Rede von
Jerzy
Montag
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bei dieser Debatte geht es in erster Linie – so hat es die
Linke gewollt, und darauf will ich eingehen – um das
Versammlungsrecht. Deswegen steht diese Frage für
mich im Mittelpunkt und an erster Stelle.
Am 13. Februar dieses Jahres haben Neonazis zu
Hunderten oder gar Tausenden in Dresden demonstriert.
Sie haben dies eine Woche später, am 19. Februar, wie-
derholt. Was wünschen wir Abgeordnete, was wünscht
sich der Deutsche Bundestag in so einer Situation von
den Menschen in unserem Land? Dass sie Zivilcourage
zeigen, dass sie aufstehen, dass sie sich den Neonazis in
den Weg stellen, dass es Demonstrationen gibt. Diese
Demonstrationen hat es gegeben. In Dresden haben viele
Tausende demonstriert. Deswegen will ich mich von die-
ser Stelle aus ausdrücklich bedanken und meine Hoch-
achtung vor all denjenigen ausdrücken, die dort demon-
striert haben.
Ebenso ist völlig klar – auch das muss angesprochen
werden; das dürfen Sie nicht verschweigen oder ver-
schämt im Nebensatz sagen, Kollegen von der Linken –,
dass es an diesem 19. Februar schwere Straftaten gege-
ben hat, auch mit vielen verletzten Polizisten. Ich will
sagen: Das ist für uns nicht hinnehmbar. Ich erkläre
meine Hochachtung auch vor den Polizeibeamten, die
verletzt worden sind.
Diese Straftaten müssen mit den Mitteln des Gesetzes
verfolgt werden.
Was ist aber stattdessen passiert? Es sind an 14 Plät-
zen in Dresden innerhalb bestimmter Zeiträume von der
einen Polizeieinheit fast 140 000 Kommunikationsvor-
gänge und von einer anderen Polizeieinheit, von der des
Landeskriminalamtes, mehrere Hunderttausend Kom-
munikationsvorgänge, zusammen fast 1 Million Kom-
munikationsvorgänge, abgefischt worden. Das sind fast
1 Million Grundrechtsbeeinträchtigungen. Das ist in ei-
nem unglaublichen und monströsen Ausmaß ein Eingriff
in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern, und
zwar nicht nur in das Grundrecht der informationellen
Selbstbestimmung, sondern auch in das Grundrecht der
Versammlungsfreiheit.
Es ist doch völlig klar: Wenn Bürgerinnen und Bür-
ger, die nichts Unrechtes tun, die nur ihr Grundrecht auf
Demonstrationsfreiheit geltend machen, in einem sol-
chen Ausmaß in polizeiliche Ermittlungen einbezogen
werden und wissen, dass das geschieht, dann beeinträch-
tigt das das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Das
liegt doch absolut auf der Hand.
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eswegen ist es wichtig, dass wir über diese Grund-
chtsverletzungen hier, an dieser Stelle, diskutieren.
as ist keine Landesangelegenheit.
Die gesetzlichen Vorgaben sind nicht so klar, wie Sie
einen. Die Funkzellenabfrage ist nur erlaubt bei ganz
estimmten Telefonnummern. Es gibt dazu eine Ausnah-
evorschrift. Diese Ausnahmevorschrift ist aber an ganz
nge Voraussetzungen geknüpft. Diese engen Vorausset-
ungen sind im vorliegenden Fall offensichtlich miss-
chtet worden. In die Begründung des Entwurfes eines
esetzes zur Neuregelung der Telekommunikations-
berwachung haben Sie, meine Damen und Herren von
er Union und der SPD, in der letzten Legislaturperiode
Bezug auf § 100 g Strafprozessordnung geschrieben:
enn bei dieser Ausnahmevorschrift der Funkzellenab-
age mit Drittbetroffenheit unzumutbar viele Dritte be-
offen sind, dann muss von dieser Maßnahme Abstand
enommen werden.
Genau das Gegenteil ist in Dresden geschehen. Es ist
icht Abstand genommen worden, obwohl fast 1 Million
ritte betroffen waren. Man hat es sehenden Auges ge-
n. Es ist doch klar, dass man, wenn man in einer gro-
en Stadt am Ort und zum Zeitpunkt einer großen De-
onstration solche Abfragen startet, hundertausendfach
nschuldige, nicht betroffene Dritte in diese Maßnahmen
inbezieht. Deswegen hätte diese Maßnahme unterblei-
en müssen.
Weil das nicht geschehen ist, werden wir uns hier
ach der Sommerpause darüber unterhalten müssen – die
rünen werden dazu Vorschläge machen –, was an der
trafprozessordnung, einem Bundesgesetz, geändert
erden kann und muss, damit sich solche Vorfälle nicht
iederholen.