unter-sagen. Ich weiß aber sicher, dass wir mit den Vereinba-rungen, die diese Regierung im Verkehrsbereichgetroffen hat, die Voraussetzung dafür geschaffen haben,dass der Transport von Gütern und das Reisen inDeutschland zukunftssicher aufgestellt werden können.Ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam an diesem Ziel ar-beiten zu dürfen.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner:Eckhardt Rehberg, CDU/CSU.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abge-ordneten! Wenn man die Pällmann-, die Daehre- und dieBodewig-Kommission und deren Gutachten sowie derenKriterien als Maß für die Höhe der Ausbaumittel bei derVerkehrsinfrastruktur nimmt, dann kann man sagen: Wirsind deren Forderungen mit dem vereinbarten Koali-tionsvertrag ein großes Stück entgegengekommen.5 Milliarden Euro insgesamt für die Verkehrsinfrastruk-tur: Ich glaube, das sollte man nicht schlecht- oder klein-reden.Herr Kollege Kindler, ich habe den Eindruck, Sie ha-ben den Bundeshaushalt 2014 nicht gelesen.
Wie können Sie hier behaupten, dass keine Mittel in dieErhaltung fließen und nur 3,6 Milliarden Euro in denNeubau?
Beim Ist 2013 sind von den steuerfinanzierten Straßen-baumitteln 2,5 Milliarden Euro in die Erhaltung geflos-sen und nur 900 Millionen Euro in den Neubau. Sie er-zählen hier einen Unfug sondergleichen. Es ist unwahr,was Sie gesagt haben, Kollege Kindler.
Frau Kollegin Leidig, ich persönlich bin sehr froh,dass in meinem Heimatland die A 20 gebaut wurde unddie A 14 im Bau ist.
Ich bin für die Kolleginnen und Kollegen aus Sachsensehr froh, dass wir die A 17 nach Prag haben und die A 4von Bautzen nach Görlitz. Wenn wir, wie Frau Lühmannzu Recht gesagt hat, in Deutschland den Anforderungenan uns als Land in der Mitte Europas gerecht werdenwollen, dann brauchen wir gerade in den neuen Bundes-ländern Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen. WennSie hier sagen, dass Sie gegen den Neubau der Autobah-nen der letzten 20 Jahre waren, dann mache ich Ihnenden Vorschlag, Ihnen persönlich und allen, die geklatschthaben: Für Sie Autobahnverbot auf diesen Autobahnen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was sinddie Herausforderungen? Wir werden als Koalition dasumsetzen, was im Kabinettsbeschluss zur Überjährigkeitvereinbart worden ist. Es ist ein großer Fortschritt, wennwir in einem Haushaltsvermerk festlegen, dass Ausgabe-reste, die im Einzelplan 12 in den Hauptgruppen 7 und 8bei den Kap. 12 03, 12 10 und 12 22 entstehen, für dasFolgejahr und weitere Folgejahre, wenn es sie dann im-mer noch gibt, nicht aus dem Einzelplan 12 ausfinanziertwerden müssen, sondern aus dem Gesamthaushalt. Diesträgt zur Verstetigung der Verkehrsinfrastrukturmittelbei. Wir haben nicht mehr das Dezemberfieber; vielmehrkann man Geld gleichmäßig ausgeben. Viele Projektewerden billiger werden. Ich halte das für einen Riesen-fortschritt, wenn wir dieses umsetzen. Die Koalition istfest entschlossen, dieses auch zu tun.
Ich bin heute zitiert worden mit dem Satz: Wir müs-sen uns ehrlich machen in der Verkehrspolitik. – MeineDamen und Herren, manche beklagen die Kostendyna-mik, aber sie schauen nicht, wo die Ursachen liegen.Hier wurde kritisiert, dass die Länder so viele Verkehrs-projekte angemeldet haben. Die machen es sich einfach.Sie nehmen eine Kostenschätzung vor, das NKV wirdausgerechnet, sie packen dem Bund Dutzende, vielleichtmehrere Hundert Projekte vor die Tür und sagen: Bund,priorisiere du jetzt mal. – Dann stellt sich im weiterenVerfahren heraus – frühestens beim Gesehen-Vermerkbefasst man sich wieder mit den Kosten; dazwischen lie-gen Linienführung, Raumordnung usw., usf. –: Oh Gott,die Kosten sind aber mächtig gestiegen. Wenn der Gese-hen-Vermerk erteilt wurde, geht es in die Planfeststel-lung, dann kommt die Bürgerbeteiligung, dann kommtdie Umweltverträglichkeitsprüfung, dann kommen Kla-geverfahren, dann kommen möglicherweise Deals mitUmweltverbänden, damit das Recht auf Verbandsklagenicht in Anspruch genommen wird.Ich will Ihnen nur zwei Beispiele aus Mecklenburg-Vorpommern nennen, bei denen massive Kostenexplo-sionen aus den genannten Gründen stattgefunden haben;ich könnte Ihnen Dutzende andere anführen. Für dieB 96 auf Rügen waren ursprünglich 80 Millionen Eurogeplant. Heute sind es 125 Millionen Euro, davon27 Millionen Euro für die Erfüllung von Umweltstan-dards. Oder: Für die Ortsumgehung in Wolgast waren60 Millionen Euro geplant. Heute sind es 95 MillionenEuro. Ich könnte die Liste der Beispiele beliebig fortset-zen.Frau Kollegin Lühmann, der letzte Bundesverkehrs-wegeplan wurde unter Rot-Grün 2003 aufgestellt.
– Das war ein guter? Lieber Kollege, schauen Sie sichdie darin enthaltenen Kostenschätzungen an!Wir müssen, wenn die Länder ihre Projekte anmel-den, zumindest zu mehr Kostenwahrheit und Kosten-klarheit kommen. Der Schwarze Peter darf an dieserStelle nicht beim Bund liegen.
Schauen wir uns die Ausschreibungsphase einmal an.Wir haben das gerade beim Nord-Ostsee-Kanal erlebt.
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Eckhardt Rehberg
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– Langsam, Herr Kollege Kindler! – Die Ingenieure derWasser- und Schifffahrtsverwaltung haben uns gesagt:375 Millionen Euro. – Dies haben wir als Haushälter vorgut einem Jahr akzeptiert. In der Ausschreibung ist nunvon 485 Millionen Euro die Rede. Wir müssen bei allenVerkehrsinfrastrukturprojekten eine Kostenindexierungvornehmen. Alles andere hilft uns nicht weiter.Ich glaube, dass wir als Große Koalition die Chancehaben, im Verkehrsbereich eine Menge umzusetzen, aberauch eine Menge zu reformieren, sodass wir zu mehrKostenwahrheit und Kostenklarheit kommen.
Hier sich selber Sand in die Augen zu streuen, hilft nichtweiter.Herzlichen Dank.
Danke, Herr Kollege Rehberg. – Nächster Redner für
die SPD: Arno Klare.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es ist der erste Bundeshaus-
halt, den ich begleiten, analysieren und lesen darf. Bei
der Durchsicht des Einzelplans 12, Herr Minister, ist mir
aufgefallen, dass bei dem Haushaltstitel, für den ich in
meiner Fraktion berichterstattend zuständig bin – Inno-
vative Mobilitätskonzepte –, eine Null steht. Da war ich
schon ein wenig berührt. Ich werde darauf zurückkom-
men.
Dann sind Sie schnell fertig.
Es stimmt, dann könnte ich schnell fertig sein. Aberich will gar nicht schnell fertig werden; das ist ja derPunkt.Mobilität ist mehr als – darüber sind wir uns sicher-lich einig – eine Verbindung von A nach B. Mobilität istBasis ökonomischer Prosperität. Ohne dass mehr Men-schen auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, werdenwir die Energiewende und die Klimawende nicht hinbe-kommen.
Mobilität ist darüber hinaus unabdingbar – das ist mir alsSozialdemokrat besonders wichtig – für die Sicherungsozialer und kultureller Teilhabe; denn wer kein Autohat, muss abends, wenn er ein Theater besucht, sehen,wie er hin- und wieder zurückkommt. Das muss gesi-chert sein.Wir sind uns auch darüber einig – alle Wissenschaft-ler sagen uns das –: Die Mobilität der Zukunft wirdkeine rein automobile, sondern eine multimodale und in-termodale sein. Ein Wissenschaftler des InnoZ aus Ber-lin hat vor kurzem in einer Fernsehsendung sehr provo-kant formuliert: Ein Auto zu besitzen, wird zukünftig sosein wie schwarz-weiß fernsehen. – Das ist also etwasvon gestern. Ob dies nun die Zukunftsmusik ist, die wiralle hören wollen, ist die große Frage. Aber zumindestsagen uns das die Wissenschaftler.Fakt ist, dass junge Leute heutzutage immer wenigerautoaffin sind, dafür aber hochmobil sein wollen. DieMobilität der Zukunft muss für diese Menschen realisie-ren, was bisher nur der Pkw kann, nämlich eine Tür-zu-Tür-Verbindung. Davon ist die Mobilität heutzutagenoch weit entfernt. 76 Prozent aller Personenbeförde-rungsleistungen sind automobil. Davon sind übrigens32 Prozent Freizeitverkehre. Nur 8 Prozent dieser Leis-tungen erbringt der öffentliche Verkehr. Das sind relativfrische Zahlen des Statistischen Bundesamts. Die Masseder Wege, die zurückgelegt werden, liegt übrigens unter20 Kilometer. Da könnte man etwas salopp und – zuge-geben – böse formulieren: Die meisten Menschen in die-sem Land interessieren sich nicht dafür, ob der neueICE 3 230 oder 260 Kilometer pro Stunde fährt. Sie wol-len vielmehr eine saubere und pünktliche S-Bahn um– sagen wir – 7.15 Uhr an ihrem Bahnsteig stehen haben,in die man einsteigen kann, in der die Klimaanlage funk-tioniert, damit man im Sommer nicht gratis eine Saunahat, und die nicht jeden Morgen das Erlebnis bietet, zurSardine zwangsmutiert zu werden.
Jetzt habe ich hier gelernt, dass dies nicht unsereSache sei, weil das Aufgabe der Länder und der Kom-munen sei. Allerdings sind wir über das Gemeindever-kehrsfinanzierungsgesetz und Regionalisierungsmittelda durchaus im Spiel. Nichts, aber auch gar nichts sprä-che dagegen, wenn man schon heute wieder so etwaswie einen Ideenpool einrichten würde, gleichsam soetwas wie eine Best-Practice-Sammelstelle schaffenwürde, die alle bisher erdachten Konzepte alternativerMobilität und visionär Skizziertes unter einem Projekt-dach zusammenführte. Wo, wenn nicht bei uns, unterdiesem marketingpsychologisch so gekonnt alliterieren-den Dachclaim „Modernität und Mobilität“, sollte dasbeheimatet sein? Den letzten Satz habe ich völlig ohneIronie gesprochen.
Es geht um ein Leitplankenkonzept und eine mobili-tätspolitische Zukunftslandkarte. Die müssen wir schaf-fen. So etwas gibt es im Ansatz bereits. Ich habe eineBroschüre entdeckt und auch mit großem Interesse gele-sen. Sie ist 2012 erschienen und hat den Titel „Mobili-tätssicherung in Zeiten des demografischen Wandels“.Die war sehr summarisch und kasuistisch, aber immer-hin geht sie in die richtige Richtung.
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Arno Klare
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Übrigens ist dort – das ist ganz interessant – aufSeite 9 ein Bild – eben war schon von Stieren die Rede –einer intermodalen Mobilitätskette. Da steht erkennbarauf dem platten Land – ich bitte all diejenigen um Ver-zeihung, die von dort kommen; so spricht man hier halt –ein Haltestellenschild, und an dieses Haltestellenschildist ein gesatteltes Reitpferd angebunden. Es wird derEindruck erweckt, als sei einer dahin geritten und mitdem Bus weitergefahren. Das ist alles im Umweltver-bund, wohl gemerkt. Ob das die Mobilität der Zukunftist, weiß ich nicht genau.
Was wir uns konkret wünschen, ist, dass der derzeitim Haushaltsplan auf null gestellte Haushaltstitel 686 02im Kap. 12 02 wieder eine ausreichende finanzielle Wie-derbelebung erfährt, mindestens in der Höhe der Dotie-rung aus dem Haushalt 2012. Ein persönlicher Satz zumSchluss: Dann könnte ich wieder meinen Frieden mitdem Einzelplan 12 machen. Dann wäre meine Bericht-erstattung zumindest wieder finanziell implementiert.Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Klare. Wir wünschen Ih-
nen alles Gute. Wir werden alle darauf achten, dass Sie
keine Sardine hier im Parlament werden. Das ganze
Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen
Bundestag.
Der nächste Redner ist Arnold Vaatz für die CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Einbringungsrede zu einem Fachhaushaltdient in der Regel der Verständigung über die Prioritätender Politik und über die Frage, ob diese Prioritäten, wennsie denn vernünftig sind, auch vernünftig umgesetzt wer-den. Nun muss ich sagen: Was den ersten Teil betrifft,war ich zunächst der Auffassung, dass ich als Schluss-redner sagen kann: In den Grundprioritäten stimmen wirhier im Haus eigentlich weitgehend überein.Das habe ich eine ganze Weile geglaubt, aber dannhabe ich festgestellt: Ganz so ist es doch nicht. Einerseitsist es zwar so, dass bei unseren grünen Kollegen sehrviel Realismus eingekehrt ist, auch auf Länderebene. Ichmuss sagen: Es ist ein Fortschritt, wenn Herr Al-Wazirsagt, dass selbstverständlich Deutschland nicht ohneNachtflüge auskommt. Das muss man einfach einmalgoutieren.
Auch dass Herr Hermann in Baden-Württemberg jetztsehr treu und brav daran arbeitet, dass Stuttgart 21 um-gesetzt wird, finde ich ganz in Ordnung; keine Frage.
Wie gesagt, ich dachte, man könne dieses Lob loswer-den. Aber dann kam Frau Leidig.
Sie hat gezeigt, dass jetzt ganz offensichtlich die Linkedie abgelegten Klamotten der Grünen übergestreift hat
und uns dieses Klein-Fritzchen-Idyll von „Zurück zurNatur und zur Steinzeit“ als Politik verkaufen will.
Das halte ich für einen überlebten Standpunkt.
Im Großen und Ganzen ist es tatsächlich so, dass un-sere Prioritäten vernünftig sind.Erstens. Wir wollen dafür sorgen, dass Deutschland inder klassischen Verkehrsinfrastruktur auch in Zukunftein führender Standort bleibt.
Das würde mit unserem Anspruch korrespondieren, einein Europa und in der Welt führende Industrienation zusein.Zweitens. Wir haben verstanden, dass die klassischeInfrastruktur selbstverständlich durch eine ebenso leis-tungsfähige IT-Infrastruktur zu erweitern ist, dass da ei-niges zu tun ist und dass es vom Erfolg der IT-Infrastruk-tur abhängt, ob auch die ländlichen Räume inDeutschland wieder Räume der Wertschöpfung werdenkönnen. Daran müssen wir arbeiten. Da sind wir nochnicht ganz an dem Punkt, den wir anstreben. Aber ichfinde, es ist dadurch eine Weichenstellung gelungen,dass die Verantwortung für die IT-Infrastruktur jetzt ei-nem Ministerium fest zugeordnet ist und dass der Minis-ter an der Spitze erkannt hat, dass an dieser Stelle tat-sächlich Grundsatzarbeit geleistet werden muss.
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dasswir Mobilität in diesem Land nicht bekämpfen dürfen,sondern dass wir sie rational und vernünftig mit Rah-menbedingungen versehen müssen, sodass das Land vo-rangebracht wird.Wir sind uns in diesem Haus ebenfalls einig, dass wirin der Vergangenheit zu wenig auf den Erhalt der Infra-struktur gesetzt haben und dass wir das Versäumte jetztnachholen müssen. Dass wir über das Wie noch streiten,ist absolut vernünftig. Es ist ganz klar: Selbstverständ-
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Arnold Vaatz
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lich wird es unterschiedliche Meinungen über die Ge-wichtung geben. Ich bin auch der Auffassung, dass wiruns in diesem Haus einig sind, dass ein Stopp des allge-meinen Werteverzehrs nicht bedeuten kann, dass wirbeim Neubau auf eine Null setzen.
Das kann nicht sein; denn selbstverständlich muss sichauch unsere Infrastruktur weiterentwickeln und moder-nisieren lassen. Das ist unsere Aufgabe.
– Ich gebe Ihnen vollkommen recht, Herr Kindler, wennSie dagegen sind, dass wir eine Wünsch-dir-was-Politikmachen. Genau darum geht es nicht.
Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass wir imzukünftigen Bundesverkehrswegeplan, den wir jetzt vor-bereiten, vernünftige Kostenansätze bekommen. Es kannnicht sein, dass unsere Projekte mit einer bestimmtenSumme X konzipiert werden und dass die Realisierungs-summe dann beim Fünffachen, beim Sechsfachen oderbeim Zehnfachen liegt. Da ist im System etwas falsch.Frau Wilms, wenn Sie das kritisieren, gebe ich Ihnen in-soweit recht. Darüber müssen wir ernsthaft reden; das istüberhaupt keine Frage.Auch ich bin der Meinung – es ist meines Erachtensnötig, diese Anerkennung auszusprechen –, AlexanderDobrindt hat als Verkehrsminister die richtigen Prioritä-ten gesetzt, und er geht sie mit Vernunft und mit Augen-maß an. Dafür bedanke ich mich.Ich möchte insbesondere eine Sache noch hervorhe-ben, die noch nicht genügend gewürdigt worden ist.Alexander Dobrindt hat sich gemeinsam mit dem Wirt-schaftsminister Sigmar Gabriel darauf geeinigt, dass dieDeutsche Bahn – sie ist im Augenblick der wichtigsteBestandteil der Elektromobilität in Deutschland – entlas-tet wird von ursprünglich angedachten Nachzahlungenim Zusammenhang mit dem EEG. Zusätzliche Zahlun-gen von 500 Millionen Euro hätten auf der Bahn lastenkönnen; doch dazu kam es nicht. Das ist meines Erach-tens eine Leistung, die anerkannt werden muss,
eine Leistung von beiden. Aber er hat auch die kleinenUnternehmen entlastet. Auch das muss gewürdigt wer-den. Das ist meines Erachtens sehr vernünftig.Im Übrigen bleibt noch sehr viel zu tun.Ich möchte auch noch sagen – ich weiß, dass meineeigene Fraktion mir dazu nicht applaudiert, dass ich daim Gegensatz zum ganzen Haus stehe –: Ich hätte es amliebsten gesehen, wenn das ganze EEG bezüglich Neu-anlagen abgeschafft worden wäre, aber gut.
Es ist ökologisch unsinnig, es ist wirtschaftlich unsinnig,es ist energiepolitisch unsinnig. Aber reden wir jetztnicht drüber! Wir sprechen jetzt ja über den Verkehrs-haushalt.
In drei Jahren werden alle so denken.
Meine Damen und Herren, wir müssen meines Erach-tens an zwei Themen arbeiten; das muss ich am Endemeiner Rede noch sagen. Das erste ist: Wir können mitder langen Realisierungsdauer unserer Projekte nichteinverstanden sein; wir brauchen kürzere Realisierungs-zeiten. Ich will nur ein Beispiel nennen, nämlich denBau der Bahnstrecke von Berlin-Südkreuz nach Berlin-Lichtenrade. Die Zweiteilung Berlins liegt – erfreuli-cherweise – seit 25 Jahren hinter uns. Wir hatten also25 Jahre Planungszeit. Wenn wir jetzt beispielsweise fürein Teilstück dieser Bahnstrecke in Lichtenrade auf eineTunnellösung umsteigen, dann brauchen wir dafür wei-tere 15 Jahre. Das sind dann zusammengenommen40 Jahre. Mit diesen Zeiträumen können wir uns bei kei-ner anderen Industrienation auf der Welt sehen lassen.Wir brauchen kürzere und gerafftere Planungszeiten. Ichhoffe, daran können wir gemeinsam arbeiten. Unter ver-nünftigen Menschen sollte das möglich sein.Last, but not least: Wir müssen prüfen, ob unsereStandards, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten his-torisch gewachsen sind, wirklich zukunftsführend sindund ob wir so mit anderen Ländern mithalten können,wie beispielsweise der Türkei, in der innerhalb kürzesterZeit riesige Flughäfen gebaut werden können.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Ende. – Das müssen wir meines Er-achtens überdenken.Zum Schluss. Wir können unsere deutschen Unter-nehmen nicht ständig Handicaps aufbürden, durch diesie im internationalen Wettbewerb ruiniert werden. Dasgilt insbesondere im Luftverkehrsbereich. Ich denke, dahaben wir in der nächsten Zeit noch genug Arbeit voruns.Frau Präsidentin, ich danke Ihnen für die Geduld.
Ihnen allen wünsche ich ein schönes Osterfest.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014 2605
Arnold Vaatz
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Danke, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen zu
diesem Einzelplan liegen mir nicht vor.
Dann kommen wir jetzt zur Schlussrunde unserer
Haushaltsdebatte.
Ich bitte Sie darum, schnell Ihre Plätze einzunehmen
oder nach draußen zu gehen und dort weiterzuquatschen.
– Ich meine natürlich: weiterzureden.
Der erste Redner in der Schlussrunde ist für die Bun-
desregierung der Parlamentarische Staatssekretär Steffen
Kampeter.
S
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Schlussrunde in der Debatte zum Bundes-haushalt dient dazu, auf die Woche zurückzublicken,aber auch dazu, einen Blick auf die Lage insgesamt zuwerfen. Wenn man von außen auf die Haushaltspolitikschaut, dann kann man gelegentlich den Eindruck be-kommen, es ginge um Buchhaltung, um das Verschiebenvon Zahlen von der einen auf die andere Seite der Haus-haltsstelle.Es ist mir wichtig, am Anfang dieser Debatte festzu-stellen, dass Haushaltspolitik und Wachstumspolitik– und damit Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik – in ei-nem engen Zusammenhang zu sehen sind. So hat zumBeispiel vor wenigen Tagen – das ist angesichts der hei-ßen Themen der Haushaltsdebatte ein Stück weit unter-gegangen – der Internationale Währungsfonds seineneue Wachstumsprognose vorgelegt: Nicht nur, dass diePrognose für die Bundesrepublik Deutschland besser istals noch vor wenigen Monaten, insgesamt gibt es ein po-sitives Signal für Europa, und zwar nicht nur für dieEuro-Zone, sondern beispielsweise auch für Großbritan-nien. Es gibt insgesamt ein verhaltenes Lob für die Fis-kalpolitik und die Strukturreformen, die die europäi-schen Länder in den vergangenen Jahren durchgeführthaben.Aber nicht nur, weil der Internationale Währungs-fonds das so sieht, sondern auch, weil das viele hier indiesem Hause und vor allem die Bundesregierung so se-hen, sage ich: Erfreuliche Zahlen beim Wachstum sindkein Grund, sich in eine Komfortzone zurückzuziehenoder in allgemeiner Hybris festzustellen: Wir müsstenuns in Deutschland nicht mehr anstrengen.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,wollen wir in der Bundesregierung in den nächsten Mona-ten, insbesondere auch im Hinblick auf die G-7-Präsident-schaft – Wolfgang Schäuble ist gerade in Washington, umdie Koordination voranzutreiben –, auf diesen Zusam-menhang zwischen Wirtschaftswachstum und Haushalts-konsolidierung hinweisen. Unsere Finanzpolitik im enge-ren Sinne, unsere Haushaltspolitik kann nie erfolgreichsein, wenn wir als Bundesrepublik Deutschland, alsGroße Koalition, als Deutscher Bundestag und als Bun-desregierung nicht alle Initiativen, national wie interna-tional, unterstützen, die das Ziel haben, dass die Industrie-länder in Europa und weit darüber hinaus wieder aufeinen nachhaltigen und höheren Wachstumspfad kom-men. Nachhaltige Finanzpolitik bedarf nachhaltigenwirtschaftlichen Wachstums, und dafür sollten wir unseinsetzen.
In diesen Kontext muss man bestimmte Entscheidun-gen oder Signale dieser Woche, die in der Haushaltsde-batte eine Rolle gespielt haben, einordnen, beispiels-weise den erfreulichen Abschluss der Verhandlungen mitder Europäischen Kommission zu der Frage der Wettbe-werbsfähigkeit der Industrie in Deutschland mit Blickauf die Energiepolitik. Das war ein großer Erfolg desBundeswirtschaftsministers und ist ein Beitrag zu einernachhaltigen Wachstumsstrategie in Deutschland unddamit einer Wachstumsstrategie für Europa.
Wenn ich die Verkehrsdebatte einmal Revue passierenlasse, muss ich sagen: Wir haben das frühere Verkehrs-ministerium ganz bewusst umgestaltet mit der Erweite-rung um den Zukunftsbereich der digitalen Infrastrukturin Deutschland.
Früher haben wir beim Thema Infrastruktur ausschließ-lich in den Kategorien von Schiene, Straße, Wasser-straße gedacht. Heute wissen wir: Der Industrie- undDienstleistungsstandort Deutschland wird auf Dauer nurdann wettbewerbsfähig sein, wenn wir auch bei der digi-talen Infrastruktur spitze sind. Deswegen ist es ein wich-tiges politisches Signal, das wir mit dem Neuzuschnittder Bundesregierung und der entsprechenden Neugestal-tung des Haushaltes für Deutschland und für Europa set-zen.
Ich glaube, dass die Ausweitung der Investitionen inBildung und Forschung auf verschiedene Bereiche – esgeht eben nicht nur um das Ressort von Johanna Wanka –deutlich macht, dass die Zukunft des Standorts Deutsch-land und das wirtschaftliche Wachstum Deutschlandsdavon abhängen, wie viel Leistungsbereitschaft und wieviel Exzellenz wir in unserem Bildungs-, Ausbildungs-und Forschungssystem mobilisieren.
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Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter
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Deutschland schrumpft. Wir werden weniger. Wir ha-ben uns verändert. Deswegen müssen wir diejenigen, diemorgen und übermorgen dazu beitragen können, unserenWohlstand und die Stabilität unserer sozialen Siche-rungssysteme zu gewährleisten und unsere Innovations-kraft nach vorne zu treiben, besser unterstützen. Der indieser Woche debattierte Haushalt liefert dazu einen gu-ten Beitrag. Wir sollten alles daransetzen, dass der Bil-dungs- und Forschungsstandort Deutschland in dennächsten Jahren weiter gedeiht.
Wenn ich sage „alles daransetzen“, steht dahinter derGedanke: Politik – auch Haushaltspolitik, Wirtschafts-und Wachstumspolitik – muss konsequent sein. Konse-quente Politik wird sich vielleicht nicht morgen, aberübermorgen auszahlen. Ich will ein Beispiel dafür brin-gen, dass Konsequenz sich wirklich auszahlt.Seit einigen Jahren erleben wir als Antwort auf dieStaatsschulden- und Bankenkrise europäische Solidari-tät; der Bundesfinanzminister ist da führend beteiligt.Das wird von vielen Deutschen, aber auch internationalkritisch gesehen. Ich möchte an dieser Stelle hervorhe-ben, dass Griechenland gestern einen ersten Schritt da-hin gemacht hat, dass nicht mehr die europäische Solida-rität den griechischen Staat finanziert. Griechenland hateine Anleihe an den internationalen Märkten platziert,mit einem erheblichen Volumen, und sie wurde erheb-lich überzeichnet. Das heißt, es gibt wieder Interesse anGriechenland. Die Märkte sagen: Mit dem, was dort inden vergangenen Jahren geleistet worden ist, ist Grie-chenland auf dem richtigen Weg.Der Besuch der Frau Bundeskanzlerin heute in Grie-chenland macht deutlich, meine sehr verehrten Damenund Herren: Mit diesem Land geht es aufwärts. Grie-chenland hat konsequent reformiert, konsolidiert, aufWachstum umgeschaltet.
Dies anzuerkennen, sollte auch in dieser Haushaltsde-batte ein ganz wichtiger Punkt sein.Konsequenz zahlt sich aus. Reformfreude stößt zuerstimmer auf Widerstand, aber am Ende führt sie zu mehrWachstum, zu mehr Wohlstand und zu mehr Stabilität,nicht nur in Griechenland, sondern in Europa insgesamt.
In dieser Debatte hat an der einen oder anderen Stelledie Frage, warum wir so scharf auf die Nullen sind, einegrößere Rolle gespielt. Haushaltspolitiker und Finanzpo-litiker sind gelegentlich etwas seltsame Leute; wir liebenNullen. Die schwarze Null, so hat ein Vertreter der Op-position gesagt, sei abstrakt.
Wir als Haushaltspolitiker haben eine gewisse sozialeVerantwortung. Diese schwarze Null ist nicht abstrakt,sie ist sehr konkret. Sie bedeutet: keine neuen Schulden,keine zusätzlichen Zinsbelastungen, mehr finanziellenSpielraum zur Bewältigung der demografischen Heraus-forderungen – der Kollege Kahrs lässt es da gelegentlichan Ernsthaftigkeit vermissen –
und mehr Gerechtigkeit für zukünftige Generationen,meine sehr verehrten Damen und Herren. Dafür ist dieschwarze Null, wie wir sie nennen, das richtige Instru-ment.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass die schwarzeNull die neue Normalität der Haushaltspolitik ist.Wolfgang Schäuble hat dies in seiner Einbringungsredegesagt.
Dies wird dazu führen, dass wir in den nächsten Jahreneine sinkende Schuldenstandsquote haben und wir inzehn Jahren bei unter 60 Prozent landen werden. Damitsind wir wieder auf einem klaren Kurs und können end-lich mit Maastricht unseren Frieden schließen. Sündengibt es in der Finanzpolitik nicht nur außerhalb Deutsch-lands; denn auch wir erfüllen nicht alle Kriterien desMaastricht-Vertrages. Wir sollten an diesem Vertrag fest-halten. Dieser Kurs führt zu mehr Wachstum, zu mehrStabilität und zu mehr Möglichkeiten nicht nur für dieheutige, sondern auch für alle zukünftigen Generationen.Das ist ein Markenkern unserer Haushalts- und Finanz-politik.
Ein weiterer Kritikpunkt in dieser Debatte, der gele-gentlich vorgetragen worden ist, ist, dass wir auch dafürSorge tragen, dass die Überschüsse in den Sozialkassennicht zu groß werden. Meine sehr verehrten Damen undHerren, die sozialen Sicherungssysteme haben Über-schüsse – das ist das Spiegelbild der positiven wirt-schaftlichen Entwicklung –, teilweise im mittleren zwei-stelligen Milliardenbereich. Wir haben uns dazuentschieden, dass wir vorübergehend dafür Sorge tragen,dass diese Überschüsse nicht zu groß werden, weil esgleichzeitig immer noch Defizite im Bundeshaushaltgibt. Da unsere Politik in verbal-radikaler Art und Weisevon den Vertreterinnen und Vertretern der Oppositiondiskreditiert wird, will ich sagen: Alle sozialen Leistun-gen in der Renten-, in der Kranken-, in der Arbeitslosen-und in der Pflegeversicherung sind weiterhin gewähr-leistet. Alle gesetzlichen Ansprüche sind garantiert. DieBeiträge bleiben stabil, meine sehr verehrten Damen undHerren.
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Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter
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Wir machen einen soliden Interessenausgleich zwi-schen den öffentlichen Kassen. Aus dem Bundeshaushaltgehen in diesem Jahr 90 Milliarden Euro, also knapp einDrittel der gesamten Ausgaben, in die sozialen Siche-rungssysteme. Am Ende dieser Legislaturperiode sind esdeutlich über 100 Milliarden Euro. Der Bundeshaushaltist ein Haushalt des inneren sozialen Zusammenhalts.Aber er ist auch ein Haushalt, in dem darauf geachtetwird, dass nicht an der einen Stelle Überschüsse gene-riert werden, während an der anderen Stelle Defizite pro-duziert werden. Dieses wäre unsinnig. Deswegen senkenwir die Defizite und gleichen so den Haushalt aus. Dasist solide, das ist nachhaltig und es ist vor allem wirt-schaftlich vernünftig.
Ein ganz wichtiger Punkt, auf den ich noch hinweisenmöchte, ist, dass dieser Bundeshaushalt auch für die an-deren Gebietskörperschaften, für Länder und Gemein-den, deutliche Signale setzt. Wir haben schon in den ver-gangenen Jahren erhebliche Leistungen von Ländernund Gemeinden in die finanzielle Verantwortung desBundes übernommen. Ich sage dies vor folgendem Hin-tergrund: Es entsteht allgemein immer der Eindruck,dass es den reichen Onkel gibt – das ist der Bund – unddass alle anderen nicht genügend Geld haben. Tatsacheist: Wenn Sie sich die Finanzkennziffern ansehen, dannerkennen Sie, dass der Bund am stärksten unter derSchulden- und Zinslast ächzt, gefolgt von den Ländern.In den Gemeindehaushalten – ich darf das hier einmalerwähnen; es ist ein großes Geheimnis – gibt es, aller-dings unterschiedlich verteilt, Überschüsse.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,will ich an dieser Stelle festhalten, dass wir zwischen2010 und 2017 Ausgaben von Ländern und Gemeindenin Höhe von 93 Milliarden Euro in den Bundeshaushaltübernehmen. 93 Milliarden Euro bei einem Bundeshaus-halt von jährlich etwa 300 Milliarden Euro – das istschon eine ganze Menge Geld. Dies zeigt: Der Bundsteht nicht nur zu seiner Verantwortung, was seine Auf-gaben betrifft, sondern er zeigt auch im föderalen Ge-füge Solidarität. Wir weiten diese Solidarität in dennächsten Jahren aus.
Vor diesem Hintergrund mutete es schon abenteuer-lich an, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Opposi-tion angeführt haben, wir würden nicht zu unseren Zusa-gen stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, klar ist: Mitdiesem Haushalt und der mittelfristigen Finanzplanungsetzen wir eins zu eins das um, was wir in den Koali-tionsvereinbarungen festgelegt haben. Wir schließen ers-tens die umfassende Übernahme der Kosten für dieGrundsicherung im Alter ab. Wir bereiten zweitens dasBundesteilhabegesetz vor, das spätestens 2018 finanz-wirksam werden wird. Wir entlasten drittens die Ge-meinden ab 2015 im Vorgriff auf das Bundesteilhabege-setz in geeigneter Art und Weise um etwa 1 MilliardeEuro.Es ist kein Bild der Vergangenheit, dass wir Solidari-tät zeigen; es ist ein Markenkern für die Zukunft, dasswir eine kommunalfreundliche Politik machen, die dieLeistungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit auch andererGebietskörperschaften steigert. Dafür stehen die GroßeKoalition und die Bundesregierung, nicht nur mit diesemHaushalt, sondern auch mit ihrer Politik in den nächstenJahren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir sollten jetzt in den Beratungen deutlich machen,dass wir an diesem Kurs festhalten. Ich habe in den letz-ten Tagen vieles gehört, das gut klang, aber von dem ichmir unter dem Strich nicht wünsche, dass es umgesetztwird. Dazu gehört auch der eine oder andere Vorschlagaus den Koalitionsfraktionen.
Wenn wir jeden Vorschlag umsetzen würden, hätten wirSchwierigkeiten, unsere globalen Vorgaben einzuhalten.Ich bin mir aber der Unterstützung dieses Hauses bei derFortführung unserer konsequenten Politik sicher.Ich bedanke mich bei den Haushältern der Koalition,die uns schon in den ersten Tagen der Koalition gut be-gleitet haben. Ich setze auf einen konstruktiven Dialogmit der Opposition auch im Haushaltsausschuss. Ichweiß, dass die Grünen und die Linken sicherlich klugeVorschläge machen werden.
Am Ende muss eines klar sein: Stabilität ist derSchlüssel zu Wachstum. Haushaltskonsolidierung mussdie neue Normalität sein. Sie schafft Möglichkeiten, dienotwendigen Investitionen zur Gewährleistung der mit-telfristigen Wachstumsfähigkeit unserer Volkswirtschaftvoranzutreiben. So können wir uns einigen. Dazu ladeich alle ein, die Koalition und gleichermaßen die Op-position.Herzlichen Dank.
Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Gesine
Lötzsch von der Linken.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Die Bilanz dieser Woche lautet: DieRegierung ist mit sich zufrieden und lobt sich über dengrünen Klee. Das scheint sie für ihr Seelenheil zu brau-
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Dr. Gesine Lötzsch
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chen, und für fünf Minuten können wir es ihr auch gön-nen. Aber Steffen Kampeter hat schon richtig gesagt:Die Opposition wird kluge Vorschläge machen.
Insofern will ich Ihnen am Ende dieser Woche acht ganzkonkrete Vorschläge mit auf den Weg geben, die wir inden Beratungen umsetzen können:Erster Vorschlag: die Finanztransaktionsteuer endlicheinführen. Deutschland kann da vorangehen.
Die Kanzlerin hat am Mittwoch darauf verwiesen, dassDeutschland bei der Regulierung der Finanzmärkte inEuropa immer vorangeht. Ich finde, man sollte sie beimWort nehmen: Sie sollte auch hier mit gutem Beispielvorangehen und durchsetzen, dass die Finanztransak-tionsteuer zuerst in Deutschland eingeführt wird. Ichsage Ihnen: Die anderen Länder werden uns folgen, weilsie sich dem nicht entziehen können, meine Damen undHerren.
Wenn beim Kauf von Aktien im Wert von 1 000 EuroSteuern von nur 1 Euro anfallen würden, dann wäre das,wie ich glaube, für jedermann vertretbar. Der Staatwürde 50 Milliarden Euro mehr in der Kasse haben. Da-mit könnte man eine Menge anfangen. Ich glaube, dieKanzlerin als die mächtigste Frau der Welt könnte dasdoch locker durchsetzen, meine Damen und Herren.
Zweiter Vorschlag: Kindergelderhöhung. UnserenKindern steht nach dem Bericht über das Existenzmini-mum eine Kindergelderhöhung zu. Es geht hier um425 Millionen Euro im Jahr. Das hört sich erst einmalnach viel an, aber im Hinblick auf den Gesamthaushaltist das durchaus vertretbar.Wir haben gerade in dieser Woche erfahren, dass Frauvon der Leyen dem Finanzminister 1 Milliarde Euro zu-rückzahlen musste, weil sie ihre Rüstungsprojekte nichtfinanziert bekommt. Wir hätten also Geld für eine Kin-dergelderhöhung übrig. Das wäre sinnvoller, als es fürRüstungsprojekte auszugeben.
Meine Damen und Herren von der Union, wir alle wer-fen einen Blick in unsere Wahlprogramme, Sie sicherlichauch in Ihres. Sie haben im Wahlkampf 35 Euro mehrKindergeld versprochen. Darüber sollten wir uns in denHaushaltsberatungen unterhalten.
Dritter Vorschlag: Industrie an der Energiewende be-teiligen. Kollege Gabriel hat den Satz formuliert:40 Euro für einen Dreipersonenhaushalt im Jahrtauschen gegen ein paar Hunderttausend Arbeits-plätze … das hielte ich für ein frivoles Unterfangen.Ich weiß nicht, was die SPD sagen würde, wenn je-mand gegen den Mindestlohn, der ihr so sehr am Herzenliegt, folgendermaßen argumentieren würde: Ein paarEuro mehr Lohn in der Stunde tauschen gegen ein paarHundert Arbeitsplätze, das wäre frivol. – Sie würdendemjenigen doch einen Vogel zeigen, und das zu Recht.
Herr Gabriel – ich gehe davon aus, dass Sie ihn alleunterstützen – hat ein ganz altes Argument der Arbeitge-ber einfach auf die Energiewende übertragen. Das findeich nicht in Ordnung; denn solange es die SPD gibt – Sieerinnern sich doch an Ihre Geschichte –, erklären Arbeit-geber in Bezug auf die sozialen Vorschläge der SPD,dass diese eine Menge Arbeitsplätze kosten würden.Dieses Argument gab es übrigens schon, als es um dieAbschaffung der Kinderarbeit und die Einführung desAchtstundentages ging. – Das können Sie sich dochnicht im Ernst zu eigen machen!
Vierter Vorschlag: Mindestlohn schneller und flä-chendeckend einführen. Gerade das Finanzministerium,hier heute vertreten durch Herrn Kampeter und nichtdurch Herrn Schäuble, müsste doch ein sehr großes Inte-resse daran haben, dass der flächendeckende gesetzlicheMindestlohn schneller, als bisher geplant, eingeführtwird.
Denn der Mindestlohn entlastet die öffentlichen Haus-halte. Wir haben es gestern Abend, leider zu relativ spä-ter Stunde, besprochen: Allein 10 Milliarden Euro zu-sätzlich müssen für die sogenannten Aufstocker – alsofür Menschen, die so wenig Geld bekommen, dass sievon ihrer Arbeit nicht leben können – in den Haushalteingestellt werden.
Ich habe gestern Abend – ich erzähle es gerne nocheinmal – von dem skandalösen Urteil des Arbeitsgerich-tes in Cottbus berichtet. Die Richter waren der Auffas-sung, dass Menschen freiwillig für 1,54 Euro in derStunde arbeiten würden, damit sie auf dem Arbeitsmarktwieder Fuß fassen können. Ich finde: Gerade solche Ur-teile zeigen, dass wir keine Ausnahme beim gesetzlichenMindestlohn zulassen dürfen.
Fünfter Vorschlag: Ost- und Westmütter endlichgleich behandeln. Es ist möglich und für alle wünschens-wert, dass wir keinen Unterschied mehr bei der Rentemachen. Ich finde, wir sollten bei der Mütterrente anfan-gen.
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Dr. Gesine Lötzsch
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Wir werden im kommenden Jahr den 25. Jahrestag derdeutschen Einheit begehen. Wir werden feiern, viele Re-den werden gehalten. Nach 25 Jahren kann man nieman-dem mehr erklären, dass es Unterschiede zwischen Ostund West gibt, insbesondere bei Müttern.
Sechster Vorschlag: endlich die kalte Progression ab-schaffen.
– Genau, das ist ein CDU-Vorschlag. – CDU/CSU undauch SPD wollen wieder einmal die kalte Progressionabschaffen, aber dafür fehlt angeblich das Geld. DieSPD ist nur für die Steuersenkung, wenn es eine Gegen-finanzierung gibt. Es gibt natürlich eine Gegenfinanzie-rung! Wir müssen nur die Vermögenden in unseremLand steuerlich etwas mehr belasten, damit die Mittel-schicht ihre Lohnerhöhungen nicht mehr vollständigbeim Finanzminister abgeben muss; denn das ist unge-recht.
Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, dass derFinanzminister in den Jahren bis 2017 durch die kalteProgression insgesamt etwa 55 Milliarden Euro mehreinnehmen würde.
Ich finde, dieses Geld gehört den Menschen, die es erar-beitet haben, nämlich der Mittelschicht. Wir brauchenendlich eine gerechte Besteuerung der Reichen. Das hatunser Land verdient.
Siebenter Vorschlag: Geben Sie den Kommunen mehrGeld! Steffen Kampeter ist auf dieses Thema eingegan-gen und hat immerhin zugestanden, dass die Lage derKommunen sehr unterschiedlich ist. Ich finde, wir soll-ten die Augen davor nicht verschließen. Natürlich gibt esreiche Kommunen, aber sehr viele Kommunen ächzenund leiden unter der Situation. Hier im Haus sind Kolle-gen aus allen Bundesländern vertreten; jeder wird Bei-spiele dafür kennen.Das ist nicht nur eine Finanzfrage. Denn Finanzenund Haushalt beschreiben auch den Zustand unserer Ge-sellschaft. Es geht dabei auch um die Frage einer leben-digen Demokratie. Warum soll man sich eigentlich beieiner Kommunalwahl zur Wahl stellen, wenn man genauweiß, dass man aufgrund der Finanzsituation entschei-den muss, ob zuerst die Schwimmhalle, die Bibliothek,das Theater oder vielleicht eine Schule geschlossen wer-den muss? Ich glaube, die Frage einer gerechten Finan-zierung der Kommunen ist auch die Frage einer lebendi-gen Demokratie, und dafür sollten wir doch alleeinstehen.
Wir haben vor wenigen Minuten die Debatte über denVerkehrsetat beendet. Ich bin der Auffassung, dass wirwesentlich mehr in unsere Infrastruktur investieren müs-sen. Jeder von uns kennt mindestens eine Brücke odereine Straße in diesem Land, die marode ist. Da musswirklich schnell etwas passieren. Wer die Sanierung aufdie lange Bank schiebt, wird später mehr ausgeben müs-sen. Das ist doch nun wirklich eine Binsenweisheit.Wir stehen im Augenblick augenscheinlich vor zweidemografischen Herausforderungen: Die Menschen,aber auch die Infrastruktur unseres Landes werden im-mer älter. Wir müssen beide Herausforderungen ernstnehmen und müssen wirklich mehr Geld für sinnvolle,für langfristige Investitionen zur Verfügung stellen.Achter Vorschlag: Investieren Sie in ein friedlichesEuropa! Die Bundesrepublik Deutschland hat immerdann profitiert, wenn sie in friedliche Beziehungen mitanderen Ländern investiert hat, und Deutschland hat im-mer verloren, wenn es auf Gewalt und Militär gesetzthat. Vielleicht sollten wir uns an dieser Stelle einmal fürzwei Minuten an die FDP erinnern.
Man kann über die FDP viel Schlechtes sagen, aber dassGuido Westerwelle als Außenminister eine Politik dermilitärischen Zurückhaltung verfolgt hat, war, glaubeich, eine richtige Entscheidung. Davon sollten wir nichtabweichen.
– Lieber Kollege Barthle, nicht jedes Lob ist ein Koali-tionsangebot.
Sie werden im Laufe unserer Zusammenarbeit bestimmtnoch erleben, dass ich auch Sie lobe.
Aber Sie müssen keine Angst haben. Das ist nicht auto-matisch ein Koalitionsangebot.
Kommen wir zurück zum Verteidigungsetat, den ichkurz ansprechen möchte. Ich glaube, man kann nieman-dem erklären, warum der zweitgrößte Einzelplan in un-serem Bundeshaushalt immer noch der Etat für Verteidi-gung ist. Das ist doch ein teurer Reflex aus dem KaltenKrieg. Das hat nichts mehr mit realen Bedrohungen zutun. Wer den Bürgerinnen und Bürgern in der Bundesre-publik Deutschland Sicherheit geben will, der muss inArbeitsplätze, in Wohnungen und in unsere solidarischen
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Dr. Gesine Lötzsch
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Sicherungssysteme investieren und nicht in veralteteWaffensysteme.
In Anbetracht der Tatsache, dass im Bundestag partei-übergreifend ein großes Interesse daran besteht, Waffenzu vernichten, sollten wir in den Haushaltsberatungendarüber diskutieren, welche Rüstungsprojekte wir über-haupt noch brauchen und welche wir deutlich reduzie-ren, wenn nicht gar streichen können.
Dabei haben Sie uns ganz auf Ihrer Seite.Zum Abschluss. Vor uns liegen die Detailberatungen.Wir werden uns über viele Fragen sehr intensiv aus-einandersetzen. In einigen Wochen werden wir wiederhier im Plenum beraten. Ich glaube, wir können dieseBeratungen alle miteinander vernünftig führen, wennwir die guten Vorschläge der anderen ernst nehmen undwenn wir uns – davon bin ich überzeugt – wie in denletzten Jahren auf die unermüdliche Geduld und Ausge-glichenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Se-kretariats verlassen können. Ich hoffe, dass wir gemein-sam, wenn wir in einigen Wochen wieder hier stehen,wesentliche Veränderungen des Etats erreicht haben, diebewirken, dass er gerechter, ausgeglichener, solidari-scher und friedlicher ist.Vielen Dank.
Als nächster Rede hat der Kollege Johannes Kahrs
von der SPD das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Das war eine interessante Woche. Die Haus-haltsberatungen, Frau Kollegin Lötzsch, sollen interes-sant werden und werden auch interessant, insbesonderedann, wenn die Opposition nicht nur sagt, wie sie mehrGeld ausgeben will, sondern auch, wie sie diese Ausga-ben finanzieren will.
– Na ja, von den Vorschlägen hatte einer etwas mit Fi-nanzierung zu tun, und dieser bedürfte nicht nur der Zu-stimmung des Bundestages, sondern auch der anderenLänder in Europa. Wann und wie das kommt, wissen wirnicht. – Wir Sozialdemokraten stehen für die Einführungeiner Finanztransaktionsteuer, die Koalition steht dafür,
aber wir sind nun einmal nicht allein auf dieser Welt.Das sollte man zur Kenntnis nehmen. Nur zu sagen, wieman Geld ausgeben will, das sollte, glaube ich, nicht derTon sein, der diese Debatte bestimmt.
Steffen Kampeter hat hier häufiger die schwarze Nullerwähnt. Ich glaube, dass wir alle dieses Ziel ab nächs-tem Jahr erreichen wollen. Es ist ein großes Ziel, keineneuen Schulden in diesem Land zu machen. Das ist unsüber viele Jahre und Jahrzehnte nicht gelungen. Wenn esunserer Koalition gelingt, das umzusetzen, kann sich je-der in diesem Land darüber freuen. Wir sparen ja nichteinfach nur, weil wir sparen wollen, sondern wir sparen,weil das weitere Anhäufen von Schulden und die Zins-belastungen für unsere Kinder und Enkel sowie für allenachfolgenden Generationen eine Katastrophe wären.Deswegen ist es wichtig, dass wir keine neuen Schuldenmachen.Ich bin dem Bundesfinanzminister dafür dankbar,dass er einen Vorschlag vorlegt, der das in 2015, 2016,2017 und den folgenden Jahren möglich macht. Das istaber nicht einfach. Ich möchte Ihnen sagen, dass dasauch schwer risikobehaftet ist. Wir haben in der Vergan-genheit ab und an geglaubt, dass wir das schaffen. EinFinanzminister hat einmal gesagt, dass er die Wahl zwi-schen der schwarzen Null und der deutschen Einheithatte. Das alles kann man sehen, wie man will. Keinerweiß, was passiert. Aber, ich glaube, wenn wir es hierbeschließen und in der mittelfristigen Finanzplanungfestschreiben, gibt es in der Bevölkerung unseres Landesdie Erwartungshaltung, dass wir das auch umsetzen. Daszwingt uns dazu, in den nächsten Jahren entsprechend zuhandeln.Es gibt Risiken bei der Erreichung der schwarzenNull; das wissen wir. Wir haben viel getan, was zur Er-reichung dieses Ziels notwendig war. Wenn wir uns allevornehmen, die schwarze Null zu schaffen, dann muss esauch unser aller Handeln bestimmen. Das ist einer derPunkte, die wir als Sozialdemokraten in den Koalitions-verhandlungen gefordert und durchgesetzt haben. Dazustehen wir. Man muss dafür sorgen, dass man keineneuen Schulden macht, aber gleichzeitig – ich bin demKollegen Barthle dankbar, dass er das immer sagt – mussman den Haushalt auch so ausrichten, dass man investie-ren kann.Wir hatten heute Morgen um 7.30 Uhr eine Sitzungdes Haushaltsausschusses.
In dieser haben wir zum Beispiel 451 Millionen Euro fürdie fünfte Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals freigege-ben.
– Genau, in Brunsbüttel. – Dieses Vorhaben ist uns So-zialdemokraten sehr wichtig. Dafür haben wir zu Zeitender Opposition jahrelang gekämpft. Jetzt kommen wirder Sache einen Schritt näher.
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Man muss aber auch dazu sagen – das ist eines derProbleme unserer Verkehrspolitik –, dass wir manchmalein bisschen punktuell vorgehen. Man braucht einenPlan. Was den Nord-Ostsee-Kanal angeht, braucht mannicht nur die fünfte Schleuse, sondern man muss es alsGesamtkonzept begreifen. Mir ist es deswegen wichtig,dass man nicht einen Plan hat, der 2028 oder irgendwannendet, sondern einen Plan, der sicherstellt, dass man dieMaßnahmen stringent abarbeiten kann. Man muss einenPlan vorlegen, der überschaubar ist und den man bewer-ten kann.Jetzt haben wir eine einzelne Maßnahme beschlossen.Diese ist richtig, wichtig und gut, und dazu stehen wirauch. Gleichzeitig ist es aber so, dass man nicht einfachnur eine Maßnahme an die andere reihen darf. Als wei-tere Maßnahmen nenne ich die Vertiefung um 1 Meter,die Anpassung der Ostrange, also der letzten 20 Kilome-ter vor Kiel, die Hochbauten wie beispielsweise Brü-ckenbauwerke und die anderen beiden Schleusen. Wennman das alles nacheinander angeht, wird es sehr viel teu-rer, dauert endlos lange, und der Nutzen ist späterschwer greifbar. Deswegen muss man das so weit wiemöglich parallel laufen lassen. Das ist nur ein Beispiel.Wir können auch noch andere Beispiele wie marodeAutobahnen oder Brücken – diese kann man sich inNordrhein-Westfalen hervorragend anschauen – durch-deklinieren. Es braucht aber einen Plan und eine Struk-tur, und wir im Haushaltsausschuss müssen dann sehen,wie wir das Geld zur Verfügung stellen.Ich habe Frau Lötzsch eben sehr genau zugehört. Sieist Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Ich finde, dasbringt eine gewisse Verantwortung mit sich. FrauLötzsch, Sie haben die Politik von Sigmar Gabriel kriti-siert und gesagt, sie hielten es für falsch, dass er die Bür-ger in diesem Land zum Zwecke der Sicherung von Ar-beitsplätzen belastet. Ich kann Ihnen sagen: Ich kommeaus der Freien und Hansestadt Hamburg. In Hamburgmachen wir es seit Jahrzehnten so.Als wir unsere Stadtwerke, die HEW, noch hatten,gab es bei uns Industriestrompreise, damit die Grund-stoffindustrie gehalten werden konnte. Das galt für dieNorddeutsche Affi, heute Aurubis, Europas größte Kup-ferhütte, für die Aluminiumwerke und für die anderenIndustriebetriebe. Wir Sozialdemokraten haben immerfür wettbewerbsfähige Industriestrompreise gekämpft;denn nur so kam diese Industrie klar. Das Ergebnis ist,dass es in Hamburg sowohl Industrie als auch Wissen-schaft und Forschung sowie Dienstleistungen gibt. DerMix macht’s.Wir müssen das deutschlandweit so machen. Wir kön-nen nicht zulassen, dass die von internationalen Preisenabhängige Grundstoffindustrie aus Deutschland abwan-dert und nach und nach Teile der Kette hinterherwan-dern. Das geht nicht.
Diese Koalition hat gesagt: Wir brauchen wettbe-werbsfähige Strompreise für die Industrie. – Das istnicht das übliche Klagen. Frau Lötzsch, das erkenntman, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Mandarf sich nicht einfach nur das letzte Jahrhundert an-schauen, sondern man muss die neuen Fakten studieren.Dann sieht man, wie die Lage auf den Weltmärkten aus-sieht und wie viele Zehntausend und Hunderttausend Ar-beitsplätze von der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unter-nehmen abhängen. Das gilt nicht nur für dieGroßindustrie, sondern auch für den Mittelstand und diekleinen Unternehmen. Wir müssen daher etwas tun.
Ich glaube, das ist Teil vernünftigen Haushaltens undTeil eines vernünftigen Koalitionsvertrages. Wir müssendas dann aber auch umsetzen. Gleichzeitig müssen wirdafür sorgen, dass die Menschen in diesem Land durchsteigende Stromkosten nicht übermäßig belastet werden.Wir müssen die Preise halbwegs konstant halten.
Das ist doch das Ziel; das ist hier bereits gesagt worden.Neben einer vernünftigen Industriepolitik stehen nochandere Posten im Koalitionsvertrag, die wir finanzierenmüssen. Ich spreche dabei vom Mindestlohn, der Rentemit 63 und der Mütterrente. Man kann da über vielePunkte diskutieren.
Wir haben auch innerhalb der Koalition viel diskutiert.Wir hätten das alles lieber aus Steuermitteln finanziertund nicht über die Sozialkassen. Geschenkt. Es ist einKoalitionsvertrag; da geht man Kompromisse ein. WirSozialdemokraten haben, was die Finanzierung angeht,eben verloren.
In der Sache ist aber jedes einzelne Projekt richtig, wich-tig und gut.
Die Zustimmung zu unseren Vorhaben ist in diesemLand groß. Wir haben mit der CDU/CSU gestritten. Ineinzelnen Punkten werden wir uns noch einigen müssen.Aber dass der Mindestlohn in diesem Land kommt, dassdie Mütterrente, so wie versprochen, kommt, und dassdie Rente mit 63 kommt, zeigt: Wählen verändert, Wäh-len bewegt.Es gab die einen oder anderen Zwischenrufe vonsei-ten der Opposition. Vielleicht haben Sie von der Opposi-tion sich in den letzten Tagen einmal die Kommentare inden Zeitungen zu Gemüte geführt – das dürfte für Siekein wirkliches Vergnügen gewesen sein –, die zeigen,wie die veröffentlichte Meinung Ihre Arbeit bewertet.Ich habe sie mir durchgelesen, und da hieß es im Hin-blick auf die Opposition – ich würde das nicht auf dieseWeise formulieren –: armselig, harmlos, schwachbrüstig,frisiert und Ähnliches.
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Johannes Kahrs
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Das konnte man in der Zeitung nachlesen.Normalerweise ist es so, dass Haushaltsberatungendie Sternstunden der Opposition sind, weil sie Konzeptevorlegen, überzeugende Alternativen vorstellen kannund so die Regierung richtig in die Enge drängt, sodassdiese sich verteidigen muss und aus der Defensive kaumherauskommt. Aber es kam nichts! Die ganze Wochewar davon nichts zu spüren.
Wir haben vorgetragen, was wir für richtig halten.Wir haben das getan, wofür wir gewählt worden sind.Wir haben uns an den Koalitionsvertrag gehalten. Wasaber kommt außer Plattitüden von der Opposition?Nichts! Gegenkonzepte? Nichts! Deckungsvorschläge?Nichts! Das kann man sich einmal im Einzelfall an-schauen: Herr Bartsch hat sich dadurch hervorgetan,dass er im Namen der Linken eine solide Finanzpolitikund Haushaltskonsolidierung gefordert hat. HerrBartsch, das ist wunderbar! Frau Lötzsch war, glaubeich, leider nicht im Raum; sonst hätte sie das, was sieeben gesagt hat, nicht sagen können.
Vielleicht sollten Sie in der Linkspartei einen Studien-kreis bilden,
der sich damit befasst, was Konsolidierung und Soliditäteigentlich bedeuten. Das können Sie dann erarbeiten,auch gemeinsam mit einigen anderen Kollegen. Viel-leicht würde das nachhaltig wirken, und wir alle würdendann überzeugende Konzepte von Ihnen vorgelegt be-kommen, bei denen auch ich ein bisschen ins Schwitzengeraten würde, um das, was wir tun, zu verteidigen.Vielen Dank.
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Anja Hajduk
vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LieberJohannes Kahrs, das war das Versprechen, richtig gut zu-zuhören, und zwar auch mir. Denn jetzt wollen wir ein-mal darüber reden, was bei der Großen Koalition alleslängst nicht wunderbar ist, wenn Sie das selber nochnicht wissen sollten.Die Große Koalition hat sich mit der schwarzen Nullpräsentiert. Sie hat sich dann aber, wie ich finde, leiderschon zufrieden zurückgelehnt, weil es die schwarzeNull so lange nicht gegeben hat. Wir wissen aber: Dashat ganz viel mit der guten Konjunktur zu tun. 3 Prozentmehr Steuereinnahmen jährlich, das ist richtig viel undnicht die Normalität.
Auch die Zinsen sind ganz gering. Würden die Zinsenum 1 Prozentpunkt steigen, hätten wir eine Mehrbelas-tung von 10 Milliarden Euro. Dann wären wir von derschwarzen Null weg. Oder man müsste sofort den Bil-dungsetat, der ein Volumen von 14 Milliarden Euro hat,um zwei Drittel kürzen. Wenn man das weiß, dann siehtman, wie groß die Risiken sind. Man darf sich eben nichteinbilden, dass all das nur im Regierungshandeln be-gründet ist. Das hat manchmal auch damit zu tun, dassman ein bisschen Glück mit den Rahmenbedingungenhat.Ich rufe in Erinnerung, was der Finanzminister hiergesagt hat: Wir brauchen trotz der aktuell guten Situa-tion und der guten Rahmenbedingungen noch zehnJahre, um die Gesamtverschuldungsgrenze von 60 Pro-zent zu erreichen; das ist die erlaubte europäischeGrenze. – Vor diesem Hintergrund sollte man diesenWeg ein bisschen bescheidener angehen. Man solltenicht glauben, man könne sich schon heute zurückleh-nen.
Sie haben gesagt, wir sollten Zeitung lesen. Ich habedas gemacht. Ich habe auch zugehört, was der Finanz-minister gesagt hat. Der Finanzminister hat gesagt: Inden kommenden Jahren sollen die Ausgaben nur so weitsteigen, wie es mit einem ausgeglichenen Haushalt ver-einbar ist. – Ich muss sagen: Ich habe mich über diesesVerständnis ganz schön gewundert. – Es würde michfreuen, wenn der Staatssekretär zuhören würde, wennwir hier über seinen Haushalt reden.
Ich habe mich, wie gesagt, sehr gewundert, dass derFinanzminister am Dienstag quasi gesagt hat: Wenn wirviel Geld einnehmen, dann dürfen wir auch viel Geldausgeben. – Das bedeutet dieser Satz nämlich.Ich halte das für ein falsches Verständnis der Schul-denbremse. Das richtige Verständnis ist: In guten Zeitentrifft man Vorsorge für schwierige Zeiten, die immerkommen können. Sie aber erhöhen den Haushalt in dergesamten Finanzplanperiode um 9,6 Prozent – das istviel; die Länder sind in den nächsten vier Jahren vielsparsamer –
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und denken sich: Wir haben jetzt gute Zeiten; da lassenwir es einmal laufen.
Ich halte das für ein Missverständnis des Grundgedan-kens der Schuldenbremse, der nämlich darin besteht,Vorsorge zu betreiben.Ich setze noch einen drauf. Sie sagen: Wir wollen inder kommenden Finanzplanperiode knapp 30 Milliar-den Euro mehr ausgeben; wir haben in Zukunft ja42 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen.
Ziehen wir davon die 6,5 Milliarden Euro Neuverschul-dung aus diesem Jahr ab, verbleiben in dieser Finanz-planperiode 36,2 Milliarden Euro Steuermehreinnah-men. Lediglich 1,2 Milliarden Euro davon macht dieSteigerung bei den Investitionen aus. Da kann ich Ihnennur sagen: Wenn Sie Ihre Mehrausgaben noch nicht ein-mal in die Investitionen stecken, dann haben Sie nichtbegriffen, vor welchen Zukunftsherausforderungen wirstehen,
und das vor dem Hintergrund, dass die Investitionsquoteeinstellig ist und stetig sinkt. Das ist Ihr Plan: Sie sollstetig sinken. Sie wissen selbst, dass der Verkehrsminis-ter in seinem Infrastrukturetat viel zu wenig Geld hat;
wir wissen doch, wie die Brücken aussehen. Sie wissenauch, dass die Bodewig-Kommission empfohlen hat, fürdiesen Bereich weit mehr als nur 1,25 Milliarden Europro Jahr bereitzustellen. Sie aber stellen sich hierhin undsagen, 5 Milliarden Euro in fünf Jahren seien ganz toll.Herr Kampeter stellt sich hierhin und sagt, Sie hättenGroßartiges geschafft, weil jetzt das Verkehrsministe-rium auch für die digitale Infrastruktur zuständig ist. Ichsage Ihnen: Da reicht keine Namenserweiterung. Dafürbraucht man auch Konzepte und Geld; doch das ist beimAusbau der Breitbandversorgung leider gar nicht vor-handen.
Herr Kampeter, ich bin mir sicher, dass Sie die Ver-mögensbilanz Deutschlands, der öffentlichen Hand ken-nen. Dann wissen Sie, dass wir Anfang der 60er-Jahreein Nettovermögen von ungefähr 50 Prozent, gemessenam Bruttoinlandsprodukt, hatten, das bis heute auf 0 Pro-zent gesunken ist. Das heißt, wir haben kein positivesNettovermögen mehr. Wenn Sie in einer solchen Situa-tion trotz guter Rahmenbedingungen eine so niedrige In-vestitionsquote einplanen, dann – das können wir Grünenur sagen – brauchen wir eine Schutzregel für Investitio-nen; denn die Große Koalition ist offensichtlich nicht inder Lage, eine alternde Gesellschaft davor zu bewahren,dass die Schuldenbremse dazu dient, nur noch Konsum-ausgaben zu tätigen.
Das ist keine gute Finanzpolitik; das ist zu wenig durch-dacht. Gemessen an Ihren eigenen Ansprüchen, die Siehier seit Dienstag bekräftigt haben, ist das ein bisschenarmselig.
Ich komme zu einem anderen Punkt, der die Zu-kunftsvergessenheit Ihrer Politik noch stärker beschreibt.Da gehe ich richtig in die Zeitungen, Herr KollegeKahrs.
Ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung: „Wir könnenuns das leisten“, sagte Schäuble zum Auftakt der Haus-haltsberatungen mit Blick auch auf das Rentenpaket.Dann schiebt er hinterher: „Wir können uns aber nichtmehr leisten.“ Da kann ich nur sagen: Wenn HerrSchäuble, der ein kluger, bedächtiger Mensch ist undviel Erfahrung hat, uns hier eigentlich davor warnt, dassdie demografische Entwicklung positiv angegangen wer-den muss, als Herausforderung – auch ich finde, wir soll-ten sie nicht unbedingt als düstere Zukunft beschreiben –,dann sind wir uns doch einig, dass wir da eine Heraus-forderung zu meistern haben.Wenn Frau Merkel sagt, dass wir eine große Aufgabezu bewältigen haben, wenn die Babyboomergenerationdemnächst den Arbeitsmarkt verlässt – das hat sie gesagtunter dem tiefen Eindruck der jungen afrikanischen Be-völkerung –, dann kann ich nur fragen: Warum schaffenSie mit der Rente ab 63 ein Übergangsphänomen nur fürdie geburtenstarken Jahrgänge? Nur diese Jahrgängewerden vom frühzeitigen Renteneintritt profitieren; denndie Rente mit 63 soll ja wieder beendet werden. DiesesÜbergangsphänomen soll dann von einem geburten-schwächeren Jahrgang durchfinanziert werden.
Das ist verantwortungslos. So etwas kann man dochnicht allen Ernstes im Jahr 2014 auf den Tisch legen.Was ist mit dem Prinzip „Vorsorgen für Herausforderun-gen der Zukunft“? So weit reicht es bei Ihnen nicht.Die Süddeutsche Zeitung zitiert Herrn Schäuble nachseinen Äußerungen „Wir können uns das leisten“ und„Wir können uns aber nicht mehr leisten“ weiter: „Denntrotz aller Erfolge in der Finanzpolitik dürfe sich auchdie Bundesrepublik nicht zurücklehnen.“ Der „Bevölke-rungsrückgang und der stetig schrumpfende deutscheAnteil an der Weltwirtschaftsleistung“ müsse beachtetwerden. – Ich glaube, damit hat Herr Schäuble eingeste-hen wollen, dass Sie in der Großen Koalition bei derRentenreform einen ganz schlechten Kompromiss ge-macht haben.
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Anja Hajduk
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Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifftdas große Projekt der Neuordnung der Bund-Länder-Fi-nanzbeziehungen. Ich kann nur feststellen: Sie kommenbei diesem Projekt nicht in die Gänge. Nichts ist zu hö-ren, wie das angegangen werden soll. Dabei haben wirgroße Neuerungen zu beraten. Ich fordere Sie auf: Ma-chen Sie hier keine Hinterzimmerpolitik!Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Gehen Sie an-ders mit Ländern und Kommunen um!
Was Sie jetzt wieder gemacht haben, ist ein krasserWortbruch. Sie hatten sich bei der Verabschiedung desFiskalpakts in der letzten Legislaturperiode mit den Län-dern darauf verständigt, dass Sie die Eingliederungshilfein dieser Legislaturperiode neu regeln und finanzierenwollen. Sie, die Große Koalition, haben nunmehr ent-schieden, dieses Versprechen zu brechen und das Projektin die von damals aus gesehen übernächste Legislatur-periode zu verschieben. Es geht hier um 5 MilliardenEuro für die Kommunen.
Wundern Sie sich nicht, dass Länder und Kommunendas Gefühl haben, hier werde Wort gebrochen! Das istein schlechter Auftakt für die anstehenden Verhandlun-gen.
Mit Blick auf die Kommunen wird es noch düsterer.Man hat die Kommunen und die Öffentlichkeit bis zuden Haushaltsberatungen hinters Licht geführt.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schuss.
Es wurde suggeriert, die Kommunen bekämen im
Jahr 2014 eine zusätzliche Milliarde.
Das war nur so lange der Fall, bis die SPD dem Koali-
tionsvertrag zugestimmt hat. Danach wurde der Hut ge-
lüftet, und es hat sich gezeigt: Diese Milliarde mehr für
die Kommunen gibt es erst ab 2015. Auch da haben Sie
Wort gebrochen.
Das geht insbesondere an die Adresse der SPD.
Vielen Dank.
Als nächster Redner hat der Kollege Norbert
Brackmann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Der Haushaltsentwurf, der uns zu Beginn derGroßen Koalition vorgelegt wurde, ist auch so etwas wieeine Eröffnungsbilanz, mit der wir in die nächsten vierJahre starten.
Insofern darf man einmal darauf eingehen, wo wir heutestehen.In den vergangenen zwei Jahren hatten Bund, Länder,Gemeinden und Sozialkassen zusammen mehr Einnah-men als Ausgaben. Das ist einzigartig in der gesamtenEuropäischen Union. Kein anderes Land in der EU hatdies geschafft.
Deutschland hat die zweitniedrigste Arbeitslosen-quote in ganz Europa; bei den unter 25-Jährigen habenwir sogar mit großem Abstand die geringste Arbeits-losigkeit. Ich glaube, das gibt den Menschen eine gutePerspektive. Auch dies ist Teil der Eröffnungsbilanz.Wir werden in diesem Jahr mit über 42 Millionen Be-schäftigten den höchsten Stand an Beschäftigten in derGeschichte der Bundesrepublik Deutschland haben. Diesgibt allen Menschen Zuversicht und selbst Langzeitar-beitslosen Perspektiven, in den ersten Arbeitsmarkt zukommen. Auch das ist eine hervorragende Ausgangs-basis.Das alles kann nicht Glück sein, liebe Frau Hajduk,und das ist es auch nicht. Es war Leistung, und Leistungwird durch entsprechende Ergebnisse belohnt.
Es wäre gar nicht spannend, wenn nur meine Kolle-ginnen und Kollegen aus der Großen Koalition und ichIhnen dieses Votum hier vortragen würden. Deshalb istes gut, dass auch der neueste Bericht des IWF dies vorwenigen Tagen ganz deutlich zum Ausdruck gebrachthat. Mit einer Wachstumsprognose von 1,7 Prozent, soder IWF, für 2014 haben wir weiterhin eine gute Per-spektive. Wenn wir uns die jüngsten Wirtschaftsberichteaus Deutschland anschauen, dann sehen wir, dass wir so-gar dicht an die 2 Prozent herankommen können. Beson-ders gelobt wird vom IWF die Binnennachfrage, die wirhier in Deutschland weiter ankurbeln. Ein Teil dieserBinnennachfrage ist dadurch bedingt, dass wir in denletzten fünf Jahren wieder deutliche Lohnzuwächse hat-ten. Diese Lohnzuwächse sind auch gerecht. Als wir ineiner schwierigen Phase waren, haben die TarifpartnerLohnzurückhaltung geübt, womit sie sehr viel dazu bei-
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getragen haben, dass wir heute in dieser sehr komfortab-len Situation sind. Deswegen ist es an der Zeit, einenTeil davon an die Beschäftigten zurückzugeben, diediese Leistung erbracht haben.
Wir sehen: Die gute wirtschaftliche Lage kommt bei denMenschen an und ist in ihren Portemonnaies spürbar. In2014 werden im fünften Jahr infolge die Preise wenigersteigen als die Löhne, und das ist, glaube ich, gut so.Man sagt uns Deutschen nach, wir würden leben, umzu arbeiten. Im Rest der Welt sei das andersherum. Aberein Stück Leben gehört auch dazu. Deswegen ist eineFrage nach der Eröffnungsbilanz: Was machen wir ei-gentlich mit dem Geld? Wir investieren es in sozialeLeistungen. Im Bundeshaushalt, wie er Ihnen hier vor-liegt, sind 49 Prozent der Ausgaben für den Bereich „Ar-beit und Soziales“ vorgesehen. Das heißt, das Geld gehtin die Verbesserung unserer Sozialstruktur.
Weil wir für die Menschen tätig sind, hat die GroßeKoalition bewusst festgelegt, dass 23 Milliarden Eurodes Gesamtpakets mit den Maßnahmen, die wir realisie-ren wollen, nicht unter Finanzierungsvorbehalt stehen,sondern gleich auf den Weg gebracht werden. Das istauch gut so; denn es ist wichtig, dass die Menschen se-hen, dass wir als Große Koalition zu dem stehen, waswir sagen, dass wir Menschen belohnen, die dazu beige-tragen haben, dass es unserem Staat so gut geht. Es istvereinbart – und so wird es auch kommen –, dass derje-nige, der 45 Jahre lang hart gearbeitet und in die Renten-kasse eingezahlt hat, nach dieser Zeit ohne Abschläge inRente gehen kann. Auch die Mütter, die durch die Erzie-hung ihrer Kinder einen wesentlichen Beitrag geleistethaben, werden berücksichtigt. Ihnen wird insofern Ge-rechtigkeit widerfahren.„Die Zukunft gehört denen, die der nachfolgendenGeneration Grund zur Hoffnung geben.“ Deswegenkommt es darauf an, was wir uns für die nächsten Jahrevorgenommen haben und welche Ansätze dieser Haus-halt beinhaltet. Wir setzen auf Generationengerechtig-keit. Der Kollege Kahrs hat darauf hingewiesen, dass wirnicht in die Schuldenfalle laufen dürfen. Deswegen ist esso wichtig, dass wir keine Steuererhöhungen machen;denn Steuererhöhungen sind ein Eingriff in die Leis-tungsfähigkeit der Wirtschaft und ein Eingriff in dieLeistungsfähigkeit der Menschen. Trotzdem gelingt esuns, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzule-gen und den Weg dafür freizumachen, dass wir imnächsten Jahr einen vollkommen ausgeglichenen Haus-halt vorlegen. „Langfristig ist man nur erfolgreich, wennman weiß, warum man erfolgreich ist.“ Deshalb wollenwir den Haushalt auch langfristig sichern. Die gutenZahlen sind nämlich kein Glück, Kollegin Hajduk.Dieser Haushalt weist ein paar zusätzliche Ausgaben-steigerungen auf. Die Zukunft kann nur gewinnen, werin Bildung und Forschung investiert. Sie sind langfristigdie Basis für neue Aufgaben.
Deswegen hat sich der Etat dieses Haushalts von 2005bis heute fast verdoppelt. Wir erhöhen das Volumen indiesem Haushalt im Vergleich zum letzten Jahr noch ein-mal um 1,7 Prozent, damit diese beispiellose Politik vor-angebracht werden kann.Wichtig ist nicht nur, dass wir in Forschung und Bil-dung investieren, sondern auch, dass wir die Infrastruk-tur erhalten und weiter zur Verfügung stellen, um lang-fristig klare Ziele zu setzen. Nun mag man darüberstreiten, ob die 5 Milliarden Euro, die wir für diese Le-gislaturperiode vorgesehen haben, schon ausreichendsind; denn wir sehen natürlich die Risiken, die auf unszukommen. Da ist der Versuch der Länder Berlin undBrandenburg, einen Flughafen zu bauen.
Da sind beispielsweise Ausschreibungsergebnisse, dieetwas anders ausfallen, als erwartet wurde. Das zeigtaber, dass wir bereit sind, mit klaren Entscheidungennach vorne zu gehen. So war es auch überhaupt keinProblem und bei den Mitgliedern der Fraktionen diesesHauses nicht umstritten, heute Morgen ein deutliches Si-gnal für den Nord-Ostsee-Kanal zu setzen, für den wirüberplanmäßig 185 Millionen Euro in die Hand genom-men haben; denn wir haben gesagt: Diese Schleuse musssein. Der Nord-Ostsee-Kanal ist ein Stück Zukunftsper-spektive für ganz Deutschland.
Wir sind davon überzeugt, dass wir den Etat für dieVerkehrsinvestitionen in die Infrastruktur in den nächs-ten Jahren noch so anpassen können, wie es der Bedarferforderlich macht. Denn nicht nur am Nord-Ostsee-Ka-nal, sondern an vielen Orten sind Brücken wichtig. Dasgilt auch für die Rheinbrücke bei Leverkusen und aktuellfür die Rader Hochbrücke. Brücken verbinden die Men-schen und die Wirtschaft. Wenn sie nicht mehr zur Ver-fügung stehen, birgt das erhebliche Risiken. Das zeigtsich konkret bei der Rader Hochbrücke, auf die Schles-wig-Holstein Wert legt; denn ohne sie würden die beidenLandesteile, „up ewig ungedeelt“, auseinanderbrechen.Das gilt aber auch für viele andere Orte in Deutschland.Deswegen werden wir daran festhalten, die Infrastrukturals einen der wichtigsten, zukunftssichernden Maßnah-menbereiche zu unterstützen.
Kollegin Hajduk, Sie haben gesagt, ein bisschen mehrBescheidenheit täte uns gut.
Aber gerade mit diesem Haushaltsentwurf weisen wirBescheidenheit aus. Wie Sie leicht den Zahlen entneh-men können, liegt das Haushaltsvolumen zum erstenMal unter 300 Milliarden Euro, was, glaube ich, ange-sichts steigender Preise ein hervorragendes Ergebnis ist.
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Norbert Brackmann
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Der Stellenbestand des Bundes sinkt von Jahr zu Jahr.Wir hatten 1990 314 000 Beschäftigte im Bund. Mittler-weile sind es nur noch 249 000. Das zeigt, dass wir mitunseren eigenen Anstrengungen vorbildlich vorangehenund damit unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig unterBeweis stellen.Aber wir müssen diese Politik auch durchhalten,meine lieben Kolleginnen und Kollegen; denn für Haus-hälter beginnt eine Legislaturperiode am besten mit ei-nem sanierten Budget. Deswegen ist es so wichtig, dieschwarze Null zu erreichen. Wir müssen nicht nur dasHaushaltsergebnis im Blick behalten, sondern auch be-achten, was uns unsere Verfassung vorschreibt und wel-che Spielräume wir in den nächsten Jahren haben wer-den. Was das strukturelle Defizit angeht, bestehttheoretisch noch die Möglichkeit, in diesem Jahr Kreditein Höhe von 34 Milliarden Euro aufzunehmen. Das wirdaber in den nächsten Jahren sinken, zunächst auf 11 Mil-liarden Euro und dann bis auf circa 10 bis 11 MilliardenEuro im Jahr 2016. Insofern ist die Differenz zwischen0 und 11 Milliarden Euro der einzige Spielraum, den wirnoch haben, wenn wir auf ungewöhnliche Entwicklun-gen reagieren wollen, sei es, dass die Wirtschaft irgend-wann nicht mehr so brummt wie heute, oder sei es, dassaus anderen Ecken Europas entsprechende Probleme aufuns zukommen. Deswegen ist es ein Stück Zukunfts-sicherung, einen soliden Haushalt auf die Beine zu stel-len, der es uns ermöglicht, auch in Zukunft leistungsfä-hig zu sein und den großen Aufgaben, die wir inDeutschland haben, auch in einer Großen Koalition letz-ten Endes mit großem Erfolg zu begegnen.Herzlichen Dank.
Als nächster Redner hat der Kollege Roland Claus
von der Linken das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Siewollten mit diesem Haushaltsentwurf Deutschlands Zu-kunft gestalten. Stehen geblieben sind Sie aber bei derschwarzen Null, im Übrigen einer Größe, die erst Endedes nächsten Jahres erreicht werden soll. Damit wir unsnicht missverstehen: Das ist in 19 Monaten. Sie schwa-dronieren nämlich so, als hätten Sie das schon geschafft.
Staatssekretär Kampeter hat sogar rührend bekannt, dasser sich in die schwarze Null verliebt habe. Dann mussteer selber darüber lachen. Ich will daran erinnern: Liebemacht nicht nur heiter, sondern auch blind, Herr Staats-sekretär.
Keine neuen Schulden – das ist zwar vernünftig, abereine verantwortungsvolle Gestaltungspolitik ist das nochnicht. Ich bleibe dabei: Für die allermeisten Menschen indiesem Lande ist es für ihren Lebensalltag kein Zuge-winn, ständig diese Propaganda zu hören.
Ich will einige Hauptaussagen dieser Haushaltswochekommentieren und zähle die bemerkenswerte Erkenntnisdes Staatssekretärs Kampeter, dass von jetzt an die Ge-setze eingehalten werden, ausdrücklich einmal nichtdazu.Bundeskanzlerin Merkel hat gesagt: Wir kümmernuns um die internationale Finanzmarktregulierung. – Ty-pisch Merkel! Hier wird der Eindruck erweckt, da würdejetzt etwas losgehen. Sie hat auch ausdrücklich nichtsFalsches gesagt. Aber sich kümmern zu wollen, ist sounkonkret, so wenig fassbar, dass darin eben überhauptkeine Aussage steckt.
Wir haben es doch mit entfesselten Finanzmärkten zutun. Im Jahre 2012 übertraf die Bilanzsumme der Schat-tenbanken zum ersten Mal die Bilanzsumme der realexistierenden Banken, also der Banken mit Adresse.Diese Schattenbanken sind doch nicht mit dem Ziel un-terwegs, sich an der Wertschöpfung zu beteiligen, son-dern sie sind die eigentlichen Feinde von Mittelstandund Handwerk, weil sie nur auf die Umverteilung vonArbeit und Werten setzen, die von anderen Leuten ge-schaffen wurden. Da muss man etwas tun. Da hilft keineRegulierung. Da hilft nur Abschalten.
Frau Merkel hat auch gesagt: Deutschland ist Gewin-ner der Globalisierung. – Das ist wahr, aber auch zy-nisch. „The winner takes it all“ – Gewinner nehmen allesmit. Es wurde mit der gemeinsamen Währung in Europaeben nicht zugleich vereinbart, wie künftig gemeinsameWirtschafts- und Sozialpolitik zu gestalten sei. Deshalbstehen unseren Gewinnen die sozialen Verwerfungen inSüdeuropa gegenüber. Europäische Verantwortung siehtanders aus.
Die Minister Schäuble und Nahles haben die giganti-sche Dimension des Sozialetats hier als soziale Großtatgepriesen. 82,5 Milliarden Euro allein für die Renten-kassenzuschüsse, 10 Milliarden Euro für Aufstocker. Vordiesem Hintergrund sage ich Ihnen – das kann man näm-lich auch einmal anders betrachten –: Der Sozialetat istein riesengroßer Reparaturbetrieb für eine zuvor zer-störte Sozial- und Solidarsystemgesellschaft.
Sie müssen heilen, was Sie vorher kaputtgemacht haben.Das Kaputtmachen ist eben geschehen als Folge vonNiedriglohn, von Leiharbeit – beides im Osten doppeltso hoch wie im Bundesdurchschnitt – und der Privatisie-
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Roland Claus
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rung der Renten. Wir Linken sagen: Da muss ein andererWeg gegangen werden.
Haushalts- und Finanzpolitik in Zeiten einer globali-sierten Welt ist auch immer internationale Politik; Minis-ter Gabriel hat das angesprochen. Im besten Fall sind in-ternationale Wirtschaftsbeziehungen natürlich Beiträgezur Friedenssicherung. Aber es gibt auch eine Kehrseite,die nicht verschwiegen werden darf. Das sind Rüstungs-exporte, bei denen Deutschland inzwischen auf dem un-rühmlichen dritten Platz gelandet ist. Die Bundesregie-rung – wir hatten ja Auseinandersetzungen mit derBundesregierung – hält weiterhin die Öffentlichkeit unddas Parlament im Unklaren, was Auskünfte über dieFakten zu Rüstungsexporten angeht. Damit, vor allenDingen mit den Exporten selbst, wird sich die Linke we-der in diesem Haus noch anderswo jemals abfinden.
Bundesminister Gabriel hat auch einen Halbsatz zurLage in Ostdeutschland gesagt, als er auf die besonderewirtschaftliche Situation eingegangen ist. Ein Halbsatzin einer ganzen Woche zu den ostdeutschen Ländern istmir ausdrücklich zu wenig, ist meiner Fraktion zu wenig.
Wir fordern mehr Selbstbewusstsein für den Osten, An-erkennung der Leistungen in diesen schwierigen Um-bruchs- und Transformationsprozessen und auch Aner-kennung von Dingen, die wir Erfahrungsvorsprung derOstdeutschen nennen.
Deutschlands Zukunft gestalten heißt, den Lebens-alltag der Menschen im Blick zu haben und ihn zu ver-bessern, sich an enkeltauglicher Politik zu orientieren,endlich Steuergerechtigkeit herzustellen, die Mitte zuentlasten, endlich von oben nach unten umzuverteilen.Deutschlands Zukunft gestalten – das beruhigt mich wie-der ein bisschen – ist zum Glück kein Privileg von Ko-alition und Regierung. Es ist Sache des ganzen Parla-ments, Sache der ganzen Gesellschaft. Da kann ich nursagen: Gut, dass es die Linke gibt.
Als nächster Redner spricht der Kollege Hans-Ulrich
Krüger von der SPD.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir haben eine durchaus interessante Haushaltswochehinter uns. Fakt ist trotz aller Nuancen – da wiederholeich mich gerne –: Der vorgelegte Bundeshaushalt 2014bietet die Möglichkeit, die im Koalitionsvertrag festge-legten Vorhaben umzusetzen, und das bei einem struktu-rell ausgeglichenen Haushalt. Hier im Hause wurde dazugesagt – auch heute und mit einer kleinen Nuance –, wirhätten Glück gehabt; die Konjunktur laufe eben gut. Dakann ich nur antworten: Das hat mit Glück nicht so vielzu tun. Denn das, was wir heute erleben, sind mit dieFolgen – das sage ich als Sozialdemokrat sehr gerne –einer klugen und auch weitsichtigen Politik, die wir mitder rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder be-gonnen und in Zeiten der Finanzmarktkrise mit PeerSteinbrück und Olaf Scholz weiterverfolgt haben.
Dass die Zinsen heute so niedrig sind und dadurch na-türlich viel Geld gespart wird, hat auch nichts mit Glückzu tun. Nein, wir haben national, aber auch gemeinsammit der EZB mit einer entsprechenden Geldpolitik dieFinanzmarktkrise beantwortet. Das war klug, umsichtigund zukunftsorientiert.
Daher ernten wir nun die Früchte dessen, was wir bereits2004/05 durchgesetzt haben. Liebe Kollegen von denGrünen, in Erinnerung daran brauchen Sie Ihr Lichtnicht unter den Scheffel zu stellen.
Die Aussichten sind nicht schlecht. Unser Wirt-schaftswachstum wird 2014 stark auch von der Inlands-nachfrage getragen; der Kollege Brackmann wies bereitsdarauf hin. Die Bruttolöhne und -gehälter werden vo-raussichtlich bei weiterer Beschäftigungszunahme umcirca 2,9 Prozent zunehmen. Bei einem gleichzeitigenmoderaten Preisanstieg, einer Jahresinflation von1,5 Prozent, bedeutet das: Zusätzliche Kaufkraft ver-bleibt beim Verbraucher. Schwarzmalerei hat also hierund heute wenig zu suchen.
Vor diesem Hintergrund werden wir mit diesem Haus-halt und auch mit den kommenden Haushalten eine so-lide, zukunftsorientierte Finanzpolitik betreiben.Des Weiteren wurde hier behauptet, der Haushalthabe ein krasses Investitionsdefizit. Dem widersprecheich. Schauen Sie sich bitte nur die prioritären Maßnah-men an, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden.Diese Maßnahmen sind zukunftsorientiert und weitsich-tig. So investieren wir mehr in Bildung und Forschung.Getreu dem Motto „Kein Kind, keinen Jugendlichen undkeinen Schüler zurücklassen“ werden den Ländern6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, damit sie zu-sätzliche Investitionen in Krippen, Kitas und Schulen tä-tigen können. Denn eines ist der Koalition klar: GuteBildung, vom Kindergarten über Schule und Ausbildungbis zum Studium, ist der Schlüssel für die Teilhabe amsozialen Aufstieg.
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Dr. Hans-Ulrich Krüger
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Gleichzeitig ist gute Bildung eine der Grundvorausset-zungen für Wachstum und Wohlstand in diesem Land.Denn eines ist uns klar: Da wir immer teurer sein werdenals die Konkurrenten aus dem Ausland, müssen wir im-mer besser sein.Wir halten darüber hinaus 3 Milliarden Euro für In-vestitionen in der Forschung für unabdingbar. Deutsch-land ist hier europaweit führend; das ist richtig so. Aberdas muss auch unbedingt so bleiben.Wir investieren auch mehr in die Infrastruktur, undzwar 5 Milliarden Euro. Rund 500 Millionen Euro wer-den in diesem Jahr bereitgestellt, die weiteren 4,5 Mil-liarden Euro in den nächsten Jahren. Die klassischen In-vestitionen in Straße, Schiene und Wasserstraße steigenvon 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 11 MilliardenEuro im Jahr 2015, auf 11,6 Milliarden Euro im Jahr2016 und schließlich auf 12,1 Milliarden Euro im Jahr2017. Das sind Beträge, die als Beleg für ein Investi-tionsdefizit nicht herhalten können.Ferner werden die jährlichen Mittel für den Städtebau– das klang in dieser Woche schon an – auf 700 Millio-nen Euro aufgestockt. Das Programm „Soziale Stadt“,das gerade für diejenigen sehr wichtig ist, die in ihrenBundesländern soziale und wirtschaftliche Brennpunktezu verzeichnen haben, ist mit 150 Millionen Euro do-tiert.
Noch ein Punkt zu den Städten und Gemeinden. Ab2014 übernimmt der Bund die Kosten der Grundsiche-rung im Alter in Höhe von 5,5 Milliarden Euro; dieletzte Stufe in einer Größenordnung von über 1 Mil-liarde Euro ist im Jahre 2014 gezahlt worden.
Im Rahmen des vereinbarten Bundesteilhabegesetzeswerden die Kommunen – auch dazu ist schon einiges ge-sagt worden – im Umfang von 5 Milliarden Euro jähr-lich von den Kosten der Eingliederungshilfe für behin-derte Menschen entlastet werden. Bis dieses Gesetzerarbeitet ist, werden die Kommunen beginnend mit dem1. Januar 2015 um 1 Milliarde Euro entlastet. Eines istklar: Der Entwurf dieses Gesetzes, welches in komple-xer Art und Weise ein modernes Teilhaberecht zum Ge-genstand haben wird und welches das Leben der Men-schen mit Behinderung konkret verbessert, wird imJahr 2015 erstellt, im Jahr 2016 beschlossen und – dasist unser Ziel – bereits 2017 zu einer höheren Entlastungder Kommunen führen. Insofern ist die Bemerkung, derHaushalt 2014 habe ein Investitionsdefizit, Unsinn.
Lassen Sie mich noch zwei bis drei Sätze zu unseremZiel, eine gerechte und vernünftige Politik auf den Wegzu bringen, sagen. Die Lebensleistung eines jeden Men-schen ist anzuerkennen. Das ist eine Plattitüde. Alle sindsich darüber einig. Dann sollte man sich aber auch überdie Schlussfolgerungen einig sein, die jetzt die GroßeKoalition dergestalt formuliert, dass derjenige, der45 Jahre gearbeitet hat, die Früchte seiner Arbeit auchernten soll, ohne mit Abschlägen im Ruhestand rechnenzu müssen.Damit nicht genug. Zur sozialen Fairness und Aner-kennung gehört es auch, dass die Leistung derjenigen,die Kinder vor 1992 geboren und aufgezogen haben, mitentsprechenden Rentenpunkten dotiert wird und dassdiese Personen hiermit ab dem Juli dieses Jahres rechnendürfen. Gleiches gilt für die Erwerbsminderungsrente.Wir werden die Erwerbsminderungsrente um circa5 Prozent steigern. Damit wird angenommen, dass deroder die Versicherte bis zum 62. Lebensjahr gearbeitethat.
Last, not least sind natürlich in dieser Woche und inden nächsten Wochen die Fragen im Zusammenhangmit der Energiewende zu klären. Herr StaatssekretärKampeter hat schon einiges zum Bereich des EEG ge-sagt. Das ist etwas, was uns beschäftigt. Eines ist voll-kommen klar: Das oberste Ziel der Verhandlungen undGespräche war, mit der EEG-Reform die Kostendyna-mik zu durchbrechen. Das ist geschehen. Das ist ein Er-folg, der vielleicht dem einen oder anderen zu Beginnder Verhandlungen noch nicht so klar war und der ausdiesem Grunde nicht hoch genug eingeschätzt werdenkann. Von daher mein Dank an diejenigen, die die Ver-handlungen geführt haben.Das alles sind Punkte, die für eine vernünftige undkonstruktive Beratung des Haushalts 2014 eine Rollespielen werden. Sofern die Opposition noch entspre-chende Zusatzvorschläge, gute Vorschläge, vorlegenwird, werden diese selbstverständlich nicht nur unser ho-hes Interesse, sondern auch eine entsprechende Reso-nanz erfahren. Dazu gehören allerdings dann auch Vor-schläge, wie bestimmte Maßnahmen bezahlt werdenkönnen.
Ich danke Ihnen.
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Deligöz vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Seit ein paar Wochen bin ich Haushälterin. Ich habegleich gelernt: Die Haushälter sind die Ersten, die dasHaus betreten, und die Letzten, die das Haus verlassen,und sie sind diejenigen, die sich am stärksten an Prinzi-pien halten müssen.
Für mich als Grüne lassen sich die Prinzipien meinesHandelns an einer Grundlage festmachen – ich weiß
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014 2619
Ekin Deligöz
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nicht, ob Sie meine Auffassung teilen –: Wir haben dieseErde von unseren Kindern nur geborgt. Das ist eine Ver-pflichtung zur ökologischen Nachhaltigkeit. Das ist aberauch eine Verpflichtung zur finanziellen Nachhaltigkeit.
Das heißt, wir wollen die Sozialkassen nicht plündern;wir wollen eine nachhaltige Finanzpolitik, also eine Fi-nanzpolitik, die nicht auf Schuldenberge aufbaut. Dasgehört neben einer lebenswerten Umwelt zur sozialenGerechtigkeit.Liebe Kollegen, ich bin gespannt, ob Sie gleich klat-schen: Ich bin der Meinung, dass Sie uns trotz einer gu-ten Situation eine Finanzplanung ohne ein Fundamentvorsetzen; Sie bauen ein Traumschloss. Dieses Traum-schloss wird bei der ersten konjunkturellen Eintrübungwie ein Kartenhaus zusammenbrechen, und darauf sindSie gar nicht vorbereitet.
Beispielhaft möchte ich auf die Versicherungen ver-weisen. Herr Kampeter, Sie haben gesagt, wir, die Oppo-sition, kritisierten in diesem Punkt die Regierungspoli-tik. Ja, wir kritisieren Ihre Politik, und zwar zu Recht.Nehmen wir einmal das Beispiel Gesundheitsfonds: Siehaben bereits gekürzt, und jetzt kürzen Sie noch einmal.Nächstes Jahr werden Sie vielleicht noch einmal kürzen.Sie reden hier von Überschüssen. Ich rede von Beitrags-geldern. Was in die Versicherungskassen fließt, sind soli-darische Beitragsgelder.Wir Politiker haben zugesagt, dass wir die versiche-rungsfremden Leistungen bewusst mit Steuermitteln be-zahlen, weil dies Ausdruck der Solidarisierung mit derGesamtgesellschaft ist.
Diese versicherungsfremden Leistungen stehen zumBeispiel für ein Solidarisieren mit den Erziehenden, mitden Kindern, mit den Müttern, mit den Vätern. Diese So-lidarisierung geben Sie auf, und Sie bürden diese Finan-zierung allein den Beitragszahlern auf.
Warum sollen alle anderen das nicht mitfinanzieren? Diesoziale Gerechtigkeit hört bei Ihnen dort auf, wenn esdarum geht, die Mittel aus dem Gesundheitsfonds nichtfür andere Zwecke zu plündern. So geht das nicht, HerrKollege.
Nehmen Sie doch einmal das Beispiel Rentenpaket.Sie reden hier über die Anerkennung der Lebensleistung.Wer erkennt hier die Lebensleistung einer Frau an, diezwar sehr wohl gearbeitet hat, aber nicht auf 45 Bei-tragsjahre kommt, weil sie Kinder erzogen hat? Sie hatnämlich nichts von Ihrer Politik. Diese Frau hat viel-leicht auch nicht genug verdient und ist mittlerweile inder Grundsicherung gelandet. Diese Frau hat auch nichtsvon der Mütterrente. Ihre Ansprüche darauf werdennämlich eins zu eins auf ihre anderen Sozialleistungenangerechnet. Wer solidarisiert sich mit dieser Frau? Wererkennt die Lebensleistung dieser Frau an? Sie definitivnicht!
Ihr Rentenpaket wird – das können Sie gar nicht inZweifel ziehen – bis zum Jahr 2030 175 MilliardenEuro kosten. Das wird die Rentenversicherung nicht tra-gen. Dann werden Sie entweder auf die Steuermittel zu-rückgreifen müssen, oder Sie werden die Beiträge erhö-hen müssen. Da haben Sie die Wahl. Was davon werdenSie machen?
Seien Sie doch einmal ehrlich, und verweisen Sie nichtimmer auf die Umfragen. Wenn Sie die Menschen fragenwürden: „Sind Sie bereit, das zu bezahlen?“, dann wür-den eben diese Umfragen definitiv anders ausfallen; dabin ich mir ziemlich sicher.
Es gibt nur eine Kasse, bei der Sie nicht zuschlagen,und das ist die Arbeitslosenkasse. Warum nicht? WeilSie sie längst geplündert haben. Da ist nämlich gar keinGeld mehr drin. Wenn wir auch nur die leichteste Eintrü-bung auf dem Arbeitsmarkt hätten, hätten wir mit denvorhandenen Rücklagen nicht einmal die Möglichkeit,Kurzarbeitergeld zu zahlen. Das müssen Sie verantwor-ten.Herr Schäuble konnte dieses Jahr tatsächlich seinenHaushalt zu Traumbedingungen präsentieren. Die Kon-junkturdaten sind gut. Die Stimmung ist gut. Die Ar-beitslosigkeit ist gering. Die Zinsen sind niedrig. Jetztkann man sagen: „Das ist Glück“, oder: „Das ist ge-macht“. Herr Krüger, es gibt ein tolles türkisches Sprich-wort. Es heißt: Frag nicht immer, was du getan hast, son-dern frage, was du tun wirst; denn daran musst du dichmessen lassen.Sie hätten schon jetzt unter diesen Voraussetzungenanfangen können, Schulden abzubauen; diese Möglich-keit hätte es gegeben. Stattdessen machen Sie 6,5 Mil-liarden Euro neue Schulden. Sie hätten jetzt die Chancegehabt, Strukturreformen durchzuführen. Wenn Sie hierschon Schröder zitieren:
Genau da hat er angesetzt. Warum machen Sie es nichtwie er? Sie könnten jetzt Subventionen abbauen; aberdavon sehen wir nichts. Sie könnten jetzt zum Beispieleine Reform der Finanzierungssysteme angehen. Siewollen aber gar nicht gestalten. Sie wollen dieses Landverwalten; denn genau darauf haben Sie sich in der Gro-ßen Koalition geeinigt. Einfach nur draufzupacken, dasist nicht Politik. Einfach nur draufzupacken, ist Aus-
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Ekin Deligöz
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druck des Bangens um Wählerstimmen, aber nicht Aus-druck von Verantwortungsübernahme in diesem Land.
In der Tat stehen wir eigentlich erst noch vor einergroßen Herausforderung: Das ist der demografischeWandel. Dieses Land wird älter; wir werden weniger.Generationen, die nicht geboren werden, bekommenkeine Kinder. Das zu ändern, wird uns im Moment nichtgelingen. Dieses Land ist auch bunter. All das erfordertAntworten von der Politik, auch in einem Haushalt.Die Alterung der Gesellschaft wird neue Kosten mitsich bringen. Nicht nur die jetzigen, sondern auch die zu-künftigen Rentnerinnen und Rentner haben einen An-spruch darauf, sich auf die Sozialversicherungssystemeverlassen zu können, haben einen Anspruch darauf, derPolitik vertrauen zu können. Ich weiß nicht, ob ich ihnenim Moment dazu raten könnte. Wir müssen die sozialenSysteme demografiefest machen. Das tun wir nicht, in-dem wir sie schon jetzt ausbeuten und leeren. Rücklagensind dafür da, dann herangezogen zu werden, wenn mansie benötigt. Wenn sie jedoch nicht mehr da sind, dannkann man auch nicht mehr darauf zurückgreifen.Wir werden weniger. Die wenigen Kinder, die wir ha-ben, brauchen die beste Bildung, die beste Ausbildung.Diese müssen wir ihnen anbieten; deshalb die Investitio-nen in Infrastruktur. Sie rühmen sich damit, 6 MilliardenEuro dafür plus 3 Milliarden Euro für Forschung zusätz-lich ausgepackt zu haben. Da die drei Ministerinnen, wieich das sehe, aber nur miteinander streiten und Sie nichtwissen, wie Sie es verteilen und unterbringen können, istdas Geld im Moment beim Bundesfinanzministerium ge-parkt worden. Wenn es zu einer pauschalen Überwei-sung kommt, dann sage ich voraus, dass es nicht in denBildungseinrichtungen ankommen wird, sondern verlo-ren geht. Mein Kollege Swen Schulz hat das gestern zuRecht kritisiert. Nehmen Sie ihn beim Wort, wenn Sieschon unsere konstruktiven Ideen nicht wirklich wahr-nehmen. Wir brauchen verbindliche Strukturen. Diesemüssen Sie schaffen. Wir können es uns nicht leisten,auch nur ein einziges Kind fallen zu lassen. Dazu gehö-ren auch die Kinder von Migranten.
Apropos „Wir werden bunter“. Dieses Land ist schonbunt. Ich sage nun etwas, was nichts mit diesem Haus-halt zu tun hat, aber etwas mit dieser Gesellschaft; diezukünftigen Steuerzahler müssen schließlich erst nochheranwachsen. Mit Ihrem Gesetz zur doppelten Staats-bürgerschaft sprechen Sie die Kinder an, aber nicht de-ren Eltern. Dieses Gesetz ist nicht nur bürokratisch; eswird in der Gesellschaft vielmehr als kontraproduktivwahrgenommen werden. Wenn Sie die Analyse mit mirteilen, dass jedes fünfte Kind in Deutschland einen Mi-grationshintergrund hat, dann seien Sie ehrlich, machenSie ganze Politik, nicht nur halbe, setzen Sie Zeichen derWillkommenskultur! Dazu gehören gute Bildung, guteAusbildung, aber auch die doppelte Staatsbürgerschaftohne Wenn und Aber und ohne Grenzen.
Frau Präsidentin, ich höre schon auf. Nur noch einenSatz. – Sie reden von Strukturreformen. Ich finde esnicht redlich, wenn wir in Europa alle Länder dazu an-halten, Strukturreformen zu vollziehen, wir aber nichtsleisten. Wir sind in der Bringschuld.Ja, Herr Kampeter, ja, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, wir machen konstruktive Vorschläge. Aber zur kon-struktiven Politik gehört auch ein Nachjustieren: Neh-men Sie unsere Vorschläge an. Wir haben gute Ideen.Darauf können Sie sich verlassen.
Als nächster Redner hat der Kollege Kalb von der
CDU/CSU das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Seit Dienstag dieser Woche diskutieren wir indiesem Hause intensiv alle Bereiche des Bundeshaus-halts für das Jahr 2014. Unser Bundesfinanzminister hatam Dienstag einen Haushaltsplan vorgelegt, der sich se-hen lassen kann und der in der Haushaltspolitik hinsicht-lich der mittelfristigen Finanzplanung praktisch eineZeitenwende darstellt. Bereits 2014 werden wir nur nocheine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro haben,wenn wir die Einzahlungen in den ESM herausrechnen,nur noch von 2,2 Milliarden Euro. Strukturell ist derHaushalt ohnehin ausgeglichen. Ab nächstem Jahr wer-den wir wirklich die schwarze Null haben, in die sichSteffen Kampeter, wie er selbst sagt, verliebt hat.Der ausgeglichene Haushalt war in der Zeit meinerZugehörigkeit zum Deutschen Bundestag schon mehrereMale in Sichtweite. Das war zum ersten Mal 1989. Dannkam die Wiedervereinigung, und zwar nicht leider, son-dern Gott sei Dank. Es waren große Anstrengungen zuunternehmen. Aber die Wiedervereinigung war gut fürdie Menschen in Ost und West, in Gesamtdeutschland, inEuropa, sie war gut für eine friedliche Entwicklung inder Welt.
Zum zweiten Mal war das 2008, als es auch schon diePerspektive gab, 2010 einen vollkommen ausgegliche-nen Bundeshaushalt zu haben. Aber es kam dann uner-wartet die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, undwir mussten wieder handeln. Das hat unsere Verschul-dung natürlich nach oben getrieben. Aber – das habenauch Kolleginnen und Kollegen schon ausgeführt – dieMaßnahmen, die wir ergriffen haben, waren richtig. Siehaben den Menschen gedient. Sie haben den Menschenden Arbeitsplatz erhalten. Sie haben den Menschen Per-spektive gegeben. Sie haben die Grundlage dafür gelegt,dass wir heute so gut dastehen, wie wir dastehen, dasswir besser aus der Krise herausgekommen sind, als wirhineingegangen sind. Während man Deutschland früherals den kranken Mann Europas bezeichnet hat, bezeich-net man Deutschland heute fast neidvoll als die Lokomo-tive für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa.
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Bartholomäus Kalb
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Im Übrigen hat der Bund auch dank der guten Haus-haltsführung seit fünf Jahren immer weniger Schuldengemacht, als zunächst geplant war. Diesen Konsolidie-rungspfad werden wir konsequent fortsetzen, und zwarohne Steuererhöhungen. Wir haben Steuererhöhungen,auch verdeckte Steuererhöhungen, für diese Wahlpe-riode gemeinsam ausgeschlossen.
Ich bin sehr dankbar, dass der Wirtschaftsminister undVizekanzler Sigmar Gabriel sich gestern ausdrücklichdafür ausgesprochen hat.
Es reicht aber nicht, dass wir auf dem Papier eineschwarze Null schreiben; wir müssen viele Anstrengun-gen unternehmen. In der Debatte ist von vielen Fachpoli-tikern, zum Teil sogar aus unseren eigenen Reihen, eineVielzahl von Wünschen geäußert worden.
Es wäre schön, wenn wir diese Wünsche erfüllen könn-ten, aber wir können nicht alle Wünsche erfüllen, wennwir solide Haushaltspolitik machen wollen.
Die Grundvoraussetzung für eine solide Entwicklungin der Zukunft ist eine solide Haushalts- und Finanzpoli-tik. Die Menschen im Lande erwarten nicht mehr vonuns, als dass wir solide wirtschaften, dass wir das Geldzusammenhalten, dass wir für die Stabilität der Währungsorgen. Das ist gut für die Beschäftigung. Das ist gut fürdie arbeitenden Menschen. Das ist gut für den Wohlstandund die soziale Sicherheit im Lande.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kon-junktur läuft gut. Die deutsche Wirtschaft wird 2014nach jüngsten Prognosen stärker wachsen als erwartet.Wir haben mittlerweile einen Rekordwert bei der Zahlder sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Auchdas darf einmal gesagt werden: Wir haben 32 Millionensozialversicherungspflichtig Beschäftigte – das ist einRekordwert in der Nachkriegsgeschichte – und fast42 Millionen Erwerbstätige insgesamt. Das ist nicht vomHimmel gefallen. Ich habe vorhin beschrieben, welcheMaßnahmen wir auch in schwierigen Zeiten ergriffenhaben. Das ist die Grundlage dafür, dass wir heute auchin den Haushalten von Bund, Ländern und GemeindenEntspannung feststellen können und die Situation derSozialkassen besser ist, als wir noch vor einigen weni-gen Jahren befürchten mussten.Wir geben natürlich auch Antworten auf die Heraus-forderungen durch die demografische Entwicklung, undzwar in der Weise, dass wir gerade für diese Legislatur-periode vereinbart haben, mehr zu tun für Bildung, For-schung, Infrastruktur, überhaupt für die gesamte Ent-wicklung, aber auch für die soziale Absicherung derMenschen.
Das Thema Verkehrsinfrastruktur ist in der vorausge-gangenen Debatte angesprochen worden. Frau Wilmsvon den Grünen – ich glaube, sie ist jetzt nicht mehrhier – möchte überhaupt nichts mehr bauen. Wir brau-chen aber alle Verkehrsträger und heute dazu natürlichauch die Kommunikationstechnologie für eine flächen-deckend gute Entwicklung im Land. Jeder Verkehrsträ-ger und jeder Kommunikationsweg muss seine speziel-len Stärken ausspielen können, damit wir den Wohlstandauch in der Zukunft sichern können.
Wir müssen eine Frage stellen; das ist von mehrerenRednern schon zu Recht angesprochen worden. Es istbesorgniserregend, dass bei Infrastrukturmaßnahmenheute bis zu 50 Prozent des Geldes – ich glaube, der Kol-lege Brinkhaus hat das in der Debatte schon gesagt – fürPlanung, für Begleitmaßnahmen, für Umweltmaßnah-men usw. ausgegeben wird. Da kann man am Ende mitdem Geld nicht mehr so viel bauen, wie man es gerntäte.
Vorhin wurde die Jugend angesprochen. Der Einzel-plan 17, also der Haushalt für Familie, Jugend usw.,steigt überdurchschnittlich stark an. Nur das allein istnicht die Antwort. Viel wichtiger für die Zukunftssiche-rung ist doch, dass wir insgesamt gute Grundlagen füreine wirtschaftliche Entwicklung und eine hohe Qualitätbei der Bildung und der Forschung schaffen, dass wirkeine Neuverschuldung mehr machen und dass wir dieAltlasten nicht noch höher auftürmen, sondern dort, woes möglich ist, Altlasten abbauen, damit Gestaltungs-spielräume entstehen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlichsind wir als Bund nicht alleine. Wir brauchen die übrigenPartner. Die Länder und die Kommunen müssen mitma-chen, natürlich müssen auch die Sozialpartner mitma-chen. Damit wir insgesamt eine vernünftige und guteEntwicklung haben, müssen richtige Anreize gesetztwerden, um die Leistungsbereitschaft der verschiedenenEbenen zu honorieren und herauszufordern sowiegleichzeitig die Haushaltsdisziplin zu befördern. Deswe-gen muss der Länderfinanzausgleich neu geordnet wer-den. Dass ich aus Bayern komme, ist aufgrund meinesDialektes nicht schwer zu erraten.
Wenn ein einziges Bundesland heute die Hälfte aller Fi-nanzausgleichsleistungen erbringt, dann stimmt etwasnicht. Dann müssen neue Maßstäbe gesetzt und neue In-strumente gefunden werden, damit es wieder ins rechteLot kommt und damit sich Anstrengungen für die Geber-
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länder und die Nehmerländer wieder lohnen. Wir brau-chen einen fairen Finanzausgleich, der das Leistungs-und Solidaritätsprinzip wieder ins Gleichgewicht bringt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutsch-land leistet einen wichtigen Beitrag für Europa. Wir ha-ben gesehen, solide Staatsfinanzen sind kein Selbst-zweck, sondern die Grundvoraussetzung für Wachstumund Generationengerechtigkeit. Wie schnell das Ver-trauen angesichts überbordender Staatsfinanzen verlorengehen kann, haben wir im Zuge der Staatsschuldenkriseerlebt. Die Krisenländer haben zwischenzeitlich enormeFortschritte gemacht und Reformen durchgeführt. Sokonnten Irland und Spanien aus dem Rettungsschirm he-raus. Portugal ist auf einem guten Wege. Selbst Grie-chenland gibt zur Hoffnung Anlass. Die gestrige Bege-bung von griechischen Staatsanleihen ist ein gutesSignal – auch wenn wir es vorsichtig bewerten – undlässt den Schluss zu, dass die Maßnahmen, die wir mitden Rettungsschirmsystemen EFSF und ESM ergriffenhaben – auch die Maßnahmen der EZB –, dazu geführthaben, dass die internationalen Finanzmärkte wiederVertrauen in den europäischen Währungsraum, in denEuro, gewinnen. Deswegen können wir davon ausgehen,dass das die richtigen Schritte sind. Vertrauen ist dieGrundvoraussetzung für eine weiterhin gute Entwick-lung.
Deswegen sage ich: Auch im Rahmen des Europawahl-kampfes sollten bestimmte Spitzenkandidaten den Bür-gern, insbesondere im Süden Europas, keine falschenVersprechungen machen. Die Anstrengungen, die sie un-ternehmen, werden sich lohnen. Das zeigt unser Bei-spiel.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich hätte gerne noch etwas zu meiner Vorrednerin be-
züglich der Mütterrente gesagt. Sie sollten eines beden-
ken: Wir haben ein umlagefinanziertes Rentensystem.
Das heißt, die Menschen, die vor 1992 geboren sind,
zahlen in das Rentensystem ein. Deren Mütter haben die
Kinder ohne entsprechende Ausgleichszahlungen erzo-
gen und somit den Weg ermöglicht, dass unsere volks-
wirtschaftliche Leistung heute erbracht werden kann.
Auch das gehört zur Wahrheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedanke
mich.
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ingrid Arndt-
Brauer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir sindheute in der Schlussdebatte zum Haushalt, und mit mirspricht ausnahmsweise mal ein Mitglied des Finanzaus-schusses; ansonsten haben hier heute morgen, glaubeich, ausnahmslos Haushälter gesprochen.
Auch wir Finanzausschussmitglieder freuen uns da-rüber, dass es nächstes Jahr keine Neuverschuldung ge-ben wird, sofern es dazu kommt. Aber was uns ein biss-chen stört, ist das Schulterklopfen zwischen Haushälternund Finanzminister, während man uns Finanzausschuss-mitglieder vergisst.
Die Basis für diesen guten Haushalt legt doch die Steuer-gesetzgebung, und die findet bei uns statt. Das muss mandoch mal sagen, und das möchte ich hier auch einmal be-tonen.
In vielen Landesparlamenten und Kommunen ist es jaso, dass die Einnahmen und die Ausgaben im Haushalts-ausschuss getätigt werden. Bei uns ist es aber anders:
Die Einnahmen müssen wir besorgen, und die Ausgabenwerden dann vom Haushaltsausschuss beschlossen, dempermanent dafür gedankt wird. Vielleicht sollte man maldarüber nachdenken.
Was passiert, wenn es falsch läuft? Da müssen wiralle uns nur zurückerinnern, wie es vor vier Jahren imFinanzausschuss war: Da wurde beschlossen, den Hote-liers einen reduzierten Mehrwertsteuersatz zu gewähren,und schon war dauerhaft 1 Milliarde Euro jährlich weg.Würde so etwas noch einmal passieren, wäre es mit derschwarzen Null im nächsten Jahr vorbei. Deswegen soll-ten Sie sich mit den Finanzpolitikern und dem Finanz-ausschuss gutstellen. Wir sind nämlich 37 sehr qualifi-zierte und sehr motivierte Mitglieder, viele aussteuerberatenden Berufen und somit alle Fachleute.
Eine Fraktion ist seit dieser Legislatur nicht mehr da-bei; das war die mit den Plänen zu niedrigen, gerechtenund einfachen Steuern. Frei nach Trude Herr – „Niemalsgeht man so ganz“ – wollen wir mal gucken, was aus derIdee geworden ist: Niedrigere Steuern will keiner mehr.Sonst kommt man ja auch nächstes Jahr nicht zurschwarzen Null. Gerechtere Steuern wollen eigentlichalle. Nur was ist bei den Steuern gerecht? Da gibt es sehrunterschiedliche Definitionen. Bei der Opposition undmanchmal auch bei der SPD bedeutet „gerecht“, dass esfür einzelne reiche Mitbürger zu einer Steuererhöhung
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Ingrid Arndt-Brauer
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kommt. Das wird entweder niedergestimmt – leider –oder gar nicht erst beantragt, weil der Koalitionsvertragfestlegt, dass es zu keinen Steuererhöhungen kommensoll.
– Genau, und so wird es auch sein.Jetzt bleibt noch das Stichwort „einfach“. Das solltenwir wirklich ernst nehmen. Denn hier kommt die Stundedes Finanzausschusses. Wenn wir die Banken- undFinanzmarktregulierung abgeschlossen haben, dann soll-ten wir uns das Vorhaben „einfache Steuergesetzgebung“vornehmen. Im Koalitionsvertrag auf Seite 64 steht einbisschen darüber. Da steht, dass Steuervereinfachungeine Daueraufgabe ist. Angeführt werden die vorausge-füllte Steuererklärung, das Faktorverfahren und als Zu-kunftsprojekt auch das Selbstveranlagungsverfahren.Damit ist die Auflistung eigentlich schon am Ende. Ichdenke, das sollte es nicht sein.Wir haben eine riesige Koalitionsmehrheit von504 Abgeordneten, und wir haben in der Bevölkerungmit dieser Großen Koalition riesige Erwartungen ge-weckt. Deswegen sollte sich diese Koalition nicht nurauf das jährliche Jahressteuergesetz freuen und daraufwarten, endlich Steuergesetzgebung in der Form machenzu können, dass marginal irgendetwas nachjustiert wird,was aus dem Ruder gelaufen ist. Wir sollten vielmehrwirklich versuchen, uns die Steuervereinfachung als Pro-jekt vorzunehmen.
– Ja, genau, das ist einen Applaus wert. –
Wir sollten auch nicht darauf warten, dass uns das Bun-desverfassungsgericht irgendwelche Urteile um die Oh-ren haut und uns zu irgendwelchen Handlungen zwingt,sondern wir sollten ganz konkret Projekte angehen.Das Bundesfinanzministerium hat dankenswerter-weise ein paar Gutachten in Auftrag gegeben, die wiruns einmal näher anschauen sollten. Da fällt mir zumBeispiel ein Gutachten vom RWI ein – das ist kein SPD-nahes Institut –, das uns vorschlägt, die Mehrwertsteuerzu reformieren. Darin werden gute Beispiele gerechnet.Wir sollten uns dieses Vorhaben einmal vornehmen.
Wir sollten auch einmal darüber diskutieren – unserstellvertretender Fraktionsvorsitzender hat es schon malversucht –: Wo gibt es eigentlich bei den Dingen, die wirjetzt schon haben, Missbrauch – Stichwort haushalts-nahe Dienstleistungen? Wir wollen sie nicht abschaffen,aber wir sollten einmal drüberschauen.
Nur befinden wir uns im Moment in folgender medialerSituation: Sobald einer auch nur irgendetwas andisku-tiert, wird schon draufgeschlagen. Das ist eigentlichschade. Wir sollten uns die Zeit zur Diskussion lassen,weil wir so die Situation der Menschen wirklich verbes-sern können.
Wir wollen keine Steuererhöhungen. Wir wollen nur dieGesetzgebung, wo nötig, einfacher und gerechter gestal-ten und aus dem Ruder gelaufene Vorgänge wieder ein-fangen.Wir sollten auch darüber nachdenken, die Höhe be-reits bestehender Pauschalen anzupassen. Ich denke indiesem Zusammenhang an die Behindertenpauschale,die ziemlich vergessen worden ist. Das kostet zwar einbisschen Geld, aber ich bin der Meinung, das muss drinsein. Andere Pauschalen sollten wir überdenken und unsfragen: Sind sie noch sinnvoll? Vielleicht sollten wirauch neue Pauschalen einführen. Für eine solche Diskus-sion mit den qualifizierten Mitgliedern des Haushalts-ausschusses sollten wir uns Zeit nehmen, und ich bitteSie, nicht gleich draufzuschlagen, wenn wir ein neuesThema aufmachen.
Im Herbst werden wir uns mit einem Thema beschäf-tigten müssen, da geht es um eine Regelung, die unsvom Bundesverfassungsgericht zurückgespiegelt wird,nämlich das Thema Erbschaftsteuer. Da müssen wirdann etwas machen.
Wir sollten die Beratungen in aller Ruhe angehen undüber eine Verbreiterung der Besteuerungsgrundlagenachdenken. Die Länder würden sich freuen, wenn wirmehr als 4 Milliarden Euro an sie überweisen würden.
Ich rede nicht von den erbschaftsteuerlichen Regelungenbei der Nachfolge in Unternehmen, sondern ich rede vonprivaten Erbschaften, die ja meistens ein leistungslosesEinkommen darstellen, das in der Regel in unserer Ge-sellschaft auch nicht gerecht verteilt ist. Deswegen soll-ten wir offen über eine Verbreiterung nachdenken. Dasollte man uns auch ein bisschen Spielraum lassen.Wir alle hoffen, dass die Wachstumsprognosen, dieuns vorliegen, eintreten. Wenn nicht, dann sind wir alsFinanzer gefordert. Wir werden dann nicht darum he-rumkommen, irgendetwas zu tun, um Mehreinnahmenzu generieren; denn die Null bei der Neuverschuldungwird, wie ich denke, doch auch in den folgenden Jahrenunser Ziel sein. Möglicherweise werden ein paar Krisenauf uns zukommen. Das können wir jetzt noch nicht ab-schätzen. Manche Krise deutet sich am Horizont an –Stichwort Ukraine. Sollte das der Fall sein, könnte es
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Ingrid Arndt-Brauer
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dazu kommen, dass wir Geld in die Hand nehmen müs-sen.
Wir sollten schon jetzt über Steuerquellen nachdenken,die wir dann akquirieren könnten.
Ich möchte noch etwas zum Koalitionsvertrag sagen.Auf Seite 63 steht:Steuerrecht ist kein statisches Recht. Wenn gesell-schaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen eserfordern, muss das Steuerrecht angemessen fort-entwickelt werden, damit es seine Ziele auch künf-tig erreicht.Das sollten wir uns immer vor Augen führen. Wir solltenjetzt nicht sagen: In den nächsten Jahren machen wirsteuerlich erst einmal gar nichts, weil alles geregelt ist. –Das wäre falsch. Wir sollten das als dynamischen Pro-zess begreifen und entsprechend damit umgehen.Ich möchte noch ein paar Sätze zu meinen Vorrednernsagen. Frau Dr. Lötzsch, die Finanztransaktionsteuerkommt; da können Sie sicher sein.
Das steht überall drin, auch im Koalitionsvertrag. Das istja auch keine Steuererhöhung für den Bürger.
Die 50 Milliarden Euro, die Sie damit einnehmen wol-len, sind nicht im Finanztableau enthalten. Ich halte dieSumme auch ein bisschen für zu hoch. Auch wenn sieweltweit gelten sollte, ist das ein bisschen zu optimis-tisch veranschlagt. Aber wenn sie kommen würde, wür-den wir uns natürlich freuen.Zum Thema Kindergelderhöhung. Ich denke, hierwird etwas passieren. Wir haben allerdings das Problem,dass – das wissen Sie selber – eine Erhöhung der Freibe-träge um 72 Euro und des Kindergeldes um 24 Euro na-türlich nicht besonders viel ist. Deshalb sollten wir andieser Stelle offensiv über andere Verfahren nachdenken,wie wir Familien helfen können. Über so etwas wie ei-nen Kindergrundfreibetrag muss man einmal ernsthaftnachdenken. Dafür haben wir jetzt genug Zeit. Wir ha-ben genug Man- und Frauenpower. Das sollten wir nut-zen.Die Industrie wird natürlich an den Kosten der Ener-giewende beteiligt, das ist gar keine Frage. Der Mindest-lohn wird flächendeckend eingeführt. Der Abbau derkalten Progression würde zwischen 3 und 8 MilliardenEuro kosten. Da wir die im Moment nicht übrig haben,sollten wir über dieses Thema nicht weiter reden. DieKommunen werden mehr Geld bekommen, das ist prio-ritär. Für die Infrastruktur wird mehr ausgegeben, ebensowie für ein friedliches Europa; das wünschen wir unsalle. Wir werden natürlich nicht in veraltete Waffensys-teme, sondern in sinnvolle Maßnahmen investieren.Da meine Redezeit abgelaufen ist, werde ich zu denübrigen Bereichen nichts mehr sagen. Ich bin mir abersicher: Wir werden die nächsten Jahre eine gute und fort-schrittliche Steuerpolitik machen. Liebe Haushälter, ver-gessen Sie bitte nicht immer, woher das Geld, das Sieverteilen, kommt und wer das aufbringen muss. Nichtnur die Bürger, auch wir mit unserer Steuergesetzgebungsind ein Stück weit beteiligt.Ich wünsche Ihnen alles Gute für die weiteren Haus-haltsberatungen.Vielen Dank.
Als nächster Redner hat der Kollege Ingbert Liebing
von der CDU/CSU das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnenund Kollegen! Im Verlauf der Haushaltsberatungen indieser Woche ist auch vielfältig über die Lage der Kom-munen diskutiert worden. Auch die Opposition hat sichan diesem Thema abgemüht. Heute ist Gelegenheit, einFazit dieser Debatte zu ziehen. Mit Blick auf die Finanz-lage der Kommunen lautet das Fazit: Gerade auch dieKommunen profitieren von der Politik unserer Koalitionund auch der Bundesregierungen der vergangenen Jahre.
Diese gute Politik setzen wir auch fort.
Dies möchte ich an drei Aspekten aufzeigen:Erstens. Es ist das Ergebnis unserer Politik, die aufStabilität und Haushaltskonsolidierung beruht und dieauf wirtschaftliches Wachstum setzt, dass wir in den ver-gangenen Jahren steigende Steuereinnahmen verzeich-nen konnten. Die Steuereinnahmen sind aufgrund vonWachstum gestiegen und nicht aufgrund von Steuererhö-hungen; das ist das Entscheidende.
Davon profitieren auch die Kommunen, wie die Zahlenzeigen. Die Kommunen in Deutschland haben im ver-gangenen Jahr Mehreinnahmen in Höhe von 8 Milliar-den Euro verzeichnen können. Das ist ein Anstieg um4 Prozent. Die Gewerbesteuereinnahmen erreichten imvergangenen Jahr mit netto 32,6 Milliarden Euro einenneuen Höchststand. Im Ergebnis haben die Kommunenin Deutschland im vergangenen Jahr schwarze Zahlengeschrieben: 1,1, Milliarden Euro Überschuss. DieKommunen haben mehr investieren können als in denJahren zuvor. Das sind gute Ergebnisse unserer Politik.
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Ingbert Liebing
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Dennoch wissen wir, dass die Finanzlage der Kommu-nen unterschiedlich ist, es hier eine Vielfalt gibt.Wir haben Städte und Gemeinden, die einen Haus-haltsausgleich nur dadurch erreichen können, dass sieauch an der Unterhaltung ihrer Liegenschaften sparen,also bei den Kindergärten, bei den Schulen und bei denStraßen, obwohl da viel mehr zu tun wäre.Die Vielfalt bei der Finanzlage der Kommunen wirdnirgends so deutlich wie bei den Kassenkrediten. Kassen-kredite sind eigentlich nur zur kurzfristigen Überbrückungvon Liquiditätsengpässen zulässig. Die Kommunen in Ba-den-Württemberg und Bayern haben im Landesschnittkaum Kassenkredite: 14 bzw. 20 Euro Kassenkredit proEinwohner in Bayern und Baden-Württemberg. In Nord-rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sieht das aber ganzanders aus: 1 360 Euro Kassenkredit pro Einwohner inNordrhein-Westfalen und 1 530 Euro Kassenkredit proEinwohner in Rheinland-Pfalz. Die Lage in den einzel-nen Bundesländern ist also völlig unterschiedlich. Alleindas macht deutlich, dass es nicht gelingen wird, eine füralle Kommunen passende Lösung auf Bundesebene zufinden. Hier stehen in allererster Linie die Bundesländerin der Verantwortung, für eine aufgabengerechte Finanz-ausstattung der Kommunen zu sorgen.
Dennoch helfen wir seitens des Bundes auch denKommunen. Die zweite gute Botschaft für die Kommu-nen ist: Der Bundeshaushalt 2014 finanziert die dritteStufe der Übernahme der Kosten der Grundsicherungdurch den Bund. 1,6 Milliarden Euro mehr für die Kom-munen stecken allein für diese Aufgabe im Bundeshaus-halt 2014.
Gerade deshalb ist der Vorwurf, der hin und wieder erho-ben wird, der Bundesfinanzminister spare seinen Haus-halt zulasten der Kommunen zurecht, schlichtwegQuatsch.
Das Gegenteil ist der Fall: Haushaltskonsolidierung, Sa-nierung des Haushalts ist zwingende Voraussetzung da-für, dass wir überhaupt in der Lage sind, für die Kommu-nen etwas zu leisten.Diese Politik setzen wir auch in den nächsten Jahrenfort. Der Finanzplan für die Jahre bis 2018 weist diesaus. In den Jahren 2015, 2016 und 2017 werden wir ausdem Bundeshaushalt jeweils 1 Milliarde Euro zusätzlichfür die Kommunen bereitstellen, und ab 2018 werdenwir in die Finanzierung der Eingliederungshilfe für Men-schen mit Behinderungen einsteigen. 5 Milliarden EuroEntlastung sind zugesagt.
Zugleich werden wir bei der Eingliederungshilfe dieMenschen in den Mittelpunkt stellen und nicht die Ein-richtungen.Dies alles machen wir nicht von ungefähr. Bei derGrundsicherung machen wir das, um einen Fehler ausrot-grüner Regierungszeit zu korrigieren. Auch darandarf man gerne einmal erinnern, dass SPD und Grüne inder Zeit, in der sie gemeinsam Regierungsverantwortungtrugen, ein tolles Gesetz zur Grundsicherung im Alterverabschiedet haben. Sie haben sich dafür feiern lassen,aber die Rechnung an die Kommunen geschickt.
Diese Philosophie, schöne Wohltaten zu beschließen,aber die Kommunen dafür zahlen zu lassen, gehört zuden Fehlern der Vergangenheit, unter denen die Kommu-nen noch heute leiden.
Diese Fehler korrigieren wir. Deswegen ist unser Wegrichtig.
Viele Kommunen leiden vor allem unter steigendenSoziallasten. Auch hier setzen wir an, um den Kommu-nen zu helfen. Das ist die dritte gute Botschaft diesesBundeshaushaltes für die Kommunen.Wir lösen die Probleme, die die Kommunen mit stei-genden Sozialkosten haben, doch nicht dadurch, dass wirimmer mehr Geld in ein Sozialsystem geben. Viel wich-tiger ist es doch, dass wir die Ursachen der steigendenSozialkosten, die Probleme selber anpacken und lösen,anstatt immer nur mehr Geld zur Finanzierung der Pro-bleme bereitzustellen. Die Ursachen zu bekämpfen unddie Probleme zu lösen, das ist der richtige Weg. Diesdient den Menschen am Ende auch viel mehr. Dennwenn die Menschen unabhängiger werden von staatli-chen Transferleistungen, wenn sie wieder in Lohn undBrot kommen und Arbeit haben, wenn sie selber für ih-ren Lebensunterhalt sorgen können, dient das den Men-schen mehr, als wenn wir nur die Sozialkosten finanzie-ren. Auch hierzu leisten wir mit dem Bundeshaushalteinen Beitrag. Wir stellen uns unserer Verantwortung imBund.Ich nenne nur zwei Stichworte. Die Städtebauförde-rung ist eines der besten Instrumente, mit denen wir mitöffentlicher Mitfinanzierung zugleich auch privates Ka-pital mobilisieren, um die Struktur in den Städten zu ver-bessern. Auch das hilft, um steigende Sozialkosten zuverhindern. Die Entflechtungsmittel – das ist das zweiteStichwort – sollten nach der Föderalismusreform biszum Jahr 2019 eigentlich schrittweise abgeschmolzenwerden. So war es mit den Ländern vereinbart. Trotzdemsetzen wir sie auf hohem Niveau gleichbleibend bis 2019fort. Damit steht in den Ländern Geld zur Verfügung, umin den Wohnungsbau zu investieren und um Projekte imRahmen der Gemeindeverkehrsfinanzierung zu bezah-len. Auf diese Leistungen sind die Kommunen dringendangewiesen, und wir stellen diese Gelder zur Verfügung.Aber jetzt ist es auch notwendig, dass die Länder diese
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Ingbert Liebing
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Mittel genau für diese Zwecke einsetzen und nicht zurSanierung ihrer eigenen Haushalte zweckentfremden.
Dies alles leisten wir. Wir leisten es nicht auf Pump,wie es früher üblich war, sondern solide finanziert.
Wir haben den Haushalt auf der Einnahmenseite in Ord-nung gebracht und mit Sparsamkeit ebenfalls auf derAusgabenseite. Dies ist gute Politik, die allen dient: Dasdient dem Bund bzw. dem Bundeshaushalt. Davon profi-tieren die Länder. Davon profitieren auch die Kommu-nen. Das dient aber vor allem den Menschen in den Städ-ten und Gemeinden. Das ist wichtig. Deswegen ist esgute Politik.Vielen Dank.
Als nächster Redner hat der Kollege Swen Schulz das
Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hauptbot-schaft der Koalition in dieser ersten Lesung des Ent-wurfs des Haushaltsplans ist: Wir sind auf dem Weg zueinem ausgeglichenen Haushalt.
Das ist ein gutes, ein lohnenswertes Ziel; denn das ver-leiht in den künftigen Jahren größere Handlungsspiel-räume. Um das zu veranschaulichen, gibt es die be-kannte Redewendung: Auf Schuldenbergen könnenKinder nicht spielen.
Der Haushalt gibt aber noch mehr her; denn gleichzeitigwollen wir in die Zukunft investieren. In der Bildungs-politik heißt es: Wir wollen für die Kinder sparen, nichtan den Kindern. – Darum hält diese Koalition 9 Milliar-den Euro zusätzlich für Bildung und Wissenschaft bereit.Das ist eine starke Ansage, Kolleginnen und Kollegen!
Wir sollten aber realistisch sein: Die Spielräume sindgleichwohl eng. Wir haben uns ja nicht nur vorgenom-men, keine Schulden mehr zu machen, sondern darüberhinaus wird eine aktive Steuerpolitik abgelehnt, KollegeBarthle, und den Subventionsabbau geht unser Koali-tionspartner nicht an. Daher bleibt so manche sinnvolleAusgabe für Verkehr, für Soziales, für Forschung, fürFamilien oder eben für Bildung auf der Strecke. Es istdarum sehr gut, dass wir uns als Haushälter in der Koali-tion vorgenommen haben, im Falle höherer Einnahmendie gewonnenen Spielräume für sinnvolle Ausgaben undInvestitionen zu nutzen.
Ich will ein Beispiel ansprechen, das uns und mir sehrwichtig ist: das BAföG. Das BAföG ist die soziale Bil-dungsfinanzierung für Schüler und Studierende, die sichvon Haus aus Bildung nicht leisten können. Seit Jahrenist da nichts mehr gemacht worden. Da müssen wir ran.Für das BAföG muss auch zusätzliches Geld zur Verfü-gung gestellt werden.
Thomas Oppermann hat das in der Generaldebatte vorzwei Tagen klar auf den Punkt gebracht, indem er sagte:Es kann nicht sein, dass wir in der Koalition zusätzlicheMilliarden für die Rentenpolitik mobilisieren, für dasBAföG dann aber kein Geld mehr da ist. Das BAföGmuss strukturell verbessert und die Mittel dafür substan-ziell erhöht werden.
In diesem Zusammenhang will ich betonen, dass esden Abgeordneten von CDU und CSU selbstverständlichfreisteht, sich gegen die Rentenpolitik der Bundesregie-rung zu stellen. Ich bin grundsätzlich für offene Debat-ten und freue mich über selbstbewusste Abgeordnete.Noch mehr würde ich mich allerdings freuen, wenn esauch nur ansatzweise ein ähnliches Engagement dieserAbgeordneten für eine stärkere Familien- und Bildungs-finanzierung gäbe.
Das ist doch wichtig für die Zukunft der jungenLeute. Es ist nicht nur wichtig, dass die Alten fair inRente gehen können, sondern auch, dass Bildung undFamilien unterstützt werden. Auch da müssen wir etwasmachen.
Die Familienpolitik und die frühkindliche Bildungsind von größter Bedeutung. Gute Betreuungsangebotesind zum einen wichtig, damit Eltern arbeiten können,wenn sie wollen oder müssen. Die frühkindliche Bildungist zum anderen wichtig für die Entwicklung der Kinder.Studien zeigen, dass die Kinder, die eine Kita besuchthaben, in der Regel besser auf die Schule vorbereitetsind. In der Kita werden wichtige Bildungsgrundlagengeschaffen. Wir müssen diesen Bereich stärken und wei-ter verbessern. Dieser Herausforderung müssen wir unsstellen, Kolleginnen und Kollegen!
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Swen Schulz
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Für die Familien und darüber hinaus ist auch wichtig,dass wir den gesetzlichen Mindestlohn einführen. FaireBezahlung führt zu höheren Steuereinnahmen, mehrSozialversicherungsbeiträgen, weniger Sozialausgaben.Dass nun ausgerechnet Bildungspolitiker der Union for-dern,
den Mindestlohn an eine abgeschlossene Berufsausbil-dung zu koppeln,
kann ich nicht nachvollziehen.
Ich will Ihnen das erklären: Was wäre denn die Folge?Leute mit Berufsausbildung würden durch Dumping-löhne von Ungelernten verdrängt.
Das wäre erstens ungerecht und zweitens eine Entwer-tung der beruflichen Ausbildung. Das können Sie dochnicht im Ernst wollen, lieber Kollege.
Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren:In einer Koalition ist das immer so eine Sache, zumal ineiner Großen Koalition. Da gibt es eben auch unter-schiedliche Auffassungen, über die wir fair und offenmiteinander diskutieren sollten. Ich wundere mich zumBeispiel über Kolleginnen und Kollegen, die in diesenHaushaltsberatungen ungefähr folgendes Argumentati-onsmuster an den Tag legen: Erstens wird der Verzichtauf neue Schulden gefeiert; das ist okay. Zweitens wer-den gleichzeitig Steuererhöhungen und Subventions-abbau abgelehnt. Drittens werden dann auch noch Steu-ersenkungen gefordert – Stichwort: kalte Progression.Viertens, als Höhepunkt, fordern diese Kolleginnen undKollegen bei der Beratung ihres Fachbereichs auch nochMehrausgaben. Ich bitte Sie! An dieser Stelle habe ichden Eindruck, dass manche Kollegen „Im Himmel istJahrmarkt“ spielen wollen.
Mit uns nicht! Die SPD steht für eine solide Haushalts-und Finanzpolitik.
Ich will noch ein Thema ansprechen, dessen wir unsim Haushaltsausschuss grundsätzlich annehmen sollten,nämlich die demografische Entwicklung und ihre Aus-wirkung auf das Personal in den Bundesverwaltungen.Nach Jahren der Stellenreduzierung kommen wir nun ineine Phase, in der immer mehr Beschäftigte in den Ruhe-stand gehen. In diesem Jahr werden es gut 2 000 sein, imJahr 2018 bereits über 4 000. Die Tendenz ist also sehrdeutlich steigend. Wir müssen uns schnell Maßnahmenüberlegen, damit qualifiziertes Personal die Altersab-gänge rechtzeitig ersetzt. Wir wollen die Bundesverwal-tung leistungsfähig halten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Große Koalitionsetzt einige neue und richtige Akzente. Dazu zählen dieStädtebauförderung und das Programm „Die sozialeStadt“, das wir wieder flottmachen. In vielen Städtengibt es Viertel, die dringend Unterstützung benötigen, indie investiert werden muss und in denen Projekte geför-dert werden müssen, die das Zusammenleben verbessernund die Attraktivität steigern. Solche Sprüche, wie wirsie in der letzten Legislaturperiode gehört haben, als eshieß: „Projekte für Kopftuch tragende Mädchen habenwir genug“, gehören hoffentlich ein für alle Mal der Ver-gangenheit an.
Ebenso wichtig ist die Verbesserung der Förderungfür Langzeitarbeitslose durch die Jobcenter. Wir habenJahre der Kürzungen bei den arbeitsmarktpolitischenMaßnahmen hinter uns. Gerade für Langzeitarbeitslosewurde nicht mehr viel getan. Jetzt sollen viele von ihneneine neue Perspektive erhalten, und das ist gut so.Wir haben uns, über die angesprochenen Punkte hi-naus, noch mehr vorgenommen. Der Haushalt 2014 wirdnoch nicht vollständig ein SPD-Haushalt sein, aber wirarbeiten daran.Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächste Redne-
rin hat die Kollegin Kerstin Radomski von der CDU/
CSU das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Diese erste Haushaltswoche – Herr Kampeter hat es ge-sagt – stand ganz im Zeichen der Null. Bundesfinanz-minister Wolfgang Schäuble hat uns einen Haushaltsent-wurf für 2014 vorgelegt, mit dem wir in diesem Jahr diesogenannte strukturelle Null erreichen und die schwarzeNull klar vor Augen haben. Die Bemühungen der Unionum einen strukturell ausgeglichenen Haushalt ziehensich wie ein schwarzer Faden, Herr Schulz, durch dieletzten Jahre. Seit 2009 die Schuldenbremse beschlossenwurde, begann die letzte Etappe auf dem Weg zu demZiel, im September dieses Jahres erstmals seit 45 Jahreneinen schuldenfreien Haushalt aufzustellen.
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2628 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014
Kerstin Radomski
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Es war kein einfacher Weg bis hierhin. Unter demEinfluss der schweren Wirtschafts- und Finanzkrisemussten wir 2010 eine Neuverschuldung von 80 Milliar-den Euro beschließen. Damals schien das Ziel in weiterFerne. In den Folgejahren kamen zusätzliche finanzielleBelastungen durch die europäische Staatsschuldenkrise,die Energiewende und die Flutkatastrophe hinzu. Aberwir haben es geschafft. Es ist nicht die Aufgabe der Op-position, die Regierung zu loben.
Aber wir als Union sind zu Recht stolz darauf.
Der zu beratende Haushaltsentwurf für 2014 liegt mitdeutlichem Sicherheitsabstand über den Vorgaben derSchuldenbremse. Schon seit 2012, vier Jahre früher alsvorgeschrieben, halten wir diese Obergrenze, die lautGrundgesetz erst ab 2016 gilt, ein. Wir nutzen die Ver-schuldungsspielräume nicht aus; das möchten andere.Wir senken die Nettokreditaufnahme kontinuierlich ab.Das ist eine solide und nachhaltige Politik. Das zeigt ein-mal mehr: Die Haushaltspolitik ist bei dieser Regierungin guten Händen.
In den Beratungen der letzten Tage wurde der Grund,warum wir die Schuldenbremse eingeführt haben, vondem einen oder anderen Redner immer wieder verges-sen. Zur Erinnerung zitiere ich Wolfgang Schäuble ausden Haushaltsberatungen 2011:Bei der Reduzierung der zu hohen Defizite nehmenwir unsere Verantwortung für unsere Kinder undEnkel wahr. Denn nachhaltige Politik heißt: Mandarf nicht immer höhere Schulden auf die kommen-den Generationen abwälzen.Keine neuen Schulden zu machen, bedeutet, dieHandlungsfähigkeit zukünftiger Generationen zu bewah-ren. Das, meine Damen und Herren, ist wichtig für un-sere Kinder und Enkelkinder.
In den kommenden Wochen wird es darum gehen,alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen und zuschauen, welche Ausgaben im Interesse und zum Wohleder Menschen sind. Im Blick muss dabei auch stehen,wo wir die Ausgaben reduzieren können. Generationen-gerechte Haushaltspolitik bedeutet nicht nur, keineSchulden mehr zu machen. Nein, sie muss auch für dieZukunft Handlungsspielräume eröffnen und erhalten.Es ist jetzt wichtig, nachhaltig zu investieren, damitDeutschland auch in Zukunft so gut dasteht wie heute.Deshalb investieren wir in dieser Legislaturperiode zu-sätzlich 6 Milliarden Euro in Kinderkrippen, Kitas,Schulen und Hochschulen. Es ist allen bekannt, dass wirweniger Rohstoffe als andere Länder haben. Die Investi-tionen in die Aus- und Weiterbildung sind daher diewichtigste Ressource dieses Landes für die Zukunft.Aber genauso brauchen wir Investitionen in die Infra-struktur. Ein Kollege aus dem Haushaltsausschuss sagteeinmal, er möchte in Köpfe und in Beton investieren.Das kann ich nur unterstreichen.
Zur Wahrheit generationengerechter Haushaltspolitikgehört auch, dass ein Investitionsstau vermieden werdenmuss. Es hilft nicht, keine Schulden zu machen undnachfolgenden Generationen eine marode Infrastrukturzu hinterlassen.
Deshalb unterstützen wir die dringend notwendige Er-neuerung öffentlicher Verkehrsinfrastruktur mit 5 Mil-liarden Euro. Zudem hat sich die Koalition darauf ver-ständigt, in dem Fall, dass sich weitere finanzielleSpielräume ergeben, die Mittel in den Bereich der Infra-struktur fließen zu lassen.
Lassen Sie mich noch kurz auf die Kritik der Opposi-tion eingehen: Dunkelrote oder grüne Nullen gibt es, zu-mindest in der Finanzpolitik, nicht. Vielleicht ist das ei-ner der Gründe, warum die Opposition – in der gesamtenDebatte – der Absenkung der Neuverschuldung nichtden nötigen Respekt zollen konnte.
Die Behauptung, die Absenkung der Neuverschuldungsei aufgrund der guten konjunkturellen Entwicklungoder der steigenden Steuereinnahmen sozusagen vomHimmel gefallen, ist haltlos. Die gute Konjunktur ist vorallen Dingen ein Verdienst der Menschen in diesemLand, ihrer Innovations- und Leistungsbereitschaft. DieSteuereinnahmen werden von den Menschen mit ihrertäglichen Arbeit erwirtschaftet.Es ist die Pflicht eines jeden Politikers – nicht nur ei-nes jeden Haushälters –, mit diesem Geld solide undsparsam umzugehen. Dass dies nicht überall gilt, siehtman an mancher Landesregierung. Ich komme aus Nord-rhein-Westfalen.
Dort regieren bekanntlich die Grünen mit. In Nordrhein-Westfalen sind die Steuereinnahmen seit 2010 um 9 Mil-liarden Euro gestiegen. Gleichzeitig wurden aber auchdie Ausgaben um 7 Milliarden Euro erhöht. Zudem hatman zusätzlich noch jährlich bis zu 5 Milliarden Euroneue Schulden gemacht.
Das ist eine verantwortungslose Politik. So geht mannicht mit dem Geld der Steuerzahler um. Das hat mit so-liden Staatsfinanzen nichts zu tun.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014 2629
Kerstin Radomski
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Im Bund haben wir bei steigenden Steuereinnahmendie Ausgaben stabil gehalten und jeden Euro Mehrein-nahmen für den Abbau der Neuverschuldung eingesetzt.Die Herausforderung der kommenden Jahre ist, die Null-verschuldung im Haushalt tatsächlich zu halten und dieInvestitionen in einer gesunden Balance zu halten. Dafürhaben uns die Menschen am 22. September letzten Jah-res gewählt, und daran werden wir uns auch weiterorientieren.Vielen Dank.
Das war die erste Rede der Kollegin Radomski. Herz-
lichen Glückwunsch dazu!
Als nächster Redner spricht jetzt der Kollege Carsten
Körber.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Diens-tag haben wir an dieser Stelle den Regierungsentwurfzum Bundesetat 2014 ausführlich beraten. Trotz aller– notwendigerweise vorhandenen – politischen Differen-zen kann ich feststellen, dass zumindest Einigkeit überdie entscheidenden Themen der Haushaltspolitik be-steht: Haushaltskonsolidierung, Generationengerechtig-keit, Unterstützung von Ländern und Kommunen, För-derung von Bildung und Forschung.In der Sache gibt es natürlich eine Vielzahl von Dis-kussions-, vor allem aber Streit- und Konfliktpunkten.Es ist unsere vornehmste Aufgabe als Abgeordnete, ge-meinsam zu streiten und miteinander um die bestmögli-che Lösung zu ringen, vor allem dann, wenn es um dasBudgetrecht – das Königsrecht – des Parlaments geht.
Der politische Streit, der Konkurrenzgedanke, ist We-senskern unserer Demokratie und nichts weniger als das.Dieses Ringen und Streiten sind wir den Bürgern schul-dig. Dass aus diesem Ringen und Streiten eine Politik er-wächst, die gut ist für die Menschen in unserem Land,die gut ist für unsere Wirtschaft und die gut ist für unserGemeinwesen überhaupt, dafür tragen wir als unionsge-führte Koalition Sorge.
Der vorgelegte Haushalt zeigt, dass wir dem Auftrag,gut zu regieren, den wir am 22. September 2013 von denWählerinnen und Wählern erhalten haben, gerecht wer-den. – An dieser Stelle hätte ich eigentlich Widerspruchder Opposition erwartet.Was grüne Haushaltspolitik in der Realität bedeutet,zeigt das ehemalige Musterländle. Baden-Württemberghat im vergangenen Jahr unter einem grünen Minister-präsidenten im Ländervergleich die meisten neuenSchulden gemacht.
Für solides Wirtschaften auf Länderebene kann ichIhnen einen Blick nach Sachsen sehr empfehlen. ImFreistaat Sachsen zeigt die Union seit mehr als 20 Jah-ren, wie man es richtig macht.
Dort sieht man, dass Investitionen in die Zukunft und so-lides Haushalten zwei Seiten einer Medaille sind. Des-halb freue ich mich auch für die SPD auf Bundesebene,dass Sie einen soliden Koalitionspartner gefunden ha-ben.
Von den wilden Beglückungsfantasien der Linken inSachen Haushaltspolitik will ich an dieser Stelle garnicht erst anfangen.
Glauben Sie denn noch immer, dass man bloß mit derErhöhung des Spitzensteuersatzes und der Wiederein-führung der Vermögensteuer
alle Sorgen los sein kann? Nein, es ist gut, dass die Op-position Opposition ist und dass die Große Koalition re-giert.
Der Haushalt, den die Regierung vorgelegt hat, ent-hält drei Kernpunkte, die für mich von entscheidenderBedeutung sind: Erstens. Es ist ein strukturell ausgegli-chener Haushalt. Zweitens. Wir setzen die Entlastungvon Ländern und Kommunen fort. Drittens. Wir setzenentscheidende Schwerpunkte für die Zukunft. An dieserStelle will ich dafür nur drei Beispiele nennen: 6 Milliar-den Euro mehr für Kitas und Bildung, 5 Milliarden Euromehr für Verkehrsinfrastruktur und 3 Milliarden Euromehr für Forschung.Ich habe bereits von Generationengerechtigkeit ge-sprochen. Als noch junger Abgeordneter bin ich beson-
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2630 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. April 2014
Carsten Körber
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ders dankbar, dass dieser Haushalt generationengerech-ter ist als sämtliche Haushalte seit 1969.
Nach dem strukturellen Haushaltsausgleich in diesemJahr wollen wir 2015 ganz ohne neue Schulden auskom-men. Das gab es seit 45 Jahren nicht mehr. Der letzteschuldenfreie Haushalt wurde in der Großen Koalitionunter Kanzler Kiesinger verabschiedet.
1969: Überlegen Sie einmal, liebe Kolleginnen undKollegen, wie alt Sie damals waren! 1969 dauerte esnoch ganze zehn Jahre, bis ich überhaupt geboren wurde.
Die Haushaltspolitik mit ihrem Architekten Finanz-minister Schäuble ist vor diesem Hintergrund wahrhaftals historisch zu bezeichnen.
Sehr geehrte Damen und Herren, vergessen wir nicht:Es fällt kein Geld vom Himmel. Der Staat kann den Bür-gern nur das an Leistungen zugutekommen lassen, waser vorher von ihnen in Form von Steuern genommen hat.Lassen Sie uns nach vorne schauen: Dort steht 2015die schwarze Null. Ich appelliere an Sie alle, dieses Zielmit aller Konsequenz zu verfolgen. Ich wünsche mir so-gar, dass wir in absehbarer Zeit nicht nur keine neuenKredite mehr aufnehmen, sondern auch damit beginnen,Schulden tatsächlich zurückzuzahlen.
Dass dies möglich ist, zeigt wieder der Blick nachSachsen. Der Freistaat hat mit Abstand die geringstePro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Dort gibt eskeine neuen Schulden, bestehende werden getilgt. Er-wirtschaftete Spielräume werden in Kindergärten undBildung investiert.
Nur solide Haushalts- und Finanzpolitik schafft Ver-trauen. Nur Vertrauen schafft Voraussetzung für Investi-tionen. Investitionen sind Voraussetzung für wirtschaftli-ches Wachstum und Wohlstand.All das ist für mich verantwortungsvolles Handeln fürdie nachfolgenden Generationen. Das ist für mich ver-antwortungsvoller Umgang mit den Steuermitteln unse-rer Bürger. Das ist für mich der haushaltspolitische An-spruch dieser Koalition. Das ist für mich die Sicherungder Leistungsfähigkeit von morgen. In diesem Sinnewünsche ich uns allen erfolgreiche Beratungen.Vielen Dank.
Auch Ihnen, Herr Kollege Körber, herzlichen Glück-
wunsch zu Ihrer ersten Rede.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die
Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 18/700 und 17/14301 an den Haus-
haltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einver-
standen? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das
der Fall. Die Überweisungen sind damit so beschlossen.
Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Ta-
gesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 7. Mai 2014, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen eine
schöne Osterpause und ein gutes Wiedersehen.