Protokoll:
17118

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 118

  • date_rangeDatum: 1. Juli 2011

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:53 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/118 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kin- dern und Jugendlichen (Bundeskinder- schutzgesetz – BKiSchG) (Drucksache 17/6256) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . der Fraktion der SPD: Potenziale der Prävention erkennen und nutzen – Prä- vention und Gesundheitsförderung über die gesamte Lebensspanne stärken (Drucksache 17/5384) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Maria Klein- Schmeink, Fritz Kuhn, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesetzli- che Grundlage für Prävention und Ge- sundheitsförderung schaffen – Gesamt- konzept für nationale Strategie vorlegen (Drucksache 17/5529) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Prävention weiter denken – 13690 C 13691 C 13692 B 13693 B 13693 B 13695 A 13709 A 13709 A Deutscher B Stenografisch 118. Sitz Berlin, Freitag, de I n h a l Gratulation zum Geburtstag des Abgeordne- ten Hans-Michael Goldmann . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Bartholomäus Kalb, Viola von Cramon-Taubadel, Dagmar Freitag, Otto Fricke, Alexander Ulrich sowie weiterer Ab- geordneter: 25 Jahre Internationales Parla- ments-Stipendium (IPS) (Drucksache 17/6350) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . Petra Ernstberger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . E In M S D C M T a 13685 A 13685 B 13686 A 13687 C 13688 B 13689 C Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 13696 A 13697 B undestag er Bericht ung n 1. Juli 2011 t : kin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . grid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . arlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . ibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . orothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) aren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 36: ) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Bärbel Bas, Dr. Karl Lauterbach, weiterer Abgeordneter und 13699 B 13701 A 13702 C 13703 D 13704 D 13705 D 13706 B 13707 D Gesundheitsförderung als gesamtgesell- schaftliche Aufgabe stärken (Drucksache 17/6304) . . . . . . . . . . . . . . . 13709 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2011 Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der Eingliede- rungschancen am Arbeitsmarkt (Drucksache 17/6277) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Katrin Göring- Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitsmarktpolitik – In Beschäftigung und Perspektiven investieren statt Chancen kürzen (Drucksache 17/6319) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Den Staat Palästina anerkennen (Drucksache 17/6150) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Z A D A D S (D D T G D K D T a b D S H A M A D Z A P g D g s (K h d d B p (D in 13709 C 13710 D 13713 A 13714 C 13716 C 13717 D 13719 B 13720 C 13721 D 13723 B 13724 B 13724 C 13725 C 13726 C 13726 D 13726 D 13727 D 13729 C 13730 C 13731 D 13733 B 13734 B 13735 C 13736 D 13737 C 13738 B usatztagesordnungspunkt 16: ntrag der Abgeordneten Günter Gloser, r. Rolf Mützenich, Rainer Arnold, weiterer bgeordneter und der Fraktion der SPD: en Nahost-Friedensbemühungen neuen chwung verleihen rucksache 17/6298) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . homas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . ünter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 39: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbe- ner Berufsqualifikationen (Drucksache 17/6260) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Agnes Alpers, Sevim Dağdelen, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse wirk- sam regeln (Drucksache 17/6271) . . . . . . . . . . . . . . . r. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . wen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . einer Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . emet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lbert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . aniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 17: ntrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, riska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn, weiterer Ab- eordneter sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN: zu den Legislativvorschlä- en der Europäischen Kommission „Wirt- chaftspolitische Steuerung in der EU“ OM (2010) 522, 523, 524, 525, 526, 527) ier: Stellungnahme gegenüber der Bun- esregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 es Grundgesetzes undesregierung muss unverzüglich euro- äisch gestalten rucksache 17/6316) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindung mit 13738 C 13738 C 13739 C 13740 D 13742 B 13743 C 13744 D 13745 D 13745 D 13746 A 13746 D 13747 D 13748 D 13749 D 13750 C 13752 B 13753 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2011 III Zusatztagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Roland Claus, Dr. Dietmar Bartsch, hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Drucksachen 17/5905, 17/6175) . . . . . . . . . . 13754 A Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. …/… des Ra- tes zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermä- ßigen Defizit – Ratsdok.-Nr. 14496/10 – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Anforderungen an die haus- haltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaa- ten – Ratsdok.-Nr. 14497/10 – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haus- haltspolitischen Überwachung im Euro- Währungsgebiet – Ratsdok.-Nr. 14498/10 – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haus- haltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken – Ratsdok.-Nr. 14520/10 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Drucksachen 17/5904, 17/6168) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Sahra Wagenknecht, Michael Schlecht, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu dem Vorschlag einer Ver- ordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökono- mischer Ungleichgewichte im Euro- Währungsgebiet (Ratsdok. 14512/10, KOM(2010) 525) zu dem Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vermeidung und Korrektur ma- kroökonomischer Ungleichgewichte (Rats- dok. 14515/10, KOM(2010) 527) M B M O M K Z A D lu fr M C D G J D K M U H D G N A L A A 13753 D anuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ichael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . liver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . arl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 20: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion IE LINKE: Einschränkung des Versamm- ngsrechts durch Massenfunkzellenab- age . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . lemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . aniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . isela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . irsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . anuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . elmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . ünter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13754 B 13755 B 13756 C 13757 D 13758 D 13759 B 13760 B 13761 B 13762 D 13762 D 13763 D 13765 A 13766 C 13768 A 13768 D 13770 B 13771 B 13772 B 13773 D 13775 B 13776 C 13777 D 13779 A 13779 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2011 13685 (A) ) )(B) 118. Sitz Berlin, Freitag, de Beginn: 9.0
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2011 13779 (A) ) )(B) publik Mazedonien im Hinblick auf die Beteili- mission vom 14. Dezember 2010 für einen Be- schluss des Rates zur Festlegung eines Stand- punkts der Union im Stabilitäts- und Assoziationsrat EU-ehemalige jugoslawische Re- Nink, Manfred SPD 01.07.2011 Nord, Thomas DIE LINKE 01.07.2011 Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 01.07.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte A 2 s d – – – – – – – – Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 01.07.2011 Barchmann, Heinz- Joachim SPD 01.07.2011 Bleser, Peter CDU/CSU 01.07.2011 Brand, Michael CDU/CSU 01.07.2011 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 01.07.2011 Dr. Danckert, Peter SPD 01.07.2011 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 01.07.2011 Gerig, Alois CDU/CSU 01.07.2011 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.07.2011 Goldmann, Hans- Michael FDP 01.07.2011 Gutting, Olav CDU/CSU 01.07.2011 Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.07.2011 Haustein, Heinz-Peter FDP 01.07.2011 Höger, Inge DIE LINKE 01.07.2011 Hoff, Elke FDP 01.07.2011 Homburger, Birgit FDP 01.07.2011 Lay, Caren DIE LINKE 01.07.2011 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 01.07.2011 Meinhardt, Patrick FDP 01.07.2011 Merkel (Berlin), Petra SPD 01.07.2011 Nietan, Dietmar SPD 01.07.2011 D S T W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten nlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 884. Sitzung am 17. Juni 011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- timmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 es Grundgesetzes nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlas- sungsgesetzes und des Schwarzarbeitsbekämp- fungsgesetzes Zweites Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vor- schriften Drittes Gesetz zur Änderung des Umwandlungsge- setzes Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge Zehntes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immis- sionsschutzgesetzes – Privilegierung des von Kin- dertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen ausgehenden Kinderlärms Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern Gesetz zur Änderung gewerberechtlicher Vor- schriften Gesetz zu dem Vorschlag der Europäischen Kom- r. Scheuer, Andreas CDU/CSU 01.07.2011 chieder (Weiden), Werner SPD 01.07.2011 ack, Kerstin SPD 01.07.2011 agner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.07.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich (A) (C) )(B) gung der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien im Rahmen von Artikel 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates als Beobachter an den Arbeiten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und die ent- sprechenden Modalitäten einschließlich Bestim- mungen über die Mitwirkung an den von der Agentur eingeleiteten Initiativen, über finanzielle Beiträge und Personal – Gesetz zu dem Abkommen vom 1. Dezember 2009 Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 17/3400 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss V zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Pakistan über die För- derung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Inter- parlamentarischen Union 120. Versammlung der Interparlamentarischen Union vom 5. bis 10. April 2009 in Addis Abeba, Äthiopien – Drucksachen 17/298, 17/5820 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der OSZE Herbsttagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 9. bis 12. Oktober 2009 in Athen, Griechen- land – Drucksachen 17/363, 17/5820 Nr. 2 – Ausschuss für Gesundheit – Unterrichtung durch den Deutschen Ethikrat Stellungnahme des Deutschen Ethikrates Präimplantationsdiagnostik – Drucksachen 17/5210, 17/5567 Nr. 1 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationaler Bildungsbericht 2010 – Bildung in Deutsch- land und Offsetdrucker ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln (D Drucksache 17/4927 Nr. A.8 Ratsdokument 16817/10 Drucksache 17/5822 Nr. A.2 EuB-BReg 149/2011 Drucksache 17/5822 Nr. A.4 EuB-BReg 152/2011 Drucksache 17/5822 Nr. A.9 EP P7_TA-PROV(2011)0121 Drucksache 17/5822 Nr. A.11 EP P7 TA-PROV(2011)0153 Drucksache 17/5822 Nr. A.12 EP P7_TA-PROV(2011)0154 Rechtsausschuss Drucksache 17/5822 Nr. A.21 Ratsdokument 8977/11 Haushaltsausschuss Drucksache 17/3608 Nr. A.12 Ratsdokument 14496/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.13 Ratsdokument. 14497/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.14 Ratsdokument 14498/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.15 Ratsdokument 14520/10 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/5123 Nr. A.16 EuB-EP2140 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 17/5434 Nr. A.14 EP P7 TA-PROV(2011)0098 Drucksache 17/5434 Nr. A.15 EP P7_TA-PROV(2011)0099 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 17/859 Nr. A.14 Ratsdokument 5776/10 13780 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2011 ei, Bessemerstraße 83–91, 1 , Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 118. Sitzung Berlin, Freitag, den 1. Juli 2011 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711800000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich. Eigentlich wollte ich den Kol-
legen Goldmann besonders herzlich begrüßen. Sobald
er kommt, bitte ich, mir einen Hinweis zu geben. Er fei-
ert nämlich heute seinen 65. Geburtstag.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Der wird schon ohne uns feiern! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Oh! Der feiert heute?)


– Sie vermuten, er weiß das noch gar nicht?


(Heiterkeit)


Dann sollte vielleicht einer unserer Parlamentsassisten-
ten diesen Hinweis gezielt weiterleiten.

Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 34 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Bartholomäus Kalb,
Viola von Cramon-Taubadel, Dagmar Freitag,
Otto Fricke, Alexander Ulrich sowie weiterer Ab-
geordneter

25 Jahre Internationales Parlaments-Stipen-
dium (IPS)


e
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b
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A

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a
B
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Redet
– Drucksache 17/6350 –

Beschlussfassung

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Internationale
Parlaments-Stipendium des Deutschen Bundestages fei-
ert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. In diesem
Vierteljahrhundert hat der Deutsche Bundestag über
1 750 jungen Menschen aus 28 Ländern die Gelegenheit
gegeben, unser parlamentarisches System hautnah ken-
nenzulernen, insbesondere auch durch Mitwirkung in
den Büros der Abgeordneten.

Ich freue mich darüber, dass viele ehemalige Stipen-
diaten an den Feierlichkeiten zum Jubiläum t
und die Debatte über unser weltweit immer no
liges Programm gemeinsam mit Stipendiaten d
den Programms auf der Tribüne verfolgen. N

(C (D ung n 1. Juli 2011 0 Uhr in solches Programm nur möglich, wenn es dafür nicht ur Interesse gibt – das ist ganz ohne Zweifel und unverndert der Fall –, sondern wenn es auch von vielen Hänen getragen wird. Deswegen möchte ich mich herzlich ei all denen bedanken, die es initiiert und möglich geacht haben und Jahr für Jahr betreuen. Ich bedanke mich hier im Hause insbesondere und beonders gerne beim Kollegen Wolfgang Börnsen, er gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreirn aus der Berichterstattergruppe für internationale ustauschprogramme, (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD] sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/ CSU])


(Beifall)


agmar Freitag, Viola von Cramon-Taubadel, Otto
ricke, Bartholomäus Kalb und Alexander Ulrich, seit
ielen Jahren unermüdlich für dieses Programm im Ein-
atz ist. Ich will in diesen Dank ausdrücklich auch die
nderen Beteiligten einbeziehen, vor allen Dingen die
erliner Universitäten, die politischen Stiftungen und
icht zuletzt auch die am Programm beteiligten Bot-
chafter. Ich freue mich, dass einige Botschafter heute

ext
Morgen ebenfalls als Gäste auf der Tribüne dieser De-
batte beiwohnen.

Wir haben uns zwischen den Fraktionen darauf ver-
ständigt, dass wir über dieses Thema, das für die Tages-
ordnung des Bundestages ganz ohne Zweifel eher un-
gewöhnlich ist, damit aber die Ungewöhnlichkeit
verdeutlicht, die dieses Programm auszeichnet, am Be-
ginn unserer heutigen Tagesordnung eine halbe Stunde
debattieren. Gibt es dazu Widerspruch? – Das ist nicht
der Fall. Dann können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Wolfgang Börnsen.

i der CDU/CSU, der SPD und der
e bei Abgeordneten der LINKEN
NDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
eilnehmen
ch einma-
es laufen-

atürlich ist


(Beifall be FDP sowi und des BÜ )





(A) )


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1711800100

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ein Erfolgsprogramm feiert heute Geburtstag, eine Ini-
tiative, die vor 25 Jahren aus den Reihen unserer Kolle-
gen ins Leben gerufen wurde und alle umfasste; ich
finde es großartig, dass das bis heute so geblieben ist. Es
ist ein Programm aller Abgeordneten für junge Nach-
wuchspolitiker in ganz Europa. Herzlichen Dank!


(Beifall im ganzen Hause)


Damals waren wir mutig und selbstbewusst, unsere
Art des Parlamentarismus zu einer Art Exportgut, zu un-
serem Beitrag im Wettbewerb der Demokratiesysteme
zu erklären. Es wurde ein Parlamentarismusausbildungs-
programm geschaffen, das in dieser Form – der Präsi-
dent hat darauf aufmerksam gemacht – einzigartig in der
Welt ist.

Zu den ersten Stipendiaten aus Russland gehörte
Naina, eine Lehrerin. Dreieinhalb Tage war sie per Pfer-
defuhrwerk, Bus und Bahn nach Moskau unterwegs, um
sich unbedingt dem Interview zu stellen. Die deutsche
Sprache hatte sie durch die Deutsche Welle gelernt. Ihre
Hauptsorge war, pünktlich einzutreffen. Denn das wusste
sie: Auf Pünktlichkeit legt man in Deutschland besonde-
ren Wert.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Hoffentlich ist das auch zukünftig so! – Heiterkeit)


Wegen Ihres Könnens, Ihrer Kenntnisse, Ihrer Lust,
Neues zu lernen, und ihrem unbändigen Willen, dem
Parlamentarismus in ihrem Land neuen Schwung zu ver-
leihen, wurde sie ausgewählt. Heute, 15 Jahre später, ist
sie Vizegouverneurin in ihrer Heimatrepublik – einer
Region von der doppelten Größe unseres Landes. Wenn
es um öffentliche Aufträge geht, wendet sie sich zuerst
an ihre Freunde in Deutschland.

Nainas Biografie ist beispielhaft für IPS-Stipendiaten.
Nach Rückkehr in ihre Heimat sind sie beste Botschafter
unseres Landes in ihrem Land. Diese Demokratiewerk-
statt funktioniert, weil sich Jahr für Jahr gut 130 Kolle-
gen des Deutschen Bundestags mit aufgeschlossenen
Mitarbeitern freiwillig dieser zusätzlichen Aufgabe stel-
len. Sie reden nicht, sie handeln Internationalität. Sie
vermitteln nicht nur parlamentarisches Handwerkszeug,
sondern auch – das ist noch bedeutender – die Art und
Weise unseres Handelns. Sie vermitteln, was demokrati-
sches Handeln eigentlich ausmacht.

Diese Meisterinnen und Meister der Politik und des
Parlamentarismus verdienen, wie ich finde, Respekt,
Dank und Anerkennung. Dieses Programm wendet sich
an die zukünftige politische Elite von 28 befreundeten
Staaten. Es hat das Ziel, parlamentarische Kontakte zu
vertiefen und demokratische Strukturen zu stabilisieren.
Gleichzeitig hinterfragen wir uns selbstkritisch, wo wir
unser System optimieren können. Auch unser Parlamen-
tarismus ist ausbaufähig.

Ganz bewusst überlässt der Bundestag die Außenpoli-
tik nicht allein der Regierung. Das IPS ist ein Teil dieser
Außenbeziehungen unseres Landes, unser Beitrag zur
internationalen Zusammenarbeit. Aus diesem Grunde

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(C (D ngieren auch die Präsidenten des Bundestags als chirmherren, ist die Verwaltung – insbesondere das Rerat WI 4 – engagiert dabei und sind die drei Berliner niversitäten als Partner eingebunden. Das gilt auch für lle politischen Stiftungen und die Akademie Sankelark nahe der Fördestadt Flensburg. Mit ihr wird in je em Jahrgang das Thema „Minderheitenmodell in eutschland“ gewissenhaft und erfolgreich aufgearbeit. Nicht alle Stipendiaten sind pflegeleicht – besonders iejenigen sind es nicht, die glauben, den Marschallstab ereits im Tornister zu haben. Fast in jedem Jahrgang ind Praktikanten dabei, die, wenn sie hart arbeiten – und o Gott es will –, in ein oder zwei Jahrzehnten an der pitze ihres Landes stehen werden. Was alle auszeichet: Deutsch als gemeinsame Sprache und ein außergeöhnliches Durchhaltevermögen. In den 25 Jahren IPS aren 1 750 motivierte, lernbereite, kluge, kritische wie öhliche junge Erwachsene an dieser Parlamentsausbilung beteiligt. Nur dreimal hat es ein vorzeitiges Auscheiden gegeben – und das aus familiären Gründen. ieses spricht ebenso für die gelebte Mitverantwortung nserer Stipendiaten wie für die Tragfähigkeit unseres onzeptes. Unsere Kollegen – das will ich deutlich saen – bemühen sich um jeden unserer Gäste, auch wenn s sich um komplizierte Persönlichkeiten handelt. Piotr aus einem der baltischen Staaten gehörte dazu ein hochbegabter junger Mann, aber schlusig. An alm, was in Berlin geschah, hatte er Interesse – nur nicht n den Abläufen in seinem Abgeordnetenbüro. Dazu am eine anhaltende Aufstehschwäche. r erschien nie vor 10 Uhr zur Arbeit. Nach vielen vereblichen Besserungsversuchen wurde er in mein Büro ersetzt: Endstation für solche Fälle. Mein Arbeitstag beginnt in der Regel um 6.30 Uhr bei inem türkischen Bäcker. Piotr musste sich diesem hythmus anpassen. Die Alternative wäre das Ende des raktikums und damit ein Reputationsverlust für sein and gewesen. Nein. Seinem Land wollte er auf keinen all schaden. Er hielt durch. Sein Land bot ihm eine inressante Position im Parlament an. Nach einigen Telenaten verlor sich dann der Kontakt zu Piotr. Erst acht ahre später, als ich wegen einer Kulturkonferenz sein and besuchte, traf ich ihn wieder. Er stand auf dem lugplatz, um mich abzuholen. „Moin, Moin“, sagte ich. Schön, dich wiederzusehen, Piotr. Aber wo ist dein inister?“ Piotr sah mich ein wenig verwundert an und ntwortete: „Ich bin der Minister.“ Auch in anderen Staaten haben ehemalige IPS-Stipeniaten Regierungsverantwortung übernommen und sind itglieder in ihren Parlamenten. Über 100 sind in der arlamentsverwaltung, in der Wirtschaft, in Brüssel oder ls Journalisten tätig. Besonders viele engagieren sich in ichtregierungsorganisationen. Sie stellen sich ihrer ge Wolfgang Börnsen )


(Heiterkeit)


(Heiterkeit)


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)





(A) )

sellschaftlichen und politischen Mitverantwortung. Das
ist ein Resultat, auf das unser Bundestag stolz sein kann.


(Beifall im ganzen Hause)


Unsere Verantwortung geht aber weiter. So richtig
wie wichtig es war, uns vor 20 Jahren mit diesem Parla-
mentsprogramm den fundamentalen Umwälzungen in
Osteuropa zu stellen und uns aktiv am Aufbau junger
Demokratien zu beteiligen, so notwendig und solidarisch
wäre es, uns nun auch an den folgenreichen politischen
Umbrüchen in den arabischen Ländern zu beteiligen.
Öffnen wir das IPS auch für diese Länder! Stellen wir
uns an die Seite der neuen Demokratien!


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711800200

Das wäre ein schöner Schlusssatz gewesen, Herr Kol-

lege Börnsen.


(Heiterkeit – Volker Kauder [CDU/CSU]: Es kommt auch noch ein schöner!)



Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1711800300

Das habe ich mir gedacht, Herr Präsident. Sie blinken

auch schon wieder so aufgeregt vor mir.


(Heiterkeit)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711800400

Genau. Wir wollen den jungen Leuten die strengen

Regeln des deutschen Parlamentarismus schließlich au-
thentisch vermitteln.


(Heiterkeit)



Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1711800500

Herr Präsident, das haben wir mit diesem Dialog hin-

reichend getan.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


Ich würde aber gern mit Verständnis des Präsidenten des
Hauses meinen Schlusssatz noch loswerden. Das ist mir
sehr ernst. Noch immer leben mehr als die Hälfte der
Menschen auf unserer Erde in autoritär geführten Staaten,
mehr als die Hälfte. Demokratien sind in der Minderheit.
Wer Bürger- und Menschenrechten Raum verschaffen
will, muss den Parlamentarismus weltweit fördern und
bei jungen Leuten damit beginnen. Friede und Freiheit
auf unserer Erde sind erst dann gesichert, wenn überall
auf der Welt die Vision des großartigen amerikanischen

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1711800600
Die Schaffung von
Demokratien, Regierung des Volkes durch das Volk für
das Volk.

Danke schön.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711800700

Das Wort erhält jetzt die Kollegin Petra Ernstberger

für die SPD-Fraktion.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eduard Oswald [CDU/CSU])



Petra Ernstberger (SPD):
Rede ID: ID1711800800

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Ich möchte mich erst einmal bei den Ge-
chäftsführern bedanken, denen es gelungen ist, diesem
esonderen Programm dadurch Ausdruck zu verleihen,
ass wir hier heute diese Debatte führen können. Ich
laube, viele der hier Anwesenden nehmen schon seit
nger Zeit an dem Austausch mit jungen Menschen teil.
ielleicht können wir sogar noch mehr dafür gewinnen.

Wir kennen das Programm als IPS. Das ist unsere Ab-
ürzung für Internationales Parlaments-Stipendium. Ich
eue mich auch, dass mehr als 200 Kolleginnen und
ollegen den Antrag, den Herr Börnsen initiiert hat, un-
rschrieben haben. Denn das bringt die überfraktionelle
erbundenheit mit diesem Programm zum Ausdruck.
as zeigt, dass wir parteiübergreifend der Überzeugung

ind, dass der Bundestag kein in sich gekehrtes, nach in-
en gerichtetes, sondern ein offenes und transparentes
arlament ist. Das leben wir auch. Er ist deshalb transpa-
nt und offen, weil wir Jahr für Jahr talentierte und poli-
sch interessierte junge Menschen aus mittlerweile
Herr Börnsen hat darauf hingewiesen – 28 Ländern in
en Bundestag einladen – wir können uns vorstellen,
ass noch etliche dazukommen können –, um die parla-
entarische Demokratie live und in Farbe mitzuerleben.

Die Auswahl der jungen Menschen ist nicht immer
infach. Es werden hohe Hürden aufgestellt, die die jun-
en Menschen überwinden müssen. Eine davon ist das
st perfekte Deutsch, das wir erwarten, damit sie in un-

erem Parlamentsbetrieb mitarbeiten können.

Wir öffnen das Parlament für Entscheidungsträger der
ukunft und tragen damit einen ganz wesentlichen Teil
azu bei, dass Deutschland international vernetzt wird.
as ist einmalig. Wenn wir ins Ausland fahren, hören
ir aus den Reaktionen aus anderen Parlamenten oft ein
tück Neid heraus, wenn wir berichten, was wir in die-
em Bereich hervorgebracht haben.

Aus den 25 Jahren IPS sind Diplomaten, Journalisten,
U- und Ministerialbeamte, Mitarbeiter von Denkfabri-
en, politischen Stiftungen und NGOs hervorgegangen.
iele von ihnen sitzen an besonderen Schaltstellen inter-
ationaler, supranationaler und nationaler Organisatio-
en. Das ist unser Netzwerk.

Lassen Sie mich kurz ein Beispiel nennen. Ich enga-
iere mich sehr im Bereich der deutsch-tschechischen
usammenarbeit. Als uns der ehemalige Minister
lexandr Vondra hier besuchte, sagte er bei einem Ge-

präch mit einem Lächeln: Frau Ernstberger, ich kenne
ie persönlich noch nicht, aber ich kenne Ihr Netzwerk.
as ist ein Erfolg des IPS.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte an dieser Stelle den vielen Personen dan-
en, die es ermöglichen, dass wir im Parlament ein sol-





Petra Ernstberger


(A) )


)(B)

ches Programm durchführen können. Ich möchte mich
bei Herrn Börnsen, aber auch bei Dagmar Freitag und
Bartholomäus Kalb bedanken, die die Arbeit des IPS in-
zwischen schon lange begleiten. Sie sind die Motoren
und das Herz dieses Praktikums.


(Beifall im ganzen Hause)


Ebenso möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern der Bundestagsverwaltung herzlich danken, die
den Rahmen dafür schaffen, dass wir dieses Programm
überhaupt organisieren können. Nur mit ihnen kann eine
Umsetzung gewährleistet werden. Wichtig sind auch die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten, die
sich um die Arbeit, die Zuweisung und das Klima in den
Büros und Ähnliches kümmern müssen; denn es ist
wichtig, dass die Stipendiaten ein bisschen Lebensgefühl
von dem vermittelt bekommen, was bei uns in den Ab-
geordnetenbüros passiert. Deswegen gilt ihnen ein ganz
besonderer Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viel verdanken wir auch den externen Beteiligten,
zum Beispiel den Botschaften, die im Vorfeld bereits die
Auswahl treffen und damit viel organisatorische Arbeit
haben. Ich danke aber auch den politischen Stiftungen,
die für ein interessantes Rahmenprogramm sorgen.

Zum Schluss möchte ich Ihnen, liebe Kolleginnen
und Kollegen, herzlich danken, dass Sie Ihre Büros für
das IPS öffnen und damit den jungen Menschen und
auch uns die Chance gegeben haben, das Programm
durchzuführen.

Herzlichen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711800900

Die Kollegin Frau Dr. Christel Happach-Kasan ist die

nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1711801000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

freue mich besonders, heute zum Thema Internationales
Parlaments-Stipendium sprechen zu dürfen, weil das
Thema uns alle bewegt und weil es eine Erfolgsge-
schichte ist, die Europa prägt.

Am Anfang gab es nur einen Austausch mit den USA.
Gestern Abend trafen wir uns mit den 114 Stipendiaten
aus 27 Ländern, und wir hatten einen begeisternden Sti-
pendiatenabend. Ein solcher Stipendiatenabend ist im-
mer ein Spiegel, der uns vorgehalten wird und der uns
zeigt, wie junge Menschen, die überwiegend aus Europa
kommen, unser Land sehen. Gestern Abend war ich
schon etwas überrascht, dass sie das Thema Bonn-Berlin
aufgegriffen haben. Wir hatten dort eine bezaubernde
fette Henne; das muss man einfach einmal sagen.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


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(C (D Frau Kollegin, soll ich das als Kritik an dem Original inter mir ins Protokoll aufnehmen? Herr Präsident, ich möchte ganz ausdrücklich sagen: as wäre ein bisschen zu weit gegangen. Für die Klarstellung bin ich besonders dankbar. Das freut mich, Herr Präsident. – Es gab auch einen underbaren Chor der Fetten Hennen, die alle nicht fett aren, uns aber deutlich gemacht haben, wie die Konurrenz Bonn-Berlin und die Tatsache, dass Berlin auptstadt dieses Landes ist, vom Ausland gesehen weren. Das war für mich ein besonders erhebendes Ereignis, eil sehr deutlich wurde, dass diese jungen Menschen, ie zu uns kommen, nicht nur etwas von uns nehmen Erfahrung in Demokratie, Erfahrung darin, wie ein deokratisches System funktioniert und wie die demokraschen Abläufe sind –, sondern uns auch etwas geben: re Sicht auf unser Land. Alle Kollegen und alle Kolle innen, die einmal einen Stipendiaten bei sich im Büro etreut haben, wissen, dass das immer ein Geben und ein ehmen ist. Ich empfinde es als ausgesprochen angenehm, diese ngen Menschen bei mir im Büro zu haben. Bis jetzt aren acht Stipendiatinnen und Stipendiaten bei mir. urch ihre jeweils andere Persönlichkeit war es in jedem all ein Erlebnis, ein neues Land so nahe kennenzuleren. Wir haben insbesondere Stipendiatinnen und Stipeniaten aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks, so uch vom Balkan. Mein erstes Erlebnis in diesem Zuammenhang hatte ich 2003, als eine junge Frau aus Serien und ein junger Mann aus Kroatien mir erklärten, sie önnten in ihrer Sprache nicht miteinander sprechen, roatisch und Serbisch seien vollkommen unterschiedch, da gebe es gar keine Gemeinsamkeit, was ich mir a wohl vorstelle, und das sei ja ganz falsch. Das war 003. Schon 2004 war diese Ansicht Geschichte. Es hat ewirkt, dass diese jungen Menschen bei uns zusammen aren und festgestellt haben, dass die Ideologie, die ihen teilweise zu Hause vermittelt wurde, mit der Realität ar nichts zu tun hat. Ich finde es gut, dass wir als Deutscher Bundestag azu beitragen, diese Völker einander wieder näher zu ringen. Deshalb ist es auch richtig, dass wir im Bereich er Außenpolitik entschieden haben, Visumfreiheit für iese Länder zu organisieren, damit sie sehr viel mehr inblicke in das ganze Europa bekommen. Wichtig und eine besondere Voraussetzung für ein olches Programm ist natürlich der Deutschunterricht in iesen Ländern. Hier leistet das Goethe-Institut gute Ar Dr. Christel Happach-Kasan )

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711801100

(Heiterkeit)

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1711801200
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711801300
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1711801400




(A) )

beit. Wir sollten bei allen Haushaltsberatungen immer
daran denken, dass wir den Deutschunterricht in diesen
Ländern stärken und dazu kommen müssen, dass sich in
möglichst vielen europäischen Ländern Deutsch als
zweite Fremdsprache etabliert. Das ist eine Vorausset-
zung dafür, dass wir ein solches Programm durchführen
können.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als Vorsitzende der Deutsch-Baltischen Parlamen-
tariergruppe ist es mein Anliegen, dass die Alumni-
Netzwerke an den Botschaften gepflegt werden. Bei je-
der Delegationsreise, die wir nach Lettland, Estland und
Litauen gemacht haben, haben wir dafür gesorgt und da-
rauf gedrungen, dass die Botschaften diese jungen Men-
schen mit einladen, weil sich die Wirkung eines solchen
Programmes dann potenziert und wir erfahren, was sie
machen.

Eine Stipendiatin von mir ist inzwischen an der Bot-
schaft in Serbien beschäftigt. Natascha aus Serbien habe
ich wiedergefunden, als wir in Belgrad neue Stipendia-
ten für das Programm ausgesucht haben. Sie ist dort eine
Netzwerkerin, genauso wie sie das hier im Deutschen
Bundestag schon gewesen ist. Diese Dame hatte sich da-
mals nicht wirklich dafür interessiert, was in den Aus-
schüssen hier vor sich ging, aber sie war perfekt im Bil-
den von Netzwerken und im Knüpfen von Kontakten. Es
war ein Erlebnis, sie dabeizuhaben.

Wolfgang Börnsen, ich glaube, dass es richtig ist,
wenn wir dieses Programm ein bisschen ausweiten. Ich
denke ebenfalls an die nordafrikanischen Staaten und an
eine Unterstützung des Aufbaus ihrer Demokratien. Ich
denke aber zum Beispiel auch an ein Land wie die Mon-
golei, wo ein großer Teil der Menschen deutsch spricht.
Ich glaube, wir sollten es auch den jungen Menschen
dort ermöglichen, hierherzukommen.

Herr Präsident, gemeinsam mit der Kollegin Ute
Kumpf hatte ich Ihnen dazu einen Brief geschrieben.
Wenn wir darüber nachdenken, das Programm zu erwei-
tern, dann sollten wir in unsere Überlegungen die Mon-
golei einbeziehen. – Klatsch doch einmal laut, Cornelia.
Es ist doch gar nicht so schlimm, bei mir zu klatschen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Die FDP ist da immer sehr solidarisch. Ich bedanke
mich.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aus tiefster Überzeugung!)


Das Besondere an der Mongolei ist, dass die DDR
Kontakte in dieses Land unterstützt hat und dass es des-
wegen dort eine Führungselite gibt, die deutsch spricht,
und dass dort Deutsch gelernt wird. Das ist eine sinn-
volle Voraussetzung, um weitere Kontakte zu knüpfen.
Ich könnte mir vorstellen, dass wir dieses Programm ein
bisschen ausweiten. Ich bitte alle Kolleginnen und Kol-
legen, die sich hier engagieren, dies weiterhin zu ma-

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(C (D hen. Sie geben nicht nur etwas, sondern Sie bekommen uch unendlich viel zurück. Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank für die ufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711801500

Alexander Ulrich ist der nächste Redner für die Frak-

on Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Alexander Ulrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711801600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

ktuelle Tagesordnungspunkt ist der 25. Geburtstag des
S. Es ist toll, dass wir diesen Antrag fraktionsübergrei-
nd gemacht haben und dass wir diese drei Tage nutzen,

m gebührend zu feiern. Der Geist, der durch diese De-
atte weht – das ist ganz wichtig – macht deutlich: Gäbe
s das IPS nicht, man müsste es erfinden. Das zeigt die
rfolgsgeschichte dieses Programms.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als wir vor 25 Jahren begonnen haben, da stand hier
Berlin noch die Mauer. Viele Länder, die heute bei

iesem Programm dabei sind, gab es noch gar nicht. Das
eigt, welche Geschichte sich in diesen 25 Jahren ab-
pielte und wie wir versuchen, einen kleinen Beitrag zu
isten, dass in diesen Ländern demokratische Prozesse
rciert werden, dass diese Prozesse gestärkt werden,

ass junge Menschen in ihrem Heimatland versuchen,
iesen Prozess mitzubegleiten.

Diese jungen Menschen werden später nicht immer
inister, Herr Börnsen. Oftmals sind es auch kleinere
arrieren. Ich habe in dieser Woche einmal Rückschau
ehalten. Ein Beispiel ist die Europareferentin unserer
undestagsfraktion. Sie ist eine ehemalige Stipendiatin
us Bulgarien. Gestern war ich sehr stolz, dass die jet-
ige Stipendiatin aus Lettland, die gestern aus Riga ge-
ommen ist, die Zusage bekommen hat, als Dolmetsche-
n nach Brüssel zu gehen. Das zeigt: Solche Karrieren
ngen klein an. Für diese jungen Menschen ist es tat-

ächlich sehr wichtig, eine Praktikumsbescheinigung zu
rhalten, die sie vorzeigen können; denn eine solche Be-
cheinigung hilft ihnen bei ihren Karrieren.

Dem Dank, der hier schon an viele Adressen gegan-
en ist, möchte ich mich anschließen. Das sind die drei
niversitäten hier in Berlin. Das sind die vielen Mitar-
eiter der Verwaltung. Das sind die politischen Stiftun-
en, die das Ganze mit ihren Programmen in hervorra-
ender Weise begleiten. Aber letztendlich sind es auch
ie Abgeordneten, die jedes Jahr immer wieder aufs
eue gesucht werden müssen, die bereit sind, für fünf
onate einen jungen Menschen aus diesen Ländern in
rem Büro mit auszubilden.





Alexander Ulrich


(A) )


)(B)

Ich kann nur an diejenigen Abgeordneten appellieren,
die bisher noch nicht dabei waren und vielleicht erst
heute auf das Programm aufmerksam werden: Das ist
eine tolle Sache. Das ist keine zusätzliche Belastung.
Vielmehr empfinde ich persönlich es so, dass diese jun-
gen Menschen in meinem Büro eine Bereicherung dar-
stellen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Weil wir uns freiwillig oder auch gezwungenermaßen
mit diesen Ländern beschäftigen, betrachten wir vieles
in Diskussionen aus einem anderen Blickwinkel. Dabei
stellen wir auch unsere eigenen demokratischen Pro-
zesse infrage; denn wenn wir gefragt werden, warum der
Bundestag etwas so und nicht anders macht, dann müs-
sen wir vielleicht selbst antworten: So ganz klar ist das
nicht, das könnte besser gemacht werden. Die Stipendia-
ten bringen auch Lernprozesse für unsere Demokratie
mit ein.

Wir haben immer wieder darüber gesprochen: Wie
kann man das Programm erweitern und fortsetzen? Wir
können nicht auf dem aktuellen Stand stehen bleiben.
Wir müssen immer versuchen, die Inhalte zu evaluieren.
Wir müssen die Seminare der politischen Stiftungen kri-
tisch hinterfragen. Die Frage ist auch, wie sich die Zu-
sammenarbeit mit den Universitäten weiterentwickeln
soll. Ein weiterer Aspekt wurde schon angesprochen:
Können wir das Programm auch auf andere Länder aus-
dehnen? Als Beispiele sind Nordafrika und die Mongolei
erwähnt worden. Ich sage: Es wäre sinnvoll, auch die
Türkei mit ins Boot zu nehmen.

Wenn man etwas hinzunimmt, aber das Programm
nicht ausweiten kann, ist die entscheidende Frage, was
man an anderer Stelle wegnehmen kann. Das ist immer
ein schwieriger Prozess. Unter den teilnehmenden Län-
dern gibt es Staaten, in denen die Demokratie auf einem
ähnlich guten Stand wie in Deutschland ist, aber es fällt
uns aus anderen Gründen schwer, diese Länder aus dem
Programm herauszunehmen.

Wenn wir mehr Länder mit aufnehmen wollen, müs-
sen wir deshalb darüber reden, ob wir das Programm ins-
gesamt erweitern können. Sind finanzielle Mittel vor-
handen? Stehen mehr Abgeordnete zur Verfügung? Ist
ein größeres Programm noch zu schultern? Es wäre fan-
tastisch, wenn dies gelingen könnte. Denn es würden si-
cherlich über die 28 teilnehmenden Länder hinaus noch
viele andere gerne teilnehmen.

Der Dank gilt, wie gesagt, allen Beteiligten, die schon
genannt worden sind. Lassen Sie uns so weitermachen.
Es ist ein gutes Programm. Auf die nächsten 25 Jahre!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711801700

Die Kollegin Viola von Cramon-Taubadel hat jetzt

das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Verehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle-

en! Wer gestern Abend die Präsentation der diesjähri-
en IPSler gesehen hat, weiß genau, worüber meine Vor-
dner geredet haben. Über 100 junge Menschen haben
it viel Kreativität und Witz zum Ausdruck gebracht,
as sie in den fast fünf Monaten in Berlin im Alltag, im
olitischen Umfeld und in unseren Büros mitgenommen
aben.

Es geht also um mehr als um irgendein Praktikum
der um irgendeine Mitarbeit in unseren Büros. Es geht
arum, einer neuen Generation von jungen, politisch
enkenden Menschen aus den Partnerländern die Mög-
chkeit zu eröffnen, nicht nur gemeinsame berufliche
rfahrungen, sondern vor allem auch soziale und kultu-
lle Erfahrungen zu machen. Es geht um das Vermitteln

on interkultureller Kompetenz, wie wir es immer so
chön nennen. Das ist also auch an uns adressiert.

Genau diese Mischung aus Politik, Wissenschaft und
ultur macht das Internationale Parlaments-Stipendium

inmalig.


(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


er Deutsche Bundestag war meines Erachtens sehr gut
eraten, diesen Weg der Soft Power, wie wir es nennen,
986 erstmals zu beschreiten.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir wollen denen ja die deutsche Sprache beibringen! – Heiterkeit)


Das können Sie sicherlich machen, Herr Oswald.

Das ursprünglich für den Austausch mit den USA
onzipierte Programm ist sukzessive auf weitere Länder
usgedehnt worden. Mittlerweile zeigt sich, wie wichtig
iese Erweiterung war. Vor allem die jungen Demokra-
en in Mittel- und Osteuropa profitieren besonders von
inem solchen Austausch und der Mitarbeit im Deut-
chen Bundestag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Das ist der erste Punkt, für den ich hier gerne werben
öchte – das klang auch schon teilweise an –: Es ma-

hen sich immer mehr Länder in unserer näheren und
eiteren Nachbarschaft auf den Weg zu einem neuen
olitischen System. Einige entwickeln sich derzeit zu ei-
er parlamentarischen Demokratie. Insbesondere für
iese sehr jungen, noch instabilen und anfälligen Demo-
ratien wären Programme wie dieses geeignet, institutio-
elle Aufbauarbeit vor Ort in den Parlamenten mit zu
nterstützen.

Ägypten, das an der Schwelle zu einer Demokratie
teht, ist dafür ein gutes Beispiel. In mehreren Gesprä-
hen mit jungen, gut ausgebildeten Ägyptern, aber auch
it Marokkanern und Tunesiern habe ich eines mitge-

ommen: Geld allein wird diese Länder nicht weiterbrin-
en. Aber wenn wir sie bei der parlamentarischen Aus-





Viola von Cramon-Taubadel


(A) )


)(B)

bildung unterstützen, wäre das Gold wert. Es wäre für
uns auch eine Investition in eine hoffnungsvolle Zu-
kunft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das sollten wir bei der Aufstellung unseres nächsten
Haushalts unbedingt berücksichtigen. – Jetzt klatscht
keiner.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der zweite, nicht zu unterschätzende Faktor ist der
Netzwerkgedanke. Gestern haben die ehemaligen Sti-
pendiaten ein Alumni-Netzwerk gegründet. Der Herr
Bundestagspräsident hat das etwas spöttisch als deutsche
Krankheit abgetan.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein! Nicht als Krankheit! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Als deutsche Eigenart!)


Ich nenne es dagegen nachhaltige Außenpolitik. Solche
Vereine und Netzwerke sichern die Nachhaltigkeit dieses
Programms.

Zum einen halte ich es für essenziell, dass sich die
jungen Führungskräfte dauerhaft über ein Netzwerk aus-
tauschen; zum anderen ist das Programm selbstverständ-
lich keine Einbahnstraße. Auch für uns Abgeordnete
zahlt sich die Zusammenarbeit mit den Partnerländern
aus.


(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Auch wir sind darauf angewiesen, den direkten Kontakt
zu Entscheidungsträgern in anderen Parlamenten zu su-
chen. Genau da fungieren die IPSler bzw. die ehemali-
gen IPSler als wichtige Brücke.

Weil wir auch langfristig den Dialog mit den Partnern
benötigen oder sogar ausbauen wollen, möchten wir die-
ses Programm zum beiderseitigen Vorteil noch lange
weiter unterstützen. Aber heute feiern wir erst einmal
das 25-jährige Bestehen des IPS, zu dem auch ich allen
Geburtshelfern – ich weiß nicht, ob einer von ihnen
heute anwesend ist – und heutigen Aktiven ganz herzlich
gratulieren möchte.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711801800

Bevor sich hier eine verheerende Legendenbildung

festsetzt, will ich aus Gründen der historischen Wahrheit
darauf hinweisen, dass ich mir gestern Abend bei dem
Empfang die Bemerkung erlaubt habe, dass die Neigung,
die Wichtigkeit einer Sache durch Gründung eines Ver-
eins zu dokumentieren, zu den herausragenden Merkma-
len deutscher Kultur gehört.

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(C (D as ist nicht ganz dasselbe wie das, was in dem von Ihen vorgetragenen Zitat erscheinen konnte. Nun hat der Kollege Bartholomäus Kalb das Wort. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Üblicherweise führen wir hier kontroverse Debatn. Heute kommt große Übereinstimmung zum Ausruck. Umso leichter fällt es einem, der seit vielen ahren dabei sein darf, seine Freude darüber zum Ausruck zu bringen, dass dieses Programm so gut gelungen t und dass wir so viele tolle junge Menschen hier in 5 Jahren zu Gast haben durften. Ich selber gehöre dem undestag bereits seit 1987 an, fast so lange, wie das rogramm besteht. Ich empfinde es immer wieder als roße Bereicherung, mit diesen hervorragenden, tollen ngen Menschen zu tun zu haben und diese Zusammen rbeit – auch in den entsprechenden Gremien –, die sehr ollegial und freundschaftlich ist, pflegen zu dürfen und as Programm weiterzuentwickeln. Vorhin kam schon der Dank an die Kolleginnen und ollegen, die Universitäten, die Verwaltung des Deut chen Bundestages und die Stiftungen und viele andere um Ausdruck, die wir nicht namentlich nennen können. ie alle haben zum guten und erfolgreichen Gelingen ieses Programms beigetragen und werden sicherlich uch in Zukunft vollen Einsatz bringen. Herzlichen ank auch im Namen der ganzen CSU-Landesgruppe! Der Fall des Eisernen Vorhangs ist zwar schon mehr ls 20 Jahre her. Aber ich persönlich empfinde es noch mer als Glück und Segen für unser Land, für Europa nd für die Welt, dass die Teilung dieses Landes und diees Kontinents mit Mauer, Stacheldraht und Schießbehl friedlich überwunden werden konnte. eswegen war es nur folgerichtig, dass wir seinerzeit, urz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, dieses Proramm ausgeweitet haben, insbesondere auf die Länder ittelund Osteuropas, auf die Reformstaaten, auf die euen Demokratien. Ich erinnere mich noch gut – genauso wie andere Kolginnen und Kollegen – an Einzelfälle und einzelne eilnehmer, die seinerzeit unter ungeheuer schwierigen edingungen Interesse bekundet haben, die Last auf sich enommen haben und zu uns gekommen sind und die ich nach der Rückkehr sehr stark in die Entwicklung es Parlamentarismus und der Demokratie in ihren Heiatländern eingebracht haben. Einige Karrieren haben ir ja verfolgen können. Es ist etwas ganz Besonderes, ass hier ein Netzwerk über Ländergrenzen hinweg enttanden ist. Ich habe höchste Hochachtung vor diesen ngen Menschen, die einen solchen Weg gegangen sind, ie sich so eingebracht haben und die jetzt im Rahmen rer Möglichkeiten – es wurden bereits Beispiele ge annt – die Freundschaft zu Deutschland, die Freundchaft zu uns und die Freundschaft zum Parlament pfle Bartholomäus Kalb )


(Heiterkeit)


(Heiterkeit und Beifall)

Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1711801900

(Beifall im ganzen Hause)





(A) )

gen. Das ist ein unschätzbar hohes Gut, erst recht, wenn
es schwierige Entwicklungen da oder dort gibt.


(Beifall im ganzen Hause)


Darauf wurde schon hingewiesen: Es ist geradezu
eine Plattform entstanden, von der aus die jeweiligen
Programmteilnehmer aus den verschiedensten Ländern
miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Sie
pflegen nicht nur persönliche Freundschaften, sondern
sprechen sich auch in politischer Hinsicht ab. Viele die-
ser Menschen haben inzwischen erfreulicherweise sehr
wichtige und einflussreiche Positionen in ihren Heimat-
ländern inne.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so bleibt
mir eigentlich nur, zu wünschen, dass sich dieses Pro-
gramm, so wie es gestern bei diesem herrlichen Stipen-
diatenabend zum Ausdruck gekommen ist, in den nächs-
ten 25 Jahren weiterentwickelt, damit die Vision, die
gestern vorgetragen worden ist, im Jahre 2036 Realität
werden kann. Ich wünsche allen Teilnehmerinnen und
Teilnehmern der Vergangenheit und der Zukunft alles
Gute und viel Erfolg. Uns, dem Deutschen Bundestag,
wünsche ich für die Zukunft viel Freude mit diesem Pro-
gramm.

Herzlichen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711802000

Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist

die Kollegin Dagmar Freitag für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dagmar Freitag (SPD):
Rede ID: ID1711802100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste auf der Tribüne! Normalerweise ist es eine
Freude, als letzter Redner einer Debatte zu sprechen, vor
allen Dingen dann, wenn es um kontroverse Themen
geht. Heute Morgen ist es etwas schwieriger: Sie haben
festgestellt, wie einmütig wir dieses Programm unter-
stützen. Deshalb möchte ich nur noch einige wenige An-
merkungen, auch aus dem persönlichen Erfahrungs-
schatz, machen.

Wir sprechen in diesem Hohen Hause oft über Nach-
haltigkeit – ein Begriff, der viele Debatten prägt. Dieses
Programm ist eine der nachhaltigsten Initiativen, die der
Deutsche Bundestag je geschaffen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Das sollten wir uns vor Augen halten, wenn wir über die
sehr schmucklose Abkürzung IPS sprechen.

Das IPS ist alles andere als schmucklos oder langwei-
lig, im Gegenteil: Es ist einzigartig, unverwechselbar
und, wie ich finde, in einem ausgesprochen spannenden
Alter – 25. Auf der Tribüne sitzen viele junge Leute, die
genau in diesem Alter sind. Erste Erfahrungen sind in
diesem Alter gemacht. Man hat daraus gelernt, und man
ist vor allen Dingen eines: noch neugierig auf die Zu-

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(C (D unft. Sie, die jungen Menschen aus 28 Nationen, sind ie Zukunft ihrer Heimatländer. Sie bekommen hier die hance, Einsichten in den politischen Betrieb eines Lanes zu gewinnen, das aus seiner bitteren jüngeren eschichte gelernt hat, wie verletzlich und daher wie chützenswert demokratische Strukturen und Institutioen sind. Wir, die Abgeordneten des Deutschen Bundesges, lassen sie hautnah an dieser Arbeit teilnehmen: an en Abläufen unserer parlamentarischen Demokratie, an itzungen, an Beratungen, aber auch an dem, was im ahlkreis passiert. Mancher Stipendiat staunt schon, as alles aus unseren Wahlkreisen an uns herangetragen ird. Wir ermöglichen ihnen durch Besuche in unseren ahlkreisen auch Einsichten anderer Art. Ich hatte einen tipendiaten aus dem sonnigen, trockenen Texas. Er kam meinen Wahlkreis und sagte nur eines: Ist das schön rün hier. – Ich habe das Lob entgegengenommen und abe verschwiegen, dass das wohl vor allen Dingen an er Anzahl der Regentage im Sauerland liegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein ganz herzlicher ank an Sie alle. Ohne Sie, ohne Ihre Unterstützung önnten wir, die Berichterstatter für dieses Programm, iese Arbeit nicht in diesem Maße möglich machen. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Heiterkeit)


hne Sie gäbe es dieses Programm nicht. Danke schön
afür!


(Beifall im ganzen Hause)


Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind diejeni-
en, die die jungen Stipendiaten einarbeiten. Wir, Abge-
rdnete und Mitarbeiter, bekommen aber auch sehr viel
urück. Wir haben in der Regel hochmotivierte junge
enschen in den Büros, denen wir die Chance geben,

icht nur Einsichten zu gewinnen, sondern auch Vorur-
ile abzubauen, Informationen über das eigene Land zu
eben und ein internationales Netzwerk zu bilden, das
einesgleichen sucht. Daher denke ich: Dieses Pro-
ramm ist eine fantastische Investition in Toleranz, in
emokratieverständnis, in Völkerverständigung, und es
t somit jeden Euro wert, den wir dort investieren.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Wir haben heute häufig über den wunderbaren Stipen-
iatenabend gesprochen. Es war beeindruckend, mit wie
iel Fantasie und Empathie die jungen Menschen aus so
ielen Nationen eine gemeinsame Idee formuliert haben
die Idee, zusammenzuarbeiten und zusammenzublei-
en. Hierzu haben sie kürzlich sogar einen Förderverein
egründet.

Ich glaube, dieses wunderbare Programm ist auf ei-
em guten Weg. 25 ist kein Alter. Deshalb sollten wir
lle gemeinsam daran mitarbeiten, dass dieses Pro-
ramm noch viele Jahre weiterbesteht.

Ich danke Ihnen.


(Beifall im ganzen Hause)







(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1711802200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Abgeordneten Wolfgang Börnsen, Bartholomäus Kalb,
Dagmar Freitag und weiterer Abgeordneter auf der
Drucksache 17/6350 mit dem Titel „25 Jahre Internatio-
nales Parlaments-Stipendium (IPS)“. Jetzt wird es knapp:
Wer stimmt für den Antrag?


(Heiterkeit – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Hammelsprung!)


Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme?


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Hammelsprung! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Hammelsprung!)


– Das Präsidium ist sich einig, dass an der Mehrheit kein
Zweifel bestehen kann.


(Beifall im ganzen Hause)


Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Damit hat der Deutsche Bundestag nicht nur mit gro-
ßer Freude und ein bisschen Stolz den Erfolg von 25 Jah-
ren dieses Programms gewürdigt, sondern gleichzeitig
seine Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, es fort-
zusetzen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 35 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stär-
kung eines aktiven Schutzes von Kindern und

(Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG)


– Drucksache 17/6256 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. –
Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch, sodass wir so
verfahren können.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Hermann
Kues.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1711802300


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Eines steht fest: Mit dem neuen Bundeskinderschutzge-
setz werden wir eine neue Qualität im Kinderschutz in
unserem Land erreichen. Mit dem Bundeskinderschutz-
gesetz setzt die Bundesregierung eines der wichtigsten
Vorhaben in dieser Legislaturperiode um. Sechs Jahre
nach dem ersten spektakulären Fall der Kindesverwahr-

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(C (D sung und Kindestötung schaffen wir damit eine stabile esetzliche Grundlage. Ich sage ausdrücklich: Der bestmögliche Schutz unser Kinder vor Vernachlässigung und Misshandlung ist in Anliegen, das uns fraktionsübergreifend eint. Dieses esetz bringt Prävention und Intervention gleichermaen voran. Es bezieht alle ein, die für den Schutz unserer inder Verantwortung tragen: alle staatlichen Ebenen, und, Länder und Kommunen, sowie professionsüberreifend alle Akteure im Kinderschutz. Es bezieht die ltern und Familien sowie systemübergreifend verschieene Sozialleistungssysteme ein. Deshalb war es uns so wichtig, den Entwurf des Geetzes gemeinsam zu entwickeln – in einem intensiven ialog mit den Fachleuten aus der Praxis, aus den Veränden und aus der Wissenschaft, aber auch mit Ländern nd Kommunen. Nur ein Kinderschutzgesetz, das von iner breiten Unterstützung und vom Bewusstsein einer emeinsamen Verantwortung getragen wird, wird dem inderschutz in Deutschland langfristig nützen. Die Mühe hat sich gelohnt. Ich freue mich deshalb ber die sehr positive Resonanz auf den Gesetzentwurf. h freue mich darüber, dass wir uns beim Bundeskin erschutzgesetz in vielen wichtigen Aspekten über die arteigrenzen hinweg einig sind. Auch der Bundesrat hat seiner Stellungnahme eine überaus positive Grundhalng gegenüber dem Regierungsentwurf zum Ausdruck ebracht. So gibt es einen breiten Konsens zum Kernstück uneres Gesetzes, nämlich dem Aufbau und Ausbau sogeannter Früher Hilfen und verlässlicher Netzwerke. Das etrifft den präventiven Kinderschutz. Frühe Hilfen und erlässliche Netzwerke, die wir entwickeln und weiterntwickeln wollen, beugen vor, damit Kinder gar nicht rst in Notlagen oder Gefahren geraten. Der frühe Kinerschutz beginnt in der Familie. Wir brauchen ein stares Netz, das Familien in belastenden Lebenslagen aufngt. afür schafft dieses Gesetz die Voraussetzungen. Durch regionale Netzwerke machen wir alle wichtien Akteure im Kinderschutz zu Kooperationspartnern: ugendämter, Schulen, Krankenhäuser, Ärztinnen und rzte, Schwangerschaftsberatungsstellen und Polizei. Es eht darum, dass zwischen diesen unterschiedlichen ruppen und Akteuren vor Ort eng zusammengearbeitet ird. Die Arbeit darf nicht nebeneinander, sondern sie uss miteinander erfolgen, weil es um den Schutz der inder geht. Auf diese Art und Weise werden Hilfsangeote die Familien schneller erreichen. Die Wege sind ürzer geworden. In diesem Schutznetz spielen Hebammen eine besoners wichtige Rolle. Sie kennen die Familie oft schon in er Zeit der Schwangerschaft, auf jeden Fall aber direkt ach der Geburt. Die Eltern vertrauen ihnen. Dieses enge ertrauensverhältnis hilft nicht nur in medizinischer insicht. Familienhebammen mit ihrer Zusatzqualifikaon können dieses Vertrauensverhältnis auch für die Be Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues )


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )

ratung von Familien in schwierigen Lebenslagen nutzen.
Sie begleiten diese Familien bis zu einem Jahr nach der
Geburt des Kindes, unterstützen die Eltern-Kind-Bezie-
hung und können Hilfen vermitteln. Dadurch überneh-
men sie eine wichtige Lotsenfunktion im Netzwerk Frü-
her Hilfen.

Deshalb wollen wir Länder und Kommunen dabei un-
terstützen, Familienhebammen einzusetzen, und zwar
vorbeugend im Sinne unseres gemeinsamen Ziels, Kin-
der besser vor Vernachlässigung und Gewalt zu schüt-
zen. Im Rahmen unserer „Bundesinitiative Familienheb-
ammen“ stellen wir dafür insgesamt 120 Millionen Euro
für einen Zeitraum von vier Jahren zur Verfügung.

Wir freuen uns, dass der Bundesrat grundsätzlich eine
Ausweitung der Hebammenleistungen befürwortet. Ich
sage ausdrücklich: Wir haben eine gute Lösung im Ge-
setz. Wir sind dafür offen, noch bessere Lösungen zu
entwickeln, wenn alle daran mitwirken, und zwar in jeg-
licher Hinsicht. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens
gibt es hierfür Raum. Wir sind bereit, daran mitzuwir-
ken. Über die Details können wir uns gern in den parla-
mentarischen Beratungen verständigen.

Ich sage aber auch ganz klar an die Adresse aller Be-
teiligten – Bund, Länder, Gemeinden –: Kinderschutz
gibt es nicht zum Nulltarif. Das muss jeder wissen. Wir
müssen in den Bereich der Frühen Hilfen investieren;
denn die Stärkung von Familien durch Frühe Hilfen und
verlässliche Netzwerke – gerade in den ersten Lebens-
jahren der Kinder – ist ganz entscheidend für einen er-
folgreichen Schutz. Ich sage ausdrücklich: Der Bund
leistet seinen Beitrag. Wir hoffen, dass auch Länder und
Kommunen hierzu ihren Beitrag leisten.

Meine Damen und Herren, neben den Frühen Hilfen
ist im präventiven Kinderschutz ein weiterer Aspekt von
zentraler Bedeutung: Einschlägig Vorbestrafte müssen
von Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe ausge-
schlossen werden. Eltern müssen sich darauf verlassen
können, dass der Staat ihre Kinder bestmöglich schützt,
wenn sie sie Personen anvertrauen, die im staatlichen
Auftrag oder im Rahmen eines staatlich finanzierten An-
gebotes tätig sind. Auch darüber besteht ein breiter Kon-
sens.

Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass hauptamtliche
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen und
freien Jugendhilfe künftig ein erweitertes Führungszeug-
nis vorlegen müssen. Auch Ehrenamtliche, die einen en-
gen und intensiven Kontakt zu Kindern und Jugendli-
chen haben, werden ein erweitertes Führungszeugnis
vorlegen müssen. Es wird aber keine allgemeine Vorla-
gepflicht für Ehrenamtliche geben. Das wäre kompliziert
und höchst bürokratisch. Deswegen verpflichtet das Ge-
setz die Entscheidungsträger vor Ort, sich darüber zu
verständigen, für welche konkrete ehrenamtliche Tätig-
keit die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses
erforderlich ist. Damit stärken wir den Schutz der Kin-
der, belasten aber das große Engagement der ehrenamtli-
chen Mitarbeiter nicht durch allzu viel Bürokratie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Selbst die beste Prävention macht die Intervention leier nicht überflüssig. Deshalb sorgt das Bundeskinderchutzgesetz für mehr Handlungsund Rechtssicherheit den Fällen, bei denen Intervention notwendig ist. Hier eht es um die Aufgaben von Fachkräften in den Jugendmtern, aber auch im Gesundheitswesen, in der Schule der bei der Polizei. Diese Aufgaben sind höchst anpruchsvoll. Alle Beteiligten arbeiten zum Teil unter ehr schwierigen Bedingungen und immer in dem Beusstsein, dass Fehler katastrophale Folgen haben könen. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die Verntwortung, die die Fachkräfte zu tragen haben, nicht zu roß wird. Daher brauchen wir klare Vorgaben zu Handlungsbegnissen und Handlungspflichten bei der Wahrnehmung ieses Schutzauftrags. Auch dafür sorgt das Bundeskinerschutzgesetz. Es optimiert zum Beispiel die Zusamenarbeit der Jugendämter. Wenn Familien umziehen, t zukünftig sichergestellt, dass das neue Jugendamt alle formationen vom bisher zuständigen Jugendamt be ommt, die es braucht, um das Kind wirksam zu schüten. Auf diese Art und Weise wird auch das sogenannte ugendamts-Hopping erschwert oder verhindert. Das Gesetz schafft mit einer bundeseinheitlichen Begnisnorm für Berufsgeheimnisträger Rechtsklarheit r Ärztinnen und Ärzte über den Umfang ihrer Schwei epflicht im Zusammenhang mit Kinderschutzfällen: ei akuter Kindeswohlgefährdung können Ärzte künftig ichtige Informationen weitergeben, ohne Angst haben u müssen, sich strafbar zu machen. Darüber hinaus enthält das Gesetz eine verbindliche egelung zum Hausbesuch. Ein Hausbesuch ist in be timmten Fällen notwendig, um die Gefährdungslage chtig einschätzen zu können. Das Gesetz sieht aber eine Pflicht zum Hausbesuch vor, sondern einen Hausesuch dann, wenn er nach fachlicher Einschätzung errderlich ist und sofern der Schutz des Kindes dadurch icht gefährdet wird. Ein weiteres wichtiges Instrument zum Schutz von indern und Jugendlichen ist nicht zuletzt die kontinurliche Entwicklung der Qualität und ihre Sicherung. eshalb verpflichtet das Gesetz zur Qualitätsentwickng in der Kinderund Jugendhilfe und erhöht damit die erbindlichkeit fachlicher Standards vor allem im Kinerschutz. Wir bedauern sehr – ich will das hier ganz offen saen –, dass die Länder diesen für einen wirksamen Kinerschutz sehr wichtigen Schritt bislang nicht mitgehen onnten. h meine, dass sich die Länder vor dem Hintergrund der rgebnisse des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissrauch“ an dieser Stelle bewegen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich denke, dass jedes Kind von Anfang an ein Recht
arauf hat, gesund und behütet aufzuwachsen. Das Bun-





Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues


(A) )


)(B)

deskinderschutzgesetz hilft dabei entscheidend. Wir ha-
ben lange diskutiert, wir haben mit vielen diskutiert, wir
haben das erarbeitet, auch im Rahmen eines Runden Ti-
sches. Ich glaube, dass der Gesetzentwurf eine gute
Grundlage bildet, um sich, wenn guter Wille da ist – da-
ran zweifele ich nicht –, parteiübergreifend und auch mit
den Ländern zu einigen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711802400

Das Wort hat nun Dagmar Ziegler für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1711802500

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
von diesem Haus, von uns gemeinsam, herzlichen
Glückwunsch an die Ministerin zur Geburt ihrer Toch-
ter!


(Beifall)


– Zu der Geburt der Tochter Ihrer Ministerin, um das
korrekt auszudrücken.


(Heiterkeit – Markus Grübel [CDU/CSU]: Er guckt aber stolz wie der Opa! – Caren Marks [SPD]: So viel Zeit muss sein!)


Die Rede des Staatssekretärs könnte vermuten lassen,
dass die konsensuale Atmosphäre, die wir heute bereits
beim ersten Tagesordnungspunkt gespürt haben, sich
hier fortsetzen könnte. Ich darf Ihnen versichern: Das ist
im Grundsatz auch so. Wir haben wirklich gemeinsam
das Ziel, dass Kinder und Jugendliche gut, gesund und
sicher aufwachsen. Aber es liegt natürlich noch eine
ganze Menge Arbeit vor uns. Ich freue mich, dass der
Staatssekretär ausdrücklich gesagt hat, welchen qualita-
tiven Sprung dieser Entwurf gegenüber den letzten be-
deutet, und er Bereitschaft signalisiert hat, im parlamen-
tarischen Verfahren einige Änderungen möglicherweise
gemeinsam vorzunehmen.

Der Entwurf weist in die richtige Richtung. Er hat zu
einem Teil den Schutz, aber zu einem anderen Teil auch
die Prävention zum Inhalt. Die Prävention war der
Punkt, an dem es damals in der Bundestagsfraktion der
SPD gescheitert ist: Der präventive Charakter war im
Gesetzentwurf von Frau von der Leyen nicht ausrei-
chend verankert. Insofern muss ich ausdrücklich sagen:
Hier gab es einen Qualitätssprung. Wir sind sehr dankbar
dafür, dass Sie diese Anregungen aufgenommen haben.


(Beifall bei der SPD)


Es ist auch richtig, dass der verstärkte Einsatz von Fa-
milienhebammen von Ihnen im Entwurf verankert wor-
den ist. Natürlich haben Familienhebammen den besten
Zugang zu Familien. Sie genießen Vertrauen und können
deshalb auch die Brücke zur Kinder- und Jugendhilfe
aufbauen. Aber hier bleiben Sie tatsächlich auf halbem

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(C (D ege stehen, weil die Finanzierung nur eine Anschubfianzierung darstellt. Sie sagen richtigerweise: Natürlich üssen dort alle Ebenen Verantwortung mittragen und ie Maßnahmen mitfinanzieren. – Es wäre nur wünchenswert, wenn wir nicht immer nur irgendwelche Anchubfinanzierungen für Modelle auf den Weg brächten, ondern von Anfang an klar wäre, wie die dauerhafte Fianzierung geregelt werden soll. Ich glaube, das sollte nser gemeinsamer Anspruch sein. 30 Millionen Euro hrlich über vier Jahre, also 120 Millionen Euro insge amt, reichen nicht aus. Hinsichtlich der Finanzierung uss eine Einigung mit den Ländern und Kommunen er ielt werden. Man muss ganz klar sagen: Da es über die inanzierung derzeit keine Einigung gibt, haben SPDie unionsgeführte Länder dieses Vorhaben im Bundest erst einmal abgelehnt und in einem ersten Schritt die erlängerung der normalen Hebammentätigkeit auf echs Monate gefordert. Das ist verständlich. Wir haben tzt ausreichend Zeit, aber auch die Pflicht, eine Einiung darüber zu erzielen, wie die Finanzierung daueraft gesichert werden kann. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Länder und Kommunen werden mit der An-
chlussfinanzierung überfordert sein. Derartige Situatio-
en haben sie schon mehrfach durchlebt und durchlitten.
h darf an die Mehrgenerationenhäuser erinnern. Frau

on der Leyen ist durch das Land gezogen und hat sich
r die Etablierung der Mehrgenerationenhäuser, die

innvoll sind, feiern lassen. Wir wissen aber alle, dass
ie dauerhafte Finanzierung aller Mehrgenerationenhäu-
er nicht gesichert ist.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Das Problem ist doch gelöst!)


eshalb sage ich immer: Das Modellhafte muss aufhö-
n. Bei einem Gesetzentwurf muss klar sein, wie die Fi-

anzierung dauerhaft gesichert werden kann.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Richtigerweise sehen Sie bessere frühe Hilfen und
ine bessere Information von Eltern, zum Beispiel in
orm von Elterngesprächen, vor. All dies haben Sie auf-
enommen. Von wem das umgesetzt wird, ist klar: von
en Kommunen. Die Kommunen müssen zusätzliches
ersonal zur Verfügung stellen, um diese Aufgabe erfül-
n zu können; denn die Jugendämter sind schon mit ih-
n jetzigen Aufgaben voll ausgelastet und haben keine
eien Kapazitäten. Deshalb müssen wir uns gemeinsam
edanken darüber machen, wie das Vorhaben umgesetzt
erden kann und wo das Geld dafür herkommt.

Die Kommunen haben darüber hinaus die Pflicht, bis
013 den gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz zu
rfüllen. Es müssen Zigtausend zusätzliche Plätze ge-
chaffen werden. Der von uns geforderte Kindergipfel
at nicht stattgefunden. Wir sagen: Bitte setzt euch mit
ertretern aller Ebenen zusammen, um die Finanzierung
u regeln. Es ist immer wieder das gleiche Thema: Die
inanzierung muss gesichert sein.





Dagmar Ziegler


(A) )


)(B)

Wir halten den Weg über das Bundeskinderschutzge-
setz für richtig. Wir appellieren eindringlich an Sie, die
Finanzierungsfrage gemeinsam mit den Ländern, den
Kommunen und den Bundestagsfraktionen zu lösen. Ein
letzter Appell: Solange es auf allen Ebenen, auf Bundes-,
Landes- und kommunaler Ebene, einen so enormen
Handlungsbedarf gibt und solange jeder sagt: „Wir brau-
chen Geld für sinnvollen Kinderschutz“, so lange sparen
Sie sich bitte Diskussionen über Steuerentlastungen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711802600

Das Wort hat nun Miriam Gruß für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1711802700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Ich bin der Meinung, dass dieses
Gesetz ein Meilenstein für den Kinderschutz in Deutsch-
land ist. Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass kaum
ein Thema ernster ist als das Thema „Kindesvernachläs-
sigung, Kindesmisshandlung und Kindstötung“.

Von 1998 bis 2009 starben jährlich mehr als
50 Kinder durch einen tätlichen Angriff. Die Zahl der
Fälle der Misshandlung Schutzbefohlener hat sich in den
letzten zehn Jahren auf 4,4 Fälle pro 10 000 Kinder er-
höht. Die Zahl der Sorgerechtsentzüge ist von 2005 bis
2009 um 40 Prozent gestiegen. Wenn es so weit kommt,
ist es allerdings meist schon zu spät. Das zeigt: Das Si-
cherheitsnetz für Kinder war bisher zu grob gestrickt. Es
ist daher aus Sicht der FDP-Fraktion sehr wichtig, dass
in diesem Gesetzentwurf die Prävention eine größere
Rolle spielt, und deshalb haben wir in der letzten Legis-
laturperiode, in der Opposition, den von Frau von der
Leyen vorgestellten Gesetzentwurf abgelehnt. Beides
gehört zusammen: Prävention und Intervention. Das war
uns von der FDP-Fraktion ganz besonders wichtig.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/CSU])


Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet eine Präzi-
sierung und eine Beseitigung offensichtlicher Unrichtig-
keiten des letzten Entwurfs. Die Prävention, die Frühen
Hilfen und die Schaffung eines dichten Hilfsnetzwerks
sind essenziell. Ich kann nicht verstehen, warum die
SPD diesem Gesetzentwurf nicht zustimmt.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Sie haben es doch gerade erst eingebracht!)


Sie fordern selbst ein Kinderschutzgesetz.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)


– Ich habe Ihnen zugehört, aber der Presse konnte man
entnehmen, dass sich zum Beispiel Frau Rupprecht und
Frau Schwesig sehr zurückhaltend geäußert haben.

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(C (D (Caren Marks [SPD]: Nein! Das haben Sie falsch gelesen!)


enn ich jetzt andere Stimmen vernehmen kann, freue
h mich sehr;


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Lassen Sie einmal Frau Marks reden! Dann ist alles klar!)


enn ich bin der Meinung, dass wir das Kinderschutzge-
etz fraktionsübergreifend angehen sollten. Ich werbe für
ine breite Zustimmung. Frau Rupprecht hat im letzten
ahr gesagt:

Einen besseren Kinderschutz gibt es nicht zum
Nulltarif.

as stimmt. Jetzt höre ich aber, dass wir von Bundes-
tsseite, von den Ländern, keine Zustimmung bekom-
en, weil es Geld kosten wird. Das ist widersprüchlich.


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Ich bin nicht für den Bundesrat verantwortlich!)


assen Sie auf, dass Sie sich nicht in Widersprüche ver-
tricken. Wir jedenfalls sind der Meinung: Wir brauchen
ie Zustimmung von Bundestag und Bundesrat für einen
esseren Kinderschutz.

Mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf wird eine
ollverpflichtung für die Bereitstellung Früher Hilfen im
GB VIII festgeschrieben. Alle Akteure im Kinder-
chutz, zum Beispiel Jugendämter, Krankenhäuser,
rzte, Schwangerschaftsberatungsstellen und Polizei,
erden sich vernetzen. Wir schaffen ein Kooperations-
etzwerk. Es gibt beispielsweise in Bayern eine Koordi-
ierungsstelle „Frühe Hilfen“ mit Sitz in Erlangen. Auf-
rund des großen Erfolgs dieser Koordinierungsstelle
urde das Modellprojekt mittlerweile verstetigt.

Es wird eine Stärkung der Kooperation im Einzelfall
eben: eine bundeseinheitliche Regelung zur Weitergabe
on Informationen an das Jugendamt bei Verdacht auf
indeswohlgefährdung. Dadurch schaffen wir Rechts-

icherheit für Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Hebam-
en, Sozialarbeiter und Lehrer. Außerdem soll es eine
formationspflicht gegenüber werdenden Eltern über

as örtliche Leistungsangebot geben. All das zeigt: Wir
eben ein Sicherheitsnetz, durch das kein Kind mehr
llen soll.

Ein zentraler Aspekt ist die Einführung von Familien-
ebammen; dies ist uns als FDP ganz besonders wichtig.
ie haben eine Schlüsselfunktion als Lotsen für Fami-
en. Sie helfen, die Weichen für eine erfolgreiche und
ebevolle Eltern-Kind-Beziehung zu stellen und damit
en Grundstein für eine gute Bindung zu legen. Das Mo-
ellprojekt des Bundes über vier Jahre halte ich für rich-
g. Familienhebammen haben gegenüber normalen
ebammen eine sozialpädagogische Zusatzausbildung;
as ist uns wichtig. Es ist uns unverständlich, warum der
undesrat das Modellprojekt ablehnt; ich vermute, weil
ie Länder nach vier Jahren nicht die Kosten tragen wol-
n. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Des-
egen setze ich mich nach wie vor für die Einführung
on Familienhebammen ein.





Miriam Gruß


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frühe Hilfen setzen an einem sensiblen Punkt an. Da-
her muss geschultes Personal zum Einsatz kommen. Im
Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass es für die Betriebs-
erlaubnis eine Qualitätsentwicklung und -sicherung so-
wie verbindliche Standards gibt. Mir ist unverständlich,
warum der Bundesrat auch diesen Punkt ablehnt; denn
dies ist ein Ergebnis des Runden Tisches „Sexueller Kin-
desmissbrauch“. Qualitätsstandards und Qualitätssiche-
rung sind essenziell. Das Rote Kreuz und andere Ver-
bände begrüßen diesen Aspekt ausdrücklich. Auch im
Koalitionsvertrag ist vereinbart, die Qualität der Kinder-
und Jugendhilfe weiterzuentwickeln.

Der Gesetzentwurf stellt eine Qualitätssteigerung im
Vergleich zu dem vorherigen Entwurf dar; aber wir müs-
sen darauf achten, dass das Gesetz nicht nur auf dem Pa-
pier gut aussieht, sondern auch finanziert und von den
Kommunen umgesetzt werden kann. Die Finanzausstat-
tung der Jugendämter ist essenziell und uns ein wichti-
ges Anliegen. Das beste Gesetz hilft nicht, wenn die Ju-
gendämter es nicht umsetzen können. Wir müssen noch
entsprechende Gespräche führen, um es weiter voranzu-
treiben. Jeder effektive Euro in der Prävention spart uns
später eine Menge Geld. Deshalb müssen wir hier voran-
kommen.

Wir spannen hier ein Sicherheitsnetz für Kinder, das
meines Erachtens gut ist und qualitativ die Regelungen
des ursprünglichen Gesetzentwurfs um einiges über-
steigt. Ich freue mich, wenn ich hier heute in den Reden
von der SPD, aber auch von den Grünen breite Zustim-
mung signalisiert bekomme.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ich habe doch noch gar nicht geredet!)


Ich bin der Meinung: Kinderschutz geht uns alle an. Ein
Bundeskinderschutzgesetz erfordert die breite Unterstüt-
zung aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711802800

Das Wort hat nun Diana Golze für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711802900

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Ich möchte mich den Glückwünschen
an die Ministerin anschließen. Ich wünsche ihr, ihrer Fa-
milie und vor allem ihrem Kind, dass sie in allen Lebens-
lagen die Unterstützung finden, die sie brauchen – ge-
nauso, wie ich es natürlich allen Angestellten, Hartz-IV-
Empfängerinnen und allen Menschen in diesem Lande
wünsche.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/CSU])


An den Entwurf des Bundeskinderschutzgesetzes sind
ohe Erwartungen geknüpft – nicht allein deshalb, weil
er Vorgängerentwurf gescheitert ist, sondern auch auf-
rund der Debatte, die seitdem stattgefunden hat. Nach
em öffentlichen Bekanntwerden der Vorfälle von se-
ualisierter Gewalt gegenüber Kindern in kirchlichen
inrichtungen hat es eine große Debatte darüber in der
ffentlichkeit gegeben. Ein Runder Tisch ist eingesetzt
orden, eine unabhängige Beauftragte ist ernannt wor-
en, und die Ergebnisse des Runden Tisches wie auch
er Abschlussbericht der unabhängigen Beauftragten ha-
en das Ausmaß der Defizite bei Hilfs-, Beratungs- und
räventionsangeboten erst deutlich gemacht. Genau des-
alb habe ich die Hoffnung, dass wir hier ein Gesetz auf
en Weg bringen, das den Kindern tatsächlich hilft und
der Realität Bestand hat.

Die Erfahrung zeigt leider, dass dieses Haus dazu in
er Lage ist, Gesetze für Kinder zu beschließen, die in
er Realität keinen Bestand haben und den Kindern nicht
elfen. Ich erinnere daran, dass die Bundesarbeitsminis-
rin in dieser Woche einen Runden Tisch einberufen
at, um sich mit dem vermurksten Bildungs- und Teil-
abepaket zu befassen. Erst 30 Prozent der Berechtigten
aben Anträge gestellt. Das heißt im Umkehrschluss: An
0 Prozent der Kinder geht diese Leistung immer noch
orbei; ihr verfassungsgemäßer Anspruch auf Bildung
nd gesellschaftliche Teilhabe wird also noch nicht um-
esetzt. Deshalb habe ich die große Hoffnung, dass wir
ier ein Gesetz beschließen, bei dem ein solcher Fehler
icht auftritt.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Zunächst einmal möchte ich positiv anmerken, dass
ie Zusammenarbeit bzw. Abstimmung mit den Verbän-
en, Vereinen und Initiativen viel besser funktioniert hat
ls bei der Erarbeitung des vorangegangenen Entwurfs.
as zeigen auch die positiven Kommentare in den Stel-
ngnahmen der Verbände. Ich hätte mir natürlich ge-
ünscht, dass ich als Parlamentarierin nicht Stellung-
ahmen zu einem Gesetzentwurf bekomme, der mir
och gar nicht offiziell vorlag, aber so ist es nun einmal.

Ich habe mir den nun vorliegenden Gesetzentwurf, als
r offiziell zugestellt wurde, angeschaut. Ich finde es
chtig, dass zum Beispiel der verpflichtende Charakter
er Vorsorgeuntersuchungen oder auch der Hausbesu-
he, wie er im ersten Entwurf enthalten war, nun nicht
ehr im Gesetz stehen soll. Es ist richtig, dass man hier

achgebessert hat. Ich denke aber, dass wir – das ist bei
er Rede von Frau Ziegler schon deutlich geworden –
uch an anderen Stellen noch nachbessern müssen.

Ich beginne einmal mit dem Grundsätzlichen. In
rt. 6 Grundgesetz heißt es:

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürli-
che Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen ob-
liegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die
staatliche Gemeinschaft.





Diana Golze


(A) )


)(B)

Diese Sätze haben nun auch Eingang in das Bundes-
kinderschutzgesetz gefunden. Als Mutter von zwei Kin-
dern sage ich: Natürlich haben die Eltern die Pflicht und
ist es ihre Aufgabe, ihre Kinder zu erziehen und für ihr
Wohl zu sorgen. Aber darin liegt auch ein Problem, das
sich in diesem Gesetz widerspiegelt: Wenn wir die Kin-
der- und Jugendhilfe nicht endlich auch als verpflichtende
Aufgabe des Staates statt nur als freiwillige Selbstver-
pflichtung oder gar als Bonusprogramm oder Katastro-
phenhilfe, wenn die Eltern scheitern, begreifen, dann
haben wir immer noch nicht verstanden, dass das Kindes-
wohl an erster Stelle stehen muss.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage es hier zum wiederholte Male: Wer es mit
dem Kinderschutz ernst meint, der muss Kinder ernst
nehmen, und wer Kinder ernst nimmt, der muss ihnen
Rechte geben. Deshalb gehören die Kinderrechte auf
Schutz, Förderung und Beteiligung in das Grundgesetz.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass die Kinderrechte immer noch nicht Eingang in das
Grundgesetz gefunden haben, hat sich am Runden Tisch
als Problem herausgestellt. Im Gesetzentwurf findet sich
ein Rechtsanspruch auf Beratung für Kinder und Jugend-
liche. Aber dieser Rechtsanspruch ist eingeschränkt; er
gilt nur in Not- und Krisensituationen. Woher soll eine
Siebenjährige oder auch ein Zehnjähriger wissen, wann
sie oder er sich in einer Not- und Krisensituation befin-
det und ohne Wissen der Eltern eine Beratung aufsuchen
darf? Erst dann, wenn das Kind zu Hause geschlagen
wird, oder bereits dann, wenn es sich mit dem Zeugnis
nicht nach Hause traut? Wo wird dieser Begriff kindge-
recht erklärt? Wo wird den Kindern gesagt, wie eine sol-
che Beratung abläuft und wer sie durchführt?

Vor wenigen Tagen war die Kinderkommission des
Deutschen Bundestages in Norwegen. Dort wurde ein
flächendeckendes Netz von Beratungs- und Fachzentren
aufgebaut, das allen Familien – nicht nur den sogenann-
ten Problemfamilien – zur Verfügung steht. Es wird von
über 90 Prozent der Familien in Anspruch genommen.
Genau so ein Netz wünsche ich mir auch für Deutsch-
land.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu müssen wir den Weg hin zu einem – ich nenne es
einmal so – kooperierenden Föderalismus gehen. Es darf
nicht so sein, dass jeder sagt: Dafür bin ich nicht zustän-
dig. – Wir müssen einen Weg finden, wie ein solches
Netz finanziert werden kann. Wir dürfen Länder und
Kommunen damit nicht alleinlassen.

Damit bin ich bei dem von Frau Ziegler schon ange-
sprochenen Modellprogramm Familienhebammen. Ich
habe kein Problem mit diesem Angebot; ich finde es gut.
Die Kinderkommission hat dazu Anhörungen durchge-
führt. Auch wir schlagen dieses Vorgehen vor. Aber wa-

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(C (D m nur für 5 bis 10 Prozent der Eltern? Warum wird ier wieder stigmatisiert? s sollte nicht heißen: „Guck mal, zur Familie von geenüber kommt immer noch eine Hebamme“, sondern es ollte heißen: „Warum nimmt die Familie dieses Angeot eigentlich noch nicht wahr? Es ist doch ein gutes Anebot.“ arum also wieder diese Einschränkung? Das Hauptproblem, das ich mit diesem Modellproramm habe, ist, dass es nur ein Modellprogramm ist. h habe schon heute vor Augen, wie wir in vier Jahren ieder herumlavieren werden, genauso wie beim Akonsprogramm Mehrgenerationenhäuser, beim Schulerweigererprogramm und bei den Programmen gegen echtsextremismus. Wir alle werden dann sagen: Es ist anz prima, was da gemacht wurde; wir brauchen dieses rogramm unbedingt auch in Zukunft. – Wir wissen chon heute, dass dieser Bedarf in vier Jahren noch voranden sein wird. Deshalb sage ich: Lassen Sie uns chon heute im Gesetz eine Regelung treffen, die eine auerhafte Finanzierung und ein flächendeckendes Anebot für alle Familien sicherstellt. Meine Damen und Herren, neben der Frage des unabängigen Rechtsanspruchs und dem Modellprogramm amilienhebammen möchte ich ein weiteres Thema anprechen. Wir brauchen ein Kinderschutzgesetz, das irklich allen Kindern hilft. Nach der UN-Kinderrechtsonvention sind alle Menschen unter 18 Jahren Kinder. h habe aber den Eindruck, dass dieses Gesetz Eltern nd Kindern, die dem Kleinkindalter entwachsen sind, ur relativ wenige Angebote macht. Eigentlich bechränken sie sich auf die von Herrn Staatssekretär Kues ngesprochenen erweiterten Führungszeugnisse. Das ist in Problem. Was die erweiterten Führungszeugnisse angeht, öchte ich konkret auf die Praxis zu sprechen kommen. ie Basketballerinnen meines Lieblingsbasketballver ins, der Red Eagles Rathenow, treffen sich, wenn unktspielbetrieb ist, frühmorgens gegen 7 Uhr, um zu ren Turnieren zu fahren. Wenn dann ein Anruf kommt, ass einer der Betreuer, die vom Verein gestellt werden, usfällt, dann ist das im Moment überhaupt kein Prolem, weil dann der Vater von Sarah oder die Mutter von a sagt: Laden wir mein Auto voll. Ich bringe die Kin er dorthin und betreue sie den Tag über. Ich habe heute eit. – Wir wissen nicht, wie das in Zukunft laufen soll. ier müssen wir den Vereinen Sicherheit geben. Ich finde richtig, was Sie, Herr Dr. Kues, gesagt haen: Man darf nicht pauschal von allen Ehrenamtlichen in erweitertes Führungszeugnis fordern. Aber wir müsen den Ländern einen Rahmen setzen. Wir dürfen nicht ulassen, dass vor Ort ein Flickenteppich unterschiedliher Vereinbarungen der örtlichen Träger entsteht, was Diana Golze )


(Caren Marks [SPD]: Genau!)


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist wohl wahr!)





(A) )

dazu führt, dass am Ende niemand weiß, was geschieht.
Ich kann das Bedürfnis nach Sicherheit und Absicherung
verstehen. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Rege-
lungen, die getroffen werden, für die Vereine und die
Träger vor Ort umsetzbar sind.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Zum Schluss. Jörg Maywald, einer der Sprecher der
National Coalition, hat auf einer Veranstaltung einen
sehr einprägsamen Satz gesagt: Das Gegenteil von Recht
ist nicht Pflicht, sondern Unrecht. – Das Gegenteil der
Pflicht der Eltern zur Erziehung sind also nicht Kinder-
rechte, sondern ist Unrecht an Kindern. Ich hoffe, dass
wir es schaffen, in den bevorstehenden Beratungen im
Ausschuss, in der Anhörung und in der Auseinanderset-
zung mit den Sachverständigen zu einer Lösung zu kom-
men, die den Kindern Rechte einräumt und die Kinder in
der Praxis schützt. Ich freue mich auf diese Auseinan-
dersetzung und auf diese Diskussion und kann Ihnen un-
sere kritische Begleitung zusichern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711803000

Das Wort hat nun Ekin Deligöz für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1711803100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestern hat UNICEF einen Bericht zur Lage der Kinder
in Deutschland herausgegeben. In ihm stehen ein paar
Zahlen, die uns aufschrecken sollten: 33 700 Kinder
wurden im Jahre 2009 wegen schwieriger Familienver-
hältnisse in Obhut genommen. Das waren gegenüber
dem Jahr 2004 30 Prozent mehr. 26 Prozent der Kinder,
die beim Kindernottelefon anrufen, machen das, weil sie
sich von häuslicher Gewalt bzw. schweren körperlichen
Misshandlungen bedroht oder betroffen fühlen. Schlim-
mer noch: Im Jahre 2009 wurden in Deutschland
152 Kinder getötet, davon waren 126 unter sechs Jahre
alt. Das sind Zahlen, die uns jeden Tag von neuem dazu
verpflichten, über Kinderschutz in Deutschland zu reden
sowie in den Strukturen immer noch besser zu werden.
In diesem Sinne wird es wirklich Zeit, dass wir endlich
hier im Bundestag auch über dieses Thema diskutieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin, ehrlich gesagt, froh darüber, dass der Geset-
zesvorschlag der Großen Koalition von 2009 keinen Be-
stand mehr hat, weil es massive berechtigte Kritik gab.
Die Regierung hat jetzt eine Vorlage erstellt, die sie nach
Konsultation der Fachverbände erarbeitet hat und in die
auch die Initiativen des Runden Tisches Eingang gefun-
den haben. Darin sind gute Ansätze enthalten. Auch der
Bundesrat wurde bereits im Vorfeld im Sinne eines ge-
meinsamen Bündnisses einbezogen. Von daher kann man
das Verfahren nicht kritisieren.

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(C (D In der Sache muss man aber doch zu ein paar Punkten nmerkungen machen, auch kritischer Art. Wie sich übgens die Grünen schlussendlich verhalten werden, wird avon abhängen, was am Ende des Verfahrens vorgelegt ird. Erstens. Kinderschutz ist in der Tat nicht zum Nulltaf zu haben. Das ist eine wahre Aussage, Frau Gruß. an kann es drehen und wenden, wie man will: Kinder chutz kostet Geld. Deshalb ist es eigentlich nicht nachollziehbar, warum in diesem Gesetzentwurf Kostenfolen genannt, aber nicht nachvollziehbar erläutert sind. uch vom Bundesrat gibt es diese Kritik. Ich finde auch chtig, darüber zu diskutieren, dass wir nicht nur etwas ollen, sondern wie die konkrete Umsetzung bewerk telligt werden soll. Daher müssen wir diese Bedenken erücksichtigen. Im gleichen Atemzug kritisiere ich aber uch die Kommunen und die Länder. Fehlende Berechungen zu bemängeln, ist das eine. Ich wünschte mir auf er anderen Seite aber auch Zahlen von Länderseite, also ezidierte Kostenschätzungen in Bezug darauf, wie man as Ganze umsetzen kann. Ein gegenseitiges Pingpongpiel, bei dem es um die Frage geht, wer es schlechter acht, bringt uns an diesem Punkt nicht weiter. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Zweitens. Das Bundesgesundheitsministerium hat
ich leider bisher aus der gesamten Debatte komplett he-
usgehalten. Ich halte das für einen wirklich dramati-

chen Fehler. Wir reden über Schnittstellenprobleme und
ber ein Netzwerk im Sinne des Schutzes der Kinder.
ir reden darüber, dass die Mitarbeiter von Jugendäm-
rn und Gesundheitseinrichtungen miteinander vernetzt

usammenarbeiten sollen. Aber die Politik bzw. die Re-
ierung führt ihnen gerade vor, dass es auf unserer
bene überhaupt nicht funktioniert.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Ja! Das stimmt!)


as kann nicht sein. Es ist nicht glaubwürdig. Wir müs-
en an diesem Punkt zusammenarbeiten. Da ist der Ge-
undheitsminister gefragt. Ich bedaure sehr, dass das Ge-
undheitsministerium in Bezug auf diesen Punkt so
norant ist. Das wird übrigens auch der größte Kritik-

unkt vonseiten der Experten sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich komme jetzt zu dem Hauptpunkt, über den alle re-
en, nämlich zu den Familienhebammen. Ja, wir brau-
hen die Familienhebammen. Sie leisten wirklich gute
rbeit. Wir brauchen auf diesem Gebiet übrigens auch
eine Projekte mehr. Es gibt dazu ausreichend Erkennt-
isse. Wir wissen, was die Familienhebammen leisten;
s wurde viel über sie gesagt. Auch wir Grünen haben
ereits in der letzten Wahlperiode einen Antrag dazu ein-
ebracht. Ich halte an diesem Thema fest. Im Hinblick
arauf gibt es aber – wie sehr ich Sie auch schätze – ei-
en Dissens zwischen uns, Frau Golze.

Wir brauchen flächendeckende Angebote für Fami-
en in besonderen Verhältnissen. Für diese Familien be-
ötigen wir zielspezifische Angebote, mit denen genau





Ekin Deligöz


(A) )


)(B)

auf sie eingegangen werden kann. Wir brauchen sie
möglichst dringend und möglichst bald. Natürlich will
auch ich die Welt verbessern, aber ich will zunächst mit
dem ersten Schritt anfangen. Dafür brauchen wir das
Modell Familienhebammen. Ich kritisiere aber, dass es
tatsächlich nur ein Projekt ist, das zeitlich befristet ist.
Das ist nicht nachhaltig und wird vom Bundesrat zu
Recht kritisiert. Die Frage ist: Wie geht es weiter, wenn
es kein Geld mehr gibt, obwohl wir alle wissen, dass wir
die Familienhebammen brauchen? An diesem Punkt
müssen Sie nacharbeiten. Ich würde es für einen Fehler
halten, wenn es am Ende hieße: „Wir machen im Bereich
der Familienhebammen überhaupt nichts mehr“, so wie
darüber zurzeit im Bundesrat debattiert wird. Damit
würde wirklich ein Kernbereich aus diesem Vorhaben
herausbrechen. Dieser Punkt eignet sich nicht für den
Vermittlungsausschuss. Wir sollten da an einem Strang
ziehen und auch im Sinne der Familien in besonderen
Umständen gemeinsam daran arbeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen will, betrifft
das Qualitätsmanagement. Auch in Bezug auf das Quali-
tätsmanagement gibt es vonseiten der Länder Bedenken,
die man ernst nehmen muss. Sicher muss man dabei
auch über Zeitschienen und Verfahren reden und wo-
möglich überlegen, welche Tatbestände dazu gehören
sollen. Das freiwillig, also ohne gesetzliche Verpflich-
tung, auszugestalten, halte ich aber für falsch. Dann wür-
den wir sagen: Wir halten Qualität zwar für wichtig, und
auch der Runde Tisch hat in allen Sitzungen mehrfach
gesagt, wie wichtig Qualitätsmanagement ist; aber wir
überlassen das denen, die ohnehin engagiert sind. Das
wäre zu wenig. Wenn wir wirklich wollen, dass sich im
Sinne der Kinder und des Kinderschutzes etwas verän-
dert, dann müssen wir mehr Verbindlichkeit herstellen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat einen Vorschlag
gemacht, an dem wir uns orientieren könnten. Wir soll-
ten Verbindlichkeiten schaffen; es sollte kein freiwilliges
Add-on werden, nach dem Motto: Wer es will, macht es,
und wer es nicht will, macht es nicht. Wir stehen den
Kindern gegenüber in der Verantwortung. Wir sollten
nicht nur darüber reden, dass wir für sie Einrichtungen
schaffen, sondern wir sollten darüber reden, dass wir für
sie gute Einrichtungen schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein für die Grünen sehr wichtiger Punkt betrifft die
Meldepflichten für Geheimnisträger. Der Bundesrat hat
vorgeschlagen, diese Regelung den Ländern zu überlas-
sen. Sie von der Regierung haben dem eine Absage er-
teilt. Halten Sie bitte an dieser Absage fest! Hier geht es
um das Vertrauen der Patienten, also der Eltern und Kin-
der, zum Arzt. Dieses Vertrauen dürfen wir nicht ver-
spielen. Ansonsten werden sie sich womöglich nicht
mehr an die vertrauensvollen Stellen wenden. Dann
kommen wir womöglich an die Kinder, die Jugendlichen
und die Eltern nicht mehr heran. Das wäre ein Fehler
und hätte verheerende Konsequenzen. Sie haben mit der
Befugnisnorm ein vernünftiges Verfahren vorgeschla-

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(C (D en. Als einheitliche Bundesnorm gäbe es dann auch usreichend Klarheit für die Ausund Fortbildung und ie Praxis. Für uns ist es aber ein Tabu bzw. ein No-go, ieses Vertrauen zu zerstören oder eventuell 16 verschieene Regelungen in der Nation zu schaffen. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Darauf läuft es hinaus!)


ann weiß am Ende nämlich keiner mehr, wie es in den
weiligen Bundesländern aussieht. Halten Sie deshalb

n Ihrer Position fest.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])


Kinderschutz geht uns alle an. Das hat auch sehr viel
it Kinderrechten zu tun; das ist richtig. Die Regelun-

en zum Kinderschutz sagen sehr viel darüber aus, in
elcher Gesellschaft wir leben und wie wir mit unseren
indern umgehen.

Ich möchte zum Schluss noch etwas Persönliches sa-
en. Für mich war das heute eine ganz besondere Rede,
a mein Sohn oben auf der Tribüne sitzt


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Süß!)


nd mir zum ersten Mal in seinem Leben live im Bun-
estag zuhört. Eine Mutter ist natürlich aufgeregt, wenn
r da oben sitzt und sie ausgerechnet zum Thema Kin-
erschutz reden hört. Ich bin sehr stolz auf meinen Sohn;
as möchte ich hier sagen. Ich weiß, dass die Kinder von
olitikern – so geht es allen meinen Kollegen – sehr viel
ntbehren müssen. Wir sind viel unterwegs, und das tut
ns immer leid. Ich werde das nicht wiedergutmachen
önnen; aber meine Zuversicht und meine Kraft schöpfe
h auch aus meinen beiden Kindern. Sinan, du sollst
issen: Wenn du mich brauchst, werde ich immer für
ich da sein. Damit wirklich jedes Kind, das im Leben
lleine ist, jemanden hat, der für es da ist,


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Das wäre schön!)


afür arbeiten, kämpfen und zanken wir. Das ist das Ziel
er Gesellschaft, in der ich will, dass du aufwächst,
inan.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Das war ein sehr schöner Abschluss!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711803200

Dann wollen wir einmal hoffen, dass unsere Debatte

eine abschreckende, sondern eine einladende Wirkung
at.


(Heiterkeit)


Ich erteile das Wort der Kollegin Ingrid Fischbach für
ie CDU/CSU-Fraktion.






(A) )


)(B)


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1711803300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Präsident, Sie haben das gesagt, als ich zum Mikro-
fon gegangen bin. Ich hoffe, das hat nichts mit meiner
Person, sondern mit der vorhergehenden Rede zu tun.


(Heiterkeit)


Ich glaube, da sind wir uns alle einig – diese Einigkeit
spiegelte sich auch in der bisherigen Diskussion wider –:
Wir wollen, dass unsere Kinder geschützt werden. Wir
wollen, dass sie liebevoll und behutsam aufwachsen,
dass sie das Leben genießen können und dass sie auf die
Dinge, die im Leben noch kommen und die schwer ge-
nug sein werden, vorbereitet sind. In der Jugend sollen
sie aber die Möglichkeit haben, geschützt aufzuwachsen.
Deswegen freue ich mich, dass heute ein Gesetzentwurf
vorliegt, in dem die Fehler der Vergangenheit aufgear-
beitet worden sind.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode den Ver-
such unternommen, ein Kinderschutzgesetz auf den Weg
zu bringen. Wir haben erkannt, dass die Vorgehensweise
nicht ganz korrekt war. Wir hatten nicht alle Beteiligten
so früh eingebunden, wie es nötig gewesen wäre. Das
haben wir jetzt geändert. Die Vertreter der Vereine, der
Verbände, auch der Länder und Kommunen und andere
Beteiligte saßen an einem Tisch und haben ihre Sicht-
weise eingebracht. Deswegen stößt der vorliegende Ge-
setzentwurf auf eine breite Zustimmung.


(Beifall der Abg. Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD])


Das ist unser aller Verdienst.

Liebe Frau Golze, es ist im parlamentarischen Verfah-
ren so, dass wir Abgeordnete erst ab der ersten Beratung
am Verfahren beteiligt werden. Ich verspreche Ihnen:
Wir werden die Zeit bis zur zweiten, dritten Beratung
nutzen, um all das, was an Kritik vorhanden ist, aufzuar-
beiten und damit den Gesetzentwurf zu verbessern; denn
ein Signal ist wichtig – da schließe ich mich der Kolle-
gin Deligöz an –: Wir alle wollen unsere Kinder schüt-
zen, und ich bin fest davon überzeugt, dass wir das mit
dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen.

Es gibt zwei große Bereiche, die diesen Gesetzent-
wurf ausmachen: zum einen die Prävention, zum ande-
ren die Intervention. Dazu ist schon eine Menge gesagt
worden. Zum Bereich der Prävention möchte ich kurz
darauf hinweisen, dass uns die Frühen Hilfen sehr wich-
tig sind; denn wir wollen nicht warten, bis Kinder ver-
nachlässigt, misshandelt oder geschlagen werden, son-
dern wir wollen den Eltern, die Schwierigkeiten haben
bzw. überfordert sind, früh genug Hilfen an die Hand ge-
ben. Die Eltern müssen wissen, welche Hilfen sie be-
kommen können. Dazu gehört ein gutes Netzwerk all de-
rer, die Angebote machen. Was nützen die besten
Angebote, wenn die Betroffenen gar nicht wissen, dass
es sie gibt. Deswegen setzen wir auf ein gutes Netzwerk
und auf einheitliche Strukturen. Die Hilfsangebote müs-
sen genutzt werden können, unabhängig davon, in wel-
chem Bundesland man lebt.

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(C (D Wir wissen auch, dass Frauen teilweise schon in der chwangerschaft Probleme haben. Deshalb war es wichtig, Rahmen dieses Gesetzentwurfs den Rechtsanspruch auf ine anonyme Beratung während der Schwangerschaft inzuführen. Wir wollen im Schwangerschaftskonfliktbetungsgesetz einen Rechtsanspruch festschreiben; denn ir wissen: Schwangerschaften verlaufen unterschiedch, und wenn Frauen merken, dass sie Schwierigkeiten aben, dann müssen sie auf Angebote zurückgreifen könen, die ihnen helfen, nach der Geburt mit dem Kind leben nd ihm geben zu können, was es braucht, nämlich Liebe nd Zuneigung. Wir haben die Familienhebammen im Blick. Im Unrschied zu den anderen Hebammen haben die Famienhebammen eine Zusatzqualifikation. Deshalb sind ie uns so wichtig. Man kann über alles reden, aber man ann die Länder nicht ganz außen vor lassen. Ich kann ich sehr gut an die Diskussionen erinnern, die wir im ahmen der Föderalismusreform geführt haben. Es ging m die Zuständigkeiten im SGB VIII. Es gab große Benge der Länder, zuständig zu sein, also uns die Kompenzen wegzunehmen. Aber so geht es nicht: Auf der eien Seite wollen sie Kompetenzen haben. Wenn aber auf er anderen Seite diese Kompetenzen mit einer Finanierung einhergehen, dann sagen sie: Jetzt ist der Bund ieder dran. o kann man nicht miteinander umgehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Entweder A oder B!)


(Beifall der Abg. Miriam Gruß [FDP])


Bezogen auf die Hebammen heißt das: Wir sind alle
icht dumm, wir kennen die Finanzierung. Das heißt, die
esetzliche Krankenversicherung soll die Kosten über-
ehmen, aber damit wäre der Bund wieder zuständig.
ir durchschauen das Spiel. Deswegen werden wir uns

emeinsam zusammensetzen, um eine Lösung zu finden.
ber so einfach machen wir es den Ländern nicht; das

age ich an dieser Stelle ganz deutlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Im Bereich der Intervention brauchen wir Möglich-
eiten, dass diejenigen, die mit betroffenen Menschen
rbeiten und ihnen helfen – Lehrer, Ärzte und Hebam-
en –, ihre Informationen austauschen dürfen. Deswe-

en ist es uns wichtig, die Möglichkeit zu schaffen, dass
eheimnisträger bestimmte Informationen weitergeben
ürfen. Denn wir haben immer den Schutz des Kindes

Blick. Je früher wir ein Kind schützen können, desto
esser sind seine Chancen auf eine gute Entwicklung.
eswegen ist es gut, dass wir die Geheimnisträger an der

inen oder anderen Stelle von ihrer Schweigepflicht ent-
inden.

Frau Ziegler, Sie haben gesagt, dass die Finanzierung
as große Problem sei. Ich habe das beim Thema Fami-
enhebammen bereits angesprochen. Ich sage deutlich:
er Bund müsste es nicht tun. Wir finanzieren die Fami-





Ingrid Fischbach


(A) )


)(B)

lienhebammen für vier Jahre, wir sehen aber auch die
Notwendigkeit, die weitere Finanzierung zu klären. Für
uns ist es deswegen wichtig, dass wir nach zwei Jahren
einen Zwischenbericht abgeben und dass wir überprü-
fen, ob es funktioniert und wer sich an welchen Stellen
einbringen muss. Hier hoffe ich wirklich auf die Unter-
stützung aller Ebenen. Das ist nicht nur eine Bundesauf-
gabe, sondern das ist auch eine Länder- und kommunale
Aufgabe. Deswegen müssen wir nach dem ersten Zwi-
schenbericht gemeinsam schauen, wie wir eine dauer-
hafte Finanzierung hinbekommen. Hier gebe ich Frau
Golze recht: Das müssen wir für alle Kinder auch über
2015 hinaus möglich machen. Daran werden wir ge-
meinsam arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Miriam Gruß [FDP])


Frau Ziegler hat nach den Mehrgenerationenhäusern
gefragt. Auch hier haben wir ein Folgeprojekt auf den
Weg gebracht. Ich möchte an dieser Stelle nur einmal sa-
gen: Als wir die Mehrgenerationenhäuser auf den Weg
gebracht haben, war eigentlich allen, die dieses Projekt
angenommen haben, klar, dass das eine Anschubfinan-
zierung ist und dass sich die Häuser danach selber tragen
müssen.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Die Länder waren außen vor!)


– Ja, es ist immer so: Man schaut, wo es gerade passt, wo
man mitmacht und wo man sich rauszieht.

Der Bund hat ganz klare Vorgaben gemacht. Es ist
nicht so, dass der Bund etwas auf den Weg gebracht hat
und jetzt alle dastehen und die Details nicht kannten.
Auch ich habe bei jeder Einweihung eines Hauses ge-
sagt: Das ist eine Anschubfinanzierung, und ihr müsst
sehen, dass ihr die Finanzierung in der entsprechenden
Zeit sichert. Das war noch nicht überall möglich. Wir
sorgen jetzt für eine Folgefinanzierung. Ich sage an die-
ser Stelle aber auch: Das kann keine Dauerfinanzierung
sein. Das müssen die Verantwortlichen vor Ort für sich
regeln. Sie müssen entsprechende Finanzierungen vor-
schlagen und auf den Weg bringen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich
noch sagen: Wir können noch so gute Gesetze auf den
Weg bringen, Kinderschutz funktioniert aber nur, wenn
wir uns alle – Sie, ich, die Zuschauer oben, alle Men-
schen, die mit Kindern zu tun haben oder sie sehen –
verantwortlich fühlen. Ich glaube, deswegen ist es wich-
tig, dass wir alle den Kinderschutz ganz oben auf die
Prioritätenliste setzen und sagen: Wir wollen gemeinsam
etwas verändern.

An dieser Stelle kann man sagen: Wegschauen hilft
nicht und ist keine Prävention für unsere Kinder. Lassen
Sie uns hinschauen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711803400

Das Wort hat nun Marlene Rupprecht für die SPD-

Fraktion.

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(C (D Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! iebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Alle Vorrederinnen haben durchgängig zum Ausdruck gebracht, ass das Aufwachsen von Kindern eine öffentliche Aufabe ist – öffentlich insofern, als wir die Rahmenbedinungen dafür schaffen müssen, dass die Eltern diese ufgabe gut wahrnehmen können. Es ist ein Fortschritt im Vergleich zu früher, dass wir ns das aufwachsende Kind eben nicht mehr nur dann enau anschauen, wenn es zu Tode gekommen oder sehr tark gefährdet ist, sondern dass wir sagen: Wir müssen chtzeitig schauen und allen Eltern und allen Kindern chtzeitig Hilfe zuteilwerden lassen. Es darf keine Dis riminierung geben, indem man zum Beispiel sagt, das eien Hochrisikofamilien oder Familien, die diese Hilfe esonders brauchen. Sie brauchen zwar besondere Hiln, aber sie brauchen keine Diskriminierung, indem an sie stigmatisiert. Ich denke, das ist auf dem Weg. ir sagen allen: Jeder kann in eine Situation kommen, in er er Hilfe und Unterstützung braucht. Stellen Sie sich vor, Ihr zweites Kind kommt behinert zur Welt, während das erste Kind zwei Jahre alt ist. ie brauchen dann Hilfe, um mit dieser Aufgabe, die auf ie zukommt, fertigzuwerden. Hier nützen Ihnen keine rohungen und kein Angstmachen, sondern Sie brau hen in diesem Moment aufgeschlossene Menschen, die nen zeigen, wie man mit dieser Herausforderung klar ommt. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der SPD)

Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1711803500

h glaube, wenn das in alle Köpfe gekommen ist, dann
aben wir in Deutschland wirklich einen großen Quan-
nsprung weg vom Feuerwehr-Spielen hin zu einer
truktur gemacht.

Durch die UN-Konvention wird das vorgeschrieben;
ie Kolleginnen haben es vorhin gesagt. Deshalb plä-
iere ich wirklich vehement dafür, dass uns der Schutz,
ie Förderung und die Beteiligung von Kindern sowie
ie Herstellung von kindgerechten Lebensverhältnissen
o viel wert sind, dass diese Aufgaben in unserer Verfas-
ung verankert und nachlesbar sind.

Wie wichtig das ist, konnten wir an dem Runden
isch „Sexueller Kindesmissbrauch“, der noch läuft, und
n dem Runden Tisch „Heimerziehung“ sehen. Kinder,
enen man anscheinend helfen wollte und die man oft,
us welchen obskuren Gründen auch immer, aus ihren
amilien herausgenommen hat, sind massiv miss-
raucht, misshandelt, gedemütigt und als Mensch gebro-
hen worden. Was hatten diese Kinder nicht? Ihnen
urde keine Hilfe gewährt, es gab keine diesbezügliche
ffentliche Verantwortung. Deshalb ist eine der zentralen
orderungen der Runden Tische: Kinder und Familien
rauchen Anlaufstellen, an die sie sich wenden können,
der Ombudschaften, wie immer Sie das nennen mögen.
ir brauchen qualifizierte Menschen als Ansprechpart-





Marlene Rupprecht (Tuchenbach)



(A) )


)(B)

ner. Das haben wir in den Gesetzestext – Stichwort
Fachkräfte – aufgenommen. Das war eines der Ergeb-
nisse, das wir, Michaela Noll und ich, zum Schluss aus-
gehandelt haben. Vieles von dem entdecke ich jetzt im
Text des Gesetzentwurfs wieder und bin darüber sehr
froh.

Die Fachkräfte bekommen wiederum erfahrene Fach-
kräfte zur Unterstützung. Familien und Kinder, die in
Not sind, brauchen Anlaufstellen. Diese Aufgabe müs-
sen wir jetzt angehen. Das hat diese Woche auch die
Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen deutlich ge-
macht. Wir müssen endlich das umsetzen, was schon im-
mer im Gesetz steht. In § 81 des Kinder- und Jugendhil-
fegesetzes ist die Zusammenarbeit aller festgeschrieben,
die mit Kindern arbeiten. Wir nehmen diesen Punkt
ebenfalls in den Gesetzestext auf.

Manchmal ärgere ich mich über die Beteiligten und
möchte sie am liebsten schütteln. Warum ist diese Zu-
sammenarbeit nicht möglich? Irgendjemand hat vorhin
gesagt: Wir schaffen es manchmal noch nicht einmal
hier im Hause, richtig zusammenzuarbeiten. Ich bin
froh, dass heute auf der Regierungsbank die Staatssekre-
tärin aus dem Gesundheitsministerium neben dem
Staatssekretär aus dem Familienministerium sitzt. Ich
glaube, Sie haben keine Kommunikationsprobleme.
Aber die Häuser haben manchmal Kommunikationspro-
bleme. Wenn es die entsprechenden Vertreter der Minis-
terien schafften, sich zusammenzusetzen, dann wäre das
für die Familien und die Kinder optimal.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Pingpongspiel wird immer auf dem Rücken
der Menschen ausgetragen und kostet eine Menge Geld.
Damit bin ich beim Thema Geld; das ist schon mehrfach
angesprochen worden. Wir versuchen – das Beispiel der
Mehrgenerationenhäuser wurde schon genannt –, deut-
lich zu machen: Es muss eine soziale Daseinsfürsorge
für die Menschen geben. Der Lebensmittelpunkt dieser
Menschen sind die Gemeinden und Städte, in denen sie
leben. Daher brauchen diese ausreichend Geld, um Ein-
richtungen der sozialen Daseinsfürsorge vorhalten zu
können. Es darf keinen Flickenteppich geben, sondern
die Mittel müssen für jede Kommune individuell unter-
schiedlich bereitgestellt werden, so wie sie gebraucht
werden.

Dafür müssen sich Bund, Länder und Gemeinden
endlich zusammensetzen, sonst passiert das, was die
Länder gerade in einer Absprache hinter unserem Rü-
cken gemacht haben, nämlich die Leistungen in der Ju-
gendhilfe noch weiter herunterzufahren. Irgendwann
geht das nicht mehr. Man kann nicht einer Familie sa-
gen: Im August gibt es leider kein Geld mehr. Es gibt
keine Hilfe mehr, auch wenn diese Hilfe dringend ge-
braucht wird. – Wir müssen uns überlegen, wie wir die
Gelder besser verteilen und dorthin bringen, wo sie ge-
braucht werden.


(Beifall der Abg. Andrea Wicklein [SPD])


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(C (D Das geht über das hinaus, was wir bisher in den Födelismuskommissionen gemacht haben. Ich bitte Sie anz dringend: Es wird die Aufgabe sein – darauf müsen wir achten –, dass Standards und die Qualität eingealten werden. Ich weiß, dass das die Länder und die ommunen nicht gerne sehen. Aber es ist notwendig, ass hochqualifizierte Menschen in diesen Bereichen täg sind, dass klare Regeln gelten und dass wir wissen, b Jugendamt A oder Jugendamt B zuständig ist. Wichg ist: Hochqualifizierte Menschen müssen für die Failien da sein, um in schwierigen Situationen zu helfen. on daher brauchen wir ganz klare Vorgaben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Ich will etwas sagen, was heute noch nicht angespro-
hen worden ist. Es ist ganz wichtig, dass man beim
chutz der Familien nicht übers Ziel hinausschießt.
chutz ist wichtig, aber eine totale Kontrolle geht nicht.
ir können nicht an jedem Kinderbett eine Kamera be-
stigen oder einen Polizisten daneben stellen.


(Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD])


Das Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Kon-
olle müssen wir ganz stark im Blick haben, sonst kom-
en wir dort an, wo wir bei den Heimkindern aufgehört

aben: zu glauben, wir wüssten, was gut ist. Das ist der
lsche Weg. Wichtig ist für uns, dass wir den Menschen

as Gefühl geben, sie können den Fachkräften, mit de-
en sie zu tun haben, vertrauen. Sie müssen wissen, dass
ie Menschen um sie herum keine Denunzianten, son-
ern Nachbarn sind, mit denen man über Probleme reden
ann. Daran arbeiten wir. Ich finde es sehr gut, dass wir
as heute gemeinsam machen wollen. In diesem Sinne
offe ich auf gute und gemeinsame Beratungen in den
ächsten Monaten.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das kriegen wir hin, Marlene!)


Das glaube ich auch, Michaela.

Danke.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711803600

Das Wort hat nun Sibylle Laurischk für die FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1711803700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die

nhörung zum Thema Heimkinder Anfang dieser Wo-
he verfolgt hat und als Gegensatz dazu gestern Abend
as Fest der IPS-Stipendiaten miterlebt hat, weiß, wie
nterschiedlich sich die Kindheit auf die Entwicklung
on jungen Menschen auswirken kann. Ich glaube, ge-
de in diesem Spannungsfeld wird uns deutlich, dass





Sibylle Laurischk


(A) )


)(B)

der Kinderschutz ein Thema ist, das uns permanent be-
schäftigen muss.

Die Botschaft dieses Entwurfs, mit dem wir uns im
Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens beschäftigen,
ist richtig, nämlich dass mehr Kooperation aller notwen-
dig ist, die sich mit dem Wohl von Kindern beschäftigen
und sich beruflich um ihren Schutz kümmern. Dabei ist
es wichtig, ein Netzwerk von Leistungsträgern so zu ge-
stalten, dass verbindliche Strukturen den Kinderschutz
gewährleisten.

Die Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen und
Hebammen auf der einen Seite und Jugendämtern und
Familiengerichten auf der anderen Seite soll für den
Konfliktfall verbindlich geregelt werden. Ich denke, es
ist sehr wichtig, dass auch die Ärzteschaft Rechtsklarheit
darüber bekommt, dass sie im Falle von Hinweisen auf
akute Gefährdung des Kindeswohls berechtigt ist, dem
Jugendamt einen Hinweis zu geben. Die Ärzteschaft tut
sich wegen der ärztlichen Schweigepflicht damit schwer.
Ich denke, dass wir diesen Konflikt mit einer gesetzli-
chen Maßgabe endlich lösen.

Ich habe in allen Redebeiträgen den Hinweis darauf
vermisst, dass wir das Jugendamts-Hopping beenden
wollen.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist schon angesprochen worden! – Markus Grübel [CDU/ CSU]: Das wurde alles gesagt! – Dagmar Ziegler [SPD]: Der Staatssekretär!)


– Dann ist es wohl doch angesprochen worden. – Mir ist
es sehr wichtig, diesen Punkt zu betonen. Das ist nach
meinem Dafürhalten eine sehr wichtige Maßnahme.
Denn bisher war häufig das Phänomen zu beobachten,
dass sich Familien immer dann, wenn das Jugendamt
aufmerksam wurde oder von anderer Seite Hinweise auf
Verwahrlosung oder Vermüllungstendenzen in einer
Wohnung kamen, durch Umzug entziehen. Dann ist ein
neues Amt zuständig, und dort weiß niemand Bescheid.

Das soll jetzt geändert werden: Die Akte wandert mit.
Dann kann auch in den Ämtern niemand mehr sagen:
Das haben wir nicht gewusst. Die Eltern wiederum wis-
sen, dass sie nicht einfach ausweichen können.

Es gibt aber Beratungsangebote. Dafür wird noch
mehr geworben werden müssen. Es ist keine Sanktion,
sich einer Beratung zu stellen; es geht vielmehr um echte
Hilfen, mit denen Kindern eine Perspektive geboten
werden kann. Das kann funktionieren. Dafür gibt es be-
reits positive Beispiele. Wir brauchen aber auch eine ge-
setzliche Regelung.

Die Qualifizierung von hauptamtlichen Mitarbeitern
in den Institutionen ist ein weiteres wichtiges Thema.
Wir haben uns aber auch mit dem Thema Führungszeug-
nisse im ehrenamtlichen Bereich befasst. Dieses Thema
wird auch am Runden Tisch „Sexueller Kindesmiss-
brauch“ heftig diskutiert. Wir sind als FDP-Fraktion der
Meinung, dass die Verpflichtung zur Vorlage erweiterter
Führungszeugnisse Sinn macht. Aber eine übertriebene,
detailverliebte Pflicht zur Abgabe von Führungszeugnis-
sen, die sich bis hin zu solchen Mitarbeitern erstreckt,

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(C (D ie noch sehr jung sind oder sich nur ganz geringfügig hrenamtlich betätigen, ist eine falsche Botschaft. Wir ind noch im Beratungsprozess. Insofern werden die iskussionen über den Gesetzentwurf uns inhaltlich och eine Weile beschäftigen. Für sehr wichtig halte ich den Anspruch auf eine ühe Beratung, durch die Kinder und Jugendliche dauf hingewiesen werden, dass sie in entsprechenden inrichtungen – hier gibt es auch viele ehrenamtliche itarbeiter – Hilfe bekommen können. Die Finanzieng dieses niedrigschwelligen Beratungsangebots ist isher noch nicht gesichert. Wir werden darüber noch eitere Diskussionen führen, die hoffentlich zu einem uten Ende führen. Gerade die Diskussion am Runden Tisch hat mir deutch gemacht, dass insbesondere missbrauchte Jungen zu elten Beratungsangebote wahrnehmen. Dieses Feld ist islang, glaube ich, zu wenig beachtet worden. Es muss in konkretes, spezifisches Angebot an Jungen und Mäner geben, die sich mit dem Missbrauch in ihrer Kindheit useinandersetzen wollen. Stichwort „Pflegeeltern“. Wir werden darüber nachenken müssen, inwiefern die Einbindung von Pflegeltern auf diesem Feld sinnvoll ist. Auch hier gibt es Betungsbedarf. Wir stehen am Anfang einer interessanten Gesetzgeungsdebatte. Ich wünsche, dass wir in der fachlichen nd qualifizierten Auseinandersetzung, die von uns im usschuss gepflegt wird, zu guten Ergebnissen komen. Danke schön. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711803800

Das Wort hat nun Dorothee Bär für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1711803900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für die
DU/CSU-Bundestagsfraktion unserer Bundesfamilien-
inisterin zur Geburt ihrer Tochter gestern ganz herzli-

he Glückwünsche aussprechen. Ich hoffe, dass wir sie
ach ihrem angemessenen Mutterschutz wieder gesund
nd munter in unseren Reihen begrüßen dürfen.


(Beifall)


Ich freue mich über die heutigen Signale aus allen
raktionen. Sie stimmen mich optimistisch, dass wir
ine Einigung hinbekommen. Es scheint ein gemeinsa-
es Anliegen zu sein – das ist bei Frau Rupprecht sehr

chön zum Ausdruck gekommen –, im Bundestag eine
aktionsübergreifende Lösung hinzubekommen. Es gibt

icherlich noch gewisse Unterschiede; das ist völlig nor-
al. Trotzdem wäre es gut, jetzt die Kritikpunkte aufzu-

ehmen und dann gemeinsam darüber nachzudenken,





Dorothee Bär


(A) )


)(B)

wie wir diese konsensual beseitigen können, damit es in
der zweiten und dritten Lesung einen breiten Konsens
gibt.

Wir alle sind sicherlich schockiert, wenn wir nicht nur
in unseren Wahlkreisen, sondern bundesweit mit Schlag-
zeilen konfrontiert werden, aus denen hervorgeht, dass
Kindern Essen und Trinken vorenthalten wurde. Das
sind noch harmlose Fälle. Oft sind die Schicksale hinter
den Schlagzeilen noch wesentlich schlimmer. Natürlich
beherrschen solche Schicksale sehr stark die Titelzeilen
der Medien, manchmal leider nur für Tage, manchmal
aber auch über Wochen. Egal ob die Kinder Jessica, Ke-
vin oder Lea-Sophie heißen, wir müssen uns intensiv da-
mit befassen, welche Schicksale sich hinter diesen Na-
men verbergen, und uns die Fragen stellen, warum es so
weit kommen konnte und wer eventuell an welcher
Stelle seine Arbeit nicht ordentlich geleistet hat bzw. ob
– das wurde von Ingrid Fischbach schon angesprochen –
nicht genau genug hingeschaut wurde. Das geht jeden
Einzelnen etwas an.

Wenn man nachforscht und die Zusammenhänge
kennt, dann fällt einem auf, dass ein Wort über allem
steht: Überforderung. Aber in einem Land wie Deutsch-
land darf niemand, egal ob Vater, Mutter oder beide El-
ternteile, überfordert sein, weil er mit Kindern nicht zu-
rechtkommt. Die Gesellschaft muss dann da sein. Man
kann es gut oder schlecht finden, Fakt ist aber leider
Gottes, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland
nicht mehr in Großfamilien lebt. Es ist nicht der Normal-
fall, dass sieben, acht oder neun Kinder in einer Familie
mit den Großeltern unter einem Dach oder auch im sel-
ben Ort zusammenleben. So fehlt oft ein Ansprechpart-
ner.

Das ist einer der Gründe, warum wir uns jetzt intensiv
mit dem Bundeskinderschutzgesetz befassen müssen.
Mit oberflächlichen Diskussionen dürfen wir uns nicht
zufriedengeben. Wir wollen Ansprechpartner schaffen.
Natürlich kann man sich nun darüber streiten, wer das
sein soll, wie diese heißen sollen und wer zuständig ist.
Aber dass wir Ansprechpartner und entsprechende Rah-
menbedingungen brauchen, ist völlig klar.

Um welche konkreten Maßnahmen geht es? Wir ha-
ben schon vor der letzten Bundestagswahl sehr intensiv
darüber diskutiert. Uns allen war klar, dass wir den
Schwerpunkt noch sehr viel stärker auf die Bereiche Prä-
vention und Intervention legen müssen. Über die Fami-
lienhebammen ist heute schon oft gesprochen worden.
Auch ich möchte ein paar Takte zu den Familienhebam-
men sagen, weil das für mich eine Herzensangelegenheit
ist. Ich freue mich, dass du, Ekin Deligöz, heute deinen
Sohn mitgebracht hast. Man sollte nicht immer seinen
eigenen Erfahrungsschatz ausklammern. Es ist gut und
schön, dass hier im Deutschen Bundestag Menschen mit
so unterschiedlichen Biografien vertreten sind.

Selbst diejenigen, die schon einmal Erfahrungen mit
Hebammen gemacht haben – ich denke auch an diejeni-
gen, die in einem gut funktionierenden Familienbund
untergebracht sind –, sind oft froh, wenn sie einmal mehr
die Möglichkeit haben, nachzufragen. Viele Mütter, bei
denen zwischen der Geburt ihres ersten und ihres zwei-

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(C (D n Kindes ein größerer Abstand besteht, erzählen, dass ie gedacht haben, sie müssten wieder bei null anfangen. atürlich wäre es wünschenswert – das weiß ich auch –, in entsprechendes Angebot immer allen Müttern zur erfügung zu stellen. Wünschenswert wäre darüber hiaus, dafür zu sorgen, dass das Ganze nicht nur ein Prokt ist. Ich weiß, dass die von uns angestrebten Projektrderungen ein deutsches Phänomen sind. Auch mir äre eine größere Kontinuität an dieser Stelle lieb. Man uss wirklich schauen, was finanziell machbar ist. Ehrch gesagt, möchte ich jetzt aber keine Diskussion daber führen, ob in einzelnen Fachbereichen unnötig eld ausgegeben wird. Ich glaube, wir sollten uns geenseitig keine Vorwürfe machen und nicht die Einzelläne miteinander vergleichen. Entscheidend ist, den Ländern einmal klarzumachen, orin ihre Verantwortung besteht. Das Ganze ist keine ine Angelegenheit des Bundestages, sondern geht irklich alle parlamentarischen Ebenen etwas an. Vor rt kann besser erkannt werden, wo Hilfe notwendig ist. atürlich sind auch wir in der Pflicht, dazu einen großen eitrag zu leisten. Heute wurde bereits mehrfach das eispiel Mehrgenerationenhäuser angesprochen. Dazu uss ich ganz ehrlich sagen: Die diesbezügliche Projektrderung ist für mich kein Bezugspunkt. Dieses Projekt urde ins Leben gerufen, und wir erweitern es jetzt. Das t alles gut und schön. Die Notwendigkeit des flächeneckenden Einsatzes von Familienhebammen, deren ilfe jede Familie in Anspruch nehmen kann, ist hingeen etwas anderes. Man sollte meines Erachtens nicht agen: Schaut später einmal, wie es weitergeht. Vielmehr üssen wir uns, wenn es funktioniert und Erfolge da ind, wirklich überlegen, wie wir die Überleitung in eine stitutionelle Förderung zustande bringen. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Fischer? Bitte. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aus der eigenen Fraktion!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711804000
Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1711804100

Er gehört aber einer anderen Partei an. Daher ist es
kay.


(Heiterkeit)



Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1711804200

Frau Kollegin Bär, wir stellen fest, dass wir bei dieser

ichtigen Debatte parteiübergreifend dieselben Interes-
en vertreten. Ich habe nach dem Beitrag von Frau
eligöz gerade, in dem sie auf ihren Sohn eingegangen
t, an Sie die Frage, ob jetzt nicht der Zeitpunkt wäre,
ass wir gemeinsam nachhaltig den Begriff „Familien-
olitik“ so weit verwenden, dass wir heute auch dem Va-
r von Lotte Marie gratulieren, nämlich dem Staatsse-
retär Ole Schröder, der an dieser Debatte leider nicht
ilnehmen kann?


(Heiterkeit und Beifall)







(A) )


)(B)


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1711804300

Ich glaube für das ganze Haus sprechen zu können:

Selbstverständlich gratulieren wir auch dem Vater. Einen
Tag nach der Geburt stehen allerdings die Gesundheit
von Mutter und Kind im Mittelpunkt. Wir freuen uns na-
türlich, wenn auch der Vater wohlauf ist, und senden ihm
die Glückwünsche des ganzen Hauses.


(Heiterkeit und Beifall – Caren Marks [SPD]: Männer sind ja nicht so belastbar!)


– Ich muss ausnahmsweise einmal einen Zwischenruf
der Kollegin Marks positiv aufgreifen. Sie hat gesagt,
dass – womöglich vermutet sie bei dem Kollegen
Fischer Nachwehen – Männer an dieser Stelle nicht so
belastbar sind.


(Heiterkeit und Beifall)


Zurück zum Thema. Mir wäre es wichtig, den Heb-
ammen von hier aus ein herzliches Dankeschön zukom-
men zu lassen, egal ob es „normale“ Hebammen oder
Familienhebammen sind. Was die Hebammen in
Deutschland leisten, ist wirklich sensationell. Wir haben
leider Gottes aufgrund anderer politischer Aspekte, auch
was das Finanzielle betrifft, im Moment noch Diskussio-
nen zu führen, in denen wir für die Hebammen eintreten.
Nicht nur, Ansprechpartner zu sein, sondern auch, Ver-
trauen aufzubauen – der Wert des Vertrauens ist heute
schon angesprochen worden –, ist ganz wichtig. Ich
denke dabei insbesondere an die Lotsenfunktion, die
Hebammen übernehmen.

Wir haben ursprünglich vorgesehen, dass die Dauer
der Betreuung durch Familienhebammen ein Jahr dauert.
Mir ist es wichtig, die Familienhebammen so stark wie
möglich zu machen, damit sie ihre Funktion vor Ort
bestmöglich erfüllen können. Man sollte in Betracht zie-
hen, dass Hilfe für ein Jahr nicht ausreichend ist. Wir ha-
ben zum Beispiel eine zusätzliche Untersuchung des
Kindes eingeführt, damit die Betreuung der Familien
engmaschiger erfolgt. Wir wollen dafür sorgen, dass es
nach dem ersten Jahr möglich ist, bei Bedarf auf lokaler
Ebene Ansprechpartner zu finden.

In diesem Sinne freue ich mich sehr über die vielen
positiven Signale aller Fraktionen. Ich freue mich auf ei-
nen ganz intensiven Gedankenaustausch, der jetzt statt-
finden wird, bevor wir zur zweiten und dritten Lesung
kommen. Ich hoffe, dass wir dann, wenn wir bei der
zweiten und dritten Lesung wieder hier stehen, unser
Projekt gemeinsam verabschieden können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711804400

Das Wort hat nun Caren Marks für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1711804500

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich schließe mich meinen Vorrednerinnen von der SPD-

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(C (D raktion an. Der vorliegende Gesetzentwurf zum Kinerschutz enthält im Großen und Ganzen wirklich gute nsätze. Vielen Dank dafür, dass viele Anregungen, die der Großen Koalition entstanden sind, aufgenommen urden! Der Entwurf stellt eine wirkliche Verbesserung egenüber dem Entwurf aus dem Jahr 2009 dar. Förderung und Prävention – das haben wir heute schon anz häufig gehört; man kann es aber gar nicht oft genug etonen und unterstreichen – sind wirklich die besten ittel für einen wirksamen Kinderschutz. Sie sind die esten Mittel, um Familien effektiv zu unterstützen und indern ein wirklich gelingendes Aufwachsen zu ermögchen, damit starke Persönlichkeiten heranwachsen könen. Der im Jahr 2009 von der damaligen Bundesfamilieninisterin Frau von der Leyen vorgelegte Entwurf hatte iesen Grundsatz leider wirklich in keiner Weise berückichtigt – das war sehr schade –, und er hatte wirklich ehr einseitig auf Kontrollen gesetzt, die zwar auch notendig sind, aber nicht in diesem Ausmaß und nicht so inseitig. Die Ministerin hatte sich damals mit ihrem Geetzentwurf – ich denke, das kann man so sagen – ein tück weit verrannt. Es war richtig, dass wir als SPD in er Großen Koalition dieses Gesetz erfolgreich verhinert haben. Was heute vorliegt, zeigt: Es hat sich wirkch gelohnt. Das haben heute auch die Kolleginnen von er Union sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Das Ziel eines guten und nachhaltigen Kinderschutes muss es sein, das Vertrauen der Eltern, aber natürlich uch der Kinder – sie müssen im Mittelpunkt stehen – zu ewinnen, sie an angebotene Hilfen heranzuführen und ie wirkungsvoll zu unterstützen. Das Familienministeum hat aus Fehlern der Vergangenheit gelernt, hat auch ithilfe vieler Fachgespräche den jetzigen Gesetzenturf so auf den Weg gebracht und vor allem unsere Forerung und die vieler Fachleute aufgenommen, die Früen Hilfen und die Netzwerke vor Ort zu stärken. Das ist in richtiger und guter Weg. Die Fachkräfte vor Ort, ob das die Mitarbeiterinnen nd Mitarbeiter in den Jugendämtern sind, die freien Träer, die Ärztinnen und Ärzte, natürlich auch die Hebamen und die Beratungsstellen, alle müssen wirklich eng usammenarbeiten. Um Kinder und Jugendliche wirklich ptimal zu fördern und zu schützen sowie Eltern bei ihrer rziehung zu stärken und zu unterstützen, brauchen wir ute und verlässliche durchgehende Präventionsketten. Mittelpunkt aller Bemühungen – auch das ist heute chon ein paar Mal gesagt worden – müssen das Kind, ber auch der Jugendliche stehen. Wir dürfen nicht aufören, auch an die größeren Kinder und an die Jugendlihen zu denken. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger esichtspunkt, der nicht unter den Tisch fallen darf. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


Die Stadt Monheim





Caren Marks


(A) )


)(B)


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Ja, meine Stadt, genau! Die macht das richtig!)


hat eine solche Präventionskette aufgebaut,


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Supi!)


die mit der Geburt eines Kindes beginnt. Hier arbeiten
die von mir schon genannten Familienhebammen, Kitas,
Schulen und Familienbildungsstätten vorbildlich eng zu-
sammen. Die Erfolge beim Kinderschutz und bei der Ar-
mutsbekämpfung können sich dort wirklich sehen las-
sen. Das Modell „Monheim für Kinder“ hat zu Recht
zahlreiche Präventionspreise gewonnen.

Aber so gut wie Monheim – auch das wissen wir
alle – sind längst nicht alle Städte und Gemeinden aufge-
stellt. Auch wir hier im Bund müssen alles dafür tun,
dass solche guten Beispiele Schule machen können.
Bund und Länder dürfen Kommunen bei der Umsetzung
eines guten Kinderschutzes vor Ort nicht im Regen ste-
hen lassen. Genau hier sehe ich aber noch einen Webfeh-
ler im Gesetz.

Ein Bürger hat uns diese Woche zum vorliegenden
Entwurf des Bundeskinderschutzgesetzes Folgendes ge-
schrieben:

Der Entwurf regelt bis ins Detail, wie der Kinder-
schutz verbessert werden soll, macht aber keinerlei
Aussagen darüber, wie viel Personal in den Jugend-
ämtern dazu mindestens erforderlich ist. Damit
steht die Qualität der angestrebten Verbesserungen
in Frage, denn ausreichendes und qualifiziertes Per-
sonal ist zu deren Umsetzung unabdingbare Voraus-
setzung.

Ich denke, auch da sind wir uns grundsätzlich einig. Die-
sem Anschreiben ist nichts hinzuzufügen.


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte einen zweiten Webfehler im Gesetzent-
wurf ansprechen. Das Bundesgesundheitsministerium
– das wurde vorhin schon angesprochen – duckt sich weg
und macht keine Vorschläge, wie die Kooperation des Ge-
sundheitswesens mit der Jugendhilfe verbessert werden
kann. Der 13. Kinder- und Jugendbericht, der sich sehr
ausführlich und – wie ich finde – fachlich sehr gut mit
Kindergesundheit beschäftigt hat, hat das zu Recht ange-
mahnt.

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass beispiels-
weise Ärztinnen und Ärzte wenig Kenntnisse von der Ju-
gendhilfe haben und auch nicht die Anlaufstellen für Fa-
milien kennen, so wie es notwendig wäre. Oft sind sie
auch nicht ausreichend geschult, um eine Kindesver-
nachlässigung oder einen Kindesmissbrauch wirklich zu
erkennen. Der gute Wille ist bei den Ärztinnen und Ärz-
ten grundsätzlich natürlich vorhanden. Das reicht aber
nicht aus, um in allen Fällen einen effektiven Kinder-
schutz zu garantieren.

Darum sage ich: Alle Fachkräfte – dabei lege ich die
Betonung auf „alle“ –, die mit Kindern und Jugendlichen
zusammenarbeiten, müssen dieselbe Sprache sprechen.
Das heißt nicht, originäre Aufgaben der Kinder- und Ju-
gendhilfe auf die gesetzliche Krankenversicherung zu

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(C (D erlagern. Nein, es geht vielmehr darum, dass sich die achkräfte der Jugendhilfe und des Gesundheitsbereichs ls Partner verstehen und sich auch vernetzen müssen. Hier besteht noch Verbesserungsbedarf. Vorschläge on Bundesgesundheitsminister Bahr hierzu sind bisher icht gekommen. Das ist schade. Ich appelliere an die DP: Sorgen Sie bitte dafür, dass Ihr Minister hier aktiv ird! Ich denke, es würde sich im Sinne der Kinder und ugendlichen in unserem Lande wirklich lohnen. Die SPD fordert ein bundeseinheitliches Präventionsesetz, womit man im direkten Lebensumfeld von Famien ansetzen und alle Akteure an einen Tisch holen will. esundheitsförderung und Prävention müssen in der Failie, aber auch in den Kitas und in den Schulen anset en und dort gelebt werden. Es ist schade, dass sich nion und FDP bisher noch keinen Ruck geben konnten, in bundeseinheitliches Präventionsgesetz gemeinsam it allen auf den Weg zu bringen. Die Beratungen über das Kinderschutzgesetz gehen tzt in die dafür zuständigen Fachausschüsse. Wir sollten so wie wir heute debattiert haben und gemäß dem Tenor ieser Debatte – gemeinsam die Chance nutzen, den Geetzentwurf an den angesprochenen Punkten zu verbesern. Ich denke, es sind vielfältige, konstruktive Vorchläge und Anregungen eingegangen. Ich freue mich auf ie Beratungen im Sinne der Kinder und Familien in unerem Land. Das ist der richtige Ansatzpunkt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711804600

Als nächste Rednerin zu diesem Debattenpunkt er-

ile ich der Kollegin Michaela Noll für die CDU/CSU-
raktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1711804700

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Auch ich möchte natürlich der jungen Familie – un-
erer Familienministerin und ihrem Mann Ole
chröder – ganz viel Glück wünschen. Ich glaube, es gibt
irklich nichts Schöneres, als eine Familie zu gründen.

Wir müssen festhalten – darüber bin ich nach wie vor
ehr glücklich –, dass die überwiegende Mehrzahl der
inder in Deutschland ein liebevolles, von Vertrauen ge-
rägtes Elternhaus hat, in dem sie entsprechend erzogen
nd begleitet werden und damit eine Zukunft haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


Trotzdem finde ich es wichtig, dass wir den Fokus auf
ie Kinder richten, die auf der Schattenseite groß wer-
en. Vielleicht wundern Sie sich, wenn ich jetzt etwas
age, was etwas ungewöhnlich klingt. Ich glaube, dass
uch die Eltern, die am Anfang Probleme mit der Kin-
ererziehung haben, weil sie überfordert sind, ihre Kin-





Michaela Noll


(A) )


)(B)

der lieben. Oftmals haben sie in ihrem eigenen Eltern-
haus nicht das notwendige Rüstzeug mitbekommen. Das
heißt, sie haben nicht kennengelernt, was es heißt, ge-
liebt zu werden und Liebe weitergeben zu können. Diese
Eltern müssen wir unterstützen. Wir sollten ihnen das
entsprechende Rüstzeug geben.

Gerade an diesem Punkt sind die Familienhebammen
diejenigen, die Vertrauen schaffen, die in die Familien
gehen, die den Alltag mit einem Kind verständlich ver-
mitteln. Sie erklären den Eltern, dass man, wenn ein
Kind permanent schreit, dieses Kind nicht schütteln darf,
sondern dass es andere Mittel und Wege gibt, es zu beru-
higen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir leben in einer kinderentwöhnten Welt; das hat
vorhin auch meine Kollegin Dorothee Bär erwähnt. Es
ist einfach so: Früher gab es oft die kurzen Wege: die
Nachbarin, die im Haus lebende Mutter oder die vielen
Geschwister. Man konnte kurz anrufen und sich Hilfe
holen. Das gibt es heute oftmals nicht mehr. Dafür haben
wir aber die Jugendämter.

Eines finde ich immer wieder schade. In meinem
Wahlkreis ist Folgendes vorgefallen: Es gab einen klei-
nen Jungen namens Daniel, der leider auch zu Tode ge-
kommen ist. Man hat die Mutter gefragt: Warum haben
Sie sich denn nicht ans Jugendamt gewendet? Die Mut-
ter sagte: Ich hatte Angst, dass man mir meine Kinder
wegnimmt. Da sage ich: Wir müssen etwas tun, damit
sich das Image des Jugendamts ändert, sodass es als
Hilfeinstanz wahrgenommen wird, die unterstützt, nicht
als eine Institution, die als Erstes die Kinder aus der Fa-
milie nimmt.

An dieser Stelle bin ich unserer Familienministerin
dankbar dafür, dass sie einen bundesweiten Aktionstag
der Jugendämter durchgeführt hat. Viele Jugendämter
haben sich beteiligt, haben Transparenz geschaffen und
gezeigt: Wir sind nicht diejenigen, die Kinder aus den
Familien nehmen. Wir wollen die Elternhäuser, die Kin-
der in den Familien stabilisieren. Ich denke, das war ein
guter Schritt; darüber habe ich mich sehr gefreut.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ich fand heute auch sehr schön, dass der Sohn von
Ekin – sie hört zwar gerade nicht zu, aber das ist nicht
schlimm –, der oben auf der Bühne war, im Endeffekt
feststellen konnte, dass es auch in diesem Parlament
möglich ist, moderate Töne anzuschlagen, parteiüber-
greifend etwas auf den Weg zu bringen, was wirklich al-
len Kindern in Deutschland helfen kann. Das war für
mich nach zehn Jahren parlamentarischer Arbeit eine
Sternstunde im Parlament; denn eine solche Gelegenheit
haben wir leider viel zu selten.

Frau Marks, ein kleines Kompliment. Normalerweise
bin ich gewöhnt, von Ihnen sehr kritische Töne zu hören.
Ich freue mich, dass Sie heute Mo.Ki erwähnt haben. Ich
bin die Wahlkreisabgeordnete aus der Stadt Monheim
und weiß, dass gerade Monheim eine Stadt mit relativ
vielen Problemen ist. Wir haben ein Viertel, das Berliner

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(C (D iertel, in dem Mo.Ki tätig ist. Mo.Ki, Monheim für inder, hat 2004 einen Präventionspreis für die besonere Leistung erhalten, ein Netz zu spannen, damit den indern nichts passiert. Monheim ist eine Stadt, der es wirtschaftlich wirklich icht sehr gut geht. Man konnte aber feststellen, dass an durch eine langfristige Vernetzung der Beteiligten uch mit geringen Mitteln Kinder schützen kann; es liegt icht nur an den Mitteln. Es gibt eine Internetseite zu o.Ki; Da kann man jederzeit nachschauen. Mo.Ki urde damals bei uns in der Kinderkommission vorge tellt. Da haben alle Experten gesagt: Das ist der richtige eg. Ich lade jeden ein: Kommen Sie in meinen Wahl reis; wir stellen die Kontakte her. Ich glaube, hier wird er richtige Weg gegangen; wir sollten ihn auch nutzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Darüber hinaus wollte ich eigentlich noch ein paar
unkte ansprechen, aber vieles haben meine Kollegen
benswerterweise schon erwähnt. Es gibt einen Punkt,

en ich kurz ansprechen möchte: die Führungszeugnisse.
h hatte die Gelegenheit, den Oberarzt der Charité zu

ören, der das Pädophilenprogramm begleitet. Er hat ge-
agt: Pädophile suchen aufgrund ihrer sexuellen Präfe-
nz den Kontakt zu Kindern. Deswegen sollten wir sa-

en: Wir brauchen ein erweitertes Führungszeugnis; es
t notwendig, diese Personen sichtbar zu machen und
en Schutz der Kinder zu verbessern.

Jetzt stellt sich die Frage, ob ein erweitertes Füh-
ngszeugnis auch bei Ehrenamtlichen nötig ist. An die-

em Punkt muss man schon differenzieren: Wie lange
auert der Kontakt? In welchem Kontakt bzw. in wel-
her Beziehung zu den Kindern steht zum Beispiel der
ußballtrainer in einem Verein? Es ist ein Unterschied,
b man bei einer zehntägigen Ferienfreizeit mitfährt
der spontan vier Kinder im Wagen zum Fußballplatz
ringt. Da können wir nicht überall sagen: Wir wollen
uf jeden Fall ein erweitertes Führungszeugnis.

Ich möchte mich jetzt schon einmal bei allen Kolle-
en bedanken. Ich glaube, dieses Mal schaffen wir es
irklich, ein Kinderschutzgesetz auf den Weg zu brin-
en. Das ist wichtig; denn es gibt auch heute noch sehr
iele Kinder – das weiß jeder, der Kontakt mit dem Ju-
endamt hat –, die auf der Schattenseite stehen. Machen
ir uns an die Arbeit! Schaffen wir etwas gemeinsam!
ann wäre ich ausgesprochen glücklich und für diese
egislaturperiode dankbar.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711804800

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 17/6256 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 36 a bis c auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Angelika Graf (Rosenheim), Bärbel Bas, Dr. Karl
Lauterbach, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD

Potenziale der Prävention erkennen und nut-
zen – Prävention und Gesundheitsförderung
über die gesamte Lebensspanne stärken

– Drucksache 17/5384 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Sportausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Maria
Klein-Schmeink, Fritz Kuhn, Birgitt Bender, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Gesetzliche Grundlage für Prävention und Ge-
sundheitsförderung schaffen – Gesamtkonzept
für nationale Strategie vorlegen

– Drucksache 17/5529 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martina
Bunge, Agnes Alpers, Herbert Behrens, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Prävention weiter denken – Gesundheitsförde-
rung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stär-
ken

– Drucksache 17/6304 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich eröffne die Aussprache. Ich bitte die Kolleginnen
und Kollegen, die an dieser Debatte nicht teilnehmen
wollen, den Saal zu verlassen, damit wir wieder Ruhe
haben und Angelika Graf für die SPD-Fraktion das Wort
ergreifen kann. – Ich erteile das Wort.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eue mich sehr, dass wir heute auf der Grundlage der ppositionsanträge zu einer Tageszeit über das Thema rävention und Gesundheitsförderung sprechen, die verpricht, dass die Debatte öffentlich wahrgenommen ird. Wir wollen einerseits klarmachen, welche Chan en vernünftige und vernetzte Präventionskonzepte für ie nachhaltige Gesundheitsentwicklung in Deutschland ieten, und andererseits, welcher enorm positive wirtchaftliche Effekt der Prävention zukommt. Viele Länder haben die Notwendigkeit, dies gesetzch zu regeln, erkannt. Deutschland gehört zu den wenien Industrienationen, die das bisher nicht gesetzlich gegelt haben. Dabei hat Ulla Schmidt eine Reihe von nläufen unternommen. Sie können sich sicher noch lle daran erinnern. Leider ist sie immer an der Blockade erjenigen gescheitert, die in diesem Plenum rechts siten. ir könnten hier – das muss man deutlich sagen – schon esentlich weiter sein. Leider habe ich nicht den Einruck, dass die jetzige Bundesregierung dieses Thema irklich ernst nimmt. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage vom ärz 2010 stand neben der Absage an eine Neuauflage ines Präventionsgesetzes wörtlich das gleiche Wolkige ie im Koalitionsvertrag. Da redet man von Analyse, ufklärung, Eigenverantwortlichkeit und bewährten rogrammen und Strukturen. Das ist alles richtig, aber es icht nicht aus. Die demografische Entwicklung in Deutschland, die ie noch als Grund für die Forderung nach einer Kopfauschale angegeben haben, ist für Sie offensichtlich icht Begründung genug, um beim Thema Prävention ndlich Ihre ideologischen Blockaden zu lösen. Alle Anäge, auch der der Grünen und der der Linken, machen eutlich, dass auf diesem Gebiet ein erheblicher Handngsdruck besteht, und zwar einerseits hinsichtlich der erbesserung der Strukturen und andererseits hinsichtch eines neuen Ansatzes, der die Lebenssituation der inzelnen in den Fokus rückt, der sich am Einzelnen rientiert und ihn dort abholt, wo er steht. Wir von der SPD haben einen sehr konkreten Antrag orgelegt. Er speist sich aus den Erfahrungen von Expernnen und Experten, die wir befragt haben. Sie haben ns sehr detailliert über die augenblickliche Situation im ereich Prävention in Deutschland informiert. Seit Jahn stellen wir fest, dass die Präventionslandschaft aus esprochen fragmentiert ist und sowohl Ziele als auch ielgruppen sehr uneinheitlich sind. Präventionsmaßahmen sind oft nicht aufeinander abgestimmt und desegen öfter ineffektiv. Wir wollen etwas gegen den Aktionismus tun, der in iesem Bereich zweifellos vorhanden ist. Mit schnellle Angelika Graf )

Angelika Graf (SPD):
Rede ID: ID1711804900

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


(Heinz Lanfermann [FDP]: Das täuscht!)


(Beifall bei der SPD)





(A) )

bigen Projekten und Modellprojekten erreicht man keine
Nachhaltigkeit vor Ort, schon gar nicht in der Fläche.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE])


Wir wollen dem sogenannten Setting-Ansatz, wonach
die Menschen in ihrem Umfeld abgeholt werden, mehr
Raum geben. Dieser Ansatz kommt bisher völlig zu
kurz. Die Kassen setzen aus Werbe- und Imagegründen
vor allem auf individuelle Präventionsmaßnahmen.
80 Prozent der Mittel werden in individuelle Maßnah-
men gesteckt, obwohl wir wissen, dass wir damit vor al-
lem diejenigen erreichen, die eh schon auf dem Präven-
tionstrip sind, die das verstanden haben. Diejenigen, die
am stärksten von Präventionsmaßnahmen profitieren
könnten und sie am dringendsten brauchten, erreichen
wir mit diesem Ansatz definitiv nicht. Das kann man
zum Beispiel im Kontext der zu häufigen Ablehnung
von Mutter-/Vater-Kind-Kuren sehen, aber auch in ande-
ren Bereichen. In der Lebenswelt in den Kindergärten,
Schulen und Stadtvierteln – insbesondere für alte Men-
schen sind die Stadtviertel wichtig – passiert viel zu we-
nig. Nur 8 Prozent der GKV-Mittel gehen in diesen Be-
reich der Prävention.

Auch ältere und alte Menschen müssen besser als bis-
her in ihrer Lebenssituation erreicht werden.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Das gilt insbesondere, wenn wir den typischen Alterser-
krankungen entgegentreten wollen. Bewegungsmangel
zum Beispiel hat katastrophale Folgen für das Knochen-
gerüst und das Herz-Kreislauf-System. Ernährungsmän-
gel und Fehlernährung sind ebenfalls Ursachen für kos-
tenintensive chronische Erkrankungen, die vermieden
werden könnten oder deren Eintreten hinausgezögert
werden könnte.

Damit möchte ich sagen: Auch bei alten Menschen
lohnt sich eine breit angelegte Präventionsmaßnahme,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


die das Leben vielleicht noch einmal lebenswerter
macht. Hier müssen Koordination, Lenkung und Evalua-
tion künftig eine wesentlich größere Rolle spielen. Der
schwache Setting-Bereich der heutigen Präventions-
strukturen macht besonders deutlich, wie wichtig eine
nationale Präventionsstrategie ist und wie richtig die
Forderung unseres Antrages nach einer Stiftung ist. Wir
wollen mit dieser Stiftung alle Akteure einbeziehen, so-
wohl den Bund, die Länder und Kommunen als auch alle
Sozialversicherungen inklusive der privaten Kranken-
versicherungen; sie sollen nicht außen vor bleiben. Wir
sind der Ansicht, dass dies eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Infolgedessen müssen sich alle Akteure an einen Tisch
setzen.

Ein nationales Institut für Prävention, das der Stiftung
untergeordnet sein soll, soll Richtlinien erarbeiten, quali-

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(C (D zierte Beratungsangebote für die Akteure anbieten, tandards für Qualitätssicherung und Evaluierung entickeln und die Einhaltung von Präventionszielen überachen. Dabei wollen wir um Gottes Willen keine Parallstrukturen. In dieses nationale Institut sollen die isher schon aktiven Organisationen wie zum Beispiel as Robert-Koch-Institut oder die Bundeszentrale für geundheitliche Aufklärung selbstverständlich integriert erden. Es geht also um eine bessere Koordination von räventionsmaßnahmen in Deutschland. Wir wollen diees ineffektive Nebeneinander stoppen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stärkung von issenschaft und Forschung. Forschung im Bereich der rimärprävention brauchen wir dringend. In alternden esellschaften wie der unsrigen muss Prävention ganz ben auf der Agenda der jeweiligen Bundesgesundheitsinister stehen. Ich bin sehr enttäuscht – das muss ich irklich sagen –, dass die Gesundheitsminister der jetzien Regierungskoalition das offensichtlich nicht so seen und die Zeichen der Zeit anscheinend nicht erkannt aben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!)


er Antrag der SPD gibt Ihnen ein sehr konkretes Kon-
ept an die Hand. Stellen Sie sich dem nicht in den Weg.
ir werden bei den Beratungen sehen, inwieweit Sie

ich in diese Richtung entwickeln.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711805000

Der nächste Redner ist Johannes Singhammer für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1711805100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Frau Graf, ein paar neue Gedanken statt alter Vor-
chläge wären ganz gut gewesen. Gesünder essen und
ehr Bewegung machen jeden Einzelnen in Deutsch-
nd gesünder und helfen, die Ausgaben der Kranken-
ersicherung zu senken. Das wissen wir. Wir verstehen
rävention deshalb als Gesundheitsförderung und nicht
ls Krankheitsbehandlung.


(Elke Ferner [SPD]: Deshalb tun Sie nichts?)


as ist das Beste für jeden Einzelnen – das wissen wir –,
ber auch für unser Land. Bei der Prävention fangen wir
icht am Punkt Null an. Die Lebenserwartung von Män-
ern und Frauen ist Gott sei Dank in den vergangenen
ahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Die Deutschen
erden immer älter, nur die Bundesgesundheitsminister
erden immer jünger.





Johannes Singhammer


(A) )


)(B)


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sorge macht uns,


(Elke Ferner [SPD]: Das macht uns Sorge? – Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause)


dass ein zunehmend großer Anteil der Bevölkerung an
sogenannten Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Er-
krankungen, Krebs, Diabetes mellitus, Allergien oder
Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates lei-
det. Ein erheblicher Teil dieser Erkrankungen wäre ver-
meidbar.


(Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Genau!)


Die Gründe für diese Erkrankungen sind teilweise nega-
tive Einflüsse aus der Umgebung, auch am Arbeitsplatz,
aber auch persönliches Fehlverhalten.

Darauf hat der Gesetzgeber schon seit längerer Zeit
nicht nur reagiert, sondern er hat auch sichergestellt,
dass wirksame Präventions- und Vorsorgeleistungen
durch die gesetzliche Krankenversicherung zur Ver-
fügung gestellt werden: Vorsorge- und Früherkennungs-
maßnahmen bei Schwangeren und Kindern sowie
bezüglich Krebserkrankungen, Gesundheits-Check-up,
Prophylaxe und Schutzimpfungen. Das alles ist nicht
neu. Diese sinnvollen Präventionsmaßnahmen funktio-
nieren und werden von niemandem infrage gestellt.

Das Problem ist allerdings, dass ein gewisser Teil der
Bevölkerung davon weniger Gebrauch macht als ein an-
derer.


(Elke Ferner [SPD]: Und warum?)


Dieser Teil der Bevölkerung ist uns besonders wichtig.
Dazu gehören beispielsweise die Kinder; denn sie haben
den größten Teil ihres Lebens noch vor sich.


(Elke Ferner [SPD]: Deshalb tun Sie nichts?)


Wenn 25 Prozent der Drei- bis Zehnjährigen nicht sport-
lich aktiv sind, dann gibt das Anlass zur Sorge. Wir wol-
len uns um diejenigen kümmern, die sich in Bezug auf
ihren Körper nicht so gut auskennen.


(Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Was tun Sie denn dafür?)


Bei denjenigen, die jeden Tag ins Fitnessstudio gehen
oder jeden zweiten Tag einen Sportverein besuchen und
sich gesund ernähren, ist alles wunderbar. Wir wollen
uns um diejenigen kümmern,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wann?)


die die notwendigen Informationen nicht haben, die ih-
ren inneren Schweinehund noch nicht einmal erkannt,
geschweige denn besiegt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb setzen wir auf Eigenverantwortung


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D nd warnen vor übertriebener Gesetzesgläubigkeit. Sie önnen doch nicht glauben, dass Sie in einem solchen öchstpersönlichen Bereich wie der Gesundheitsvororge allein mit einem Gesetz alles zum Besseren wenen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie diese Kinder denn zu Eigenverantwortung bringen?)


azu braucht es Information, Anreize, Motivation, Be-
hnung und Überzeugung.


(Lachen bei der SPD – Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Der weiß nicht, wovon er spricht!)


as ist das Richtige.

Wie das gut und erfolgreich funktioniert, wissen wir
och auch. Ich nehme als Beispiel einmal den Bereich
er Zahngesundheit. In diesem Bereich hat nachweisbar
ine besonders effektive Prävention stattgefunden, die in
en vergangenen Jahrzehnten zu besserer Zahngesund-
eit geführt hat. Noch in den 70er-Jahren war Zahnersatz
her die Regel. Heute, vier Jahrzehnte später, ist diese
egel für junge Erwachsene eher zur Ausnahme gewor-
en.


(Petra Crone [SPD]: Weil es eine ordentliche Prophylaxe gibt!)


uch bei der älteren Generation ist der Zahnverlust nicht
ehr vorprogrammiert. Gerade diese Erfolge in der
ahnprophylaxe zeigen doch, dass allein ein Gesetz
icht entscheidend wirkt.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist doch gesetzlich geregelt!)


ielmehr ist das Zusammenwirken der Leistungserbrin-
er, Ärzte und Patienten und eines geschickten Anreiz-
nd Überzeugungssystems entscheidend.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Also braucht man auch einen rechtlichen Rahmen!)


eshalb wollen wir die Gesundheitsförderung stärken.


(Elke Ferner [SPD]: Ich würde den Redenschreiber entlassen!)


Es gibt eine Vielzahl von erfolgreichen Projekten, um
as Thema Vorbeugung im Bewusstsein der jungen
enschen, vor allem der Jugendlichen, zu verankern.
h nenne die Präventionskampagnen der Krankenkas-

en und die Erziehung zur Gesundheit in den Kindergär-
n und Schulen, die bei den Ländern und Kommunen
egt. Ich nenne die erfolgreichen Maßnahmen in vielen
etrieben, um die Arbeitsgesundheit und die Arbeits-

icherheit voranzubringen.


(Elke Ferner [SPD]: In den Betrieben sind die Dreibis Zehnjährigen ja stark vertreten!)


h nenne die vielen Einzelprogramme und Maßnahmen
on kirchlichen und sozialen Institutionen, und ich
enne – stellvertretend für eine Vielzahl von erfolgrei-





Johannes Singhammer


(A) )


)(B)

chen Programmen der Bundesregierung – den Nationa-
len Aktionsplan „In Form – Deutschlands Initiative für
gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ mit über
100 Einzelmaßnahmen. Das zeigt, dass die Bundesregie-
rung gut zusammenwirkt. Ich nenne hier stellvertretend
das Bundesverbraucherschutzministerium und freue
mich, dass der Staatssekretär Gerd Müller hier anwesend
ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Tosender Applaus!)


Ich könnte noch vieles hinzufügen: den Nationalen
Krebsplan, den Aktionsplan zur Umsetzung der HIV/
Aids-Bekämpfungsstrategie. Jetzt ist es notwendig und
sinnvoll, alle Gutwilligen und diese vielen Kampagnen
und Strategien zusammenzubringen, die gemeinsame
Schlagkraft zu erhöhen und mit neuem Schwung in eine
neue Dimension der Prävention zu starten.

Dabei brauchen wir eines nicht: mehr Bürokratie,
neue Institutionen, die einen Finanzbedarf haben und bei
denen man sich erst einmal über die Abläufe, Geschäfts-
ordnung und Ähnliches streitet. Stattdessen brauchen
wir eine nationale Präventionskonferenz,


(Mechthild Rawert [SPD]: Da wird geredet, geredet, geredet! – Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Ohne Ergebnis, aber eine Konferenz!)


in der Bundes-, Landes- und kommunale Ebene sowie
die Sozialversicherungsträger, die Krankenkassen und
all diejenigen zusammengeführt werden, die in der Ge-
sundheitspolitik tätig sind.


(Elke Ferner [SPD]: Warum haben Sie das noch nicht gemacht in den letzten zwei Jahren?)


Wir brauchen – das sage ich nicht, um abzulenken,
sondern weil es um die gemeinsame Verantwortung aller
geht – insbesondere die Mitwirkung der Medien. Sie ha-
ben eine ganz entscheidende Aufgabe. Deshalb werden
wir sie bevorzugt einbinden.

Ich erinnere an die erfolgreiche Kampagne zur Ver-
ringerung der Zahl der Verkehrstoten. Bereits vor eini-
gen Jahrzehnten gab es eine Fernsehsendung zur Ver-
kehrssicherheit mit dem Titel Der 7. Sinn. Weil unsere
Autoingenieure besonders tüchtig waren und immer bes-
sere Autos bauten, vor allem aber weil mit dieser Kam-
pagne erreicht wurde, dass ein Umdenken eingesetzt hat,
ist die Zahl der Verkehrstoten um über zwei Drittel zu-
rückgegangen.


(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch nicht! Herr Singhammer, wenn Sie von etwas keine Ahnung haben, sollten Sie nicht darüber reden!)


Eine solche konzertierte Aktion mit den Medien streben
wir an. Wir brauchen sie, um Gesundheitsgefährdungen
nachhaltig zu bekämpfen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Dann müssen jetzt mehr Mittel in das Programm „Soziale Stadt“ gesteckt werden!)


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(C (D Dabei wollen wir folgende Ziele verwirklichen: Wir ollen Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe usgestalten, die Koordination der Maßnahmen zu Geundheitsförderung und Prävention sicherstellen, das remium einer nationalen Präventionskonferenz einrichn und die Motivation der Bevölkerung zu gesundheitsewusstem Verhalten durch gezielte und verständliche formationen stärken. Wir wollen unsere Anstrengun en auf die Verhinderung vermeidbarer, besonders belasnder und besonders teurer Krankheiten konzentrieren nd insbesondere bei jungen Menschen ansetzen. Die erfügungsund Entscheidungshoheit der sozialen Präentionsträger über die von ihnen eingebrachten Mittel ollen wir beibehalten. Es nützt überhaupt nichts, in einem Gesetzgebungserfahren einen Kompetenzstreit, wer was darf und wer elche Mittel einzubringen hat, vom Zaun zu brechen. as nützt dem einzelnen Versicherten gar nichts. (Elke Ferner [SPD]: In der jetzigen Situation nützt den bildungsfernen Schichten überhaupt nichts!)


eshalb werden wir uns an einem solchen Verfahren
icht beteiligen.

Jetzt komme ich SPD und den Grünen. Ihre Feststel-
ngen zielen auf eine zentralistische Institution ab,


(Elke Ferner [SPD]: Oh, Herr Singhammer!)


ie zwangsweise von allen Beteiligten finanziert wird
nd in einem langen, quälenden Prozess vermutlich vor
llem zu neuer Bürokratie und zu Abgrenzungs- bzw.
ompetenzstreitigkeiten führen wird.

Wir wollen nicht – das sage ich mit aller Deutlich-
eit –, dass Präventionsmaßnahmen ausschließlich über
eitragsmittel finanziert werden.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


in Präventionsgesetz darf nicht dazu dienen, dass sich
er Staat auf Kosten der Sozialversicherungsträger und
amit letztlich auf Kosten der Betriebe und der Arbeit-
ehmer bedient.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


as wollen wir nicht.


(Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Wir auch nicht! – Elke Ferner [SPD]: Wovon redet Herr Singhammer? Lesen bildet!)


Prävention betrifft das höchstpersönliche Verhalten
es Einzelnen. Entscheidend ist nicht, dass man ein um-
ngreiches und ausformuliertes Gesetzespaket schnürt.
ntscheidend ist vielmehr die Motivation der Bevölke-
ng. Dabei sind wir ein gutes Stück vorangekommen.
h danke allen, die sich daran beteiligt haben. Die Kam-

agne zur Motivation und Information der Bevölkerung
ur Förderung der Gesundheit wollen wir voranbringen.
abei werden wir die größten Erfolge erzielen.

Ich danke Ihnen.





Johannes Singhammer


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711805200

Das Wort hat nun Martina Bunge für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711805300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach Ihrer Rede, Herr Singhammer, muss ich sagen: Ge-
sundheitsförderung und Prävention werden in Deutsch-
land leider stiefmütterlich behandelt;


(Beifall der Abg. Dr. Marlies Volkmer [SPD])


auch Ihre Beispiele können darüber nicht hinwegtäu-
schen. Diese Themen werden unseres Erachtens völlig
zu Unrecht stiefmütterlich behandelt.

Wir sehen: In Deutschland hat sich die Lebenserwar-
tung seit 1871, seitdem sie dokumentiert wird, verdop-
pelt. Das ist ein großer Erfolg. Dieser Erfolg ist sicher
zum Teil auf den medizinischen Fortschritt zurückzufüh-
ren. Klar ist aber auch: Den allergrößten Anteil an der
Zunahme der Lebenserwartung hat die Medizin nicht.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Was?)


Bessere Hygiene, bessere Arbeitsbedingungen, bessere
und ausreichende Nahrungsmittel waren die entschei-
denden Größen für diesen Erfolg.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Lebensbedingungen der Menschen gesundheits-
förderlich zu gestalten, das ist der Schlüssel. Es gibt
folglich keinen Grund, die kurative bzw. behandelnde
Medizin so sehr in den Mittelpunkt des Gesundheitssys-
tems zu stellen, wie es gegenwärtig der Fall ist. Wir
brauchen endlich einen Paradigmenwechsel hin zu ei-
nem gesundheitsförderlichen, präventiven Gesundheits-
system und zu einer gesundheitsförderlichen Gesamt-
politik.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wer nun meint, die Lebensbedingungen, von denen ich
anfangs gesprochen habe, seien heutzutage in Deutsch-
land genügend gesundheitsförderlich gestaltet, der irrt ge-
waltig. Wer in Deutschland arm ist, stirbt zehn Jahre frü-
her. Dieser Unterschied in der Lebenserwartung ist weder
durch den unterschiedlichen Zugang zum Gesundheits-
system noch durch ein unterschiedliches Gesundheitsver-
halten ausreichend zu erklären, Herr Singhammer.

Ich sage das ganz deutlich in Richtung FDP: Den
Menschen individuell die Schuld am Kranksein zu ge-
ben, weil man meint, die Dicken müssten nur ein biss-
chen weniger essen und die Raucher müssten aufhören,
zu qualmen,


(Lars Lindemann [FDP]: Das wäre nicht schlecht!)


löst die Probleme nicht, die wir haben.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN – Rudolf Henke [CDU/CSU]: Aber es würde schon sehr helfen!)


as Gesundheitsverhalten erklärt die unterschiedliche
ebenserwartung bei Armen und Reichen nur zu einem
eringen Teil. Es sind die Verhältnisse.

Von Schwarz-Gelb haben wir keine ernstzunehmen-
en Initiativen zur Gesundheitsförderung und Prävention
u erwarten. Es wird wieder einmal eine Kampagne zu
rnährung und Bewegung geben. Herr Singhammer, das
aren hier Ihre ersten Worte. Ich zitiere einen Experten

us dem Sachverständigenrat zur Begutachtung des Ge-
undheitswesens, Rolf Rosenbrock, der bereits 2003
chrieb: Kampagnen entsprechen nicht mehr dem Stand
er gesundheitswissenschaftlichen Erkenntnisse. – Aber
iese Erkenntnis scheint bei der Bundesregierung noch
icht angekommen zu sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Umso erfreulicher ist, dass die Opposition tätig wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Oh!)


h denke, Herr Singhammer, wir brauchen ein Gesetz –
ber nicht für mehr Bürokratie. Entscheidend ist, was da-
nsteht. Ich sehe in den Anträgen der Opposition, die
ich nicht entgegenstehen, sondern eher ergänzen, auch

pulse. Diese Anträge sollten Sie bitte einmal lesen.
ann wüssten Sie vielleicht, worüber wir hier sprechen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Linke will Prävention weiterdenken. Dabei sind
rei Aspekte besonders wichtig.

Erstens. Gesundheit oder das Wohlbefinden der Men-
chen ist ein so hohes Gut, dass es ruhig etwas kosten
arf.


(Beifall bei der LINKEN)


s ist richtig, dass gute Gesundheitsförderung und nicht-
edizinische Primärprävention langfristig Kosten im
esundheitssystem einsparen können. Wir haben diesen
spekt aber nicht in unserem Antrag erwähnt, weil wir

uch dann Gesundheitsförderung und nichtmedizinische
rimärprävention favorisieren und massiv fördern wol-
n, wenn sie nichts einsparen würden. Der Mensch mit

einem Glück und Wohlbefinden muss im Zentrum un-
erer Überlegungen stehen.

Die wichtigsten Dinge im Leben – dazu gehören die
esundheit und das Wohlbefinden – dürfen nicht unter
ostenvorbehalt stehen.


(Beifall bei der LINKEN)


esundheitsförderung und nichtmedizinische Primärprä-
ention müssen ausreichend und sicher ausfinanziert
erden, beispielsweise zum Start mit 1 Milliarde Euro

n Bundeszuschuss jährlich, wie wir fordern.

Unser zweiter Punkt des Weiterdenkens. Gesundheit
nd das Wohlbefinden, aber auch das Leben an sich – also





Dr. Martina Bunge


(A) )


)(B)

die Lebenserwartung – sind so hohe Güter, dass wir es
nicht zulassen dürfen, dass sie in einem solch hohen
Maße davon abhängen, in welche Familie man zufällig
hineingeboren wird. Es widerspricht der Würde des Men-
schen, wenn wir zulassen, dass die Lebenserwartung ei-
nes Kindes aus einer sozial benachteiligten Familie zehn
Jahre geringer ist und die Gesundheit im Durchschnitt
deutlich schlechter ist als die eines Kindes aus einer be-
güterten Familie.

Gesundheitsförderung und nichtmedizinische Primär-
prävention sind geeignete Maßnahmen, die Auswirkun-
gen der sozialen Ungerechtigkeiten in unserem Land zu
vermindern. Wenn wir diesen Ansatz nicht nutzen, ha-
ben Gesundheitsförderung und Prävention ihren Sinn
verfehlt.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist natürlich klar: Gesundheitsförderung und Prä-
vention allein können das Problem der sozialen Unge-
rechtigkeiten nicht lösen. Die Lebensbedingungen für
alle im Land gesundheitsförderlicher zu gestalten, ist
eine Querschnittsaufgabe aller Politikfelder. Deshalb
müssen wir eine gerechtere Politik betreiben. Aber ich
denke, dafür brauchen wir eine andere Regierung. Mit
dieser wird das nicht zu machen sein.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Ich komme zum dritten wesentlichen Ansatz: Wir
stellen die Ressourcen und die Fähigkeiten der Men-
schen in den Mittelpunkt unseres Antrags. Gesundheits-
förderung bedeutet für uns ganz zentral, die Fähigkeiten
der Menschen zu stärken, damit sie ihr Leben selbstbe-
stimmt gestalten und ihre Anforderungen kreativ und zu-
friedenstellend lösen können.

Wir haben Vertrauen in die Menschen. Alle Men-
schen können ihr Leben so gestalten, dass sie sich damit
wohlfühlen. Das ist aber nur möglich, wenn die äußeren
Umstände es zulassen und die Menschen über ausrei-
chende Fähigkeiten und Ressourcen verfügen. An dieser
Stelle muss Gesundheitsförderung ansetzen. Dann ent-
stehen wirkliche Freiheit und Selbstbestimmung.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Selbstbestimmung entsteht aber nicht, indem man
soziale Ungerechtigkeiten weiter verstärkt, einen großen
Teil der Gesellschaft abhängt bzw. abschreibt und diese
Menschen dann auffordert, sich gesundheitsbewusst zu
verhalten und vernünftig zu ernähren. Das ist grotesk;
das ist keine logische Argumentation.


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich gilt unser Dank den Enthusiasten, die sich
vor Ort der Gesundheitsförderung und der nichtmedizi-
nischen Primärprävention widmen und sich mit tollen
Ideen und den richtigen Ansätzen bemühen. Die Ge-
sundheitsförderung krankt aber im wahrsten Sinne des
Wortes daran, dass sie nichts als Aktionismus ist. Das
war leider auch unter den vorhergehenden Regierungen
der Fall. Sie ist in diesem Zustand stecken geblieben.
Gutes versandet: Projekte werden nicht evaluiert, För-
dermittel nur zeitlich begrenzt vergeben, mal hier und
mal dort wird etwas initiiert.

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(C (D Wir brauchen eine flächendeckende und dauerhafte frastruktur der Gesundheitsförderung, die sich zwar an undeseinheitlichen Zielen orientiert, die aber entsprehend den unterschiedlichen Bedingungen in den Regioen von den Akteuren vor Ort gestaltet und weiterentwikelt wird. Um die äußeren Rahmenbedingungen dafür u schaffen, brauchen wir ein Präventionsgesetz. Es ist wichtig, dass diese Aspekte bei der Ausarbeing eines solchen Gesetzes berücksichtigt werden. Des alb sollten wir im Ausschuss noch einmal intensiv daber reden. Vielleicht fruchtet das dann. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711805400

Das Wort hat nun Erwin Lotter für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1711805500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! Viele Wege führen nach
om. Über das Ziel sind wir uns alle einig. Prävention
t unverzichtbar. Viele Krankheiten lassen sich durch
rävention vermeiden. Milliarden Euro ließen sich da-
urch jedes Jahr sparen. Die Belastung der Sozialsys-
me wird langfristig verringert.

Nicht einig sind wir uns über den Weg. SPD und
rüne fordern in ihrem Antrag ein Präventionsgesetz.
ir Liberale können die Notwendigkeit eines solchen
esetzes allerdings nicht erkennen. Denn es existieren
ereits zahlreiche erfolgreiche Präventionsprogramme.
icherlich können sie noch effektiver werden und ge-
auer auf Zielgruppen eingehen. Sie können noch inten-
iver dazu beitragen, das Bewusstsein für ein gesundes
eben zu fördern. Hierfür benötigen wir aber nicht
chon wieder ein Gesetz. Wir benötigen vielmehr eine
telligente Strategie.


(Elke Ferner [SPD]: Eine intelligente Strategie ist bei dieser Bundesregierung aber ausgeschlossen!)


Bekanntlich zieht jedes überflüssige Gesetz überflüs-
ige Bürokratie nach sich. Genau das wollen wir nicht.


(Beifall bei der FDP)


tattdessen müssen wir das Potenzial der bewährten In-
trumente noch besser nutzen als bisher. Das Bundes-
inisterium für Gesundheit entwickelt die Gestaltung

räventiver Maßnahmen kontinuierlich weiter. Dazu ver-
flichtet uns der Koalitionsvertrag. Dieser Verpflichtung
ommen wir selbstverständlich nach.


(Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Im Koalitionsvertrag steht nichts!)


Hören Sie einmal zu! Ich lobe Sie jetzt.





Dr. Erwin Lotter


(A) )


)(B)

Generell hat der Antrag der SPD viele Problemfelder
durchaus zutreffend umschrieben. Aber leider ziehen Sie
daraus die falschen Konsequenzen. Wem wäre denn mit
der von Ihnen geforderten Stiftung „Prävention und Ge-
sundheitsförderung“ gedient?


(Heinz Lanfermann [FDP]: Dem Stiftungsrat!)


Es wäre noch eine weitere bürokratische Ebene mehr,
die sich um einen Bereich kümmert, in dem Bund und
Länder bereits viel unternehmen. Was soll Ihre Forde-
rung, die Krankenkassen auf einen Mindestausgaben-
richtwert in Höhe von 10 Euro pro Versichertem festzu-
nageln? Ein ganzes Heer von Sachbearbeitern müsste die
Umsetzung dieses Richtwerts und gegebenenfalls die
Durchsetzung von Sanktionen überwachen.


(Elke Ferner [SPD]: Es gibt einen Gesundheitsfonds, Herr Kollege! Das kann man ganz einfach machen!)


Die diffus gehaltene Forderung, individuelle Programme
zurückzufahren und mehr Leistungen in den Bereich von
Settings zu investieren, ist nicht zielführend;


(Elke Ferner [SPD]: Sie haben eine sehr eingeschränkte Fantasie, Herr Lotter!)


denn die ganz persönliche, individuelle Situation ist im
Zweifel für den Erfolg von Prävention viel entscheiden-
der als Setting-Strukturen.


(Beifall bei der FDP – Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Haben Sie schon einmal wissenschaftliche Studien gelesen?)


Ich möchte jetzt nicht die unzähligen Programme auf-
zählen, die in den letzten Jahren – übrigens von allen
großen Parteien – initiiert worden sind. Die entschei-
dende Frage ist, ob diese Programme ihr Ziel auch errei-
chen.

Die Bundesregierung will, dass Prävention alle Versi-
cherten und alle Altersgruppen erreicht.


(Elke Ferner [SPD]: Das passiert eben nicht!)


Dazu benötigen wir die Setzung von Schwerpunkten.
Diese müssen dort liegen, wo die nachhaltigste Wirkung
zu erwarten ist.


(Elke Ferner [SPD]: Wer setzt denn die Schwerpunkte?)


– Warten Sie ab! – Auf einige dieser Schwerpunkte
möchte ich jetzt im Einzelnen eingehen.


(Elke Ferner [SPD]: Wer soll die denn setzen?)


Die Weichen für eine gesunde Lebensführung werden
im Kindes- und Jugendalter gestellt. Zu keiner Zeit ist
Prävention so wichtig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Genau! Eigenverantwortung! Das haben wir eben schon von Herrn Singhammer gehört!)


Die aktuellen Befunde sind alarmierend: 15 Prozent der
Kinder und Jugendlichen von 3 bis 17 Jahren sind über-

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(C (D ewichtig, 25 Prozent der 3bis 10-jährigen Kinder sind portlich inaktiv. Die Gefahr für diese Kinder, frühzeitig n Diabetes und Skeletterkrankungen zu leiden, ist hoch. ie Strategie für Kindergesundheit muss effektiver weren als bisher. Vor allem muss früher angesetzt werden. enn die ersten Symptome vorliegen, ist es fast schon u spät. Zur Vorbeugung kommt eine Reihe von Maßnahmen frage. urch Früherkennungsuntersuchungen für Kinder und ugendliche bis 18 Jahre könnten Risiken zeitig erkannt nd ein Gegensteuern möglich gemacht werden. (Elke Ferner [SPD]: Mehr Geld für die Ärzte! Wieder das Übliche! – Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Warum machen wir es dann nicht?)


(Elke Ferner [SPD]: Wer soll das machen?)


(Elke Ferner [SPD]: Nämlich?)


ehr als bisher müssen Lehrer, Ärzte und Eltern auf An-
eichen psychischer Erkrankungen achten. Die sprung-
aft angestiegene Rate an ADHS-Erkrankungen ist ein
arnsignal.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen die Lebensumstände der Familien mehr
den Blick nehmen als bisher. Gegebenenfalls muss

ine Erziehungsberatung angeboten werden. Viele fal-
che Weichenstellungen sowohl bei der physischen als
uch bei der psychischen Gesundheit entstehen durch
angelhafte Hilfen für überforderte Familien. Dieses
roblem ist besonders in den sozial schwächeren Teilen
er Bevölkerung verbreitet.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was schließen wir daraus?)


leiches gilt für Kinder und Jugendliche mit Migrations-
intergrund.


(Zuruf von der LINKEN: Sie werden benachteiligt!)


Wer hier wirksam helfen will, der setzt am besten bei
er Familie an. Bevor das Kind in den Brunnen gefallen
t, sollte man die Idee eines Elternführerscheins disku-
eren. Eltern sollten durch die Teilnahme an Kursen fit
emacht werden.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lotter, das wollen wir im Kinderschutzgesetz!)


in Elternführerschein ist ein Beitrag zur Prävention, zur
örderung der ersten Schritte im Leben eines Kindes zu
einem Wohl und dem seiner Eltern sowie zur Entlas-
ng öffentlicher Einrichtungen, etwa der schon heute

berlasteten Schulen, die später reparieren sollen, was
berforderte Eltern zuvor versäumt haben.

Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Ernährungs-
eratung. Wenn Kinder erst einmal an Adipositas leiden





Dr. Erwin Lotter


(A) )


)(B)

und von ihren Mitschülern verspottet werden, ist der Zug
schon fast abgefahren. Diese Beratung soll niemandem
aufgezwungen werden, wir können sie aber durch An-
reize attraktiv machen.


(Elke Ferner [SPD]: Welche?)


Warum sollte es nicht zum Beispiel Sachleistungen als
Bonus dafür geben, dass sich Familien beraten lassen
und ihre Kinder dadurch nachweislich gesünder ernäh-
ren? Das kann ein Fahrradhelm sein oder eine Jahresmit-
gliedschaft in einem interessanten Sportverein.


(Mechthild Rawert [SPD]: Wir haben ein Bildungspaket!)


Solche Leistungen, die die Krankenkassen übernehmen
müssten, werden sich langfristig mehr auszahlen, als in
einer überflüssigen Stiftung Angestellte zu beschäftigen.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wer informiert denn die Eltern über diese Leistungen?)


– Hören Sie bis zum Ende zu, dann werden Sie das alles
erfahren, was Ihnen noch unklar ist.


(Elke Ferner [SPD]: Ich fürchte, dabei wird nichts herauskommen!)


Wichtig ist auch, dass in Gemeinschaftseinrichtungen
wie Kindergärten, Schulen und Vereinen das Bewusst-
sein für Gesundheit gefördert werden muss. Natürlich
müssen diese Einrichtungen selber gesunde Ernährung
bereitstellen. Für diese Institutionen sind in den letzten
Jahren viele Aktionsprogramme entworfen worden.
Diese werden wir weiterführen und ergänzen.


(Elke Ferner [SPD]: Wer bezahlt?)


Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass bei Haus- und
Kinderärzten zuweilen die kurative Seite dominiert und
die präventive Seite ins Hintertreffen gerät. Hier sind die
Ärzte gefordert, um Prävention auf breiter Front durch-
zusetzen. Deshalb müssen wir das Engagement der
Haus- und Kinderärzte fördern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ein weiterer Schwerpunkt der Präventionsstrategie ist
die Gesundheitsförderung im Betrieb. Die meisten Un-
ternehmen wollen gesunde, tatkräftige Mitarbeiter. Sie
sind auch willens, sich für Prävention starkzumachen.
Leider ist festzustellen, dass sich die Krankenkassen
sehr unterschiedlich um Prävention bemühen. Gerade
kleine und mittlere Unternehmen haben es schwer, wenn
sie sich einer Vielzahl von Krankenkassen gegenüber-
sehen. Die Gestaltung von Gruppentarifverträgen für die
Beschäftigten eines Betriebes könnte dazu beitragen, die
Gesundheitsförderung zu intensivieren.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711805600

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Vogler von der Linksfraktion?

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(C (D (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die redet doch bei jedem Thema mit!)



Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1711805700

Ja.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711805800

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie mir die Zwi-

chenfrage gestatten.


Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1711805900

Immer gerne.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711806000

Sie haben gerade sinngemäß gesagt, dass es bei den

inder- und Jugendärzten noch ein unterentwickeltes
ewusstsein für Prävention und Gesundheitsförderung
ibt.

Ich war in der letzten Woche auf einer Veranstaltung
Essen. In der Essener Nordstadt, in den nördlichen
tadtbezirken, gibt es 10 000 Kinder und Jugendliche,
lso 10 000 junge Patientinnen und Patienten, und nur
och zwei niedergelassene Kinder- und Jugendärzte,
eil sich die Ärzte lieber in den südlichen Stadtbezirken
iederlassen, wo die Klientel attraktiver ist.


(Patrick Döring [FDP]: Ist das eine Lebensbeichte?)


Essener Norden leben viele Migrantinnen und Mi-
ranten und viele finanziell benachteiligte Familien.

Wie sollen diese zwei Kinder- und Jugendärzte, die
usammen 10 000 junge Patientinnen und Patienten in
er Kartei haben, über die Vorsorgeuntersuchungen hi-
aus, die sie durchführen, auch noch zusätzliche Präven-
onsangebote machen?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Deshalb machen wir ein Versorgungsgesetz!)


as sehe ich schon einmal gar nicht. Ich finde das gera-
ezu illusionär.


(Gisela Piltz [FDP]: Das ändern wir jetzt durch das Versorgungsgesetz!)


Wir haben gerade von allen anderen Rednerinnen und
ednern auch gehört,


(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Frage!)


ass anerkannt worden ist, dass die Präventionsmaßnah-
en vor allem diejenigen erreichen, die sie eigentlich
eniger brauchen. Im Essener Norden besteht aber ein

chter Bedarf. Wie stellen Sie sich vor, dass wir dort ak-
v werden können, um die Lebensbedingungen der
enschen dort, vor allem der Kinder und Jugendlichen,

u verbessern? Wir sollten den Kinder- und Jugendärz-
n nicht vorwerfen, dass sie ihren Job nicht ordentlich
achen.


Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1711806100

Vielen Dank. Ich dachte schon, es käme gar keine

rage mehr und Ihr Beitrag wäre nur ein Koreferat.





Dr. Erwin Lotter


(A) )


)(B)

Die Vorvorgängerin im Amt des Gesundheitsminis-
ters hat sich immer an dieses Rednerpult gestellt und er-
klärt, dass soundsoviele Milliarden Euro für die Versor-
gung zur Verfügung gestellt werden und alles bestens ist.
Es war unser Gesundheitsminister, Minister Rösler


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher denn jetzt?)


– Rösler, das sagte ich gerade –, der dieses Problem, dass
wir auf einen Ärztemangel zusteuern und in bestimmten
Regionen schon einen Ärztemangel haben, zum ersten
Mal beschrieben hat. Das wurde hier zum ersten Mal ar-
tikuliert. Es wurden jetzt auch Strategien entworfen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass wir statt über Prävention schon wieder über Versorgung reden!)


Wenn Sie sich unseren Entwurf des Versorgungsge-
setzes anschauen, dann sehen Sie, dass wir gerade dieses
Problem angehen, indem wir die Versorgung anders und
zielgenauer definieren und Ärzte über Anreize dazu
bringen wollen, sich auch in solchen Gegenden nieder-
zulassen. Unabhängig davon muss man die Ärzte natür-
lich informieren. Es muss sich für die Ärzte auch irgend-
wie rechnen, dass sie sich um Prävention bemühen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer mehr Men-
schen werden immer älter. Wir wollen ihre Lebensquali-
tät fördern. Durch körperliche und geistige Fitness wird
die Lebensfreude erhalten und werden die Krankenversi-
cherungen entlastet. Bewegung, gesunde Ernährung und
soziale Teilhabe schützen vor Demenz. Die präventiven
Potenziale in diesem Feld werden bei weitem nicht aus-
reichend genutzt. Ältere Menschen werden allerdings
seltener über das Internet oder über Institutionen ange-
sprochen. Hier können Initiativen über Wohnheime,
Kommunen oder auch kirchliche Gemeinden ansetzen.

Meine Damen und Herren, wir haben zahlreiche In-
strumente zur Prävention, die wir nur besser nutzen müs-
sen. Sehr wichtig ist die Bundeszentrale für gesundheit-
liche Aufklärung, die mehr Projekte für ältere und für
sozial benachteiligte Menschen starten könnte. Sehr
wichtig sind auch die Krankenkassen. Sie sind nach
§ 20 SGB V dazu berufen, sich um Maßnahmen der pri-
mären Prävention zu kümmern. Eine bessere Koordina-
tion zwischen den Kassen über Ziele und Maßnahmen
der Prävention scheint mir dringend erforderlich zu sein.
Die Kassen müssen schon aus Eigeninteresse stärker ini-
tiativ werden; denn jede vermiedene Krankheit spart
Geld und stärkt die Position der Kasse im Wettbewerb.

Zu einer erfolgreichen Strategie gehören für mich
noch zwei weitere Aspekte. Wir benötigen eine bessere
Bündelung von Informationen für Patienten. Je besser
Menschen informiert sind, desto eher übernehmen sie
Verantwortung für die eigene Gesundheit. Informationen
sollten über Ärzte, Schulen, Krankenkassen, Betriebe
und soziale Hilfsdienste so kanalisiert werden, dass sie

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(C (D ie Menschen nicht nur erreichen, sondern auch motivien. Außerdem benötigen wir bundesweit einheitliche ualitätsstandards für alle Arten von Präventionsleistunen. Dies würde auch den Kassen bei der Abstimmung rer Maßnahmen helfen. Die Standards sind zuverlässig inzuhalten. Daher brauchen wir so bald wie möglich ein inheitliches Verfahren zur Überprüfung der Wirkungen räventiver Leistungen. Für all dies benötigen wir weder ein Gesetz noch eine eue Behörde, sondern guten Willen und Einfallsreichm. Wichtig sind Anreizsysteme, (Elke Ferner [SPD]: Für die Ärzte! Klientelpolitik wie gehabt!)


in besserer Informationsfluss und eine bessere Koordi-
ation der Krankenkassen.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Informieren Sie sich mal in der Literatur!)


Wie ich eingangs sagte: Viele Wege führen nach
om. Die Liberalen möchten, dass wir den besten ein-

chlagen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711806200

Das Wort hat nun Maria Klein-Schmeink für die Frak-

on Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

en und Kollegen hier im Hause! Ich habe heute Morgen
ie Beratungen zu dem vorherigen Tagesordnungspunkt,
em Bundeskinderschutzgesetz, gehört. Da habe ich
rstmalig eine sehr konstruktive Debatte erlebt, bei der
h das Gefühl hatte: Alle hier im Saal wollen tatsächlich

u neuen Lösungen kommen.


(Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ CSU])


as würde ich mir für die Prävention in gleicher Weise
ünschen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU])


ntsprechende Äußerungen habe ich heute bislang von-
eiten der Regierungskoalition leider noch nicht gehört.
as finde ich schade.

Man sieht anhand der drei Anträge, die wir hier in den
undestag eingebracht haben, dass sehr konstruktive
orschläge auf den Tisch gelegt worden sind. Sie sind in
eilen unterschiedlich – man muss auch nicht alle An-
ichten teilen –, aber die Richtung ist im Grunde klar:

ir müssen mehr für die Prävention tun. Wir müssen
ehr für die Gesundheitsförderung tun. Das dürfen wir

icht einfach nur dem Wettbewerb der Krankenkassen





Maria Klein-Schmeink


(A) )


)(B)

überlassen oder aber daraus nur eine Sonntagsrede ma-
chen. So ist es aber bislang. So dürfen wir nicht weiter-
machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Wir haben heute relativ wenig Fakten und Zahlen be-
müht. Ich habe mir einmal angesehen, wie viel wir für
die Gesundheit ausgeben, und zwar über alle Sozialleis-
tungsträger gesehen. Das sind ungefähr 270 Milliarden
Euro. Wir geben gerade einmal 2,3 Prozent dieser
Summe für Prävention und Gesundheitsförderung aus.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist ungeheuerlich!)


Genau das zeigt, wo derzeit die Schieflage ist. In dieser
Art und Weise können wir nicht weitermachen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Herr Singhammer und Herr Lotter, zu diesem Thema
hätte ich mir ein paar konkretere Hinweise gewünscht.
Sie haben gesagt: Im Grunde genommen ist alles, so wie
es ist, gut. Wir müssen noch ein bisschen mehr Kampa-
gnen machen und mehr guten Willen zeigen. Wir müssen
mehr Fantasie aufbringen und sehen, dass wir das eine
oder andere besser bündeln. Dann haben wir genug ge-
tan. – Dazu kann ich nur sagen: Das reicht nicht.

Viele von Ihnen dürften auch in den Kommunen aktiv
sein und vielleicht auch Kommunalpolitik gemacht ha-
ben. In den Kommunen sehen Sie, dass die Realität eine
vollständig andere ist. Die Menschen, die über die ge-
ringsten Chancen auf Gesundheit und über wenig Bil-
dung verfügen, werden von den Präventionsmaßnahmen
bislang nicht erreicht. Da, wo in sozialen Brennpunkten
für diese Gruppen Projekte entwickelt und mühselig
finanziert werden, stellt sich nach zwei Jahren die Frage:
Wie wird dieses Projekt weiterfinanziert? Das ist heute,
zwölf Jahre nachdem wir Gesundheitsförderung und
Prävention ins Gesetz geschrieben haben, immer noch
die Realität. Das müssen wir ändern. Da sind wir alle ge-
fragt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn jetzt festgestellt wird, dass ein Richtungs- und
Prioritätenwechsel notwendig ist, dann muss er auch tat-
sächlich angegangen werden. Wir werden nicht darum
herumkommen, entsprechende gesetzliche Regelungen
zu schaffen. Hier ist immer wieder davon die Rede, ein
Präventionsgesetz werde als Wert an sich bemüht und
nur zu mehr Bürokratie führen. Das Gegenteil ist der
Fall: Wir haben jetzt sehr viel Stückwerk, Leerlauf und
Bürokratie für Kleinstprojekte. Das ist die Realität, und
das müssen wir angehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie könnten dabei auf alle Vorschläge zurückgreifen,
die wir vorgelegt haben. Wir haben Vorschläge dazu ge-
macht, wie man Bund, Länder und Kommunen an einen

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(C (D isch bringen kann. Der Wille dazu ist in den Ländern nd Kommunen vorhanden. Das ist kein Problem. Ihnen rennen nämlich die Probleme auf den Nägeln; sie könen sich ihnen nicht entziehen. An dieser Stelle sind wir efragt, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit eine erbindliche Finanzierungsgrundlage, Aufgabenzuteing und Aufgabenstellung zustande kommen. Das ist nsere Aufgabe in diesem Saal und nirgendwo anders. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist das eine. Das andere ist: Auch bei den ver-
chiedenen Bemühungen der Krankenkassen müssen wir
ststellen, dass die bruchstückhafte Finanzierung, die
ir derzeit haben, sogar noch rückläufig ist. In der Zeit
er Großen Koalition sind Sie nicht vorangekommen,
bwohl Sie versprochen hatten, endlich etwas zu tun.
o aber sind wir gelandet? Im Stillstand.

Aber unter Schwarz-Gelb sind wir derzeit nicht ein-
al im Stillstand; wir machen sogar Rückschritte.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Na, na, na!)


as ist die Realität, die Sie zur Kenntnis nehmen müs-
en. Die Ausgaben für Prävention sind derzeit niedriger
ls noch im Vorjahr. Sie werden in Zeiten von Zusatzbei-
ägen im nächsten Jahr weiter rückläufig sein. Das wis-
en wir schon heute. Das muss doch Grund sein, uns
ngsam darüber Gedanken zu machen, wo wir eigent-
ch hinwollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


ieser Aufgabe müssen Sie alle sich stellen. Sie können
icht einfach unterstellen, dass wir irgendeine bürokrati-
che Idee im Kopf haben. Darum geht es nicht. Es geht
ielmehr darum, eine vernünftige Grundlage zu schaf-
n.

Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben, können
ie ihn gerne vorlegen. Dazu werden wir, hoffe ich, in
er nächsten Zeit Gelegenheit haben.

So viel als Eingangsbemerkung. Gemessen daran,
as wir beim Thema Kinderschutz erlebt haben, wären

uch beim Thema Prävention konstruktivere Schritte nö-
g.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Dann hätte Ihre Kollegin aber anders einsteigen sollen!)


Es geht nicht darum, wer wie anfängt. Jeder hat es in
er Hand – Sie reden ja gerne von Eigenverantwortung –,
en Stil zu ändern.

Ich möchte aber auf den jetzigen Stand zu sprechen
ommen. Derzeit haben wir ein Wirrwarr von Zustän-
igkeiten. An dieser Stelle können wir ansetzen. Dafür
rauchen wir das Präventionsgesetz. Wir haben keine
tabile Finanzierungsgrundlage. Auch dafür brauchen





Maria Klein-Schmeink


(A) )


)(B)

wir eine gesetzliche Regelung, wie auch immer Sie das
dann nennen. Das können Sie ja anders machen.

Darüber hinaus brauchen wir aber auch vernünftige
Strategien. Denn derzeit haben wir in der Tat verschie-
dene Strategien, vor allem Marketingstrategien der
Krankenkassen; sie werden aber nicht zusammen be-
trachtet. Das muss sich ändern. Wir müssen die Grundla-
gen dafür schaffen und bestehende Initiativen wie „In
Form“ auf eine breite Plattform stellen. Wir brauchen
eine Übereinkunft darüber, dass das unser gemeinsames
Programm auf allen Ebenen ist.


(Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ CSU])


Das müssen wir als nationale Strategie ergänzend zu
dem gestalten, wofür wir die gesetzlichen Grundlagen
schaffen.

Diese Visionen brauchen wir. Diese Aufgaben müs-
sen wir angehen. Das können wir nicht einfach aussit-
zen, indem nur ein bisschen analysiert wird, was derzeit
vorhanden ist, und allenfalls der Beitragsanteil pro Ver-
sicherten weiter angehoben wird. Das kann nicht die Lö-
sung sein. Wir brauchen vielmehr eine Gesamtstrategie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Wenn Sie, wie es vorhin der Fall war, versuchen, sich
mit dem Hinweis auf die persönliche Eigenverantwor-
tung herauszureden, dann ist das keine geeignete Strate-
gie. Sie alle wissen: Prävention und Gesundheitsförde-
rung sind Instrumente gegen die soziale Schieflage. Das
ist auf allen Ebenen bekannt. Diesem Thema müssen wir
uns stellen. Das können wir nicht, indem wir nur an die
Eigenverantwortung appellieren. Das ist ein Rückschritt
und führt in die Sackgasse. So werden wir nicht weiter-
kommen.

Befassen Sie sich mit unseren Vorschlägen, die wir
vorgelegt haben, statt sich an einer aus meiner Sicht zen-
tralistischen Stiftungslösung abzuarbeiten, und ziehen
Sie auch die anderen Ansätze heran, die Ihnen aufge-
zeigt wurden.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Da bleibt auch vieles im Vagen!)


Gehen Sie mit uns in die Debatte und schauen Sie, dass
Sie noch in diesem Jahr etwas auf den Weg bringen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711806300

Das Wort hat der Kollege Henke für die Unionsfrak-

tion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1711806400

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich bin Ihnen
dankbar, Frau Klein-Schmeink, dass Sie sich von den

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(C (D nträgen der Opposition – eben wurde gesagt, dass sich iese ergänzten und im Prinzip eine Einheit bildeten – twas gelöst haben und das Ganze etwas differenzierter etrachten. Ich halte das für richtig. Ich komme gleich uf den von Ihnen angesprochenen Ansatz zurück. Ich ill aber zuerst sagen: Die Akzente der Oppositionsanäge, die Sie uns bisher präsentiert haben, sind nichts nderes als ein Werben für die nichtmedizinische Priärprävention, die Sie gewissermaßen gegen ärztliche räventionsbemühungen und Präventionsbemühungen er Pflegekräfte stellen. Sie stellen hier eine Polarität er. (Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)


ie machen eine Front zwischen Prävention einerseits
nd Behandlung andererseits auf.


(Elke Ferner [SPD]: Sie machen eine Front auf!)


Lesen Sie doch Ihren Antrag! – Sie versuchen, das ge-
eneinander auszuspielen. Sie stellen Aspekte der Insti-
tionalisierung in den Vordergrund. Sie machen eine
ront zwischen sozialen Schichten auf.


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Sie machen die mit Ihrer Politik auf!)


Verehrter Kollege Weinberg, Sie von der Linken dis-
reditieren ganz bewusst individuelle Anstrengungen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


eil Sie die Eigenverantwortung in Misskredit bringen
ollen. Reden Sie nicht! Lesen Sie Ihren eigenen An-
ag!

Ich darf aus dem Antrag der Linken zitieren:

Die bisher hauptsächlich angewendete Prävention
… mündet zumeist im Versuch von Verhaltensände-
rungen durch Informationskampagnen. Sie blendet
die gesellschaftliche Realität und Verantwortung
sowie die individuelle Situation der Menschen aus.

un kommt der entscheidende Satz:

Diese Form der Prävention ist daher nicht nur zu-
meist unwirksam

Sie erklären damit also die Kampagnen für Zahnge-
undheit, die Aidskampagne, die Maßnahmen zur Herz-
reislauf-Prävention und alle anderen Anstrengungen
er Institutionen, die etwas für die Verbreitung von prä-
entiven Ansätzen in der bürgerlichen Zivilgesellschaft
n, für unwirksam –,

sondern vergrößert oft die soziale Schere in der Ge-
sundheit.

Das ist in logischer Hinsicht Unsinn. Entweder ist
iese Form der Prävention unwirksam – dann kann sie
icht die soziale Schere vergrößern –, oder sie wirkt sich
uf die soziale Schere aus. Dann kann sie aber nicht un-
irksam sein. Einen solchen unlogischen Unsinn ist man
on der Linken ja gewohnt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Rudolf Henke


(A) )


)(B)

Ich komme auf die Potenziale der Prävention zurück.
Frau Klein-Schmeink, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie
daran erinnert haben, welche Rolle in der aktuellen De-
batte auch das Bundeskinderschutzgesetz spielt. Auch in
der gestrigen Debatte über die Energiepolitik und insbe-
sondere über das Ende der Kernenergie in Deutschland
sind wir letzten Endes gesundheitspräventiven Erwägun-
gen gefolgt.


(Elke Ferner [SPD]: Ach?)


– Doch! – Der Gedankengang ist folgender: Bei der Ha-
varie eines Kernkraftwerks drohen derart große Gefah-
ren für Leib und Leben vieler Menschen,


(Elke Ferner [SPD]: Das hat Sie im letzten Jahr nicht gestört, die Laufzeiten zu verlängern!)


und die medizinischen Möglichkeiten der Heilung von
Strahlenopfern sind so gering, dass wir dieses Risiko
nicht länger in Kauf nehmen wollen. Eine Havarie
– diese Möglichkeit wurde bis dato zumindest von uns
als gering empfunden – kann also doch plötzlich eintre-
ten. Das ist die Botschaft der Bilder von Erdbeben, Tsu-
nami und der Kernschmelze in Japan. Wir gestalten nun
unsere Energieversorgung in weiten Teilen neu, um das
Risiko der bei einer Havarie drohenden Gesundheits-
schäden auszuschalten. Das ist der Kern dessen, was wir
gestern entschieden haben. Es geht um eine gesundheits-
verträgliche Energieproduktion.

Als Arzt wünsche ich mir, dass wir die Sensibilität,
die Aufmerksamkeit, die Fantasie und die Handlungsbe-
reitschaft, die wir mit den gestrigen energiepolitischen
Entscheidungen unter Beweis gestellt haben, um die Ge-
sundheit von Menschen, Tieren und Natur zu schützen,
auch gegen Gefahren einsetzen, die uns alle ebenso un-
mittelbar betreffen. In unserem Land sterben im Jahr
mehr als 100 000 Mitbürger vor der Zeit an den Folgen
des Rauchens. 40 000 Mitbürger sterben vor der Zeit an
den Folgen maßlosen Konsums von Alkohol.

Ohne die epidemieartige Ausbreitung – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711806500

Kollege Henke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Klein-Schmeink?


Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1711806600

Ich möchte den Gedanken gern noch zu Ende führen,

und dann gestatte ich das gerne.

Ohne die epidemieartige Ausbreitung der Adipositas,
also des krankhaften Übergewichts, wären mindestens
zwei von drei Zuckerkranken gesund. Wir haben in den
letzten 30 Jahren, je nach Zählung, das metabolische
Syndrom, also die Konsequenz aus Bewegungsarmut
und Überernährung, in einer Weise entwickelt, dass wir
von der Verursachung etlicher Zivilisationskrankheiten
sprechen müssen. Es ist eine blanke Illusion, zu glauben,
dass man das mit der Schaffung bloßer Institutionen be-
seitigen kann. Dazu braucht man vielmehr einen gesell-
schaftlichen Bewusstseinswandel, der beim Einzelnen,
bei seiner persönlichen Verantwortung, ansetzt. Jeder ist

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(C (D ufgefordert, dabei mitzumachen und sich daran zu beiligen. Ist der Satz jetzt beendet? Ja. Frau Klein-Schmeink, dann stellen Sie bitte Ihre Zwi chenfrage. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711806700
Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1711806800
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711806900
Herr Henke, Sie haben gerade sehr anschaulich die

olgen von gesundheitsschädlichem Verhalten aufge-
eigt. Wir wissen doch durch viele Projekte, dass man
erade Personen, die dieses Gesundheitswissen in der
egel nicht haben, die in der Familie ungünstige Verhal-
nsweisen erlernt haben, durch settingbezogene, lebens-
eltbezogene Ansätze gut erreichen kann, also eben
icht durch individuelle Maßnahmen.


(Beifall der Abg. Elke Ferner [SPD])


aben Sie sich unsere Anträge angeschaut?


(Elke Ferner [SPD]: Nein!)


inden Sie nicht selber, dass man daran arbeiten sollte,
iese Ansätze in der Fläche, vor Ort, vor allen Dingen in
en Kommunen stabil und verlässlich zu verwirklichen?
enau darüber haben wir eben beim Kinderschutzgesetz
gleicher Weise diskutiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1711807000

Ich habe mir Ihre Anträge Wort für Wort vorgenom-

en. Mein Eindruck, Frau Kollegin Klein-Schmeink, ist,
ass das Bundesministerium für Gesundheit mit großer
nergie und in enger Abstimmung mit den anderen Res-
orts der Bundesregierung an einer nationalen Präven-
onsstrategie arbeitet und dass sämtliche Gedanken, die
diesen Anträgen formuliert sind – jenseits der Frage

er Form der Institutionalisierung, ob es eine Stiftung
erden soll oder welche Gremien auch immer man

chaffen will –, in diese Strategie einfließen. Ich bin
ankbar dafür, dass wir mit der Entwicklung dieser Stra-
gie eine weitere Chance haben, über die Notwendig-
eiten zu diskutieren.

Wenn man auf die letzten 30 Jahre zurückblickt, er-
ennt man, dass wir, je nach Zählung, 15 bis 30 – man-
he sprechen sogar von 50 – Gesundheitsreformen erlebt
aben. Dabei ist es fast immer um die Frage gegangen,
ie viel Geld wohin fließt. Das hat etwas mit einer Miss-
terpretation der eigentlich zugrunde liegenden Ursa-

hen für die Kostenentwicklung im Gesundheitsbereich
u tun.


(Lars Lindemann [FDP]: Sehr richtig!)






Rudolf Henke


(A) )


)(B)

Wir interpretieren diese Kosten oft ausschließlich als
Folge des demografischen Wandels und des zunehmen-
den Alters, als Folge des medizinisch-technischen Fort-
schritts, als Folge der Arzneimittelentwicklung oder als
Folge der Einkommen der Gesundheitsberufe.

Ich frage: Ist die Kostenentwicklung in Wahrheit
nicht eine Folge unseres sitzenden Lebensstils, unserer
Überforderung mit geistig-emotionaler Dauerreizung,
für die wir als ehemalige Savannenläufer nicht konstru-
iert sind?


(Beifall des Abg. Lars Lindemann [FDP])


Für übertriebenen Sport sind wir übrigens ebenso wenig
konstruiert wie für ständiges Sitzen. Das Leitbild kann
also auch nicht der Marathonlauf für jeden Untrainierten
sein; denn auch das stellt eine Art Überreizung und
Überforderung dar. Die Art, wie wir essen, wie wir trin-
ken, wie wir uns bewegen oder vielmehr nicht bewegen,
hat vielleicht mehr Einfluss auf unsere Gesundheitsauf-
wendungen als alle Forderungen der Gesundheitsberufe
zusammen.

Natürlich gibt es auch riesige Einflüsse des sozialen
Eingebettetseins,


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Problem, an dem wir arbeiten müssen!)


der Selbstwertvorstellung und der Gedanken zur Sinn-
haftigkeit des Lebens auf die Gesundheit.

Eine kleine Nebenbemerkung. Welche Entwicklung
wir im Hinblick auf dieses Eingebettetseins erleben, wie
nämlich Krankenkassen mit den Mutter-/Vater-Kind-Ku-
ren umgehen, wie sie die in den letzten zwei Jahren zu-
sammengestrichen haben, ist unglaublich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Was tut das Ministerium dagegen?)


Man muss sich auch manchmal fragen, ob das, was im
Zusammenhang mit der City BKK passiert ist – ich
meine den Umgang mit den Versicherten, die man nicht
haben will –, in anderen Entscheidungsfeldern der Kas-
sen ähnlich wirksam ist. Ich stelle das nur als Frage in
den Raum.

Ich sage voraus: Der vermeintliche Kostenfaktor Ge-
sundheit wird künftig der entscheidende Produktionsfak-
tor für die Wirtschaft in der Informationsgesellschaft
sein, weil eine umfassende, also auch sozial und seelisch
spürbare Gesundheit eine Hilfe für jedermann im pro-
duktiven Umgang mit Wissen ist. Deswegen glaube ich,
dass wir Gesundheit nicht nur als individuelle Verant-
wortung verstehen dürfen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Deswegen finde ich es auch richtig, wenn wir darüber
reden, wie wir die Möglichkeiten betrieblicher Gesund-
heitsförderung ausbauen können.


(Elke Ferner [SPD]: Es sind doch nicht alle in einem Betrieb! – Maria Klein-Schmeink K P G n tr b n g s te je s L d g m fü s B A w w d s D ti N g h (C (D [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Arbeitslosen?)


Ich stelle auch fest, dass es Betriebe, Unternehmen,
onzerne und auch Mittelständler gibt, die genau diesen
unkt erkannt haben und deswegen in ihrer konkreten
esundheitsförderung über die gesetzlichen Pflichten hi-
ausgehen. Sie haben das als einen Faktor für ihren be-
ieblichen Erfolg erkannt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der größte Bonus, den Gesundheitsförderung liefert,
esteht nicht darin, dass die Kasse jemandem, der an ei-
em Kurs teilnimmt, 10 Euro Praxisgebühr erlässt. Der
rößte Bonus besteht darin, dass wir uns durch mehr Ge-
undheit die Chance auf Teilhabe am Leben besser erhal-
n können. Das ist der Grund dafür, dass der Einzelne
nseits aller institutionellen Anreize für sich einen Rie-

engewinn macht – in der Lebenserwartung und in der
ebensgestaltung.


(Elke Ferner [SPD]: Jetzt doch wieder Eigenverantwortung!)


Wenn wir das zum Anlass nehmen, die Debatte über
ie nationale Präventionsstrategie, die die Koalition an-
ekündigt hat,


(Elke Ferner [SPD]: Wann kommt die denn?)


it genügend Ernst und mit genügend Sachverstand zu
hren,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden um gesetzliche Regelungen nicht herumkommen!)


tatt alte Ideen, die schon in 13 Jahren rot-grün geführten
MGs nicht umgesetzt worden sind, in einem zweiten
ufguss zu präsentieren,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie noch einmal in unseren Antrag hinein!)


enn wir das schaffen,


(Elke Ferner [SPD]: Sie schaffen gar nichts!)


enn wir dabei die Polarisierung überwinden, dann wür-
en wir der Gesundheitsprävention, unserer Volkswirt-
chaft und den Menschen in Deutschland einen großen
ienst erweisen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711807100

Das Wort hat die Kollegin Ferner für die SPD-Frak-

on.


(Beifall bei der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1711807200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

achdem man die Wortbeiträge vonseiten der Koalition
ehört hat, weiß man nicht so wirklich, ob Sie sich über-
aupt einig sind, ob Sie sich auch nur in der Unionsfrak-





Elke Ferner


(A) )


)(B)

tion einig sind. Herr Henke sagte eben: Wir machen eine
nationale Präventionsstrategie. Herr Singhammer will
eine nationale Präventionskonferenz.


(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das eine ist das Mittel für das andere!)


Herr Lotter und auch Herr Singhammer setzen auf mehr
Eigenverantwortung. Das ist Chaos pur. Sie haben keine
gemeinsame Linie,


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Das haben Sie auch nicht!)


außer der, dass Sie ideologisch verbrämt gegen ein Prä-
ventionsgesetz sind. Darin sind Sie sich einig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Rudolf Henke [CDU/CSU]: Und Sie sind auf ein Gesetz festgenagelt!)


Damit entscheiden Sie sich dagegen, die demografi-
schen Herausforderungen, die in unserem Gesundheitswe-
sen unbestreitbar vorhanden sind, schon heute anzugehen.
Sie entscheiden sich dagegen, die Volksgesundheit zu
verbessern. Sie entscheiden sich gegen eine bessere Le-
bensqualität für den oder die Einzelne. Sie entscheiden
sich auch dagegen, Krankheiten und Pflegebedürftigkeit
zu vermeiden oder zumindest zu verzögern. Das ist die
Blockade, die Sie bis jetzt gemacht haben.

Sie haben bisher noch nichts vorgelegt. Sie regieren
schon fast zwei Jahre. Vor allen Dingen entscheiden Sie
sich auch dagegen, Kostensteigerungen, die wegen des
demografischen Wandels zu erwarten sind, zu bremsen.
Das ist Ihre Entscheidung.

Ich sage Ihnen: Ohne eine nachhaltige und flächende-
ckende Gesundheitsprävention können die Gesund-
heitschancen der bildungsferneren Schichten nicht ver-
bessert werden.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Dazu brauchen wir kein Gesetz!)


Es ist für meine Begriffe zynisch, dort von Eigenverant-
wortung zu reden, wo weder die Mutter noch der Vater
wissen, wie man ein gesundes Essen zubereitet, die Kin-
der keinen Sport treiben, wenig Bewegung haben und
zudem noch ungesund ernährt werden.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Elternführerschein!)


Auf Eigenverantwortung zu setzen, funktioniert doch
überhaupt nicht.


(Beifall bei der SPD – Rudolf Henke [CDU/ CSU]: Trotzdem haben die Eltern eine eigene Verantwortung!)


– Natürlich haben die Eltern eine Verantwortung. Wenn
die Eltern diese Verantwortung aber nicht wahrnehmen,
sagen wir dann einfach: „Dann haben die Kinder eben
Pech gehabt; darum kümmern wir uns nicht“?


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Die müssen fit gemacht werden!)


Wer hat denn bei unseren Diskussionen über die Rege-
lungen im Rahmen der SGB-II-Reform verhindert, dass

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(C (D ozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, die diesen Beich hätten übernehmen können, vom Bund finanziert erden? (Lars Lindemann [FDP]: Frau Ferner, wir haben das Gefühl, dass auch Sie überfordert sind!)


er hat das denn verhindert? Das waren Sie, nicht wir.


(Beifall bei der SPD)


Ich sage Ihnen: Solange Sie sich weigern, bei den Le-
enswelten der Menschen anzusetzen, so lange wird es
eine vernünftige Präventionsstrategie geben. Sämtliche
aßnahmen bringen nichts, wenn ich nicht da hingehe,
o die Kinder sind, oder wenn ich darauf warte, dass die
ltern zum Arzt gehen, wobei die Ärzte ein zusätzliches
onorar für eine Präventionsberatung bekommen. Sie
aben eben wieder deutlich gemacht, dass Sie reine
lientelpolitik für Ärztinnen und Ärzte betreiben. Sie
n aber nichts für diejenigen, die eine vernünftige Ge-

undheitsprävention brauchen.


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/ CSU und der FDP)


as sieht man auch bei einem Blick auf den Bundes-
aushalt. Mit Ihren Stimmen sind die Präventionsmittel

letzten Bundeshaushalt gekürzt worden. Ich bin ge-
pannt, wie das Ganze für den Bundeshaushalt 2012 aus-
ehen wird.

Ich kann mich doch nicht hier herstellen und bejam-
ern, dass es Menschen gibt, die sich nicht so verhalten,
ie sie sich eigentlich verhalten müssten,


(Lars Lindemann [FDP]: Jammern tun nur Sie!)


enn ich gleichzeitig die Mittel für Information usw. zu-
ckschneide. Das, was Sie machen, ist, gelinde gesagt,

errückt. Ich sage Ihnen auch: Es gibt Menschen, bei de-
en Information alleine nicht ausreicht. Sie brauchen
uch eine Begleitung.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Zwangsweise?)


Nein, nicht zwangsweise.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Sondern?)


s reicht aber doch nicht aus, eine Informationskampa-
ne zu starten, von der die meisten überhaupt nichts mit-
ekommen, und dann zu sagen: Wer informiert ist und
ichts tut – selber schuld. So kann Politik doch nicht mit
iesem Problem umgehen.

Wir müssen in die Kitas und in die Schulen. Zur Not
üssen wir auch mit dem Jugendamt – das wurde heute

ereits in der Debatte zum Kinderschutzgesetz gesagt –,
it Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, über die Ju-

endhilfe in die Familien, damit Kinder entsprechend
efördert werden können. Damit fängt es an.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Aber Kinder lesen keine Paragrafen!)


Aber auch bei den Erwachsenen kann man etwas tun.
an kann natürlich feststellen: Die betriebliche Präven-





Elke Ferner


(A) )


)(B)

tion ist in Teilen sehr gut. Dabei handelt es sich aber im
Wesentlichen um die großen Betriebe. Viele Menschen
arbeiten jedoch in kleinen Betrieben, in denen die be-
triebliche Gesundheitsprävention nicht oder nur sehr un-
zureichend erfolgt. Es soll sogar Menschen geben, die
gar nicht in einem Betrieb arbeiten. Was ist mit Selbst-
ständigen? Was ist mit Rentnerinnen und Rentnern? Was
ist mit Arbeitslosen? Diese Gruppen erreiche ich nicht
über die betriebliche Prävention. Insofern ist das, was
Sie hier gesagt haben, viel zu kurz gesprungen.


(Beifall bei der SPD)


Ich sage Ihnen auch: Die Einführung der Kopfpau-
schale ab dem 1. Januar dieses Jahres wird im Ergebnis
dazu beitragen, dass die Krankenkassen ihre Ausgaben
für Prävention zurückfahren werden.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Was meinen Sie? Ich kenne keine Kopfpauschale!)


Insbesondere für die Kassen, deren Finanzrahmen sehr
eng ist, wird es schwieriger, Prävention zu finanzieren –
es sei denn, man erhebt eine Kopfpauschale. Das wollen
Sie ja unbedingt. Das ist kontraproduktiv in Bezug auf
das, was Krankenkassen selber für Prävention tun.

Ich fände es nicht schlecht, wenn sich all diejenigen,
die mit Prävention zu tun haben, besser koordinieren
würden. Es gibt beispielsweise Probleme bei den Rehas,
wo die Betroffenen von einem Kostenträger zum ande-
ren geschoben werden. Wenn vor Ort ein Präventions-
projekt auf den Weg gebracht wird, sollen sich die Initia-
toren dann bei 150 oder 120 Krankenkassen oder den
vielen privaten Krankenkassen um die Finanzierung be-
mühen? Das ist völlig daneben und überhaupt nicht hilf-
reich.

Herr Lotter hat vorhin gesagt: Viele Wege führen
nach Rom. Das ist wohl richtig. Nur scheinen Sie den
Weg nach Rom so zu nehmen, dass Sie zuerst zum Nord-
pol, von da zum Südpol und dann nach Rom fahren.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Sie gehen direkt zum Mittelpunkt!)


Für eine bessere Präventionspolitik taugt das über-
haupt nicht. Insofern kann ich Sie nur ermuntern:
Schauen Sie sich unsere Anträge und die der anderen
Oppositionsparteien an. Kommen Sie endlich zur Ver-
nunft. Machen Sie bei dem Thema Prävention etwas
mehr, als Sie bisher getan haben.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711807300

Das Wort hat die Kollegin Vogelsang für die Unions-

fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Stefanie Vogelsang (CDU):
Rede ID: ID1711807400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, wir können formulieren, dass uns alle, die
wir hier im Hause vertreten sind, die Erkenntnis eint,

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(C (D ass wir im Bereich der Gesundheitsförderung zwingend twas Innovatives schaffen müssen, um die medizinische ualität der Versorgung in unserem Gesundheitssystem uf Dauer aufrechterhalten zu können, und zwar für uns elber und unsere Kinder. Frau Klein-Schmeink, ich habe mich zu Beginn Ihrer ede an die Debatte zum Kinderschutzgesetz erinnert, ie ich mir komplett angehört habe. Während der Deatte zum Kinderschutzgesetz ist mir aufgefallen, dass eder die Vertreterinnen und Vertreter der Opposition och die der Regierungskoalition hier am Rednerpult der weils anderen Seite das Verlangen, etwas an der Situaon zu verbessern, abgesprochen haben. Eine solche erhaltensweise täte uns auch beim Thema Prävention ehr gut. (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müsste sich aber mal was bewegen!)


Keiner hier im Haus hat sich in den vergangenen zehn
ahren beim Thema Prävention mit Ruhm bekleckert.


(Beifall des Abg. Lars Lindemann [FDP])


h erinnere daran, in welchem Zustand Sie das Bundes-
esundheitsministerium übergeben haben.


(Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Jetzt reicht’s aber! – Elke Ferner [SPD]: Jetzt reicht es aber wirklich! Sie haben keine Ahnung, aber davon eine ganze Menge!)


h erinnere daran, was die neue Führung des Bundesge-
undheitsministeriums schon in den ersten anderthalb
ahren leisten musste:


(Elke Ferner [SPD]: Sie musste die Kopfpauschale einführen!)


ir haben heiße Diskussionen zur Sicherung der Finan-
ierung der gesetzlichen Krankenversicherung geführt.


(Elke Ferner [SPD]: Ulla Schmidt hat das Ministerium mit 1 Milliarde Euro Überschuss übergeben, aber Sie haben es im letzten Jahr in die Grütze gezogen!)


Ja, ja. – Wir haben ein sehr kompliziertes und erfolg-
ich wirkendes Gesetz zur Neuordnung des Arzneimit-
lmarktes durchgesetzt.

Jetzt steht im Mittelpunkt der Überlegungen im
inisterium, wie man Versorgungsstrukturen in unserer
epublik, die in der Fläche erhebliche Defizite aufwei-

en, reformieren kann; Frau Kollegin Vogler, selbstver-
tändlich haben wir erkannt, dass wir uns auch damit be-
chäftigen müssen, wie wir die Probleme, die in diesem
usammenhang aufgrund bestimmter sozialräumlicher
trukturen bestehen, verbessern können. Das wird un-
ere Diskussionen im Herbst beherrschen. Wir werden
ns dann selbstverständlich mit einer neuen Präventions-
trategie für die gesundheitliche Versorgung der Men-
chen beschäftigen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Und wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?)






Stefanie Vogelsang


(A) )


)(B)

Das ist Bestandteil des Koalitionsvertrages; Sie haben
schon bei verschiedenen Punkten hier im Hause davon
gehört.

Wenn ich mir anschaue, was in der Verantwortung der
Linken geschehen ist, dann kommt mir als Abgeordnete
aus Berlin in den Sinn, dass hier eine linke Gesundheits-
senatorin zehn Jahre lang den eigentlich nachhaltig wir-
kenden Gesundheitsschutz im kommunalen Bereich, in
den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten und den
Gesundheitsämtern, komplett kaputtgespart hat, ohne
Rücksicht auf Verluste.


(Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ CSU] – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Unglaublich! – Rudolf Henke [CDU/CSU]: Wie wahr!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711807500

Kollegin Vogelsang, gestatten Sie eine Frage der Kol-

legin Rawert?


Stefanie Vogelsang (CDU):
Rede ID: ID1711807600

Entschuldigung. – Es gibt bei der Gesundheitspolitik

hier im Land Berlin ein einziges Hin und Her – das ist
Aktionismus –: hier mal ein Programm und da mal ein
Programm. – Jetzt lasse ich gerne eine Zwischenfrage
zu.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711807700

Wir haben zwei Meldungen. Erst fragt die Kollegin

Rawert, dann die Kollegin Bunge. – Bitte sehr.


Mechthild Rawert (SPD):
Rede ID: ID1711807800

Frau Vogelsang, Sie waren Stadträtin in Neukölln und

haben gerade Aussagen dazu gemacht, dass der öffentli-
che Gesundheitsdienst kaputtgespart worden ist. Welche
Anstrengungen sind in Neukölln – einem Bezirk, der
sich, was die soziale Ungleichheit angeht, unter anderem
dadurch auszeichnet, dass es schlechtere gesundheitliche
Startbedingungen und schlechtere Ausgleichsmöglich-
keiten für Kinder, Männer und Frauen gibt – unternom-
men worden, als Sie dort Stadträtin für Gesundheit wa-
ren? Sie haben dort vor wenigen Jahren höchstpersönlich
Verantwortung getragen.


Stefanie Vogelsang (CDU):
Rede ID: ID1711807900

Habe ich das Wort zur Beantwortung?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711808000

Ja, natürlich.


Stefanie Vogelsang (CDU):
Rede ID: ID1711808100

Vielen Dank. – Frau Rawert, ich habe eigentlich keine

Lust, mich bei jeder Diskussion auf solch einem Niveau
mit Ihnen auseinanderzusetzen. Sie wissen ganz genau,
wer hier in Berlin die Personalpolitik vorgibt: der Regie-
rende Bürgermeister Wowereit, der die Verantwortung
dafür trägt, dass keine Prävention im Bereich der Fami-
lien stattfindet, die das bitter, bitter nötig hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Gestatten Sie jetzt die Frage der Kollegin Bunge? Ja. Bitte. Kollegin Vogelsang, nicht nur die Gesundheitsämter Berlin, sondern die Gesundheitsämter in der ganzen undesrepublik stehen vor einer schwierigen Situation. as hat aber andere Ursachen. Wir reden heute über Ge undheitsförderung und Prävention, und in diesem Zuammenhang würde mich Folgendes interessieren: Kenen Sie das Projekt „Kiezdetektive“, das sowohl in reuzberg als auch in Lichtenberg seit Jahren läuft? an hat damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Kinder wischen 6 und 14 Jahren erkunden ihr Umfeld, die Leensund Wohnbedingungen. Sie zeigen Probleme auf nd erarbeiten gemeinsam mit Politikerinnen und Politiern, mit den Trägern und anderen Zuständigen Prokte. Diese Projekte evaluieren sie im Anschluss und eröffentlichen die Ergebnisse. Wir brauchen auf Bunesebene ein Präventionsgesetz, um die Kommunen und änder bei dieser Aufgabe zu unterstützen und zu entlasn. Frau Kollegin, selbstverständlich kenne ich das Pro kt. Ich teile Ihre Einschätzung, dass das ein erfolgreihes Projekt ist. Unter den Projekten, die wir in der Bunesrepublik Deutschland haben, gibt es eine Vielzahl on guten Projekten. Eine Vielzahl von Leuten arbeitet diesen Projekten gut und engagiert. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ihnen ging es nur darum, Berlin schlechtzumachen!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711808200
Stefanie Vogelsang (CDU):
Rede ID: ID1711808300
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711808400
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711808500
Stefanie Vogelsang (CDU):
Rede ID: ID1711808600

Mir ging es nicht darum, Berlin schlechtzumachen. –
h wollte darauf hinweisen, dass ich der felsenfesten
berzeugung bin, dass eine bessere Gesundheitsvor-

orge für die Bevölkerung nicht durch ein Projekt hier
nd ein Projekt da gewährleistet werden kann, sondern
s einer nachhaltigen Strategie bedarf.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz genau!)


Wir haben eine Zuständigkeit beim Bund,


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Wodurch kommt die zum Ausdruck?)


ir haben eine Zuständigkeit bei den Ländern, wir haben
ine Zuständigkeit bei den Gemeinden, und wir haben
ine Zuständigkeit der Krankenkassen. Wir haben auch
ine Zuständigkeit für das Programm „Soziale Stadt“,
as Sie, Frau Kollegin Rawert, angesprochen haben,
enn ich Ihre Zwischenfrage richtig verstanden habe.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Gibt der Bund einen Cent dazu? Nichts!)






Stefanie Vogelsang


(A) )


)(B)

Am Ende haben wir eigentlich niemanden, der dafür ver-
antwortlich ist, wenn etwas nicht funktioniert.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also Bündelung! Wo ist der ordnungsrechtliche Rahmen, an dem Sie arbeiten?)


Mir persönlich ist sehr wichtig, dass wir bei dem
Thema Prävention und Präventionsstrategie mit dem
ewigen Hickhack und dem Kampf aufhören. Das sollten
meine Anmerkungen am Anfang meiner Rede verdeutli-
chen. Niemand sollte auf den anderen zeigen. Uns alle
eint der Wille, eine Lösung zu finden und eine bessere
gesundheitliche Fürsorge hinzubekommen.

Wir alle wissen, dass an den vielen guten Projekten
nur die Leute teilnehmen, die dort eigentlich gar nicht
hingehören, weil sie das, was dort unterrichtet wird,
schon wissen. Wir wissen, dass wir im Bereich der Mi-
granten ein riesiges Problem haben. Da geht es nicht nur
darum, einen Flyer zu übersetzen oder Kiezmütter in die
Häuser zu schicken, sondern wir brauchen neue, innova-
tive Ansätze.

Ich bin der felsenfesten Überzeugung – das habe ich
schon vor einem Jahr gesagt –, dass wir uns in diesem
Haus dazu durchringen müssen, nationale Gesundheits-
ziele festzulegen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange wollen Sie damit noch warten?)


Sechs, sieben oder acht Gesundheitsziele gibt es schon
lange; ich weiß. Fragen Sie aber einmal in den Kommu-
nen, ob jemand diese Gesundheitsziele kennt.


(Elke Ferner [SPD]: Noch ein neuer Vorschlag!)


Das ist nicht angekommen. Auch das hat nicht richtig
funktioniert. Im Bereich der Präventionsarbeit gibt es
ganz viele gute Absichten und viel Aktionismus.

Wir müssen das Thema gemeinsam anpacken. Wir
müssen in den Bereichen Krankenkassen, Verantwort-
lichkeiten und Gesundheitsvorsorge in Betrieben Struk-
turen verändern.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie?)


Es kommt aber nicht darauf an, ob man das einen Monat
früher oder später macht. Wir dürfen nicht in Aktionis-
mus verfallen und auch keine Parteipolitik betreiben.
Am Ende kommt es darauf an, was dabei herauskommt.
Ich gehe felsenfest davon aus, dass wir das Thema in der
nächsten Zeit gemeinsam beraten und eine gute Lösung
hinbekommen werden. Ich unterbreite Ihnen jedenfalls
ein entsprechendes Angebot.

In der gestrigen Anhörung zur Organspende hat einer
von den Grünen gesagt – Frau Bender, ich weiß nicht
mehr, wer das war –, es müsse zum Lifestyle gehören,
Organspender zu sein. Erinnern Sie sich?


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben gerade wir nicht formuliert! – – d b in u 1 B s s w B n ru g ti A a B is n S H V a – v A h S (C (D Mechthild Rawert [SPD]: Nein, es war einer der Sachverständigen, der das gesagt hat!)


Dann hat es ein anderer formuliert.

Ich finde, dass wir unserer Gesundheitsförderung auf
en unterschiedlichen Ebenen einen klaren Rahmen ge-
en müssen, sodass alle Menschen in dieser Republik es
fünf oder zehn Jahren toll finden, gesund zu leben,

nd dass das nicht nur bei den Akademikern der Fall ist.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711808700

Das Wort hat die Kollegin Bas für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Bärbel Bas (SPD):
Rede ID: ID1711808800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am

4. Juni 2011 hat Bundesgesundheitsminister Daniel
ahr das Projekt „Starke Eltern – Starke Kinder“ vorge-

tellt. Dabei geht es um die Verbesserung der psychi-
chen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen; so
eit, so gut. Auch ich fand das sehr gut. Das Projekt des
undesgesundheitsministeriums, so heißt es, sei Teil ei-
er ebenfalls vorgestellten Strategie der Bundesregie-
ng zur Förderung der Kindergesundheit. Da habe ich

edacht: Vielleicht handelt es sich dabei um die viel zi-
erte neue Präventionsstrategie der Bundesregierung.
ls ich mir das Papier dann angesehen habe, stellte ich

llerdings fest, dass es gar nicht aus der Feder von Herrn
ahr oder Herrn Rösler stammt. Dieses Strategiepapier
t im Jahr 2008 von der damaligen SPD-Gesundheitsmi-
isterin Ulla Schmidt entwickelt und vorgestellt worden.
o viel zum Thema neue Strategie.


(Beifall bei der SPD – Elke Ferner [SPD]: So viel zum Thema, was Frau Schmidt hinterlassen hat! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ausgezeichnete Ministerin! Das waren noch Zeiten! Da ging noch was!)


err Bahr hat es immerhin geschafft, das Bild seiner
orvorgängerin und das Vorwort auszutauschen und es
ls sein Papier zu verkaufen.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das kennen wir doch! Plagiat!)


Genau. – Wir freuen uns, dass die Regierungsarbeit
on Ulla Schmidt in dieser Form anerkannt wird.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Interessant, dass der Name wieder einmal von Ihnen erwähnt wird!)


ber man muss deutlich sagen: Wer keine eigenen Ideen
at, der plagiiert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe übrigens noch eine weitere Plagiatsidee für
ie.


(Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Ist das nicht etwas billig, Frau Bas?)






Bärbel Bas


(A) )


)(B)

In derselben Schublade, in der Sie das Strategiepapier
gefunden haben, finden Sie wahrscheinlich auch noch
den Entwurf des Präventionsgesetzes. Holen Sie diesen
einfach einmal hervor, kleben Sie das Bild des Ministers
darauf und schreiben Sie meinetwegen auch seinen Na-
men darauf, dann werden wir bei der Beschlussfassung
auf jeden Fall an Ihrer Seite sein.


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte noch zwei Aspekte unseres Antrags an-
sprechen, die uns besonders wichtig sind: die Kinderge-
sundheit und die betriebliche Gesundheitsförderung. Na-
türlich haben wir uns die Frage gestellt: Wo können wir
bei Kindern und Jugendlichen mit der Prävention anset-
zen? Wir haben in der Tat das Problem, dass eine hohe
Anzahl von Präventionsprogrammen zum Teil schlicht
ineffektiv ist. Die Projektitis führt zu Ermüdungserschei-
nungen bei den Zielgruppen. Die Konkurrenz zwischen
den verschiedenen Projekten ist meist nicht förderlich
für das gesundheitsbewusste Verhalten.

Gleichzeitig stellen wir fest, dass viele Programme
vorwiegend auf die Mittelschicht ausgerichtet sind und
die Umsetzung in anderen Lebenswelten fehlt. Kinder
und Jugendliche aus sozial schwächeren Schichten profi-
tieren kaum von solchen Programmen. Dabei sind diese
Kinder und Jugendlichen eine besondere Zielgruppe;
dies sollte sie für uns alle sein. Die ungerechte Vertei-
lung der Gesundheitschancen zulasten dieser Kinder aus
sozial schwachen Familien, aus bildungsfernen Eltern-
häusern oder auch aus Migrantenfamilien sollte endlich
ein Ende haben. Deshalb sollten wir die durchaus knap-
pen Mittel für klare Ziele und mit eindeutigen Vorgaben
und Strategien effizient einsetzen.


(Beifall bei der SPD)


Wir müssen die Menschen bei der Prävention und Ge-
sundheitsförderung dort abholen, wo sie leben und arbei-
ten. Das gilt auch für die betriebliche Gesundheitsförde-
rung. Das heißt nichts anderes, als dass die Programme
direkt am Arbeitsplatz ansetzen müssen. Das ist das Ziel
der betrieblichen Gesundheitsförderung. Auch hier gibt
es viele Vorschläge und Modelle. Aber die faktische De-
ckelung der Ausgaben durch den Ausgabenrichtwert
verhindert, dass wir hier die Potenziale gemeinsam he-
ben.

Wie kann es sein, dass die Bundesregierung nach wie
vor tatenlos zuschaut, dass die Mittel der Kassen für Prä-
vention und Gesundheitsförderung sinken? Die Vor-
schläge des Kollegen Singhammer – Stichwort: der
siebte Sinn – muss ich noch einmal erwähnen. Wenn wir
das machen würden, würde uns das wirklich zurückwer-
fen. Das ist ein Rückfall hinter 20 Jahre Public Health
und Präventionspolitik. Da machen Sie besser nichts und
schreiben weiter bei der SPD ab.


(Beifall bei der SPD)


Wir können Ihnen nur noch einmal mit auf den Weg
geben: Prävention muss als gesamtgesellschaftliche, res-
sortübergreifende Aufgabe des Bundes, der Länder und
der Kommunen als vierte eigenständige Säule des Ge-
sundheitswesens endlich etabliert und auch legitimiert

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(C (D erden. Dazu brauchen wir verbindliche Strukturen. Das eißt, wir brauchen ein Präventionsgesetz. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711808900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 17/5384, 17/5529 und 17/6304 an die
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-

chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
all. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 37 a und b auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-
serung der Eingliederungschancen am Ar-
beitsmarkt

– Drucksache 17/6277 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte
Pothmer, Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Arbeitsmarktpolitik – In Beschäftigung und
Perspektiven investieren statt Chancen kürzen

– Drucksache 17/6319 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-
entarische Staatssekretär Brauksiepe für die Bundesre-

ierung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1711809000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

n Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt haben wir uns
ewöhnt. Sie bringen keine allzu großen Schlagzeilen
ehr. Erst gestern konnte die Bundesagentur für Arbeit
ieder aktuelle Erfolge verkünden.

Aber auch wenn es nicht die Schlagzeilen beherrscht,
arf man doch erwähnen: Wir können sowohl bei der so-
ialversicherungspflichtigen Beschäftigung als auch bei
er Erwerbstätigkeit insgesamt Rekordstände verzeich-





Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe


(A) )


)(B)

nen. Die Arbeitslosigkeit – immer noch zu hoch gemes-
sen an unseren eigenen Ansprüchen – ist so niedrig wie
seit Jahrzehnten nicht mehr. Das sind Erfolgsmeldungen,
an die wir uns in den letzten Jahren zum Glück gewöh-
nen konnten.


(Beifall des Abg. Jens Ackermann [FDP])


Diese Erfolgsmeldungen sind das Ergebnis der Arbeit
vieler. Das Ergebnis hat auch, aber nicht nur mit Politik
zu tun. Es hat etwas mit gelebter Sozialpartnerschaft in
diesem Land zu tun. Es hat etwas mit den Tarifvertrags-
parteien zu tun, die beispielsweise Angebote der Politik
zur Kurzarbeit angenommen haben. Es hat auch etwas
damit zu tun, dass wir in den Arbeitsagenturen und Job-
centern engagierte und fleißige Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter haben, die sich darum bemüht haben, Men-
schen wieder in Arbeit zu bringen. Es hat etwas mit un-
serem arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium zu tun,
das wir in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert
haben. Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser wer-
den könnte. Aber wir haben das arbeitsmarktpolitische
Instrumentarium in den letzten Jahren durchaus verbes-
sert, und darauf können wir auch ein bisschen stolz zu-
rückblicken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


– Ich danke ausdrücklich für den Beifall der sozialdemo-
kratischen Kolleginnen; denn wir stehen mit dem, was
wir hier tun, durchaus in der Tradition der Arbeit, die wir
in der Großen Koalition begonnen haben. – Das Instru-
mentarium wird seit langem kontinuierlich evaluiert,
und genau darum geht es: dass wir nicht nur um Berichte
über die Wirkung der Instrumente bitten und sie dann
abheften, sondern dass wir daraus Konsequenzen ziehen.
Das tun wir seit einigen Jahren.

Wir haben in der Großen Koalition die Zahl der ar-
beitsmarktpolitischen Instrumente deutlich reduziert,
weil wir gemeinsam der Überzeugung waren, dass zu
viele Instrumente und ein zu großes Dickicht an Rege-
lungen letztlich den Arbeitslosen nicht helfen. In der
christlich-liberalen Koalition haben wir uns vorgenom-
men, auf diesem Weg weiter voranzugehen. Wir wollen
die Zahl der arbeitsmarktpolitischen Instrumente noch
einmal um etwa ein Viertel reduzieren. Das bedeutet
aber keine Reduzierung der Hilfe;


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau das!)


im Gegenteil: Wir reduzieren die Zahl der Instrumente,
um die Hilfe effektiver organisieren zu können. Das ist
das, was uns bei diesem Gesetzentwurf leitet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: Kahlschlag!)


Es geht auch um die Frage von Pflicht- und Ermes-
sensleistung. An dieser Stelle hatten wir in der Großen
Koalition unterschiedliche Auffassungen. Wir sind da-
mals, wie ich denke, zu insgesamt guten Kompromissen
gekommen.

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(C (D (Katja Mast [SPD]: Ja! Wir haben Rechtsansprüche eingeführt! Beispiel Hauptschule und Ausbildungsbonus!)


as den Gründungszuschuss betrifft – wir stehen zu ihm –,
erden in Zukunft mehr Ermessensleistungen vor Ort
öglich sein. Wenn wir mehr Ermessensleistungen ein-
hren, heißt das auch, dass wir den Akteuren vor Ort
ehr Vertrauen entgegenbringen. Das ist genau das, wo-
m es uns geht: Wir wollen den Menschen vor Ort, die
den letzten Jahren erfolgreich Arbeitslose in Arbeit

ebracht haben, vertrauen.


(Katja Mast [SPD]: Wenn Sie ihnen das Geld nehmen, ist das kein Vertrauen! Handlungsspielraum ohne Geld gibt es nicht!)


Dieses Thema war auch in der Großen Koalition gele-
entlich ein Diskussionspunkt. Viele Entscheidungen,
ei denen es um die Schaffung von mehr Flexibilität vor
rt ging, mussten wir unserem damaligen Koalitions-
artner mühsam abringen; auch das gehört zu der Erfah-
ng, die wir in der Großen Koalition gemacht haben.
n dieser Stelle danke ich herzlich der FDP, unserem
tzigen Koalitionspartner, mit der es sehr viel leichter
ar, darauf hinzuwirken, den Akteuren von Ort Ver-
auen zu schenken


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Na klar! So muss es sein!)


nd zu sagen: Lasst uns die Dinge dezentral organisie-
n! Lasst uns die Menschen, die qualifiziert sind, vor
rt zu entscheiden, auch die Entscheidung treffen, was
r den einzelnen Arbeitslosen richtig ist! Das ist der Ge-

anke, der uns bei diesem Gesetzentwurf leitet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711809100

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischen-

age?


(Katja Mast [SPD]: Wer will denn?)


D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1711809200

Wer möchte denn eine Zwischenfrage stellen?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711809300

Eine Kollegin aus der SPD-Fraktion.

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Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1711809400

Bitte schön.


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1711809500

Herr Staatssekretär, Sie haben sich gerade auf die ge-

einsamen Erfolge der Großen Koalition bezogen; diese
rfolge unterstreichen wir ausdrücklich. Sie lenken aber
avon ab, dass Sie hier nicht in dieser Tradition lediglich
ine Instrumentenreform mit dem Ziel der Verbesserung
er Chancen bei der Vermittlung in Arbeit durchführen.
ielmehr verbinden Sie die Reform ausdrücklich – unter





Bettina Hagedorn


(A) )


)(B)

dieser Überschrift steht dieses Vorhaben zwar nicht bei
Ihnen, aber bei den Abgeordneten der Koalition im
Haushaltsausschuss – mit einem finanziellen Kahl-
schlag. Ich frage Sie: Wie groß sind eigentlich das Er-
messen und die Autonomie vor Ort, wenn dort – statt
dass ein Rechtsanspruch besteht – zwar ein Ermessen
ausgeübt werden soll, die Kasse aber de facto leer ist?
Um dies zu verdeutlichen, will ich darauf hinweisen,
dass durch die Maßnahmen Ihres Sparpaketes bei
SGB II und SGB III bis 2014 in der Summe 16 Milliar-
den Euro eingespart bzw., besser gesagt, gekürzt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Was für ein Applaus!)


D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1711809600


Frau Kollegin, wir verquicken hier nichts miteinan-
der, sondern wir legen heute als Bundesregierung den
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliede-
rungschancen am Arbeitsmarkt vor. Hier geht es um
konzeptionelle, instrumentelle Fragen. Es geht darum,
wie der Instrumentenkasten zusammengesetzt sein muss,
damit die Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann.


(Katja Mast [SPD]: Sie beschließen zuerst die Sparmaßnahmen, und dann machen Sie ein Gesetz!)


Wir können sehr gerne und sehr engagiert im Detail da-
rüber diskutieren, ob es, wovon wir ausgehen, einen Ar-
beitsmarkt mit einem auszudifferenzierenden Instrumen-
tarium gibt oder ob es zwei Arbeitsmärkte gibt.


(Abg. Bettina Hagedorn [SPD] nimmt wieder Platz)


– Ich bin eigentlich noch bei der Beantwortung Ihrer
Frage. Haben Sie sich darauf verständigt – ich frage, weil
die Uhr weiterläuft und die Kollegin sich gesetzt hat –,
dass meine Beantwortung erledigt ist? Wenn ja, bitte ich
um Mitteilung.


(Zuruf von der SPD: Herr Brauksiepe, keine Polemik!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711809700

Ich habe die Uhr bis zu dem Zeitpunkt angehalten, als

sich die Kollegin Hagedorn gesetzt und mir dadurch si-
gnalisiert hat, dass ihr die Beantwortung offensichtlich
ausreicht.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau! Er hat ja nicht geantwortet! – Heiterkeit bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711809800

Das kann ich von hier aus nicht entscheiden. Sie beide

müssen sich einigen, ob die Frage beantwortet ist oder
nicht.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1711809900


Ich schlage vor, dass wir so verfahren: Sie fragen, was
Sie fragen möchten, und ich antworte so, wie ich antwor-
ten möchte. Das ist das übliche Verfahren.

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(C (D Inzwischen war die Uhr wieder angehalten. Jetzt läuft re Redezeit weiter. D Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage an dieser telle ganz ausdrücklich: Für uns gibt es einen Arbeitsarkt. Es gibt nicht SGB-II-Arbeitslose und SGB-IIIrbeitslose. Es gibt unterschiedliche Rechtskreise. Die rbeitslosen haben unterschiedliche Probleme. Desween müssen wir mit unserem Instrumentarium auf unterchiedliche Bedarfslagen reagieren. Wir gehen davon us, dass es einen Arbeitsmarkt gibt. Im Rahmen der Intrumente, die sie einsetzen kann, bekennt sich die Bunesregierung – ich denke, auch die christlich-liberale oalition insgesamt – ausdrücklich zur öffentlich geförerten Beschäftigung. Für die Menschen, für die öffentch geförderte Beschäftigung notwendig ist, wird sie eiter organisiert und weiter finanziert. Für die Men chen, die öffentlich geförderte Beschäftigung brauchen, ind wir da. Das ist heute so, und das wird in Zukunft so leiben. Ich sage aber ganz klar: Wann, wenn nicht jetzt – in iner Phase des Aufschwungs, in der in manchen Regioen und in einzelnen Branchen und Berufen schon ein achkräftemangel zu verzeichnen ist –, sollten verstärkte nstrengungen unternommen werden, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Womit denn?)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711810000
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1711810100

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


öglichst viele Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu
tegrieren?


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Katja Mast [SPD]: Wie bitte? Eine Unverschämtheit, dass ausgerechnet Sie das sagen!)


er zweite Arbeitsmarkt, der öffentlich geförderte Be-
chäftigungssektor, darf niemals das Ziel unserer Ar-
eitsmarktpolitik sein. Er kann für viele eine Durch-
angsstation sein. Aber das Ziel muss sein, möglichst
iele Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrie-
n. Gerade in Zeiten des Aufschwungs müssen wir un-

ere Schwerpunkte bei der Integration der Menschen in
en Arbeitsmarkt setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Mast [SPD]: Sie nehmen den Leuten doch die Chancen und Perspektiven! – Bettina Hagedorn [SPD]: Das Ziel ist ja richtig! Sie machen es aber falsch!)


er erste Arbeitsmarkt bildet den Schwerpunkt unserer
olitik. Die öffentlich geförderte Beschäftigung wird da
rganisiert und finanziert, wo sie gebraucht wird.

Auch das gehört zur Wahrheit: Der arbeitslose
ensch steht im Mittelpunkt unserer Anstrengungen. Er
uss im Mittelpunkt stehen – nicht Strukturen und Or-

anisationen.





Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe


(A) )


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Katja Mast [SPD]: Enthusiastischer Applaus bei der Koalition!)


Weiterhin gehört auch das zur Wahrheit: Es kann
durchaus sein, dass wir bei weniger als 3 Millionen Ar-
beitslosen manche Strukturen und manche Institutionen
nicht mehr haben werden, die wir bei über 5 Millionen
Arbeitslosen hatten. Vielleicht braucht man in diesem
Land für weniger als 3 Millionen Arbeitslose nicht so
viele Sozialkaufhäuser wie für über 5 Millionen Arbeits-
lose. Ich bitte, einfach einmal – mit großem Respekt vor
all den Wohlfahrtsverbänden und den Trägern, die diese
segensreiche Arbeit leisten – unvoreingenommen da-
rüber nachzudenken.


(Katja Mast [SPD]: Die Langzeitarbeitslosigkeit sinkt doch kaum!)


Ich habe viele dieser Einrichtungen besucht und weiß,
wie segensreich da gearbeitet wird. Es muss uns aber
klar sein, dass wir für weniger als 3 Millionen Arbeits-
lose nicht die gleichen Strukturen brauchen wie für über
5 Millionen Arbeitslose. Natürlich brauchen wir auch
nicht dieselbe Summe Geldes.

Ich will auf eines hinweisen: Jedem musste klar sein,
dass wir die Summen, die wir im Hauptkrisenjahr 2009
und auch im Jahr 2010 zusätzlich zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit aufgebracht haben, auf Dauer nicht auf-
bringen können und dass dieses Niveau nicht aufrechtzu-
erhalten sein würde. Das war auch uns in der Großen
Koalition klar, als wir die entsprechenden Maßnahmen
ergriffen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Mast [SPD]: Darum geht es doch nicht! Wir wollen das Niveau von 2008!)


Das musste jedem klar sein. Daher sind alle Vergleiche
mit den Ausgaben der Jahre 2009 und 2010 nicht fair;
denn das waren die Hauptkrisenjahre, in denen wir be-
sondere Anstrengungen unternehmen mussten.

Deswegen sage ich zu der Zwischenfrage, die gerade
gestellt wurde: Wir werden im Jahr 2013 8 Milliarden
Euro für Eingliederungsmaßnahmen im SGB-II-Bereich
bzw. für Langzeitarbeitslose bereitstellen. 8 Milliarden
Euro – das ist nicht gar nichts, sondern eine große
Summe. Das ist ziemlich genau die Summe, die 2006 für
sehr viel mehr Arbeitslose zur Verfügung stand.


(Katja Mast [SPD]: 2008 ist der Maßstab!)


Für weniger Arbeitslose wird also das gleiche Geld zur
Verfügung stehen. Das heißt, dass wir pro Kopf mehr
Leistungen zur Verfügung stellen.

Der entscheidende Punkt ist, Menschen in Arbeit zu
bringen. So kann man auch Arbeitslosenunterstützung
sparen. Wir kürzen nicht, wir streichen nicht zusammen,
sondern wir wollen Menschen in Arbeit bringen. Das ist
nicht Theorie, sondern gelebte Praxis der letzten Jahre.
Wir haben das in den letzten Jahren erfolgreich ge-
schafft. Diesen Weg werden wir entschlossen weiterge-
hen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Kramme as Wort. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Herr Brauksiepe hat großartig ausgeführt, ass die Entscheidungsspielräume vor Ort ausgedehnt erden sollen. (Zuruf von der CDU/CSU: Er ist auch großartig!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711810200

(Beifall bei der SPD)

Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1711810300

r hat gemutmaßt, dass wir dem mit großem Misstrauen
egenüberstehen. Ich kann Ihnen sagen: Das ist nicht der
all, im Gegenteil. Es hört sich im Grunde genommen
ut an, wenn man über Entscheidungsspielräume vor Ort
pricht. Vor Ort kennt man die Menschen.

Man könnte sich an dieser Stelle fragen, ob erst das Ei
a war und dann die Henne oder ob erst die Henne da
ar und dann das Ei. Für uns ist ganz klar: Es gab zuerst
as Sparpaket und dann die Reform. Zunächst gab es
en Beschluss darüber, der Bundesagentur für Arbeit
eld im Gegenwert von einem halben Mehrwertsteuer-
unkt zu streichen. Wenn man sich das anschaut, sieht
an, dass es sich um ungeheure Beträge handelt.


(Beifall bei der SPD)


llein aus dem Sparpaket resultieren Einsparungen von
9 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015. Die Streichung in
öhe eines halben Mehrwertsteuerpunktes bedeutet
och einmal 4 Milliarden Euro jährlich weniger. Wenn
an sich das anschaut, dann stellt man fest, dass der Er-
essensspielraum auf null schrumpft. Man kann von ei-

em postsowjetischen „Njet“ sprechen. Das ist die eine
eschichte.

Das Ausnutzen von Ermessensspielräumen setzt aber
uch voraus, dass es Menschen vor Ort gibt, die sich da-
m kümmern können. Man hätte also logischerweise im
uge dieser Reform bei den Betreuungsschlüsseln anset-
en müssen.


(Beifall bei der SPD)


an hätte die Betreuungsschlüssel in der Arbeitsverwal-
ng – das Verhältnis beträgt 1 : 150 – heruntersetzen
üssen. Das wäre deshalb eine kluge Entscheidung ge-
esen, weil die Evaluierung ergeben hat: Je mehr Men-

chen in den Agenturen als Fallmanager arbeiten, desto
chneller schafft man es, Menschen wieder in Arbeit zu
ringen.


(Beifall bei der SPD)


Herr Brauksiepe, Sie haben uns immer wieder vorge-
alten und auch jetzt noch einmal dargelegt, dass Sie auf
er Basis wissenschaftlicher Evaluierung arbeiten. Wis-
enschaftliche Evaluierungen sind gut. Im Übrigen sind
ir diejenigen, die dieses System aufgebaut haben. Al-
rdings wird mittlerweile manchmal überevaluiert. Den
strumenten wird somit überhaupt keine Chance gege-

en, sich zu entwickeln. Sie haben diese Evaluierungen





Anette Kramme


(A) )


)(B)

aber nicht beachtet, sondern haben das genaue Gegenteil
von dem gemacht, was die Evaluierungen nahegelegt ha-
ben: Sie haben den Gründungszuschuss eingeschränkt.
Der Gründungszuschuss ist ein hocheffektives Instru-
ment. Es ist daher nicht ansatzweise nachvollziehbar,
weshalb es an dieser Stelle nun mehr Restriktionen ge-
ben soll.


(Beifall bei der SPD)


Andererseits soll der Vermittlungsgutschein, der den
privaten Arbeitsvermittlern zugutekommt, erhalten blei-
ben. Viel Logik steckt nicht hinter diesem System.

Herr Brauksiepe, Sie sagen, diese Arbeitsmarktinstru-
mentenreform sei zukunftsorientiert. Ich denke, es gibt
in der Arbeitsmarktpolitik vor allen Dingen zwei Pro-
bleme, die wir perspektivisch lösen müssen. Das eine
Problem, das uns als Sozialdemokratinnen und Sozialde-
mokraten große Sorgen bereitet, ist die Langzeitarbeits-
losigkeit. Uns liegt eine Analyse des IAB vor, die die
Situation der Arbeitslosen nach fünf Jahren Arbeitslosig-
keit evaluiert. Darin wird mitgeteilt, dass 45 Prozent al-
ler erwerbsfähigen Menschen, die Leistungen aus dem
SGB II beziehen, Dauerbezieher sind und nicht aus der
Arbeitslosigkeit herauskommen. Wir wissen, dass diese
Menschen in vielen Fällen schlecht qualifiziert sind.

Was aber machen Sie? Das einzige Instrumentarium,
nämlich das der öffentlichen Beschäftigung, streichen
Sie noch einmal zusammen. Das betrifft zum Beispiel
die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante. Den Be-
schäftigungszuschuss haben Sie objektiv betrachtet
schon letztes Jahr erledigt. Rechtlich haben Sie jetzt
nachgelegt. Wir brauchten an sich viel mehr Ehrlichkeit
in diesem Bereich. Wenn wir ehrlich miteinander umgin-
gen, dann wüssten wir, dass es in dieser Republik Men-
schen gibt, die nur sehr schwer in den Arbeitsmarkt zu
integrieren sind. Deshalb brauchen wir diese Arbeitsge-
legenheit, diesen Beschäftigungszuschuss als ersten
Schritt in den Arbeitsmarkt.


(Beifall bei der SPD)


Eine unmittelbare Integration bekommen wir nämlich
fast nicht hin.

Wir brauchen weiterhin Integrationsfirmen. Was aber
machen Sie? Sie setzen die Hürden hoch und legen zu
hohe Kriterien an. Eigentlich müssten wir aber den ent-
gegengesetzten Weg gehen. Wir müssten es so machen,
dass die Arbeitsgelegenheiten in einem ersten Schritt ar-
beitsmarktfern sind; damit kann man leben. Je mehr die
Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden und je
besser sie werden, desto arbeitsmarktnäher müsste das
Ganze sein. Missbrauch kann man dadurch verhindern,
dass man vor Ort Beiräte integriert und mit den Indus-
trie- und Handelskammern, den Handwerkskammern,
den Sozialverbänden und den Gewerkschaften zusam-
menarbeitet. Das ist die Lösung. Das ist der Weg. Ihre
Arbeitsmarktinstrumentarienreform ist Mist und nichts
anderes. Den Fachkräftemangel gehen Sie gar nicht erst
an. Mit dieser Reform werden Sie nicht weit springen.
Sie werden allenfalls den Grashüpfer machen.

Vielen Dank.

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(C (D (Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Grashüpfer springen sehr weit!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711810400

Das Wort hat der Kollege Vogel für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1711810500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

h glaube, dass heute ein guter Tag ist, weil wir einen
uten Gesetzentwurf beraten.


(Katja Mast [SPD]: Deshalb ist Frau von der Leyen auch da!)


s handelt sich deshalb um einen guten Gesetzentwurf,
rau Kollegin Mast, weil es sich dabei um die erste grö-
ere Reform im Bereich Arbeit und Soziales dieser
oalition handelt, zu der wir nicht aufgrund der verfas-

ungswidrigen Regelungen aus rot-grüner Zeit gezwun-
en sind.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Wo ist eigentlich die Ministerin?)


nsere bisherigen großen Reformen – Jobcenterreform,
artz-IV-Regelsatzreform – haben wir gut gemacht. Wir
ussten sie aber durchführen, weil Sie uns verfassungs-
idrige Gesetze hinterlassen haben. Diesen Gesetzent-
urf können wir nun positiv angehen. Wir wollen die
rbeitsvermittlung in unserem Land verbessern. Wir
ollen den Menschen vor Ort die Chance auf Entwick-
ng und Perspektiven geben. Dafür braucht man einen

esseren Werkzeugkasten der arbeitsmarktpolitischen
strumente.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Warum ist das so? Wir wollen eine umfangreiche Au-
nomie der Jobcenter vor Ort und ihnen mehr Freiheit

eben. Wir wollen gut und immer besser ausgebildete
ermittler in den Jobcentern und in den Arbeitsagentu-
n. Wenn diese gut funktionieren sollen, dann braucht
an neben dem guten Handwerker vor Ort aber auch ei-

en aufgeräumten Werkzeugkasten. Das erreichen wir
lleine dadurch, dass wir Übersichtlichkeit schaffen und
ie Zahl der Instrumente um ein Viertel reduzieren.


(Katja Mast [SPD]: Sie räumen so auf, dass niemand etwas findet!)


s machte keinen Sinn, sechs unterschiedliche Einglie-
erungszuschüsse für dasselbe Ziel zu haben. Das haben
ie uns hinterlassen. Deshalb ist es gut, dass wir jetzt
ufräumen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Frau Kollegin Kramme hat eben behauptet, wir wür-
en nichts gegen den Fachkräftemangel tun. Es ist gut,
ass wir hier sehr wohl etwas verändern und dabei auch
ehr Flexibilität schaffen.


(Katja Mast [SPD]: Ohne Geld!)


h gebe Ihnen ein Beispiel. Die Weiterbildung von be-
chäftigten Arbeitnehmern kommt erstmalig unbefristet





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

ins Gesetz, weil das in Zeiten des Fachkräftemangels
eine dauerhafte Aufgabe sein muss. Wir geben den Ver-
mittlern mehr Flexibilität. Sie können beispielsweise
eine Kofinanzierung mit den Unternehmungen vor Ort
vereinbaren und sind daher nicht mehr an so starre Rege-
lungen gebunden wie bisher. Das meinen wir mit mehr
Freiheit vor Ort und mehr Flexibilität. Dazu leistet der
vorliegende Gesetzentwurf einen sehr guten Beitrag.

Ich möchte auf ein zweites Thema eingehen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es ist ganz schön anstrengend, das alles schönzuquatschen!)


– Nein, das muss ich nicht schönquatschen. Es ist ein gu-
ter Entwurf. Er schafft eine Verbesserung bei der Ar-
beitsvermittlung vor Ort. – Ich möchte auf einen Punkt
eingehen, der mir als Vertreter der FDP besonders wich-
tig ist. Ich bin froh, dass wir ihn in den konstruktiven
Gesprächen mit unserem Koalitionspartner jetzt schon
erreichen konnten.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Konstruktive Gespräche mit den Lobbyisten!)


Wir wollen die private Arbeitsvermittlung als Pflicht-
angebot erhalten, weil wir so im Bereich der Arbeitsver-
mittlung den Dreiklang erhalten wollen: Jeder muss sich
selbst darum bemühen, in Arbeit zu kommen, die Bun-
desagentur ist weiterhin zuständig, aber es gibt auch pri-
vate Konkurrenz auf dem Markt. Diesen Dreiklang wol-
len wir erhalten – das ist eine gute Nachricht –,


(Katja Mast [SPD]: Auf welches Evaluationsergebnis beziehen Sie sich?)


weil wir so einen kreativen Input in der Arbeitsvermitt-
lung haben werden. Ich bin froh, dass diese Regelung im
Gesetzentwurf enthalten ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Kollegin Kramme, Sie haben eben die öffentlich
geförderte Beschäftigung angesprochen. Ja, die brau-
chen wir, und zwar für eine bestimmte Zielgruppe, die
nicht von heute auf morgen auf den ersten Arbeitsmarkt
kommen kann. Wir sind froh, dass im Bereich des In-
strumentes Jobperspektive keine Zusätzlichkeit in den
Gesetzentwurf aufgenommen wurde. Das halte ich für
richtig, weil es darum geht, auf dem Arbeitsmarkt dabei
zu sein und nicht irgendeine Beschäftigungstherapie zu
machen.


(Katja Mast [SPD]: Sie kastrieren das Instrument!)


Es geht darum, auf dem Arbeitsmarkt mit einer gleichbe-
rechtigten Tätigkeit dabei zu sein, um in einem zweiten
Schritt irgendwann der Unabhängigkeit auf dem ersten
Arbeitsmarkt näherzukommen. Es ist gut, dass das in
diesem Gesetzentwurf enthalten ist. Insofern sind Ihre
Klagen, wir würden dort, wo die öffentlich geförderte
Beschäftigung sinnvoll ist, die Beschäftigung kaputt ma-
chen, unberechtigt. Wir wollen sie lediglich stärker ein-
grenzen.

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(C (D Dass es an dem Gesetzentwurf nichts zu kritisieren ibt, zeigt sich daran, dass Sie die meiste Zeit eigentlich ur darüber reden, es sei der Entwurf eines Kürzungsgee Man muss das trennen; es geht um die Opmierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. (Katja Mast [SPD]: Sie machen das zusammen!)

Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1711810600

leichzeitig wird auch im Bereich Arbeit und Soziales
eld eingespart. Das ist richtig. Ich will es mit dem ver-
leichen, was Sie damals hinterlassen haben. Schauen
ir uns das zum Abschluss an.

Im Bereich SGB II Langzeitarbeitslosigkeit haben Sie
006 Mittel hinterlassen, die sich auf 1 500 Euro pro Ar-
eitslosen umrechnen lassen.


(Katja Mast [SPD]: Ich beziehe mich gerne auf das Vorkrisenjahr 2008! 2008 ist der Maßstab!)


ir sind heute bei 2 000 Euro. Wir müssen uns von Ih-
en wirklich nicht unterstellen lassen, hier würde in ir-
endeiner Form gekürzt. Wir kürzen unterproportional

Vergleich dazu, was im Haushalt da ist, und auch un-
rproportional im Vergleich dazu, wie sich die Arbeits-
sigkeit entwickelt. Die Wahrheit ist: Pro Arbeitslosem,

er in Beschäftigung kommen soll, stellen wir noch
ehr Geld zur Verfügung, als es der Fall war, als Sie von
ot-Grün Verantwortung getragen haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


rau Kollegin Kramme, dasselbe gilt auch für die Rela-
on von Vermittlern und Arbeitslosen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711810700

Kollege Vogel, das mit dem Abschluss war ein wich-

ger Hinweis.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1711810800

Mein letzter Punkt. In den Jobcentern stehen mehr
itarbeiter zur Verfügung. Als Sie 2005 aufgehört ha-

en, hatte die BA 90 000 Mitarbeiter, und das bei 5 Mil-
onen Arbeitslosen. Jetzt gibt es 115 000 Mitarbeiter,
nd das bei unter 3 Millionen Arbeitslosen. Bei aller
iebe: Ein Kürzungsgesetz ist das nicht. Bitte setzen Sie
ich mit uns in der Sache auseinander, und führen Sie
itte keine Scheingefechte.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711810900

Das Wort hat die Kollegin Zimmermann für die Frak-

on Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711811000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

erren! Herr Vogel, ich muss Ihnen sagen: Sie können
ie besten Instrumente auf dem Papier haben, aber wenn





Sabine Zimmermann


(A) )


)(B)

kein Geld da ist, ist kein Geld da. Dann können Sie
nichts finanzieren. Das ist doch wohl logisch. Sie legen
ein Kürzungsprogramm auf und betreiben damit in der
Arbeitsmarktpolitik Kahlschlag.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Sie haben nicht zugehört, Frau Kollegin!)


– Doch, ich habe Ihnen gut zugehört. Ich höre Ihnen im-
mer gut zu.


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Das freut mich! Aber dann haben Sie es noch nicht verstanden!)


Heute beraten wir einen Gesetzentwurf der Bundes-
regierung mit dem wunderschönen Titel „Entwurf eines
Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen
am Arbeitsmarkt“. Da fällt mir eigentlich nur noch das
Wahrheitsministerium aus dem Buch 1984 von George
Orwell ein.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das gab es in der DDR nicht!)


Auch in diesem wurden falsche Behauptungen in die
Welt gesetzt, um über die wahren Absichten hinwegzu-
täuschen. Herr Vogel und Herr Brauksiepe, Sie können
die schönsten Bilder malen: Das kommt bei der Bevöl-
kerung nicht an.

Frau von der Leyen zieht durch das Land und behaup-
tet, die Regierung verbessere mit diesem Gesetzentwurf
die Chancen der Erwerbslosen. Tatsächlich organisieren
Sie einen arbeitsmarktpolitischen Kahlschlag, den es in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland so noch
nie gegeben hat.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Geht es nicht etwas kleiner?)


Hier sagen wir als Linke: Das machen wir nicht mit.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun können Sie ja wieder sagen: Die Linke hat wie-
der einmal etwas zu kritisieren. – Das, was wir sagen, sa-
gen aber auch die Sozialverbände, die Erwerbslosenini-
tiativen und auch die Gewerkschaften. Die Wahrheit ist:
Diese Regierung hat bereits vor einem Jahr beschlossen,
bis 2014 über 20 Milliarden Euro bei der Arbeitsmarkt-
politik einzusparen. Der heute zu beratende Gesetzent-
wurf ist nichts anderes als die Auftragsarbeit zur Umset-
zung dieser Kürzung, und zwar auf Kosten der
Erwerbslosen.

Frau von der Leyen sagt auch, der Staat solle sein
Geld nutzen, um Menschen wieder in reguläre Jobs zu
bringen. Dabei hätten Sie uns auf Ihrer Seite. Erklären
Sie mir dann aber bitte, warum Sie bei den Qualifizie-
rungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sparen wollen.
Die Krönung ist eigentlich, dass Sie schon jetzt sparen.
Ich will Ihnen das auch erklären: Im Juni dieses Jahres

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(C (D aten 25 000 Erwerbslose eine neue Maßnahme der beflichen Weiterbildung an. Im letzten Jahr waren es reimal so viele. Diese Entwicklung hat nichts, aber uch gar nichts mit den sinkenden Arbeitslosenzahlen zu n. Die Zahl der Erwerbslosen im Hartz-IV-Bezug ist geenüber dem Vorjahr gerade einmal um 4 Prozent gesunen. Die Zahl der neu begonnenen Weiterbildungsmaßahmen ist dagegen um 38 Prozent gesunken. Wo, bitte chön, ist hier die Logik Ihres Verfahrens? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Die gemeinsame Koalition klatscht! Rot-Rot-Grün klatscht!)


Es gibt einen riesigen Bedarf bei der Weiterbildung,
ber die Regierung spart hier und will dies auch in den
ächsten Jahren tun. In der letzten Woche veranstaltete
ie Bundesregierung mit einem ganz großen Brimbo-
um einen Fachkräftegipfel. Heute beraten wir einen
esetzentwurf, in dem drastische Einschnitte bei der Ar-
eitsförderung vorgesehen sind. Das passt doch nicht zu-
ammen.

Gestern meldete die Süddeutsche Zeitung, der Gesetz-
ntwurf der Bundesregierung sehe vor, die Mittel für die
taatlich geförderte Beschäftigung, die Sie vorhin so ge-
bt haben, um 1 Milliarde Euro auf nur 185 Millionen
uro zu kürzen.


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Wo steht das bitte?)


abei soll diese Beschäftigungsförderung helfen, sinn-
olle Projekte zu finanzieren und langzeiterwerbslose
enschen


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Die Jobcenter vor Ort entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben!)


hören Sie mir zu, vielleicht können Sie ein bisschen
rnen, Herr Vogel – wieder an den ersten Arbeitsmarkt
eranzuführen. Das ist auch dringend notwendig; denn
isher ging der Aufschwung an den Langzeiterwerbslo-
en doch vorbei. Machen Sie sich doch nichts vor!


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Sie wissen aber schon, dass das Jobcenter vor Ort entscheidet, wofür es das Geld ausgibt?)


Die Beschäftigungsförderung für diese Gruppe soll
un um 80 Prozent gekürzt werden. Herr Vogel, mit gu-
r Arbeitsmarktpolitik im Interesse von erwerbslosen
enschen – das muss ich Ihnen so deutlich sagen – hat

as überhaupt nichts zu tun. Vielmehr drängt sich bei
ir der Eindruck auf, die Bundesregierung sei daran in-
ressiert, eine größere Sockelarbeitslosigkeit beizube-
alten, und zwar als abschreckendes Beispiel für diejeni-
en, die in Lohn und Brot stehen, um sie daran zu
rinnern, dass ihnen Hartz IV droht, sollten sie zu selbst-
ewusst höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen
rdern.





Sabine Zimmermann


(A) )


)(B)


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Frau Zimmermann, im Ernst: Das ist eine Frechheit!)


Deshalb sage ich: Dieser arbeitsmarktpolitische Kahl-
schlag der Bundesregierung richtet sich auch gegen die
Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist
eine unmögliche Politik, für die Sie die Verantwortung
tragen. Das machen wir nicht mit.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich könnte noch viele Kritikpunkte aufzählen, aber
die Redezeit geht zu Ende. Auf einen möchte ich aber
noch kurz eingehen. Es geht um den sogenannten Ver-
mittlungsgutschein für die privaten Arbeitsvermittler.
Die Arbeitsmarktforschung hat festgestellt: Über den
Vermittlungsgutschein wird kaum besser vermittelt, und
die Betroffenen landen häufiger in prekärer, nicht exis-
tenzsichernder Arbeit.

Ich fasse zusammen: Diese Regierung spart erstens
auf dem Rücken der Langzeiterwerbslosen, zweitens
will sie mehr Billigjobs fördern und drittens die Langzeit-
erwerbslosen abschreiben. Das macht die Linke nicht
mit.

Danke schön für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711811100

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Pothmer das Wort.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Brigitte, sei friedlich!)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1711811200

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß

nicht, ob Sie sich noch so richtig daran erinnern können,
aber lange galt Frau von der Leyen als Glücksfall für die
Politik.


(Pascal Kober [FDP]: Das ist auch heute noch so!)


Sie galt zumindest für mich – das gebe ich zu – als
Glücksfall für die Union. Aber inzwischen sind die
Texte, die man über Frau von der Leyen liest, ganz ande-
rer Natur. Ich will Ihnen nur einmal zitieren, was im ak-
tuellen Spiegel steht.


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Dann muss es wohl stimmen!)


Dort heißt es:

Das Scheitern in der Arbeitslosenpolitik hat …
Ursula von der Leyen von der CDU zu verantwor-
ten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Karl Schiewerling [CDU/ CSU]: Seit wann hat der Spiegel recht?)


– Auch ich habe mich gefragt: Hat der Spiegel recht?
Wenn ich mir aber anschaue, was Frau von der Leyen ar-
beitsmarktpolitisch erreicht hat, dann muss ich sagen:

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(C (D as ist nicht toll. Bei der Jobcenterreform musste ihr erst inmal Roland Koch auf die Sprünge helfen. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Das sind gute Hinterlassenschaften! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie traut sich nicht mehr in den Bundestag!)


r Prestigeprojekt, das Bildungspaket, ist ein bürokrati-
ches Monster und deswegen ein Flop.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Beim Thema Fachkräftemangel ist diese Bundes-
gierung blank, weil sie total zerstritten ist. Die mit gro-

em Tusch angekündigte Instrumentenreform bedeutet
ichts anderes, als die Langzeitarbeitslosen abzuhängen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


iese Ministerin musste niemand entzaubern. Sie hat
ich selbst entzaubert.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Sie ist immer noch zauberhaft!)


h sage Ihnen: Der Lack ist ab.

Mal ehrlich: Bei dieser Instrumentenreform geht es
och nicht wirklich um die Instrumente, mit denen die
rbeitslosen wieder in Beschäftigung gebracht werden
önnen. Es geht vor allen Dingen – das ist hier schon ge-
agt worden – ums Geld. Herr Vogel, wenn Pflichtleis-
ngen zu Ermessensleistungen umgewandelt werden

nd gleichzeitig das Geld gekürzt wird,


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Es ist mehr Geld da als zu Ihrer Zeit!)


ann reduziert sich das Ermessen darauf, die Anträge
ur noch abzulehnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


enn beim Gründungszuschuss, dem erfolgreichsten In-
trument der aktiven Arbeitsmarktpolitik, 5 Milliarden
uro eingespart werden, dann hat das mit vernünftiger
rbeitsmarktpolitik nichts zu tun.

Kommen wir einmal zum Thema Weiterbildung. Es
t hier schon hervorgehoben worden, wie wichtig das
t. Schon in diesem Jahr ist der Anteil der Weiterbil-
ung um ein Drittel zurückgegangen. Das wird mit den
ürzungen der Folgejahre noch viel schlimmer werden.
ll das geschieht vor dem Hintergrund des Fachkräfte-
angels.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In der aktiven Arbeitsmarktpolitik sollen 8 Milliarden
uro eingespart werden. Das steht eben nicht im Verhält-
is zum Rückgang der Arbeitslosigkeit. Vor allen Din-
en steht es nicht im Verhältnis zum Rückgang der
angzeitarbeitslosigkeit. Das wird für diese Gruppe fa-





Brigitte Pothmer


(A) )


)(B)

tale Folgen haben. Herr Vogel, die Integration dieser
Gruppe wird nicht etwa billiger. Sie wird teurer werden,
weil sie aufwendiger ist.

Sie konzentrieren sich in Ihrer Arbeitsmarktpolitik
ausschließlich auf diejenigen, die schnell in den ersten
Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Diejenigen, bei denen
nicht mit einem schnellen Erfolg zu rechnen ist, werden
von Ihnen „aussortiert und abgeschrieben“. Das ist jetzt
nicht meine Formulierung, sondern die des Stellvertre-
tenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.
Vielleicht kommt ja diese Botschaft bei Ihnen an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mit dieser Politik treiben Sie die Spaltung des Ar-
beitsmarktes weiter voran. Herr Vogel, Herr Brauksiepe,
dies sollte eigentlich die Stunde der Arbeitsmarktpolitik
sein. Jetzt könnte Arbeitsmarktpolitik zeigen, was in ihr
steckt, was sie kann, denn jetzt sind die Jobs da, in die
hineinqualifiziert und vermittelt werden kann. Ich for-
dere Sie auf: Nutzen Sie den Schwung dieser Konjunk-
tur, um auch die Langzeitarbeitslosen in Arbeit zu brin-
gen!

Sie laufen auf das zu, was Sie selber einmal als Hor-
rorszenario bezeichnet haben, nämlich eine hohe Ar-
beitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel.
Aber Sie versauen damit nicht nur die Chancen der Ar-
beitslosen. Nein, das, was Sie machen, ist auch für die
Volkswirtschaft schlecht. Der Fachkräftemangel droht
wirklich zu dem größten Risiko des wirtschaftlichen
Aufschwungs zu werden.

Für die Bundesregierung sind Integration und Teil-
habe offensichtlich kein politisches Ziel mehr. Für uns
wird es aber das politische Ziel bleiben. Frau von der
Leyen spekuliert offensichtlich auf die Weiterentwick-
lung der Konjunktur. Sie sonnt sich in den sinkenden Ar-
beitslosenzahlen, und sie rechnet damit, dass niemand
mehr diejenigen, die hinten runterfallen, im Blick hat.
Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, und das
werden Ihnen auch andere nicht durchgehen lassen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711811300

Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Zimmer für

die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1711811400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Frau Pothmer, was Sie hier
immer wieder an ansatzlosem Entrüstungspotenzial ent-
fesseln, ist ganz großes Kino. Aber es geht zum Teil an
der Wirklichkeit vorbei.

Die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
ist nicht dafür gedacht, den Selbsterhaltungsstress der
Träger zu mildern,

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(C (D (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es gar nicht! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich ein Wort zu den Trägern gesagt?)


ondern die Menschen in Arbeit zu bringen. Nehmen Sie
as so hin!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Mast [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit!)


Wir sind schon 2008 eine Reform der arbeitsmarkt-
olitischen Instrumente angegangen. Ich habe mich noch
inmal etwas genauer mit den damaligen Debatten und
uch mit Ihrer Rede, Frau Pothmer, befasst, in der Sie
chon damals beinahe das Ende der Zivilisation be-
chworen haben. Demgegenüber hat der damalige Ar-
eitsminister Scholz gesagt, wir müssten die Reform der
rbeitsmarktpolitischen Instrumente an der Möglichkeit
er Vollbeschäftigung messen lassen. Damit hat er recht.


(Katja Mast [SPD]: Aber das tun Sie doch gar nicht! Das ist doch Ihr Problem!)


Wir müssen auch anerkennen, dass die heutige Ar-
eitsmarktsituation mit dem boomenden Arbeitsmarkt,
der wir jetzt die Neubestimmung der arbeitsmarktpoli-
schen Instrumente vornehmen, sich von der Situation
008 unterscheidet und dass die gute Lage am Arbeits-
arkt vielleicht auch ein bisschen damit zu tun hat, dass
an 2008 die Instrumente gut geschärft hat.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Lage ist schwieriger geworden für diejenigen, die langzeitarbeitslos sind! Frau Pothmer hat es erklärt!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1711811500
Man kann
och einiges verbessern. Das wollen wir tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zielrichtung der Reform der arbeitsmarktpolitischen
strumente ist die Integration in den Arbeitsmarkt. Das

uggeriert schon der Titel „Leistungssteigerung der ar-
eitsmarktpolitischen Instrumente“. Man kann sich sehr
ohl darüber streiten, ob für das SGB II ein eigenes In-

trumentarium notwendig ist. Aber ich denke, mit Blick
uf den boomenden Arbeitsmarkt ist es die richtige Ent-
cheidung, auf den Arbeitsmarkt hin zu integrieren.

Wir dürfen dabei all diejenigen nicht vergessen, die
rkennbar keine Chance haben, auf den Arbeitsmarkt zu
ommen. Deswegen bin ich Staatssekretär Brauksiepe
ehr dankbar, dass er sehr deutlich hervorgehoben hat,
ass wir die öffentlich geförderte Beschäftigung weiter-
hren wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie tun nichts dafür!)


Wenn die Integration in den ersten Arbeitsmarkt die
ielrichtung dieses Reformvorhabens ist, dann war es
uch richtig, dass im Gegensatz zum Referentenentwurf
er § 16 e SGB II, in dem der Beschäftigungszuschuss





Dr. Matthias Zimmer


(A) )


)(B)

geregelt ist, in der Kabinettsvorlage geändert wurde. Die
Kriterien der Zusätzlichkeit, der Wettbewerbsneutralität
und des öffentlichen Interesses sind weggefallen. Man
kann bei einem Beschäftigungszuschuss von bis zu
75 Prozent von einem Arbeitgeber nicht verlangen, dass
er die übrigen 25 Prozent arbeitsmarktfern aufbringt. Ich
glaube, das ist nicht möglich, und es entspricht auch
nicht der Philosophie dieses Gesetzes.

Ich wünschte mir dann allerdings auch eine andere
Regelung bei den AGH. Das haben Sie schon angespro-
chen, Frau Kramme. Hier sind Zusätzlichkeit, öffentli-
ches Interesse und Wettbewerbsneutralität benannt. Die
Wettbewerbsneutralität war bisher nur in den Ausfüh-
rungsbestimmungen enthalten. Wenn die Brücke in den
Arbeitsmarkt tragen soll, dann müssen die Arbeitsgele-
genheiten arbeitsmarktnah ausgestaltet werden. Ich
würde mir wünschen, dass man dort ebenfalls im Sinne
der Philosophie des Gesetzes zu mehr Entscheidungs-
freiheit vor Ort kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Vieles wird beibehalten, beispielsweise der Rechtsan-
spruch auf die Vorbereitung auf den Hauptschulab-
schluss. Das war einer der zentralen Punkte der Reform
von 2008. Mich ärgert, offen gestanden, ein bisschen,
dass wir die Länder zu wenig in die Pflicht nehmen. All
diejenigen, die keinen Hauptschulabschluss haben, wer-
den der Bundesagentur für Arbeit gewissermaßen vor
die Füße gekehrt. Ich wünsche mir, dass wir einmal sehr
ernsthaft über die Einführung eines Aussteuerungsbei-
trags der Länder für jeden, der den Hauptschulabschluss
nicht geschafft hat, an die Bundesagentur für Arbeit dis-
kutieren. Mit einem solchen Beitrag würden wir die Län-
der nachhaltig in die Verantwortung für die Bildungser-
folge junger Menschen nehmen.

Vieles gerade im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit
kann durch zielgenaue Beratung gelöst werden. Dazu
bedarf es gut ausgebildeter Berater und Mitarbeiter. Des-
wegen ist auch die Qualifizierung der Mitarbeiter in den
Agenturen wichtig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nachdem die Strukturreform des SGB II auf den Weg
gebracht wurde – das wurde schon mehrfach angespro-
chen –, besteht nach meiner Meinung eine gute Perspek-
tive, dass Beratung und Vermittlung professioneller er-
folgen.

Der Gesetzentwurf ist eine gute Grundlage, um die ar-
beitsmarktpolitischen Instrumente zielgenauer, effekti-
ver, transparenter und stärker dezentral organisiert zu
gestalten. Das wichtigste Ziel ist, Menschen in Beschäf-
tigung zu bringen, nicht, eine Bestandsgarantie für Maß-
nahmenträger abzugeben. An dem Ziel, Menschen in
Beschäftigung zu bringen, wird man uns messen. Ich bin
zuversichtlich, dass wir diesem Maß gewachsen sind.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Die Kollegin Mast hat nun für die SPD-Fraktion das ort. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Verehrter Kollege Zimmer, Sie glauben doch nicht rnsthaft, durch das Gesetz zur Verbesserung der Einliederungschancen am Arbeitsmarkt die Chancen von angzeitarbeitslosen, die ganz am Rand stehen, zu veressern. Das kann nicht Ihr Ernst sein. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ich habe keine Rede für den Kölner Karneval gehalten!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711811600

(Beifall bei der SPD)

Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1711811700

h werde Ihnen das gleich belegen.

Dieser Gesetzentwurf ist alles andere als der Entwurf
ines Chancengesetzes. Er ist letztendlich nichts anderes
ls ein Sumpf, in dem die Chancen der Menschen, die
rbeit suchen, versinken. Damit werden keine neuen
hancen eröffnet.


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: War das jetzt der Beleg?)


Herr Vogel, vielleicht hören Sie mir bis zum Ende zu.
ann können Sie mir diese Frage noch einmal stellen.


(Otto Fricke [FDP]: War das nun der Beleg?)


Der kommt. Ich möchte meine Redezeit nicht dazu
utzen, diesen Dialog fortzusetzen, vielmehr will ich auf
ie Inhalte eingehen.

Der Gesetzentwurf ist ein Sumpf. Die Kolleginnen
nd Kollegen, die vor mir gesprochen haben, haben
eutlich gemacht, dass man, wenn man Menschen, die
rbeit suchen, Chancen eröffnen will, Geld und gutes
ersonal braucht. Sie, meine Damen und Herren von der
oalition, haben aber beschlossen, bis 2015 19 Milliar-
en Euro – 11,5 Milliarden Euro bei Menschen im Be-
ug des Arbeitslosengeldes I und 7,5 Milliarden Euro bei
enschen im Bezug des Arbeitslosengeldes II – einzu-

paren. Ich frage mich, woher die Chancen kommen sol-
n, wenn kein Geld mehr da ist.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


er Staatssekretär hat von Vertrauen und Handlungs-
pielräumen vor Ort gesprochen. Sie schaffen aber nur in
inem einzigen Punkt Vertrauen: Die Vermittlerinnen
nd Vermittler müssen Nein zur Förderung von Weiter-
ildungen und Berufsausbildungen sagen. Sie müssen
ein zu öffentlich geförderter Beschäftigung sagen.
hne Moos nix los! Das ist Ihr Sumpf.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


In welcher gesellschaftlichen Situation diskutieren
ir über diesen Gesetzentwurf? Wir stehen vor riesigen
ufgaben. Erstens geht es um Deckung des Fachkräfte-
edarfs. Die Kollegin Pothmer hat natürlich recht, wenn
ie darauf hinweist, dass das die Kernaufgabe bei der Si-
herung unserer wirtschaftlichen Zukunft ist.





Katja Mast


(A) )


)(B)

Zweitens wollen wir, dass heute langzeitarbeitslose
Menschen zu Fachkräften qualifiziert werden, damit sie
den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt und vor allen
Dingen in gute Arbeit dauerhaft schaffen.


(Beifall bei der SPD)


Drittens. Wir wollen – ich komme gleich wieder zu
meinem Kollegen Zimmer, der sich jetzt unterhält –,
dass Menschen, die trotz unserer Vermittlungsanstren-
gungen keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt ha-
ben, durch öffentlich geförderte Beschäftigung am Ar-
beitsmarkt teilhaben können. Die Förderungsdauer sollte
nicht maximal zwei Jahre dauern. Durch Ihren heute ein-
gebrachten Gesetzentwurf werden die Jobperspektiven
der Langzeitarbeitslosen beschnitten; denn wegen der
Neuregelung des Beschäftigungszuschusses nehmen Sie
ihnen die Möglichkeit, einen dauerhaften Arbeitsvertrag
zu haben.


(Beifall bei der SPD)


Ihre Absicht, die Förderungsdauer auf zwei Jahre zu be-
grenzen, ist nichts Würdevolles.

An diesem Punkt waren die Kollegen von der Union,
als sie noch mit uns in der Großen Koalition waren,
schon einmal weiter. Ich sage ausdrücklich: Ich bedau-
ere, dass Sie sich da, von wem auch immer, über den
Tisch haben ziehen lassen, dass Sie das wertvolle Instru-
ment zum Umgang mit langzeitarbeitslosen Menschen
aufgeben. Diese Menschen stehen ganz am Rande in un-
serer Gesellschaft. Viele hatten seit sechs Jahren und
mehr keine Arbeit mehr. Bei ihnen gibt es vielfache Ver-
mittlungshemmnisse. Sie haben gesundheitliche Pro-
bleme, darunter vielleicht psychische. Diesen Menschen
sagen Sie: Wir geben euch keinen ordentlichen Arbeits-
vertrag. – Das ist der eigentliche Skandal bei der öffent-
lich geförderten Beschäftigung.

Sie wissen, dass es einen Flächenbrand vonseiten der
Träger gibt. Ich halte hier kein Plädoyer für die Träger;
mir geht es um die langzeitarbeitslosen Menschen. Ich
mache jedes Jahr ein Praktikum mit Langzeitarbeitslo-
sen. Wissen Sie, was sie immer zu mir sagen? – Wir wol-
len Arbeit. Wir wollen einen Arbeitsvertrag. Wir wollen
morgens aufstehen und eine Aufgabe in dieser Gesell-
schaft haben, und wir wollen dafür fair entlohnt werden.

Wenn die Förderung innerhalb von fünf Jahren länger
als zwei Jahre dauern muss, dann verstehe ich nicht, wa-
rum Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union,
sich auf solch einen Deal einlassen; denn das entwürdigt
die Arbeit dieser Menschen. Sie wollen einen Arbeits-
vertrag wie alle anderen auch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bleibe dabei – Herr Vogel, hoffentlich haben Sie
den Beleg zur Kenntnis genommen –,


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Leider nein!)


dass es sich um einen Sumpf handelt, durch den Chan-
cen genommen werden. Genommen werden nicht nur

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(C (D ie Chancen der Langzeitarbeitslosen, sondern auch die hancen derjenigen, die im Arbeitslosengeld-I-Bezug ine Qualifikation nachholen wollen. Wenn die Bundesgentur für Arbeit kein Geld mehr für Qualifikation hat, ann wird sie die Qualifikation dieser Menschen auch icht finanzieren; so einfach ist die Realität vor Ort. Reen Sie mit Arbeitssuchenden, dann erfahren Sie das. ußerdem nehmen Sie denjenigen Langzeitarbeitslo en, die wir vielleicht zu guten Fachkräften qualifizieren önnen, Chancen. Wenn Sie nicht wollen, dass der Titel Ihres Gesetzenturfs irgendwann lautet „Entwurf eines Sumpfes zur erbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsarkt“, dann verändern Sie diesen Gesetzentwurf. Sor en Sie für mehr Qualifizierung. Bereiten Sie sich in der rbeitsmarktpolitik auf den Fachkräftebedarf der Zuunft vor. Kämpfen Sie im Haushalt für aktive Arbeitsarktpolitik. Nur so gewährleisten wir „Fördern und ordern“ der Menschen, die Arbeit in diesem Land suhen. Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Kober das ort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711811800


Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1711811900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

enn einem nichts einfällt, dann könnte man auch ein-
al schweigen. Wenn einem dennoch Redezeit im Deut-

chen Bundestag gewährt wird und man vor der Aufgabe
teht, einen Gesetzentwurf der Regierung zu bewerten,
ann könnte man auch einmal loben, wenn etwas gelun-
en ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as ist hier der Fall.

Worum es Ihnen eigentlich geht, merkt man daran,
ass Sie sich genötigt fühlen, Ihre Redezeit mit Behaup-
ngen zu füllen, die, wenn man sie auf ihren Wahrheits-

ehalt prüft, in sich zusammenfallen und sich sogar
egen Sie selbst richten. Ihre Theorie, dass der Einglie-
erungstitel desto wirksamer ist, je höher er in der
umme ist,


(Katja Mast [SPD]: Habe ich nicht gesagt!)


önnte richtig sein. Wir glauben aber nicht daran; denn
in Eingliederungstitel „arbeitsmarktpolitische Maßnah-
en“ allein reicht nicht. Was es braucht, sind Arbeits-

lätze, und die entstehen durch eine gute Wirtschafts-,
inanz- und Steuerpolitik,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist ja mal eine Neuigkeit!)


ie wir sie als christlich-liberale Koalition so erfolgreich
etreiben, wie es Ihnen noch nie gelungen ist.





Pascal Kober


(A) )


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Frau Hagedorn, Sie haben in diese Debatte mit Ihrer
Zwischenfrage den Begriff „Kahlschlag“ eingeführt.
Diesen Begriff hat die Kollegin von der Partei Die Linke
dann aufgegriffen. Wenn es Kahlschlag sein soll, dass
wir die Eingliederungstitel zurückführen, weil weniger
Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind,


(Katja Mast [SPD]: Nach SGB II ist das Kahlschlag!)


dann muss man zumindest einmal sagen dürfen, was Sie
in Ihrer Regierungszeit für diese Personengruppe bereit-
gestellt haben, Frau Hagedorn.

Im Jahr 2005, am Ende Ihrer Regierungszeit – da wa-
ren Sie schon Mitglied des Deutschen Bundestages –,
wies der Eingliederungstitel in Summe einen Wert von
6,55 Milliarden Euro auf – bei 4,8 Millionen Arbeitslo-
sen. Wenn man das zu den Daten ins Verhältnis setzt, de-
nen wir jetzt glücklicherweise entgegensehen, nämlich
einer durchschnittlichen Zahl von Arbeitslosen von
2,7 Millionen im Jahr 2011 und einem Eingliederungsti-
tel von 5,3 Milliarden Euro im Jahr 2012, dann ist ein-
deutig klar und für jeden ersichtlich, dass wir für diesen
Bereich mehr Geld pro Person aufwenden, als Sie je auf-
zuwenden bereit waren.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist eine Milchmädchenrechnung!)


Deshalb verfängt Ihr Argument vom Kahlschlag nicht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Weil wir über diesen Gesetzentwurf nicht nur im Ple-
num des Bundestags diskutieren werden, sondern auch
im Fachausschuss und, wie ich höre, zu Recht auch in
anderen Ausschüssen, im Haushaltsausschuss beispiels-
weise,


(Otto Fricke [FDP]: Das ist immer gut!)


möchte ich Sie von vornherein darum bitten, dass Sie
sich an der Sachdiskussion beteiligen und nicht verfan-
gen bleiben in der falschen Behauptung, wir würden den
Eingliederungstitel über die Maßen zurückfahren und
damit den Menschen schaden.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Zahlen lügen nicht!)


Es geht darum, jetzt insbesondere das Problem der
Langzeitarbeitslosigkeit anzugehen. Dazu müssen wir
den Instrumentenkasten – so bezeichnen wir das – ziel-
gerichteter machen. Dazu müssen wir erreichen, dass
mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort bei den Jobvermitt-
lern besteht, dass individueller auf die Bedürfnisse der
Menschen eingegangen werden kann. Das alles ist schon
jetzt Gegenstand dieses Entwurfs. An diesem Entwurf
arbeiten wir weiter; denn er ist gut.

Liebe Frau Pothmer, Ursula von der Leyen als Minis-
terin mit Unterstützung der FDP- und der Unionskolle-
gen ist in der Tat eine gute Ministerin für die Arbeitslo-
sen; denn wir bekämpfen Arbeitslosigkeit so erfolgreich,
wie es Ihnen zu Ihrer Regierungszeit nie gelungen ist.

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(C (D Vielen Dank. Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Lange das ort. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Wir sprechen heute in erster Lesung über einen Enturf, der, glaube ich, schon sehr gelungen ist, der den enschen in den Mittelpunkt stellt, nämlich den Men chen, der Arbeit sucht, der arbeiten möchte, wie die ollegin Mast es vorhin so schön beschrieben hat, und er auch die Chance haben soll, zu arbeiten. Wir sprehen nicht, liebe Kollegin Mast – da möchte ich ausrücklich widersprechen –, über Kürzungen von Sozialistungen. Sie haben vorhin gerechnet und sind auf 9 Milliarden Euro gekommen. Ich habe versucht, nachuvollziehen, wie man aus einem Topf von 10,5 Milliaren Euro 19 Milliarden Euro herausnehmen kann. Das t mir als Jurist, der allerdings bekanntlich nicht gut chnen kann – ich bin auch kein Haushälter –, nicht gengen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis 2015! Das muss man mehrere Jahre hintereinander setzen!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711812000

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1711812100

Es reicht also nicht, pauschal Kritik zu üben oder zu
agen: Es fehlt an Geld. – Vielmehr sollten wir uns nach
inem Blick zurück überlegen, wie wir in dieser guten
onjunktur mit der Situation umgehen. Da kann ich Ih-
en den kleinen Hinweis nicht ersparen, dass wir nach
em Negativrekord 2005 mit 13 Prozent Arbeitslosigkeit
das waren 5 Millionen Arbeitslose – heute, nach der
rise, glücklich bei einer Zahl von unter 3 Millionen Ar-
eitslosen stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Auch die Kritik, dass es um Einsparungen geht, ist
ffensichtlich unrichtig. Es gab 2007 600 000 Hilfe-
edürftige mehr. Wenn man das auf die Zahl der jetzt
edürftigen umrechnet, stellt man fest: Wir haben heute
r weniger Langzeitarbeitslose mehr Geld zur Verfü-

ung als damals. Wenn man mit Zahlen arbeitet, sollte
an, so meine Bitte, schon korrekt mit den Zahlen um-

ehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir garantieren mit diesem Gesetzentwurf soziale Si-
herheit. Gewisse Punkte greifen wir deswegen auch
anz bewusst nicht an. Indem wir besondere Schwer-
unkte setzen, geben wir aber die Chance für mehr Bera-
ng vor Ort, für mehr Dezentralität, für mehr Effizienz,
r eine höhere Förderung junger Menschen, Allein-

rziehender und Älterer.

Liebe Frau Pothmer, Sie haben vorhin die Fachkräfte
ngesprochen. Wir haben hier schon einmal eine Debatte





Ulrich Lange


(A) )


)(B)

geführt über Fachkräfte und ältere Menschen, die wir
wieder in den Arbeitsmarkt bringen wollen.


(Zuruf der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


– Sie haben vorhin die Fachkräfte angesprochen. Ich
glaube, dass wir gerade in diesem Punkt sehr genau wis-
sen, dass eine große Aufgabe und Herausforderung vor
uns liegt. Wir nehmen sie an, weil wir genau dieses
Potenzial zur Fachkräftesicherung heben wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wann, wenn nicht
jetzt?


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Zum einen zum Zeitpunkt einer Haushaltskonsolidie-
rung, zum anderen und vor allem zum Zeitpunkt einer
überaus erfreulichen Konjunktur und deutlich sinkender
Arbeitslosigkeit wollen wir eine solche Reform durch-
führen. In einigen Regionen haben wir heute schon Voll-
beschäftigung. Bei der Arbeitslosenzahl liegen wir unter
der 3-Millionen-Grenze. Es gibt 250 000 Arbeitslose
weniger als vor der Krise.

Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Ich
glaube auch, dass wir in der jetzigen Situation die richti-
gen Maßnahmen ergreifen, dass wir in Zeiten guter Kon-
junktur Steuergelder gezielt einsetzen und uns genau
überlegen, wo wir wie an die Menschen herankommen.
Denn Langzeitarbeitslosigkeit ist kein fester Block. Es
gibt Bewegung; das haben die letzten Monate gezeigt.

Nehmen wir den Schwung, nehmen wir die Bewe-
gung mit durch die Konjunktur und durch ein gutes Ge-
setz! Ziehen wir bei diesem Thema an einem Strang!
Dann werden wir nach den Beratungen zu einem guten
Erfolg kommen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711812200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 17/6277 und 17/6319 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 38 sowie den Zu-
satzpunkt 16 auf:

38 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Dr. Gregor Gysi, Jan van
Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Den Staat Palästina anerkennen

– Drucksache 17/6150 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

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(C (D P 16 Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Gloser, Dr. Rolf Mützenich, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Den Nahost-Friedensbemühungen neuen Schwung verleihen – Drucksache 17/6298 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die an der ebatte nicht mehr teilhaben können, uns die Eröffnung er Aussprache und die notwendige Aufmerksamkeit zu rmöglichen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege r. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN – Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Wo ist denn Herr Ernst? Der drückt sich, ja?)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711812300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

NO beschloss 1948 die Gründung des Staates Israel für
ie Jüdinnen und Juden nach dem durch Deutsche auf
eisung von Hitler und seiner Regierung begangenen

inzigartigen Verbrechen – dem Versuch, die Jüdinnen
nd Juden in Europa auszurotten.

6 Millionen Jüdinnen und Juden wurden ermordet.
ur durch in von unserem Land begangenen Verbrechen
am es überhaupt zu einem solchen UN-Beschluss. Des-
alb müssen wir Deutsche dafür eintreten, dass die Jü-
innen und Juden das Recht auf einen Staat haben, in
em sie die Mehrheit stellen, aber ebenso selbstverständ-
ch Nichtjüdinnen und Nichtjuden gleichberechtigt zu
ehandeln haben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die UNO hat 1948 aber auch beschlossen, den Staat
alästina zu gründen. Die arabischen Länder lehnten
ies damals ab und begannen stattdessen einen Krieg ge-
en Israel. Die Waffenlieferungen an Israel kamen übri-
ens nicht aus den USA, nicht aus Großbritannien oder
rankreich, sondern mithilfe der Sowjetunion aus der
schechoslowakei. Letztlich gewann Israel und erwei-
rte sein Territorium.
Wie immer man zu dem Territoriumsgewinn steht: Es

ntstanden die Grenzen, die bis 1967 einigermaßen hiel-
n. Es ist bekannt, welche Kriege anschließend stattfan-
en. Die Palästinenserinnen und Palästinenser wollten
nd wollen inzwischen endlich einen eigenen Staat.

In Übereinstimmung mit sämtlichen UNO-Beschlüs-
en soll der Staat Palästina in den Grenzen von 1967
roklamiert und anerkannt werden. Ein Austausch von
erritorien kann nur zwischen Israel und Palästina ver-
inbart werden. Die Palästinenserinnen und Palästinen-
er, die im Unterschied zu den Deutschen die Verbrechen





Dr. Gregor Gysi


(A) )


)(B)

an den Jüdinnen und Juden nicht begangen haben, haben
einen Anspruch auf einen eigenen lebensfähigen Staat,
in dem sie souveräne Rechte ausüben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Friedlichkeit zwischen beiden Staaten muss interna-
tional garantiert und gewährleistet werden.

Die israelische Regierung sperrt sich zurzeit dagegen.
Viele Staaten unterstützen aber die Palästinenserinnen
und Palästinenser. Der französische Präsident Sarkozy
ist bereit, diesen Staat zu unterstützen und anzuerken-
nen. Die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister
warnen vor einseitigen Schritten. Ich frage Sie: Was soll
daran einseitig sein? Einseitig wäre es, wenn beide Staa-
ten noch nicht gegründet wären und plötzlich eine Seite
damit begönne. Aber den Staat Israel gibt es seit 1948.
Es ist mehr als höchste Zeit, dass auch der Staat Paläs-
tina entsteht. Wenn Sie erklären, dass Sie warten wollen,
bis die israelische Regierung dies genehmigt, können Sie
auch sagen, dass es den Staat Palästina niemals geben
wird, wenn die israelische Regierung es eben nie geneh-
migen sollte.

Die Lage im Nahen Osten und in Nordafrika ist völlig
verändert. Wir wissen noch nicht, welche Strukturen in
Ägypten, Tunesien, Libyen, Syrien, Jemen und Bahrain
entstehen. Gerade in einer solchen Situation wäre das
friedliche Nebeneinander der Staaten Israel und Paläs-
tina für den Friedens- und Demokratieprozess im Nahen
Osten und in Nordafrika ungeheuer wichtig.


(Beifall bei der LINKEN)


Unsere Regierung trägt seit heute als Vorsitzende des
Sicherheitsrates der UNO eine hohe Verantwortung. Wir
müssen das Zwei-Staaten-Modell aktiv unterstützen, im
Interesse der Palästinenserinnen und Palästinenser, im
Interesse der Israelis, im Interesse aller Menschen im
Nahen Osten und der Weltgemeinschaft.

Es ist zu befürchten, dass ein Antrag auf Ausrufung
und Anerkennung des Staates Palästina und seine Mit-
gliedschaft in der UNO im Sicherheitsrat am Veto der
USA scheitern werden. Ich hoffe, die Bundesregierung
stimmt für die Gründung des Staates. Der Beschluss des
Sicherheitsrates kann aber durch eine Zweidrittelmehr-
heit der Mitglieder der UNO aufgehoben werden: Min-
destens 128 der 192 Mitgliedstaaten müssten dafür stim-
men; das ist durchaus möglich. Auch hier sollte
Deutschland für die Gründung des Staates stimmen. Es
änderte sich noch nichts in der Region, aber der Druck
nähme zu, diesen Willen der Weltgemeinschaft zu reali-
sieren. Die Bundesregierung darf dabei nicht zurückhal-
tend sein; sie muss aktiv werden. Halten Sie Ihre wichti-
gen Beziehungen zu Israel aufrecht, aber erkennen Sie
den Staat Palästina unbedingt an!


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sollten auch Palästina helfen, soweit wir können.
Auch das entspräche unserer besonderen historischen
Verantwortung.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Der Kollege Silberhorn hat das Wort für die Unions aktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! In der arabischen Welt vollzieht sich ein Umruch fundamentalen Ausmaßes. Gleichzeitig stellen wir st, dass sich im Nahostkonflikt – das ist ja in unmittel arer Nachbarschaft dazu – seit eineinhalb Jahren nichts ewegt. Wir beobachten einerseits eine politische Dynaik in der arabischen Welt, die lange Zeit immun gegen den Wandel erschien; andererseits stellt sich die Lage Nahostkonflikt ernüchternd dar. Das ist umso bedau rlicher, als die fundamentalen Veränderungen in der rabischen Welt Fortschritte im Friedensprozess noch ringlicher machen. Frieden wird es aber nur mit einer Verhandlungslöung geben. Zu Recht appelliert der Europäische Rat in einen Schlussfolgerungen vom letzten Freitag an alle arteien, unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen. abei ist entscheidend, dass die beteiligten Parteien in irekte Verhandlungen miteinander treten müssen; nur ann wird es Fortschritte im Friedensprozess geben. eshalb sind wir skeptisch; die einseitige Ausrufung eies palästinensischen Staates dient diesem Ziel nicht. in solcher Schritt hätte wohl vor allem symbolische Beeutung; aber ob er uns dem Ziel einer Zwei-Staaten-Löung wirklich näher bringen würde, darf man mit Fug nd Recht bezweifeln. Auch die SPD-Fraktion spricht in rem Antrag von einer symbolischen Anerkennung. Ich laube, man darf nicht verkennen, dass die Gefahr beteht, dass ein solches palästinensisches Vorgehen nicht ur folgenlos bliebe, was Fortschritte im Friedensproess anbelangt, sondern möglicherweise sogar zu einer erhärtung der jeweiligen Positionen führen könnte. Die erspektiven für eine Fortführung des Friedensprozesses ürden dadurch nicht besser. Es müsste in jedem Fall eiterverhandelt werden, weil durch die einseitige Ausfung eines palästinensischen Staates keine einzige ofne Frage geklärt würde. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Aber besser als Intifada!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711812400

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1711812500

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen auch die Folgen für Israel bedenken. Al-
s andere als ein klares Nein zu einer einseitigen Staats-

usrufung wäre ein eklatanter Bruch in der deutschen
ußenpolitik.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal, was daran einseitig sein soll!)


n einer so grundlegenden Frage zeigt sich, ob wir es
rnst meinen damit, dass die Sicherheit Israels Teil der
eutschen Staatsräson ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)






Thomas Silberhorn


(A) )


)(B)

Deswegen ist die Idee einer einseitigen Ausrufung ei-
nes palästinensischen Staates kein Signal zum Aufbruch,
sondern eine diplomatische Sackgasse. Ich will aller-
dings auch sagen, dass ich durchaus nachvollziehen
kann, welche Frustration sich auf palästinensischer Seite
aufgebaut hat. Bei den Friedensverhandlungen tritt man
auf der Stelle. Sie kreisen seit Jahrzehnten um dieselben
Themen, ohne dass eine echte Perspektive für eine um-
fassende Lösung absehbar wäre.

Hinzu kommt, dass die Palästinenser in den letzten
Jahren substanzielle Fortschritte beim Aufbau eines
Staatswesens erzielt haben. Das haben die Experten der
Vereinten Nationen, der Weltbank und des Internationa-
len Währungsfonds wiederholt bestätigt. Auf der letzten
Konferenz der wichtigsten Geber für die palästinensi-
schen Gebiete im April dieses Jahres kamen sie überein-
stimmend zu dem Schluss, dass die palästinensische Au-
tonomiebehörde die grundlegenden Voraussetzungen für
eigene Staatlichkeit geschaffen hat. Das ist ein großes
Verdienst von Premierminister Fayyad. Die Bundesre-
gierung hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Aufbau
staatlicher Strukturen unterstützt, unter anderem durch
die Einsetzung eines deutsch-palästinensischen Len-
kungsausschusses im letzten Jahr.

Dennoch ist der einzig gangbare Weg zu einer tragfä-
higen Friedenslösung die Wiederaufnahme direkter Ver-
handlungen. Dazu bedarf es natürlich des politischen
Willens beider Seiten. Es bedarf auch der Aussicht auf
erreichbare Fortschritte in absehbarer Zeit. Deswegen
müssen wir beiden Seiten erhebliche Anstrengungen ab-
verlangen.

Der palästinensischen Seite müssen wir deutlich ma-
chen, dass das Einheitsabkommen, das Anfang Mai in
Kairo mit der Hamas unterzeichnet worden ist, unter
dem Vorbehalt stehen muss, dass die Hamas das Exis-
tenzrecht Israels anerkennt, von Gewalt Abstand nimmt
und bisherige Abkommen anerkennt; denn es ist für Is-
rael zu Recht schlicht inakzeptabel, mit einem Akteur zu
verhandeln, der als Zielsetzung seiner Charta formuliert,
die Existenz Israels zerstören zu wollen.

Die israelische Regierung muss endlich darlegen, wie
sie sich eine umfassende und gerechte Friedenslösung
vorstellt. Außer dem grundsätzlichen Bekenntnis zu ei-
ner Zwei-Staaten-Lösung haben wir dazu bisher wenig
Substanzielles gehört. Das gilt im Übrigen auch für die
viel beachtete Rede des israelischen Premierministers
vor dem US-Kongress vor wenigen Wochen. Was wir er-
warten müssen, ist, dass Israel eine positive Vision für
eine Friedenslösung einbringt. Das würde es auch den
gemäßigten Kräften auf palästinensischer Seite ermögli-
chen, auf realistische Ziele hinzuarbeiten und das gegen-
über der Bevölkerung auch zu vertreten.

Es gilt, gegenüber beiden Parteien immer wieder
deutlich zu machen, dass eine Friedenslösung in ihrem
eigenen Interesse ist. Israel würde dadurch aus dem Fo-
kus der Kritik in der arabischen Welt genommen. Das ist
durchaus von Bedeutung; denn die Palästina-Frage ist
noch immer ein Thema mit großem Mobilisierungs-
potenzial in diesen Staaten. Angesichts des gegenwärti-
gen Umbruchs deutet manches darauf hin, dass die Poli-

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(C (D k der arabischen Regierungen stärker als bisher auf die ehrheitsmeinung in der Bevölkerung Rücksicht nehen wird. Die Dynamik des Wandels in der arabischen elt wird deshalb die Verhandlungsposition Israels ten enziell eher schwächen als stärken. Die palästinensische Autonomiebehörde auf der aneren Seite hätte durch ein Friedensabkommen die hance, ihre eigene Legitimation zu stärken und bei der berwindung der Spaltung der palästinensischen Gesell chaft einen wichtigen Schritt voranzukommen. Desween muss es das Ziel sein, noch vor der Generalverammlung der Vereinten Nationen im September dieses ahres die Verhandlungen zwischen beiden Partnern wieerzubeleben und eine Perspektive für echte Fortschritte u schaffen. Die Grundelemente einer solchen Friedenslösung ind seit langem bekannt: die Grenzen von 1967 als Ausangspunkt für den Austausch von Land, eine Lösung er Jerusalem-Frage, tragfähige Sicherheitsgarantien für rael einschließlich einer möglichen Sicherheitspräsenz nd eine Einigung hinsichtlich des Rückkehrrechts für lüchtlinge. Diese Parameter sind und bleiben Kerneleente einer dauerhaften Beilegung des Konflikts. Vor wenigen Tagen – lassen Sie mich das abschlieend erwähnen – hat sich die Geiselnahme von Gilad chalit zum fünften Mal gejährt. Zur heutigen Debatte ehört daher auch der erneute Appell an seine Entführer, ilad Schalit freizulassen und seinem Leid und dem seier Familie endlich ein Ende zu bereiten. Das wäre ein chtes Zeichen von Menschlichkeit. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711812600

Das Wort hat der Kollege Günter Gloser für die SPD-

raktion.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1711812700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Seit dem Beginn dieses Jahres weht der
ind des Wandels durch die Nahostregion und durch
ordafrika. Mit Überraschung und Staunen haben wir
as massenhafte Aufbegehren der Menschen gegen
achthaber und Herrschaftssysteme in der Region gese-

en, die jahrelang als nicht erschütterbar galten. Dieser
rozess ist mit Leid und Tod verbunden, da die Aus-
inandersetzungen insbesondere in Libyen und Syrien,
ber auch im Jemen mit Gewalt geführt werden. Der
rozess ist, wie wir täglich in den Nachrichten sehen,
och nicht an sein Ende gekommen. Der Wind des Wan-
els in Tunesien, Ägypten und vielen anderen Staaten
at das Fenster für neue Entwicklungschancen aufgesto-
en.

Auch vor Palästina hat diese Entwicklung nicht halt-
emacht. Die Palästinenser sind vielerorts auf die Straße
egangen, um endlich das Ende ihrer zerstrittenen Dop-
elführung und eine Regierung für sich zu fordern, und





Günter Gloser


(A) )


)(B)

zwar weitgehend gewaltfrei. Dieser Hinweis ist mir sehr
wichtig. Es war zuerst die Bevölkerung Palästinas, wel-
che den Wandel und Entwicklungschancen wollte, nicht
das politische Establishment. Die Menschen in Palästina
wollen nicht länger Opfer machtstrategischer Züge von
Einzelinteressen innerhalb der gespaltenen Regierung
bleiben. Religion spielte in dieser sozialen Bewegung
übrigens kaum eine Rolle. Die Forderung nach einer
Einheitsregierung für Palästina ist legitim und demokra-
tisch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun ist zu hoffen, dass der Prozess der Regierungsbil-
dung wirklich vorankommt und den Nahostfriedensver-
handlungen neuer Schwung verliehen werden kann, so
wie es in dem Titel unseres Antrags heißt. Ohne neuen
Schwung in den Friedensverhandlungen wird auch eine
aktivere Beteiligung der Menschen in Israel und Paläs-
tina nicht möglich sein. Aber nur damit wäre eine ausge-
handelte Friedenslösung langfristig tragfähig.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wo ist die israelische Friedensinitiative in diesen Ver-
handlungen? Ich und viele andere Kollegen haben aus
unseren jüngsten Gesprächen mit Partnern aus Israel den
Eindruck gewonnen, dass die neue Situation in der Re-
gion bei der Regierung Netanjahu Verunsicherung her-
vorgerufen hat, über die sie bis heute nicht hinausge-
kommen ist. Dabei könnte zumindest durch einen Stopp
des Siedlungsneubaus ein erstes positives Signal gege-
ben werden.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf palästinensischer Seite sehen wir im sogenannten
Fayyad-Plan einen konstruktiven Ansatz, die Vorausset-
zungen für eine Staatsgründung und einen dauerhaften
Frieden zu schaffen. Diese Einschätzung wird übrigens
von der Europäischen Union und vom Nahostquartett
geteilt. Was aber, wenn es bis zum Herbst zu keinen Ver-
handlungen kommt? Kann man den Palästinensern dann
den Wunsch nach der Ausrufung eines eigenen Staats
dauerhaft verwehren?

Eine Anerkennung kann nach Auffassung der SPD-
Fraktion jedenfalls nur dann erfolgen, wenn drei Forde-
rungen erfüllt sind, die vor allem die Sicherheit Israels
betreffen und bereits vom Nahostquartett formuliert wor-
den sind – Kollege Silberhorn, ich möchte darauf hinwei-
sen, dass es hier um eine Zusicherung der neu gewählten
Regierung und nicht der Fatah oder Hamas geht –:


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


die Anerkennung des Existenzrechts Israels, eine Garan-
tie für Gewaltverzicht und die Zustimmung zu allen bis-
herigen Abkommen. Kollege Gysi, ich denke, da unter-
scheiden wir uns erheblich von Ihrem Antrag.

Nun komme ich zur Hauptkritik, die sich an die Bun-
desregierung und insbesondere an die Bundeskanzlerin
richtet. Auch wenn sie heute nicht anwesend ist, darf ich

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(C (D as noch einmal formulieren. Frank-Walter Steinmeier at schon am 26. Mai an dieser Stelle gefragt: Wo ist eientlich der wahrnehmbare deutsche Beitrag in der Nahstpolitik? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


hne jede Not hat sich die Bundeskanzlerin im April
nd noch einmal im Mai dieses Jahres gegen eine Aner-
ennung der Unabhängigkeit des Staates Palästina
usgesprochen. Damit hat sie, wie ich meine, eine ge-
einsame europäische Initiative in dieser Frage von

ornherein und ohne Konsultation mit den Partnern ver-
indert. Friedensgespräche werden auf diese Weise nicht
ahrscheinlicher, sondern unwahrscheinlicher.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Durch die unbedingte vorauseilende Zustimmung zur
osition von Ministerpräsident Netanjahu hat sie auch
ne in der israelischen Regierung gestärkt, die offenbar
einen, der Status quo sei besser als jede Verhandlungs-
sung. Solch einer Analyse sollten wir aber offen entge-

entreten. Deutschland entmutigt sonst auch alle jene
enschen in der Region weiter, die an eine Friedenslö-

ung glauben. Das dient letztlich auch nicht der Sicher-
eit Israels, der wir uns ja alle verpflichtet fühlen.

Der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buch-
andels David Grossman hat dazu 2010 in Frankfurt ge-
agt – ich zitiere –:

Wer aber die Möglichkeit des Friedens aufgegeben
hat, ist schon geschlagen. Er hat das Schicksal des
anhaltenden Krieges im Grunde über sich selbst
verhängt.

iese Worte wiegen umso schwerer, wenn man weiß,
ass David Grossmans eigener Sohn 2006 im Libanon-
rieg von einer Hisbollah-Rakete getötet worden ist.

Deutschland sollte daher alles dafür tun, für diejeni-
en in der Nahostregion, die – so wie David Grossman –
en Glauben an eine Friedenslösung noch in sich tragen,
ine neue Perspektive zu schaffen. Das geht meines Er-
chtens nur im europäischen Kontext.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Bundeskanzlerin hat für die Mitgliedstaaten der
uropäischen Union, die Hohe Vertreterin der Europäi-
chen Union für Außen- und Sicherheitspolitik und die
emeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU ins-
esamt ein Präjudiz geschaffen, das eine gemeinsame
altung Europas in der Frage der Anerkennung Palästi-
as nicht mehr zulässt. Damit verbaut sie Europa insge-
amt die Möglichkeit zur Einflussnahme auf neue Ver-
andlungen. Jedem wirklich überzeugten Europäer muss
ies als deutsche Sonderwegpolitik erscheinen – was lei-
er auch für andere Felder gilt, wie wir in den letzten
ochen und Monaten gesehen haben.

Daher fordert die Bundestagsfraktion der SPD die
undesregierung und insbesondere die Kanzlerin mit





Günter Gloser


(A) )


)(B)

dem vorliegenden Antrag auf, den Fehler, den sie durch
ihren Alleingang verursacht hat, zu korrigieren. Ich wie-
derhole noch einmal: Das Ziel deutscher und europäi-
scher Außenpolitik muss natürlich eine Verhandlungslö-
sung für den Nahostkonflikt sein, und Europa muss diese
befördern. Wenn es aber nicht zu neuen Verhandlungen
kommt, dann müssen wir im europäischen Kontext bera-
ten, welche Bedingungen wir an die Anerkennung einer
palästinensischen Regierung und eines palästinensischen
Staates knüpfen. Nur so können wir den Einfluss gewin-
nen, den wir brauchen. Dabei wären wir als Europäer
auch nicht allein. Mit Präsident Obama haben wir – nach
Jahren verfehlter Nahostpolitik durch die Bush-Admi-
nistration – einen starken Partner im Einsatz für den
Frieden im Nahen Osten an unserer Seite.

Zum Schluss zitiere ich noch einmal aus der beein-
druckenden Rede von David Grossman im letzten Jahr in
Frankfurt. Er sagt:

Ich möchte sie daran erinnern, dass weder Israel
noch Palästina eine Heimat, eine sichere Zukunft
und eine stabile Existenz haben werden, wenn ihr
Gegenüber nicht genau dasselbe haben kann. In
diesem Sinne sind die beiden Völker aneinander ge-
bunden. … und nur, wenn sie das begreifen, werden
sie wirklich in der Lage sein, den Prozess wiederzu-
beleben.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711812800

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1711812900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Gysi, ohne jeden Zweifel steht Ihr heute
vorliegender Antrag im Kontext einer anderen Diskus-
sion, die Ihre Partei beschäftigt hat. Deshalb verstehe
ich, dass der erste Teil Ihrer Rede durchaus an Ihre Partei
gerichtet war. Ich sage Ihnen persönlich, Herr Gysi: Sie
sind für mich in diesem Falle sehr glaubwürdig, und al-
les andere müssen Sie mit Ihrer Partei abmachen. Ich
habe Verständnis dafür, dass Sie das heute hier so einge-
führt haben.

Wenn man aber ein Freund Palästinas ist und für Pa-
lästina etwas tun will, muss man sich fragen, ob Sie mit
Ihrem heutigen Antrag Palästina etwas Gutes tun oder ob
Sie Palästina nicht eventuell sogar schaden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)


Denn eine Sache ist, etwas zu fordern; die andere Sache
ist das Timing: Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wenn
ich mir vor Augen halte, worüber wir in den letzten Wo-
chen diskutiert haben, kann ich nur sagen: So verständ-

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(C (D ch und vielleicht sinnvoll Ihr Antrag zu einem anderen eitpunkt gewesen wäre, jetzt ist er nicht sinnvoll. Nach einem Dafürhalten schadet er den Palästinensern mehr, ls er ihnen hilft. Ein solcher Antrag könnte, wenn er enn angenommen würde – er wird zum Glück nicht anenommen –, Erwartungen in Palästina wecken, die sich ngesichts der gegenwärtigen Situation in der Region ufschaukeln und dann eventuell keine Kanalisation ehr finden könnten. Wir erleben außerdem, Herr Gysi, dass selbst fühnde Palästinenser, angefangen bei Herrn Fayyad, öfntlich davor warnen, diesen Schritt zu tun. Wir haben dieser Woche Gespräche mit führenden Vertretern der rabischen Welt geführt – ich nenne sie bewusst nicht eim Namen –, die uns gesagt haben: Wir warnen davor, uch als Araber, diesen Schritt jetzt zu tun. Davor waren sie auch die Palästinenser. Das Ganze steht im Kontext mit der Frage: In welcher ituation befinden wir uns im Augenblick? Lassen Sie ns das einmal durchdeklinieren. Wie ist die Situation in Israel? In Israel ist gegenwärg eine große Verunsicherung festzustellen. Wir sind in iesem Haus seit Jahren zu der gemeinsamen Feststelng gelangt, dass die Zeit gegen Israel arbeitet. Mittlereile merken die Israelis, auch führende Israelis, dass ies stimmt. Die innerisraelische Diskussion hat eine eue Qualität. Bisher hat man auf eine flexiblere Halng gedrängt. Dabei handelte es sich allerdings zumeist m Leute, die im innerisraelischen Kontext eher als Softies“ angesehen worden sind. Jetzt haben wir eine öllig neue Situation. So gab es die IPI, die Israeli Peace itiative. Gestandene Generäle und gestandene Funktio äre des Mossad machen plötzlich Vorschläge, die sie or einem Jahr nie gemacht hätten. Auf diese Situation üssen wir uns einstellen. Wir haben es in der innerraelischen Diskussion mit einem völlig neuen Kontext u tun. Wir können nur hoffen, dass sich die Initiatoren er Israeli Peace Initiative durchsetzen. Dafür müssen ir uns einsetzen. Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Gysi, in den letzten Tagen it Herrn Gehrcke gesprochen haben. Herr Gehrcke und h hatten die Gelegenheit, in unterschiedlichen Kontexn an drei oder vier verschiedenen Veranstaltungen zu iesem Thema teilzunehmen. In diesem Rahmen wurde ir klar, dass das, was ich jetzt sage, wirklich meinem neren entspricht: Das Timing Ihres Antrags ist leider öllig falsch. Natürlich ist die Sicherheit in Israel nach wie vor das hema Nummer eins. In jeder Rede, die ich zu diesem hema halte, betone ich: Ich habe, auch zum heutigen eitpunkt, volles Verständnis dafür, dass im Zentrum jeer israelischen Politik die Sicherheit des Staates steht. enn ich mir vor Augen führe, dass dort immer neuere aketen, immer weiter reichende Raketen und immer ehr Raketen zum Einsatz kommen, dann habe ich Ver tändnis dafür, dass Israel alles tut, um diese Gefahr abuwehren. Wie sieht es in Palästina aus? In Palästina gibt es chwierigkeiten bei der Regierungsbildung. Selbst wenn Dr. Rainer Stinner )





(A) )

es dort zur Bildung einer Regierung kommt, wissen wir,
dass diese Regierung nicht für beide Teile, über die wir
sprechen, für das Westjordanland und Gaza, gleicherma-
ßen sprechen kann. Die Staatlichkeit bzw. mögliche
Staatlichkeit ist eingeschränkt, weil die Durchsetzungs-
fähigkeit dieser Übergangsregierung, um es vorsichtig
zu formulieren, fragwürdig ist.

Allerdings ist in Palästina erfreulicherweise – das
wurde international begutachtet und wird befürwortet –
eine wesentliche Verbesserung beim Aufbau staatlicher
Strukturen zu verzeichnen; das finde ich sehr gut. Diese
Fortschritte werden allseits anerkannt. Das ist im Hin-
blick auf die Etablierung von Staatlichkeit ein ganz we-
sentlicher Schritt. Was die Situation in der arabischen
Welt betrifft, herrschen in Palästina allerdings Erwartun-
gen, die wir bitte schön nicht strapazieren sollten, weil
sie, wie wir alle wissen, eventuell nicht erfüllt werden
können.

Wie ist die Situation in Amerika? Nach meinem Da-
fürhalten hat sich die Situation in Amerika seit Februar
dieses Jahres geändert. Die Vereinigten Staaten von
Amerika haben im Februar dieses Jahres eine Resolution
der Vereinten Nationen durch ihr Veto verhindert.
Deutschland hat zum Glück so wie alle anderen europäi-
schen Staaten abgestimmt; das fand ich sehr gut.


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie auch sonst immer!)


Deutschland hat es also „gewagt“, sich bei diesem sen-
siblen Thema anders zu entscheiden als Amerika. Ich
sage Ihnen aber: Nach meinem Dafürhalten hat sich die
Situation in Washington geändert, und zwar durch den
Besuch von Netanjahu, durch die Rede Obamas und
durch die verbale Ohrfeige, die Netanjahu dem amerika-
nischen Präsidenten verpasst hat. Nach meinen Informa-
tionen aus Washington positioniert sich die amerikani-
sche Regierung bei diesem Thema mittlerweile anders
als noch im Februar.

Ich komme zum Schluss. Man muss jetzt das Richtige
tun. Diesen übereilten Schritt darf man nicht machen.
Der Kontext muss verstanden werden. Wir als Europäer,
als Deutsche sollten Israel drängen – und durch die inner-
israelische Entwicklung haben wir die Chance dazu –, in
einen Verhandlungsprozess einzutreten. Wir alle wissen
– ich brauche es nicht zu wiederholen –, dass die Deter-
minanten bzw. Elemente einer möglichen Lösung seit
langem beschrieben sind. Jede mögliche Lösung, wenn
sie überhaupt möglich ist, wird sich plus/minus 5 Pro-
zent an den einzelnen Elementen – ob es sich um die
Grenzen, um Flüchtlingsfragen oder um den Streitpunkt
Jerusalem handelt – entlanghangeln. Jetzt kommt es da-
rauf an, auf Israel einzuwirken, in diesen Prozess einzu-
treten und ihn fortzuführen. Das muss bis zum Herbst
die Aufgabe sein. Die Dringlichkeit ist in Israel erkannt;
das ist unsere Chance. Deshalb drängen wir darauf, dass
die Bundesregierung im europäischen Kontext – mög-
lichst mit den Amerikanern gemeinsam – die israelische
Regierung drängt, drängt und noch einmal drängt, diesen
Prozess anzunehmen, ihn zu beginnen und die Chancen
zu nutzen, die in ihm liegen.

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(C (D Danke schön. Das Wort hat nun Kerstin Müller für die Fraktion ündnis 90/Die Grünen. Kerstin Müller EN)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711813000
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

t schon gesagt worden: Die Palästinenser werden – je-
enfalls wenn sich die Lage bis dahin nicht noch drama-
sch verändert – in der Generalversammlung der Verein-
n Nationen die Anerkennung eines palästinensischen
taates beantragen. Genauer gesagt werden sie den Be-
bachterstatus als Non-Member-State beantragen, falls
ie nicht sogar vorher auf Mitgliedschaft im Sicherheits-
t setzen, dem die Amerikaner mit einem Veto entgeg-

en würden. Die PLO hat das letzten Sonntag erklärt.
ach Gesprächen, die ich in New York, aber auch hier
eführt habe – andere werden auch Gespräche geführt
aben –, kann ich nur sagen: Mein Eindruck ist, dass die
alästinenser sehr entschlossen sind. Herr Silberhorn, es
ag zwar sein, dass man nicht weiß, wie sich das entwi-

kelt, und dass das risikobehaftet ist. Man muss aber an-
rkennen: So viel Bewegung in der internationalen Poli-
k in Bezug auf diese Frage hat es lange nicht gegeben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Hintergrund ist ohne Frage der völlige Stillstand im
ahost-Friedensprozess. Die palästinensische Seite ist

u Recht besorgt, dass die Siedler, je mehr Zeit vergeht,
mer mehr Fakten schaffen. Seit dem Oslo-Abkommen

on 1993 haben sich die Siedlungen in der Westbank
erdreifacht: von 100 000 auf 300 000; in Ostjerusalem
ind es zusätzlich 200 000 und wir alle wissen – Sie ha-
en die Führung von Ir Amin wahrscheinlich auch mit-
emacht –, dass die Besiedlung in Ostjerusalem mit be-
onders radikalen Siedlern erfolgt. Obwohl viele Israelis
issen – das ist ein Zitat –, dass „der Siedlungsbau die
undamente des Staates Israel buchstäblich untergräbt“,
urde leider unter allen israelischen Regierungen glei-

hermaßen weitergebaut. Ich sage sehr deutlich: Dieser
iedlungsbau ist nicht nur nach internationalem Recht il-
gal, er ist auch nicht im Sicherheitsinteresse des Staa-
s Israel.

Ich kann an dieser Stelle die Sorgen der Palästinenser
in Stück weit verstehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


as ist nicht hinnehmbar. Immer weniger Menschen in
en palästinensischen Gebieten glauben deshalb noch an
ie Zwei-Staaten-Lösung. Das ist ein großes Problem.
ine ganz andere Frage ist, ob dieser Schritt tatsächlich
ielführend ist, um zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu
ommen. Der UN-Beauftrage Robert Serry, aber auch
er IWF haben der PA Staatsreife attestiert. Ich nenne in
iesem Zusammenhang das von der Europäischen Union





Kerstin Müller (Köln)



(A) )


)(B)

unterstützte Staatsbildungsprogramm von Fayyad. Den-
noch ist das Ganze – das will ich hier auch sagen – nicht
ohne Risiko. Herr Stinner, Sie haben Ministerpräsident
Fayyad erwähnt. Er hat gestern in einem Interview mit
der Washington Post sehr deutlich gesagt, das – Zitat –
„wäre nur ein symbolischer Sieg und würde an der
Realität der israelischen Besatzung nichts ändern“. Er
hat das warnend gesagt. In der Tat stellt sich die Frage:
Was passiert denn, wenn sich dadurch „on the ground“
für die Menschen nichts ändert?

Wenn man diese Frage der palästinensischen Führung
stellt, hat sie keine Antwort darauf. Ihre Mitglieder sa-
gen, dass sie sich eine Win-win-Situation für beide Sei-
ten versprechen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz
ehrlich: Das könnte natürlich auch gehörig schiefgehen.
Für mich ist daher klar: Wir müssen jetzt alles tun, damit
es schnell zu Verhandlungen kommt. Das dürfen nicht ir-
gendwelche Verhandlungen sein, sondern müssen sub-
stanzielle Verhandlungen sein. Denn klar ist, dass die Pa-
lästinenser Verhandeln-um-des-Verhandelns-willen nicht
machen werden. Das muss man auch verstehen. Ver-
handlungen, um Zeit zu schinden, werden sie nicht ak-
zeptieren. Sie sagen aber immer wieder, das sei ihre erste
Option, und das bleibe als erste Option auf dem Tisch.
Deshalb muss man an die israelische Regierung appellie-
ren. Wenn sie den Gang zur UNO verhindern will, dann
muss sie jetzt ein konkretes und substanzielles Angebot
auf den Tisch legen. Das ist meine Position.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Zurzeit hat man den Eindruck – so geht es auch einigen
meiner Kollegen in Israel –, dass diese israelische Regie-
rung dazu nicht bereit ist. Man muss sich nur die Rede
Netanjahus vor dem amerikanischen Kongress an-
schauen. Er hat fast alle Türen zugeschlagen – das ist un-
fassbar – und keine neuen Türen geöffnet.

Herr Kollege Stinner, Sie haben eben davon gespro-
chen, dass das eine Vorfestlegung vonseiten der Linken
ist. Vor diesem Hintergrund war es dann aber auch vor-
eilig und unnötig, dass sich die Bundeskanzlerin vor-
schnell festgelegt hat, dass Deutschland auf jeden Fall
mit Nein stimmen wird.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir den Druck auf beide Seiten aufrechterhalten
wollen, dann darf sich weder Deutschland noch Frank-
reich festlegen. Was für eine Kakofonie in Europa! Wir
wissen, dass diese beiden Länder der Motor Europas
sind. Deshalb müssen Deutschland und Frankreich sa-
gen: Wir werden jetzt gemeinsam für eine Verhand-
lungslösung sorgen. Wie wir am Ende abstimmen, sehen
wir dann. – Es gibt dieses wunderbare Beispiel der
Stimmerklärung zu der gemeinsamen Siedlerresolution
von Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Das
sind die Parameter, die immer mehr zu den Terms of
Reference werden. Das war eine gute Erklärung.

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(C (D Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen. Kerstin Müller EN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711813100
Ich komme gleich zum Schluss. – Wir sollten versu-

hen, auf dieser Basis zu einer Sicherheitsratsresolution
u kommen. Dann, Herr Gysi, hätte man etwas Substan-
ielles; das habe ich jedenfalls von palästinensischer
eite gehört. Dann wären die Palästinenser auch bereit,
uf diesen konfrontativen Schritt, dem Antrag auf Aner-
ennung, zu verzichten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711813200

Frau Kollegin!

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Deshalb sage ich: Jetzt ist die Gunst der Stunde für

erhandlungen. Daran muss diese Bundesregierung ar-
eiten.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711813300

Das Wort hat nun Thomas Feist für die Fraktion der

DU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1711813400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland

ekennt sich ohne Wenn und Aber zur Zwei-Staaten-
ösung. Deutschland wird alles unternehmen und hat
ereits sehr viel unternommen, damit die Verhandlungen
icht an diesem Punkt stehen bleiben und zum Erfolg
hren werden. Die Frage, ob es zu diesem Zeitpunkt

innvoll ist, sich auf eine einseitige Proklamation des
taates Palästina festzulegen, würde ich allerdings mit
ein beantworten, und zwar aus mehreren Gründen.

Zum Ersten ist es so, dass ein Staat ausgerufen wer-
en soll, der – zumindest in meiner Wahrnehmung –
berhaupt keine funktionsfähige Regierung hat. Wenn es
ereinbarungen zwischen der Fatah und der Hamas zur
usammenarbeit gibt, dann muss die Hamas vor den ent-
cheidenden Verhandlungen natürlich ihrem Ziel, Israel
u vernichten, abschwören. Das muss man als Vorausset-
ung für weitere Schritte einfordern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben gesagt – das steht auch in den Anträgen –,
ies habe vor allem symbolischen Charakter. Nun stellt
ich die Frage: Welchen Wert hat eine solche Symbol-
olitik? Herr Gysi, Sie haben gesagt, eine einseitige Pro-
lamation des Staates Israel und eine einseitige Prokla-
ation des Staates Palästina seien im Prinzip das
leiche. Wir wissen doch aber alle, dass es im Oslo-
bkommen II einen Passus gibt, der besagt, dass der





Dr. Thomas Feist


(A) )


)
Status der Westbank und des Gazastreifens nicht einsei-
tig verändert werden kann. Genau das aber wird versucht
durch diese Proklamation zu erreichen: die einseitige
Veränderung dieses Status. Deswegen können wir dem
nicht zustimmen.

Ich habe meinem Kollegen Weinberg aus Hamburg,
der hier vorne interessiert zuhört, gesagt: Es gibt auch et-
was Interessantes am Antrag der Linken. Ich muss hin-
zufügen: Es war schon interessant, Herr Gysi, dass Sie
zu Ihrem Antrag eigentlich nichts gesagt haben. In die-
sem Antrag findet sich eine Schwarz-Weiß-Malerei, die
mir noch aus dem Land bekannt ist, in dem ich aufge-
wachsen bin. In diesem Land wurde durch spitzfindige
wissenschaftliche Theorie erklärt, dass eine Partei, die
an der Führung ist, immer recht hat. Es war völlig ein-
fach, Gut und Schlecht, Freund und Feind sowie
Schwarz und Weiß voneinander zu trennen. Natürlich
waren wir immer für das revolutionäre palästinensische
Volk und gegen den imperialistischen Aggressor Israel.
Etwas von diesem Duktus findet sich auch in Ihrem An-
trag wieder. Wenn Sie ihn noch einmal genau lesen, wer-
den Sie das sehen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ein Quatsch! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


– Ich weiß, dass Sie nicht gerne daran erinnert werden,
dass Sie, die Sie links außen von mir sitzen, eine andere
Vergangenheit haben und einer Partei mit dem Namen
SED angehört haben.

Ich muss Ihnen zu den vorliegenden Anträgen zweier-
lei sagen: Entweder sind sie überflüssig, oder sie sind
kontraproduktiv.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zur Bundeskanzlerin! Die ist nämlich entscheidender in dieser Frage! Nicht die Linke!)


– Wenn unsere Bundeskanzlerin erklärt, Frau Müller,
dass sie diesem einseitigen Schritt nicht zustimmen wird


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Fehler!)


– nein, das war kein Fehler –, dann ist völlig klar, dass
die einseitige Proklamation ein symbolischer Akt sein
wird, den es übrigens schon einmal gab. 1988 gab es
eine einseitige Ausrufung des Staates Palästina in Algier.
Wenn wir die palästinensische Vertretung in Deutsch-
land aufwerten sollen – das wurde in den Anträgen for-
muliert –, dann schauen Sie doch einfach auf die Inter-
netseite www.palaestina.de. Es ist interessant, dass dort
nur von der Fatah gesprochen wird. Über die Hamas, die
an der Regierung beteiligt werden muss, ist kein Wort zu
lesen.

Eines ist völlig klar: Wir brauchen zunächst eine An-
erkennung der Grenzen, eine Einigung über den Grenz-
verlauf. Dazu können wir inhaltlich wenig beitragen.
Das ist eine Sache, die beide Verhandlungspartner mitei-
nander austragen müssen. Es ist ja nicht so, als habe sich
in dieser Richtung nichts getan. Es muss erwähnt wer-
den, dass beispielsweise 85 Prozent der Straßenkontrol-

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(C (D n im Westjordanland durch Israel eingestellt worden ind. Es gibt durchaus ernsthafte Bemühungen, dieses orgehen fortzuführen und zu einer Einigung zu komen. Wir sollten die Zeit nutzen und uns auf diplomatichen Kanälen dafür einsetzen, dass die Verhandlungen euen Schwung bekommen. Wir müssen die einseitige roklamation des Staates Palästina verhindern. Das wäre in Fehler. Deswegen werden wir unsere diplomatischen emühungen weiter ausbauen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Gibt es denn welche?)


ber zum jetzigen Zeitpunkt zu fordern, dass wir diese
nträge unterstützen, ist völlig verkehrt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711813500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 17/6150 und 17/6298 an die in der
agesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 39 a und 39 b
uf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-
serung der Feststellung und Anerkennung im
Ausland erworbener Berufsqualifikationen

– Drucksache 17/6260 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Agnes
Alpers, Sevim Dağdelen, Dr. Petra Sitte, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Anerkennung ausländischer Bildungs- und
Berufsabschlüsse wirksam regeln

– Drucksache 17/6271 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
azu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-
rischen Staatssekretär Helge Braun das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(B)







(A) )


)(B)

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1711813600


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Bundesregierung legt dem Bundestag den Entwurf eines
Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Aner-
kennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen
vor. Mit diesem Gesetz verfolgen wir zwei wichtige
Ziele.

Erstens. Der eigene Berufsabschluss ist ein wichtiger
Teil der persönlichen Identität. Deshalb und aus Respekt
vor der Lebensleistung der hier lebenden Menschen ist
es wichtig, ihre tatsächlich vorhandenen Kompetenzen
ausdrücklich anzuerkennen und ihren Abschlüssen nicht
ohne schwerwiegende Sachgründe die Gleichwertigkeit
abzusprechen. Deshalb ist ein Rechtsanspruch auf ein
transparentes und in seinem Ergebnis nachvollziehbares
und zuverlässiges Anerkennungsverfahren ein wichtiges
integrationspolitisches Vorhaben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens. Ein Land, das zunehmenden Fachkräfte-
mangel beklagt, darf auch aus wirtschaftspolitischer
Sicht nicht darauf verzichten, die 285 000 Menschen in
ihren Berufen, in denen sie einen ausländischen Ab-
schluss erworben haben, einzusetzen. Einem asiatischen
oder amerikanischen Techniker in Deutschland als ver-
meintlich ungelerntem Arbeiter wenig anspruchsvolle
Gelegenheitsjobs anzubieten, ist gesellschaftlich, inte-
grationspolitisch und wirtschaftspolitisch nicht verant-
wortbar.

Der weitaus größte Teil der potenziellen Antragsteller
verfügt über einen beruflichen Abschluss. Nach der Aus-
wertung eines Mikrozensus gehen wir davon aus, dass es
in Deutschland bereits 285 000 potenzielle Antragsteller
gibt. Davon haben rund 16 000 einen Hochschulab-
schluss, alle anderen verfügen über einen beruflichen
Abschluss. In der Wirtschaft werden Bewerber mit tech-
nischen Berufsabschlüssen, über die viele der potenziel-
len Petenten verfügen, stark nachgefragt.

Was bietet jetzt dieses Gesetz? Es gibt erstmals einen
Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren. Dieser
Rechtsanspruch besteht für jeden, der über einen auslän-
dischen Abschluss verfügt und eine ernsthafte Er-
werbsabsicht in Deutschland hat. Weitere Voraussetzun-
gen oder Einschränkungen des antragsberechtigten
Personenkreises gibt es nicht. Das ist ein deutliches Zei-
chen der Willkommenskultur, auch für die Antragsteller
aus dem Ausland. Nach Eingang aller Unterlagen gibt es
eine dreimonatige Frist, damit das Verfahren auch
hinsichtlich seiner Dauer praktikabel und für den An-
tragsteller verlässlich ist. Ist eine Anerkennung nicht
möglich, erhält der Antragsteller Informationen über we-
sentliche Unterschiede zwischen seiner Qualifikation
und dem Erfordernis für eine deutsche Anerkennung, so-
dass er eine klare Perspektive dafür aufgezeigt be-
kommt, wie er durch Anpassungsqualifizierungen zu ei-
ner Anerkennung kommen kann.

Das Gesetz sieht ebenfalls vor, dass die Berufserfah-
rung bei der Feststellung der Qualifikation berücksich-
tigt wird. Wir wollen zwar nicht, dass Berufserfahrung

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(C (D ine fundierte Ausbildung ersetzt, aber wir wollen auch icht, dass jemand, der bereits über eine zehnjährige Befserfahrung verfügt, zum Beispiel wegen weniger raktischen Anteilen in der Ausbildung keine Anerkenung bekommt. Das wäre nicht zu rechtfertigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Willi Brase [SPD])


Oberste Priorität – das sage ich hier sehr deutlich –
at für die Bundesregierung die Qualitätssicherung unse-
r deutschen Abschlüsse. Mit dem Gesetz wollen wir

rreichen, dass die ausländischen Abschlüsse, für die es
in Gleichwertigkeitszertifikat gibt, tatsächlich das deut-
che Qualifikationsniveau erreichen. Wir gehen deshalb
inen nicht ganz einfachen Weg; denn die Stellen, die in
ukunft die Gleichwertigkeit der ausländischen Ab-
chlüsse anerkennen, sind die gleichen Stellen, die heute
Deutschland dafür verantwortlich sind, deutsche Ab-

chlüsse zu vergeben und die Qualität deutscher Ab-
chlüsse zu sichern. Das erfordert zum einen hohe
nsprüche an die Abstimmung zwischen den verschie-
enen Partnern, insbesondere den Kammern. Zum ande-
n müssen wir als Bund die Aufgabe übernehmen, mit

iner zentralen Rufnummer und einer Informationsplatt-
rm dafür zu sorgen, dass jeder potenzielle Antragstel-
r leicht Zugang zu diesem System und letztlich zu der

ntsprechenden Anerkennungsstelle findet.

Der Gesetzentwurf umfasst rund 350 Ausbildungsbe-
fe und rund 60 bundesgesetzlich geregelte Berufe, ins-

esondere Heil- und Rechtsberufe. Damit ist ein ganz
berwiegender Teil der Personen, die sich in Deutsch-
nd befinden, erfasst. Die Abstimmung mit den 16 Bun-
esländern war von großem Einvernehmen und hoher
achlichkeit geprägt. Dies ist aus meiner Sicht ein Vor-
ild für Bund-Länder-Zusammenarbeit. Die Länder ha-
en bereits ihre Bereitschaft erklärt, in Zukunft ver-
leichbare Regelungen für die Berufe zu schaffen, die in
ren Zuständigkeitsbereich fallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mit diesem Gesetz schlagen wir ein neues Kapitel bei
er Anerkennung von ausländischen Abschlüssen auf.
as ist ein wichtiges Signal für die Menschen, die hier
ben, aber auch ein wichtiges Signal für diejenigen, die

ine Arbeit in Deutschland aufnehmen wollen. Es führt
uch zu Verlässlichkeit bei der Fachkräftesicherung für
nsere Wirtschaft in Deutschland. In diesem Sinne bitte
h das Hohe Haus um breite Zustimmung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711813700

Das Wort hat nun Swen Schulz für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1711813800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr verehrten Damen und Herren! Endlich liegt

er lang ersehnte Gesetzentwurf vor. Wir haben wirklich
nge darauf warten müssen. Bereits in der Großen Ko-

lition hat die SPD mit dem damaligen Arbeitsminister





Swen Schulz (Spandau)



(A) )


)(B)

Olaf Scholz einen Vorstoß unternommen. Dieser ist von
der Union abgelehnt worden.


(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Vollkommen falsch!)


Am 1. Dezember 2009 hat die SPD-Bundestagsfrak-
tion hier einen Antrag eingebracht. Kurz danach legte
dann auch die Bundesregierung ein Papier vor: Eck-
punkte zur Verbesserung der Feststellung und Anerken-
nung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifika-
tionen und Berufsabschlüssen. Wir mussten aber bis
heute auf die erste Lesung eines Gesetzentwurfs warten.
Jetzt stellt sich die Frage: Hat sich das lange Warten ge-
lohnt? Die Antwort lautet: Leider bleibt der Gesetzent-
wurf hinter den im Eckpunktepapier der Bundesregie-
rung selbst formulierten Ansprüchen zurück. Dass es
erheblichen Änderungsbedarf gibt, zeigt schon die Tat-
sache, dass der Bundesrat, und zwar quer durch alle Län-
der, unabhängig davon, wie die Landesregierungen
parteipolitisch zusammengesetzt sind, viele Änderungs-
vorschläge – 100 an der Zahl – zu dem Gesetzentwurf
eingebracht hat. Leider sind sie von der Bundesregie-
rung in der Entgegnung, jedenfalls zum größten Teil,
einfach vom Tisch gewischt worden. Dabei sind die
wichtigsten Forderungen des Bundesrates direkt dem
Eckpunktepapier der Bundesregierung entnommen. Ich
will das an einigen Stellen aufzeigen.

Im Eckpunktepapier ist von einer Erstanlaufstelle die
Rede, die geschaffen werden soll. Im Gesetzentwurf fin-
det sich dazu nichts mehr. Herr Staatssekretär, Sie haben
hier von einer Telefonhotline und von Internetangeboten
gesprochen. Das reicht nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Eckpunktepapier sind Angebote zur Ergänzungs-
und Anpassungsqualifizierung genannt. Im Gesetzent-
wurf ist davon praktisch nicht mehr die Rede. Es stellen
sich folgende Fragen: Wer bietet sie an? Wer finanziert
sie? Wie wird es den Leuten ermöglicht, sie tatsächlich
in Anspruch zu nehmen? Auch das ist eine Leerstelle im
Gesetzentwurf.

Weiterhin sind in Ihrem Eckpunktepapier Unterstüt-
zungsangebote zur Verbesserung der Qualität und bun-
desweiten Vergleichbarkeit der Bewertungen aufgeführt.
Völlig richtig, das ist natürlich ein wichtiger Punkt. Es
darf kein Lotteriespiel sein, ob ein Abschluss anerkannt
wird oder nicht. Es darf nicht vom Wohnsitz abhängen,
weil regional unterschiedliche Stellen zuständig sind, ob
ein Abschluss anerkannt wird. Auch das ist im Gesetz-
entwurf nicht genügend geregelt.

Im Eckpunktepapier wird auch von Mehrkosten ge-
sprochen, die die erfolgreiche Durchsetzung dieses Ge-
setzes mit sich bringe, wenn man die Anerkennung rich-
tig umsetzen möchte. Im Gesetzentwurf ist die ganze
Zeit von Kostenneutralität die Rede. Es ist doch sogar
so, dass Sie an anderer Stelle massive Einsparungen und
Kürzungsmaßnahmen im Bereich der aktiven Arbeits-
marktpolitik vorsehen. Das reicht nicht aus, um dieses
Anerkennungsgesetz tatsächlich zum Erfolg zu führen.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will nicht missverstanden werden: Dieser Gesetz-
ntwurf ist nicht falsch.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist doch schon mal etwas!)


r enthält in der Tat auch einige Verbesserungen. Aber
as ist nicht genug. Es ist vollkommen klar, dass dieses
esetz so nicht zu einem Erfolg führen kann. Es wird so
einen entscheidenden Beitrag zur Integration und zur
ekämpfung des Fachkräftemangels leisten. Deswegen
uss der Gesetzentwurf nachgebessert werden.

Die SPD-Fraktion – ich habe es schon gesagt – hat
ereits im Dezember 2009 Vorschläge gemacht. Auch
er Bundesrat hat Vorschläge vorgelegt. Wir treten jetzt
die Beratungen ein und setzen darauf, dass die Regie-
ngskoalition diese Beratungen ernst nimmt. Wir
erden im Ausschuss eine Sachverständigenanhörung
urchführen. Ich glaube, dass eine ganze Menge an Ver-
esserungsvorschlägen gemacht werden wird. Wir set-
en darauf, dass dann das eine oder andere von Ihnen be-
cksichtigt wird, damit die Anerkennung in Zukunft
nktioniert.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711813900

Das Wort hat nun Heiner Kamp für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Heiner Kamp (FDP):
Rede ID: ID1711814000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! Wer was gelten will, muss

ndere gelten lassen. – Diesen Grundsatz haben FDP
nd Union beherzigt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt,
ie Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufs-
ualifikationen erheblich zu erleichtern.

Natürlich haben auch schon Vorgängerregierungen
emerkt, dass etwas schiefläuft, wenn im Ausland aus-
ebildete Ärzte nur fachfremd eine Betätigung finden.
atürlich hat man die fehlende Flexibilität unseres Ar-
eitsmarktes beklagt und über die Barrieren innerhalb
nseres Ausbildungssystems lamentiert. Der entschei-
ende Unterschied insbesondere zu den von SPD und
rünen getragenen Vorgängerregierungen ist, dass wir

s nicht bei Wehklagen belassen haben. Mit dem Aner-
ennungsgesetz haben wir tatsächlich etwas zuwege ge-
racht, das sich sehen lassen kann.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das hat seinen Grund. Die FDP ist der festen Über-
eugung, dass Arbeit und Beschäftigung der beste Impf-
toff gegen Isolation und Parallelgesellschaften sind.

ir müssen Menschen, die zu uns gekommen sind, et-
as gelten lassen, um mit Goethes Worten zu sprechen.
enn dann kommen sie tatsächlich in Deutschland an.





Heiner Kamp


(A) )


)(B)

Dann finden sie bei uns eine neue Heimat. Arbeit als
Identifikations- und Integrationsfaktor Nummer eins
kann diesbezüglich Wunder wirken.

Doch das Anerkennungsgesetz beschränkt sich kei-
neswegs darauf, die Folgeschäden einer jahrzehntelang
fehlgeleiteten Integrationspolitik zu beheben. Es kon-
zentriert sich beileibe nicht nur auf die bereits bei uns le-
benden Mitbürger. Nein, das Anerkennungsgesetz öffnet
auch ausländischen High Potentials, Leistungsträgern
und Qualifizierten, die ihre Chance in Deutschland nut-
zen wollen, die Tür zu unserem Land. Mit diesem Gesetz
wird Deutschland weltoffener, internationaler und dyna-
mischer.

Das Anerkennungsgesetz ermöglicht es Ärzten, Kran-
kenschwestern, Altenpflegern, aber auch Wirtschaftsprü-
fern, noch im Ausland die vorhandenen Abschlüsse an
den deutschen Referenzausbildungen und -berufen mes-
sen zu lassen, und erleichtert ihnen damit den Schritt in
Richtung des deutschen Arbeitsmarktes. Dass wir diese
Frischzellenkur an Fachkräften dringend benötigen, ist
mittlerweile auch in die letzten Winkel der Republik ge-
drungen.

Der demografische Wandel zwingt uns dazu, unsere
Pforten zu öffnen. Gerade diese Woche haben wir die
Meldung erhalten, dass im Bereich von Industrie und
Handel 40 000 Lehrstellen unbesetzt sind. Das sind
25 Prozent mehr als im letzten Jahr. Selbst in beliebten
Ausbildungsberufen wie Mechatroniker oder Bankkauf-
mann fehlen schon jetzt Bewerber. Es muss uns doch
wachrütteln, wenn uns trotz Wehrpflichtaussetzung und
doppelter Abiturjahrgänge die Bewerber ausgehen.

Wir legen ganz klar den Schwerpunkt auf die Aus-
schöpfung des inländischen Potenzials. Hier müssen wir
alle Reserven aktivieren. Mit dem gelungenen Fachkräf-
tekonzept der Bundesregierung und vernetzten Maßnah-
men wie der erfolgreichen Einstiegsqualifizierung und
den Bildungsketten beschreiten wir den richtigen Weg.

Aber ohne qualifizierte Zuwanderung werden wir uns
nicht retten können. Andere Länder haben bereits die
Nase vorn. Wir können es uns nicht leisten, gut ausgebil-
dete Menschen an uns vorbeiziehen zu lassen. Wir müs-
sen auf Deutschland als attraktives Ziel aufmerksam
machen. Wir müssen den roten Teppich ausrollen. Wir
müssen schließlich dankbar sein, wenn die Menschen
bei uns arbeiten möchten und dafür in ihrer Heimat eini-
ges aufgeben.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt dem
Arbeitsauftrag der Koalitionsfraktionen Rechnung. Wir
schaffen erstmals einen Rechtsanspruch auf ein Aner-
kennungsverfahren. Was zunächst seltsam klingt, ist ein
echter Paradigmenwechsel: Nach einheitlichen Kriterien
und in einem einheitlich geregelten Verfahren wird für
die vom Gesetz erfassten Berufe geprüft, ob die im Aus-
land erworbene Qualifikation mit unserer heimischen
gleichwertig ist.

Ein weiterer wichtiger Wegepunkt ist die Aufhebung
der Kopplung von Berufsausübung und Zugang zum An-
erkennungsverfahren an die Staatsangehörigkeit, die es
bislang bei einigen Berufen gab. Damit ist im Großen

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(C (D nd Ganzen Schluss. Fortan werden in den meisten Befen Qualität und Inhalte eines Abschlusses entschei end sein. Staatsangehörigkeit und Herkunft sollen und erden bei der Frage der Anerkennung einer Qualifikaon kaum mehr eine Rolle spielen. Das ist richtig so, ebe Kolleginnen und Kollegen. Ein wichtiger Beitrag dieses neuen Gesetzes besteht der Lichtung des unüberschaubaren Dschungels an nerkennungsregeln. Hier fräsen wir den Wust der un inheitlichen Anerkennungspraxis zu einem guten Teil eg. Damit beseitigen wir auch derzeit noch bestehende arktbenachteiligungen. Das sorgt für eine wesentliche erbesserung der bisherigen Bewertungspraxis. Bei den Strukturen, die das Anerkennungsverfahren urchführen sollen, schaffen wir keinen bürokratischen asserkopf. Das ist uns wichtig. Denn wir wollen pra istaugliche und bürgernahe Lösungen. Deshalb nutzen ir die bestehenden Strukturen zur Bewertung im Ausnd erworbener Abschlüsse. Die Institutionen, die beits heute die Anerkennungsverfahren von Spätaussiedrn und Unionsbürgern begleiten, werden auch die nerkennungsverfahren nach dem neuen Gesetz durchhren. Ich bin mir sicher, dass Industrieund Handels ammern wie auch die Handwerkskammern einen ausezeichneten Job machen werden. Außerdem gewährleisten wir ein rasches Verfahren. rei Monate ab Vorliegen aller erforderlichen Unterlaen muss eine Entscheidung erfolgen. Das ist flott und eigt, dass wir es ernst meinen. Den Antragstellern werden wir mit Beratungsangebon zur Seite stehen. Dafür wird es unter anderem – das urde schon angesprochen – eine Internetseite, eine Tefonhotline und regionale Anlaufstellen geben. Auch en Menschen, die aus dem Ausland mit ihrer Qualifikaon nach Deutschland kommen möchten, müssen und erden wir Informationsangebote unterbreiten. „Willommen in Deutschland!“, das rufen wir Menschen mit bschlüssen aus dem Ausland zu, ob sie bereits hier leen oder noch zu uns kommen möchten. Mit dem Anerkennungsgesetz leisten wir einen echn Beitrag zur Integration. Der Gesetzentwurf ist eine ehr gute Grundlage für unsere parlamentarischen Berangen. Auf die konstruktive Arbeit an dem Gesetz im usschuss freue ich mich. Nächste Woche werden wir azu bereits in einer öffentlichen Anhörung Gelegenheit aben. Ich danke Ihnen. Das Wort hat nun Agnes Alpers von der Fraktion Die inke. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine Damen und Herren! Wenn eine Lehrerin aus der ürkei, ein Ingenieur aus dem Irak oder eine Erzieherin Agnes Alpers )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711814100

(Beifall bei der LINKEN)

Agnes Alpers (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711814200




(A) )

aus China gehofft haben, mit dem neuen Anerkennungs-
gesetz endlich ihre Berufsabschlüsse hier in Deutschland
anerkennen zu lassen, dann haben sie alle Pech gehabt.


(Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Das kann der Bund nun wirklich nicht!)


Das Gesetz bezieht nur Berufe ein, die bundeseinheitlich
geregelt sind.


(Ewa Klamt [CDU/CSU]: Wir sind der Bundestag!)


Abschlüsse, für die die Bundesländer zuständig sind,
und Schulabschlüsse werden nicht berücksichtigt. Auch
wer älter als 55 Jahre ist und wer den Berufsabschluss
vor mehr als zehn Jahren gemacht hat, hat keine Chance
auf Anerkennung. Sagen Sie mir: Wie soll sich ein An-
tragsteller bei diesem Wirrwarr aus Länder- und Bundes-
recht sowie vielen anderen Bedingungen noch zurecht-
finden?


(Beifall bei der LINKEN)


Der Dschungel aus Zuständigkeiten ist insgesamt noch
größer geworden, obwohl die Bundesregierung immer
vermittelt hat, ein transparentes und schlankes Anerken-
nungsverfahren für alle etablieren zu wollen. Das ist ge-
scheitert.

Ich hatte von diesem Gesetz erwartet, dass Begleitung
und Unterstützung für die Betroffenen, also die Beratung
bei dem Anerkennungsverfahren, auf jeden Fall gesi-
chert sind. Doch weit gefehlt! Das Gesetz sieht keine
kontinuierliche Beratung vor. Dies hat auch der Bundes-
rat im Mai umfänglich kritisiert. Wer gedacht hat, dass in
diesem Gesetz das Recht auf Nachqualifizierung, dass
man also noch einzelne Teile einer Ausbildung für eine
Anerkennung nachholen kann, festgeschrieben wird und
die Vorschriften dazu sucht, der muss sich das Gesetz
ganz genau anschauen. Nachqualifizierungen für Berufe,
über die eine staatliche Stelle entscheidet, sind noch auf-
geführt. Aber bei den Ausbildungsberufen, über die die
Kammern entscheiden, taucht die Nachqualifizierung
noch nicht einmal im Gesetz auf. Ich finde es einfach er-
staunlich, welchen Beitrag die Bundesregierung hier
leistet, um Fachkräfte zu sichern.


(Beifall bei der LINKEN)


Eines steht fest: Ohne Beratung und Nachqualifizierung
wird dieses Gesetz für die Betroffenen wirkungslos blei-
ben.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?)


Im Wesentlichen sollen die Kammern darüber ent-
scheiden, ob die Berufsabschlüsse anerkannt werden.
Die Bundesregierung meint, dass die Kammern an den
Inhalten näher dran sind und diese Lösung kostengünsti-
ger sei.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Frau Alpers ist kammerfeindlich!)


Ich gebe zu bedenken, dass die Kammern, die sehr nah
an der Ausbildung dran sind und weit ins Detail gehen,
möglicherweise keine Lösung für all die Abschlüsse aus

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(C (D ll den unterschiedlichen Ländern bieten können. Wir ollen deshalb eine zentrale und unabhängige Stelle für ie Anerkennung einrichten. (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Sie wollen Bürokratie aufbauen!)


ine gibt es schon lange: die Zentralstelle für ausländi-
ches Bildungswesen.


(Beifall bei der LINKEN)


as würde sich auch für die Betroffenen rechnen. Die Zen-
alstelle erhebt Gebühren zwischen 100 und 200 Euro.
ie Kammern planen mit kostendeckenden Gebühren

wischen 1 000 und 5 000 Euro für jeden Antrag. Für
ns ist wichtig: Das Recht auf Anerkennung muss mög-
chst viele erreichen. Deshalb muss es gebührenfrei
ein.


(Beifall bei der LINKEN)


Halten wir noch einmal fest: Bei vielen Berufsab-
chlüssen entscheiden allein die Arbeitgeber bzw. die
ammern über die Anerkennung. Das erklärte Ziel des
esetzes ist ausschließlich die bessere Nutzung der Ar-
eitskraft für den deutschen Arbeitsmarkt. Kein Wort
ber die Bedeutung der Anerkennung für die betroffenen
enschen! Das ist wieder einmal typisch für unsere
undesregierung.


(Beifall bei der LINKEN)


Aus meiner Sicht hat die Bundesregierung die Auf-
abe, ein Anerkennungsgesetz zu verabschieden, das die
enschen mit ihren Abschlüssen, ihren Leistungen und
ren Kompetenzen anerkennt, ihre rechtliche und so-

iale Gleichstellung gewährleistet, sie endlich willkom-
en heißt und ihnen Perspektiven aufzeigt. Das haben
ie bisher noch nicht geschafft.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711814300

Das Wort hat nun Memet Kilic für die Fraktion

ündnis 90/Die Grünen.


Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1711814400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Herr Staatssekretär Braun hat den
esetzentwurf mit einem einzigen Satz eigentlich schon
eschrieben: Wir gehen nicht den einfachen Weg. – Al-
rdings! Anstatt allen gut qualifizierten Personen einen
ugang zu einem einheitlichen Anerkennungsverfahren
u eröffnen, ist dieser Gesetzentwurf ein Flickenteppich
it vielen unterschiedlichen, undurchschaubaren und
striktiven Regelungen geworden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit diesem Gesetzentwurf bleibt die Bundesregie-
ng bei weitem hinter ihrer Ankündigung, die Integra-

on durch eine transparente und einfache Anerkennungs-
raxis zu fördern, zurück. Das verwundert nicht bei
ieser Regierung, die sich auch ansonsten weigert, die





Memet Kilic


(A) )


)(B)

Situation für ausländische Fachkräfte in Deutschland zu
verbessern. Dass sich die Bundesregierung nur zu
wachsweichen Regelungen durchringen konnte, lässt
sich schon nach der Lektüre von § 1 des Berufsqualifika-
tionsfeststellungsgesetzes erahnen. Während im Refe-
rentenentwurf der Zweck des Gesetzes noch lautete, den
Betroffenen eine „adäquate“ Beschäftigung zu ermögli-
chen, ist im Gesetzentwurf nur noch die Rede von einer
„qualifikationsnahen“ Beschäftigung. Frau Schavan will
angeblich verhindern, dass der vielzitierte Arzt Taxi
fährt. Wenn der Arzt in der Praxis aber nur die Möglich-
keit erhält, für ein niedriges Gehalt als Krankenpfleger
zu arbeiten, wird er womöglich das Taxifahren bevorzu-
gen.

Das Hauptproblem dieses Regelwerks ist aber nicht
das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz. Dieses ent-
hält tatsächlich einige positive Ansätze; sie wurden
heute schon beschrieben. Die mangelnde Transparenz
und Einheitlichkeit der Verfahren folgen im Wesentli-
chen daraus, dass die allgemeinen Regelungen des
Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes nur gelten, so-
fern die berufsrechtlichen Regelungen nichts anderes be-
stimmen – aber sie bestimmen anderes.

In vielen Gesetzen wie der Bundesrechtsanwaltsord-
nung, der Bundesärzteordnung oder dem Krankenpfle-
gegesetz wird das Berufsqualifikationsfeststellungsge-
setz sogar pauschal für unanwendbar erklärt. Dadurch
werden entscheidende Fortschritte verhindert. Zum ei-
nen wird bei manchen Berufen, wie dem Arztberuf, bei
Drittstaatsabschlüssen kein Anpassungslehrgang oder
eine Defizitprüfung verlangt, sondern immer eine Voll-
prüfung. Es ist überhaupt kein Grund ersichtlich, warum
nicht auch hier eine gezielte Beseitigung der Defizite das
Ziel sein soll.

Zum anderen wird die Anerkennung vergleichbarer
Berufe unterschiedlich geregelt. Die Bundesregierung ist
offenbar nur bereit, in denjenigen Bereichen großzügige
Anerkennungsregelungen einzuführen, in denen ein er-
höhter Bedarf an Fachkräften besteht. Ziel ist also die
Wahrung rein wirtschaftlicher Interessen und nicht die
Integration und Gewährleistung der Entfaltungsmöglich-
keiten der gut ausgebildeten Bürgerinnen und Bürger.
Das ist Egoismus und Missachtung zugleich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vier wesentliche Bereiche hat die Bundesregierung
ganz außer Acht gelassen:

Erstens. Es ist völlig ungenügend, dass die Betroffe-
nen keinen Anspruch auf Beratungen und Begleitung
während des Anerkennungsverfahrens erhalten.

Zweitens. Die Angebote für passgenaue Anpassungs-
qualifizierungen und berufsbezogenes Deutsch müssen
dringend ausgebaut werden. Wer dafür sorgt und wie das
geschehen soll, ist bisher völlig offen.

Drittens. Der Gesetzentwurf gibt keine Antwort auf
die Frage, wer künftig für Qualitätssicherung, Einheit-
lichkeit und Fairness bei den Anerkennungsverfahren
sorgen soll.

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(C (D Viertens. Es ist ein Armutszeugnis für Frau Schavan, ass sie nicht einmal versucht hat, die Anerkennung von ichtreglementierten Hochschulabschlüssen verbindlich u regeln. Wir erwarten, dass die Bundesregierung im weiteren esetzgebungsverfahren nachbessert. Wir fordern, dass icht einzelne Gruppen bevorzugt werden, sondern dass lle die gleichen Chancen erhalten. Das fördert die Interation und wirkt einer Zweiklassenpolitik entgegen. Vielen Dank. Das Wort hat nun Albert Rupprecht für die CDU/ SU-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! ollege Schulz, zur Historie des Ganzen; ich glaube, da raucht es ein paar Richtigstellungen. Erstens. Es war nicht der Minister Scholz, der die Iniative ergriffen hat. Es war die Ministerin Böhmer, die rsprünglich die Initiative ergriffen und das zum Thema emacht hat. In einem zweiten Schritt hat das dann die rau Schavan aufgegriffen. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Dann ist es an uns gescheitert, oder wie?)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711814500

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Albert Rupprecht (CSU):
Rede ID: ID1711814600

Zweitens gehört zur Richtigstellung dazu, dass die
äufig gepriesene Regierung der Großen Koalition


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Danach sehnen sich die Menschen zurück! Da haben Sie recht!)


Vergleich zur Regierung der jetzigen christlich-libe-
len Koalition schlichtweg administrativ nicht in der
age war, ein solches Gesetz rechtzeitig vorzulegen.
iese Regierung hat es im Kreuz, und deswegen liegt
as Gesetz jetzt auch vor.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Genau, Sie haben es im Kreuz! – René Röspel [SPD]: Deswegen gehen Sie so gebeugt!)


Noch einmal: Sie hatten elf Jahre Zeit. Die Grünen
atten auch einige Jahre Zeit. Im Übrigen: Um die Be-
eutung der Grünen bei diesem Thema einmal präsent zu
achen: Zur Halbzeit der Debatte hier ist von den or-

entlichen Mitgliedern der Grünen im Ausschuss für
ildung und Forschung einzig Kai Gehring anwesend;
lle anderen ordentlichen Mitglieder der Grünen in die-
em Ausschuss sind gar nicht da.

Noch einmal: Sie hatten elf Jahre Zeit. Fakt ist, dass
iele darüber reden, aber wir es machen.

Herr Kollege Schulz, Sie hatten in einer Ihrer Reden
eispielsweise die Forderung erhoben, nach sechs Mo-
aten müsse das Verfahren abgeschlossen sein. Wir





Albert Rupprecht (Weiden)



(A) )


)(B)

übertreffen Sie. Nach unseren Vorstellungen soll es nach
drei Monaten abgeschlossen sein.


(Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Das ist auch gut!)


Wenn Sie Ihre früheren Forderungen mit dem verglei-
chen, was wir jetzt beschließen wollen, wäre es durchaus
fair, anzuerkennen, dass wir in einigen Punkten Ihre Vor-
schläge übererfüllen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das habe ich doch gesagt: Es gibt einige Verbesserungen! Aber Sie sind ja ganz schön angegriffen, ganz schön dünnhäutig!)


Das Anerkennungsgesetz ist ein Riesenschritt in Rich-
tung von mehr Integration, in Richtung von mehr qualifi-
zierten Fachkräften in Deutschland und – das ist auch
wichtig – in Richtung von weniger Lasten für unsere so-
zialen Sicherungssysteme. 16 Millionen Menschen mit
Migrationshintergrund leben in Deutschland. Viele dieser
Bürgerinnen und Bürger sind gut ausgebildet, qualifiziert
und gut integriert, sogar hervorragend integriert. Nichts-
destotrotz sind es noch ein paar zu viel, deren Potenziale
brachliegen.

Das Anerkennungsgesetz ist nicht nur ein strukturell
bedeutendes Gesetz. Ich bin der Meinung, dass es durch-
aus das Label verdient, dass es in der Integrationspolitik
ein historischer Schritt ist.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: 100 Änderungsanträge vom Bundesrat!)


Was wir vorschlagen, führt nicht dazu, dass das hohe Ni-
veau der Abschlüsse in Deutschland – das war uns als
Unionsfraktion ein großes Anliegen – gesenkt wird. Wir
machen keine, wie Frau Sager es immer wieder einge-
fordert hat, individuelle Kompetenzfeststellung, bei der
man seitenweise hochkomplexes Material von Fachleu-
ten bekommt, das kein Unternehmer beurteilen kann,
was letztendlich im Ergebnis dazu führt, dass unser ho-
hes Qualitätsniveau in Deutschland gesenkt wird. Wir
vergleichen die vorhandenen Qualifikationen mit den
hohen deutschen Qualifikationen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was sagen Sie zu den 100 Anträgen des Bundesrates?)


Das ist der Bewertungsmaßstab. Das ist er, und das
bleibt er, weil wir wollen, dass das hohe deutsche Ni-
veau gehalten wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: 100 Anträge vom Bundesrat!)


Das Anerkennungsgesetz ist darüber hinaus auch
handwerklich sehr gut gemacht.


(Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Na ja!)


Es ist keine banale Geschichte, sondern es ist ein hoch-
komplexes Gesetz und betrifft 60 Berufsgesetze und
Verordnungen – viele Ministerien sind involviert –, eine
Vielzahl von Berufsgruppen mit eigener Historie und ei-
genen Traditionen, 350 Ausbildungsberufe. Im Bereich

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(C (D er Rechtsanwälte – das nur zur Erinnerung – soll das taatsangehörigkeitserfordernis gestrichen werden. Das eamtengesetz soll für Drittstaatler geöffnet werden. ie Approbation soll von der Staatsangehörigkeit entoppelt werden. Das alles sind tiefe Eingriffe in histosch gewachsene Strukturen und Traditionen. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar nicht! Nur die Staatsangehörigkeit spielt keine Rolle mehr!)


Dass es viele Diskussionen braucht, dass es auch eine
tensive Abstimmung mit den Betroffenen braucht,


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Auch Diskussionen im Bundestag!)


t richtig und notwendig. Diese Arbeit hat das Ministe-
um, wie ich finde, in exzellenter und hervorragender
eise gemacht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Abstimmung mit den Ländern war sehr sach-
rientiert und in den allermeisten Bereichen einver-
ehmlich. Es gibt nur wenige Punkte, bei denen noch
rundsätzliche Fragen offen sind. Darüber hinaus gibt es
u Detailregelungen, was das Operative und den Vollzug
etrifft, noch Gesprächsbedarf. Aber von den Grundsät-
en her ist das Allermeiste inzwischen einvernehmlich.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: 100 Anträge!)


Deswegen ein Dankeschön und Gratulation an Staats-
ekretär Braun, der mit seinen Mitarbeitern im Hause
irklich eine intensive und exzellente Arbeit geleistet
at.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ein Dankeschön auch an die Kammern, die bei der
msetzung eine Schlüsselrolle spielen. Auf die Kam-
ern kommt in den nächsten Monaten eine bedeutende
ufgabe zu. Wir werden nichtsdestotrotz das komplexe
erk im parlamentarischen Verfahren genau überprüfen.

s gibt durchaus ernstzunehmende Anliegen der Berufs-
erbände. Dabei muss klar sein, dass es nicht um Grup-
en, Partialinteressen und Willkür geht, sondern dass
ire, sachliche und nachvollziehbare Prinzipien im Vor-

ergrund stehen.

Strittig ist beispielsweise die Frage der Defizitprü-
ng. Ist sie ausreichend, oder ist die Kenntnisprüfung

otwendig? Wir sind der Meinung, dass die Kenntnis-
rüfung faktisch eigentlich bedeutet, dass die Prüfung in
eutschland noch einmal vollzogen werden müsste, wo-
urch im Grunde die Türen geschlossen werden. Darum
ollte die Defizitprüfung die Regel sein. Die Kenntnis-
rüfung darf nur die absolute Ausnahme bilden. Wir
erden uns insbesondere den Bereich der Heilberufe im
inblick darauf noch einmal genau anschauen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist doch schon mal was! Weiter so!)


Als letzten Aspekt nenne ich den Rechtsanspruch auf
achqualifizierung. Natürlich wird es Nachqualifizie-
ngen geben. Der Bedarf wird vorhanden sein, wenn

er Abschluss nicht anerkannt ist. Bildungsträger wer-





Albert Rupprecht (Weiden)



(A) )


)(B)

den entsprechende Angebote machen. Das ist zu erwar-
ten, aber das wird sich automatisch regeln.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und wer finanziert das?)


Die Frage ist, wer das Ganze bezahlt.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Genau! – Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Die Frage stellen wir uns auch!)


Hier gilt dasselbe, was für andere Bürger in Deutschland
auch gilt: Wer bedürftig ist, kann auf die laufenden Pro-
gramme – beispielsweise der Arbeitsmarktpolitik – zu-
greifen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Die Sie gerade kürzen!)


Wer nicht bedürftig ist, muss die Kosten aus eigener Ta-
sche zahlen. Eines geht aber nicht: dass wir für ausländi-
sche Bürger einen Rechtsanspruch kreieren, der für deut-
sche Bürger nicht gilt. Wer eine solche Forderung für
Ausländer erhebt, diskriminiert letztendlich Inländer.
Das ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711814700

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.


Albert Rupprecht (CSU):
Rede ID: ID1711814800

Den Rest heben wir uns auf für die zweite und die

dritte Lesung.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711814900

Das Wort hat nun Daniela Kolbe für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1711815000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Damen und Herren! Herr Rupprecht, da
Sie sich ein bisschen über die viele Kritik beschwert ha-
ben, will ich zunächst einmal mit dem Positiven begin-
nen: Die Regierung hat bei diesem Thema Kurs gehal-
ten. Ich nehme Ihnen durchaus ab, dass Sie sich ein
Berufsqualifikationsanerkennungsgesetz – sogar ein gu-
tes – zum Ziel gesetzt haben. Dass Sie Kurs gehalten ha-
ben, ist, wie ich finde, bei dieser Regierung bemerkens-
wert, angesichts von Volten bei der EU-Politik und
Pirouetten in der Energiepolitik.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist wahr!)


Darum lohnt es sich, das einmal positiv hervorzuheben,
zumal wir den Kurs auch unterstützen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



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(C (D Wir brauchen endlich ein gutes Anerkennungsgesetz r Menschen, die im Ausland Qualifikationen erlangt aben: für die irakische Krankenschwester, die mögliherweise in Deutschland gerade putzt, für den Kfz-Mehatroniker, der möglicherweise Taxi fährt oder auf Soialleistungen angewiesen ist. Aber: Der Fortschritt ist eine Schnecke. Ich kann ich noch sehr gut erinnern, dass uns die zuständige inisterin, Frau Schavan, im Spätherbst 2009 verspro hen hat: Noch vor dem Sommer legen wir ein Gesetz or. Damals habe ich gelernt, immer nachzufragen: Welhen Sommer meinen Sie bitte? Jetzt immerhin, vor dem ommer 2011, reden wir das erste Mal über ein erufsqualifikationsanerkennungsgesetz. Ich kann nur agen: Endlich. Denn die Betroffenen – zwischen 300 000 und 00 000 im Land befindliche Menschen – und auch die nternehmen warten schon sehnlichst darauf. Sie haben ohe Erwartungen geweckt, auch dadurch, dass Sie das anze immer als Ihren Willen bekundet haben. Allerings ist Ihr Gesetzentwurf ebenfalls eher in der Größe iner Schnecke ausgefallen. Das muss ich leider sagen. r bleibt eindeutig hinter Ihrem eigenen Punktepapier urück. Der Wirrwarr an Anlaufstellen bleibt erhalten. h frage mich manchmal schon selbst, wer denn bei elchem Berufsfeld der richtige Ansprechpartner ist. ie Beratung der Personen, die ein Anerkennungsverhren beantragen wollen, ist absolut ungenügend gere elt. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wir leben in einem föderalen System, da kann man nicht alles von oben bestimmen!)


(Heiner Kamp [FDP]: Das tut jetzt aber weh!)


Es ist vollkommen unklar, wie Sie die Gleichwertig-
eit von Verfahren erreichen wollen. Ein Beispiel ist das
nerkennungsverfahren für einen Kfz-Mechatroniker in
erlin oder in Bayern. Es ist nicht erkennbar, wie Sie die
leichwertigkeit erreichen und das Verfahren nicht zu

iner Lotterie werden lassen wollen,


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das werden die Kammern schon machen!)


obei die Chance auf Anerkennung davon abhängt, wo
an wohnt. Vollkommen unklar ist auch, wer das Wis-

en sammelt. Wissensmanagement ist überhaupt kein
hema in diesem Gesetzentwurf. Das klingt ganz ein-
ch: Die eine Kammer sammelt Informationen über die

inen Berufe und die andere über die anderen. Wenn
an aber genauer hinschaut, stellt man fest, dass es sehr

iele Länder auf dieser Welt gibt, in denen Kfz-Mecha-
oniker ausgebildet werden. Die zuständige Kammer
uss wissen, was die berufliche Ausbildung in jedem

inzelnen Land beinhaltet, und zwar nicht nur heute,
ondern auch vor 5, 10 oder 15 Jahren.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das kann man schon vor Ort in den Auslandsvertretungen prüfen!)


anche Länder gab es vor 15 Jahren noch gar nicht.





Daniela Kolbe (Leipzig)



(A) )


)(B)


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ein Kfz-Mechatroniker aus dem Vatikan! Wie wird der anerkannt? Das ist wirklich eine spannende Frage!)


Das ist wirklich eine knifflige Aufgabe. Zum Thema
Wissensmanagement steht nichts im Gesetz. Von Ihnen
höre ich nur, dass das Wirtschaftsministerium Daten
sammeln soll. Ich finde, das ist ungenügend.

Größtes Problem ist aber die Prämisse, die hinter dem
Gesetzentwurf steht: Es darf nichts kosten. Ich glaube,
das wird an vielen Stellen ein Problem werden. Ich
greife ein Problem heraus: Viele Antragsteller werden
eine Gleichwertigkeitsbescheinigung nicht bekommen.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?)


– Das habe ich in Gesprächen mit Fachleuten erfahren.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Dann nennen Sie ein paar Fachleute!)


Ich bin jetzt einmal sehr optimistisch und sage: Jeder
Dritte bekommt eine Gleichwertigkeitsbescheinigung.
Wenn Sie sagen wollen, dass das mehr sind, dann mel-
den Sie sich bitte zu einer Zwischenfrage. Ich finde, ich
bin optimistisch, wenn ich von jedem Dritten ausgehe.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist doch Kaffeesatzleserei!)


Das bedeutet, dass zwei Drittel der Antragsteller ohne
Gleichwertigkeitsanerkennung dastehen. Was ist mit de-
nen? Sie sollen eine Anpassungsqualifizierung machen.
Wo finden die denn statt?


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Es gibt doch genug Bildungsträger, die so etwas anbieten!)


In Ihrem Fachkräftekonzept schreiben Sie: Verbesserte
Angebote für Anpassungs- und Ergänzungsqualifikatio-
nen zur vollen Arbeitsmarktintegration bei nur teilweise
nachgewiesenen Qualifikationen bilden eine Herausfor-
derung, der sich alle stellen müssen. – Das Gesetz stellt
sich dieser Herausforderung aber überhaupt nicht. Wer
bezahlt das denn?


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das hat der Kollege Rupprecht doch gerade gesagt! Einfach einmal zuhören!)


Wo kommen die Maßnahmen her? Wie ermöglicht man
es dem Taxifahrer, der entsprechend seiner Qualifikation
arbeiten will, seinen Lebensunterhalt in der Zeit der
Qualifikationsmaßnahme zu bestreiten? Wer bietet ihm
eine realistische Möglichkeit, die Qualifizierungsmaß-
nahme anzutreten? Ich sehe die große Gefahr, dass Sie
die Erwartungen, die Sie geweckt haben, enttäuschen
werden.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie kriegen eine Riesenzustimmung aus Ihrer eigenen Fraktion! Große Rede!)


Die Schnecke ist auf dem richtigen Weg. Sie ist auch
in die richtige Richtung unterwegs. Wir freuen uns, dass
sie auf dem Weg ist. Ich glaube aber, dass noch viel zu

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(C (D n ist. Wir müssen die Schnecke anstupsen und sie ein isschen größer machen. Ich freue mich auf die Anhöng, die leider nur zwei Stunden dauern wird. Ich finde, as ist dramatisch wenig, aber wir werden versuchen, Ihen auf die Sprünge zu helfen und aus diesem Gesetzenturf ein bisschen mehr herauszuholen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711815100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 17/6260 und 17/6271 an die in der
agesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich
er Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe nun die Zusatzpunkte 17 bis 19 auf:

P 17 Beratung des Antrags der Abgeordneten Manuel
Sarrazin, Priska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn, wei-
terer Abgeordneter sowie der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

zu den Legislativvorschlägen der Europäi-
schen Kommission „Wirtschaftspolitische Steue-

(KOM [2010] 522, 523, 524, 525, 526, 527)


hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-
regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes

Bundesregierung muss unverzüglich euro-
päisch gestalten

– Drucksache 17/6316 –

P 18 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Roland Claus,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EU)

Nr. …/… des Rates zur Änderung der Verord-
nung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleuni-
gung und Klärung des Verfahrens bei einem
übermäßigen Defizit
– Ratsdok.-Nr. 14496/10 –

zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates
über die Anforderungen an die haushaltspoli-
tischen Rahmen der Mitgliedstaaten
– Ratsdok.-Nr. 14497/10 –

zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Eu-
ropäischen Parlaments und des Rates über die
wirksame Durchsetzung der haushaltspoliti-
schen Überwachung im Euro-Währungsgebiet
– Ratsdok.-Nr. 14498/10 –

zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Eu-
ropäischen Parlaments und des Rates zur Än-
derung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über
den Ausbau der haushaltspolitischen Überwa-





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

chung und der Überwachung und Koordinie-
rung der Wirtschaftspolitiken
– Ratsdok.-Nr. 14520/10 –

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-
regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes

– Drucksachen 17/5904, 17/6168 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Roland Claus
Priska Hinz (Herborn)


ZP 19 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-
ordneten Sahra Wagenknecht, Michael Schlecht,
Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

zu dem Vorschlag einer Verordnung des Euro-
päischen Parlaments und des Rates über
Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur
übermäßiger makroökonomischer Ungleich-

(Ratsdok. 14512/10, KOM[2010] 525)


zu dem Vorschlag einer Verordnung des Euro-
päischen Parlaments und des Rates über die
Vermeidung und Korrektur makroökonomi-

(Ratsdok. 14515/10, KOM[2010] 527)


hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-
regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes

– Drucksachen 17/5905, 17/6175 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Garrelt Duin

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen
Manuel Sarrazin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen das Wort.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1711815200

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Wir Grüne beantragen heute, dass die
Bundesregierung den Weg freimacht. Das ist ein biss-
chen ungewöhnlich. Normalerweise wirft man uns vor,
die Dagegen-Partei zu sein. In dieser historischen Situa-
tion, in der die Europäische Union eine kleine Revolu-
tion machen will – so beschrieben es manche Publizisten
letztes Jahr –, indem sie einen Schritt in Richtung einer
stärkeren wirtschaftspolitischen Koordinierung geht,
wodurch wir Europa gemeinsam voranbringen können,
sind die Rollen plötzlich vertauscht. Auf dieser Seite des
Hauses sitzen die Dagegen-Koalition und die Dagegen-
Regierung.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Luksic [FDP]: Schlechtes Plagiat!)


Worum geht es? Ein Jahr lang habe ich von Ihnen ge-
ört – das haben Sie auch mehrfach beschlossen –, dass
ie bei Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstums-
akt automatische Sanktionen wollen. Sie wollen die
uasi-automatische Mehrheit. All diese Punkte höre ich
on Ihnen seit einem Jahr. Sie haben Ihre Regierung
azu aufgefordert. Doch was ist vor zwei Wochen pas-
iert? Die Bundeskanzlerin kam von einem Treffen mit
errn Sarkozy wieder, auf dem sie genau diesen Punkt

ingestampft hat, und zwar nicht, weil alle in Europa da-
egen wären. Das Europäische Parlament hat darauf ge-
rungen, diese Stärkung des Stabilitätspaktes zu bekom-
en, die von Deutschland jetzt in den Orkus geschüttet
ird. Verkehrte Welt!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit welcher Begründung machen Sie das? Sie erklä-
n uns: Wir müssen verhindern, dass in der künftigen
irtschaftsregierung bei den Indikatoren im sogenann-
n Scoreboard ein symmetrischer Ansatz herrscht,


(Oliver Luksic [FDP]: Asymmetrischer Ansatz! Genau das Gegenteil!)


nsonsten würde Europa Deutschland die Exportkraft
uben und – böse, böse – dafür sorgen, dass unser Auf-

chwung nicht mehr stattfindet. Sie haben mit diesem
hema einen Popanz aufgeblasen.


(Oliver Luksic [FDP]: Sie blasen doch auf!)


lauben Sie wirklich, dass die Europäische Kommission
ein Interesse daran hat, dass sich Deutschland wirt-
chaftlich verbessert? Oder haben Sie Angst, dass die
uropäische Kommission aufschreibt, wo auch Deutsch-
nd noch besser werden kann, und versucht, dies einzu-
rdern, damit wir in ganz Europa endlich zu ausgegli-

henen Leistungsbilanzen kommen? Diesen Popanz
aben Sie aufgeblasen. Jetzt verticken Sie das deutsche
teresse an einem stärkeren Stabilitäts- und Wachstums-

akt, um einen Popanz zu retten. Das ist wirklich ein
chwaches Stück dieser Dagegen-Regierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dieses Thema ist aber auch eine Gelegenheit, über Ih-
n Stil zu reden. Das Europäische Parlament hat sich

uf eine Position verständigt. Das Europäische Parla-
ent hat Vorschläge vorgelegt, um die umgekehrte
ehrheit und die Symmetrie zu erreichen. Der Rat hat

ich auf etwas verständigt. Verschiedene Positionen im
at sind ausgehandelt worden. Alle in Europa, das Euro-
äische Parlament mit dem ganzen Haus und der Rat un-
r ungarischer Ratspräsidentschaft mit allen anderen
taaten, haben sich auf einen Deal geeinigt, der jedem
twas gibt, aber auch jeden etwas kostet.

Dann kommt die Bundesregierung mit der Haltung:
anz oder gar nicht, wir kriegen alles, sonst machen wir
ichts. Dies machen Sie, obwohl Sie genau wissen, wie
ichtig in der jetzigen Situation eine Stärkung der wirt-

chaftspolitischen Überwachung und des Stabilitäts- und





Manuel Sarrazin


(A) )


)(B)

Wachstumspakts ist. Mit dieser Art, hinter der sich wie-
der Ihre Unionsmethode versteckt, verhindern Sie Lö-
sungen in der Europäischen Union. So funktioniert
Europa nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


In unserem Antrag geht es nicht darum, dass Sie ge-
gen die Prüfung in Bezug auf Euro-Bonds und gegen die
Einführung eines delegierten Rechtsaktes waren; es geht
nicht um alles, bei dem Sie dagegen waren. Es geht um
die zwei entscheidenden Punkte, die jetzt noch auf dem
Tisch liegen. Gerade meine Kollegen von der FDP wer-
den zumindest einem dieser Punkte zustimmen müssen;
denn im Moment droht es gerade Ihrer Fraktion im Euro-
päischen Parlament, von dieser Regierung an der Nase
herumgeführt zu werden.

Seit einem Jahr rennen Sie mit Forderungen herum.
Sie beschließen diese mehrfach hier im Haus. Jetzt
plötzlich werden von der Regierung rechtliche Bedenken
vorgetragen. Geben Sie es einfach zu: Die Dagegen-Re-
gierung hat es verditscht und möchte das hier nicht zuge-
ben. So funktioniert das nicht.

Danke sehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711815300

Das Wort hat nun Bettina Kudla für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Bettina Kudla (CDU):
Rede ID: ID1711815400

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Als ich den Antrag der Grünen „Bundes-
regierung muss unverzüglich europäisch gestalten“ las,
habe ich mich sehr gewundert. Der Antrag ist in einer
Sprache geschrieben, die nicht unbedingt an ein Doku-
ment des Deutschen Parlamentes erinnert.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegensatz zu Ihren Reden!)


Es scheint so, als wollten Sie um Ihren Antrag unbedingt
einen Popanz aufbauen; aber darauf möchte ich jetzt
nicht näher eingehen.

Zum Inhalt: In Ihrem Antrag behaupten Sie, die Bun-
desregierung würde die haushalts- und wirtschaftspoliti-
sche Steuerung in der EU blockieren. Sie kritisieren
– das haben Sie jetzt noch einmal deutlich dargelegt –
die von der Bundesregierung vertretene Auffassung zur
wirtschaftspolitischen Überwachung. Es ist schon aben-
teuerlich, wenn Sie der Bundesregierung Verzögerung
bei der Durchsetzung von Maßnahmen des Stabilitäts-
und Wachstumspaktes vorwerfen. Das Legislativpaket
der Kommission zur Stärkung des Wachstumspaktes,
welches Sie in Ihrem Antrag ansprechen, also das soge-
nannte Sixpack, wurde auf dem Europäischen Rat im
März 2011 bestätigt mit der Zielrichtung, auf dieser Ba-
sis die Gespräche mit dem EU-Parlament zu beginnen.
Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

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(C (D Nun zu dem Sixpack, das Deutschland unmittelbar m stärksten betrifft. Ich finde es schon grob fahrlässig, it welcher Lässigkeit Sie darüber sprechen. Die wirtschaftlichen Probleme in den Staaten der süduropäischen Euro-Länder, aber auch in manchen Nichturo-Ländern der EU haben vor allem eine Ursache: die angelnde Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirt chaft. Diese fehlende Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, ass der Staat zu wenig Steuereinnahmen bei gleichzeig zu hohen Ausgaben für soziale Sicherung und Areitslosigkeit hat. Dies führt zu hoher Staatsverschulung. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit kann man n vielen Kriterien festmachen, zum Beispiel am Anteil er Industriearbeitsplätze, am Anteil der Privatwirtschaft m Bruttonationaleinkommen, an der Qualität der Infratruktur, am Bildungswesen, aber auch an der Leistungsilanz, also Exporte minus Importe. Die südeuropäischen änder sind von einem hohen Leistungsbilanzdefizit geennzeichnet. Deutschland wiederum hat aufgrund seies starken Exportes einen hohen Leistungsbilanzüberchuss. Will man die Krise in den südeuropäischen taaten überwinden, so muss die Wettbewerbsfähigkeit ieser Staaten gestärkt werden. Die Bundesregierung ertritt hierzu die klare Auffassung, dass der asymmetriche Ansatz gewählt werden muss. Dieser Ansatz wurde uch auf dem Europäischen Rat vom März dieses Jahres estätigt. Was bedeutet nun der asymmetrische Ansatz? Eine irksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik muss ich an den Besten orientieren und nicht an den Schlechsten. Die Gesamtheit wird nicht besser, wenn die wirt chaftlich stärkeren Länder schwächer werden. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das eigentlich mit dem Thema zu tun?)


h bitte Sie, das einfach einmal zur Kenntnis zu neh-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ann verbessert sich nämlich für die schwächeren Län-
er nichts, rein gar nichts. Das wäre ungefähr so, als
enn Sie den beiden deutschen Fußballnationalmann-

chaften vorschlagen würden, sie sollten Birgit Prinz
nd Philipp Lahm aus der Mannschaft herausnehmen,
ann gehe es den Mannschaften anderer Länder besser.
as kann es nicht sein.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Prinz war nicht immer in der Startelf!)


Der sogenannte symmetrische Ansatz, der im Antrag
er Grünen vorgeschlagen wird, wird daher von der
undesregierung zu Recht abgelehnt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegen Birgit Prinz oder wegen Philipp Lahm?)






Bettina Kudla


(A) )


)(B)

Dieser Ansatz würde eine Schwächung der EU insge-
samt bedeuten, wenn ein Teil der Staaten sich auf einem
niedrigeren wirtschaftlichen Niveau befindet.

Ich wiederhole: keine Nivellierung der Wettbewerbs-
fähigkeit von Staaten, sondern Orientierung an der Wett-
bewerbsfähigkeit der Besten. Sie können doch nicht
ernsthaft wollen, dass die Wirtschaft in Deutschland
schwächer wird. Wollen Sie das den Menschen sagen?
Und wollen Sie vielleicht noch hinzufügen: „Verliert
möglichst in Deutschland eure Arbeitsplätze“?

Übrigens: Vor einigen Wochen haben sich im Han-
delsblatt zwölf namhafte Professoren zur aktuellen
Europapolitik unter dem Titel „Zwölf gegen Merkel“
geäußert. Dem Titel können Sie entnehmen, dass die
Wissenschaftler der Bundesregierung nicht unbedingt
freundlich gesonnen waren. Einer der Professoren aber
stellte Folgendes fest:

Da es keine schlechten Standorte gibt, sondern nur
falsche Wirtschaftsstrukturen, sind solche Faktoren
zu analysieren, die Fehlanpassungen begünstigen.
Viele

– insbesondere die Grünen; das gehört allerdings nicht
zum Zitat –


(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


fixieren sich auf außenwirtschaftliche Ungleichge-
wichte. Aber: Außenhandelsüberschüsse sind auch
Ausdruck von Arbeitsteilung und Entwicklungssta-
tus. Gleiches gilt für Sparquoten …

Deutschland ist nun einmal ein hochtechnisiertes Ex-
portland. Die Regierungsfraktionen setzen sich dafür
ein, dass dies auch so bleibt. Deutschland kann struktu-
rell in einer globalisierten Welt durchaus weiterhin einen
Leistungsbilanzüberschuss haben.


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Nein!)


– Doch.


(Heiterkeit – Zuruf von der CDU/CSU: Einfach mal draufhauen, so ist es richtig!)


Und nun zu den Anträgen der Linken. Diese Anträge
wenden sich gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt
an sich. Das ist nicht nachvollziehbar. Wenn es Probleme
gibt, muss man sich mit den Ursachen auseinanderset-
zen. Unsolide Haushaltspolitik und fehlende Wettbe-
werbsfähigkeit sind die Ursachen der Verschuldung von
Staaten. Folglich müssen diese Ursachen beseitigt wer-
den. Das wird aber nur gelingen durch solide Haushalts-
politik, gepaart mit Maßnahmen zur Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit. Schließlich heißt es ja „Stabili-
täts- und Wachstumspakt“, beides ist genannt. Dazu ge-
hören auch ein wettbewerbsfähiges Lohnniveau und gute
Rahmenbedingungen, damit die Löhne entsprechend
steigen können.

Die Einführung der Schuldenbremse hat sich in
Deutschland bewährt. Sie sollte auch in den Verfassun-
gen anderer Länder verankert werden. Ich finde es kon-
traproduktiv, dass Sie hier zentrale Forderungen, die die

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(C (D undesregierung in Brüssel durchgesetzt hat, torpedien. Hören Sie auf, Forderungen zu stellen, die nicht im teresse unserer Bürger sind! Nur eine florierende Wirt chaft in Deutschland und Europa ist Garantie für Wohltand. Nur eine starke deutsche Wirtschaft bedeutet hancen für die Menschen und soziale Sicherheit. Vielen Dank. Das Wort hat nun Michael Roth für die SPD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es cheint seitens der Bundesregierung und der sie tragenen Fraktionen kein gesteigertes Interesse daran zu geen, öffentlich über Europa zu debattieren. (Oliver Luksic [FDP]: Ach! Das haben wir doch gerade erklärt!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711815500

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1711815600

as haben wir in der jüngsten Vergangenheit allzu oft er-
bt.


(Oliver Luksic [FDP]: Quatsch!)


sofern bin ich den Kolleginnen und Kollegen von den
rünen für ihren Antrag ausgesprochen dankbar.


(Oliver Luksic [FDP]: Als Juniorpartner muss man sich schon mal auf den anderen verlassen können!)


In Sonntagsreden spielt die Wirtschaftskoordination
ine ganz zentrale Rolle. Es dürfte keinen Politiker und
eine Politikerin geben, der bzw. die nicht immer wieder
agt: Jetzt müsste koordiniert werden; das ist überfällig.

ie es konkret in der Praxis ausschaut, darüber wird
ber zu Recht gestritten. Dass Sie das nicht gerne hören,
eiß ich. Dennoch sollte man Ihnen den einen oder an-
eren Hinweis ins Stammbuch schreiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Krise ist sicherlich maßgeblich verursacht durch
ine unzureichende, nicht vorhandene Regulierung bzw.
ontrolle unserer Finanzmärkte. Die Ursachen finden

ich aber auch in fehlender Koordination der Wirt-
chafts-, der Haushalts-, der Finanz- und der Sozialpoli-
k. Das greift tief in nationale Souveränitäten ein. Des-
egen ist es gut, dass wir diese Diskussion heute hier im
undestag führen, auch wenn ich sie mir zu einer etwas
ttraktiveren Zeit gewünscht hätte.

Der Ansatz der Kommission, das sogenannte Sixpack
zw. die Rehn-Vorschläge, ist im Grundsatz richtig.
ber eine alleinige Verschärfung des Stabilitäts- und
achstumspaktes führt doch in die Irre. Ich bitte Sie,

rau Kudla, und Ihre Kolleginnen und Kollegen um ein
tück mehr Realitätssinn. Die gegenwärtige Krise, die
taatsschuldenkrise in der Europäischen Union, hat
icht in allen Mitgliedstaaten mit einer Infragestellung
es Stabilitäts- und Wachstumspaketes zu tun. Das trifft





Michael Roth (Heringen)



(A) )


)
auf Griechenland sicher zu. Schauen Sie sich aber ein-
mal die Situation in Irland an; dort hat man eine FDP-
Politik in Reinkultur betrieben. Schauen Sie sich einmal
die Situation in Portugal oder Spanien an; dort hat man
auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung gute Fort-
schritte erzielt. Diese Länder hatten eine niedrigere Ver-
schuldungsrate als beispielsweise die Bundesrepublik
Deutschland.

Wenn Sie sich die Situation in der Bundesrepublik
Deutschland vor Augen führen und sich fragen, warum
die Verschuldung in Deutschland gerade in der jüngsten
Vergangenheit massiv zugenommen hat – das werfe ich
Ihnen gar nicht vor, auch wenn Sie zumindest in der
Großen Koalition daran beteiligt waren –, stellen Sie
fest: Wir haben die Krise durch massive öffentliche In-
vestitionen zu schultern versucht. Im Gegensatz zu ande-
ren Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind wir
halbwegs erfolgreich aus der Krise gekommen.


(Beifall bei der SPD)


Jetzt immer zu behaupten, Schulden seien per se von
Übel, ist doch völliger Blödsinn.

Der Ansatz, den meine Fraktion und unsere Kollegin-
nen und Kollegen im Europäischen Parlament fahren, ist
genau der richtige. Wir müssen endlich differenzieren:
Investitionen in überflüssige und überbordende Bürokra-
tie sind der falsche Weg. Aber nachhaltige Investitionen
in erneuerbare Energien, in Forschung und in Innovatio-
nen sind in Griechenland genauso nötig wie in Spanien,
in Portugal, in Irland und in Deutschland. Das war einer
der wesentlichen Ansätze, die vom Europäischen Parla-
ment verfolgt worden sind und die von Ihnen – ich kann
niemanden direkt ansprechen, weil seitens der Bundesre-
gierung heute niemand da ist –


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Unglaublich!)


bzw. von der Bundesregierung beharrlich blockiert wor-
den sind. Wir brauchen Wachstum und Beschäftigung.
Dass Sie seitens der CDU/CSU und der FDP sich dieser
Erkenntnis wieder verweigern, irritiert mich schon.
Denn ich habe in Ihren jüngsten Anträgen zumindest ab
und zu mal gelesen, dass auch Sie dafür und der Mei-
nung sind, dass reines Sparen um des Sparens willen die
Länder nicht aus der Krise führt, sondern dass wir auch
Wachstum, Beschäftigungsimpulse sowie nachhaltige
Investitionen brauchen. Hier haben Sie offenkundig
nichts dazugelernt.


(Beifall bei der SPD)


Wir stellen uns ganz selbstbewusst dem symmetri-
schen Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte. Ich
weiß natürlich, dass Ihnen das nicht passt. Ideologisch
ist das für Sie Gift. Denn es geht doch nicht allen Ernstes
darum, dass wir, die wir einen symmetrischen Abbau der
Ungleichgewichte einfordern, die deutschen Exporte
vermindern wollen. Wir müssen uns aber selber fragen:
Inwieweit haben wir einen Beitrag dazu geleistet, dass
die Bilanzen in vielen Mitgliedstaaten so aussehen, wie
sie aussehen? Es besteht also nicht nur ein Auftrag zum
Handeln in den Ländern, die ein Defizit haben, sondern
auch bei denjenigen, die einen Überschuss aufweisen.

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(C (D as bedeutet für uns gesetzlich vorgeschriebene Minestlöhne in allen Branchen. Weiter heißt das für uns, die innennachfrage anzukurbeln. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


it überholter Ideologie hat das überhaupt nichts zu tun,
umal wir das zu Recht immer wieder innenpolitisch
infordern. Es hat aber eben auch Auswirkungen auf die
esamte Europäische Union. So viel Solidarität sollte
an zumindest von Ihnen erwarten können – gerade

uch angesichts der Tatsache, dass Sie ebenso wie wir
afür eintreten, unsere Arbeitsmärkte zu öffnen und Ar-
eitnehmerfreizügigkeit walten zu lassen. Das muss so-
ial flankiert werden. Mindestlöhne sind da ein wichti-
er Aspekt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ebenso begrüßen wir, dass die liberale Europaabge-
rdnete Sylvie Goulard ebenso wie wir konditionierte
uro-Bonds einfordert. In der Europäischen Union brau-
hen wir konditionierte Gemeinschaftsanleihen. Auch
as ist eine Forderung, die von der Bundesregierung
rüsk abgelehnt worden ist.


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Noch!)


In all dem zeigt sich wieder einmal, dass die Europa-
olitik der Bundeskanzlerin bzw. dieser Regierung kläg-
ch gescheitert ist. Es ist heute noch nicht abzusehen,
ie groß die Kollateralschäden in der Europäischen
nion sind, die diese Regierung und Sie zu verantworten
aben. Die Methoden der Bundeskanzlerin – das wird
uch angesichts der Verhandlungen im Rahmen des Six-
acks eindrücklich deutlich – sind ganz einfach geprägt:

Frau Merkel spaltet die Europäische Union, indem sie
ie südeuropäischen Länder beschimpft und die Kli-
chees und Vorurteile des Boulevards bedient. Sie sorgt
icht mehr für Partnerschaft, Kooperation und gegensei-
ges Vertrauen, sondern haut erst einmal so richtig auf
ie anderen drauf. Wir brüskieren die Luxemburger bzw.
ie Partnerstaaten. Dann beschweren wir uns darüber,
ass wir in der Europäischen Union nicht gemeinsam
orankommen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711815700

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Silberhorn?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1711815800

Bitte schön.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1711815900

Herr Kollege Roth, Sie treten zum wiederholten Male

r Euro-Bonds ein. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie un-
r Euro-Bonds Anleihen verstehen, die sich von den
isherigen Finanzhilfen, die die Mitgliedstaaten der
uro-Zone gewähren, dadurch unterscheiden, dass die
eberländer nicht anteilig haften, sondern dass eine ge-

amtschuldnerische Haftung besteht, dass also jeder ein-
elne Mitgliedstaat eine Garantie für die gesamte Kredit-

(B)






Thomas Silberhorn


(A) )


)(B)

summe übernimmt? Wenn dies der Fall ist: Glauben Sie,
dass Sie die Öffentlichkeit davon überzeugen können?
Denn mit Euro-Bonds würde ein Modell eingeführt, bei
dem sich Solidarität als Einbahnstraße darstellt. Weshalb
wehren Sie sich dagegen, dass jeder, der zu einem Kredit
beiträgt, anteilig haftet, sodass sich nicht der eine auf
den anderen verlässt, sondern jeder, der gibt, weiß, wo-
rauf er sich einlässt?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1711816000

Lieber Herr Kollege Silberhorn, wenn die bisherige

Krisenbewältigungspolitik in der Europäischen Union
große Erfolge gezeitigt hätte, könnte ich Ihre Bedenken-
trägerei noch verstehen. Wie sieht es aber aus? Die
Wahrheit ist: Ihre Regierung hat bislang alle Vorschläge,
die auf den Tisch gelegt wurden, brüsk abgelehnt. Sie
hat sich anfänglich gegen jegliche solidarische Hilfe für
andere Länder ausgesprochen. Die Hilfe kam. Sie hat
sich gegen einen Rettungsschirm ausgesprochen. Der
Rettungsschirm kam. Sie hat sich für eine Befristung des
Rettungsschirms ausgesprochen. Die Entfristung wird
mit dem ESM sehr wahrscheinlich kommen, es sei denn,
Sie erklären uns, dass Sie dem nicht zustimmen wollen.
Nichts hat gefruchtet. Nun haben wir es abermals mit ei-
nem Rettungspaket für Griechenland zu tun, obwohl Ihre
Regierung erklärt hat, dass es das letzte gewesen sei und
dass man eine klare Strategie verfolgen würde, um aus
der Krise herauszukommen.

Es ist niemandem zu verdenken, angesichts des
Scheiterns der bisherigen Krisenstrategien über neue
Wege nachzudenken. In meiner Fraktion und unter den
Befürworterinnen und Befürwortern von Gemeinschafts-
anleihen ist niemand dabei, der nicht auch der Meinung
ist, dass Staaten wie Deutschland einen Beitrag zu leis-
ten haben. Selbstverständlich muss Deutschland einen
Beitrag leisten. Wir helfen den Staaten, die in eine Krise
geraten sind, unter bestimmten Bedingungen nachhaltig,
weil wir deren Refinanzierungschancen massiv erhöhen.

Selbstverständlich zahlen auch wir einen Preis. Den
Preis zahlen wir jedoch so oder so. Wir zahlen ihn auch
jetzt schon für die Problembewältigung in Griechenland.
Sie können den Bürgerinnen und Bürgern nicht ständig
einreden, dass das, was sich derzeit in der Europäischen
Union abspielt, ohne solidarische Beiträge auch aus
Deutschland zu richten ist.


(Oliver Luksic [FDP]: Das ist ein Freifahrtschein! Das ist ein Fass ohne Boden!)


Diese Ehrlichkeit erwarte ich von Ihnen. Sie können
nicht einfach auf kleinkarierte Weise sagen: Gemein-
schaftsanleihen sind eine Solidarität der Einbahnstraße.
Nein, sie sind eine Solidarität der Zweibahnstraßen. Da-
für steht meine Fraktion. Ich hoffe, dass wir Sie irgend-
wann noch davon überzeugen können.


(Beifall bei der SPD)


Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei weitere
Punkte erwähnen: Wir sind davon überzeugt, dass der
Weg der Renationalisierung, der von Frau Bundeskanz-
lerin Merkel maßgeblich zu verantworten ist, in die Irre
führt. Es gibt nun eine neue Methode, und zwar die

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(C (D nionsmethode. Diese führt dazu, dass die Staatsund egierungschefs immer mehr Verantwortung bekommen nd dass Gemeinschaftsinstitutionen geschwächt weren. Auch an dieser Stelle sehe ich keinen substanziellen rfolg, der mit dem Namen dieser Regierung verbunden t. Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Zum Schluss möchte ich auf die Merkel’sche Me ode der Beliebigkeit nochmals zu sprechen kommen. ie lehnen erst einmal alles brüsk ab. Sie legen sich mit dem Partner an. Dann wird es über den Hinterhof aber och so gemacht, wie Sie es immer abgelehnt haben. Ich in mir sicher: In Ihrem tiefen Inneren sind Sie der Übereugung, dass das der falsche Weg ist. Heute wäre Ihre hance gewesen, deutlich zu machen, dass Sie bereit ind, gemeinsam mit uns einen anderen und besseren eg für die Europäerinnen und Europäer zu suchen und u finden. Leider haben Sie diese Chance nicht ergriffen. Vielen Dank und ein schönes Wochenende. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711816100
Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1711816200


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711816300

Das Wort hat nun Oliver Luksic für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Oliver Luksic (FDP):
Rede ID: ID1711816400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

efinden uns inmitten einer schweren Schuldenkrise.
ir mussten für drei Euro-Länder Rettungspakete

chnüren. Wir mussten Hilfe zur Selbsthilfe leisten, weil
uropäische Regeln nicht durchgesetzt werden konnten
der sich Länder nicht an Regeln gehalten haben. Wir
aben also nicht zu wenig Europa, sondern brauchen ein
tärkeres Europa. Wir brauchen einen stärkeren Stabili-
tspakt. Wir müssen die Gemeinschaftsinstitutionen

tärken. Denn nur ein starkes Europa kann künftig Kri-
en verhindern.

Vor allem müssen die Mitgliedstaaten der Verantwor-
ng nachkommen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhö-

en. Das ist Aufgabe der Mitgliedstaaten. Im Falle Grie-
henlands heißt das, dass die Versprechungen nach den
rfolgreichen Abstimmungen im Parlament auch umge-
etzt werden müssen. Das gilt insbesondere im Hinblick
uf die Privatisierung. Ich möchte hier auch ausdrück-
ch den griechischen Premierminister Papandreou lo-
en, der mit der parlamentarischen Zustimmung zu
eiteren Reformen den ungeordneten Staatsbankrott
riechenlands verhindert hat. Damit wurden Deutsch-
nd und auch Europa vor einer schweren Krise bewahrt.
as verdient unseren Respekt und unsere Anerkennung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir ziehen zwei Schlussfolgerungen aus der Staats-
chuldenkrise. Wir brauchen ein stärkeres Europa. Ret-





Oliver Luksic


(A) )


)(B)

tungspakete darf es nur in äußersten Notfällen, also als
Ultima Ratio, geben. Sie dürfen nicht zum Dauerzustand
werden, sie erkaufen nämlich nur Zeit, um die Ursachen
der Probleme anzugehen. Dafür ist in der Tat entschei-
dend, dass die Haushalts- und Wirtschaftspolitik in
Europa schon früher überwacht und, wenn nötig, korri-
giert wird.

Um dies zu erreichen, hat die Kommission sechs Ge-
setzgebungsvorschläge zur Stärkung des Stabilitätspak-
tes und zur makroökonomischen Überwachung vorge-
legt. Die FDP-Bundestagsfraktion ist überzeugt, dass die
Rehn-Vorschläge in die richtige Richtung gehen. Jetzt
geht es darum, auf europäischer Ebene einen Kompro-
miss zu finden, damit es nicht mehr zu Rettungspaketen
kommen muss; denn klar ist: Je länger die Politik in die
falsche Richtung läuft, je länger Reformen verschlafen
und je länger zu hohe Schulden gemacht werden, desto
teurer wird es am Ende.

Um eine wirksame Prävention zu erreichen, müssen
die Gemeinschaftsinstitutionen gestärkt werden. Die
Sanktionierung von Fehlverhalten muss weitestgehend
entpolitisiert werden, also aus der Hand der Mitglied-
staaten genommen werden; denn sonst bleiben die Täter
ihre eigenen Wächter. Der Kompromiss von Deauville
darf nicht das letzte Wort bleiben. Wir brauchen weitge-
hend automatisierte und weiter als bisher gehende in
Brüssel verhandelte Sanktionen


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das hat die Bundesregierung abgelehnt!)


gegen die Staaten, die gegen den Stabilitätspakt versto-
ßen. Wir brauchen einen neuen Stabilitätspakt. Ich setze
darauf, dass das Europäische Parlament einiges in diese
Richtung durchsetzen wird.

Noch wichtiger als die institutionellen Verfahren in
Brüssel sind strukturelle Reformen in den Mitgliedstaa-
ten. Die geforderte vernünftige makroökonomische Ko-
ordinierung besteht gerade darin, die Wettbewerbsfähig-
keit aller Mitgliedstaaten zu stärken. Ich kann nur
wiederholen, was Frau Kudla gesagt hat: Deutschlands
Leistungsbilanzüberschüsse sind nicht schuld an den De-
fiziten anderer Mitgliedstaaten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711816500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegin Sarrazin?


Oliver Luksic (FDP):
Rede ID: ID1711816600

Bitte schön.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1711816700

Lieber Herr Kollege Luksic, ist die FDP-Bundestags-

fraktion dafür, dass sich die Liberalen im Europaparla-
ment mit ihrer Forderung nach einer umgekehrten Mehr-
heit zur Einleitung des Verfahrens im präventiven Arm
des Stabilitätspakts durchsetzen? Wenn Sie einen Kom-
promiss eingehen wollen, dann kann ich Ihnen sagen: Es
gibt in Europa keinen mehr, der gegen diese Position ist,
außer der von Ihnen getragene Bundesregierung. Deswe-

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(C (D en sagen Sie doch einfach: Teilen Sie die Position oder icht? Lieber Kollege Sarrazin, wir teilen diese Position. ir setzen auf das Europäische Parlament, dass diese ichtige Forderung nicht nur im reaktiven, sondern auch o weit wie möglich im präventiven Arm durchgesetzt ird. Es freut mich, dass Sie sich in dieser Sache so engaieren. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herzlichen Dank, Herr Kollege!)

Oliver Luksic (FDP):
Rede ID: ID1711816800

h hätte mir Ihr Engagement auch bei der Enthaltung
um Euro-Rettungsschirm gewünscht. In dieser wichti-
en Stunde haben Sie sich leider enthalten.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie teilen die Position, die die Bundesregierung gerade weghaut! Das ist erstaunlich!)


as war daneben.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Ihr Problem mit Leistungsbilanzüberschüssen ist,
ass Sie eine staatsfixierte Weltsicht zugrunde legen. Es
t nicht die Bundesregierung oder der Staat, der festlegt,
elches Modell wir haben, sondern es sind Unterneh-
en, Arbeitnehmer und Konsumenten in Deutschland,

ie über unsere Wirtschaftsstruktur entscheiden. In die-
er Hinsicht haben Sie leider ein grundsätzliches Pro-
lem in Ihrem Verständnis. 2010 gingen gerade einmal
,6 Prozent unseres Exports nach Griechenland. Das
roblem in Griechenland wäre nicht gelöst, wenn statt
eutschen italienische, russische oder chinesische Pro-
ukte importiert würden.

Der symmetrische Ansatz, den Sie fordern, hilft bei
er Bewältigung der Problemursachen nicht. Er lindert
icht einmal die Symptome.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist übrigens von Kommissar Rehn! Der ist kein Grüner!)


nser asymmetrischer Ansatz bedeutet, dass wir uns an
en Besten in der Welt und nicht an den Schwächsten in
uropa orientieren. Kurzum: Ihre Forderung nach einem
ymmetrischen Ansatz in der wirtschaftspolitischen Ko-
rdinierung bedeutet, Leistungsbilanzüberschüsse abzu-
auen – da sind Sie sich, von den Grünen bis zur Links-
artei, einig –, aber ich kann Ihnen sagen: Ein Programm
um Abbau deutscher Exporte und damit zum Abbau
eutscher Arbeitsplätze wird unsere Koalition nicht mit-
achen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Im Antrag der Grünen heißt es:

Europa ist kein Durchboxen von Mindermeinun-
gen.





Oliver Luksic


(A) )


)(B)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, die Bun-
desregierung hat die Beteiligung privater Gläubiger im
ESM-Vertrag verankert.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das mit der umgekehrten Mehrheit, Herr Kollege Luksic, das verhindern nur Sie!)


Die CACs kommen. Auch beim Thema der Beteiligung
privater Gläubiger an einem weiteren Griechenlandpaket
gibt es Bewegung. Nach Ihrem Antrag hätten wir das zu-
gunsten der Mehrheitsmeinung aufgeben müssen. Es ist
gut, dass die Bundesregierung die Minderheitenmeinung
in Europa durchgesetzt hat. Das ist gut für Deutschland
und für den Euro-Raum.

Wenn Sie am Verhandlungstisch säßen, würden Sie
den Krisenländern die notwendigen Reformen ersparen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schwächen den Stabilitätspakt!)


Eine Einsetzung von Euro-Bonds bedeutet, Geld zu ver-
leihen, ohne die notwendigen Anpassungsprogramme zu
berücksichtigen. Das hilft weder beim Schuldenabbau
noch beim Thema Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Wir setzen auf Fordern und Fördern, auf Hilfe zur
Selbsthilfe.

Es geht eben nicht, wie Sie es suggerieren, um deut-
sche Interessen, sondern es geht um die richtigen ord-
nungspolitischen Regeln für Europa und für einen stabi-
len Euro. Deswegen wollen wir die EU und den
Stabilitätspakt jetzt stärken. Wir wollen mehr und nicht
weniger Kontrolle durch die Europäische Kommission
und das Europäische Parlament. Die Mitgliedstaaten
müssen notwendige Reformen umsetzen, statt auf Brüs-
sel zu verweisen.

Ihr Ansatz wäre nicht im deutschen Interesse und
schlecht für Europa. Es ist gut, dass die Bundesregierung
ihre Position offensiv einbringt und durchsetzt, wie beim
Thema Gläubigerbeteiligung. Die Gestaltungskraft der
Grünen haben wir bei Ihrer Enthaltung zum Rettungs-
schirm leider vor Augen geführt bekommen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711816900

Das Wort hat nun Michael Schlecht für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711817000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht

schlecht um Europa,


(Oliver Luksic [FDP]: Was der Herr Schlecht so sagt!)


solange die beiden Fraktionen des Deutschen Bundesta-
ges, die die Regierung bilden, die Mehrheit haben; denn
Sie haben Ansichten, die auf die Zerstörung des euro-
päischen Integrationsprozesses hinauslaufen.


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(C (D (Oliver Luksic [FDP]: Das sagt gerade die Linke! Also wirklich! Immer gegen Europa! Auch gegen Lissabon!)


Ich erkläre Ihnen das. Bleiben Sie doch ganz ruhig. Sie
önnen etwas lernen, wenn Sie hier zuhören.


(Oliver Luksic [FDP]: Das glaube ich nicht!)


Ihre Position, die Sie hier jetzt mehrfach vorgetragen
aben, ist, dass die Außenhandelsungleichgewichte, die
eistungsbilanzüberschüsse, überhaupt kein Problem
ind und dass dies eine vermeintliche Stärke Deutsch-
nds ist. Das ist ein großer Irrtum. In diesem Punkt be-

teht eine große Differenz.

Wenn man alle Außenhandelsüberschüsse Deutsch-
nds der letzten zehn Jahren aufaddiert – es hat ja im-
er Überschüsse gegeben –, dann erhält man eine
umme in der Größenordnung von 1,2 Billionen Euro.
iese 1,2 Billionen Euro Außenhandelsüberschuss sind
nd waren nur möglich, weil es auf der anderen Seite
änder gibt, die Außenhandelsdefizite in entsprechender
rößenordnung haben, das heißt im Klartext, sich ver-

chulden mussten. Da Deutschland gut 60 Prozent seines
ußenhandels mit seinen europäischen Partnerländern
etreibt, ist klar, dass sich die Außenhandelsüberschüsse
eutschlands vor allen Dingen in einer zunehmenden
erschuldung dieser Länder widerspiegeln. Der Über-
chuss in Deutschland findet sich also spiegelbildlich in
ieser Verschuldung wieder. Insofern muss die Verschul-
ung in diesen Ländern – sei es in Griechenland, Portu-
al oder wo auch immer – immer in einem inneren
usammenhang mit der deutschen Wirtschaftspolitik ge-
ehen werden. Es kommt also gerade hier von Deutsch-
nd aus zu einer Verschärfung dieses Problems.

Die spannende Frage ist natürlich, warum es diesen
ußenhandelsüberschuss überhaupt gibt. Der zentrale
dikator für die internationale Wettbewerbsfähigkeit
Frau Kudla, ein paar Indikatoren haben Sie ja aufge-
hrt –, nämlich die Lohnstückkosten, hat mir bei der
etrachtung hier bisher gefehlt. Die Produktivitätsent-
icklung und die Lohnentwicklung werden quasi in die-

em Indikator zusammengefasst.


(Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Die wollen Sie erhöhen?)


en Außenhandelsüberschuss gibt es, weil die Lohn-
tückkosten in Deutschland in den letzten zehn Jahren
erade einmal um 6 Prozent gestiegen sind, während sie
allen anderen europäischen Ländern um 20 bis 30 Pro-

ent gestiegen sind.

Hier in Deutschland haben die Unternehmer also
urch diese sehr schwache Steigerung der Lohnstück-
osten einen ganz dramatischen Wettbewerbsvorteil ge-
abt.


(Oliver Luksic [FDP]: Sie sind doch immer noch höher als in Portugal!)


ie Ursache dafür liegt darin – das ist eigentlich der
rößte Skandal, den man benennen kann –, dass die
eallöhne in Deutschland in den letzten zehn Jahren um





Michael Schlecht


(A) )


)(B)

4,5 Prozent gesunken sind. Das ist der zentrale Skandal,
der hier zu einer massiven Ungerechtigkeit geführt hat.


(Beifall bei der LINKEN – Oliver Luksic [FDP]: Das ist doch die Angleichung, die Sie wollen!)


Dieser Skandal führte eben auch dazu, dass sich die
anderen Länder aufgrund dieser – ich sage es einmal so –
ungeordneten Wettbewerbsvorteile und vor allem der
Schwächung der Binnennachfrage hier am Ende massiv
verschuldet haben. Das Lohndumping in Deutschland ist
nicht nur dadurch bedingt, weil es keinen Mindestlohn
gibt, sondern vor allen Dingen durch die Agenda 2010,
durch den Lohndumpingmechanismus in Form von Befris-
tung, Leiharbeit, Minijobs und dem Arbeitslosengeld II,
also Hartz IV. Das ist sozusagen die Ursache für diesen
Prozess. Dafür trägt Rot-Grün große Verantwortung. Das
sind die entscheidenden Ursachen für die jetzige Situa-
tion.

Eines muss man ganz klar sagen: Wenn Europa geret-
tet werden soll, dann brauchen wir in Deutschland eine
Umkehr dieser Entwicklung. Wir müssen wieder hin zu
einer ganz anderen Lohnentwicklung kommen. Dies er-
reichen wir nur, wenn die Agenda 2010 stückchenweise
auf eine vernünftige Ordnung am Arbeitsmarkt zurück-
geführt wird.

Es gibt ferner die Möglichkeit, dass es durch Stärkung
der Binnennachfrage mehr Importe gibt. Dann gibt es
auch die Möglichkeit, dass sich ein Teil der Exportwirt-
schaft eher auf binnenländische Verwendungen konzen-
triert. Damit lässt sich der Exportüberschuss abbauen.
Dadurch ist es möglich, dass die anderen Länder nicht
mehr wie noch heute in die Verschuldung getrieben wer-
den. Am Ende fragt man sich dann, wie das alles passie-
ren konnte.

Ich danke Ihnen vielmals.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711817100

Nun hat Karl Holmeier für die CDU/CSU das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Karl Holmeier (CSU):
Rede ID: ID1711817200

Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mit dem hier zur Debatte stehenden Antrag haben sich
die Grünen endgültig als politisch verantwortungsbe-
wusster Partner disqualifiziert.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte? – Zurufe von der SPD: Oh!)


Es würde schlecht um Europa stehen, Herr Schlecht,
wenn die Linken in unserem Parlament das Sagen hät-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Franz Josef Jung [CDU/ CSU]: Nicht nur hier im Parlament!)


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(C (D Europa braucht ein starkes Deutschland. Das wird in er aktuellen Situation bei der Rettung finanziell angechlagener Mitgliedstaaten der Europäischen Union eutlicher denn je. Gott sei Dank hat Europa ein starkes eutschland. Durch die erfolgreiche Arbeit der christch-liberalen Koalition ist Deutschland vom Bremsklotz ur Lokomotive in Europa geworden. Ich wiederhole: om Bremsklotz zur Lokomotive. (Beifall bei der CDU/CSU – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Wer glaubt Ihnen denn das? – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welcher Welt leben Sie eigentlich?)


Diese Stärke ist aber keineswegs eine Selbstverständ-
chkeit. Deutschland ist deswegen wirtschaftlich so leis-
ngsfähig, weil es verantwortungsbewusst und erfolg-
ich regiert wurde und weiter regiert wird, weil
eutschland innovative und erfolgreiche Unternehmen
at und weil wir tüchtige und fleißige Arbeitnehmerin-
en und Arbeitnehmer in unserem Land haben. Nur des-
alb sind wir heute eine echte Stütze im gesamten euro-
äischen Währungsraum.

Wer sich wie Grüne und Linke in dieser Situation hin-
tellt und uns erklären will, dass wir auf europäischer
bene wirtschaftlich erfolgreich agierende Staaten be-
trafen sollen, der schwächt Deutschland und unter-
chreibt damit das Todesurteil für den Euro und die
uropäische Union.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schwächen doch den Stabilitätspakt!)


ielleicht will das der eine oder andere von Ihnen sogar.
etztlich waren es doch die Grünen und die SPD, die
004 den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht
aben.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie weichen ihn doch gerade auf!)


Die christlich-liberale Koalition hingegen hat das
iel, den Euro als dauerhafte und zuverlässige Währung
eltweit zu etablieren.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Weltweit! Oho!)


ir wollen mit verantwortungsbewusster Politik die
irtschaftliche Säule der Währungsunion stärken, um
egen künftige Krisen besser gerüstet zu sein.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt geht es los!)


ir wollen die Wettbewerbsfähigkeit in der gesamten
nion verbessern. Hierin sind wir uns mit unseren euro-
äischen Partnern im Übrigen einig. Das scheint an den
rünen jedoch vorbeigegangen zu sein. Vom Platzenlas-

en irgendwelcher Kompromisse kann daher keine Rede
ein.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung!)






Karl Holmeier


(A) )


)(B)

Es ist geradezu eine Unverschämtheit, der Bundesre-
gierung vorzuwerfen, sie wolle die Stärkung des Stabili-
täts- und Wachstumspaktes verhindern.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade das machen Sie doch!)


Lesen Sie die Schlussfolgerungen des Europäischen Ra-
tes von letzter Woche. Darin steht eindeutig, dass alle
Mitgliedstaaten fest entschlossen sind, alles Erforderli-
che zu tun, um den Stabilitäts- und Wachstumspakt un-
eingeschränkt umzusetzen.

Dabei ist Deutschland übrigens zum Teil bereits über
seinen Schatten gesprungen, um mit den anderen Mit-
gliedstaaten zu einer einvernehmlichen Lösung zu kom-
men; denn auch wir würden eigentlich gern bereits im
präventiven Bereich die sogenannte umgekehrte Abstim-
mung einführen, um einen Automatismus für Warnun-
gen und Sanktionen zu ermöglichen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen andere Länder auch!)


In einer Europäischen Union mit 27 Mitgliedstaaten
kann man seine Vorstellungen aber nicht immer voll
durchsetzen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das sagen wir ja auch!)


Ich denke außerdem, wir sollten uns nicht zu stark auf
die umgekehrte Abstimmung im präventiven Arm ver-
steifen. Die Realität zeigt, dass solche Maßnahmen in
der Praxis weit weniger Bedeutung haben als zunächst
angenommen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Holmeier, Sie blockieren genau das!)


So befinden sich heute bereits 24 der 27 Mitgliedstaaten
in einem Defizitverfahren. Hier konnte die Hürde auch
ohne den Automatismus genommen werden.

Außerdem ist das Kompromissangebot zur Aufnahme
einer Überprüfungsklausel, das die europäischen Finanz-
minister dem Europäischen Parlament gegenüber in die-
ser Sache gemacht haben, ein faires Angebot, um auch
hier zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das findet Ihr Koalitionspartner übrigens lächerlich!)


Weit wichtiger als die Durchsetzung der umgekehrten
Mehrheit erscheint mir, im Rahmen der makroökonomi-
schen Ungleichgewichte nicht Länder wie Deutschland
ins Visier zu nehmen, die erfolgreich sind und sogar
Leistungsbilanzüberschüsse zu verzeichnen haben. Eine
Bestrafung dieser Länder wäre für die gesamte Euro-
päische Union absolut kontraproduktiv. Das habe ich
eingangs bereits klargemacht.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will auch keiner!)


Hierin sind sich die Staats- und Regierungschef sowie
die EU-Finanzminister auch einig. Ich würde mich

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(C (D euen, wenn sich diese Erkenntnis auch bei den Opposionsfraktionen in unserem Parlament durchsetzen ürde. Zum Lernen ist es bekanntlich nie zu spät. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der raktion Bündnis 90/Die Grünen zu den Legislativvorchlägen der Europäischen Kommission zur wirtschaftsolitischen Steuerung in der EU mit dem Titel „Bundesgierung muss unverzüglich europäisch gestalten“. Wer timmt für den Antrag auf Drucksache 17/6316? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit en Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen und der inken gegen die Stimmen der Grünen bei Stimmenthalng der SPD abgelehnt. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des aushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die inke zu mehreren EU-Vorlagen zur haushaltsund wirtchaftspolitischen Überwachung der Mitgliedstaaten. er Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung uf Drucksache 17/6168, den Antrag der Fraktion Die inke auf Drucksache 17/5904 abzulehnen. Wer stimmt r diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – nthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den timmen der vier übrigen Fraktionen bei Ablehnung der inken angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft nd Technologie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke u Verordnungsvorschlägen des Europäischen Parlaents und des Rates betreffend die Korrektur bzw. die ermeidung übermäßiger makroökonomischer Unleichgewichte. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Bechlussempfehlung auf Drucksache 17/6175, den Antrag er Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/5905 abzuhnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss mpfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, DP und Grünen gegen die Stimmen der Linken angeommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 20 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Einschränkung des Versammlungsrechts durch Massenfunkzellenabfrage Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen ichael Leutert, Fraktion Die Linke, das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 9. Februar dieses Jahres war ich in Dresden. Dort urde an diesem Tag von vielen Tausenden Bürgerinnen nd Bürgern aus Initiativen, Vereinen, Verbänden, Parien, kirchlichen Gruppierungen und Gewerkschaften Michael Leutert )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1711817300

(Beifall bei der LINKEN)

Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711817400




(A) )

der größte Naziaufmarsch Europas zum wiederholten
Male verhindert.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist eine zivilgesellschaftliche Leistung, auf die wir
alle stolz sein sollten.


(Beifall bei der LINKEN)


Leider wurde an diesem Tag nicht nur der größte Na-
ziaufmarsch Europas verhindert; die Polizei hat auch
eine der größten Datenabfragen gegenüber den Bürge-
rinnen und Bürgern Dresdens gestartet. Fast 1 Million
Handydaten von 330 000 Bürgerinnen und Bürgern
– das sind ungefähr 10 Prozent der gesamten sächsi-
schen Bevölkerung und zwei Drittel der Dresdnerinnen
und Dresdner – wurden erhoben. Dabei spielte es keine
Rolle, wer erfasst wurde. Es wurden Unbeteiligte erfasst.
Es wurden Demonstranten, Anwälte, Journalisten, Ärzte
sowie Mitglieder der Landtage und des Bundestags er-
fasst.

Diese Vorgehensweise bei der Erhebung der Daten-
sätze durch die Funkzellenabfrage ist ein klar rechtswid-
riger Akt, und zwar aus zwei Gründen. Der erste Grund
ist: Eine Funkzellenabfrage ist in gewissem Sinne eine
digitale Rasterfahndung. Die digitale Rasterfahndung ist
deshalb hochproblematisch, weil sie in bestimmte
Grundrechte – ich nenne nur die Unschuldsvermutung
als Beispiel – eingreift. Sie ist daher nur bei schwersten
Verbrechen vorgesehen – dies hat der Gesetzgeber klar
definiert –: bei Mord, Totschlag, Kinderpornografie,
Hochverrat oder Terrorismus. Ich frage Sie, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen: Was haben friedliche Proteste ge-
gen Nazis mit diesen Kriterien zu tun? Was hier passiert
ist, ist nichts anderes als eine beispiellose Kriminalisie-
rung antifaschistischen Engagements.


(Beifall bei der LINKEN)


Die zweite Rechtswidrigkeit, die hier begangen
wurde, ist: Wir wissen mittlerweile, dass die Funkzellen-
abfrage schon am 18. Februar begonnen wurde, sozusa-
gen präventiv eingesetzt wurde. Das ist wiederum ein
klarer Rechtsbruch. Wir wissen mittlerweile auch, dass
Gespräche abgehört und SMS mitgelesen wurden.

Wir befassen uns heute im Bundestag damit, weil es
sich nicht um eine rein sächsische Angelegenheit han-
delt, sondern weil die Ursachen auch auf Bundesebene
zu suchen sind. Ich möchte daran erinnern, dass auf Bun-
desebene seit Jahren ein gesellschaftliches Klima ge-
schaffen wurde, das mit dafür sorgt, dass antifaschisti-
sches Engagement in unserer Gesellschaft kriminalisiert
wird.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das ist aberwitzig! – Günter Baumann [CDU/CSU]: Unverschämt!)


– Hören Sie mir bitte zu! Dann werden Sie es vielleicht
verstehen.

Es gibt seit einiger Zeit die sogenannte Extremismus-
klausel; diese haben Sie durchgesetzt. Das heißt, jede
Initiative, die vom Bund Fördergelder für Aktionen ge-

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(C (D en rechts haben möchte, muss unterschreiben, dass sie uf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundrdnung steht. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Und damit haben Sie Probleme?)


Nein. Das setzt aber die Vermutung voraus, dass Initia-
ven gegen Nazis nicht auf dem Boden der freiheitlich-
emokratischen Grundordnung stehen könnten. Bis zur
riminalisierung ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihnen allen liegt der neue Verfassungsschutzbericht
or. Wenn Sie ihn genau lesen, stellen Sie fest, dass ins-
esondere in Ostdeutschland die Zahl der Straftaten und
er Organisationsgrad der Nazis zunehmen. Wenn wir
rnsthaft etwas dagegen tun wollen, müssen wir das anti-
schistische Engagement in unserer Gesellschaft als Be-

tandteil ebendieser Gesellschaft stärken. Daher darf es
rstens keine weiteren Mittelkürzungen in diesem Be-
ich geben. Zweitens muss klargestellt werden, dass
strumente zur Terrorismusbekämpfung nicht gegen zi-

ilgesellschaftliches Engagement eingesetzt werden dür-
n.


(Beifall bei der LINKEN)


as wäre denn der nächste Schritt, wenn solche Instru-
ente gegen Antifa-Demonstranten eingesetzt würden?
rittens hoffe ich, dass sich nach den Vorfällen in Sach-

en ab sofort die öffentliche Debatte über die Vorratsda-
nspeicherung erledigt hat.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Helmut Brandt [CDU/ CSU]: Das könnte Ihnen so passen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711817500

Das Wort hat der Kollege Clemens Binninger für die

nionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Aber jetzt mit Verstand, Herr Binninger, wie immer!)



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1711817600

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! An meinen Vorredner gerichtet: Angesichts der Er-
ignisse, die wir neben der friedlichen Großdemonstra-
on, die in der Tat beachtens- und unterstützenswert war,
n diesem Tag in Dresden ebenfalls erleben mussten,
ätten Sie wenigstens einen Satz zu den vielen verletzten
olizisten verlieren und die Randale verurteilen müssen;


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie meinen die Übergriffe der Polizei!)


as wäre notwendig gewesen. Aber Fehlanzeige an die-
er Stelle, wie immer!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Leutert [DIE LINKE]: Damit wurde zur DDR-Zeit der Unterdrückungsapparat auch gerechtfertigt!)






Clemens Binninger


(A) )


)(B)

Heute hat der Bundesinnenminister den Verfassungs-
schutzbericht 2010 vorgestellt. Eine der zentralen Aussa-
gen dieses Berichtes lautet: Die Gewaltbereitschaft von
Rechtsextremisten und Linksextremisten nimmt in ei-
nem besorgniserregenden Maße zu.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist eine Verharmlosung der Nazigewalt!)


Es gibt kaum noch Hemmungen, Gewalt auszuüben. Wir
stehen am Beginn einer möglicherweise verhängnisvol-
len Gewaltspirale.

Der 19. Februar 2011 in Dresden war, abgesehen von
der friedlichen Großdemonstration, die zu Recht unsere
Unterstützung verdient, leider ein Tag, der diese These
belegt hat.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Zum Thema!)


Dieser Tag wurde von einigen Chaoten bedauerlicher-
weise zu einer Gewaltorgie umfunktioniert: Steinwürfe,
brennende Barrikaden, mehr als 100 verletzte Polizeibe-
amte, über 600 Straftaten, mehr als 23 Fälle schweren
Landfriedensbruchs.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Wo die Polizei noch nicht eine Anzeige gemacht hat! Absurd ist das!)


Da hat in Dresden eine kleine Minderheit mit ihrer Ge-
waltbereitschaft das gute Anliegen einer großen Mehr-
heit diskreditiert und für eine Gewaltorgie gesorgt. Das
müssten wir genauso verurteilen. Diesbezüglich war bei
Ihnen an dieser Stelle aber Fehlanzeige.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Kipping [DIE LINKE]: Trotzdem noch Handygate!)


Die mehr als 600 Straftaten, die größtenteils ver-
mummt begangen wurden, müssen jetzt von der Polizei
und der Staatsanwaltschaft aufgeklärt werden. Polizei
und Staatsanwaltschaft in Dresden haben sich dazu einer
Ermittlungsmethode bedient, die wir mit der großen
Mehrheit dieses Hauses in § 100 g Strafprozessordnung
beschlossen haben. Es handelt sich also um geltendes
Recht; das muss man an dieser Stelle dazusagen.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: So ist das! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Bei Mord, Totschlag, Terrorismus!)


Mit der Funkzellenauswertung ist es möglich, festzu-
stellen, wessen Handy zur Tatzeit am Tatort war. Diese
Maßnahme wurde angewandt.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Aber nur erlaubt bei schweren Straftaten!)


Sie ist bei erheblichen Straftaten zulässig. Ein besonders
schwerer Fall des Landfriedensbruchs ist eine erhebliche
Straftat.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Nein! Wer sagt das?)


Das ist überhaupt keine Frage. Dies ist eine zulässige Er-
mittlungsmethode.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Sie wurde übrigens genau so durchgeführt, wie es das esetz vorsieht: (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein, nein! Das ist das Problem!)


uf Antrag der Staatsanwaltschaft, angeordnet von ei-
em Richter. Jetzt wird versucht, diese Maßnahme zu
kandalisieren.


(Lachen und Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Binninger, der Polizeipräsident ist zurückgetreten!)


An die Adresse der Linken: Wenn Sie mit unserer
trafprozessordnung ein Problem haben, dann sagen Sie
s einfach. Aber versuchen Sie nicht, irgendetwas vorzu-
uschen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zu indifferent!)


Jetzt stürzt man sich auf die unbestreitbar große Zahl
er dabei gewonnenen Handydaten, der Telefonnum-
ern; man erhält weder Inhalte noch Informationen über

ie Anschlussinhaber. Einige Tausend Daten wurden so
eneriert.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Millionen!)


arauf stürzt man sich jetzt.

Man muss sich fragen: Ist das in der Strafprozessord-
ung vorgesehen oder nicht?


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist nicht vorgesehen!)


h sage Ihnen deutlich: Dieses Vorgehen ist nicht ausge-
chlossen. Die Menge dieser Daten ergibt sich allein aus
em Tatort, aus der Tatzeit und aus der Anzahl der anwe-
enden Personen.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Warum entlassen Sie dann den Polizeipräsidenten in Dresden? – Zuruf des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Kollege Montag, wenn man eine solche Maß-
ahme in einer Großstadt zur Tageszeit am Rande einer
roßveranstaltung durchführt, dann ist es fast zwangs-
ufig, dass mehr Daten generiert werden, als wenn man
ie gleiche Maßnahme zur Nachtzeit in einem Industrie-
ebiet durchführt.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie wollen wohl die totale Überwachung!)


Jetzt wird gesagt: Das Vorgehen war nicht verhältnis-
äßig. Das mag eine Rechtsfrage sein. Tatsache ist:
iese Maßnahme wurde so durchgeführt, wie es in der
trafprozessordnung vorgesehen ist. Es gibt keinen
rund, sie zu skandalisieren. Wenn Sie diese Maßnahme

ls solche ablehnen, da Sie sie aus rechtspolitischen
ründen nicht wollen, etwa weil Sie gegen den § 100 g
er Strafprozessordnung sind, dann muss man entspre-





Clemens Binninger


(A) )


)(B)

chende Vorlagen einbringen. Aber die Durchführung
dieser Maßnahme nach Antrag der Staatsanwaltschaft
und nach Genehmigung durch einen Richter ist kein
Grund, sie zu skandalisieren.

Karin Schlottmann schreibt heute in der Sächsischen
Zeitung sinngemäß, was die Bewertung der gesamten
Debatte angeht, sehr treffend: Ein Teil der Kritiker hat
offensichtlich zu wenig Wissen über die Rechtslage und
die Möglichkeiten, die Polizei und Justiz haben,


(Lachen und Widerspruch bei der LINKEN)


und der andere Teil der Kritiker versucht, diesen Anlass
zu skandalisieren, ihn zu benutzen. Beides ist nicht zu-
lässig. Sie, meine Damen und Herren von den Linken,
gehören zu beiden Teilen. Stellen Sie Ihre Versuche ein!
Es glaubt Ihnen sowieso niemand.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Katja Kipping [DIE LINKE]: Eine „Sternstunde“ für die Bürgerrechte!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711817700

Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1711817800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich
weiß nicht, wer von Ihnen sich noch daran erinnern
kann, wo er am 19. Februar 2011 war. Es war ein Sams-
tag, es war ziemlich kalt, und ich war wie einige andere
hier im Saal in Dresden und habe friedlich gegen Neo-
nazis demonstriert. Ich gebe zu: Ich habe mich wie eine
gute Demokratin gefühlt. Ich habe mein Demonstra-
tionsrecht wahrgenommen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Ich habe mich Verfassungsfeinden in den Weg gestellt,
Menschen, die anderen Menschen ihr Lebensrecht aber-
kennen und eine Ideologie vertreten, die ich nur als auf
die Straße bringend empfinden kann. Wenn Nazis auf die
Straße gehen, dann gehe ich auch. Da waren noch
10 000 und mehr Menschen, die das genauso gemacht
haben, zumeist friedlich: MdBs, MdLs, Anwälte, Jour-
nalisten, Touristen und auch Menschen, die in Dresden
leben.

Wo genau in Dresden ich mich aufgehalten habe, er-
frage ich gerade bei der Dresdner Polizei;


(Beifall bei der LINKEN)


denn jetzt, vier Monate später, erfahren wir: Im Nach-
gang zu dieser Demonstration sind in zwei Schritten
1 Million Daten erfasst worden, Handydaten: Wer war
wann wo eingeloggt?


(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Aber mehr nicht!)






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(C (D Wer“ meint die Telefonnummer. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nur die Telefonnummer!)


Das ist richtig, die Telefonnummer.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nicht mehr!)


Ich gebe zu: Dieses Vorgehen erzeugt bei mir wirklich
ine ganz massive Gänsehaut.


(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Lassen Sie Ihr Handy zu Hause!)


Sie sagen: Lassen Sie Ihr Handy zu Hause! Überprüfen
ie bitte Ihr Verhältnis zum Grundgesetz und zu Grund-
chten wie dem Demonstrationsrecht!


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


s kann ja wohl nicht wahr sein, dass ich mein Demon-
trationsrecht wahrnehme und indirekt ins Visier der
olizei gerate. Bei mir stellt sich das Gefühl ein: Ich
erde hier kriminalisiert. Im Zusammenhang mit der
emonstration am 19. Februar in Dresden hatte ich das
efühl auch schon vorher.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Reden wir über Gefühle oder über Tatsachen?)


a wurde öffentlich durchaus kritisch gegenüber denen
iskutiert, die friedlich gegen Nazis demonstrieren woll-
n.

Ja, es ist nicht wegzudiskutieren: Von den Gegende-
onstrationen ist erhebliche Gewalt ausgegangen,


(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Eben! Darum geht es doch!)


uch schwerer Landfriedensbruch.


(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Nur darum geht es! – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Was sind Ihre Vorschläge, wie man damit umgeht?)


ie Polizei muss da ermitteln. Allerdings hätte ich mir
ewünscht, dass die Polizei schon vor Ort hätte ermitteln
önnen. Ich habe leider nicht die Zeit, zur Polizeitaktik
u sprechen,


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Haben Sie Anzeigen erstattet? Auch nicht! Auch keine Zeit dazu gehabt!)


ie ich nicht den Polizeibeamten vor Ort anlaste.

Eine Möglichkeit – das stimmt – ist der § 100 a StPO.
an kann bei schweren Straftaten eine Funkzellenab-
age machen, um genau diese Daten zu erheben.


(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Ja! Versuchter Totschlag! Landfriedensbruch!)


b schwerer Landfriedensbruch diesen Tatbestand er-
llt,


(Kirsten Lühmann [SPD]: Das ist mindestens problematisch!)






Daniela Kolbe (Leipzig)



(A) )


)(B)

das mögen andere entscheiden; ich bin keine Juristin.
Aber selbst wenn er erfüllt ist, sehe ich zwei Probleme:

Das erste Problem: Die Ergebnisse der Funkzellenab-
frage sind auch in Akten von Menschen aufgetaucht, die
wegen definitiv nicht schwerer Straftaten angezeigt wor-
den sind bzw. gegen die ermittelt worden ist, zum
Beispiel wegen des Verstoßes gegen das Versammlungs-
gesetz. Es ist ein Skandal, dass das in Deutschland vor-
kommt.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Erst dadurch, dass das als rechtswidrig erkannt worden
ist, ist es an die Öffentlichkeit gekommen und zurückge-
nommen worden. Die Gänsehaut bei mir bleibt trotzdem
angesichts dessen, wie der Staat mit Menschen und mit
Daten umgeht.

Das zweite Problem: die Verhältnismäßigkeit. Es gab
einen Bericht des sächsischen Justizministers und des
sächsischen Innenministers an Herrn Tillich. Darin steht
zu den ersten 200 000 Daten, was die Verhältnismäßig-
keit angeht: Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
wurde in besonderem Maße durch die dezidierten zeitli-
chen und räumlichen Einschränkungen im richterlichen
Beschluss Rechnung getragen.

Im Endeffekt sind es jetzt 200 000 plus 800 000 Da-
ten wegen irgendeiner anderen Straftat; wir wissen nicht
genau, weshalb diese Daten erhoben worden sind. Es
sind 1 Million Daten vom 18. und 19. Februar aus ver-
schiedensten Orten der Stadt. Einmal flapsig zusammen-
gefasst: Zwei Tage ist die halbe Stadt Dresden – mit
mehreren Tausend Menschen, die dazugekommen sind –
überwacht worden. Das wird als verhältnismäßig be-
zeichnet. Das kann nur sächsische Verhältnismäßigkeit
sein.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Wir wollen doch die Sachsen nicht beleidigen!)


Ich persönlich glaube, dass hier zwischen der Wahrung
der Persönlichkeitsrechte und der Strafverfolgung
schlecht, wirklich schlecht abgewogen worden ist.

Beides, dass Daten in Akten vorkamen, in die sie
nicht gehören, und diese massive Datensammlung, löst
bei mir einen schalen Nachgeschmack aus. Was jetzt nö-
tig ist, ist Aufklärung. Wir müssen dringend die zahlrei-
chen offenen Fragen aufklären. Das muss im sächsi-
schen Parlament geschehen.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Insbesondere der Landfriedensbruch! – Günter Baumann [CDU/ CSU]: Das ist aber kein Bundesthema, sondern Landtagsthema! – Gegenruf des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


Ich sage Ihnen auch, warum diese Aufklärung nötig
ist. Ich empfinde es so, dass hier das Grundvertrauen
zwischen dem Bürger, der sein Demonstrationsrecht
wahrnimmt, und dem Staat ein Stück weit bröcklig ge-
worden ist. Die Fragen müssen beantwortet werden, da-

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(C (D it ich mein Demonstrationsrecht wieder wahrnehmen nd auch in den Baumarkt gehen kann, ohne mich überacht fühlen zu müssen. Dieses Grundvertrauen würde auch hergestellt, wenn ndlich die politische Verantwortung übernommen ürde. Hier ist der sächsische Innenminister, Herr Ulbig, m Zug. Ich bin gespannt, wann auch er das endlich einieht. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711817900

Das Wort hat die Kollegin Piltz für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1711818000

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass man
ich am späten – oder am frühen, je nachdem – Freitag-
achmittag hier Dinge anhören muss, von denen die
ollegen offensichtlich glauben, dass sie sonst keiner
itbekommt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind auf Phoenix!)


Frau Kolbe, es war schon interessant, was Sie hier ge-
efert haben. Ich stelle fest: Sie bekommen eine Gänse-
aut, wenn Daten gesammelt werden. Dann frage ich
ich, wie Sie eigentlich Mitglied Ihrer Fraktion sein

önnen,


(Zurufe von der SPD und der LINKEN)


enn die Innenminister, die der SPD angehören, und der
nenpolitische Sprecher der SPD ganz großartig erklä-
n, man müsse die Vorratsdatenspeicherung unbedingt
ieder einführen, und zwar für sechs Monate, und mög-
chst viele Daten sammeln.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir müssen Ihnen leider recht geben! – Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


h kann mich nicht erinnern, dass ich Ihre Stimme ge-
ört hätte


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


zw. die Beschreibung des klinischen Zustandes Ihrer
änsehaut. Das habe ich wirklich vermisst.

Es ist auch interessant, wenn Sie sich hier hinstellen
nd sagen: Ob schwerer Landfriedensbruch eine Voraus-
etzung für eine Funkzellenabfrage ist oder nicht, weiß
h nicht. – Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechts-
ndung. Das lernt man im ersten Semester. Es wäre
chön, wenn man dies auch in der ersten Legislatur-
eriode im Parlament lernen würde. Es ist nämlich so.
chönen Gruß vom Gesetz.





Gisela Piltz


(A) )


)(B)


(Kirsten Lühmann [SPD]: Das steht nicht im Gesetz!)


Interessant finde ich auch, dass § 100 g StPO, gegen
den Sie jetzt so viel Gänsehaut entwickeln, auch von der
SPD verabschiedet worden ist.


(Zuruf der Abg. Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD])


Das ist sehr spannend und zeigt, wie Ihr Verhältnis zum
Rechtsstaat wirklich ist. Die Innenminister dürfen die
Vorratsdatenspeicherung fordern, und Sie bekommen
Gänsehaut. Viel Spaß dabei!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ebenfalls erstaunlich ist, dass die Fraktion der Linken
sich hier immer so aufspielt, als sei gerade sie die Hüte-
rin des Rechtsstaates.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Was kommt denn jetzt? – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Wenn man Ihnen zuhört, bemerkt man ganz deutlich,
dass es Ihnen um das Gegenteil geht. Herr Leutert – das
haben Sie sehr deutlich gemacht –: Es ging Ihnen nicht
um das Versammlungsrecht oder um friedliche Demon-
strationen, sondern es ging Ihnen um „die beispiellose
Diskriminierung antifaschistischen Engagements“.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Korrekt! Was haben Sie denn dagegen?)


– Ich habe überhaupt nichts dagegen.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Was regen Sie sich dann so auf?)


Ein Schelm, der nicht auf die Idee kommt, dass Sie
mit dieser Bugwelle, die Sie vor sich herschieben, etwas
vertuschen wollen. Es wäre besser gewesen, Sie hätten
eine Aktuelle Stunde zum Linksextremismus beantragt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


Man könnte auf die Idee kommen, Sie wollten Ihr nicht
geklärtes Verhältnis zum Antisemitismus vertuschen.
Darum geht es Ihnen doch eigentlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Warum klatschen denn die Kollegen von der SPD nicht? – Zurufe von der LINKEN)


Es ist selbstverständlich – ich glaube, da sollte sich
das Hohe Haus einig sein –, dass die Versammlungsfrei-
heit ein hohes Gut in diesem Rechtsstaat ist.


(Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])


– Wissen Sie, nur weil Sie laut schreien, haben Sie nicht
recht.


(Zurufe von der LINKEN)


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(C (D Es ist selbstverständlich, dass sich Vorfälle wie die in resden nicht wiederholen dürfen, Vorfälle – das muss an leider sagen –, bei denen auch rechtswidrig gehan elt worden ist. (Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Das ist doch mal ein wahrer Satz!)


enauso selbstverständlich ist es aber, dass auch De-
onstrationen gegen Nazis keine Rechtfertigung dafür

ieten dürfen, Gewalt anzuwenden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


er diese Position verteidigt, darf hinterher nicht nach
em Schutz der Versammlungsfreiheit schreien. Entwe-
er, oder – beides passt nicht zusammen. Ich wundere
ich, dass Sie in diesem Zusammenhang das Wort

Rechtsstaat“ überhaupt noch in den Mund nehmen.

Zur Sache selbst nur so viel: Der Vorfall – das ist be-
its gesagt worden – muss vom Sächsischen Landtag

nd der sächsischen Landesregierung umfassend aufge-
lärt werden. Das ist Sache der zuständigen Gremien im
ande. Es ist anmaßend, wenn manche Kollegen mei-
en, darüber könnten wir hier entscheiden. Im Übrigen
at der Bundestag nicht die Dienstaufsicht über die
resdner Polizei, und das ist auch gut so.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


s ist gut, dass der Polizeipräsident die Konsequenzen
ezogen hat und zurückgetreten ist. Wir sagen auch, dass
ich ein solcher Vorfall aus unserer Sicht nicht wiederho-
n sollte.

Natürlich hat es Auswirkungen auf die Versamm-
ngsfreiheit, wenn man damit rechnen muss, dass alle
aten ausgewertet werden. Diese mittelbare Einschrän-
ung der Versammlungsfreiheit ist schwerlich hinzuneh-
en; aber wir leben weder in einem Staat, der das er-
ubt, noch in einem Staat, in dem das die Regel ist. Das
t ein extremer und, soweit ich weiß, ein Einzelfall. Es
äre besser, wenn das gar nicht passiert wäre.

Wir werden genau hinschauen, welche Konsequenzen
ir für die StPO ziehen müssen. Die sächsische Landes-
gierung hat eine Initiative im Bundesrat angekündigt.
ir werden prüfen, was notwendig ist. Ich würde mich
euen, wenn wir hier eine sachliche Debatte darüber
hren könnten


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Warum haben Sie das nicht gemacht?)


nd wenn wir dafür einen anderen Anlass als heute hät-
n.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Michael Leutert [DIE LINKE]: Warum haben Sie denn jetzt keine sachlichen Argumente gebracht? – Gegenruf des Abg. Günter Baumann [CDU/CSU]: Weil wir gar nicht zuständig sind! Das ist Landessache! Ganz klar!)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711818100

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der

Kollege Jerzy Montag das Wort.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1711818200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bei dieser Debatte geht es in erster Linie – so hat es die
Linke gewollt, und darauf will ich eingehen – um das
Versammlungsrecht. Deswegen steht diese Frage für
mich im Mittelpunkt und an erster Stelle.

Am 13. Februar dieses Jahres haben Neonazis zu
Hunderten oder gar Tausenden in Dresden demonstriert.
Sie haben dies eine Woche später, am 19. Februar, wie-
derholt. Was wünschen wir Abgeordnete, was wünscht
sich der Deutsche Bundestag in so einer Situation von
den Menschen in unserem Land? Dass sie Zivilcourage
zeigen, dass sie aufstehen, dass sie sich den Neonazis in
den Weg stellen, dass es Demonstrationen gibt. Diese
Demonstrationen hat es gegeben. In Dresden haben viele
Tausende demonstriert. Deswegen will ich mich von die-
ser Stelle aus ausdrücklich bedanken und meine Hoch-
achtung vor all denjenigen ausdrücken, die dort demon-
striert haben.


(Beifall im ganzen Hause)


Ebenso ist völlig klar – auch das muss angesprochen
werden; das dürfen Sie nicht verschweigen oder ver-
schämt im Nebensatz sagen, Kollegen von der Linken –,
dass es an diesem 19. Februar schwere Straftaten gege-
ben hat, auch mit vielen verletzten Polizisten. Ich will
sagen: Das ist für uns nicht hinnehmbar. Ich erkläre
meine Hochachtung auch vor den Polizeibeamten, die
verletzt worden sind.


(Beifall im ganzen Hause)


Diese Straftaten müssen mit den Mitteln des Gesetzes
verfolgt werden.

Was ist aber stattdessen passiert? Es sind an 14 Plät-
zen in Dresden innerhalb bestimmter Zeiträume von der
einen Polizeieinheit fast 140 000 Kommunikationsvor-
gänge und von einer anderen Polizeieinheit, von der des
Landeskriminalamtes, mehrere Hunderttausend Kom-
munikationsvorgänge, zusammen fast 1 Million Kom-
munikationsvorgänge, abgefischt worden. Das sind fast
1 Million Grundrechtsbeeinträchtigungen. Das ist in ei-
nem unglaublichen und monströsen Ausmaß ein Eingriff
in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern, und
zwar nicht nur in das Grundrecht der informationellen
Selbstbestimmung, sondern auch in das Grundrecht der
Versammlungsfreiheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist doch völlig klar: Wenn Bürgerinnen und Bür-
ger, die nichts Unrechtes tun, die nur ihr Grundrecht auf
Demonstrationsfreiheit geltend machen, in einem sol-
chen Ausmaß in polizeiliche Ermittlungen einbezogen
werden und wissen, dass das geschieht, dann beeinträch-
tigt das das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Das
liegt doch absolut auf der Hand.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


eswegen ist es wichtig, dass wir über diese Grund-
chtsverletzungen hier, an dieser Stelle, diskutieren.
as ist keine Landesangelegenheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Die gesetzlichen Vorgaben sind nicht so klar, wie Sie
einen. Die Funkzellenabfrage ist nur erlaubt bei ganz

estimmten Telefonnummern. Es gibt dazu eine Ausnah-
evorschrift. Diese Ausnahmevorschrift ist aber an ganz

nge Voraussetzungen geknüpft. Diese engen Vorausset-
ungen sind im vorliegenden Fall offensichtlich miss-
chtet worden. In die Begründung des Entwurfes eines
esetzes zur Neuregelung der Telekommunikations-
berwachung haben Sie, meine Damen und Herren von
er Union und der SPD, in der letzten Legislaturperiode
Bezug auf § 100 g Strafprozessordnung geschrieben:
enn bei dieser Ausnahmevorschrift der Funkzellenab-
age mit Drittbetroffenheit unzumutbar viele Dritte be-
offen sind, dann muss von dieser Maßnahme Abstand
enommen werden.

Genau das Gegenteil ist in Dresden geschehen. Es ist
icht Abstand genommen worden, obwohl fast 1 Million
ritte betroffen waren. Man hat es sehenden Auges ge-
n. Es ist doch klar, dass man, wenn man in einer gro-
en Stadt am Ort und zum Zeitpunkt einer großen De-
onstration solche Abfragen startet, hundertausendfach

nschuldige, nicht betroffene Dritte in diese Maßnahmen
inbezieht. Deswegen hätte diese Maßnahme unterblei-
en müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Weil das nicht geschehen ist, werden wir uns hier
ach der Sommerpause darüber unterhalten müssen – die
rünen werden dazu Vorschläge machen –, was an der
trafprozessordnung, einem Bundesgesetz, geändert
erden kann und muss, damit sich solche Vorfälle nicht
iederholen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711818300

Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Sensburg für

ie Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1711818400

Herr Kollege Montag, ich möchte Ihnen für die ein-

hrenden Worte zur Zivilcourage der Personen, die in
resden demonstriert und gezeigt haben, dass sie so et-
as, wie es in Dresden geplant war, nicht akzeptieren,
anz herzlich danken. Ich möchte mich auch für die
orte an die Polizei bedanken, die nämlich nicht nur

azu da ist, Straftaten zu verfolgen, sondern auch dazu,
olche Demonstrationen zu ermöglichen, es Menschen
u ermöglichen, von ihrem Demonstrationsrecht Ge-





Dr. Patrick Sensburg


(A) )


)(B)

brauch zu machen. Deswegen ist es, glaube ich, richtig,
hier diese Worte auszusprechen. Dafür herzlichen Dank.

Die juristischen Schlussfolgerungen, die Sie gezogen
haben, kann ich allerdings nicht teilen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade! Richtig schade!)


Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Diese von den Linken
beantragte Aktuelle Stunde zeigt, dass sie eine Täu-
schungstaktik betreiben. Sie probieren, das Versamm-
lungsrecht, das wir schützen und ermöglichen wollen,
mit Straftaten, die es zu verfolgen gilt, zu vermischen.
Wir müssen trennen: Versammlungsrecht auf der einen
Seite und die Straftaten, die die Polizei verfolgen muss
und soll, auf der anderen Seite.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Dann trennen Sie das doch!)


Das sollten Sie nicht zusammenwerfen, sonst wird die
Polizei nicht der Aufgabe gerecht, Demonstrationen zu
ermöglichen.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Sie haben dies doch zusammengeworfen! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Lesen Sie den Satz noch einmal nach!)


Wenn Sie sich Art. 8 des Grundgesetzes einmal an-
schauen, dann werden Sie merken, dass das Versamm-
lungsrecht unter dem Vorbehalt steht, dass die Versamm-
lung friedlich und ohne Waffen stattfindet.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit Handys, Herr Professor Sensburg! Ihr Kollege hat gerufen, man müsse die Handys zu Hause lassen!)


Wenn eine Versammlung nicht friedlich stattfindet, dann
muss das Versammlungsrecht geschützt werden und es
muss möglich sein, dass die Polizei Ermittlungsmaßnah-
men gegen die Straftäter durchführt.


(Zurufe von der LINKEN)


Es haben Ermittlungsmaßnahmen stattgefunden, und
diese waren rechtmäßig.

Ich muss sagen: Ein Abfischen oder ein Phishing
– diesen Eindruck wollten Sie wahrscheinlich mit dem
Wort „Abfischen“ erwecken – hat mit Sicherheit nicht
stattgefunden, wenn im Rahmen des § 100 g Strafpro-
zessordnung in Verbindung mit dem TKG Daten


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1 Million Daten!)


zur Verfolgung erheblicher Straftaten im Einzelfall erho-
ben worden sind,


(Zuruf von der LINKEN: Im Einzelfall?)


und dies nur dann, wenn es erforderlich war.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Und dies am 18.!)


Erhebliche Straftaten lagen vor.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Am 18.? Reden Sie doch einmal dazu!)


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(C (D ie haben gerade bezweifelt, dass es sich um Einzelfälle andelte. Es kam zu 57 Fällen von Landfriedensbruch nd 112 Körperverletzungen an Polizeibeamten. (Michael Leutert [DIE LINKE]: Am 19.! Aber nicht schon am 18.! Sie haben sie schon am 18. geholt!)


ie werden es wahrscheinlich als nicht erheblich einstu-
n, wenn es um Polizeibeamte geht. Was sagen Sie zu

12 Körperverletzungen an Polizeibeamten und zu
8 Sachbeschädigungen? Auf einen Polizeibeamten ist
brigens eine Eisenstange geworfen worden. Sie ist am
elm abgeprallt. Dazu kann ich nur sagen: Das sind er-
ebliche Straftaten. Hier galt es, die Täter zu ermitteln.
as war erforderlich. Ein Großteil der Personen ist näm-
ch vermummt gewesen.


(Zuruf der Abg. Katrin Werner [DIE LINKE])


Da frage ich auch die Kollegin Kolbe: Haben Sie
enn Anzeige erstattet? Ist denn von Ihnen, die Sie mit-
emonstriert haben, Anzeige gegen die Täter erstattet
orden?


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Die Polizei hat noch nicht mal ermittelt!)


nscheinend nicht. Welche Ermittlungsmaßnahmen
leiben denn dann übrig? Dann ist die Nutzung der
unkzellendaten eine Maßnahme, um zu ermöglichen,
ass die Straftaten aufgeklärt werden können,


(Karin Binder [DIE LINKE]: Mord und Totschlag! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


nd darum geht es der Polizei.

Wie viele Taten sind unterm Strich tatsächlich ver-
lgt worden? Es wird bisher in 330 Verfahren gegen be-

annte Straftäter und in 354 Verfahren gegen bisher noch
icht bekannte Straftäter ermittelt. Übrigens sind insge-
amt 223 Verfahren bereits bei der Staatsanwaltschaft
ingeleitet worden. Da wollen wir doch einmal abwar-
n, was bei diesen Verfahren herauskommt.

Ich finde, Sie sollten Ihre Täuschungstaktik unterlas-
en. Sie werfen das Versammlungsrecht, das wir gewähr-
isten wollen, und die Verfolgung von Straftaten durch-

inander,


(Karin Binder [DIE LINKE]: Um welche Straftaten geht es denn, Herr Kollege?)


dem Sie so tun, als wollten wir mit der Verfolgung von
traftaten Versammlungen unmöglich machen. Ganz im
egenteil: Dadurch werden sie erst möglich gemacht.
ass Sie jetzt hier so viel dazwischenrufen, zeigt doch
ur Ihr gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung und zum
echtsstaat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der LINKEN)


onst würden Sie das doch nicht machen, sondern uns
nterstützen.


(Widerspruch bei der LINKEN)






Dr. Patrick Sensburg


(A) )


)(B)

Die Beantragung der Aktuellen Stunde ist durchschau-
bar. § 100 g der Strafprozessordnung ist verfassungsge-
mäß und verhältnismäßig eingesetzt worden. Das müs-
sen auch Sie akzeptieren.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksam-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711818500

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir

eine kurze geschäftsleitende Bemerkung. Da jetzt mehr-
mals der Wunsch nach weiteren Wortmeldungen an mich
herangetragen wurde, weise ich darauf hin, dass wir uns
in der Aktuellen Stunde befinden. Ich weiß, es tut allen
Beteiligten leid, dass es nicht möglich ist, Zwischenfra-
gen zu stellen, Zwischenbemerkungen zu machen oder
gar mit Kurzinterventionen auf persönliche Anwürfe
einzugehen. Aber so sind nun einmal die Regeln. Wenn
Sie es anders wollten, müssten Sie eine Debatte zu die-
sem Thema beantragen. Insofern ist es allerdings auch
nicht hilfreich, wenn man sich gegenseitig als „Spinner“,
„Lügner“ oder anderes hier bezeichnet, weil auch darauf
nicht geantwortet werden kann. Außerdem können dieje-
nigen, die die Aktuelle Stunde am Fernseher verfolgen,
diese Zwischenrufe auch gar nicht hören und deshalb die
Reaktionen nicht verstehen.

Wir fahren jetzt in der Aktuellen Stunde fort. Das
Wort hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die SPD-
Fraktion.


Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1711818600

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Sehr verehrte Gäste! Ich habe in den letzten Tagen ein
Gespräch mit einem Kollegen aus meiner Gewerkschaft,
der Deutschen Polizeigewerkschaft, geführt, der in Dres-
den Dienst tut. In diesem Gespräch hat er drei Dinge ge-
sagt, die ich beachtenswert finde:

Er hat erstens gesagt: Die politisch etablierten Par-
teien haben es nicht geschafft, durch ihre Politik ein An-
wachsen der Zahl der extremen Kräfte am rechten und
linken Rand unserer Gesellschaft zu verhindern. Jetzt
sollen wir, die Polizei, so sagte er zweitens, die Kohlen
aus dem Feuer holen. Dazu werden wir aber weder per-
sonell noch durch eine eindeutige Rechtslage hinrei-
chend ausgestattet. Wenn dann – drittens – etwas schief-
geht, zieht die Politik ihren Kopf aus der Schlinge und
sucht sich ein Bauernopfer.

Wir schaffen es tatsächlich nicht, liebe Kollegen und
Kolleginnen, den Menschen immer zu erklären, warum
und wie wir Entscheidungen in diesem Hause treffen.
Als Beispiel möchte ich nur eines anführen: Ich finde es
erschreckend, dass nur etwa die Hälfte der Bevölkerung
versteht, warum wir in Europa verschiedenen Ländern
helfen müssen. Augenscheinlich schaffen wir es nicht,
klarzumachen, warum dies nötig ist.

Zu seinem zweiten Punkt. Zur Personalsituation ha-
ben wir hier schon viel gesagt. Ich möchte in Bezug auf
Dresden darauf hinweisen, dass Innenminister Ulbig

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(C (D stgestellt hat, dass der Einsatz am 19. Februar Chefsahe war. „Chefsache“ heißt, er hatte den Hut auf, er hat ie Einsatzlinien festgelegt, und er war über alles inforiert: über 20 000 friedlich Demonstrierende, über vertzte Polizeibeamte, über Rechtsextreme, die einen reffpunkt von Jugendlichen überfallen haben, und über inksextreme, die Pkws angezündet haben. Anschlieend – so beschreibt er es in seinem Bericht – hatte er 3 Fälle von schwerem Landfriedensbruch festgestellt nd, weil er meinte, diese Straftaten seien von erhebliher Bedeutung, eine Funkzellenauswertung beantragt. Kollege Sensburg, hier geht es nicht darum, was wir eide persönlich als schwere Straftat erachten. Wenn wir ie Menschen fragen würden, deren Autos angezündet urden, würden sie diese Tat als schwerwiegend anseen. Hier stellt sich aber die Frage: Was sehen der Geetzgeber und das Bundesverfassungsgericht als schweriegende Straftat an? Dies ist leider nicht so eindeutig. as heißt, dass die Bedingungen im Hinblick auf die Kalogstraftaten und die Verjährungsansprüche, die das undesverfassungsgericht festgelegt hat, nicht erfüllt ind. Es gibt, bei weitester Auslegung, die Möglichkeit, ier eine besonders schwerwiegende Straftat festzusteln, wie es das Gericht getan hat. Aber das ist nicht elbstverständlich. Ich komme aus Niedersachsen. Dort hat ein Gericht, ls es um eine Katalogstraftat ging, also um eine Straftat, ei der diese Anordnung normalerweise erfolgt, die ntscheidung getroffen, eine Funkzellenauswertung bzulehnen, da der Bundesgesetzgeber, also wir, die Vortsdatenspeicherung nicht geregelt hat und das Bundes erfassungsgericht Bedenken hat. Hier reden wir allerings über ein Demonstrationsgeschehen, über ein eschehen, das in erheblichem Maße grundrechtsreleant ist. In diesem Zusammenhang hat sich auch das Oberveraltungsgericht Bremen geäußert. Damals ging es um ie Frage: Darf die Polizei zur Verfolgung von Straftaten ildaufzeichnungen machen? Das Oberverwaltungsgecht Bremen hat festgestellt: Besteht auch nur die Mögchkeit, dass jemand, der an einer Demonstration teilimmt, dokumentiert wird, verhindert dies, dass die enschen ihr Grundrecht nach Art. 8 des Grundgesetzes ei ausüben können. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Noch einmal: Hier geht es nicht um persönliche Mei-
ungen. Hier geht es um Recht. Das bestehende Gesetz
rdert eine besondere Verhältnismäßigkeit. Der Innen-
inister schreibt dazu in seinem Bericht – er ist mehr-
ch zitiert worden –:

Bei Beantragung der Maßnahme war das Ausmaß
des Datenaufkommens nicht einschätzbar.

Ich frage Sie, meine Herren und Damen: Wie können
ie die Verhältnismäßigkeit feststellen, wenn Sie gar
icht feststellen, wie viele davon überhaupt betroffen
ind?





Kirsten Lühmann


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das war der Fehler!)


Wenn man aber feststellt, dass im ersten Fall 140 000 Da-
ten vorliegen, dann ist spätestens der Moment gekom-
men, in dem jemand sagen muss: Jetzt stelle ich fest,
dass das Ganze nicht mehr verhältnismäßig ist. – Das ist
nicht passiert.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Dann können wir es ja nie machen!)


Zum dritten Punkt, den der Kollege ansprach. Innen-
minister Ulbig hat den Einsatz zur Chefsache erklärt, es
wurden Fehler gemacht – sonst hätte Polizeipräsident
Hanitsch nicht seinen Sessel räumen müssen –, und ei-
gentlich sollte sich der Innenminister nicht hinter seinen
Beamten verstecken, sondern die Konsequenzen ziehen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unser Fazit lautet: Mein Kollege von der Polizei hatte
recht. Wir müssen endlich den Auftrag annehmen, klare
und verfassungsgemäße Regeln zur Datensammlung und
zur Verwendung von Daten Dritter zu treffen. Frau Piltz,
ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie angekündigt haben,
dies zu tun. Als Parlament sind wir für den Schutz aller
Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen verantwort-
lich. Lassen Sie uns handeln, um zu verhindern, dass
mein Kollege von der Polizei recht behält!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711818700

Das Wort hat der Kollege Manuel Höferlin für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Manuel Höferlin (FDP):
Rede ID: ID1711818800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Diese Diskussion verläuft gemischt: Ei-
nerseits findet eine sachliche Diskussion statt – Herr
Kollege Montag, Ihr Beitrag war ausgesprochen sach-
lich; vielen Dank –, andererseits eine – ich sage es ein-
mal so – politisch getriebene Diskussion; an dieser Stelle
schaue ich in Ihre Richtung, liebe Kollegen von der Lin-
ken.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das müssen Sie gerade sagen!)


– Lassen Sie mich doch ausreden. Man hört Sie sowieso
nicht, Frau Kollegin.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Der Titel der Aktuellen Stunde, die Sie beantragt ha-
ben, lautet „Einschränkung des Versammlungsrechts
durch Massenfunkzellenabfrage“. Ich muss sagen: Ich

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(C (D achte eigentlich, dass Sie aufgrund Ihrer Vergangenheit issen, wovon Sie sprechen, wenn Sie eine Debatte zu iesem Thema beantragen. Aber Sie, Herr Leutert, haen unter anderem von digitalen Rasterfahndungen gereet. Solche Schlagworte entlarven, dass Sie diese ktuelle Stunde aus rein politischen Motiven beantragt aben. ie stellen Rechtsradikalismus und Linksradikalismus us Ihrer Perspektive in einseitiger Art und Weise dar, nstatt über das Thema der Aktuellen Stunde, nämlich ie Einschränkung der Versammlungsfreiheit, zu sprehen. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU])


(Zurufe von der LINKEN)


Es ist sehr wichtig, sich kurz mit der Faktenlage zu
eschäftigen, statt nur irgendwelche Schlagworte in die
iskussion zu werfen. Es fand eine Kundgebung statt,
ie Rechtsradikale vorangetrieben haben. Zu Recht ist
in breites bürgerliches Engagement entstanden, um sich
em entgegenzustellen. Es war vorhin interessant, zu be-
bachten, dass Sie, als dieses Stichwort fiel, geklatscht
aben. Als aber zur Sprache kam, dass bei der gleichen
ktion sehr viele Polizisten, nämlich über 100, verletzt
urden, haben sich die Hände Ihrer Fraktionsmitglieder
ur zur Hälfte bewegt.


(Widerspruch bei der LINKEN)


as spricht Bände. Daran wird deutlich, wie Sie zu die-
en Vorgängen stehen und zu welchem Zweck Sie diese
ktuelle Stunde nutzen wollen.

Es ist Teil unserer demokratischen Kultur, dass Men-
chen ihre Meinung frei äußern dürfen, müssen und sol-
n. Es ist das Recht und die Pflicht eines jeden Bürgers,
emonstrationen anzustoßen und daran teilzunehmen.
s ist aber auch das Recht eines jeden Bürgers, gewisse
echtsgüter zu schützen. Dass mein Auto und die Un-
ersehrtheit meines Körpers geschützt werden – das gilt
brigens auch für Polizisten –, ist ein Recht, das wir mit-
ilfe unserer Rechtsordnung schützen müssen. Diese
eiden Dinge muss man erwähnen. Das haben Sie so
icht getan.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Deshalb fischt man 330 000 Bürger ab, um Ihr Auto zu schützen?)


Die Frage, wie man das in eine Verhältnismäßigkeit
ringt, ist doch der Kernpunkt, über den Sie hier nicht
esprochen haben. Man muss sich das Ganze einmal ge-
au anschauen. Es wurde eine Anordnung getroffen, die
inen maßgeblichen Eingriff zur Folge hatte. Gerichtlich
etrachtet könnte er zunächst einmal als durchaus ange-
essen angesehen werden. Ich glaube, dass er auch an-

emessen war. Allerdings wurden Daten – das hat sich
anach gezeigt – in wesentlich größerem Umfang ge-
utzt, als zunächst beabsichtigt war. Das ist ein Punkt,
it dem man sich intensiv beschäftigen muss. Wenn es

abei um die Landespolizei geht, dann ist der Ort, an
em man sich damit beschäftigen muss, das Land Sach-
en. Deswegen wird das – Frau Kollegin Piltz hat das





Manuel Höferlin


(A) )


)(B)

schon gesagt – dort sicherlich auch eingehend geprüft
werden.

Wenn wir einen Bezug zur Bundesebene herstellen
wollen, müssen wir uns zu Recht § 100 g StPO ansehen.
Das ist eine Anregung, die wir durchaus aufnehmen kön-
nen. Ich finde schon, dass es angemessen ist, diesen Vor-
fall dafür zum Anlass zu nehmen. Wenn Sie das dann
aber ausposaunen und es auf den Rechts- und den Links-
extremismus beziehen, wie Sie es getan haben, ist das,
glaube ich, der Sache nicht angemessen.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das haben Sie jetzt aber verwechselt!)


– Doch, das war so.

Die Funkzellenabfrage wurde später massiv weiter
genutzt. Die Daten wurden, wie inzwischen herauskam,
später auch für andere Verfahren genutzt. Das ist eine
Maßnahme, die längst außerhalb dessen steht, was ge-
rechtfertigt ist. Daraus wurden auch Konsequenzen ge-
zogen.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


Wir können aus dem Fall auch lernen, dass Daten, die
einmal in großem Maßstab erhoben wurden, häufig auch
für ganz andere Zwecke verwendet werden, als ur-
sprünglich vorgesehen war. Das ist etwas, was unsere
Fraktion bzw. die Liberalen schon immer befürchtet ha-
ben. Das ist übrigens auch unsere Position, wenn es da-
rum geht, wie man mit Daten umgeht, die für längere
Zeit gespeichert werden. Unser Vorschlag war und ist
auch weiterhin, dass man sehr vorsichtig damit umgehen
muss, überhaupt Daten zu erheben.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


– Daten nicht so zu verwenden war schon immer unsere
Position, liebe Kollegen. Ich wüsste gar nicht, dass Sie
jetzt irgendetwas Neues gehört haben könnten. Denn
wenn Telekommunikationsunternehmen Daten vorrätig
halten, gibt es immer andere, die darauf zugreifen möch-
ten. Deswegen ist es gut und klug, sich an dieser Stelle
sehr vorsichtig zu verhalten. Den Rest – da bin ich mir
ganz sicher – wird man sich im Land Sachsen an-
schauen.

Ich sage noch einmal: Wir sollten uns § 100 g StPO
noch einmal in Ruhe anschauen und dann vielleicht eine
sachgerechte Debatte zu diesem Thema führen.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711818900

Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711819000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

wende mich erst einmal an meine Kollegen von der
Union: Dass Sie heute versuchen, das polizeiliche Ver-

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(C (D hren einer massenhaften Funkzellenabfrage in Sachen, das bereits als rechtswidrig erkannt worden ist, als ine ganz normale Ermittlungsmethode darzustellen, ist er eigentliche Skandal in der heutigen Diskussion. Was die FDP-Kollegen angeht: Auch wir werden den orschlag aufgreifen, uns die Strafprozessordnung in iesem Zusammenhang anzuschauen und hier erneut daber zu diskutieren. Sie wollen sich immer den Anstrich iner sogenannten Bürgerrechtspartei geben. Das, was ie heute hier geboten haben, hat aber mit Sachlichkeit bsolut nichts zu tun. Es ist einfach nur noch peinlich. Heute ist mehrfach zu Recht gesagt worden, dass das olizeiliche Vorgehen in Dresden mit der Verhältnismäigkeit der Mittel nichts, aber auch gar nichts mehr zu n hatte. Im Rahmen der Vorstellung des Bundesverfassungschutzberichtes ist erneut dargelegt worden, dass die Anahl der Nazigewalttaten vor allem in Ostdeutschland ngestiegen ist. Es ist gerade deswegen überhaupt nicht inzunehmen, dass eine Demonstration gegen Nazis mit ber 20 000 Menschen, wie sie in Dresden stattgefunden at, insgesamt kriminalisiert wird. Dies ist bereits im orfeld geschehen. Denn auch schon vorher wurde das ündnis „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“ beobacht. (Manuel Höferlin [FDP]: Und Sie ja gar nicht!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


ie betroffenen Bürgerinitiativen, die diese Demonstra-
on organisiert haben, wussten nicht, dass sie schon im
orfeld – Stichwort § 129 – ausgespäht wurden. Das ist
der Tat – hierbei handelt es sich übrigens um Bundes-

esetze – eine Kriminalisierung von Antifaschisten. Das
t einfach nicht hinzunehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die sächsische Regierung schwindelt sich in diesen
agen im Übrigen von einer Lüge zur nächsten. Heute
issen wir, dass ganze Stadtteile total überwacht wur-
en.


(Manuel Höferlin [FDP]: Was ist denn total überwacht? – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Wer von Lügen anderer spricht, sollte selbst die Wahrheit sagen! – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: In wie vielen Fällen denn?)


ie Daten Zehntausender Handynutzer wurden erfasst.
Million Handydatensätze sind gespeichert worden; das
t schon mehrfach gesagt worden. Sogenannte IMSI-
atcher wurden eingesetzt, um direkt mitzuhören, was in
en Handygesprächen vor Ort gesagt wurde. Wir be-
ommen hiermit einen Vorgeschmack auf die Pläne von
DU und SPD – das ist der einzige Punkt, in dem ich der
ollegin Piltz zustimmen kann –, die uneingeschränkte

nlasslose Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen
nd das Kommunikationsverhalten der gesamten Bevöl-
erung zu erfassen. Das lehnen wir ganz klar ab. Aber
enau das hat dort stattgefunden.





Ulla Jelpke


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Es geht um die Aufklärung von Straftaten!)


– Hier geht es darum, dass Zehntausende unbescholtener
Bürger, über die wir heute kaum geredet haben,


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe darüber geredet!)


ebenfalls abgehört wurden; das müssen Sie sich klarma-
chen.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Die brauchen keine Angst zu haben! – Gisela Piltz [FDP]: Da ist doch gar keiner abgehört worden!)


Es gibt keinen Grund, zu glauben, es sei der Polizei nur
darum gegangen, einzelne Gewalttäter unter Zehntau-
senden Nazigegnern zu identifizieren. Wenn Neonazis in
der Vergangenheit irgendwo in Sachsen einen Migranten
oder einen Obdachlosen zusammengeschlagen haben,
hat die Polizei noch nie – ich betone: noch nie – flächen-
deckende Abhörmaßnahmen durchgeführt; Sie müssen
mir erst das Gegenteil beweisen. Das heißt natürlich
nicht, dass wir das fordern. Entscheidend ist aber, wel-
che verhältnismäßigen Mittel zu welchem Zeitpunkt ein-
gesetzt werden. Es wird deutlich, dass es Ihnen vor allem
um eines geht: Der Feind steht auf der Seite der Antifa-
schisten und eben nicht auf der Seite der Neonazis.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Die, die Straftaten begehen, sind die, die die Daten haben wollen!)


Das ist hier das große Problem.


(Gisela Piltz [FDP]: Das hängt immer davon ab, wie man damit umgeht! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Ja, Rechte haben schon viele erschlagen! Es gibt aber keine Toten durch Linke!)


– Ich glaube, ich habe hier das Wort.

In den Augen der sächsischen Regierung ist jeder kri-
minell, der dazu beigetragen hat, den Naziaufmarsch am
19. Februar 2011 zu verhindern. Nicht anders ist zu er-
klären, dass dort im Vorfeld allen Ernstes Abhörmetho-
den gegen das Bündnis „Dresden – Nazifrei“ eingesetzt
worden sind. Ich hoffe, dass es Klagen von Journalisten
und Anwälten geben wird; denn auch der Überwa-
chungsschutz wurde verletzt.


(Manuel Höferlin [FDP]: Ich wusste gar nicht, dass die Überwachung geschützt wird!)


Anwälte, Journalisten und auch Parlamentarier haben
Berufsgeheimnisse. Sie dürfen deshalb nicht überwacht
werden. Der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse
hat diesen Skandal als „Demokratie auf Sächsisch“ be-
zeichnet. Dem kann ich eigentlich nur in einer Hinsicht
widersprechen: Es handelt sich in diesem Fall nicht nur
um Sachsen. So etwas gibt es auch in anderen Teilen der
Republik.

Die Bundesregierung darf sich hier nicht aus der Ver-
antwortung stehlen. Ich hoffe, dass wir eine auswertende

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(C (D ebatte führen werden, und zwar nicht nur in Bezug auf en § 100. Wir fordern, dass die Daten nach der Aufkläng dieses Sachverhalts unter Beteiligung von Daten chutzbeauftragten gelöscht werden. Das ist das Mineste, was passieren sollte. Aber erst einmal muss der all aufgeklärt werden. Die Bundespolizei hat dort übriens mit Verbindungsbeamten im Einsatzstab gearbeitet, as heißt, auch bei ihr liegt die Verantwortung, mitzuirken, dass die Aufklärung vorangeht. Der Einsatz dort at fast eine halbe Million DM – Entschuldigung: Euro – ekostet. (Gisela Piltz [FDP]: Dass Sie nicht auf der Höhe der Zeit sind, wussten wir schon immer!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711819100

Kollegin Jelpke, Sie müssen bitte zum Schluss kom-

en.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711819200

Ich komme zum letzten Satz. – Wir werden unsere be-

onnene Auswertung dieses Einsatzes fortführen. Ich
offe, dass wir von den antifaschistischen Bündnissen
iel Unterstützung bekommen.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711819300

Das Wort hat der Kollege Helmut Brandt für die

nionsfraktion.


Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1711819400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren Kollegen! Wir haben nun fast eine Stunde über
as Thema Einschränkung der Versammlungsfreiheit
urch Massenfunkzellenabfrage vor dem Hintergrund ei-
er Neonazidemonstration in Dresden im Februar dieses
ahres diskutiert. Man muss es deutlich sagen: Das
chtfertigt dem Grunde nach keine Befassung des Bun-

estags in einer Aktuellen Stunde.


(Johanna Voß [DIE LINKE]: Schlimm genug!)


enn es fanden nicht unerhebliche Ausschreitungen un-
r Ausnutzung des Demonstrationsrechts statt. Im An-

chluss daran hat die sächsische Polizei zur Ermittlung
er Straftaten und der Straftäter die Daten von zahlrei-
hen Handynutzern überprüft und ausgewertet.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Nein, das ist falsch! Wo waren Sie denn die letzte Stunde? Hören Sie doch zu! – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP]: Das ist richtig! Nur weil Sie etwas behaupten, muss das nicht richtig sein! – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sie reden ja auch von Lauschangriffen und solchen Sachen!)


as ist ein klassisches Thema für den Sächsischen Land-
g.

Meine Damen und Herren von der Fraktion Die
inke, ich danke Ihnen dennoch für diese Aktuelle





Helmut Brandt


(A) )


)(B)

Stunde. Sie haben völlig recht: Das in Art. 8 unseres
Grundgesetzes verankerte Recht der Versammlungsfrei-
heit ist ein zentrales Grundrecht, das es zu schützen gilt.
In Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz heißt es – ich zitiere –:

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmel-
dung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu
versammeln.


(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Mit oder ohne Handys?)


Ich betone: „friedlich und ohne Waffen“. Allerdings er-
leben wir seit Jahren, dass Demonstrationen keineswegs
friedlich ablaufen. Im Gegenteil: Es kommt immer wie-
der zu teils heftigen Ausschreitungen und Gewalt gegen
Personen und Sachen, und zwar sowohl seitens der rech-
ten wie seitens der linken Szene. Durch die Gewaltbe-
reitschaft wird das Versammlungsrecht immer wieder
missbraucht, und dieser Missbrauch führt zur Gefähr-
dung des Grundrechts als solchem. Deshalb gebietet der
Schutz des Versammlungsrechtes, diejenigen zu ermit-
teln, die dieses Recht missbrauchen und infrage stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wie aber ermittelt man die teils vermummten Täter
mit Erfolg?


(Manuel Höferlin [FDP]: Das ist der Unterschied zwischen Rechtsstaat und Unrechtsstaat! Darüber wissen die Linken ja Bescheid!)


Wie zieht man Demonstranten, die sich Mützen über den
Kopf ziehen, um nicht erkannt zu werden und um in die-
ser Anonymität Gewalt auszuüben, zur Verantwortung?
Der Berliner Innensenator Körting warnte am Dienstag-
morgen in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel vor
einer Eskalation der Gewalt zwischen Rechts- und
Linksextremisten: Er befürchte vor allem, dass bei Ex-
tremisten auf jede Aktion eine Gegenaktion folge – das
ist sicherlich berechtigt –,


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Das sind zwei Seiten einer Medaille!)


und dem gelte es, Einhalt zu gebieten. Der Innensenator
hat vollkommen recht: Die Spirale der Gewalt und die
Bereitschaft, das in Art. 8 Grundgesetz verankerte Recht
auf Versammlungsfreiheit für die eigenen Zwecke zu
missbrauchen, müssen wir mit allen nötigen, aber natür-
lich auch rechtmäßigen Mitteln unterbinden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn dies, wie hier, mit legitimen Mitteln auf der
Grundlage unserer Gesetze geschieht, dann ist das in
Ordnung und nicht in Zweifel zu ziehen.

Die Erhebung der Funkzellendaten durch die Polizei
– das ist mehrfach ausgeführt worden – findet ihre
Grundlage in § 100 g StPO. Danach dürfen bei Verdacht
auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung auch ohne
Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten erhoben werden,
soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder
die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten

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(C (D rforderlich ist. Ich frage Sie allen Ernstes: Was wollen ie sonst in einer solchen Situation machen? Es lag ein richterlicher Beschluss des Amtsgerichts or. Die Maßnahme lag auch in einem engen zeitlichen nd räumlichen Zusammenhang zu den Ausschreitunen. Herr Wiefelspütz, dass auch Unbeteiligte in das ahndungsraster gerieten, das liegt leider – ich betone: ider – in der Natur der Sache, weil die Provider nicht wischen Unbeteiligten und Beschuldigten unterscheien, wenn sie alle Verbindungsdaten einer Funkzelle beannt geben. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kommt jetzt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz? – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ihre Zeit ist abgelaufen!)


Dazu komme ich gleich, Herr Montag.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So viel Zeit haben Sie aber nicht! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darauf warte ich jetzt!)


Zwei Dinge möchte ich ausdrücklich betonen, weil
ier rein aus politischen Gründen versucht wird, das in
nderer Weise darzustellen:

Erstens. Die ermittelten Daten bestehen nicht aus Ge-
prächsinhalten.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Doch!)


ei den ermittelten Daten handelt es sich um sogenannte
erbindungsdaten. Als Ergebnis der Abfrage wird der
olizei eine Vielzahl von Verkehrsdaten übermittelt. Die
olizei erkennt anhand dieser Daten aber lediglich, wel-
he Mobilfunkanschlüsse wann, wo und wie verwendet
urden. Sie ersieht aus den Daten nicht einmal, wer der
nschlussinhaber ist.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


ie sieht damit erst recht nicht, welche Personen mitei-
ander kommuniziert haben oder welchen Inhalt diese
espräche oder die versandte SMS hatten.

Zweitens. Durch die Zahl mag man jetzt zunächst ein-
al misstrauisch werden, weil man mit dieser Fahn-

ungsmaßnahme natürlich eine große Zahl von Personen
rmittelt hat, aber ich sage noch einmal: Wenn eine Mas-
endemonstration, die wir grundsätzlich für richtig hal-
n, missbraucht wird, besteht natürlich auch das Risiko,
ass mit dieser Methode zu viele Menschen erfasst wer-
en.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sie ja nicht missbraucht! – Gegenruf des Abg. Oliver Luksic [FDP]: Die Linksextremen schon!)


Natürlich haben die Extremisten sie missbraucht.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die unbeteiligten Dritten haben doch nichts missbraucht!)


Die nicht, von denen rede ich nicht.





Helmut Brandt


(A) )


)(B)


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die haben Sie erfasst!)


– Die sind leider miterfasst worden, aber das war nicht
das Ziel der Aktion.

Ich muss Ihnen ganz offen und ehrlich sagen – das ist
hier zum Glück bei einigen Kollegen schon mehrfach
angeklungen –: Ich vermisse hier eine eindeutige Stel-
lungnahme zur Unterstützung der Polizei, die sich in die-
sen Situationen mit Gewalttätern auseinandersetzen
muss. Dazu hat hier bis zum jetzigen Zeitpunkt jedes
Wort der Antragsteller gefehlt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN: Das war nicht das Thema!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711819500

Kollege Brandt, achten Sie bitte auf das Signal.


Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1711819600

Frau Präsidentin, ich sehe, dass meine Redezeit leider

schon zu Ende ist. Ich komme zum Schluss.

In der Süddeutschen Zeitung vom 24. Juni 2011 heißt
es:

Bisher wurde über den Einsatz der Methode vor al-
lem nach schweren Straftaten wie dem Holzklotz-
wurf von einer Autobahnbrücke in Niedersachsen
berichtet. Aber bei einer Demonstration?

Das war die Frage. Ich sage zum Schluss: Ja, notfalls
und im Einzelfall auch bei einer Demonstration. Wenn
hier wegen vorsätzlicher Delikte wie versuchtem Tot-
schlag, 37 Körperverletzungen zum Nachteil von Poli-
zeibeamten


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt aber bitte!)


und Landfriedensbruch ermittelt wird, dann sind diese
Methoden gerechtfertigt.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Leutert [DIE LINKE]: Das haben Sie schon vorher gewusst? Sie sollten auch einmal das Oktoberfest überwachen!)


– Ja, da gehören Sie hin.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711819700

Das Wort hat der Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1711819800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe mich spät entschlossen, hier doch das Wort zu
ergreifen. Ich will Ihnen nicht Ihre Zeit stehlen,


(Gisela Piltz [FDP]: Tun Sie aber!)


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(C (D ber mir scheint doch, dass ein paar Dinge klargestellt erden müssen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür sind wir hier! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zwar von Ihnen!)


Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes lautet – das werden
ie nicht bestreiten, lieber Herr Montag –:

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmel-
dung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu
versammeln.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sogar Sie!)


ie wissen, dass ich ein berühmter Verfassungsrechtler
in.


(Oliver Luksic [FDP]: Das weiß ich nicht!)


an kann Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz auch folgenderma-
en lesen, Herr Ströbele – und ich glaube, Sie werden
ir nicht widersprechen –: Alle Deutschen haben das
echt, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und
hne Waffen zu versammeln – mit oder ohne Handy. –
as ist nicht absurd oder lächerlich.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei dieser großen Versammlung am 19. Februar 2011
Dresden haben sich über 10 000 Menschen friedlich

nd ohne Waffen versammelt. Ich gehe davon aus, dass
ie meisten dieser Menschen – oder zumindest Tau-
ende, Herr Sensburg – auch ein Handy in der Tasche
atten.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: So wie wir beide!)


Die meisten dieser Menschen – 99 Prozent – haben
iedlich von ihrem Grundrecht Gebrauch gemacht. Ei-
ige wenige haben schwere Straftaten zum Nachteil von
olizisten begangen. Dafür gibt es überhaupt keine Ent-
chuldigung, und diese Straftaten müssen geahndet wer-
en. Das ist überhaupt keine Frage. Ich denke, darin sind
ir uns alle hier von links bis rechts einig.


(Oliver Luksic [FDP]: Nein, von halblinks bis rechts!)


as kann gar nicht streitig sein.

Es kann aber doch nicht wahr sein, dass ein friedli-
her Versammlungsteilnehmer, der ein Handy in der
asche hat, damit rechnen muss, durch die Funkzellen-
bfrage an diesem 19. Februar 2011 mit seinen Verkehrs-
aten in dieser oder jener Akte aufzutauchen. Ich muss
ls friedlicher Versammlungsteilnehmer, der keine Straf-
ten begeht und gegen den es keinen konkreten Ver-
acht gibt, das Vertrauen haben, dass ich nicht Gegen-
tand polizeilicher Beobachtung werde und dass keine
aten von mir erfasst werden. Das kann doch an dieser
telle überhaupt nicht streitig sein.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Dieter Wiefelspütz


(A) )


)(B)

Man muss erst einmal auf die Idee kommen, dass das et-
was mit der durchaus legitimen Diskussion über Vorrats-
datenspeicherung zu tun haben könnte. Nichts hat das
damit zu tun.


(Manuel Höferlin [FDP]: Ha!)


Hier hat Strafverfolgung stattgefunden, weil es in der Tat
einen konkreten Verdacht auf schwerste Straftaten gab.
Aber dann die Daten von Zehntausenden von Menschen
über Funkzellenabfrage zu erfassen, wenn die von der
Demonstration mit ihrer Freundin telefonieren oder mit
jemand anderem kommunizieren, so wie wir das alle tun
– das kann doch nicht wahr sein.

Lieber Kollege Brandt, lieber Kollege Sensburg, man
kann über vieles streiten. Aber dass hier das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit massiv verletzt worden ist, ist mit
Händen zu greifen. Ich möchte gerne dazu beitragen,
dass wir nicht eine parteipolitische Debatte gegen oder
für den sächsischen Innenminister oder wen auch immer
führen. Wir müssen sehen, dass der aus meiner Sicht
durchaus legitime Einsatz nach § 100 g StPO – über Ein-
zelheiten kann man reden – an vielen Stellen sinnvoll ist,
um schwerste Straftaten aufzuklären. Es darf aber nicht
sein, dass die Möglichkeiten dieses Paragrafen so ausge-
legt werden – das ist auch von einem Richter abgesegnet
worden –, dass es zu Kollateralschäden oder einer Ver-
letzung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit kommt und
damit letztlich § 100 g StPO infrage gestellt wird. Wir
blamieren uns doch alle miteinander, wenn wir das
Recht in dieser völlig unverhältnismäßigen Form anwen-
den.

Es kann nicht sein, dass Zehntausende von friedlichen
Versammlungsteilnehmern Opfer einer Strafverfolgung
werden und dass ihre Daten ausgelesen werden. Das ist
nicht in Ordnung. Das müssen wir abstellen. Wenn das
anders nicht möglich ist, dann müssen wir das entspre-
chende Gesetz präzisieren.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es müsste doch in diesem Haus einen großen Kon-
sens dahin gehend geben, dass das nicht sein darf, gerade
wenn wir verhindern wollen, dass schwere Straftaten
begangen werden oder wenn wir Täter von schweren
Verbrechen ermitteln wollen. Die Möglichkeiten nach
§ 100 g StPO sind an vielen Stellen sinnvoll angewandt
worden. Am 19. Februar dieses Jahres ist man in Dres-
den weit über das verfassungsrechtlich zulässige Ziel hi-
nausgeschossen. Das ist eine schwere Grundrechtsver-
letzung. Ich möchte sehr dafür werben, dass wir uns an
dieser Stelle einig sind.

Schönen Dank fürs Zuhören.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711819900

Das Wort hat der Kollege Günter Baumann für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Natürlich kann jede Fraktion eine Aktuelle tunde beantragen – das ist auch gut so –, auch wenn es reitagnachmittag ist. Das ist alles kein Problem. Aber s muss ein Thema mit Bundesbezug sein. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Versammlungsrecht ist doch Bundesrecht! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Art. 10 und Art. 8!)

Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1711820000

ür mich ist das eindeutig ein Thema, das im Land Sach-
en geklärt werden muss. Der Landtag hat sich diese
oche damit beschäftigt und gesagt: Dieses Thema ge-

ört in unser Land, nicht nach Berlin.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotzdem reden Sie jetzt dazu!)


Ich möchte ganz kurz etwas zur Vorgeschichte sagen,
eil hier vieles untergegangen ist. Jedes Jahr am 13. Fe-
ruar – das ist gut so – gedenken friedliche Menschen in
resden der Bombardierung ihrer Stadt, gehen auf die
traße und verleihen ihrer Trauer Ausdruck. Das muss
öglich sein. Wir sind verpflichtet, eine solche Veran-

taltung abzusichern. Einige Redner haben es schon ge-
agt – ihnen gebe ich 100 Prozent recht –: Wir müssen

Vorfeld mehr dafür tun, dass weder rechte noch linke
haoten diese Veranstaltung stören können. Wir alle
üssen etwas mehr dafür tun, dass dies möglich ist.

In den letzten Jahren haben wir festgestellt, dass diese
ersammlungen am 13. und 14. Februar in Dresden
issbraucht werden, weil von Rechten Demonstrationen

eantragt werden, die genehmigt werden müssen. Wir
lle kennen die Gesetze bestens. Dieses Recht wird
issbraucht, um dort aufzumarschieren, was uns allen
ehtut; das ist gar keine Frage. Infolgedessen kommen
eistens zusätzlich linke Chaoten. Dadurch entstehen

ie berühmten Straßenschlachten.

In diesem Jahr war das in Dresden besonders extrem,
eil die Rechten die Versammlung instrumentalisiert ha-
en und den Krieg, so wie er war, geleugnet haben; das
ann man nicht dulden. Das ist ein Missbrauch auf dem
ücken der Dresdner Einwohner. Ich denke, in diesem
unkt sind wir uns einig. Wir sind alle wütend, wenn wir
ehen, dass linke Chaoten dazukommen und sich den
echten entgegenstellen. Das führte dann zu Straßen-

chlachten. Ich denke, das kam zu wenig heraus: In
resden gab es Straßenschlachten. Arnold Vaatz hat das
on vielen Bürgerinnen und Bürgern in seinem Wahl-
reis gehört. Die Stadt hat gebrannt. Es haben Müllton-
en gebrannt. Es wurden Steine in Fensterscheiben
iedlicher Bürger geworfen. Es ging dort also chaotisch
u.

Die Frage ist, was man in einer solchen Situation ma-
hen kann. Soll man zuschauen, Wasserwerfer einsetzen
der was auch immer? Frau Lühmann, Sie haben das
hema angesprochen. Wenn man zwischen zwei chaoti-
chen Gruppen steht, muss man vielleicht einiges tun,
as man normalerweise nicht macht.





Günter Baumann


(A) (C)


)(B)


In Dresden wurden 112 Polizisten zum Teil schwer
verletzt. Das kann man nicht hinnehmen. Es wurden ins-
gesamt 687 Straftaten registriert. Die Spitze – im wahrs-
ten Sinne des Wortes – war, dass eine Eisenspitze hinter-
rücks auf Polizisten geworfen wurde. Das ist eindeutig
versuchter Totschlag, und das kann man nicht hinneh-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen,
den Polizistinnen und Polizisten ganz herzlich zu dan-
ken, die jeden Tag in unserem Land an irgendeiner Stelle
stehen und die auch in Dresden standen und einen Super-
job für unsere Sicherheit leisten. Herzlichen Dank allen

sagt niemand, dass in Dresden alles zu 100 Prozent sau-
ber gelaufen ist.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Okay!)


Es gab den Beschluss eines Richters. Danach wurde
gehandelt. In einigen Fällen wurden Daten verwendet, in
denen dies nicht zulässig war. Das ist korrigiert worden.
Insofern ist das in Ordnung. Es wird auch weiter aufge-
arbeitet.

Der Landtag hat sich diese Woche damit beschäftigt.
Marko Schiemann, mein Kollege im Landtag, hat ge-
sagt, dass dieses Thema eindeutig nicht nach Berlin ge-
hört; es sei keine Angelegenheit der Bundesregierung,
sondern ein Dresdner bzw. ein sächsisches Thema, das in
Sachsen aufgearbeitet werden solle. Dem kann man
Polizisten, die ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt und da-
für gesorgt haben, dass halbwegs Ordnung herrschte!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich bin der Überzeugung, dass die Mehrheit der Bür-
gerinnen und Bürger will, dass die Straftaten aufgeklärt
und die Täter zur Verantwortung gezogen werden. Die
sächsische Polizei hat eine Sonderkommission gegrün-
det – das ist, glaube ich, in solchen Fällen üblich – und
hat als Ermittlungsansatz bei der Staatsanwaltschaft ei-
nen Antrag auf Funkzellenabfrage gestellt. Auch das ist
ein ganz normales Vorgehen. Die Staatsanwaltschaft hat
den Antrag geprüft, und ein Richter hat ihn genehmigt.
Ich frage mich, ob Sie die Unabhängigkeit der Richter
abschaffen wollen, weil das Vorgehen Ihrer Meinung
nach nicht in Ordnung war. Dann muss man das deutlich
sagen.

Wir sagen: Wenn ein Richter das nach der Prüfung
durch den Staatsanwalt genehmigt, dann ist das in Ord-
nung. Dann darf es gemacht werden. Das ist auch in die-
ser Form erfolgt.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was ist, wenn der Richter falsch entschieden hat?)


– Dazu komme ich noch. – 45 Strafverfahren wurden
eingeleitet und bearbeitet. Der sächsische Innenminister
hat deutlich gesagt, dass es hierbei zu einer Datenerfas-
sung kam, die nicht zulässig war. Diese Daten wurden
aus den Akten herausgenommen. Das wurde geklärt. Es

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(D ichts entgegensetzen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran müssen wir uns jetzt aber nicht halten! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Bundesrecht gehört immer noch hierher!)


Ich komme zum Schluss. Ich denke, wenn eine Stadt
rennt und es in den Straßen zu Chaos kommt, sollten
ir alle Mittel nutzen, dagegen vorzugehen. Das müssen
ir bekämpfen. Dazu gehört auch die Funkzellenabfrage
ach Genehmigung eines Richters.

Wir sind auch verpflichtet, alles zu tun, um unsere
olizistinnen und Polizisten und unsere Bürgerinnen und
ürger vor den Chaoten zu schützen. Dabei ist jedes
ittel recht, welches das Gesetz zulässt.

Herzlichen Dank. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wo-
henende.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1711820100

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 6. Juli 2011, 13 Uhr ein.

Die Sitzung ist geschlossen.