Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 118. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es sucht um Urlaub nach der Abgeordnete Dr. Luchtenberg für 14 Tage wegen Krankheit. Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Henle, Neumann, Dr. Suhr, Brandt, Ribbeheger, Eckstein, Wirths, Dr. Brill.
Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für folgende Mitteilungen.
Zur heutigen Tagesordnung bitte ich zu vermerken, daß nach einer Vereinbarung im Ältestenrat der Punkt 13 der Tagesordnung — zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den ersten Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes — abgesetzt worden ist.
Weiterhin soll bei Punkt 15 a der Tagesordnung heute lediglich die zweite Beratung stattfinden und nicht auch die dritte Beratung; diese ist für die nächste Woche vorgesehen.
Dann bin ich gebeten worden, die Punkte 5 und 10 der Tagesordnung erst nach dem Punkt 12 der Tagesordnung aufzurufen, da die in Frage kommenden Abgeordneten durch Ausschußsitzungen verhindert sind.
Und schließlich ist der Herr Berichterstatter des Vermittlungsausschusses zu Punkt 9 der Tagesordnung wegen einer Fahrtverzögerung zur Zeit noch von Berlin hierher unterwegs. Wir werden diesen Punkt also erst aufrufen können, wenn der Herr Berichterstatter eingetroffen ist. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Einstellung von Schwerbeschädigten bei den Ministerien und sonstigen Verwaltungen der Bundesrepublik .
Wer wird den Antrag begründen? — Bitte, Herr Abgeordneter Leddin! — Bevor Herr Abgeordneter Leddin das Wort nimmt, bitte ich um Ihr Einverständnis, daß wir die Zeit der Begründung auf 10 Minuten und die der Besprechung auf 40 Minuten begrenzen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Leddin , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Interpellation Drucksache Nr. 1829 hat die sozialdemokratische Fraktion zum dritten Male die Frage der Einstellung von Schwerbeschädigten bei den Ministerien und sonstigen Verwaltungen der Bundesrepublik angesprochen und darauf hingewiesen, daß der im November 1949 einstimmig gefaßte Beschluß des Bundestages bis heute noch nicht durchgeführt worden ist.
Nach zuverlässigen Informationen sind in dem letzten halben Jahr 896 Neueinstellungen vorgenommen worden, bei denen ganze 3 1/2 % dieser Zahl auf Schwerbeschädigte entfallen. Bei solch lapidarer Behandlung dieser Angelegenheit kann natürlich eine Durchführung des Beschlusses des Bundestages nie erfolgen.
Es soll anerkannt werden, daß inzwischen einige Ministerien — wie z. B. das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, das Ministerium für Wohnungsbau, das Bundesjustiz- und das Bundesarbeitsministerium — bemüht gewesen sind, die sich aus diesem Beschluß ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen. Bei allen anderen Ministerien und Verwaltungen aber ist man hinsichtlich der Einstellungspflicht von Schwerbeschädigten sehr erheblich im Rückstand. Diese Tatsache ist einfach skandalös und muß hier mit aller Schärfe festgestellt werden.
Schon bei der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes waren sich alle Beteiligten darüber einig, daß dieses Gesetz durch ein neues bundeseinheitliches Schwerbeschädigten-Gesetz wirksam ergänzt werden müsse. Eine derartige Regelung ist um so notwendiger, als heute noch rund 80 000 Schwerbeschädigte seit Jahr und Tag ohne Beschäftigung sind und unter allen Umständen untergebracht werden müssen. Aber es muß auf die Öffentlichkeit und auf die privaten Unternehmungen einen denkbar schlechten Eindruck machen, wenn nicht einmal die Bundesbehörden ihr Einstellungssoll an Schwer-
beschädigten erfüllen. Das gesamte Haus wird wohl mit der sozialdemokratischen Fraktion der Überzeugung sein, daß hier, wieder einmal ein eklatanter Beweis dafür vorliegt, wie wenig ernst es die Bundesregierung mit der Respektierung der vom Parlament einstimmig gefaßten Beschlüsse meint
und wie wenig Rücksicht sie in einer derartigen, das ganze Volk angehenden nationalen und sozialen Frage nimmt.
Um so mehr möchte ich hier Veranlassung nehmen, einem großen Teil der Arbeitsverwaltungen, den Fürsorge- und Hauptfürsorgestellen dafür Anerkennung auszusprechen, mit welchem beachtlichen Erfolg sie in der Vergangenheit in den einzelnen Ländern die Unterbringung von Schwerbeschädigten geregelt haben. Es ist auch anzuerkennen, daß ein großer Teil der Industrie mit Unterstützung der Gewerkschaften und der Betriebsräte hier beachtliche Fortschritte erzielt hat. Aber es bleibt die erschütternde Tatsache bestehen, daß eben noch fast rund 100 000 Schwerbeschädigte ohne Beschäftigung sind.
Mit allem Ernst möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß es sich bei der Vermittlung von Schwerbeschädigten in Arbeit nicht nur um die Sicherung ihrer sozialen Existenz handelt, sondern daß für sie die Übertragung einer bestimmten Aufgabe ein wesentlicher Heilfaktor in ihrem mehr oder weniger zerstörten oder gestörten Leben ist. Daher müssen Blinde, Hirnverletzte, Ohnhänder und andere Gruppen von Schwerstbeschädigten bei der Schaffung von Arbeitsplätzen besonders vordringlich berücksichtigt werden. Dies Ziel kann sehr wohl erreicht werden, wenn alle Behörden der Gemeinden, der Kreise, der Länder, der Körperschaften des öffentlichen Rechts, wenn Industrie, Handel und Handwerk mit einigem guten Willen an diese Aufgabe herangehen, zumal unter den beschäftigungslosen Schwerbeschädigten eine ganze Anzahl durchaus geeigneter und befähigter Kräfte vorhanden sind. Aber es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung hier mit gutem Beispiel vorangehen muß. Es wird wohl niemand verstehen, wenn am Anfang dieses Jahres statt des seinerzeit beschlossenen Pflichtsatzes von mindestens 10 % Schwerbeschädigten erst ein Satz von 7,1 % erreicht worden ist und noch rund 160 Stellen bei der Bundesverwaltung unbesetzt sind.
Unter den Dienststellen, die im Rückstand sind, befinden sich unter anderen das Bundespräsidialamt, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium des Innern, das Statistische Bundesamt und der Bundespressedienst. Besonders hoch ist die Zahl der noch nicht entsprechend besetzten Stellen bei dem Bundesfinanzministerium mit zirka 23 sowie beim Bundeswirtschaftsministerium mit sogar rund 30 unbesetzten Stellen.
Aber auch bei der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten ist der Beschluß des Bundestages noch nicht durchgeführt worden.
Ich stelle diese tief bedauerliche Tatsache in aller Öffentlichkeit fest in der Erwartung, daß auch hier der Bundestagsbeschluß endlich respektiert werden wird.
Mit einem besonderen Wort muß ich mich aber an den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen wenden. In diesem Ministerium ist die sehr hohe Zahl von 40 Schwerbeschädigtenstellen noch offen. Der Herr Minister hat sich darauf berufen, daß in der ihm unterstellten Bundespostverwaltung eine sehr hohe Zahl von Schwerbeschädigten berücksichtigt sei, die es rechtfertige, daß er bei seinem Ministerium von diesem Grundsatz abweiche. Einer derartigen Auffassung muß man mit aller Entschiedenheit widersprechen, zumal sich auch das Bundesverkehrsministerium bei der ihm unterstellten Bundesbahn nicht auf ein derartiges Argument beruft. Daher ist auch das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen verpflichtet, genau wie alle anderen Dienststellen, den Beschluß des Bundestages durchzuführen. Darüber hinaus möchte ich aber an den Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen persönlich appellieren, daß gerade er als Leidensgefährte von vielen hunderttausend Schwerbeschädigten sich seiner besonderen Verpflichtung zur Einstellung von Schwerbeschädigten bewußt sein möge.
Es ist schon eine bedauerliche Tatsache, daß das seinerzeit von diesem Hause einmütig verabschiedete Bundesversorgungsgesetz bis heute noch nicht zur Auswirkung gelangt ist und damit das seinerzeit von uns allen gestellte positive Ziel negativ- beeinflußt wird. Darum ist es an der Zeit, daß nunmehr wirklich schnellstens alle Voraussetzungen für die praktische Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes geschaffen werden und daß andererseits auch der vom Bundestag gefaßte Beschluß auf Beschäftigung von mindestens 10 % Schwerbeschädigten bei den Bundesministerien endlich durchgeführt wird. Die bisherigen Erfahrungen haben aber gezeigt, daß es offenbar bei verschiedenen Stellen der Bundesregierung an gutem Willen fehlt, sei es daß das an dem Versagen einzelner Personalchefs liegt oder anderweitig begründet ist.
Ich beantrage daher namens meiner Fraktion, bei der Vorlage der Stellenpläne beim Etat eine Übersicht darüber zu schaffen, welche Stellen mit Schwerkriegsbeschädigten besetzt worden sind und in welcher Position sie sich befinden. Denn schließlich kam es uns darauf an, Schwerbeschädigte nicht nur als Boten oder als Pförtner zu verwenden, sondern es war der Sinn unseres Beschlusses, diese schwergeprüften Menschen in allen Zweigen der Verwaltung gemäß ihren Kenntnissen zu verwenden. Das Parlament sollte auch erwägen, ob nicht eine Kommission aus dem Kriegsopferausschuß zu beauftragen ist, die Verwaltungen mit dem Vertrauensmann der Schwerbeschädigten gemeinsam zu überprüfen, damit die Gewißheit gegeben ist, daß auch von unserer Seite wirklich ein entscheidender Beitrag für die Befriedigung der berechtigten Ansprüche der Schwerkriegsbeschädigten gewährleistet wird.
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Interpellation sind einige unrichtige Ziffern enthalten. Daraus will ich der antragstellenden Fraktion natürlich keinen Vorwurf machen. Es wird hier gesagt, daß die Zahl der beschäftigten Schwerbeschädigten zur Zeit 421 betrage. Tatsächlich beläuft sich die Zahl auf 524. Es ist auch nicht so, daß der Prozentsatz der beschäftigten Sckwerbeschädigten gegenüber dem 1. April 1950 gesunken sei, sondern er ist gestiegen. Trotzdem gebe ich den Herren
recht, wenn sie sagen, daß auf diesem Gebiete weiter vorwärtsgeschritten werden muß. Mein Ministerium hat noch unter dem 11. Januar dieses Jahres die sämtlichen Dienststellen dringendst gebeten, dem Beschluß des Bundestags hinsichtlich der bei ihnen zu beschäftigenden Schwerbeschädigten so bald wie möglich Folge zu leisten. Wir haben das getan, weil wir der Überzeugung sind, daß diesem Kreis von Menschen, wie Herr Abgeordneter Leddin sehr richtig sagte, wieder ein Gefühl der Vollwertigkeit vermittelt werden soll.
Über eins dürfen Sie sich aber nicht im unklaren sein. In den Ministerien müssen wir zum Teil ausgesprochene Fachkräfte haben. Gerade weil wir nicht wollen, daß die Kriegsbeschädigten nur als Boten und Pförtner beschäftigt werden, wie Herr Leddin hier sagte, müssen wir diese jüngeren Menschen allmählich in unsere Verwaltungen aufnehmen, um sie dort zumindest für den mittleren Dienst fertigzuschulen. Dieses Bestreben ist bei uns vorhanden.
Die Zahl der heute bei allen Dienststellen des Bundes insgesamt beschäftigten Schwerbeschädigten beträgt 7,6 %, liegt also noch um 2,4 % unter dem Satz, den der Bundestag als unterste Grenze vorgesehen hat. Sie dürfen versichert sein, daß das Bundesarbeitsministerium und das ganze Kabinett bemüht sein werden, dem Wunsche des Bundestags auf diesem Gebiet sobald wie möglich voll Rechnung zu tragen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Ich frage, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird. — Das ist offenbar nicht der Fall.
— Herr Abgeordneter Arndgen, die Wortmeldung kann nur berücksichtigt werden, wenn eine Besprechung gewünscht wird. Das ist nicht der Fall.
Es liegt ein Antrag der Fraktion der SPD vor, den der Abgeordnete Leddin verlesen hat. Soll ich ihn noch einmal verlesen?
Die Bundesregierung wird beauftragt, bei den vorzulegenden Stellenplänen Angaben darüber zu machen, welche der genannten Stellen mit Schwerbeschädigten besetzt sind und unter Bezeichnung der Dienststellung. Eine Kommission des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen soll unter Hinzuziehung des Hauptvertrauensmannes der schwerbeschädigten Verwaltungsangehörigen der obersten Bundesbehörden das Recht haben, eine Überprüfung der Verwaltungen dahingehend vorzunehmen, ob und welche Möglichkeiten für die Einstellung weiterer Schwerbeschädigter bestehen und ob das bisherige Einstellungssoll erfüllt ist.
Ist beabsichtigt, über diesen Antrag sofort abzustimmen, oder soll er einem Ausschuß überwiesen werden?
— Es ist beantragt, ihn dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen.
— Meine Damen und Herren, der Antrag auf Ausschußüberweisung geht normalerweise vor. Ich bitte die Damen und Herren, die für Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen sind, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt.
— Herr Abgeordneter Renner, ich glaube nicht, daß Sie dem Bundestag den Vorwurf machen können, daß er eine Kontrolle durch ihn selber nicht will, wenn er einen Bundestagsausschuß mit der Prüfung der Frage beauftragt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf über das- Bundesverwaltungsgericht dient der Ausführung des Art. 96 des Grundgesetzes. Neben dem Bundesgerichtshof für die ordentliche Gerichtsbarkeit und dem Bundesfinanzhof für die Finanzgerichtsbarkeit soll in Zukunft das Bundesverwaltungsgericht für das Gebiet der Verwaltungsgerichtsbarkeit als oberes Bundesgericht tätig werden.
Der Gesetzentwurf stellt das Bundesverwaltungsgericht völlig unabhängig von den Verwaltungsbehörden. Die Richter am Bundesverwaltungsgericht genießen die gleiche Unabhängigkeit wie jeder andere Bundesrichter. Die Berufung der Bundesrichter liegt gemeinsam in der Hand des Richterwahlausschusses und des Bundesministers des Innern als des federführenden Ministers.
Die Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet in der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit einen entscheidenden neuen Schritt. Weder unter der Bismarckschen Verfassung noch zur Zeit der Weimarer Verfassung war es zur Bildung eines solchen oberen Verwaltungsgerichts gekommen. Das Reichsverwaltungsgericht aus dem Jahre 1941 kann mit dem jetzt zu schaffenden Bundesverwaltungsgericht nicht verglichen werden; denn es fehlte den Richtern dieses Reichsverwaltungsgerichts die echte richterliche Unabhängigkeit; außerdem war dieses Gericht lediglich eine Zusammenfassung bestehender höchster Verwaltungsgerichte der Länder.
Das jetzt zu schaffende Bundesverwaltungsgericht fügt sich in den föderativen Charakter unseres Bundes ein und lehnt sich eng an die in allen Ländern bestehenden unabhängigen Verwaltungsgerichte an. Die Verwaltungsgerichte der Länder sind seit dem Jahre 1946 zu echten und unabhängigen Organen der Rechtsprechung ausgebaut worden. Das Grundgesetz hat in seinem Art. 19 Abs. 4 den Verwaltungsrechtsweg ausdrücklich und mit voller Gleichberechtigung neben den Rechtsweg in bürgerlichen Streitigkeiten gestellt.
Als Sitz dieses oberen Bundesverwaltungsgerichts empfiehlt Ihnen die Bundesregierung Berlin.
Wir verkennen nicht, daß mit dieser Wahl gewisse Unbequemlichkeiten verbunden sind, aber diese Unbequemlichkeiten müssen vor dem hohen politischen Ziel zurücktreten, das wir mit der Wahl Berlins im Auge haben. Es kann dem Rechtsuchenden zugemutet werden, sich entweder durch bewährte Prozeßvertreter bei dem Bundesverwaltungsgericht vertreten zu lassen oder die Unbequemlichkeit einer solchen Reise auf sich zu nehmen. Wir sollten aber nicht darauf verzichten, in Berlin einen weithin sichtbaren Beweis dafür zu liefern, mit welcher inneren Unabhängigkeit und inneren Freiheit ein oberes Bundesgericht der Bundesrepublik Deutschland seine Aufgaben in der Rechtsprechung ausübt.
Wer sich dieser hohen Bedeutung bewußt ist, wird nicht behaupten wollen, daß die Verlegung eines oberen Bundesgerichts nach Berlin die Möglichkeiten des rechtlichen Gehörs einschränkt.
Die Hauptbedeutung dieses oberen Bundesverwaltungsgerichts liegt in seiner Aufgabe als Revisionsgericht. Die vornehmste Aufgabe liegt hier darin, auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts eine einheitliche Handhabung des Bundesrechts im ganzen Bundesgebiet zu gewährleisten und zu fördern. In ständiger Rechtsprechung sollen die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts herausgearbeitet werden, die der allgemeinen Rechtssicherheit dienen und für die Verwaltungsbehörden und die Verwaltungsgerichte Richtschnur sein müssen.
Außerdem muß dem Bundesverwaltungsgericht aber auch eine erstinstanzliche Zuständigkeit gegeben werden. In erster Instanz soll das Bundesverwaltungsgericht über Verwaltungsakte oberster Bundesbehörden entscheiden, das sind also in erster Linie die Bundesministerien selbst. Die Verwaltungsakte sollen angefochten werden können, wenn es sich um Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art, also keine bundesverfassungsrechtlichen Fragen handelt; denn dafür ist wiederum eine andere oberste Instanz, das Bundesverfassungsgericht, zuständig. Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte oberster Bundesbehörden passen eben nicht vor das Verwaltungsgericht eines einzelnen Landes. Entweder würde man sonst bei einem einzelnen Landesverwaltungsgericht eine übermäßige Häufung von Klagen eintreten lassen und dadurch dieses Gericht in seiner Stellung zu den übrigen Verwaltungsgerichten übermäßig und ungerechtfertigt herausheben, oder bei einer Verteilung der Klagen auf viele Landesverwaltungsgerichte würde sich eine Zersplitterung und Verzögerung der Rechtsfindung ergeben. Der Regierungsentwurf sieht daher vor, daß in solchen Fällen das Bundesverwaltungsgericht erste und einzige Instanz ist.
Die Verfahrensvorschriften des Gesetzentwurfs besitzen nur einen vorläufigen Charakter. Die Bundesregierung ist aber bereits jetzt mit dem Entwurf einer endgültigen Verwaltungsgerichtsordnung beschäftigt, die ähnlich wie die Zivilprozeßordnung, wie die Strafprozeßordnung oder wie die Reichsabgabenordnung den Verwaltungsprozeß vor allen Verwaltungsgerichten einheitlich regeln soll. Sobald diese umfangreichen und arbeitsreichen Vorarbeiten abgeschlossen sind, beabsichtigt die Bundesregierung, diese Verwaltungsgerichtsordnung dem gesetzgebenden Organ vorzulegen und dadurch die vorläufigen Verfahrensvorschriften des jetzigen Gesetzentwurfs zu ersetzen.
Ich empfehle Ihnen die Annahme der Regierungsvorlage.
Meine Damen und Herren, die Begründung der Vorlage durch die Regierung ist erfolgt. Der Altestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage ohne Aussprache an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. — Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Gengler, Kiesinger, Bauknecht und Genossen
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Neugliederung in den Ländern Baden,
Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern .
Meine Damen und Herren, mit Rücksicht darauf, daß bei den ersten beiden Gesetzentwürfen die allgemeine Aussprache stattgefunden hat, schlägt Ihnen der Altestenrat vor, diesen Gesetzentwurf nach der Begründung durch Herrn Abgeordneten Gengler ohne Aussprache an den Ausschuß zu überweisen.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Gengler, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat eben darauf hingewiesen, daß sich das Hohe Haus erst kürzlich aus Anlaß der Initiativgesetzentwürfe der Abgeordneten Euler und Genossen und der Abgeordneten Hilbert und Genossen mit der Frage der Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern befaßt hat. Mit dem Gesetzentwurf, wie er Ihnen auf Drucksache Nr. 1849 vorliegt, wollen wir ebenfalls die Frage der Neugliederung der Länder in der Südwestecke in Fluß bringen. Er stützt sich auf Art. 118 des Grundgesetzes, der ausspricht, daß, wenn in den beteiligten Ländern keine Vereinbarung erzielt wird, die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt wird, das eine Volksbefragung vorsehen muß. Auf dieser Grundlage fußt der Gesetzentwurf. Eine Vereinbarung der Länder kam nicht zustande. Infolgedessen muß nach Art. 118 Satz 2 des Grundgesetzes die Neugliederung im südwestdeutschen Raum nunmehr durch ein Bundesgesetz geregelt werden, das eine Volkabstimmung vorsehen muß.
Der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1849 sieht vor, daß den Stimmberechtigten die Frage vorgelegt wird, ob sie ein gemeinsames Bundesland bilden wollen. Wird diese Frage verneint, dann — so sieht der Entwurf vor — sollen die alten Länder Württemberg und Baden wiederhergestellt werden. Der Entwurf legt dem Abstimmungsergebnis Gesetzeskraft bei und trifft die für die Bildung der Länder notwendigen Bestimmungen. Ich darf aussprechen, daß die Regelung dieser Frage vordringlich ist. Der Streit um die Länderbildung, der nunmehr seit Jahren in der südwestdeutschen Ecke andauert, erheischt eine Klärung. Der vorliegende Gesetzentwurf will alle Gesichtspunkte zur Diskussion stellen, und er basiert auf dem Grundgedanken der demokratischen Volksentscheidung. Er will auch nicht die Dinge lediglich geschichtlich von rückwärts betrachten, sondern vielmehr die
Länderbildung vom Standpunkt eines gesunden, echten Föderalismus im westdeutschen Bundesgebiet und im Sinne einer fortschrittlichen Regelung sehen.
Ich beantrage Überweisung an den zuständigen Ausschuß.
Meine Damen und Herren! Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Allerdings habe ich den Eindruck, daß in diesem Hause wieder eine sehr lebendige Aussprache im Gange ist.
Die Damen und Herren, die den „Vorzug" haben, auf den letzten Plätzen zu sitzen, haben wiederholt gebeten, es ihnen zu ermöglichen, auch etwas zu verstehen. Ich darf diese Bitte in der Öffentlichkeit noch einmal aussprechen.
Es ist Überweisung an die zuständigen Ausschüsse beantragt. Das ist zunächst als federführend der Ausschuß für innergebietliche Neuordnung und der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. — Ich darf annehmen, daß diese Überweisung erfolgt ist.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im
Ausfuhrgeschäft .
Ich darf annehmen, daß sich die Regierung auf die schriftliche Begründung bezieht. Der Altestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 5 der Tagesordnung stelle ich auf Wunsch der Antragsteller zunächst zurück und rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung.
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Oellers, Schröter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundeshilfe für das Land Schleswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950 .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Oellers, zur Begründung das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der schleswig-holsteinischen Abgeordneten, die diesen Entwurf eingereicht haben, seine Begründung vorzutragen. Ich bitte das Hohe Haus, dabei von vornherein von der Voraussetzung auszugehen, daß es keinerlei partikularistische Interessen sind, die uns zur Einreichung dieses Antrags veranlaßt haben, sondern daß es die bittere Not des Landes Schleswig-Holstein ist, dem die Antragsteller, gleichgültig ob sie Alteingesessene oder Heimatvertriebene sind, in gleicher Weise als ihrer Heimat verhaftet sind.
Meine Damen und Herren! Der Antrag enthält ein doppeltes Petitum, und zwar einmal die Bitte, dem Land Schleswig-Holstein für das Rechnungsjahr 1950 einen Zuschuß von 70 Millionen durch den Bund zu bewilligen, und zweitens, den Herrn Bundesfinanzminister zu ermächtigen, Schleswig-Holstein einen Kassenkredit bis zur Höhe von 35 Millionen zur Überbrückung rückständiger Leistungen aus dem Finanzausgleich der Länder zu gewähren. Beide Maßnahmen sind erforderlich, weil Schleswig-Holstein ohne sie nicht mehr in der Lage ist, seine Verpflichtungen dem Bund gegenüber zu erfüllen und seine dringendsten Landesaufgaben durchzuführen.
Ich darf zur näheren Begründung darauf verweisen, daß die außergewöhnliche wirtschaftliche und finanzielle Notlage Schleswig-Holsteins in der Begründung zu dem Gesetz über eine vorläufige Finanzhilfe für Schleswig-Holstein — Drucksache Nr. 1231 — eingehend dargestellt ist und insoweit an dieser Stelle nicht noch einmal vorgetragen zu werden braucht. Ebenso haben wir bei der Beratung des ersten Überleitungsgesetzes und zuletzt des Gesetzes über den Finanzausgleich der Länder wiederholt nicht an der Feststellung vorbeigehen können, daß die Lage Schleswig-Holsteins in beiden Gesetzen nicht so berücksichtigt werden konnte, wie das auf der Grundlage des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes erforderlich gewesen wäre.
Es ist notwendig, daß nach diesem Artikel die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder gesichert wird, um eine unterschiedliche Belastung der Länder in ihren Ausgaben auszugleichen. Dieses Ziel ist für Schleswig-Holstein, das als das finanzschwächste Land die Belastung durch die größte Zahl der Heimatvertriebenen zu tragen hat, nicht erreicht worden. Dementsprechend ist bereits in den Beratungen des Finanzausgleichsgesetzes sowohl im Bundestag wie auch im Bundesrat vom Herrn Bundesfinanzminister selbst und auch von den Vertretern der anderen Länder ausdrücklich anerkannt worden, daß das Finanzausgleichsgesetz und die darin vorgesehenen Finanzzuweisungen für Schleswig-Holstein nicht ausreichen.
Das heute vorliegende Gesetz über eine Bundeshilfe zieht aus dieser Situation und aus diesen Äußerungen lediglich die Konsequenzen. Die Notwendigkeit der erbetenen Hilfe ergibt sich aus einem Überblick über die gegenwärtige finanzielle Lage Schleswig-Holsteins. Ich muß dazu kurz die folgenden wesentlichen Tatsachen hervorheben. Schleswig-Holstein ist durch die Folgen des Krieges in eine besonders schwierige Lage geraten. Kriegszerstörungen und Demontagen haben seine Wirtschaftskraft sehr geschwächt. Es ist in der Öffentlichkeit nicht weithin bekannt, daß allein die Demontage umfangreicher Betriebe Schleswig-Holsteins annähernd ein Fünftel seiner Bevölkerung der Arbeits- und Erwerbsgrundlage beraubt hat. Die Einschränkungen des Seeverkehrs und die Abschneidung vom südöstlichen Hinterland durch die Zonengrenze haben seine wirtschaftliche Erholung zur Unmöglichkeit gemacht. Die früheren Vorteile seiner geopolitischen Lage wurden in der Nachkriegszeit weitgehend überlagert durch deren Nachteile, von denen insbesondere die Ausgaben für die Sicherung der Küsten bestehen geblieben sind.
Unter diesen Umständen hat die Aufnahme und Versorgung der in Schleswig-Holstein untergekommenen Heimatvertriebenen, deren Zahl mit 70% der einheimischen Bevölkerung die Zahlen der anderen Länder weit übersteigt, zu Aufgaben geführt, die das Land aus eigener Kraft nicht meistern kann. Dies wird einmal durch die in SchleswigHolstein angefallene Dauerarbeitslosigkeit schlagartig unter Beweis gestellt. Diese Arbeitslosigkeit betrug am 1. Januar 1951 26,33% sämtlicher registrierten Arbeitnehmer. Sie ist in der Zwischenzeit auf fast eine Viertelmillion, d. h. auf zirka 30% ge-
stiegen. Eine weitere Bestätigung ergibt sich daraus, daß die Kapitalbildung und die Steuerkraft je Einwohner, auf die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik berechnet, weit hinter dem Durchschnitt der anderen Länder zurückgeblieben ist. Der Stand der Spareinlagen betrug am 30. Januar 1950 je Kopf der Bevölkerung im gesamten Bundesgebiet 77 DM, in Schleswig-Holstein als dem Land mit dem niedrigsten Sparbetrag nur 47 DM. In Parallele dazu betrug das Aufkommen an Landessteuern in der Zeit vom 1. April bis 30. September 1950 auf den Kopf der Bevölkerung in Hamburg 105 DM, im Durchschnitt der Bundesrepublik 61 DM. Demgegenüber steht in Schleswig-Holstein ein Steueraufkommen von nur 33 DM je Kopf der Bevölkerung. Die geringe Höhe dieses Steueraufkommens ist nicht etwa, wie es in früheren Verhandlungen gelegentlich behauptet worden ist, darauf zurückzuführen, daß Schleswig-Holstein die ihm zustehenden Steuern nicht mit der nötigen Intensität eingetrieben hat. Ich kann dazu mitteilen, daß diese Frage bereits im Finanzausschuß des Bundesrats geprüft und dahin beantwortet worden ist, daß gegen die Steuererhebung in Schleswig-Holstein irgendwelche Beanstandungen nicht am Platze sind. Im übrigen ergibt sich dies auch daraus, daß die Landessteuern auf Grund von Bundesgesetzen zu erheben und insofern einer Einflußnahme des Landes weitgehend entzogen sind. Die besondere Notlage ergibt sich schließlich weiter daraus, daß die Hebesätze der Gemeindesteuern in Schleswig-Holstein weit über dem Durchschnitt der anderen, wesentlich finanzkräftigeren Länder stehen.
Aus seinen — wie ich geschildert habe — gegenüber allen anderen Ländern wesentlich geringeren Einnahmen muß das Land um so höhere Ausgaben bestreiten. Die Notwendigkeit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Milderung der Not der Heimatvertriebenen zwingt die Verwaltung auf fast allen Gebieten zu Ausgabesteigerungen, die in diesem Umfang — das muß auch hier einmal deutlich festgestellt werden — in allen anderen Ländern in solcher Höhe nicht anfallen. Die Finanzschwäche des Landes einerseits und seine außergewöhnliche Belastung durch die Ausgaben für die Heimatvertriebenen andererseits haben zu einem Auseinanderklaffen der Einnahmen und Ausgaben im Landeshaushalt geführt, für dessen Behebung aus Mitteln des Landes eine Deckung nicht mehr gefunden werden kann.
Eine Übersicht über die Haushaltslage am 1. Januar 1951 ergibt Einnahmen in Höhe von 368 Millionen DM und Ausgaben in Höhe von 512 Millionen DM. Von dem danach verbleibenden Fehlbetrag von 144 Millionen DM bleibt auch bei schärfsten Einsparungen in Höhe von möglicherweise 74 Millionen DM ein restlicher Fehlbetrag von 70 Millionen DM, der aus Mitteln des Landes einfach nicht gedeckt werden kann. Das wiegt um so schwerer angesichts der Tatsache, daß nach dem Stande vom 31. Dezember 1950 das Land in eine Gesamtverschuldung von 684 Millionen DM — darunter eine kurzfristige Verschuldung von 251 Millionen DM — geraten ist. Wenn Sie diese Beträge zu dem Aufkommen an Landessteuern im Jahre 1950, das nur 170 Millionen DM betrug, in eine Relation setzen, dann können Sie sich die katastrophale Lage Schleswig-Holsteins durchaus vorstellen. Die Notwendigkeit einer finanziellen Hilfe ist deswegen auch in allen Verhandlungen bei der Beratung des ersten Überleitungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes allgemein anerkannt worden. Leider haben diese Gesetze bislang keine ausreichende Hilfe gewähren können, auch hat der in Art. 120 vorgesehene Übergang der Besatzungsund Kriegsfolgelasten auf den Bund ab 1. April 1950 keine Entlastung gebracht. Eine Übersicht über die Auswirkungen des Überganges läßt klar erkennen, daß die zum gleichen Zeitpunkt auf den Bund übergegangenen Landessteuern im letzten Jahr ausgereicht haben würden, die auf den Bund übergegangenen Lasten in voller Höhe vom Land Schleswig-Holstein bestreiten zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich zähle eben, daß sich im Augenblick 72 Abgeordnete unterhalten. Es ist dem Herrn Redner nicht möglich, durchzudringen.
Darf ich mir die Zeit dazurechnen? Die Übersicht über das Aufkommen an Landessteuern und Bundessteuern vom 1. April bis zum 31. Dezember 1950 ergibt, daß von dem gesamten Steueraufkommen des Landes in dieser Zeit nur 25 % auf Landessteuern und 75 % auf Bundessteuern entfallen sind. Angesichts dieser Zahlen gewinnt die vom Lande Schleswig-Holstein übernommene Interessenquote ihre ganz besondere Bedeutung. Für Schleswig-Holstein ergibt sich aus diesen Übersichten über die tatsächliche Entwicklung, daß der Übergang der Lasten und Steuern auf den Bund ab 1. April 1950 eine Verschlechterung gebracht hat, die mindestens der Höhe der Interessenquote entspricht. Ich will auf die rechtliche und finanzwirtschaftliche Bedeutung der Interessenquoten an dieser Stelle nicht eingehen, da dieses Problem sowieso demnächst einer näheren Prüfung unterzogen werden soll und die Interessenquoten einstweilen j a nur für das Jahr 1950 ausgerichtet sind. Für das vorliegende Gesetz über eine Bundeshilfe für Schleswig-Holstein muß ich jedoch darauf hinweisen, daß die Belastung dieses Landes mit Anteilen an den vom Bunde zu tragenden Besatzungskosten und Kriegsfolgelasten in Form der Interessenquote in Höhe von 70 Millionen DM bei einem Landessteueraufkommen von 170 Millionen DM völlig untragbar ist. Tatsächlich ergibt die Entwicklung des laufenden Rechnungsjahres, daß Schleswig-Holstein zur Zahlung dieser Interessenquote einfach nicht in der Lage gewesen ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat zwar zunächst davon abgesehen, die Zahlung der Interessenquoten von den Ländern zu fordern, solange das erste Überleitungsgesetz und das Gesetz über den Finanzausgleich der Länder noch ein sehr umstrittener Gegenstand der Ausschußberatungen war. Nachdem sich die Länder aber im Dezember bereit erklärt hatten, Vorauszahlungen auf den Finanzausgleich über das Bundesfinanzministerium zu leisten, hat es der Herr Bundesfinanzminister für erforderlich gehalten, die für die finanzschwachen Länder bestimmten Zahlungen zur Aufrechnung gegen die rückständigen Interessenquoten einzubehalten. Die Folge davon ist, daß das Land Schleswig-Holstein von den Ausgleichsleistungen der anderen Länder bislang nicht einen Pfennig in bar erhalten hat.
Dabei muß besonders hervorgehoben werden, daß
das Gesetz über den Finanzausgleich der Länder in
der vom Bundestag bereits verabschiedeten Fassung für Schleswig-Holstein nur Finanzleistungen
in Höhe von 110 Millionen DM vorsieht gegenüber einer Finanzhilfe im vorigen Jahre von 220 Millionen DM und daß, wie bereits betont, in den Beratungen über das Finanzausgleichsgesetz vom Herrn Bundesfinanzminister und von den Ländern erklärt worden ist, daß diese Ausgleichszahlungen für Schleswig-Holstein nicht ausreichend sein würden.
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat deswegen seit Dezember die auf Grund des ersten Überleitungsgesetzes übertragenen Aufgaben des Bundes aus den um die Interessenquote gekürzten Betriebsmitteln nur in der Weise leisten können, daß sie die Ausgaben in wachsendem Maße aus den Betriebsmitteln der kommenden Monate leistete. Sie ist zur Zahlung der aufs äußerste gedrosselten Ausgaben für Landeszwecke nur dadurch in der Lage gewesen, daß sie durch ihre Kasse laufende, für bestimmte Aufgaben der Wasserwirtschaft, des Wohnungsbaues und für andere Zwecke vorgesehene Gelder für die dringendsten Aufgaben der Landesverwaltung verwandt hat. Sie hat dies nur tun können in dem Vertrauen darauf, daß in den Verhandlungen über den Finanzausgleich der Länder bereits anerkannt worden war, daß die Finanzzuweisungen allein nicht ausreichend sein würden. Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf dient daher vor allen Dingen auch dazu, im Sinne dieser Verhandlungen mit größter Beschleunigung die Maßnahmen zu ermöglichen, die allein der Leistungsfähigkeit Schleswig-Holsteins entsprechen und sie erhalten können.
Über die Notwendigkeit eines Bundeszuschusses von 70 Millionen kann danach meines Erachtens kein Zweifel mehr bestehen.
Von einer gewissen Bedeutung mag dabei die Frage der Deckung dieses Zuschusses sein. Hier ist von besonderem Interesse, daß die von SchleswigHolstein auf den Bund übergegangenen Kriegsfolge- und Soziallasten vom Bundesfinanzministerium in einer Übersicht vom Mai 1950 auf 605,9 Millionen DM geschätzt worden sind, während sie nach den jetzt vorliegenden Ziffern tatsächlich nur 517 Millionen DM betragen haben. Der Unterschied von 88 Millionen DM bedeutet daher bereits eine Einsparung im Bundeshaushalt, die zur Deckung des beantragten Bundeszuschusses ausreichen würde.
Ebenso ergibt das Bundessteueraufkommen an Zöllen und Verbrauchssteuern, Besitz- und Verkehrssteuern in Schleswig-Holstein nach den IstZahlen im Jahre 1950 voraussichtlich 305 Millionen DM gegenüber nur 329 Millionen DM im Rechnungsjahre 1949. Schleswig-Holstein hat also an Bundessteuern gegenüber den Erwartungen ein Mehraufkommen von 176 Millionen DM aufgebracht. Trotzdem sieht der vorgelegte Entwurf in § 2 vor, daß der Bund von der in Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen kann, zur Deckung eines etwaigen Fehlbetrages nach dem Verhältnis des Ist-Aufkommens die Einkommen- und Körperschaftsteuer der Länder im Rechnungsjahre 1950 in Anspruch zu nehmen. Aber das mag der Bund mit den Ländern selber aushandeln.
Für die in § 3 vorgesehene Ermächtigung des Bundesfinanzministers, dem Lande Schleswig-Holstein mit einem unverzinslichen Kassenkredit bis zur Höhe von 35. Millionen DM zur Überbrückung rückständiger Leistungen aus dem Finanzausgleich zu Hilfe zu kommen, bedarf es meines Erachtens keiner weiteren Ausführungen, da die Abwicklung dieses Kredits durch die über das Bundesfinanzministerium zu leistenden Finanzausgleichszahlungen der zuschußpflichtigen Länder gesichert ist.
Fasse ich zusammen, so ergibt sich durch die Annahme dieses Gesetzes die Möglichkeit, dem durch die Unzulänglichkeit unserer geltenden Finanzverfassung am härtesten betroffenen Land zu helfen, wie es im Rahmen des Art. 106 des Grundgesetzes als selbstverständliche Folgerung der Zusammengehörigkeit aller Länder angenommen werden darf. Ich bitte Sie vor allem, noch einmal zu bedenken, daß die Finanznot Schleswig-Holsteins im wesentlichen darauf beruht, daß dieses finanzschwächste Land durch die Aufnahme einer außergewöhnlich hohen Zahl von Heimatvertriebenen eine Aufgabe auf sich genommen hat, die zu erfüllen im gesamtdeutschen Interesse liegt und damit Aufgabe aller Länder sein muß. Ich bitte Sie außerdem, daran zu denken, daß Schleswig-Holstein Grenzland ist und daß es die ihm angefallenen Aufgaben auf kulturellem Gebiet wie auf allen anderen Gebieten nur dann erfüllen kann, wenn seine Leistungsfähigkeit so weit erhalten wird, wie es dem Entwicklungsstande der anderen deutschen Länder entspricht. Es würde in Schleswig-Holstein von den Einheimischen sowohl wie von den Heimatvertriebenen nicht verstanden und vor allem auch von der Grenzbevölkerung als Im-Stich-lassen empfunden werden müssen, -wenn der Bund als Vertreter Gesamtdeutschlands dieser Aufgabe nicht gewachsen wäre und ihr nicht gerecht werden könnte.
Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehrere Kollegen dieses Hauses haben mich gefragt, wie es denn möglich sei, daß so kurze Zeit nach der Verabschiedung des Finanzausgleichsgesetzes Schleswig-Holstein mit neuen Forderungen komme. Sie haben mir zum andern gesagt, es sei ungewöhnlich, daß diese Forderungen nicht von der schleswig-holsteinischen Regierung im Bundesrat vorgebracht würden, sondern daß schleswig-holsteinische Abgeordnete des Bundestags einen Initiativgesetzentwurf einbrächten.
Zur Rechtfertigung des Herrn Landesfinanzministers möchte ich sagen, Herr Kollege Oellers: die Fremdgelder, die er jeweils verwendet, verwendet er nicht endgültig für diese Zwecke — ein Notar darf das überhaupt nicht, ich glaube, darauf steht Zuchthaus nicht unter zwei Jahren; aber ein Landesminister darf das —, sondern er nimmt diese Fremdgelder in Anspruch, bis er sie für den Zweck, für den sie vorgesehen sind, benötigt. Das haben die früheren Finanzminister getan, das tut der heutige auch. Durch das, was Sie gesagt haben, konnte ein falscher Eindruck entstehen.
Herr Kollege Oellers hat die Landessteuereinnahmen und die Bundessteuereinnahmen hier in einigen Zahlen erläutert. Ich möchte dazu noch einige Erklärungen geben. Die Landessteuereinnahmen sind im „Ist" der bisherigen zehn Monate des laufenden Rechnungsjahres hinter dem „Soll" erheblich zurückgeblieben. Die reinen Landessteuereinnahmen waren mit 227 Millionen DM in den Haushalt eingesetzt worden. Dann kam die Einkommensteuerreform und brachte dem Land erhebliche Rückschläge. Die Einkommensteuerreform mußte sich natürlich in einem so armen Land wie Schleswig-Holstein stärker auswirken
als in wohlhabenden Ländern. Tatsächlich werden die gesamten Landessteuereinnahmen, die am 31. Januar d. J. 140 Millionen DM betrugen, bis zum 31. März nicht mehr als 170 Millionen DM betragen können; es bleibt Differenz zum Einnahmesoll von 57 Millionen.
Die Ausgaben waren im vorigen Jahre nach sorgfältigen Überlegungen mit 454 Millionen DM in den Etat eingesetzt worden. Darin waren Finanzausgleichszahlungen enthalten, die vor dem 1. April 1950 220 Millionen DM betrugen, die aber mit den 110 Millionen DM dieses Jahres nicht, wie Sie, Herr Kollege Oellers, es getan haben, in Vergleich gebracht werden können. Denn am 1. April sind die Bundeslasten und die Bundessteuern nach Art. 120 GG eben auf den Bund übergegangen, so daß der gegenwärtige Finanzausgleich von 110 Millionen DM sich innerhalb des reinen Landeshaushalts bewegt.
Ich habe im Sommer vorigen Jahres als Finanzminister Schleswig-Holsteins nach sorgfältigen Überlegungen von der Ermächtigung des Haushaltsgesetzes Gebrauch gemacht und habe die ohnehin schon sehr stark gedrosselten Ausgaben um weitere 64 Millionen DM gesperrt. Ich war mir darüber klar, daß diese Sperrung gar nicht in vollem Umfang durchführbar sein würde. Aber ich bezweckte damit zweierlei. Erstens wollte ich die Ressorts zwingen, mit dem Finanzminister zu verhandeln; zweitens wollte ich eine bessere Position beim Bund und in der Konferenz der Finanzminister der Länder erreichen.
Nun zum Bundessteueraufkommen. Die Bundeslasten in Schleswig-Holstein waren am 1. April 1950 vom Herrn Bundesfinanzminister mit rund 600 Millionen DM errechnet worden. Die Bundessteuereinnahmen sollten rund 300 Millionen DM betragen, so daß der Bund in Schleswig-Holstein von vornherein ein Defizit von 300 Millionen DM übernehmen sollte. Das ist, wie Herr Kollege Oellers schon gesagt hat, anders gekommen. Ich konnte schon im August vorigen Jahres den Herrn Bundesfinanzminister darauf aufmerksam machen, daß nach dem Ergebnis der ersten vier Monate des laufenden Rechnungsjahres die Bundesausgaben um rund 100 Millionen DM geringer sein würden, als sie veranschlagt waren. Dahingegen haben die Bundeseinnahmen in Schleswig-Holstein bereits jetzt 437 Millionen DM erreicht.
Sie werden am 31. März mindestens 480 Millionen DM, wahrscheinlich 500 Millionen DM erreichen, während die Bundesausgaben in Schleswig-Holstein am 31. März nicht mehr als 480 Millionen DM betragen werden. Mit anderen Worten: der Bund hat in Schleswig-Holstein für die Bundesaufgaben keine Ausgaben, sondern er schneidet mindestens mit plus minus null ab; wahrscheinlich schneidet er mit einem Gewinn ab.
Ein Wort zur Interessenquote. Die 100 Millionen DM, von denen ich sprach, die ich im August vorigen Jahres Herrn Bundesfinanzminister Schäffer nannte, betrugen 17% des Haushalts, d. h. sie entsprachen im Schnitt genau der Größe der Interessenquote. Die Interessenquote, gegen die ich hier nicht polemisieren will, stellt sich in Wirklichkeit in Schleswig-Holstein gar nicht als Interessenquote, sondern als Alimentierungsquote dar.
Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesfinanzminister eben zugehört hat. Ich habe gesagt, daß SchleswigHolstein keine Interessenquote, sondern eine Alimentierungsquote für den Bund geleistet habe.
Nun entsprechen die 70 Millionen, die jetzt gefordert werden, genau dem Fehlbetrag, der Interessenquote, welche Schleswig-Holstein dem Bunde schuldet:
Die Notlage Schleswig-Holsteins ist eindeutig, und nach dem, was ich eben gesagt habe, wird es mir wahrscheinlich mein Herr Nachfolger im Amte des schleswig-holsteinischen Finanzministers bestätigen, daß er nicht viel anders in der Sache sprechen könnte. Deshalb wäre die Frage zu klären, warum nicht alle schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten diesen Initiativgesetzentwurf unterzeichnet haben. Die Anregung dazu kam von der schleswig-holsteinischen Regierung. Wir haben uns das wohl überlegt, und ich erkläre: Wir sind für Schleswig-Holstein, für Annahme dieses Gesetzentwurfs. Aber wir sozialdemokratischen Abgeordneten fühlten die Verpflichtung, uns von der gegenwärtigen schleswig-holsteinischen Regierung klar zu distanzieren.
Was Herr Kollege Oellers nicht gesagt hat, ist, daß das enorme Bundessteueraufkommen in Schleswig-Holstein das Ergebnis der sozialdemokratischen Wirtschafts- und Finanzpolitik gewesen ist.
Denn wir haben durch unsere Wirtschaftspolitik
100 000 Arbeitsplätze geschaffen. Die Umsatzsteuer
aus den neuen Betrieben fließt sofort; die Verbrauchssteuern fließen sofort. Die Landessteuereinnahmen aus den neuen Betrieben kommen viel
später! Stellen Sie sich vor, daß wir in den ersten
10 Monaten dieses Jahres allein 215 Millionen
Tabaksteueraufkommen in Schleswig-Holstein erzielt haben, wo vor drei Jahren fast nichts war!
Das sind ganz eindeutige Erfolge der früheren sozialdemokratischen Regierung. Denken wir nur daran, mit welchen Mitteln diese Regierung bekämpft worden ist, was für alte Schablonen aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts herangeholt wurden,
wie das rote Gespenst an die Wand gemalt wurde, wie „alle Kräfte rechts der SPD" zu einem Zusammenschluß mobilisiert werden sollten, wie gegen die einheimische schleswig-holsteinische Bevölkerung agitiert worden ist! Und was hat diese Bevölkerung geleistet?
Ein Beispiel: Die Stadt Lübeck hat 100 000 Alteinwohner und sehr viel zerstörten Wohnraum, und zu diesen 100 000 Einwohnern hat sie 85 000 Flüchtlinge dazu aufgenommen.
Der Kreis Lauenburg, den ich vertrete und dessen Landrat ich in den ersten Jahren nach dem Kriege war, hatte 68 000 Alteinwohner, dazu kamen 86 000 Flüchtlinge und 22 000 DP's.
Ich kann erklären, daß die schleswig-holsteinische Bevölkerung Unglaubliches geleistet hat
und daß es deswegen unverständlich ist und einem unverantwortlichen Parteiegoismus entspricht, wenn unter solchen Umständen die Kommunalparlamente, die Gemeinde- und Kreisvertretungen vorzeitig aufgelöst werden, um eine Unruhe in das Land hineinzutragen, die wir für ein nationales Unglück halten.
Von meiner Seite sprechen dabei keinerlei parteipolitische Erwägungen mit.
Die Sozialdemokratische Partei hat dabei nichts zu verlieren. Das wird sich als ein nationales Unglück auswirken.
Die Flüchtlinge in Schleswig-Holstein haben nicht unter dem Versagen der vorigen Regierung zu leiden, sondern — gestatten Sie mir, daß ich es ganz klar sage — unter dem schamlosen Egoismus anderer deutscher Länder, die die Aufnahme von Flüchtlingen, die bei uns schon längst nicht mehr menschenwürdig untergebracht werden können, verweigern.
Da liegt der eigentliche Grund, und die Betroffenen sollten sich an ihre Brust schlagen und überlegen, ob das so weitergehen kann.
Ich habe schon vor Jahren erklärt, daß ich da die Wiege einer künftigen sozialen Revolution in Schleswig-Holstein sehe.
Die gegenwärtige Regierung, zu der ich kein Wort im einzelnen sagen möchte, übt eine Personalpolitik, indem sie bewährte Demokraten ausschaltet
und indem sie Persönlichkeiten von zweifelhaftem Rufe und Persönlichkeiten von ganz unzweifelhafter nationalsozialistischer Vergangenheit und nationalsozialistischem Rufe — —
Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen! Ich glaube nicht, daß wir eine Gesamtaussprache über die schleswig-holsteinische Landespolitik haben wollen, sondern nur über den Gesetzentwurf.
Ich bitte deshalb, sich nach Möglichkeit zu dem Gesetzentwurf zu äußern.
Herr Präsident! Ich stimme Ihnen völlig zu, und Sie werden bemerken, daß es weniger als eine Minute dauern wird, bis ich diesen Gegenstand verlassen haben und zum Schluß kommen werde. Das Schlußlicht ist bereits aufgeleuchtet. Sie bezeichneten es gestern einem Abgeordneten gegenüber als Leuchtfeuer, es kommt mir aber in diesem Augenblick mehr als ein Irrlicht vor, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir noch einige wenige Minuten — ich verspreche, mich ganz kurz zu fassen — gestatten würden, damit ich aus dem Gesagten noch ein paar Schlußfolgerungen ziehen kann.
Ich habe die Zeit noch nicht beanstandet, Herr Abgeordneter. Ich habe nur die Frage. der Geschäftsordnung aufgeworfen und mir dabei erlaubt, gleich diese Bitte vorzutragen.
Selbstverständlich! Ich danke Ihnen sehr, Herr Präsident!
Ich wollte nun zum Schluß sagen: Ich habe das nicht vorgebracht, um hier schleswig-holsteinische Wäsche zu waschen, sondern weil es sich um mehr als um schleswig-holsteinische Angelegenheiten handelt.
Die Vorgänge in Schleswig-Holstein sind nicht nur im englischen Unterhaus behandelt, sie sind auch in führenden amerikanischen und anderen ausländischen Zeitungen mit sehr großer Aufmerksamkeit registriert worden; und zwar nicht als Vorgänge in Schleswig-Holstein, sondern als Symptome einer neuen Entwicklung der deutschen Politik.
Das ist das Entscheidende, und deswegen habe ich mir erlaubt, diese Anmerkungen zu machen, weil ich überzeugt bin, daß es einmal vor dem Forum des Deutschen Bundestages gesagt werden muß. Daß ich sehr maßvoll darüber gesprochen habe, werden mir alle diejenigen zugeben, die die Verhältnisse in Schleswig-Holstein kennen.
Was kann nun der Bund für Schleswig-Holstein tun? Was kann die Regierung tun? Was können Sie, meine Damen und Herren, tun? Ganz kurz: Es sollten mehr Aufträge nach Schleswig-Holstein gegeben werden, die in zahlreichen Fällen nur deswegen nicht gegeben werden, weil wir so verkehrsfern liegen. Es sollten die Bundesbahnfrachttarife eingehend überprüft werden. Wir sollten aus den vorhandenen Investitionsmitteln größere Investitionskredite bekommen. Wenn ich Ihnen ein Bild davon geben könnte, was in Schleswig-Holstein durch Flüchtlingsindustrien in Handwerk, Mittel- und Großindustrie geleistet worden ist, dann würden Sie lebendig sehen, daß die Flüchtlinge in Schleswig-Holstein uns nicht nur eine Last, sondern auch eine wahre Bereicherung sind.
Dann würden Sie auch begreifen, daß es notwendig ist, hier stärkere Mittel für den Straßenbau und für den Fremdenverkehr einzusetzen. Von 140 Ostseebädern z. B. sind nur noch 17 im Gebiet der Bundesrepublik, und die sind mit Flüchtlingen überbelegt. Geben Sie uns die notwendigen, recht geringen Kredite, und wir können die Bäder wieder nutzbar machen. Nicht zu vergessen die landwirtschaftliche Siedlung. Was wir in den letzten Jahren dort aufgebaut haben, ist sehenswert und wird sogar die alten Gegner von Bodenreform und Siedlung überzeugen. Wir brauchen nur Siedlungskredite. Das Land ist da, die gesetzlichen Grundlagen sind da, und wir sollten auf diesem Gebiet weiterarbeiten.
Ich bin überzeugt, daß die Probleme SchleswigHolsteins durch Finanzausgleich nicht gelöst werden können. Es gibt keinen Schlüssel, der dieses arme Land mit einbeziehen könnte. Das sehen wir an dem vorliegenden Gesetzentwurf, der über das Finanzausgleichsgesetz hinausgeht, in dem sich ja bereits ein Sonderbonus für Schleswig-Holstein befindet. Finanzausgleich kann — das hat Popitz überzeugend nachgewiesen — immer nur Spitzenausgleich sein. Mit den Mitteln des Finanzausgleichs also kann diesem armen Lande nicht geholfen werden.
Die Steuerverteilung nach Art. 106 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes offenbart auch durch die mitgeteilten Zahlen über das Aufkommen von Landes-und Bundessteuern, daß sie nicht der Bundesrepublik Weisheit letzter Schluß sein kann. Vielmehr sollten wir nach Abschluß des laufenden Rechnungsjahres unverzüglich mit den Vorarbeiten für eine endgültige Steuerverteilung auf Bund und Länder nach Art. 107 des Grundgesetzes beginnen, da diese Gesetzgebung bis zum 31. Dezember 1952 abgeschlossen sein muß. Auch eine Steuerreform nach Art. 107 wird das Problem nicht lösen. Die unglückliche Konstruktion der deutschen Länder
macht eine sinnvolle Zusammenarbeit der Länder unmöglich. Es ist eine Gebietsreform nötig, wenn der Föderalismus in Deutschland überhaupt Wirklichkeit werden soll, denn bisher steht er nur auf dem Papier.
Scheitert auch eine solche Steuerreform nach Art. 107, dann sehe ich keinen anderen Ausweg mehr als die zentrale Bundesfinanzverwaltung. Diese zentrale Bundesfinanzverwaltung ist auf dem Wege. Der Vortrupp dahin wird immer stärker, und wenn mein Gesicht mich nicht täuscht, erkenne ich in dem Bannerträger dieses Vortrupps die sympathischen bayerisch-föderalistischen Züge unseres Herrn Bundesfinanzministers.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner war eben so liebenswürdig, von den sympathischen Zügen des Bundesministers der Finanzen, den er in diesem Fall als bayerischen Föderalisten oder Vertreter des bayerischen Föderalismus bezeichnete, zu sprechen.
Der Bundesminister der Finanzen sieht sich genötigt, hier ganz trocken und nüchtern auf eine sehr schwierige Frage, auf eine verfassungsrechtliche Frage zu sprechen zu kommen. Der Bundesminister der Finanzen und jeder Föderalist, der den Föderalismus des Grundgesetzes anerkennt, muß zunächst einmal darauf verweisen. daß die Unterstützung steuerschwacher Länder in Art. 106 des Grundgesetzes, und zwar, wie ich annehme, erschöpfend, geregelt ist. Es stünde mit unserer Verfassung nicht im Einklang, und ich glaube auch, daß es praktisch gar nicht durchführbar wäre, wenn der Bund aus Bundesmitteln, aus Mitteln des Haushalts, steuerschwache Länder finanzieren und ihnen die Mittel zur Verfügung stellen wollte. Dieser Weg müßte in seiner Auswirkung gegen den föderalistischen Gedanken sprechen, wäre aber auch finanztechnisch wohl überhaupt nicht gangbar. Es wird die Regelung — und das will an sich auch der Gesetzentwurf — gewählt werden müssen, in einem solchen Fall nur nach den Bestimmungen des Art. 106 Abs. 3 oder auch Abs. 4, der in dem Entwurf allerdings nicht erwähnt ist, zu verfahren.
Ich glaube aber mit dem Herrn Vorredner einer Meinung zu sein, wenn ich erkläre: Ich übernehme seine Anregung, zu prüfen, ob nicht ein interner Finanzausgleich unter benachbarten Ländern möglich ist, wenn zwischen diesen benachbarten Ländern wirtschaftliche Zusammenhänge bestehen. die vielleicht zu der besonderen Notlage des einen Landes führen, also zu prüfen, ob bei der Handhabung des Art. 106 Abs. 4 solche wirtschaftlichen Zusammenhänge in einem regionalen Finanzausgleich berücksichtigt werden können. Wir würden dann. glaube ich, einen gesunden Weg gehen, indem der horizontale Finanzausgleich des Bundes verstärkt werden könnte durch regionale Gesichtspunkte.
die unter benachbarten Ländern statthaben.
Ich darf infolgedessen zu dem Gesetzentwurf nur die eine Bemerkung machen: Wenn in § 2 des Entwurfs eine Kann-Bestimmung gewählt ist — „Zur Deckung dieses Zuschusses kann der Bund gemäß Artikel 106 Absatz 3 ... die Länder in Anspruch nehmen" —, so ist nach meinem Dafürhalten dies nicht als Kann-Bestimmung aufzufassen, sondern es ist eine Muß-Bestimmung insofern, als die Mittel nach meiner Überzeugung n u r auf dem Wege des Art. 106 gewonnen werden können.
Ich möchte zur Sache noch folgendes bemerken. Wir haben uns seinerzeit über das Problem des horizontalen Finanzausgleichs in diesem Hause und im Gebäude des Bundesrats den Kopf zerbrochen. Wir haben das Bestmögliche getan, um auch die Frage Schleswig-Holstein durch den horizontalen Finanzausgleich mit zu lösen. Ich darf daran erinnern, daß das Steueraufkommen des Landes Schleswig-Holstein nach den damals vorhandenen Unterlagen rund 110 Millionen D-Mark beträgt und daß nach dem Gesetzentwurf über den horizontalen Finanzausgleich Schleswig-Holstein dieselbe Summe, also 100% seines Aufkommens, aus dem horizontalen Finanzausgleich erhalten sollte. Eine Kommission, die ich bereits vor längeren Monaten nach Schleswig-Holstein gesandt habe, hat damals einen Finanzbedarf über die eigenen Steuereinnahmen hinaus von ungefähr 154 Millionen berechnet. Eine spätere kam zu einer Berechnung von insgesamt 170 Millionen; ich gebe nur runde Ziffern. Ich darf bemerken, daß der Bund in der letzten Zeit bereits Schleswig-Holstein in Form eines Kassenkredits helfend hat beispringen müssen; daß das Land Schleswig-Holstein bis dahin schon eine Art von Selbsthilfemaßnahmen ergriffen hatte, die heule zur Folge haben, daß neben der eigenen Steuerkraft Schleswig-Holsteins, d. h. seinen Steuereinnahmen, und den Einnahmen aus dem horizontalen Finanzausgleich auf dem Wege des Kredits und der Selbsthilfemaßnahmen dem Land Schleswig-Holstein schon mehr zugeflossen ist, als diese Differenz nach den Berechnungen und dem Bedarf erfordert hätte. Ich ziehe daraus hier nur die Schlußfolgerung, daß der Gesetzentwurf notwendig ist und daß wir uns über die Frage der Regelung der finanziellen Verhältnisse des Landes Schleswig-Holstein. mit Hilfe der Gesetzgebung des Bundes in aller Form und mit aller Gründlichkeit werden aussprechen müssen.
Ich darf dabei noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen. Ich glaube, daß das Hohe Haus gern bereit ist, alles zu tun, um das Land Schleswig-Holstein finanziell gesund und lebensfähig zu erhalten. Aber es wird eine schwierige Aufgabe sein, zu entscheiden, ob der Bund in seiner Gesetzgebung dabei über die Grenze hinausgehen kann, die dadurch gezogen ist, daß er hier mit Bundeshilfe vielleicht einem Lande mehr zuweist, als Nachbarländer, die die Bundeshilfe nicht in Anspruch genommen haben, insgesamt an Steuerkraft und Mitteln des Finanzausgleichs heute haben. Das ist eine Grenze, die bei den Beratungen wohl überlegt werden muß.
Im übrigen glaube ich sagen zu dürfen. daß für die Bundesregierung die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit des Landes Schleswig-Holstein durch Mittel der Bundesgesetzgebung eine brennende Frage ist. Schleswig-Holstein ist das Land, das am meisten mit Flüchtlingen durchsetzt ist, ist ein Land, das an der Ostgrenze liegt, und Schleswig-Holstein muß daher zahlungsfähig gehalten werden. Die Bundesregierung ist also sehr gern bereit, sich an den Beratungen über diesen Initiativgesetzentwurf im Ausschuß zu beteiligen mit dem Ziele, das Land Schleswig-Holstein zahlungsfähig zu erhalten, in dem Rahmen, den das Grundgesetz für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern auf finanziellem Gebiete zieht.
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion ist damit einverstanden, daß für die bestehenden Notstandsgebiete in Westdeutschland Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden, und es ist schon sehr richtig gesagt worden, daß Schleswig-Holstein in besonderer Weise zu den Notstandsgebieten Westdeutschlands gehört. Man kann aber unserer Auffassung nach nicht an der Frage vorbeigehen, was in weiterer Zukunft werden soll. Die Zuschußleistungen können nach unserer Auffassung nicht mehr als ein vorübergehender Notbehelf für eine begrenzte Zeit sein.
Will man zu einer Gesundung der Lage in den sogenannten Notstandsgebieten kommen. dann müssen unserer Meinung nach die Fesseln beseitigt werden, die uns vom Petersberg angelegt sind.
Erst dann können die wirtschaftlichen Verhältnisse auch in Schleswig-Holstein und in anderen Notstandsgebieten gebessert werden; erst dann können die zahlreichen Arbeitslosen in diesen Notstandsgebieten wieder Arbeit und damit eine Existenz erhalten. Wir Kommunisten haben schon wiederholt darauf hingewiesen, daß es in Schleswig-Holstein, insbesondere in den Hafenstädten. sehr viele äußerst befähigte Facharbeiter der verschiedensten Sparten gibt, dazu Techniker und Ingenieure, die große Erfahrungen im Schiffbau haben. Wir sagen: Fallen die Petersberger Fesseln, die unserer Wirtschaft auferlegt sind, dann fallen auch die Beschränkungen für den Schiffbau, und wird uns der Schiffbau freigegeben, fallen die Beschränkungen für den Aufbau der Werftbetriebe; fallen weiter die Beschränkungen, die uns vom Petersberg in Fragen des Außenhandels auferlegt sind, haben wir über unsere Kohle und unseren Stahl selbst zu bestimmen, dann sind in Verbindung mit der Förderung des Handels mit der Deutschen Demokratischen Republik
und den Ländern des Ostens und des Fernen Ostens
ungeahnte Möglichkeiten einer Entfaltung unserer Wirtschaft auf allen Gebieten gegeben, und damit verbunden, ist unserer Meinung nach der Weg offen
zur Behebung der Not in den heute so zahlreichen Notstandsgebieten Westdeutschlands.
Geht man aber einen anderen Weg, nämlich den Weg der nur westlichen Orientierung, der ein Weg der Kriegsvorbereitung gegen den Osten ist,
so bleiben nicht nur die jetzigen Notstandsgebiete bestehen,
sondern der größte Teil der Bevölkerung ganz
Westdeutschlands geht den Weg der Verelendung.
Herr Abgeordneter, dieses Thema scheint zur Ausweitung zu verführen. Ich darf Sie bitten, sich an das Thema zu halten.
Einen Ausweg aus dieser Lage gibt es nur, wenn sich die Bevölkerung ganz Deutschlands auf die Sicherung des Friedens orientiert und alle Maßnahmen bekämpft, die von der Adenauer-Regierung
und den sie stützenden Parteien und Politikern in Verbindung mit den Westmächten zur Vorbereitung und Durchführung eines Krieges getroffen werden. Das ist die Auffassung der kommunistischen Fraktion.
Das Wort hat der Abgeordnete Brookmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus hat schon mehrfach Gelegenheit genommen, sich mit der besonderen Lage des Landes Schleswig-Holstein zu befassen. Ich muß anerkennen, daß dieses Haus in jüngster Vergangenheit bereits zweimal großes Verständnis für die Lage jenes Landes im Norden, jenes Grenzlandes, aufgebracht hat: einmal als es sich darum handelte, die Küstenkohlentarife zu verlängern, und das zweite Mal in der Frage der Flüchtlingsumsiedlung. Ich möchte auch nicht verfehlen, an dieser Stelle der Bundesregierung, insbesondere dem Herrn Bundesfinanzminister und auch dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, dafür zu danken, daß sie, soweit es im Rahmen der der Bundesregierung gegebenen Möglichkeiten lag, bereits geholfen hat.
Aber. meine Damen und Herren. diese Hilfe hat leider nicht ausreichen können.
Ich darf mich auf die sehr ausführliche und substantiierte Begründung des Antrages Drucksache Nr. 1867 durch Herrn Dr. Oellers beziehen. Ich darf mich auch auf die sehr verständnisvollen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers und gleichfalls auf die Ausführungen beziehen, die Herr Kollege Dr. Gülich an dieser Stelle gemacht hat. Ich darf noch auf einen Schönheitsfehler hinweisen. Herr Kollege Dr. Gülich, ich bedauere es sehr, daß Ihre schleswig-holsteinischen Freunde sich nicht haben bereit finden können, als Mitunterzeichner unter diesem Antrag aufzutreten; denn im Grunde genommen - ich weiß das doch aus persönlichen Gesprächen nicht nur mit Ihnen, sondern auch mit anderen sozialdemokratischen Kollegen — stimmen Sie mit uns darin überein daß dem Lande, in dem nun weiß Gott Not herrscht aus Gründen, die wir alle kennen, geholfen werden muß.
Herr Kollege Oellers hat bereits darauf hingewiesen, daß das Land Schleswig-Holstein allein durch die Demontagen 120 000 Arbeitsplätze verloren hat. Meine Damen und Herren, darunter befinden sich hochqualifizierte Verwaltungsbeamte aus den früheren Dienststellen in der Landeshauptstadt Kiel, in Großstädten wie Neumünster usw., und darunter befinden sich hochqualifizierte Arbeitskräfte aus der Maschinen-, Werftindustrie usw. Diese liegen brach auf der Straße. Darüber hinaus zählen wir in Schleswig-Holstein im Augenblick allein rund 35 000 Jugendliche unter 18 Jahren, die keine Berufsausbildung haben und keine Arbeitssteilen finden können.
Ich glaube, diese Hinweise allein genügen schon, um dem Hohen Hause erneut klarzumachen, daß hier etwas geschehen muß, und offenbar besteht auch seitens der Bundesregierung der Wille, etwas zu tun.
Dem Herrn Kollegen Gundelach möchte ich nur sagen: Sorgen Sie dafür, daß der Eiserne Vorhang hochgezogen wird, damit Schleswig-Holstein sein natürliches Ausbreitungs- und wirtschaftliches Verbreitungsgebiet nach Osten wiederbekommt, nach Mecklenburg, wozu es gehört. Diese Aufgabe können Sie lösen, wenn Sie überhaupt etwas für die Einheit Deutschlands tun wollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas sagen. Herr Kollege Gülich konnte es sich nicht ganz verkneifen, mit einigen Worten auf die „vorzügliche" Wirtschaftspolitik seiner Landesregierung einzugehen. Zugegeben, daß manches geschehen ist; aber — der Herr Präsident würde mich sonst vielleicht monieren — ich glaube, wir unterhalten uns darüber und auch über die Personalpolitik der früheren schleswig-holsteinischen Landesregierung bei uns im Lande selbst. Dort haben wir mehr Zeit.
Dann haben Sie eine Begründung für die Ablehnung der Vorverlegung der Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegeben. Ich möchte dazu an dieser Stelle nicht Stellung nehmen. Das scheint mir auch eine Angelegenheit zu sein, die wir besser im Lande Schleswig-Holstein selbst regeln. Aber die Begründung, Herr Dr. Gülich, war mir doch außerordentlich interessant. Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, Ihrem Parteichef Dr. Schumacher und anderen Herren Ihrer Fraktion diese Begründung immer wieder vorzuhalten, wenn von ihnen der Schrei nach Neuwahlen in der Bundesrepublik erhoben wird.
Die Lage, ob Sie sie wirtschaftlich oder politisch nehmen, ist die gleiche. Also, ich würde an Ihrer Stelle mit solchen Vergleichen etwas vorsichtiger sein.
Ich möchte mir erlauben, den Antrag zu stellen, daß die Drucksache Nr. 1867 dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zur Beratung überwiesen wird, und dabei der Hoffnung Ausdruck verleihen. daß Sie den Gesetzentwurf wohlwollend prüfen und ihm ebenso wohlwollend ihre Zustimmung erteilen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nur einige kurze Bemerkungen zu machen.
Ad I: Über Schleswig-Holsteins. Not und Sorgen ist hier im Hause schon so viel gesprochen und auch heute wieder angedeutet worden, daß darüber nichts mehr gesagt zu werden braucht. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß diese Not und diese Sorgen im Jahre 1945 einsetzten und daß es dann immerhin vier Jahre dauerte, bis wir in Westdeutschland wenigstens ein eigenes deutsches Staatsgebilde, zunächst mal vorläufig, schaffen konnten. Während dieser vier Jahre ist den unglücklichen Heimatvertriebenen unseres Landes stets und immer wieder gesagt worden: Mit den schwachen Kräften unserer Heimat SchleswigHolstein kann euch nicht geholfen werden; wir sind
Deutsche, laßt erst einmal ein deutsches Staatswesen werden, dann wird es Euch besser gehen.
Die Heimatvertriebenen bei uns zu Hause haben eingesehen, daß ihnen durch das Land selbst, unser kleines Ländchen, in der Tat nicht zu helfen ist, und haben sich vertrösten lassen, bis dann der Bund stand. Als aber der Bund im Jahre 1949 errichtet wurde und dann wiederum im ersten Jahre danach noch gar nichts geschehen war, erst dann hat sich der BHE gegründet. Das wollen Sie bitte beachten! Der Parteizusammenschluß der Heimatvertriebenen ist erst erfolgt, als man sah: Es hat sich gar nichts gewandelt; die Vertröstungen auf die größere deutsche Gemeinschaft schienen lediglich Propaganda zu sein. Unsere Heimatvertriebenen — das sind beinahe 45 % der Bevölkerung —warten jetzt bald seit sechs Jahren darauf, daß etwas Nachhaltiges geschieht. Ich meine, es ist Sache des Bundes, hier für Zustände zu sorgen, die endlich die unerträgliche Spannung beheben, um anständige deutsche Menschen, die menschenunwürdig leben müssen, nun auch menschenwürdig leben zu lassen. Ich glaube nicht, daß das in allen Teilen des Bundes bisher richtig verstanden worden ist. Ich weiß, daß es nicht richtig gewürdigt wird.
Ich habe es bei den sehr humorvollen, aber auch der Sache sehr gerecht werdenden Ausführungen des Herrn Dr. Gülich bedauert, daß er einen Teil unserer schmutzigen Landeswäsche hier vor dem Bundestag waschen zu müssen glaubte. Ich bin der Ansicht, daß wir im Lande doch befriedeter dastehen, als es seinen Ausführungen zu entnehmen ist,
daß wir zu Hause gar nicht diese höchst zugespitzten Gegensätzlichkeiten haben, die es anderwärts
gibt. Und wenn man die Sache mit unseren heimischen Augen ansieht, kann man es sehr wohl verstehen, daß in unserem Lande die reine SPD-Regierung nun durch eine Regierung ganz ohne SPD
abgelöst worden ist. Darüber braucht man gar
nicht lange zu polemisieren. Deswegen besteht zwischen den Parteien in unserem Lande nun keineswegs gleich Todfeindschaft. Ich möchte es so formulieren: Keine Landesregierung — sie mag nun so
gefärbt sein, wie sie will — kann allein der Not des
Landes nachhaltig steuern. Wir stehen als Schleswig-Holsteiner hinter jeder Regierung, die — —
— Jawohl, genau so habe ich es gesagt. Ich habe
z. B. in Gegenwart Ihres Parteifreundes Dr. Schmid
in einer SPD-Versammlung gesagt, daß es ein gewaltiger Irrtum sei, zu glauben, daß nun nur eine
andere Regierung dazusein brauchte, um alle Schäden zu beseitigen. Etwas anderes habe ich niemals
auch nur anzudeuten versucht, sondern alle Einsichtigen waren sich bei uns im Lande stets darüber klar. Unsere „schmutzige Wäsche" bedarf hier
keiner Erwähnung. Ich bitte, die Situation vom
Bunde aus so zu sehen: Es handelt sich um keine
parteipolitische Forderung, sondern eine Forderung
der Landschaft, des Landes, des Notgrenzgebietes.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Besprechung der ersten Beratung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beantragt worden. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes auf Aufhebung des Gesetzes zur Ergänzung der Kleingarten- und Kleinpachtordnung vom 26. Juni 1935 .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von fünf Minuten und den Verzicht auf eine Aussprache vor. — Herr Abgeordneter Gundelach zur Begründung.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den vorliegenden Antrag eingebracht, um es durch Aufhebung des Gesetzes zur Ergänzung der Kleingarten- und Kleinpachtordnung vom 26. Juni 1935 den Länderregierungen unmöglich zu machen, gestützt auf dieses Gesetz die Pächter von Kleingartenland mit untragbaren und ungerechten finanziellen Lasten zu belegen. Das Gesetz, dessen Aufhebung wir fordern, hat dazu geführt, daß der Oberste Gerichtshof der britischen Zone in Köln mit Urteil vom 20. September 1950 die Inhaber von Kleingärten — wie z. B. jene große Zahl der Kleingarteninhaber in Hamburg, die weit über 100 000 beträgt — verpflichtet, die Pachtgeldabgabe pro Quadratmeter bebauten Bodens auf 1,50 DM zu erhöhen. Wenn man bedenkt, daß es sich fast ausschließlich um erhöhte Pachtzahlungen für Kleingarteninhaber handelt, die durch Kriegseinwirkungen ihre früheren Wohnungen verloren haben und sich unter den schwierigsten Bedingungen Notwohnungen auf ihrem Schrebergartengelände errichten mußten, erkennt man die große Ungerechtigkeit und die ganze Schwere der finanziellen Belastung dieser nach Hunderttausenden zählenden Kleingarteninhaber.
Mir liegt ein Schreiben eines Verpächters von Gartenland vor, der erhöhte Pachtgelder unter Berufung auf das von mir erwähnte Urteil des Obersten Gerichtshofs der britischen Zone fordert. Darin wird u. a. folgendes gesagt — ich darf das zitieren, Herr Präsident —:
Laut unserem höchsten Gericht ist die Pachterhöhung auf 1,50 DM per Quadratmeter umbauten Raumes per Jahr festgelegt worden. Ich erlaube mir, diese Erhöhung auch von Ihnen zu verlangen.
Diese Pachterhöhung rechnet natürlich zusätzlich zu der bisherigen Pacht. Der umbaute Raum betrifft alle von dem Pächter bzw. Unterpächter aufgeführten Bauten irgendwelcher Art, ganz gleich aus welchen Material. Das betrifft also die vielen Hunderttausende von ausgebombten Familien, die so auf ihrem kleinen Schrebergartenstückchen oder bei Freunden und Verwandten während der Kriegszeit, als sie ausgebombt waren, versucht haben, aus eigener Kraft und sehr oft mit recht primitiven Mitteln sich wieder eine erste Unterkunft zu verschaffen.
Diesen armen Teufeln glaubt man nun, gestützt auf ein Gesetz vom Jahre 1935, noch eine Sonderbelastung zumuten zu können. Die Kleingarteninhaber wehren sich mit voller Berechtigung gegen diese untragbaren und absolut ungerechtfertigten Sonderbelastungen und fordern die Aufhebung des hier angeführten Gesetzes. Dies zu erreichen, ist der Zweck unseres Antrages. Wir sind damit einverstanden, daß dieser Antrag zur gründlichen Beratung dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zugeleitet wird.
Die Begründung des Antrages ist erfolgt. Eine Aussprache sollte nicht stattfinden.
Es ist die Überweisung des Antrages an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. Ich glaube nicht, daß das zweckmäßig ist. Ich darf Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorschlagen. — Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Das Haus ist mit der Überweisung an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht federführend einverstanden. Wer für die weitere Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Energienotgesetzes .
Ich nehme an, daß sich die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung des Gesetzentwurfs bezieht und eine mündliche Begründung nicht stattfinden soll. Eine Aussprache ist im Ältestenrat nicht vorgesehen. — Sie wird nicht gewünscht. Damit ist die erste Beratung beendet.
Ich komme zur
zweiten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die zweite Beratung und rufe auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. — Angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Energienotgesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist angenommen. Der Punkt der Tagesordnung ist damit erledigt.
Der Berichterstatter zu Punkt 9, Herr Senator Dr. Klein, Berlin, ist offenbar noch nicht eingetroffen. Ich stelle daher den Punkt 9 zunächst zurück, ebenso den Punkt 10 entsprechend der Bitte, die von den Herren Antragstellern ausgesprochen worden ist.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines 'Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 850 der Drucksachen) (Änderungsantrag Umdruck Nr. 79).
. Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Eickhoff.
Ich rufe inzwischen auf Punkt 12 der Tagesordnung. Der Ausschuß für Geld und Kredit schlägt mir durch seinen Vorsitzenden vor, den Punkt 12
der Tagesordnung, Anleihegesetz, heute abzusetzen. Ist das Haus damit einverstanden?
Die Absetzung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes.
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Wackerzapp. — Ich sehe den Herrn Abgeordneten Wackerzapp nicht im Saal. Das Tempo überrennt alle Berichterstattungen.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden.
Ich bin davon unterrichtet worden, — —
— Ich bitte, durch Lautsprecher mitteilen zu lassen, daß wir inzwischen bei Punkt 15 der Tagesordnung angelangt sind.
Meine Damen und Herren! Vielleicht können wir inzwischen, bis die Herren Berichterstatter kommen, in der Tagesordnung fortfahren mit Punkt 16:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände .
Ist Herr Abgeordneter Dr. Preiß anwesend? — Auch nicht!
Herr Abgeordneter Eickhoff ist zu unserer Freude eingetroffen. Ich kehre zurück zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftssteuergesetzes ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1850 der Drucksachen) (Änderungsantrag Umdruck Nr. 79).
Berichterstatter des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ist der Herr Abgeordnete Eickhoff. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen einen ganz kurzen Bericht über die Ausschußarbeiten zu geben, die wegen der Änderung des bestehenden Erbschaftssteuergesetzes vorgenommen werden mußten. Sie haben in Drucksache Nr. 1575 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftssteuergesetzes vor sich liegen, aus dem sie alle näheren Einzelheiten ersehen können. Ich kann mich deswegen ganz kurz fassen.
Die Änderungen in Art. I waren erforderlich, um der durch das Grundgesetz geschaffenen neuen Lage Rechnung zu tragen. Hier muß das Wort „Reich" durch „Bund" ersetzt werden usw.
In § 8 wird der Begriff „Inländer" schärfer umrissen, was durch die unglückliche Zweiteilung Deutschlands bedingt ist.
Äußerst wichtig ist § 10, der insbesondere im Interesse unserer Kriegsgefangenen abgeändert werden mußte; denn es kommt heute sehr häufig vor, daß der Nachlaß nicht auf die Kinder des Erblassers übergeht, weil diese eben gefallen sind, sondern seinen Großkindern oder Schwiegerkindern zufällt. Hier sollen die Großkinder aus Steuerklasse II und die Schwiegerkinder aus Steuerklasse IV herausgenommen und in Steuerklasse I eingereiht werden. Wenn ein Bauer seinen Hof z. B. auf seine Großkinder vererben will, weil der Sohn, der Anerbe, gefallen ist, oder ihn seiner Schwiegertochter zufallen lassen will, dann sollen diese Großkinder, d. h. die Kinder des gefallenen Sohnes, nicht nach Steuerklasse II, bzw. die Schwiegertochter, also die Frau des gefallenen Sohnes, nicht wie bisher nach Steuerklasse IV, sondern eben nach Steuerklasse I veranlagt werden.
Der § 17 a wird insofern abgeändert, als beim Ehegattenerwerb die Freigrenze von 500 000 DM auf 250 000 herabgesetzt wird. Diese Änderung ist erforderlich geworden, weil in Zukunft nicht mehr von dem Nachlaß, sondern von der Höhe des einzelnen Erwerbs ausgegangen wird; dadurch wird dann in den meisten Fällen der Ausgleich wieder geschaffen.
In § 18 wird nach der Nummer 16, die die üblichen Gelegenheitsgeschenke erbschaftsteuerfrei läßt, eine neue Nummer 16 a eingefügt, die auch die Zuwendungen für den Wohnungs- und den Schiffsbau bei solchen Personen erbschaftsteuerfrei läßt, die nicht zu den Steuerklassen I bis IV gehören, wenn die Voraussetzungen der §§ 7 c und 7 d des Einkommensteuergesetzes erfüllt sind.
Ferner wird eine Nummer 20 eingefügt, die die Zuwendungen an politische Parteien betrifft. Hierüber haben wir uns im Ausschuß eingehend unter- halten und sind zu dem Schluß gekommen, diese Zuwendungen wieder steuerfrei zu stellen, weil das im alten Erbschaftsteuergesetz von 1925 auch eingeführt war. Sie haben ja den Antrag der Fraktion des Zentrums vor sich liegen; wir werden uns nachher mit dieser Sache noch besonders beschäftigen müssen.
Die Änderung in § 18 a betrifft die Lebensversicherungen, die nur zum Zwecke der Bezahlung der Erbschaftsteuer abgeschlossen sind. Bislang blieben diese Lebensversicherungen im Erlebensfall nicht steuerfrei. Jetzt sollen sie steuerfrei gestellt werden, wenn der Betrag bei dem zuständigen Finanzamt zur Bezahlung der später fällig werdenden Erbschaftsteuer sichergestellt wird. Wenn also ein Erblasser so vorsorglich ist, daß er schon mit einer Lebensversicherung den Betrag sicherstellt, den seine Erben später zur Bezahlung der Erbschaftsteuer nötig haben, wollen wir hier eine Steuerfreiheit gewähren.
Meine Damen und Herren, das sind die Hauptpunkte, mit denen wir uns im Ausschuß beschäftigt haben. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bittet Sie, dem Gesetzentwurf mit der einzigen kleinen Änderung zuzustimmen, daß im Art. I Ziffer 8 Buchstabe a die folgenden Worte gestrichen werden: „in der Fassung vom 10. August 1949 und vom 29. April 1950 (BGBl. S. 95)".
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, wenn mehrere Ziffern zugleich aufgerufen werden. Ich rufe zunächst Art. I, Einleitung, Ziffern 1 bis 7 des Gesetzentwurfes auf.
Herr Abgeordneter Horlacher wünscht das Wort dazu zu nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU bitte ich, die zweite und dritte Lesung nach der Entgegennahme des Berichts heute abzubrechen und sie auf den nächsten Mittwoch zu verschieben. Denn eine ganze Reihe von Mitgliedern dieses Hauses — auch aus anderen Fraktionen — hat den Wunsch geäußert, eine Frage, die mit der Erbschaftsteuer zusammenhängt, das ist die Frage der geschlossenen Gutsübergabe in der Landwirtschaft, noch besonderen Erörterungen zu unterziehen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher gehört, die zweite und dritte Beratung nach der Entgegennahme des Berichts zu unterbrechen und die Fortsetzung der zweiten und die dritte Beratung auf nächsten Mittwoch anzuberaumen. Ist das Haus damit einverstanden?
- Das ist offenbar der Fall. Dann wird die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes unterbrochen, und die Fortsetzung der zweiten Beratung findet in der nächsten Woche statt.
Ich kehre jetzt zunächst zu dem vorhin überschlagenen Tagesordnungspunkt 5 zurück:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes .
Wünscht die Fraktion, den Antrag jetzt zu begründen? — Das scheint nicht der Fall zu sein.
Herr Abgeordneter Dr. Oellers, ich fragte, ob der Punkt 5 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes — jetzt von Ihrer Fraktion begründet werden soll.
- Herr Senator Dr. Klein ist auch nach nicht da.
Dann käme der Bericht des Vermittlungsausschusses. — Herr Abgeordneter Maier, sind Sie bereit?
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Preisgesetzes (Nr. 1883 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Maier . Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundesrat hat in seiner 46. Sitzung vom 12. Januar 1951 beschlossen, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag am 14. Dezember 1950 verabschiedeten Preisgesetzes — Nrn. 972 und 1422 der Drucksachen
— zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes aus einer Reihe von Gründen gegen Teile des Gesetzes einberufen wird. Die Sitzung des Vermittlungsausschusses hat am -2. Februar 1951 stattgefunden. Der Beratung lagen der beschlossene Gesetzentwurf des Deutschen Bundestags und die zu einer Reihe von
Paragraphen vom Deutschen Bundesrat gemachten Änderungsvorschläge zugrunde. Die Berichte von Referent und Korreferent, die eine Übereinstimmung in allen wesentlichen Fragen aufwiesen, behandelten die in der Drucksache Nr. 1778 zusammengefaßten Vorschläge des Deutschen Bundesrats nach folgenden Gesichtspunkten: erstens die Zuständigkeitsregelung; zweitens die Ermächtigung der Exekutive zu Preisbindungen auf Gebieten, die im Katalog des § 1 des Gesetzes nicht aufgezählt sind; drittens die Freistellung der Exekutive hinsichtlich der Zustimmung des Bundesrats zu Preisverordnungen in den sogenannten Bagatellfällen; viertens die Zusammenfassung von Einzelfragen.
In der Frage der Zuständigkeitsregelung waren vom Bundesrat zwei in ihrer Zielsetzung Bleichlautende Vorschläge gemacht. In einem Falle sollte die Federführung in allen Fällen der gewerblichen Wirtschaft sowie der Ernährungs- und Landwirtschaft in der Hand des Bundeswirtschaftsministers liegen, während eine zweite Anregung die Errichtung eines obersten Preisamtes als Bundesoberbehörde vorschlug. In der Aussprache zeigte sich, daß die Auffassungen der Ausschußmitglieder in der Frage, ob die Federführung in Preisangelegenheiten auf dem Agrarsektor dem Bundesminister für Wirtschaft oder dem Bundesernährungsminister zustehen soll, auseinandergehen. Von den Befürwortern einer einheitlichen Federführung für beide Sektoren beim Bundeswirtschaftsminister wurde ausgeführt, daß die Entscheidung des Bundestages bei der Verabschiedung des Gesetzes eine Zufallsentscheidung gewesen sei und daß schon die Ministerpräsidentenkonferenz den Bundeswirtschaftsminister als den Generalreferenten für die Preisbildung vorgeschlagen habe, weil eine einheitliche Wirtschaftspolitik ohne Einflußnahme auf die Preispolitik undenkbar sei. Der von einer Minderheit vertretene Standpunkt, daß die Preisregelung aus Zweckmäßigkeitsgründen bei dem Ressort liegen müsse, in dessen Unterbehörden die für die Entstehung der Preisfragen maßgebenden Angelegenheiten bearbeitet würden, konnte die Mehrheit nicht überzeugen. Bei der Abstimmung votierten 11 Mitglieder für die Federführung des Bundeswirtschaftsministers und 7 Mitglieder für die Zuständigkeit des Bundesernährungsministers. Nach dieser Abstimmung besteht Übereinstimmung darüber, daß die Eventualfrage der Bildung eines besonderen Preisamtes nicht mehr zu erörtern ist.
Nunmehr wurde die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung des § 3 zur Erörterung gestellt und mit folgenden Änderungen einstimmig beschlossen. a) An Stelle der Bezeichnung „das gesamte Bundesgebiet" tritt die vom Rechtsausschuß des Bundestages bei allen Gesetzen verwendete Fassung „den Geltungsbereich des Grundgesetzes". b) Der in der Bundestagsfassung enthaltene Abs. 3 wird letzter Satz des Abs. 1. c) In Abs. 2 Zeile 2 werden hinter dem Wort „Bundesregierung" die Worte „oder ein anderer Bundesminister" eingefügt, um eine abweichende Zuständigkeit im Rahmen der Marktordnungsgesetze zu vermeiden. d) Im Abs. 4 werden die Worte „auf dem Gebiete der Einfuhr" gestrichen. e) Um der Vorschrift des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes gerecht zu werden, soll die Befugnis zum Erlaß der Rechtsverordnungen nur verliehen werden, um volkswirtschaftlich angemessene Preise zu sichern. Zur Fassung des § 3 Abs. 1 wird übereinstimmend klargestellt, daß als fachlich zuständiger Bundesminister jeder beteiligte Bundesminister zu verstehen ist. Die Erstrekkung der Rechtsverordnungsbefugnis auf Preisaus-
gleichsmaßnahmen wurde nach kurzer Erörterung gebilligt.
Im Zusammenhang mit der neuen Fassung des § 3 wird zugleich die entsprechende Änderung der Fassung des § 9 Abs. 1 einstimmig beschlossen. Er hat nunmehr folgenden Wortlaut:
Die Bundesregierung oder im Einvernehmen mit dem fachlich zuständigen Bundesminister der Bundesminister für Wirtschaft können die ihnen nach § 3 Absätze 1 und 4 zustehenden Befugnisse durch Rechtsverordnung auf die für die Preisbildung zuständige oberste Landesbehörde übertragen, soweit es sich um Güter oder Leistungen handelt, die in den Geltungsbereich des Grundgesetzes verbracht werden.
Bezüglich der Ermächtigung der Exekutive zu Preisbindungen auf Gebieten, die im Katalog des § 1 nicht aufgezählt sind, hat der Ausschuß folgende Stellung eingenommen. Die Aufstellung des Katalogs in § 1 ist zu einer Zeit erfolgt, als es noch keine Koreakrise gab. Die seit Korea eingetretene weltpolitische Entwicklung hat gezeigt, daß der Grundsatz, nach dem der Katalog aufgestellt war, einer Ergänzung bedarf. Da auch der Gesetzgeber nur beschränkt in die Zukunft blicken kann, ist eine solche Ergänzung im Gesetz im einzelnen jetzt nicht möglich. Es bleibt daher kein anderer Weg, als die ursprünglich abgelehnte Generalklausel unter den auf Art. 80 des Grundgesetzes abgestellten Voraussetzungen wieder einzufügen.
Während grundsätzliche Bedenken gegen eine Ermächtigungsbestimmung nur von einem Mitglied erhoben werden, das eine rechtzeitige gesetzliche Regelung selbst für den Notfall als gegeben ansieht, sind alle weiteren Sprecher der Auffassung, daß die gegenwärtige Entwicklung eine Ermächtigung, wie sie der Vorschlag zu § 6 a vorsieht, zwingend macht. Bedenken gegen eine mißbräuchliche Anwendung des § 6 a werden mit dem Hinweis zerstreut, daß der Bundestag durch Beschluß oder Gesetz zu jeder Zeit die Aufhebung einer Verordnung erreichen könne. Eine weitere Sicherung sei in dem Erfordernis der Zustimmung des Bundesrats gegeben. Es handelt sich also nicht um ein Ermächtigungsgesetz; denn das -Parlament schaltet sich nicht aus. Einer Anregung, die Verordnungsermächtigung auf die Bundesregierung zu beschränken, wird stattgegeben.
In der nun folgenden Abstimmung wird die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung eines § 6 a mit der Änderung beschlossen, daß die Verordnungsbefugnis nur der Bundesregierung zusteht, daß in Zeile 7 neben dem § 1 Abs. 1 auch der Abs. 2 genannt wird und daß an Stelle der Bezeichnung „das gesamte Bundesgebiet" die Bezeichnung „den Geltungsbereich des Grundgesetzes" tritt. Ferner wird beschlossen, dem § 6 a einen zweiten Absatz folgenden Inhalts hinzuzufügen:
Rechtsverordnungen gemäß Abs. 1 sind gleichzeitig mit der Zuleitung an den Bundesrat dem Bundestag bekanntzugeben.
Der Beschluß wird mit 13 gegen 1 Stimme gefaßt.
In bezug auf die Änderungsvorschläge hinsichtlich der Zustimmung des Bundesrats zu Preisverordnungen in den sogenannten Bagatellfällen gab es eine längere Erörterung. Bei der der Exekutive gegebenen Ermächtigung zu Preismaßnahmen erhebt sich die Frage, in welchem Umfange die Exekutive beim Erlaß von Rechtsverordnungen an die Zustimmung des Bundesrats gebunden werden soll. Art. 80 Abs. 2 des Grundgesetzes sieht das Erfordernis der Zustimmung vor, soweit nicht eine anderweitige bundesgesetzliche Regelung anders bestimmt.
Der erste Änderungsvorschlag betrifft den § 4 der Vorlage. Dieser nimmt einige Sachgebiete des § 1 wie z. B. Edelmetalle, orthopädische Hilfsmittel, Leistungen des Filmverleihs aus, bei denen auf die Zustimmung verzichtet werden kann. Aber auch in anderen Fällen soll die Zustimmung nicht erforderlich sein, „wenn nur eine Auswirkung von untergeordneter Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung, zu erwarten ist".
Diese Bagatellklausel entspricht der Regelung des gegenwärtig geltenden „Preisverlängerungs-
und -änderungsgesetzes". Gegen diese Fassung hatte der Bundesrat in seiner ersten Stellungnahme justizpolitische Bedenken angemeldet, denen sich die Bundesregierung nicht anschließen konnte. Es soll nicht verkannt werden, daß die Klausel „Auswirkung von untergeordneter Bedeutung" Auslegungsschwierigkeiten begegnet. Da aber bisher Schwierigkeiten nicht aufgetreten sind, sollte die Zweckmäßigkeitsfrage entscheidend für die Beibehaltung der Bagatellklausel sein.
Der Antrag des Bundesrats beinhaltet zwei weitere Änderungen der Bundestagsvorlage. Es handelt sich einmal darum, daß Anordnungen über Preise für eingeführte Güter und Leistungen in den Katalog des § 4 Abs. 1 Satz 1 einbezogen werden sollen. Der Antrag erscheint zweckmäßig, da die Generalklausel „eingeführte Güter und Leistungen" offenläßt, welche unter Umständen — wichtigen Güter in Betracht kommen. Zum anderen handelt es sich darum, daß im Gegensatz zur Festsetzung von Preisen die Freigabe immer der Zustimmung des Bundesrats bedarf.
Mit einem zweiten Antrag versucht der Bundesrat auf den Gebieten des Verkehrs- und Postwesens die Auslegungsschwierigkeiten dadurch zu lösen, daß die Feststellung des Falles von untergeordneter Bedeutung nicht der Exekutive überlassen wird, sondern durch eine zahlenmäßige Begrenzung bereits im Gesetz festgelegt wird.
Nach kurzer Erörterung werden bei der folgenden Abstimmung die Änderungsvorschläge des Bundesrates zu den §§ 5 und 6 einstimmig abgelehnt. Das gilt insbesondere auch für den Änderungsvorschlag zu § 5 Abs. 4. Hierzu besteht übereinstimmend die Auffassung, daß der Bundesminister für Verkehr nicht nur bezüglich der Eisenbahntarife, sondern auch bezüglich der Tarife im Güterfern- und Nahverkehr des Einvernehmens des Bundeswirtschaftsministers nur bedürfen soll, wenn eine erhebliche Auswirkung auf den gesamten Preisstand, auf den des betroffenen Wirtschaftszweiges oder auf die Lebenshaltung zu erwarten ist.
Zu den Änderungen in Einzelfällen wird nach kurzer Erörterung einstimmig beschlossen, die Anwendung der Preisvorschriften gemäß § 1 unter 2 d) auch auf Silber zu erstrecken und § 1 Abs. 1 zu 3 wie folgt zu fassen: „Güter und Leistungen, die in den Geltungsbereich des Grundgesetzes verbracht werden." Dadurch soll klargestellt werden, daß auch der Interzonenverkehr mit einbezogen wird.
Der Bundesratsvorschlag zu § 1 Nr. 4 d) bezüglich der Herausnahme bestimmter land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke wird einstimmig abgelehnt. Zur. Klarstellung wird einstimmig folgende Fassung beschlossen:
die Veräußerung von unbebauten Grundstücken, von Grundstücken mit Gebäuderesten, auf denen oberhalb des Kellergeschosses benutzbarer Raum nicht mehr vorhanden ist, und von geringfügig bebauten Grundstücken, wenn das Grundstück als Bauland veräußert oder steuerlich als Bauland behandelt wird oder aus Gründen, insbesondere wegen der Höhe des Kaufpreises, auf die Verwertung des Grundstückes zu baulichen Zwecken geschlossen werden kann.
Der Änderungsvorschlag des Bundesrates auf Einfügung einer neuen Nr. 5 in § 1 Abs. 1 wird gegen eine Stimme angenommen. Zum Bundesratsvorschlag, dem § 1 Abs. 1 eine neue Ziffer 6 hinzuzufügen betreffend die Bauleistungen bei öffentlichen oder mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufträgen, gibt es Meinungsverschiedenheiten. Nach kurzer Erörterung wird der Bundesratsvorschlag mit 12 gegen 3 Stimmen angenommen mit der Ergänzung, daß alle mit öffentlichen Mitteln „ganz oder teilweise" finanzierten Aufträge betroffen werden.
Die weiteren Vorschläge des Bundesrates auf Änderung der §§ 7, 10 a, die Änderungsvorschläge zu § 1 Abs. 3 und Abs. 4 und zu § 10 werden einstimmig angenommen. Dabei wird die übereinstimmende Auffassung klargestellt, daß die nicht im Bericht zur Bundesfassung des Gesetzes aufgenommenen Preisvorschriften außer Kraft treten.
Auf Vorschlag eines Regierungsvertreters wird die Fassung des § 9 der zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 beschlossenen Änderung angepaßt. Die Fassung soll lauten:
... die ihnen nach § 3 Absätze 1 und 4 zustehenden Befugnisse durch Rechtsverordnung auf die für die Preisbildung zuständige oberste Landesbehörde übertragen, soweit es sich um Güter oder Leistungen handelt, die in den Geltungsbereich des Grundgesetzes verbracht werden.
Diese Änderung kann, obwohl sie vom Bundesrat nicht zum Gegenstand der Vermittlung gemacht worden ist, wegen ihres unmittelbaren inneren Zusammenhangs mit der Änderung zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagen werden.
Es wird ferner beschlossen, im gesamten Gesetz die Bezeichnung „Bundesgebiet" durch die Bezeichnung „Geltungsbereich des Grundgesetzes" zu ersetzen. Auch dieser Vorschlag kann vom Vermittlungsausschuß gemacht werden, weil sich sonst aus einer verschiedenartigen Auffassung Auslegungsschwierigkeiten ergeben könnten.
Der Vermittlungsausschuß hat im Zusammenhang mit der Beratung der Änderungsvorschläge des Bundesrates die Frage erörtert, ob der Bundestag über den Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses nur insgesamt oder im einzelnen abstimmen könne, und kam dabei zu folgendem Ergebnis: a) Grundsätzlich kann der Bundestag über jeden einzelnen Änderungsvorschlag innerhalb des Gesamtvorschlages zu einem Gesetz einzeln abstimmen. b) Es gibt jedoch Fälle, in denen über mehrere Einzelvorschläge wegen ihres unmittelbaren inneren Zusammenhanges nur einheitlich abgestimmt werden kann. c) Darüber hinaus ist der Vermittlungsausschuß befugt, mehrere Einzelvorschläge so miteinander zu verbinden, daß nur einheitlich über sie abgestimmt werden darf. In diesen Fällen macht eben der Vermittlungsausschuß bezüglich mehrerer Einzelfälle nur einen einheitlichen untrennbaren Änderungsvorschlag.
Ich komme nunmehr zum Antrage des Vermittlungsausschusses. Er empfiehlt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die im Bericht Drucksache Nr. 1883 vom Vermittlungsausschuß empfohlenen Vorschläge zur Änderung des Entwurfs eines Preisgesetzes anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der überwiegenden Mehrheit der CDU- und CSU-Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.
1. Wir können nicht anerkennen, daß es sich bei der Beschlußfassung über das Preisgesetz hier im Hohen Hausein einigen wichtigen Punkten wie der Frage der Federführung des Landwirtschaftsministers um eine Zufallsmehrheit gehandelt hat,
sondern es war eine nach langwierigen Beratungen in den Ausschüssen sowohl wie hier im Plenum wohl abgewogene Abstimmung und war damals von dem Abgeordneten Dr. Müller und meiner Wenigkeit noch mit guten Gründen eingehend begründet worden.
2. Wir weisen auf die damaligen Gründe hin, die uns veranlaßt haben, dem Änderungsantrag der CDU/CSU betreffend federführende Einschaltung des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft zuzustimmen. Ich brauche dazu nicht mehr zu betonen, daß das ein wesentlicher Punkt der Agrarpolitik ist.
Bei dieser Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, daß letzthin, als ich in Kaiserslautern auf dem Bauern- und Winzertage vor einer großen Menge gesprochen und die Verhältnisse, wie sie sich hier beim Preisgesetz durch die Haltung des Bundesrats ergeben haben, geschildert habe, mit lebhaften Pfui-Rufen geantwortet wurde. Daraus geht hervor, daß es sich um eine grundlegende Frage handelt.
— Nein, das hat mit dem Druck der Straße nichts zu tun. Es ist eine demokratische, eine freiwillige Willensäußerung gewesen. Im übrigen — weil wir gerade dabei sind — war auch die Bundschuhfahne aufgezogen, aber rechts und links war das bayerische Wappen angebracht. Das hat mich damals sehr beruhigt. Das nebenbei!
Weiterhin lehnen wir den Vermittlungsvorschlag aus einer Reihe weiterer Gründe ab. Einmal ist die Mehrheit des Vermittlungsvorschlages bloß 11 zu 7 gewesen. Es war auch eine in sich nicht geschlossene Mehrheit, so daß sich also hier eine große Minderheit dem Standpunkt des Bundestags angeschlossen hat.
Ferner geht die Entscheidung des Vermittlungsausschusses nach unserer Überzeugung über den Rahmen seiner Aufgaben hinaus. Denn der Bundesrat hatte nicht beantragt, daß auch noch die Marktordnungsgesetze der Zuständigkeit des Wirtschaftsministers unterstellt werden, während in den Änderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses diese Dinge auch noch einbezogen worden sind, so daß die Kompetenz des Bundeswirtschaftsministers hier nunmehr vollständig ist.
Das sind die Hauptgründe. Ich bitte die Damen und Herren, den Antrag des Vermittlungsausschusses ablehnen zu wollen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf folgendes aufmerksam machen, falls sich das Hohe Haus nicht erinnern sollte, in welcher Weise es zu den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses Stellung zu nehmen hat.
Das Hohe Haus kann nicht etwa nur zum ganzen Gesetz ja oder nein sagen, sondern es hat die Möglichkeit, auch zu den einzelnen Paragraphen ja oder nein zu sagen, so daß man sich also überlegen muß, ob man wegen einer einzigen Bestimmung — Herr Abgeordneter Horlacher hat ja eben nur zu dem Problem der Federführung der beiden Ministerien gesprochen —, die man zu beanstanden hat, zum ganzen Gesetz ja oder nein sagt.
Zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Becker das Wort.
Ich kann mich mit der Auslegung des verehrten Herrn Kollegen Kiesinger über die Art der Abstimmung nicht einverstanden erklären. Es gibt meiner Ansicht nach nur eine En-bloc-Abstimmung, ein Ja oder Nein zu dem Vermittlungsantrag. Denn was soll geschäftsordnungsmäßig aus den Dingen werden, wenn hier durch diese Beschlußfassung ein Antrag des Vermittlungsausschusses zerfasert wird? Wie steht dann der Bundesrat dazu? Soll der Bundesrat dann zu den einzelnen Bestimmungen nochmals Beschluß fassen? Soll die Sache an den Vermittlungsausschuß zurückverwiesen werden oder was dann? Ich bin überzeugt, daß dem Sinn der Bestimmung nur eine En-bloc-Abstimmung entspricht.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Frage ist im Vermittlungsausschuß eingehend erörtert worden. Es besteht natürlich die Möglichkeit, daß einige Bestimmungen in einem Gesetz in einem inneren Zusammenhang stehen. Wenn das der Fall ist, dann müssen natürlich alle in einem solchen Zusammenhang stehenden Bestimmungen gemeinsam mit Ja oder Nein beantwortet werden. Wir waren im Vermittlungsausschuß bei der Auslegung unserer Geschäftsordnung der Meinung, daß der Berichterstatter bei seinem Bericht zum Ausdruck zu bringen hat, ob und welche Bestimmungen in einem inneren Zusammenhange stehen. Bei diesem Gesetz hier stehen aber die umstrittenen Bestimmungen nicht in einem solchen inneren Zusammenhange. Es ist also durchaus möglich, daß das Hohe Haus etwa den § 3 ablehnt, aber die übrigen Bestimmungen des Gesetzes annimmt. Ich glaube, man muß dem Vermittlungsausschuß zutrauen, daß er diese Frage in den gründlichen Erwägungen, die er gepflogen hat, mit einiger Sorgfalt geprüft hat, und ich bin dei Überzeugung, daß das Hohe Haus bei einer erneuten sorgfältigen Prüfung — und nicht bei einer sporadischen Meinungsbildung in diesem Augenblick — zu derselben Auffassung kommen würde
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Ewers.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine grundsätzliche Entscheidung, die man vollkommen losgelöst von dem einzelnen Anlaß so oder so entscheiden muß. Wir haben in einem früheren Falle — es war ein Fall mit drei Punkten — hier einmal erklärt, er müsse im ganzen angenommen oder abgelehnt werden. Bei dem vorliegenden Anlaß einer besonderen Punktensache — der Bericht weist bekanntlich zehn Punkte auf — ist auf meine Anregung im Vermittlungsausschuß die jetzt streitige Frage ausdrücklich zur Sprache gebracht worden. Ich glaubte mich bei dem einen Punkt mit der Majorisierung nicht einverstanden erklären zu können, hielt aber die Regelung anderer Punkte für recht verständig. Die Frage ist also, ob es sich um einen oder um zehn voneinander unabhängige Vermittlungsvorschläge handelt, ob hier ein Singular oder ein Plural in Frage steht. Wir waren uns darüber einig, es ist ein Plural, wenn, wie Herr Kiesinger es dargelegt hat, nicht der innere Zusammenhang vorhanden ist. Die Frage des inneren Zusammenhangs ergibt sich aus der Art der Bezifferung. Sie sehen unter Ziffer 1 die Buchstaben a bis f. Es ist klar, daß die Ziffer 1 a bis f ein einheitlicher Vorschlag sind. Aber die Ziffern 1, 2, 3 usw. sind unabhängige Vorschläge.
Was bei getrennter Abstimmung über die einzelnen Punkte zu geschehen hätte, ist sehr einfach. Der Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet. Nehmen wir an, es ist kein Zustimmungsgesetz. Dann ist, soweit der Bundestag ablehnt, der Beschluß des Bundestags im Gesetzgebungsverfahren durch keinen Vermittlungsvorschlag geändert; er bleibt bestehen. Soweit er aber geändert ist, tritt an die Stelle der geänderten Bestimmung der Vermittlungsvorschlag. Dann wird sich also je nach den Beschlüssen des Bundestags der Inhalt des Gesetzes im einzelnen klar ergeben. Wir im Vermittlungsausschuß — das ist eine Erörterung, die man im großen Kreise kaum zu Ende führen kann — waren uns nach einer eingehenden Beratung einig, daß, soweit kein notwendiger innerer Zusammenhang vorliegt, der Vermittlungsausschuß zu verschiedenen Punkten auf Grund der Anträge des Bundesrats voneinander unabhängige Vorschläge machen kann, und daß es für eine einheitliche Gesetzgebung richtig ist, diesen Grundsatz von dem heute vorliegenden Falle an anzuwenden. Ist der Bundestag anderer Meinung, so möchte ich empfehlen, diese Geschäftsordnungsfrage losgelöst von diesem Anlaß grundsätzlich zu entscheiden, und zwar vielleicht auf Grund eines Berichtes des Geschäftsordnungsausschusses, der hier wohl gefragt werden müßte. Für diesen Fall müßte die Beratung heute ausgesetzt werden. In erster Linie empfehle ich jedoch dem Hause, sich der wohlerwogenen Auffassung des Kollegen Kiesinger anzuschließen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Antrag des Vermittlungsausschusses an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zu überweisen. Es handelt sich hier um eine sehr schwierige Rechtsfrage. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes muß über einen Einspruch des Bundesrats hier entschieden werden. Wir müssen aus dem Antrag des Vermittlungsaus-
schusses ersehen können, welche Punkte des Gesetzes vom Bundesrat mit einem Einspruch belegt worden sind und wie wir über die einzelnen Punkte zu entscheiden haben. Tatsächlich ist in weitem Umfange neues materielles Recht in den Gesetzentwurf hineingekommen. Man kann also davon sprechen, daß es sich um drei Parlamente handelt, a) den Bundestag, b) den Bundesrat und c) den Vermittlungsausschuß. Es kann doch nicht der Sinn der Sache sein, daß wir jetzt ein neues Gesetz beschließen, daß wir dieses neue Gesetz möglicherweise wieder dem Einspruch des Bundesrats unterwerfen und die ganze Prozedur sich dann wiederholt.
— Doch, wenn wir einzeln abstimmen, kann sich die Sache wiederholen.
Schon wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit, die sich doch hier nach Art. 77 Abs. 4 Satz 2 ergeben kann, muß man klar erkennen können, wogegen sich der Einspruch richtet und wie der Bundestag über den Einspruch abgestimmt hat. Ich bin deshalb der Ansicht, wir sollten diese Angelegenheit erst im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität klären.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Zur Geschäftsordnung hat sich noch Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz gemeldet. Ich schlage vor, daß wir die Diskussion zur Geschäftsordnung abbrechen, nachdem Herr von Merkatz gesprochen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, zunächst auseinanderzuhalten: Vermittlungsausschuß und Einspruch des Bundesrats sind zweierlei.
Wir haben es zunächst nur mit dem Vermittlungsausschuß zu tun. Selbst wenn wir den Antrag des Vermittlungsausschusses en bloc ablehnen, kann der Bundesrat von sich aus noch einzelne Anregungen an uns herübergeben.
Nun komme ich zum Inhalt selber. Es ist sehr schwer, einen solchen Gesamtantrag des Vermittlungsausschusses wieder in einzelne Bestandteile aufzulösen. Aus der Geschäftsordnung geht aber hervor, daß wir dazu nicht unmittelbar sachlich, in freier Rede beraten können, sondern nur Erklärungen dazu abgeben können. Jetzt erkläre ich hierzu noch folgendes. Erstens geht der Antrag des Vermittlungsausschusses über seine Aufgabe hinaus. Denn der Bundesrat hat gar nicht gewollt, daß die Marktordnungsgesetze auch noch der Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers überwiesen werden. Zweitens: Wenn ich von den mehr redaktionellen Änderungen der §§ 1 und 2 absehe, dann stehen der § 3 Abs. 1, 2 und 4, der § 4, der § 6 a, der § 7, der § 9 und der § 10 in organischem Zusammenhang mit der Kernfrage, die ich berührt habe. Infolgedessen müssen wir nach meiner Überzeugung eine En-bloc-Entscheidung darüber herbeiführen. Und Herr Kiesinger soll mich nicht für dümmer anschauen, als ich bin.
Ich glaube, daß wir bei der bekannten Menschenfreundlichkeit unseres
Kollegen Kiesinger diese Befürchtung nicht zu hegen brauchen. —
Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der aufgeworfenen Frage handelt es sich nicht nur um eine Angelegenheit der Geschäftsordnung, des Procedere allein, sondern um materielles Verfassungsrecht.
Hier sind Zweifel aufgetaucht, und ich kann mich nicht damit einverstanden erklären, daß der Vermittlungsausschuß allein Prinzipien erarbeitet, die als mehr bewertet werden sollten als das Ergebnis seiner zunächst noch rechtlich unverbindlichen Praxis. Da es sich nicht nur um das reine Parlaments-Procedere handelt, sondern um eine verfassungsrechtliche Frage, bin ich der Auffassung, daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht darüber ein Gutachten erstatten sollte. Vielleicht sollte man sich auch mit dem Herrn Bundesjustizminister unterhalten, in welcher Form diese Zweifel geklärt werden können.
Ich persönlich möchte der Auslegung, die Herr Kollege Becker gegeben hat, im Grundsatz beitreten. Abweichungen sind in besonders gelagerten Fällen denkbar. Wenn wir aber nicht von dem Grundsatz ausgehen, der von Herrn Kollegen Becker aufgestellt wurde, befürchte ich, daß das Verfahren vor dem Vermittlungsausschuß wuchern könnte, und das war mit der Einführung des Vermittlungsverfahrens nicht. gewollt.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Sache ist sehr viel einfacher, als es nach der Geschäftsordnungsdebatte den Anschein hat. Es ist doch so: der Vermittlungsausschuß macht einen Vorschlag; dieser ist ein geschlossenes Ganzes. Über diesen Vorschlag muß abgestimmt werden.
Wenn dieses Haus den Vorschlag ablehnt, bleibt es beim alten Beschluß des Hauses. Der Bundesrat hat diesem alten Beschluß gegenüber das bundesrätliche Einspruchsrecht, und wenn der Bundestag den Einspruch überstimmt, wird der alte Beschluß Gesetz. Wenn auf der anderen Seite der Bundesrat den Vorschlag des Vermittlungsausschusses ablehnt, so steht es ihm frei, den förmlichen Einspruch einzulegen; der Bundestag kann dann versuchen, den Einspruch zu überstimmen. Die Sache ist also ganz einfach! So haben wir uns das Verfahren im Parlamentarischen Rat überlegt.
Aber ich muß nun über die gestellten Anträge abstimmen lassen, falls sie nicht zurückgezogen werden sollten: über den Antrag auf Überweisung an den Geschäftsordnungsausschuß und zweitens über den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Werden die Anträge aufrechterhalten?
— Die Geschäftsführung ist an und für sich sehr
schwierig, Herr Kollege Kiesinger. Wenn Sie mich
4506 Deutscher Bundestag-118: Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Februar 1951
dabei noch durch Anträge zu treffen suchen, die wirken wie der Pfeil des Parthers, wird sie noch schwieriger.
Wird Ihr Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Geschäftsordnung aufrechterhalten, Herr Dr. Bertram? Ich halte ihn für völlig unmöglich; denn was auszulegen ist, ist nicht die Geschäftsordnung des Bundestages, sondern bestenfalls die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses. Ich glaube, der Geschäftsordnungsausschuß kann uns nicht sehr viel Authentisches sagen. Ich schlage vor: Sie ziehen diesen Antrag zurück; er ist wirklich nicht praktikabel.
— Gut, Sie ziehen ihn zurück! Und Herr Kollege von Merkatz! Ich glaube, daß ein Gutachten des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, so respektabel dieses Gutachten auch sein mag und sein wird, uns auch nicht sehr viel weiter helfen wird. Wir werden uns hier auf jeden Fall mit oder ohne Rechtsgutachten entscheiden müssen.
— Gut! Dann erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Preusker zur Abgabe einer Erklärung.
Meine Damen und Herren! Nachdem wir nunmehr zur Sache zurückgekehrt sind, darf ich namens meiner Fraktion folgendes erklären: Schon unter Berücksichtigung der durch die koreanische Entwicklung eingetretenen Änderung der Lage war im Rahmen des Preisgesetzes der Bundesregierung die Vollmacht gegeben worden, auf dem Gebiete der Grundnahrungsgüter und Nahrungsmittel, der Grund- und Schlüsselstoffe der gewerblichen Wirtschaft, dazu aller eingeführten Rohstoffe, Halbwaren und Fertigerzeugnisse und außerdem — um die wesentlichsten Gebiete zu nehmen — auf dem Gebiet der Verkehrs- und Wohnungswirtschaft zu jeder Zeit mit den für erforderlich gehaltenen preispolitischen Maßnahmen einzugreifen.
Es sind damit also alle volkswirtschaftlich wesentlichen Gebiete in den Rahmen der Ermächtigung der Bundesregierung einbezogen worden. Unsere Fraktion sieht daher den § 6a als eine gefährliche Ergänzung insofern an, als er praktisch nur noch eine preispolitische Vollmacht auf Gebieten schaffen kann, auf denen sie entweder von der Staatsautorität überhaupt nicht kontrollierbar, zumindest aber volkswirtschaftlich nicht notwendig ist. Wir wünschen nicht wieder Preisbindungen für Karussels und „Haut den Lukas" usw.
Zum zweiten: Es ist von dem Vermittlungsausschuß -die Ziffer 6 des § 1 wieder aufgenommen und sogar noch wesentlich erweitert worden insofern, als die auch nur teilweise mit öffentlichen Mitteln finanzierten und erstellten Bauten mit einbezogen werden sollen. Hier war der wirtschaftspolitische Ausschuß einmütig der Auffassung, daß die öffentliche Hand einmal im Wege der Ausschreibungen die günstigsten Preisangebote zu ermitteln hätte, und wenn das nicht möglich sei, doch genügende Voraussetzungen haben müßte, auf Grund eigener Sachkenntnis zu entscheiden. Zudem ist bei den mit öffentlichen Mitteln teilweise finanzierten Wohnbauten in der aufrechterhaltenen Mietbindung ein vollkommen ausreichender Preisschutz der Wohnungsuchenden und Mieter gegeben.
Auch bedauern wir, daß der Bundesrat wieder Kautschukbegriffe eingeführt hat, die niemand definieren kann — gerade das, was wir bei dem Gesetz vermieden sehen wollten. Der Bundesrat spricht im § 3 davon, daß „volkswirtschaftlich angemessene Preise" gesichert werden sollen. Es gibt keinerlei sachlich zwingende Definition, wann ein Preis volkswirtschaftlich angemessen ist und wann nicht. Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes war zweifellos richtiger. Die anderen Dinge sind von minderer Bedeutung.
Unsere Fraktion sieht sich daher gezwungen, diesen Vermittlungsvorschlag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle den Vermittlungsvorschlag des Ausschusses als Ganzes zur Abstimmung. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag des Vermittlungsausschusses ist abgelehnt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der
FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes
.
Wer begründet das Gesetz? — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Mit der in unserem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1864 vorgeschlagenen Regelung möchte unsere Fraktion im Interesse der vielen Bausparer eine Lücke schließen. Die privaten Bausparkassen haben im Laufe des letzten Jahres ein Sparvolumen von über 270 Millionen DM erreicht. Die Einlagen bei den privaten Bausparkassen haben sich in einem Jahr von 115 auf diese 270 Millionen vermehrt.
Meine Damen und Herren, ich bitte um ein wenig Ruhe!
Wir sind außerordentlich daran interessiert, daß diese Entwicklung anhält und sich womöglich noch verstärkt. Die Hypothekenbanken und die öffentlichen Bausparkassen genießen bereits im Interesse der Förderung des Wohnungsbaus eine Vergünstigung bei der Körperschaftsteuer insofern, als sie nur die Hälfte des üblichen Satzes zu zahlen haben. Da auch die privaten Bausparkassen inzwischen mit über 270 Millionen DM sehr erhebliche Teile von Spargeldern des deutschen Volkes verwalten, ist es dringend erforderlich, daß ihnen eine gleiche Chance geboten wird, ein Haftungskapital für niemals zu vermeidende Risiken zu bilden, wie dies den Hypothekenbanken und den öffentlichen Bausparkassen gestattet. worden ist.
Wir bitten deshalb, diese Änderung des Körperschaftsteuergesetzes zu beschließen, und beantragen die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sowie an den Ausschuß für Geld und Kredit.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, ohne besondere Beratung zu entscheiden. — Das Haus ist damit einverstanden.
Deutschen Bundestag — 118. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den. 15. Februar 1951 4507
Ich lasse abstimmen. Wer für die Überweisung des Gesetzentwurfs an die -genannten Ausschüsse ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (Nr. 1882, zu 1882 der Drucksachen, Umdruck Nr. 75, Änderungsanträge Umdruck Nrn. 77, 80).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Wackerzapp als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 85. Sitzung vom 14. September 1950 beschlossen, den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für verdrängte Angehörige des öffentlichen Dienstes, Drucksache Nr. 1287, dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen. .Der Beamtenrechtsausschuß hat zur Beratung dieses Gesetzes einen Unterausschuß gebildet. Dieser Unterausschuß hat in mehreren Sitzungen unter Mitwirkung der Vertreter der Ministerien und des Bundesrates Ergebnisse erarbeitet, die Ihnen in der Drucksache Nr. 1882 vorliegen. Die Vertreter der Organisationen sind gehört worden, insbesondere der B.V.N.
Der Ausschuß ist von der Konzeption des Regierungsentwurfs wesentlich abgewichen. Der Regierungsentwurf hatte sich selbst eine bescheidene Aufgabe gestellt. Er wollte nur eine Art Lückenbüßer für die Fälle sein, daß verdrängte und vertriebene Beamte nicht unter die Ländergesetze fallen, die die Wiedergutmachungsansprüche der heimischen Beamten regeln; Demgegenüber hat der Ausschuß den Standpunkt vertreten, es sei auf die Dauer nicht tragbar, daß in Sachen der Wiedergutmachung eine buntscheckige Regelung Platz greife, je nach den parlamentarischen Verhältnissen und nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder. Er hat sich deshalb dahin entschieden, den Wiedergutmachungskomplex für den öffentlichen Sektor für das ganze Bundesgebiet einheitlich zu regeln. Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich aus dem Grundgesetz, dessen Artikel 74 in Ziffer 9 die Wiedergutmachung als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung aufführt.
Um Stellung und Rang dieses Gesetzes in der allgemeinen Gesetzessystematik richtig einzuordnen, ist davon auszugehen, daß es sich nur um die Bearbeitung eines kleinen Teilstücks aus dem 'großen Bereich der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts handelt. Es ist das Endziel, daß der Bund auf diesem Gebiete eine allgemeingültige Regelung für alle Länder herausbringt. Wir glaubten aber, daß es jetzt angezeigt sei, wenigstens auf einem bestimmten Sondergebiet, wo besonders geeignete Voraussetzungen vorliegen, schon von Bundes wegen eine Teillösung vorwegzunehmen. Diese besonders günstigen Vorbedingungen sind dadurch gegeben, daß in der öffentlichen Verwaltung ja ein gewisser Schematismus herrscht, daß hier nach bestimmten Ordnungen festumgrenzte Begriffe und Tatbestände sich gebildet haben, daß insbesondere auch die finanzielle Auswirkung übersehbar ist.
Zu diesen mehr technischen Voraussetzungen trat noch ein weiterer innerlicher Rechtfertigungsgrund: Keine Bevölkerungsgruppe war dem Zugriff des nationalsozialistischen Gewalthabers so hemmungslos und bequem ausgeliefert wie gerade die Beamtenschaft; denn es war ja die erklärte Absicht des nationalsozialistischen Regiments, daß es sich einen in seinem Sinne zuverlässigen Beamtenapparat zu schaffen trachtete. Diesem Zweck diente insbesondere das berüchtigte Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933. Dieses Gesetz und die darauf gegründete Verwaltungspraxis haben unendlich viel Leid und Not in die betroffenen Beamtenkreise hineingebracht, und es ist nun die Aufgabe unseres Wiedergutmachungsgesetzes, mit den spezifischen Mitteln und Möglichkeiten, die im öffentlichen Sektor gegeben sind, heilend die Hand anzulegen.
Es kann hier nur darauf ankommen, Ihnen die tragenden Grundgedanken des Gesetzes zu entwickeln und die Dinge herauszustellen, die im Ausschuß einer besonders eingehenden Beratung unterworfen worden sind oder bei denen sich gegensätzliche Auffassungen entwickelten.
Zunächst einmal muß festgestellt werden, wer denn überhaupt wiedergutmachungsberechtigt ist. Da heißt es grundlegend in § 1, daß hierzu nur diejenigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes gehören, die in ihrem Dienst- oder Arbeitsverhältnis oder in ihrer Versorgung durch nationalsozialistische Verfolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahmen wegen ihrer politischen Überzeugung oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung geschädigt worden sind, sowie ihre versorgungsberechtigten Hinterbliebenen. Aber auch wenn diese grundlegenden Voraussetzungen erfüllt sind, muß noch ein weiteres dazu kommen. Es werden nämlich nur die in § 2 enumerativ aufgeführten Gruppen berücksichtigt. Wer nicht in diesem Katalog steht, gehört nicht in den Kreis derer, die Anspruch auf Wiedergutmachung haben. So fällt z. B. der Reichsarbeitsdienst aus dem Kreis der Wiedergutmachungsberechtigten heraus. Die Mehrheit des Ausschusses war der Meinung, daß es etwas absurd wäre, wollte man den Angehörigen einer Institution, deren Aufgabe es ja doch war, das nationalsozialistische Gedankengut zu verbreiten und in die Tat umzusetzen, noch die Möglichkeit geben, in einem Wiedergutmachungsverfahren etwaige Ansprüche geltend zu machen, wenn sie mit den nationalsozialistischen Gewalthabern später einmal in Konflikt gekommen sind. Die hier erfolgte Ausschließung soll aber kein Präjudiz bilden für das Gesetz nach Art. 131, wie der Ausschuß ausdrücklich festgestellt hat.
Zum Kreis der wiedergutmachungsberechtigten Personen gehören auch die Angehörigen der Nichtgebietskörperschaften. Es erschien aber nicht tunlich, diese Körperschaften einzeln im Gesetz aufzuführen; denn auf diesem Gebiete herrscht eine ungemeine Vielfältigkeit der Rechtsformen und der Typen, so daß es kaum möglich gewesen wäre, die entscheidenden Merkmale im Gesetz festzuhalten. Der Katalog der Nichtgebietskörperschaften, die unter das Gesetz fallen, soll daher durch eine Rechtsverordnung der Regierung mit Zustimmung des Bundesrats festgelegt werden.
Die Wiedergutmachung für solche Opfer des Nationalsozialismus, die ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Ausland. haben, ist im
Gesetz nicht geregelt worden. Im Ausschuß hat man darüber debattiert, ob es nicht notwendig wäre, auch diese Gruppe mit ihren Ansprüchen schon in diesem Gesetz zu behandeln. Es wurde jedoch dagegen angeführt, daß hier besonders unübersichtliche Verhältnisse vorliegen. Zum Teil sind die Fragen der Staatsangehörigkeit unklar; hier und da hat der Betreffende ein Amt im Ausland übernommen; es sind auch Fälle vorgekommen, in denen der im Ausland Befindliche sich geweigert hat, einer Aufforderung der heimischen Landesregierung nachzukommen und ein ihm angebotenes gleichwertiges Amt wieder zu übernehmen. Schließlich kamen auch noch die Schwierigkeiten der Geldüberweisung dazu. Aus diesen Gründen ist die Regelung für diejenigen Geschädigten, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, in diesem Gesetz nicht vorgenommen worden. Um jedoch diese Gruppe, die zum Teil in der Emigration sehr Schweres hat durchmachen und viel Leid hat erdulden müssen, materiell nicht irgendwie in Verlegenheit zu bringen, hat der Ausschuß eine Entschließung gefaßt, die Sie in unserm Antrag unter Ziffer 2 finden. Danach wird die Bundesregierung ersucht, einen Gesetzentwurf für diesen Personenkreis bis zum 30. Juni 1951 vorzulegen, ferner unverzüglich Erhebungen über den Umfang dieses Personenkreises vorzunehmen und schließlich - das ist besonders wichtig - in dringenden Fällen jetzt schon einmalige oder laufende Unterstützungen zu zahlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann nicht klar und deutlich genug hervorhoben werden, daß dieses Wiedergutmachungsgesetz nur für solche Angehörigen des öffentlichen Dienstes gilt, die aus den spezifisch nazistischen Tendenzen Nachteile erlitten haben, also wegen der politischen Überzeugung, wegen der Rasse, wegen der Religion und Weltanschauung. Es genügt also nicht die Behauptung, man habe in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft irgendwie und irgendwo einen dienstlichen Nachteil erlitten, sondern es muß bewiesen werden, daß dieser Nachteil auf den eben genannten spezifischen Ursachen beruht. Daraus ergibt sich, daß alle diejenigen dienstlichen Maßnahmen, die nach den allgemeinen Straf- oder Disziplinargesetzen auch nach unserer heutigen Auffassung begründet sind, nicht zum Gegenstand eines Wiedergutmachungsanspruchs gemacht werden können. Immerhin kann es aber vorkommen, daß Urteile, die dem Beamten Nachteile gebracht haben, auf rein nazistischen Gesetzen beruhten, die inzwischen aufgehoben worden sind. Dann muß ihm natürlich auch eine entsprechende Heilung zuteil werden. Dasselbe gilt, wenn das Disziplinarurteil oder das kriminelle Urteil im Wiederaufnahmeverfahren zu seinen Gunsten geändert worden ist.
Von besonderer Bedeutung ist die Auffassung des Ausschusses, daß auch dann, wenn die Entfernung eines Beamten etwa auf Grund des § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erfolgt ist, nämlich unter der Tarnung der Verwaltungsvereinfachung, das Recht der Nachprüfung zugunsten des betroffenen Beamten besteht; denn die Erfahrung hat gelehrt, daß man oft den sachlichen Grund einer Behördenreform im Sinne der Einsparung einer Stelle benutzt hat, um einen persönlich unbequemen Beamten, an den man wegen seiner Tadellosigkeit sonst nicht herankommen konnte, auf diesem angeblich sachlichen Umwege zu entfernen.
Aus dem Kris der Wiedergutmachungsberechtigten sind nun weiter alle diejenigen geschädigten Angehörigen des öffentlichen Dienstes und ihre Hinterbliebenen ausgeschlossen, die Mitglied der NSDAP waren oder die NSDAP gefördert haben. Die lückenlose Durchführung dieses Grundsatzes hätte jedoch in besonders gelagerten Fällen zu Härten führen können. Infolgedessen ist eine Bestimmung eingebaut worden, daß dann, wenn die Zugehörigkeit zur NSDAP nur nominell oder aus der ganzen Situation heraus erzwungen war, der Betroffene, wenn er sich später gegen die nationalsozialistischen Gewalthaber gestellt und dadurch dienstliche Nachteile erlitten sowie darüber hinaus auch noch sonstige Schädigungen erfahren hat, auch in den Kreis der Wiedergutmachungsberechtigten fallen soll. Der Ausschuß hat aber ausdrücklich, um hier eine klare Abgrenzung zu finden, betont, daß eine etwa vorenthaltene Beförderung nicht als ein Wiedergutmachungsgrund für diese Kreise in Frage kommen kann. Man hat in der Praxis die Wahrnehmung gemacht, daß es halt doch sehr viele selbstsüchtige und skrupellose Elemente gibt, die es verstehen, aus allen Blüten Honig zu saugen, und die auch ein gutgemeintes Gesetz sehr oft in seiner Auswirkung zu einer Wendung bringen können, die man ursprünglich gar nicht beabsichtigt hat.
Welche Tatbestände sollen nun zur Wiedergutmachung berechtigen? Sie finden in § 5 einen Katalog. Was dort aufgeführt ist, ist im allgemeinen klar und eindeutig. Danach bekommt z. B. ein Beamter, dem man die Pension zu Unrecht genommen hat, seine Pension, oder eine Witwe. der man die Hinterbliebenenbezüge aberkannt hat. ihre Bezüge wieder in der alten Form. Schwierig wird es aber dort, wo es darum geht, ob auch eine unterbliebene Beförderung wiedergutgemacht werden soll. Es handelt sich etwa um die Fälle. daß ein Beamter etwa durch die vorzeitige Entlassung in seiner beruflichen Entwicklung beeinträchtigt worden ist oder daß man ihn zwar im Amt ließ, ihn aber bewußt bei Beförderungen überging. Die fragliche Bestimmung, die hier einen Wiedergutmachungsanspruch gibt ist auf Anregung des Bundesrates eingefügt worden. Nun steht es außer jedem Zweifel, daß eine absichtlich unterlassene Beförderung für den Betroffenen nicht nur einen materiellen, sondern auch einen ideellen Nachteil bedeutet. Schwierig ist nur die Frage, wie ein einwandfreier Nachweis dafür erbracht werden kann, daß eine Beförderung gerade aus den spezifisch nazistischen Motiven versagt worden ist. Sie kann im Einzelfall auch aus guten sachlichen Gründen unterblieben sein. Es soll ja vorkommen, daß die Vorstellung eines Untergebenen über Wert und Bedeutung seiner Persönlichkeit und Leistung sich nicht immer mit der Auffassung seines Vorgesetzten deckt; und es wird sogar von Fällen berichtet, wo der Vorgesetzte mit seiner Meinung im Recht ist.
In der Praxis vermehren sich die Schwierigkeiten weiter dadurch, daß vielfach die Personalakten verlorengegangen sind. Die Beweisführung muß in diesen Fällen also in erster Linie demjenigen auferlegt werden, der den Anspruch erhebt.
Wo liegt aber nun der Maßstab dafür welche Beförderung zu Unrecht vorenthalten worden ist? Hier wird es sehr wesentlich auf die Ausführungsanweisungen ankommen, die die Bundesregierung zu erlassen hat. Diese Richtlinien werden sich den Erfahrungsschatz der Verwaltung zunutze machen. Hier hat sich für jede Gruppe von Beamten eine
bestimmte Methode und ein bestimmter Rhythmus für die Beförderungen herausgebildet. Zweifellos können diese generellen Bestimmungen nur den Erfordernissen der sogenannten Ochsentour Rechnung tragen, wogegen die sogenannten „Springer" nicht ohne weiteres zu ihrem Recht kommen. Aber man kann erwarten, daß diese besonders talentierten Kräfte inzwischen schon längst wieder untergekommen sind und daß sie nach ihrer Wiederverwendung dank ihrer besonderen Fähigkeiten auch einen weiteren beruflichen Aufstieg nehmen werden.
Für einen noch arbeitsfähigen geschädigten Beamten, Angestellten und Arbeiter ist es selbstverständlich das dringendste Anliegen, daß er möglichst bald wieder in einer gleichwertigen Stelle untergebracht wird, wobei die vorenthaltenen Beförderungen nachzuholen sind. Wenn die Beförderung von einer Prüfung abhängig ist, so muß ihm die Gelegenheit zur nachträglichen Ableistung gegeben werden. Der Ausschuß war der Meinung, daß die lückenlose und formalistische Durchführung dieser Bestimmung unter Umständen zu Härten führen kann, insbesondere dann, wenn der Betroffene auch ohne Prüfung bereits seine Leistungsfähigkeit bewiesen, oder wenn er ein gewisses Alter, etwa von 50 Jahren, überschritten hat.
Der § 9 billigt dem entlassenen Beamten einen Rechtsanspruch auf bevorzugte Wiederanstellung zu, und zwar in einem Amt, das seinen anerkannten Wiedergutmachungsansprüchen entspricht. Es ist aber durchaus möglich, daß die Verwaltung, bei der er Wiederanstellung begehrt, nicht in der Lage ist, ihm ein derartiges Amt zur Verfügung zu stellen. In solchem Falle kann er mit seinem Einverständnis auch in einem minderen Amte beschäftigt werden, allerdings mit den Bezügen und mit dem Titel des ihm an sich zukommenden höheren Amtes. Wenn er das aber nicht will, so kann er sich in den Ruhestand begeben und als Ruhegehalt die vollen Bezüge des Amtes beanspruchen, auf das er formal im Sinne der Wiedergutmachung einen Anspruch gehabt hätte.
Es muß darauf hingewiesen werden. daß sich im Ausschuß Stimmen erhoben haben, ob diese Bestimmung nicht zu weit geht, weil man fürchtete, es könnte darin eine Art Ermunterung liegen, bei der Beantwortung der Frage, ob das angebotene Amt auch wirklich gleichwertig den Ansprüchen sei, die man glaubt erheben zu dürfen, sehr kritisch zu sein. Man muß -darauf vertrauen. daß diese Bestimmung nicht mißbraucht wird und daß die Praxis zu einer Lösung kommt, die tragbar ist und keine Überspannung bedeutet.
Von weittragender Bedeutung ist die Frage, ob und gegebenenfalls wieweit die Wiedergutmachungsansprüche rückwirkende Kraft haben sollen. Bei rein juristischer Auslegung wäre der Zeitpunkt der erlittenen Schädigung das maßgebende Datum, und es ist auch in der Tat so, daß Landesregelungen in diesem Sinne vorgegangen sind, wobei die Geldentwertung selbstverständlich berücksichtigt werden mußte. Aber der Ausschuß hatte gegen eine so weitgehende Bemessung der Wiedergutmachungsansprüche doch erhebliche Bedenken. Diese Bedenken stützten sich nicht allein auf finanzielle Überlegungen, sondern man war der Meinung: Auch die übrigen Gruppen der geschädigten Bevölkerung haben doch Wiedergutmachungsansprüche, und es wird kaum möglich sein, deren Ansprüche in solch subtiler Weise und mit solcher Sorgfalt bis ins einzelne hinein zu erfüllen wie es bei den Beamten wegen der besonders günstigen Vorbedingungen möglich ist. Deswegen läßt der Gesetzentwurf die nach ihm zulässigen und vorgesehenen Entschädigungsleistungen frühestens mit dem 1. April 1950 beginnen. Es ist jedoch ausdrücklich festgelegt worden, daß Länderregelungen, die günstiger liegen, erhalten bleiben sollen.
Die Berufssoldaten waren ursprünglich nach dem Regierungsentwurf nicht in das Gesetz einbezogen worden. Auch ihre Verhältnisse sollten durch ein besonderes Gesetz geregelt werden. Der Ausschuß glaubte aber, auch sie in das allgemeine Gesetz einbeziehen zu sollen. Dies ist mit der Maßgabe geschehen, daß zu den Berufssoldaten in diesem Sinne nicht die Waffen-SS gehört. Die Rechtsansprüche der Berufssoldaten sind im wesentlichen denen der Beamten angeglichen worden; für ihre Besoldungsverhältnisse ist eine besondere Skala aufgestellt worden, die dem Gesetz als Anlage beigefügt worden ist.
Diejenigen Angestellten und Arbeiter, die einen vertraglichen Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder auf Ruhelohn haben oder ohne die Schädigung erlangt haben würden, werden wie Beamte behandelt. Im Ausschuß ist besonders darauf hingewiesen worden, daß die Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen auch dann gegeben ist, wenn etwa Gemeinden oder sonstige Behörden ihren Arbeitern neben den Ansprüchen aus der Sozialversicherung auch einen Ruhelohn gewährten oder wenn die Versorgung aus besonderen Versorgungskassen erfolgte, zu denen der Dienstherr allein die Beiträge gezahlt hatte.
Die Wiedergutmachungspflicht obliegt demjenigen Dienstherrn, in dessen unmittelbarem Dienstbereich die Schädigung stattgefunden hat. Bei weggefallenen Dienststellen ist derjenige Dienstherr verpflichtet, der die Aufgabe übernommen hat. Wenn das nicht zutrifft, so tritt subsidiär der Bund in die Bresche.
In gewissen Grenzen ist der Entschädigungsanspruch vererblich. Er kann von dem unmittelbar Berechtigten sowie von seinen Rechtsnachfolgern geltend gemacht werden. Der Antrag muß innerhalb einer bestimmten Frist gestellt werden, und die für die Bearbeitung zuständige Behörde hat im Offizialverfahren die Voraussetzungen des Anspruches zu klären, während die oberste Dienstbehörde die Entscheidung trifft. Gegen eine Ablehnung ist Beschreiten des Verwaltungsrechtswegs binnen drei Monaten zulässig, wenn nicht die Ländergesetze eine andere Regelung vorschreiben.
Der Abschnitt über die Zahlungsvorschriften hat im wesentlichen eine verwaltungstechnische Bedeutung. Dagegen ist der Abschnitt „Verwirkung" materiell wichtig. Er versagt die Wiedergutmachung jedem, der sie auf unredlichem Wege oder mit verwerflichen Mitteln erschleichen will. Aber auch derjenige, der sich schuldhaft weigert, ein ihm angebotenes, seinen Wiedergutmachungsansprüchen entsprechendes Amt anzunehmen, setzt seine Ansprüche aufs Spiel.
Die Übergangs- und Schlußbestimmungen stellen klar, daß das Gesetz, das Ihnen hier vorliegt, in Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes erfolgt und daß es infolgedessen die Ländergesetze insofern außer Kraft setzt, als sie mit unserer bundesgesetzlichen Regelung im Widerspruch stehen. Dagegen bleiben ausdrücklich diejenigen Bestimmungen der Länder, die für die Be-
troffenen günstiger liegen, in Kraft. insbesondere was die Rückpatentierung der Ansprüche betrifft. Andererseits bleibt aber auch eine etwa nach Landesgesetzen eingetretene Verwirkung des Wiedergutmachungsanspruches in Geltung.
Schließlich ist im § 34 vorgesehen, daß das Gesetz auch auf Berlin Anwendung zu finden hat. Hierzu hat der Ausschuß noch eine Änderung vorgenommen, die Ihnen als Umdruck Nr. 80 unterbreitet worden ist. Wir bitten, den § 34 unserer Vorlage durch die neue Fassung zu ersetzen, die folgendermaßen lautet:
Dieses Gesetz gilt entsprechend für Personen, die ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in Berlin haben oder hatten, wenn das Land Berlin die zur Anwendung des Gesetzes erforderliche gesetzliche Regelung trifft und die Verpflichtungen übernimmt, die den Ländern im Bundesgebiet nach diesem Gesetz obliegen, auch soweit Personen ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Die Ausführung regelt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung.
Verzeihung, haben Sie den Antrag für den Ausschuß oder für Ihre Person gestellt?
Er ist für den Ausschuß gestellt.
In der Drucksache heißt es nämlich „Antrag des Abgeordneten Wackerzapp".
Ja. das geht ineinander über.
Sie können aber nicht als Berichterstatter einen Antrag für Ihre Person stellen. Sie müssen sich dann nachher melden. Also gilt es als nicht vorgetragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen. Der Ausschuß hat sich bei seinen sehr sorgfältigen und eingehenden Beratungen von der Überzeugung leiten lassen, daß es eine sittliche und rechtliche Verpflichtung des Bundes und aller übrigen öffentlichen Dienstherren ist, für alle Bevölkerungsschichten im Rahmen des Möglichen diejenigen Schäden wiedergutzumachen, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft angerichtet hat. Er glaubt auf einem übersehbaren Teilgebiet, nämlich im Bereich des öffentlichen Dienstes, eine Regelung gefunden zu haben, die eine gerechte Abwägung darstellt zwischen dem reinen Rechtsanspruch und den nur begrenzten Möglichkeiten seiner praktischen Verwirklichung.
Der verarmte Staat ist nicht in der Lage, vollkommene Entschädigungen zu leisten. Die den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zuteil werdende Behandlung dürfte auch mit diesem Vorbehalt im allgemeinen umfassender und vollständiger sein, als dies für alle übrigen geschädigten Gruppen möglich sein wird. Dies hängt, wie ich bereits erwähnte, mit den besonders günstigen Vorbedingungen im öffentlichen Sektor zusammen. die eine leichtere Erfassung und Realisierung der in Betracht kommenden Ansprüche gestatten.
Maß zu halten, war aber auch deswegen erforderlich, weil es noch das große Heer der heimatvertriebenen und verdrängten Beamten gibt, die ebenfalls, wenn auch auf anderer Grundlage, wohlbegründete Ansprüche anzumelden haben. Die Rückwirkung auf diese Gruppe mußte daher bei allen Entschließungen stets im Unterbewußtsein wach bleiben.
Die Wiedergutmachung, wie wir sie vorschlagen, hat aber über das Materielle hinaus auch noch eine weittragende ideelle und grundsätzliche Bedeutung. Das nazistische Gesetz von 1933 mit dem trügerischen Titel „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" hat in Wahrheit die Grundpfeiler des Beamtentums zum Wanken gebracht. Durch unser Gesetz erfahren die spezifischen Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums indirekt wieder -ihre Anerkennung und Bestätigung. Für den Ausschuß waren die Grundsätze des Rechts, der Menschlichkeit und der Fairness die bestimmenden Leitmotive. Mögen diese Kräfte nunmehr weiterwirken auch auf das große Gesetz nach Art. 131, für dessen baldigen Erlaß nunmehr nach der Rangordnung der gesetzgeberischen Dringlichkeit die Bahn auch formell frei geworden ist.
Der Ausschuß schlägt Ihnen daher vor, der Bundestag wolle beschließen, dem anliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung zuzustimmen, die unter Ziffer 2 aufgeführte Entschließung zu § 4 anzunehmen und die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
In redaktioneller Beziehung ist noch zu erwähnen, daß gewisse Berichtigungen in einzelnen Paragraphen vorzunehmen sind, die Sie in Umdruck Nr. 75 aufgeführt finden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir sind in der zweiten Beratung. Ich rufe die Paragraphen einzeln auf. Der erste Abänderungsantrag ist bei § 10 angekündigt. Ich bitte. mir zu gestatten, die §§ 1 bis 9 summarisch aufzurufen. Ist das Haus damit einverstanden? —.
Wer mit den §§ 1 bis 9 der Vorlage einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -
Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 10 ist auf Umdruck Nr. 75 Ziffer 1 ein Abänderungsantrag angekündigt. In Wirklichkeit ist es kein Abänderungsantrag, sondern eine Berichtigung, die der Ausschuß selbst vorschlägt. Es muß in der drittletzten Zeile des § 10 in der Klammer statt „§ 25" „§ 26" heißen. Ich brauche wohl darüber nicht abstimmen zu lassen.
Wer für § 10 in der so berichtigten Fassung ist, möge ein Handzeichen geben. — Angenommen.
Dann die §§ 11, - 12, — 13. Wer einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen dann zu § 14. Dazu liegt wieder ein Berichtigungsantrag nach Umdruck Nr. 75 Ziffer 2 vor. Danach muß es in § 14 statt „die 4§ 9 Absätze 2 und 3, 11 und 13" heißen „§ 9 Absätze 2 und 3, §§ 11 und 13". Auch hier brauche ich wohl nicht abstimmen zu lassen? — Das Haus ist einverstanden.
§§ 15, — 16. Wer einverstanden ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun § 17. Hierzu liegt nach Umdruck Nr. 75 Ziffer 3 ebenfalls ein Berichtigungsantrag vor. Es muß statt „Ruhestandsbeamten" heißen ,,Ruhestandsbeamte". Das Haus ist wohl damit einverstanden.
Wer mit § 17, ferner mit § 18 einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun § 19. Hierzu ist ein Abänderungsantrag nach Umdruck Nr. 77 Ziffer 1 gestellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz zur Begründung.
Meine Damen und Herren! In der amerikanisch und französisch besetzten Zone sind Vorschriften in Kraft, die günstiger sind als die Regelung, wie sie § 19 Abs. 1 der zur Beratung stehenden Vorlage vorsieht. In der britisch besetzten Zone haben die Länder — wohl mit Ausnahme des Landes Schleswig-Holstein — von der Regelung der Wiedergutmachung für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes bisher abgesehen. Einige Länder der britischen Zone haben nun den dringenden Wunsch, daß ihnen die Möglichkeit offengehalten wird, für ihre Angehörigen des öffentlichen Dienstes die 'Wiedergutmachungsregelung an die in der amerikanisch und französisch besetzten Zone bestehenden Vorschriften anzupassen. Diesem sehr berechtigten Wunsche soll die Ziffer 1 des Antrags Umdruck Nr. 77 Rechnung tragen. Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Keine weitere Wortmeldung? — Abgeordneter Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der SPD-Fraktion können wir nicht so ohne weiteres ja sagen. Wir verstehen vor allen Dingen nicht, daß dieser Änderungsantrag zu § 19 Abs. 2 wie auch die anderen Abänderungsanträge nicht im Ausschuß gestellt worden sind. Für uns sind die Auswirkungen in diesem komplizierten Gesetz sowieso kaum zu übersehen,
und durch die vorgeschlagenen Änderungen ist das höchstwahrscheinlich noch viel schwieriger. Die Vorschläge müssen insgesamt, so auch der Vorschlag zu § 19, erst gewissenhaft durchdiskutiert und beraten werden.
Ich spreche hier für die drei Fraktionen CDU/ CSU, FDP und DR Wir können uns also mit der vorgeschlagenen Änderung nicht einverstanden erklären. Vor allem ist nach der kurzen Überprüfung, die wir ja erst heute morgen vornehmen konnten, zu sagen, daß die technische Einfügung der folgenden Vorschläge einfach unmöglich ist; denn die mit Nr. 2 des Änderungsantrags beantragte Änderung gehört nicht in den Abs. 1 des § 21, sondern in Abs. 2; und da wäre auch noch eine sorgfältige Überlegung nötig. Die nächste beantragte Änderung betrifft § 21 Abs. 3; aber da kann § 10 Abs. 2 Satz 2 nicht für sich allein, sondern nur im Zusammenhang mit § 10 Abs. 1 angewendet werden.
Meine Damen und Herren, es sind rein technisch natürlich noch mehr Bedenken vorhanden, so daß wir mit dem besten Willen diese Abänderungsvorschläge nicht so ohne weiteres einfügen können. Aber mit Rücksicht darauf, daß nun diese Änderungsvorschläge gemacht und uns mündlich noch einige Bedenken wegen des § 7 vorgetragen worden sind, die vielleicht noch besprochen werden müßten, sind wir, um Ihnen entgegenzukommen, damit einverstanden, daß der Gesetzentwurf noch einmal an den Ausschuß Nr. 25 zurückverwiesen wird.
Ich muß nochmals sagen: wir können gerade bei einem solchen Gesetz nicht vorsichtig genug sein. Wir haben in Fragen der Wiedergutmachung in der letzten Zeit — ich denke an den Fall Auerbach — genug erleben müssen und möchten von vornherein alles tun, urn solche Entwicklungen zu vermeiden.
Es ist der Antrag gestellt, den Gesetzentwurf an den Ausschuß zurückzuverweisen. Nach der Geschäftsordnung ist das auch in der zweiten Beratung möglich. Über diesen Antrag ist vor dem Antrag auf Abänderung des § 19 abzustimmen. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer idafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Damit unterbrechen wir die zweite Beratung, die bis zu § 18 abgeschlossen ist, und verweisen den Entwurf an den Ausschuß zurück.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Nr. 1881 der Drucksachen); Änderungsantrag Umdruck Nr. 78
;
b) Beratung des interfraktionellen Antrags der Abgeordneten Dr. Dresbach. Dr. Menzel, Neumayer, Dr. Leuchtgens, Dr. Reismann und Genossen betreffend Stärke des Personals der Bundesgrenzschutzbehörden .
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Maier
als Berichterstatter.
— Auf der Tagesordnung steht: zweite und dritte Beratung.
— Das Haus möge nachher beschließen. ob es eine dritte Beratung heute wünscht oder nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 114. Sitzung vom 25. Januar 1951 den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung von Grenzschutzbehörden — Drucksache Nr. 1785 — dem 24. Ausschuß, dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, zur Weiterbearbeitung überwiesen. Das Ergebnis der Ausschußberatung aus zwei Sitzungen vom 26. und 31. Januar 1951 liegt Ihnen in dem Mündlichen Bericht auf Drucksache Nr. 1881 vor. Die ursprüngliche Absicht des Ausschusses, die Regierungsvorlage zur Schaffung eines polizeilichen Grenzschutzes mit einer Reihe von Anträgen auf Änderung des Grundgesetzes zum Zwecke der Errichtung einer Bundesbereitschaftspolizei zu koppeln, konnte nicht verwirklicht werden, weil nach Auffassung der Regierung und der sie stützenden Parteien die Eilbedürftigkeit des Bundesgrenzschutzgesetzes seine rasche Verabschiedung notwendig macht. Ein
von einem Vertreter der Sozialdemokratischen Partei gestellter Antrag, die verfassungändernden Bestimmungen mit dem Grenzschutzgesetz zusammen zu verabschieden, verfällt mit 9 gegen 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen der Ablehnung.
Bundesminister Dr. Lehr begründet die Dringlichkeit einer beschleunigten Verabschiedung des Grenzschutzgesetzes mit dem Hinweis auf gewisse Vorgänge an der deutschen Ostgrenze, die die Regierung zu raschem Handeln zwingen. Er bittet die Parteien, dem Gesetz eine breite Mehrheit zu sichern.
Da anläßlich der ersten Lesung im Plenum des Hohen Hauses die Fraktionen ihren grundsätzlichen Standpunkt zum Gesetz bereits dargelegt haben, wird auf eine Generalaussprache verzichtet.
In der Einzelberatung wird ein Antrag eines sozialdemokratischen Sprechers auf Änderung der Überschrift in „Entwurf eines Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden" einstimmig angenommen. Ein weiterer Antrag, den § 3, der die Aufgaben der Grenzschutzbehörden umreißt, an die Spitze zu stellen, wird abgelehnt.
Zur Änderung des § 1 wird von sozialdemokratischer Seite die Formulierung vorgeschlagen:
Der Schutz der Bundesgrenzen ist eine Angelegenheit des Bundes. Zu seiner Durchführung werden in bundeseigener Verwaltung Grenzschutzbehörden eingerichtet.
Mit diesem Antrag soll das ausschließliche Tätigwerden des Bundes auf dem Gebiete des polizeilichen Grenzschutzes klargestellt werden. Im Gegensatz dazu wird von einem CSU-Vertreter die Auffassung vertreten, daß die bayerische Landesgrenzpolizei neben dem Bundesgrenzschutz weiter bestehen könne. Der sozialdemokratische Vorschlag wird mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt. Hingegen findet eine von einem CDU-Mitglied beantragte Formulierung des § 1 Abs. 1 folgenden Wortlauts mit 10 Stimmen bei 8 Enthaltungen Annahme:
Zur Durchführung des Bundesgrenzschutzes
werden in bundeseigener Verwaltung Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet.
Zu § 2 wird seitens der Bundesregierung gewünscht, die in der ersten Lesung vorgenommene Streichung einer Bundesoberbehörde wieder rückgängig zu machen. Gegen dieses Verlangen wird geltend gemacht, daß eine eigene Oberbehörde größere Kosten verursache und daß die unmittelbare Unterstellung des Grenzschutzes unter den Bundesminister des Innern eine bessere Kontrolle durch das Parlament sichere. Es bleibt bei der Streichung.
Ein sozialdemokratischer Antrag, die §§ 1 und 2 zusammenzuziehen und § 1 die Abs. 2 und 3 mit folgendem Wortlaut anzufügen, findet mit 14 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen Annahme:
Sie unterstehen dem Bundesminister des Innern. Sie gliedern sich in Mittel- und Unterbehörden.
Zahl und Ausstattung dieser Behörden werden durch die Bundesregierung bestimmt; der Sitz wird durch die Bundesregierung im Benehmen mit dem jeweils beteiligten Lande regelt.
Ein Gegenantrag der FDP, den bisherigen §
zu belassen und den Abs. 1 wie folgt zu formulieren Die Bundesgrenzschutzbehörden unterstehen dem Minister des Innern,
verfällt mit 4 gegen 12 Stimmen der Ablehnung.
Ein weiterer Abänderungsantrag eines sozialdemokratischen Sprechers, den Abs. 2 des § 2 wie folgt zu fassen:
Zahl und Ausstattung dieser Behörden werden durch die Bundesregierung im Wege der Durchführungsverordnung bestimmt; sie bedarf der Zustimmung des Bundestags,
wird mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt.
Bei § 3 ist in der ersten Lesung von einem CSU-Vertreter gemäß dem Vorschlag des Bundesrats die Streichung der Worte „insbesondere durch die Ausübung der Paßnachschau" beantragt worden. Die Ablehnung dieses Antrags erfolgte mit allen gegen 3 Stimmen.
Ein sozialdemokratischer Vertreter verlangt, daß durch die Aufnahme der Worte „im Grenzgebiet" am Ende des ersten Satzes in § 3 klargestellt werde, daß die Bundesgrenzschutzpolizei nur im Grenzgebiet und nicht im rückwärtigen Bundesgebiet tätig werden könne. Dem Antrag wird mit 8 gegen 5 Stimmen entsprochen. Ein Gegenantrag eines CDU-Abgeordneten auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage wird in der zweiten Lesung mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt.
Um bestehende Verfassungsbedenken der Opposition abzuschwächen, will man hinter § 3 Satz 1 einfügen:
Soweit der Grenzschutz in der Form von Bereitschaften durchgeführt wird, ist er auf die Bundesbereitschaftspolizei überzuleiten, sobald der Bund Polizeibereitschaften einrichtet.
Der Antrag verfällt mit 9 gegen 8 Stimmen der Ablehnung.
Seitens der Opposition wird geltend gemacht, 1 daß nach dem Grundgesetz die Beibehaltung eines Grenzschutzes der Länder nicht zulässig sei. Ein entsprechender Antrag wird mit 8 gegen 7 Stimmen abgelehnt und der Bundesratsvorschlag auf Ergänzung des § 3 durch folgenden Satz 2:
Soweit die Polizeiaufgaben der Länder hierdurch berührt werden, handeln die Bundesgrenzschutzbehörden im Benehmen mit den Polizeibehörden des beteiligten Landes,
einstimmig angenommen. Desgleichen findet ein weiterer Bundesratsvorschlag auf Einfügung eines § 3 a Annahme. Er lautet:
Soweit die Länder im Hinblick auf die Errichtung der Bundesgrenzschutzbehörden ihre dem Grenzschutz dienende Polizei abschaffen oder verringern, sollen die hierdurch entbehrlich gewordenen Beamten und Angestellten in die Bundesgrenzschutzbehörden übernommen werden, soweit nicht im Einzelfall wichtige Gründe entgegenstehen.
§ 4 wird unverändert angenommen.
Der Ausschuß diskutierte im weiteren über einen Antrag der CDU/CSU, der dem Bundestag als Entschließung zum Gesetz vorgelegt werden soll. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Die Stärke des Personals der Bundesgrenzschutzbehörden ist durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags festzusetzen. Dieser Beschluß kann nur mit der gleichen Mehrheit geändert werden.
Bundesminister Dr. Lehr gibt der Auffassung Ausdruck, daß ihm die Aufstellung des Bundesgrenzschutzes in Höhe von 10 000 Mann zugebilligt werden sollte.
Ich komme nunmehr zu dem Antrag des Ausschusses:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem Gesetzentwurf mit den aus der Zusammenstellung in Drucksache Nr. 1881 ersichtlichen Änderungen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf § 1. Hier ist ein Abänderungsantrag zu Abs. 4 angemeldet.
Das Wort hat der Abgeordnete Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz bestimmt in § 1, daß Zahl und Ausstattung der Behörden des Grenzschutzes durch die Bundesregierung festgelegt werden. Zur Ausstattung gehört nach unserer Auffassung aber auch die Festsetzung der Planstellen dieser Behörden. Durch die jetzige Fassung des Gesetzentwurfs könnte der Eindruck entstehen, daß nicht der Bundestag dieses ihm zustehende Recht behält, sondern daß er dieses Recht delegiert und auf die Bundesregierung überträgt. Das ist nach dem Ihnen vorliegenden interfraktionellen Antrag nicht gewollt; denn nach diesem Antrag soll die künftige Planziffer, d. h. die Stärke des Grenzschutzes durch einen Beschluß des Bundestags festgelegt werden, zu dem es der absoluten Mehrheit, d. h. der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Hohen Hauses, bedarf. Wir aber wünschen, daß der Inhalt dieses Beschlusses Bestandteil des Gesetzes wird, damit das Gesetz abschließend alles regelt, was sich der Gesetzgeber unter dem Bundesgrenzschutz und seinen Befugnissen vorstellt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über den Abänderungsantrag abstimmen. Wer dafür ist, daß § 1 in der geforderten Weise ergänzt wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich muß bitten, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über § 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Er ist angenommen.
§ 2 entfällt. — Zu § 3 sind Abänderungsanträge der FDP angemeldet. Wer begründet sie?
Sie ziehen den Antrag zurück.
Zu einem zweiten Antrag der SPD hat Herr Abgeordneter Menzel das Wort.
Meine Damen und Herren! Zu § 3 liegen Ihnen zwei Anträge der SPD vor. Ich hoffe, daß die heutige Neufassung inzwischen umgedruckt und verteilt worden ist.
Wir schlagen vor, dem § 3 Satz 1 folgende Fassung zu geben:
Die Bundesgrenzschutzbehörden sichern das Bundesgebiet gegen verbotene Grenzübertritte, insbesondere durch die Ausübung der Paßnachschau.
Das stimmt mit der Ausschußfassung überein. — Dann soll es weiter lauten:
Sie sichern das Bundesgebiet ferner gegen sonstige, die Sicherheit der Grenzen gefährdende
Störungen der öffentlichen Ordnung im Grenzgebiet
- und jetzt kommt der Zusatz —
bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern; das Recht der Nacheile bleibt unberührt.
Zur Begründung darf ich folgendes ausführen: Die Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit in einem Grenzgebiet muß sich notwendigerweise immer innerhalb eines Landesgebietes abspielen. Diese Störung zu beseitigen ist aber nach Art. 30 des Grundgesetzes Aufgabe der Polizei der Länder. Man mag diese Einengung des Grundgesetzes bedauern, aber sie ist nun einmal damals auf Wunsch der Mehrheit des Parlamentarischen Rates beschlossen und verfassungsmäßig festgelegt worden. Wir sind daran gebunden.
Ein zweites. Der Entwurf sieht ferner vor, daß der Grenzschutz zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Grenzgebiet allgemein zuständig sei, soweit eine Störung zugleich eine Grenzgefährdung bedeuten könnte. Wir halten es für richtig, daß das Gesetz eine .geographische Klarstellung enthält, was unter Grenzgebiet zu verstehen ist, damit vor allem auch für die Exekutive draußen keine Unklarheiten bei ihrer praktischen Arbeit bestehen. Hierdurch wird die Beweglichkeit des Grenzschutzes, die Lösung der ihm gestellten Aufgaben keineswegs beeinträchtigt, weil das Recht der Nacheile gegeben ist. Wir bitten daher, beide Anträge, sowohl den eben verlesenen als auch den zu Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 78 anzunehmen, wonach diese Aufgaben der Sicherung innerhalb der Grenzen auf die künftige Bundespolizei übergehen müssen, sobald wir diese haben.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Dann lasse ich über diese Abänderungsanträge abstimmen; zunächst über den Antrag Umdruck Nr. 83, wonach der Satz 1 des § 3 eine geänderte Fassung erhalten soll. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Gegen einige Stimmen angenommen.
Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, den Sie auf Umdruck Nr. 78 , Ziffer 3, finden, wonach § 3 einen Zusatz erhalten soll. Wer für diesen Zusatz ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich lasse jetzt über § 3 in der nunmehr festgestellten Fassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
— Ja, gegen einige Stimmen angenommen, gegen einige Stimmen, Herr Kollege Renner. Sie sind so schwer zu übersehen.
Nun § 3 a. Auch hier sind Abänderungsanträge angemeldet. Herr Abgeordneter Menzel, wollen Sie begründen?
Meine Damen und Herren! Nach einer heute vormittag abgehaltenen interfraktionellen Besprechung glaubten wir, daß über unseren Antrag Umdruck Nr. 78 zu Ziffer 4 hinsichtlich des § 3 a Einverständnis erzielt worden wäre. Wie ich während der Berichterstattung in diesem Hohen Hause erfuhr, scheinen bei einigen Mitgliedern dieses Hauses wieder Bedenken entstanden zu sein. Unsere Fassung des § 3 a soll sich lediglich darauf beschränken, das Schicksal der-
jenigen Grenzschutzbeamten in den Landesgrenzschutzbehörden, die noch vorhanden sind, für die Zukunft zu regeln, weil der Bund den bisherigen Grenzschutz an den gesamten Grenzen übernehmen wird. Das allein ist unser Anliegen. Für die Durchführung wollten wir hier den Vereinbarungen oder etwaigen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern im Einzelfall Spielraum lassen. Sie wissen, daß der Bundesrat selbst den Wunsch gehabt und daher mit seiner Fassung des § 3 a gefordert hat, daß besondere Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern getroffen werden. Unsere Formulierung erscheint uns klarer und sauberer. Die bisherigen Landesgrenzschutzbeamten haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, wer demnächst ihr Dienstherr sein wird.
Das Wort hat Abgeordneter Freiherr von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Ihnen keine Neuigkeit sein, wenn ich versichere, daß dieses Gesetz, das eine Bundesexekutive bis ins letzte Dorf, bis in die Grenzgebiete hinein sichert, überzeugte Föderalisten nicht begeistern kann. Was mir aber an dem Abänderungsantrag der SPD sehr mißfällt und weshalb ich hier das Wort nehme, ist die Tatsache, daß nach dem Antrag Ollenhauer der Wortlaut zweideutig ist. Es heißt:
Soweit die Länder die in ihrem Grenzschutz tätigen Beamten, Angestellten und Arbeiter nicht anderweitig unterbringen ...
Wir haben vorher interfraktionell darüber gesprochen und sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, daß die Worte „nicht anderweitig" kaum anders auszulegen sind als so, daß das die Auflösung der bereits bestehenden Ländergrenzpolizeibehörden einschließt. Deshalb bitte ich, wenn man dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen will, die Worte „nicht anderweitig"
zu streichen. Ich erhebe diese Bitte zum Antrag.
Herr von Merkatz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre bedauerlich, wenn in diesem Stadium der Beratungen Uneinigkeit aufkäme. Ich möchte mich dem Vorschlag des Herrn Kollegen von Aretin anschließen und glaube, man käme zu einem Ergebnis, wenn man das Wort „anderweitig" streichen würde. Über die Grundsatzfrage, die dahinter steckt, möchte ich hier keine längere Debatte entfesseln, aber ich glaube, daß man die Rechte der Länder in dem von Herrn Kollegen von Aretin bereits angedeuteten Sinn beachten sollte. Mit dieser Fassung käme man zu einem verfassungsrechtlich einwandfreien und uns dann auch einigenden Ergebnis. Ich möchte also empfehlen, nach dem Vorschlag von Aretin zu verfahren.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir finden den Abänderungsantrag in der von der SPD vorgelegten Form so, wie er hier ist, richtig, und wir sind dagegen, daß das Wort „anderweitig" gestrichen wird, gerade um die Möglichkeiten offen zu halten, die Herr Dr. Menzel vorhin hier angeführt hat. Wir sind der Meinung, daß diese Extrapolizeien der Länder möglichst bald in eine einheitliche Bundesexekutive übergeführt werden sollten. Das erscheint uns in pekuniärer wie auch in verwaltungstechnischer Hinsicht wesentlich zweckmäßiger. Diesem Zweck dient der Abänderungsantrag in der vorliegenden Form. Wir unterstützen den Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Meine Damen und Herren! Die Fassung des Antrags der SPD, wie er Ihnen heute vorliegt, beruht mit auf den Ergebnissen der Beratung des Ausschusses für innere Angelegenheiten in den letzten Tagen und der interfraktionellen Besprechung von heute mittag bei dem Herrn Bundesinnenminister.
Bei den Beratungen im Ausschuß für innere Angelegenheiten war man sich darüber klar, daß mit der Schaffung des Bundesgrenzschutzes eine Auflösung der Landesgrenzschutzbehörden zwangsläufig verbunden ist, nicht nur — das darf ich für meine politischen Freunde sagen —, weil wir es für ein Unglück halten würden, wenn der Grenzschutz — auch an der Ostgrenze — sich dadurch gegenseitig aufhebt, daß sowohl das Land als auch der Bund je einen Grenzschutzbeamten an die gleiche Stelle setzt. Das verursacht nicht nur unnötige Kosten, sondern bei einem etwa notwendigen Einsatz im Ernstfall würden sich diese beiden Kategorien von Grenzschutzbeamten, die unter verschiedener Kommandogewalt stehen, praktisch gegenseitig aufheben. Wir sehen darin eine politische Gefahr für den eigentlichen Zweck dieses Grenzschutzes, nämlich die Bewachung der Grenze.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch an Hand des Grundgesetzes versuchen, Ihnen klarzumachen, daß die Landesgrenzschutzbehörden mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgelöst sind! Sie finden den Grenzschutz an zwei Stellen unserer Verfassung erwähnt, im Art. 73 über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes und im Art. 87 über die dem Bunde unterstehenden und von ihm etwa neu zu errichtenden unmittelbaren Bundesverwaltungen. Wenn der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über den Grenzschutz nach Art. 73 Ziffer 5 hat, dann bedeutet dies, daß die Länder keine eigenen Landesgrenzschutzgesetze erlassen dürfen. Soweit die Länder eine solche Gesetzgebung bereits haben, ist diese Gesetzgebung nach Art. 124 des Grundgesetzes Bundesrecht geworden. Das heißt also, daß der Bundestag dafür zuständig ist, was aus diesem früheren Landes- und jetzigen Bundesrecht wird. Wenn aber der Bundestag über den Grenzschutz ein Gesetz erläßt, dann kann er nach Art. 87 nur Bundesgrenzschutzbehörden errichten. Es heißt in Art. 87 nicht, daß der Bund Grenzschutzbehörden errichten darf, sondern er darf nur Bundesgrenzschutzbehörden errichten. Das bedeutet, daß die Gesetzgebung durch Art. 87 insoweit in einer bestimmten Richtung gebunden ist. Er darf also nicht Landes grenzschutzbehörden, sondern nur Bundes grenzschutzbehörden einrichten. Somit ist jetzt schon kraft Verfassung ein etwaiger Landesgrenzschutz, sei es in der britischen, sei es in der amerikanischen Zone, Bundesgrenzschutz
geworden. Wir sind der Meinung, daß angesichts dieser für den Nichtjuristen nicht leicht übersehbaren Rechtslage wir als Gesetzgeber verpflichtet sind, saubere und klare Gesetzgebungsarbeit zu leisten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Meine sehr verehrten Damen
und Herren! In Art. 87 des Grundgesetzes heißt es: In bundeseigener Verwaltung . . . werden geführt der auswärtige Dienst ... Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden ... eingerichtet werden.
Während also für den auswärtigen Dienst, für Post, Bahn und dergleichen die bundeseigene Verwaltung Vorschrift ist, kann der Grenzschutz durch bundeseigene Verwaltung geführt werden. Daß dies im allgemeinen, soweit es sich z. B. um stärker formierte Einheiten zur Vermeidung größerer Störungen an den Grenzen handelt, Bundessache ist, mag klar sein. Wenn aber in den einzelnen deutschen Ländern bereits Grenzpolizeien existieren — und diese haben vorzüglich gearbeitet —, besteht kein Grund, sie nun von Bundes wegen abzuschaffen. Es ist ein Grundsatz dessen, was man Subsidiaritätsprinzip nennt, daß die höhere Ordnung — also hier der Bund — nur das an sich ziehen soll, was die niedere — also das Land — aus eigener Kraft nicht zu bewältigen vermag. Wenn aber, sagen wir einmal, die bayerische Grenzpolizei nach der Meinung des Bundesinnenministers sogar bis heute einwandfrei gearbeitet hat, besteht von Bundes wegen kein Interesse, sie abzuschaffen, zumal wenn das Land Bayern sie bezahlen sollte. Sie können das ruhig den Ländern überlassen.
Ich darf Sie außerdem darauf hinweisen, daß der Gesetzentwurf, der uns vorliegt, im Bundesrat mit einer ganz knappen Mehrheit, mit der Mehrheit eines einzigen Landes, angenommen worden ist. Wenn dem Bundesrat der Gesetzentwurf in der von Herrn Dr. Menzel vorgeschlagenen Form vorgelegt wird, können Sie — ich glaube, das kann man ohne weiteres unterstellen — annehmen, daß der Bundesrat den Vermittlungsausschuß anruft. Mögen Sie dann endgültig den Bundesrat überstimmen oder nicht — das kann man heute noch nicht beurteilen —, eine Verzögerung um vier Wochen ist da: und wir alle wissen, wie dringend der Innenminister dieses Gesetz braucht, wie dringend wir draußen einen Grenzschutz brauchen.
— Vielleicht hören Sie mir zu; ich habe jetzt das Wort.
Dabei brauchen Sie in keiner Weise zu bezweifeln, daß hier die Rechte des Bundes nicht gewahrt werden. Kein Land, auch Bayern nicht, kann nach der Rechtslage, die hier geschaffen ist, eine Grenzpolizei beibehalten, wenn es der Herr Bundesinnenminister nicht will. Aber wenn er meint, ein Land kann es machen, dann kann dies geschehen. Sie geben also nur eine Vollmacht einem Minister, der immerhin auf sein Interesse, nämlich das Interesse der Sicherheit des Bundes, bedacht ist und darüber hinaus sicherlich nicht im Ruf steht, ein strenger Föderalist oder überhaupt ein Föderalist zu sein.
Ich glaube also, Sie tun gut daran, den Antrag der SPD abzulehnen oder wenigstens dem Antrag von Aretin zuzustimmen.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wollen Sie jetzt schon das Wort nehmen, Herr Bundesinnenminister?
— Wir stimmen ab.
Es ist eine komplizierte Abstimmung. Wir haben einen Abänderungsantrag und einen Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag. Der letztere geht dahin, das Wort „anderweitig" in der zweiten Zeile des Abänderungsantrages auf Umdruck Nr. 78 zu streichen. Wer für die Streichung dieses Wortes ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den Abänderungsantrag als solchen abstimmen. Wer für seine Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Damit hat § 3 a die soeben beschlossene Fassung.
Ich lasse über § 4, — Einleitung und Überschrift abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Vorlage ist das Ergebnis einer langwierigen und mühevollen Arbeit.
Angesichts der Bedeutung, die der Sicherheitsschutz für unser Land hat, hat der Bundesregierung die Tendenz vorgeschwebt, das Hohe Haus zur Annahme des Bundesgrenzschutzgesetzes möglichst mit Einstimmigkeit zu veranlassen. Ich habe bei jeder Vorlage betreffend die Sicherheit im Innern betont, daß diese Sicherheit keine Angelegenheit einer einzelnen Partei oder der Regierungskoalition ist, sondern das ganze Hohe Haus — mit Ausnahme der Damen und Herren der KPD — in gleicher Weise betrifft. Deshalb haben wir in all den Verhandlungen versucht, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Sie selber, die Sie im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung an den Beratungen teilgenommen haben, wissen, wie mühevoll der Weg gewesen ist, den wir noch his in die letzten Stunden, ja bis in dieses Hohe Haus hinein gegangen sind.
Ich habe mich mit vollem Bedacht nicht bei den einzelnen Bestimmungen zum Wort gemeldet, sondern es, nachdem die Dinge soweit vorbereitet waren, Ihnen überlassen, die Entscheidung zu fällen. So gestatten Sie mir hier einige allgemeine Bemerkungen, ohne daß ich auf Rechtsfragen im einzelnen eingehen will.
Ich möchte aus den Punkten, die hier zuletzt erörtert worden sind, nur eine Rechtsfrage herausgreifen, nämlich die Frage, ob der Art. 73 des Grundgesetzes, der dem Bund wirklich das ausschließliche Recht der Gesetzgebung für den Grenzschutz gibt, infolgedessen nach Art. 124 des Grundgesetzes das bayerische Recht, das eine Landesgrenzpolizei geschaffen hat, zum Bundesrecht wandelt und somit auch für eine Landesgrenzpolizei kein Raum mehr ist. Soweit ich unterrichtet bin, ist die bayerische Landesgrenzpolizei durch eine Staatsministerialverordnung vom 25. November 1945 geschaffen worden. Diese Verordnung
ist ein reiner Organisationsakt und schafft als solcher kein objektives Recht. Die Verordnung ist daher niemals Bundesrecht im Sinne des Art. 124 des Grundgesetzes geworden. Der Art. 87 des Grundgesetzes gibt dem Bund nur eine Möglichkeit, den Vollzug des nach Art. 73 des Grundgesetzes gesetzten Bundesrechts in bundeseigene Verwaltung zu übernehmen. Dabei ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Bund unter Verzicht auf das Recht der eigenen Verwaltung den Vollzug des Gesetzes einem Land in eigener Verwaltung überläßt.
Ich möchte mich hier nicht in Rechtsausführungen komplizierter Art verlieren, sondern auf den tragenden Gesichtspunkt zurückkommen. Es liegt mir daran, daß das Hohe Haus sich heute in zweiter und dritter Lesung über einen Gesetzentwurf einig wird, dessen Vollzug -dringende Notwendigkeit ist. Ich kann dem Hohen Haus die gute Nachricht übermitteln, daß heute morgen, ehe wir in die weiteren Beratungen bei mir drüben eintraten, ein Vertreter der Hohen Kommission in meinem Ministerium war, der uns mitteilte, daß die Hohe Kommission dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, grundsätzlich zustimmt.
Deshalb bitte ich Sie, nachdem wir heute diesen Akt der Courtoisie erfahren haben, in Ihren Beschlüssen der Bundesregierung ebenso courtoisievoll zur Seite zu .stehen.
Nun erlauben Sie mir einige allgemeine Ausführungen. In der Debatte anläßlich der ersten Lesung schien es so, als ob zwischen den Regierungsparteien und der Fraktion der SPD eine tiefe Meinungsverschiedenheit bestünde. Erfreulicherweise hat sich diese Besorgnis nicht bewahrheitet. In den Beratungen des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich namentlich der Herr Vorsitzende fortgesetzt bemüht, zu einer weitgehenden Annäherung der Standpunkte zu kommen, die zwar auf beiden Seiten gewisse Wünsche übriggelassen hat, die aber doch heute zu der Hoffnung berechtigt, daß sich bei der nun bevorstehenden Gesamtabstimmung eine große Mehrheit für den Entwurf aussprechen wird.
Ich hätte es z. B. namens der Regierung sehr gern gesehen, wenn der Bundesregierung die Errichtung einer besonderen Grenzschutzoberbehörde gestattet worden wäre, um, wie es die ursprüngliche Regierungsvorlage vorsah, damit in meinem eigenen Hause die Fülle der Arbeit etwas zu verringern. Aber das haben Sie uns nicht konzediert, und damit müssen wir uns abfinden. Andererseits hätte die SPD gerne gesehen, daß bei der Bestimmung der Zahl und der Ausstattung der Grenzschutzbehörden der Bundestag mit eingeschaltet wäre, sei es durch den Vorbehalt eines besonderen Bundesgesetzes, sei es durch eine Verordnung, die der Zustimmung dieses Hohen Hauses bedarf. Wenn somit auf beiden Seiten Wünsche, Forderungen und Anregungen nicht ganz erfüllt worden sind, so hat dies doch der Einfachheit und der Klarheit des Gesetzentwurfs keinen Abbruch getan.
Ich glaube, eine objektive Auslegung des Textes wird ohne weiteres zu dem Schluß kommen, daß es sich auch wirklich nur um eine Sicherung im Grenzbereich handelt, also nicht etwa um die getarnte Aufstellung einer Bundespolizei, die etwa auch in den von der Grenze abliegenden Gebieten tätig
sein soll, selbstverständlich abgesehen von den Notfällen des Art. 91 des Grundgesetzes. Sie werden anerkennen müssen, daß diese Sicherung, wie sie sich auch aus dem § 3 des Entwurfes ergibt, eine rein polizeiliche Sicherung ist und nicht etwa irgendeinen militärischen Charakter trägt, wie es manche Gegner der Vorlage anfangs geargwöhnt haben.
Gewisse Bedenken beziehen sich auch darauf, daß das Vollzugspersonal der Grenzschutzbehörden in Bereitschaften zusammengeführt werden soll. Die Gründe, die dafür angegeben worden sind, kann ich nicht als stichhaltig ansehen. Schon bei der ersten Lesung des Entwurfs habe ich darauf hingewiesen, daß Bundesgrenzschutzbehörden wenig Sinn hätten, wenn sie nur aus Büropersonal und Schreibkräften bestehen würden, daß es also zu dem Begriff des Grenzschutzes gehört, die mit ihm betrauten Behörden auch mit Exekutivpersonal auszustatten. Warum sollte es mit dem Grundgesetz lediglich vereinbar sein, daß diese Exekutivbeamten ihren Dienst an der Grenze einzeln verrichten dürfen, aber daß es dem Grundgesetz widersprechen würde, wenn man diese Einzelgänger in Bereitschaften zusammenfaßt, in denen sie diese Patrouillen gemeinsam vornehmen? Die Bereitschaften bedürfen einer gewissen Zusammenfassung. Das ist für einen planmäßigen Einsatz, für die Ausbildung und für die Durchführung einer einheitlichen und schnellwirkenden Befehlsgewalt notwendig. Bedenken Sie doch, bitte, daß wir eine Bundesgrenze von 4700 km zu schützen haben, und wenn Sie einem dreischichtigen Arbeitsdienstwechsel vorsehen, dann entfällt bei den vorgesehenen Mannschaftsstärken auf mehr als 1 1/2 km nur ein einziger Mann. Wir können es daher nicht verantworten, den Schutz der Grenzen einem weiträumig verzettelten Einzeldienst zu überlassen, wir müssen vielmehr auf eine gewisse Zusammenfassung Wert legen, eine Zusammenfassung, die uns in die Lage versetzt, unsere Einheiten schnell und planmäßig an die Schwerpunkte heranzubringen und dort einzusetzen.
Ich begrüße ganz besonders die Anregung des Bundesrats über das Verhältnis zu den Landesbehörden. Auch vom Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung sind diese Anregungen einmütig gutgeheißen worden. Die Bundesregierung legt allergrößten Wert darauf, daß sich zwischen den künftigen Bundesgrenzschutzbehörden und den Polizeibehörden der Länder, sowohl den bisher bestehenden Ordnungspolizeibehörden wie den künftig entstehenden oder vielmehr, besser gesagt, den jetzt in der Entstehung begriffenen Landesbereitschaftspolizeibehörden eine gedeihliche Zusammenarbeit entwickelt.
Auf personellem Gebiete wird dies aller Voraussicht nach dadurch zum Ausdruck kommen, daß wir die im Landesgrenzschutz tätigen Beamten, soweit sie hierzu geeignet sind, in den Bundesgrenzschutz übernehmen. Das ist eine Maßnahme, die auch zur Folge haben wird, daß die effektive Vermehrung der Zahl der Grenzschutzbeamten und des Grenzschutzes nicht unerheblich hinter der Zahl zurückbleibt, die Sie heute als Stärke des Bundesgrenzschutzes festlegen werden. Die Festlegung soll nach der interfraktionellen Abmachung jetzt durch einen Beschluß des Bundestages erfolgen, der der Zustimmung der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitglieder bedarf. Mit einem solchen Beschluß ist Ihnen, meine Damen und Herren, eine hinreichende Gewähr dafür geboten, daß die Bundesregierung den Grenzschutz ohne Ihre Zustimmung nicht ver-
mehren, nicht etwa verdoppeln oder verdreifachen kann. Außerdem werden die Stellen, die hier geschaffen werden, noch von Ihrem Haushaltsausschuß besonders bewilligt werden müssen. Sie haben also volle, doppelte Sicherheit, und es besteht kein Grund zu der Forderung, die Stärke des Grenzschutzes, wie es Herr Kollege Menzel wünscht, nicht nur durch Beschluß des Bundestages, sondern im Gesetz selber festzulegen und dabei die Zustimmung der absoluten Mehrheit dieses Hohen Hauses zu verlangen. Eine solche Festlegung im Gesetz selbst hat immer ihre großen Bedenken. Sie würde eine wesentliche Verschlechterung gegenüber der im Grundgesetz vorgesehenen Regelung bedeuten, wonach für die Einrichtung der Bundesgrenzschutzbehörden ein einfaches Bundesgesetz, d. h. die Zustimmung der relativen Mehrheit dieses Hauses genügt.
Was nun freilich die Paßnachschau betrifft, die uns der Bundesrat gestrichen hat, so müssen wir darauf bestehen, meine Damen und Herren, daß diese Paßnachschau uns verbleibt und den Bundesgrenzschutzbehörden übertragen wird. In den Ausschußberatungen habe ich immer wieder angedeutet, daß wir dabei vorwiegend die Paßkontrolle an den Hauptübergangsstellen, an den Grenzübergängen im Auge haben und daß wir nach Übereinkunft mit den zuständigen Stellen auch die Paßnachschau an den kleineren Übergangsstellen regeln werden. Ich bin sicher, daß auf diese Weise die vom Bundesrat geäußerten Bedenken der Länder hinsichtlich der Paßkontrolle zu beschwichtigen sind.
Der Entwurf, meine Damen und Herren, hat gewiß manche Fragen offen gelassen, die weniger durch Formulierungen hier in diesem Hohen Hause als durch den Geist entschieden werden sollen, in dem das Gesetz angewendet wird.
Ich bitte Sie daher dringend, in dem Bestreben,
heute die letzte, optimale Forderung herauszuholen,
die letzte, optimale Fassung zu finden, nicht noch
nach neueren Formulierungen zu suchen, an denen
es ja bis zum letzten Augenblick nicht gefehlt hat.
Wir halten den Antrag der SPD, die Zuständigkeit der Grenzschutzbehörden auf eine Tiefe von 30 km zu beschränken, zwar nicht für sehr glücklich für uns und sehen darin für die praktische Durchführung des Gesetzes tatsächlich auch manche Erschwernisse in polizeitechnischer Hinsicht; aber wir glauben, daß diese Bedenken wenigstens zum Teil in einer Aussprache behoben worden sind, die ich noch kurz vorher mit Vertretern der Fraktionen gehabt habe.
Ich darf noch auf ein Letztes hinweisen, anknüpfend an die Besprechung, die wir heute morgen mit einem Vertreter der Alliierten gehabt haben, in der uns mitgeteilt wurde, daß gegen den Grundgedanken des Gesetzes Einwendungen von dieser Seite nicht erhoben werden. Im Anschluß hieran darf ich Sie bitten, mit Ihrem Beschluß doch nicht hinter der Bereitwilligkeit der Besatzungsmächte zurückzubleiben,
damit dem Gesetz die von uns so heiß begehrte
breite Mehrheit dieses Hauses gesichert wird. Wenn
Sie mit der von mir erhofften Einmütigkeit jetzt
dem Gesetz Ihre Zustimmung in zweiter und —
ich bitte Sie, keinen weiteren Aufschub zu beschließen — anschließend in dritter Lesung erteilen,
kann ich Ihnen die unzweideutige Versicherung abgeben, daß ich mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln dafür eintreten werde, daß die künftigen Bundesgrenzschutzbehörden als echte Polizeibehörden der verfassungsmäßigen Ordnung dienen und ihre Kräfte nur zum Wohle unseres Volkes für seine innere Freiheit und seine Sicherheit einsetzen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Menzel.
Meine Damen und Herren! Ich möchte einer Feststellung des Herrn Bundesinnenministers namens meiner Fraktion widersprechen, der Feststellung, daß der Grenzschutz auch im Falle des Art. 91 des Grundgesetzes eingesetzt werden könne. Wenn der Herr Bundesinnenminister seine Ausführungen damit beendete, daß er erklärte, der Grenzschutz solle für die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes eingesetzt werden, so ist das natürlich richtig. Aber der Grenzschutz darf eben doch nur dort eingesetzt werden, wo das Gesetz ihm Aufgaben zuweist.
Der Art. 91, sowohl in der Fassung, die er jetzt hat, als auch in der Fassung, die vom Ausschuß für innere Angelegenheiten als Verfassungsänderung dem Hohen Hause vorzuschlagen beabsichtigt ist, erwähnt den Polizeieinzeldienst der Länder, die Länderpolizeibereitschaften und die künftigen Bundespolizeibereitschaften, nicht aber die Grenzschutzbehörden, sei es des Einzeldienstes, sei es der geschlossenen Formation. Sie haben vorhin unseren Antrag, der den Wünschen des Herrn Bundesinnenministers gerecht geworden wäre, leider abgelehnt, unseren Antrag, wonach die Funktionen des Bundesgrenzschutzes, soweit sie durch geschlossene Formationen ausgeübt werden, auf die künftige Bundesbereitschaftspolizei übergehen sollen. Mit dieser Ablehnung durch Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben Sie soeben die Einsetzung der Bundesgrenzschutzbereitschaften für die Zwecke des Art. 91 verhindert. Es lag also an der Mehrheit des Hohen Hauses, dieser Hoffnung des Herrn Bundesinnenministers gerecht zu werden. Da Sie das abgelehnt haben, und zwar nach meinem ausdrücklichen Hinweis darauf abgelehnt haben, halten wir es nicht für verfassungsgemäß, wenn der Bundesinnenminister gegen den soeben bekundeten Willen des Hohen Hauses erklärt, er würde den Grenzschutz doch zum Zweck des Art. 91 einsetzen. Das festzustellen, halten wir für unsere Pflicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach.
Zur Geschäftsordnung! Ich beantrage namens meiner Freunde die dritte Beratung des Gesetzes.
Das Haus kann die Abkürzung der in § 44 vorgesehenen Frist durch Beschluß vornehmen,
— doch, es sei denn, daß 10 Mitglieder des Hauses widersprechen.
Die Fristen zwischen der ersten und zweiten Beratung können bei der Feststellung der Tagesordnung verkürzt oder aufgehoben werden, andere Fristen
— also die zwischen zweiter und dritter — nur, wenn nicht 10 anwesende Mitglieder widersprechen.
Also wenn das Haus es beschließt, kann in die dritte Beratung eingetreten werden. Der Beschluß gilt nicht, wenn 10 anwesende Mitglieder widersprechen.
Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob eine Mehrheit des Hauses sich für die Abhaltung der dritten Beratung unmittelbar im Anschluß an die zweite entschließt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — 5 widersprechen. Das ist zuwenig.
Damit haben wir in Anwendung des § 47 die dritte Beratung beschlossen. Aber, meine Damen und Herren, die abgeänderten Beschlüsse sind noch nicht zusammengestellt; das ist veranlaßt. Ich nehme an, daß die Drucksachen in den nächsten Minuten hereingebracht werden. Ich schlage vor, daß wir inzwischen einige andere Punkte der Tagesordnung erledigen.
— Ja, ich wollte die Drucksache Nr. 1887 vorschlagen. Das ist Punkt 15 b, der interfraktionelle Antrag betreffend Stärke des Personals der Bundesgrenzschutzbehörden.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Ohne weitere Begründung. Wer für die Annahme dieses interfraktionellen Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —2 Enthaltungen. Wünschen die Herren die Feststellung der Namen im Protokoll?
Der Antrag Nr. 1887 der Drucksachen ist angenommen.
Ich rufe dann auf Punkt 16 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Nr. 1799 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nr. 1886 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Atzenroth als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause im vergangenen Monat den Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Soforthilfegesetzes und der entsprechenden Paragraphen in den gleichartigen Gesetzen der französischen Zone vorgelegt. Es handelt sich dabei um die Frage, ob die Vermögensabgaben dinglich gesichert werden sollen. Schon kurz nach Anlaufen des Soforthilfegesetzes hat sich erwiesen, daß diese dingliche Sicherung unzweckmäßig, ja sogar schädlich ist und daß sie baldigst aufgehoben werden muß. In dem neuen Gesetz über einen allgemeinen
Lastenausgleich ist auch eine solche dingliche Sicherung nicht vorgesehen. Die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates haben sich dieser Auffassung angeschlossen und dem Gesetzentwurf zugestimmt. Der Ausschuß für den Lastenausgleich, dem der Gesetzentwurf dann zugeleitet worden ist, hat sich ebenfalls einstimmig für seine Annahme eingesetzt. Ich habe daher die Aufgabe, dem Hohen Hause vorzuschlagen, diesen Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung anzunehmen.
Meine Damen und Herren! Der Altestenrat hat für Punkt 16 der Tagesordnung vorzuschlagen, von einer Aussprache abzusehen. Da keine Wortmeldungen vorliegen, nehme ich die Zustimmung des Hauses an.
Wir kommen also zur Abstimmung. Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Entwurf ist angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. — Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände in der Schlußabstimmung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 17:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Abgeordneten Huth, Mensing, Hagge, Glüsing, Dr. von Brentano und Fraktion der CDU/CSU betreffend Regelung über die Offenhaltung der Einzelhandelsgeschäfte (Nrn. 603, 1386 [neu] der Drucksachen, Umdruck Nr. 68);
b) erste Beratung des von den Abgeordneten Degener, Richter , Determann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den werktäglichen Ladenschluß (Nr. 1879 der Drucksachen).
Das Wort hat zunächst zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Ludwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausgangspunkt für die Beratungen im Ausschuß für Arbeit war der Antrag Drucksache Nr. 603 der CDU/CSU, der eine bundeseinheitliche Regelung für die Offenhaltung der Einzelhandelsgeschäfte unter Berücksichtigung ländermäßig bedingter Abweichungen wünscht. Der Ausschuß befaßte sich in mehreren Sitzungen mit dieser Angelegenheit. Es wurden Sachverständige vom Handel, von den Gewerkschaften, den Hausfrauenverbänden, der Industrie, dem Handwerk gehört. Die Meinungen gingen sehr weit auseinander; denn es stehen sich, gegenüber zunächst einmal die Angestellten, dann der Handel und vor allem die große Masse der Verbraucher.
Ein Unterausschuß versuchte zu einem Kompromiß zu kommen mit dem Vorschlag, an Samstagnachmittagen um vier Uhr zu schließen. Das wurde vom Ausschuß nicht akzeptiert. Es kam ein Mehrheitsbeschluß zustande, wonach die Arbeitszeitverordnung vom 30. April 1938 in den §§ 22 und 23
geändert werden sollte. Die Formulierung entspricht ungefähr dem Antrag, der nachher unter Punkt 17 b zur Beratung stehen wird, dem Antrag auf Drucksache Nr. 1879. Danach sollte also an Samstagen im allgemeinen um 14 Uhr geschlossen werden; nur am ersten Samstag im Monat sollten die Geschäfte offengehalten werden.
Gegen diese Formulierung wurde Einspruch erhoben mit der Begründung, daß Ausschüsse kein Initiativrecht hätten. Geschäftsordnungsausschuß und Ältestenrat haben offenbar zugestimmt. Deshalb mußte sich der Ausschuß darauf beschränken, eine Empfehlung zu unterbreiten, die nun in der Drucksache Nr. 1386 niedergelegt ist. Danach soll die Bundesregierung ersucht werden, eine bundeseinheitliche Regelung für die Offenhaltung der Einzelhandelsgeschäfte durch eine Abänderung der Arbeitszeitverordnung vorzubereiten. Dabei soll neben der Ladenschlußzeit an Werktagen auch die Ladenschlußzeit an Samstagen eine bundeseinheitliche Regelung erfahren. Die gesetzliche Regelung für die Offenhaltung der Einzelhandelsgeschäfte soll auch Geltung haben für Einzelhandelsgeschäfte auf Bahnhofsgelände, soweit nicht sichergestellt ist, daß diese nur den notwendigen Reisebedarf befriedigen.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat sich ebenfalls mit der Angelegenheit befaßt und stellt einen Abänderungsantrag, der eine Einschränkung bedeutet. Er lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, eine bundeseinheitliche Regelung für die Offenhaltung der Einzelhandelsgeschäfte vorzulegen.
Die Mehrheit des Ausschusses für Arbeit empfiehlt die Annahme der Drucksache Nr. 1386 .
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Begründung des Antrages zu Punkt 17 b der Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Degener.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als dem Ausschuß für Arbeit seinerzeit der Antrag Drucksache Nr. 603 zur Bearbeitung überwiesen wurde, worin nichts anderes verlangt wurde, als daß die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen sollte, der die Ladenschlußzeiten regelte, da hat er sich bereits in seiner ersten Sitzung mit der Frage beschäftigt, ob denn der Umweg über die Regierung nicht etwas zu weit sei, und ob er die Aufgabe nicht kürzer und zweckmäßiger selbst erledigen könne. Er ist dann in seiner Mehrheit zu den Beschlüssen gekommen, von denen der Herr Berichterstatter, Kollege Ludwig, eben gesprochen hat.
Aber die Dinge gingen dann nicht den gewünschten Weg. Der Geschäftsordnungsausschuß stellte sich auf den Standpunkt, daß der Ausschuß mit der selbständigen Erledigung der Aufgabe seine Kompetenzen überschritten habe. Das mag formal durchaus richtig sein. Ich glaube aber, was dann folgte, hat bestimmt nicht der zweckmäßigen und schnellen Erledigung der dem Ausschuß zugedachten Aufgabe gedient. Aber immerhin, der Ausschuß hat sich bemüht, die Dinge so einfach wie möglich zu regeln, indem er die bestehenden reichsgesetzlichen Bestimmungen abänderte. Es war also ein rein formaler Vorgang, der verhinderte, daß die damals im Ausschuß für Arbeit mit Mehrheit zustande gekommene Regelung dem Hohen Hause zur Beschlußfassung unterbreitet werden konnte.
Diese Tatsache hat nun eine Anzahl der Mitglieder des Ausschusses und einen Kreis weiterer Mitglieder des Hohen Hauses veranlaßt, einen Initiativgesetzentwurf einzureichen, dessen Inhalt sich in der wesentlichsten Frage mit dem Inhalt der Beschlüsse deckt, die ursprünglich im Ausschuß erarbeitet worden sind.
Aber gestatten Sie mir, hier einmal einiges zur Entwicklung der Gesetzgebung auf dem Gebiete der Ladenschlußzeiten vorzutragen. Es ist jetzt gerade ein halbes Jahrhundert her, daß das erste Ladenschlußgesetz erlassen wurde; das war nämlich am 1. Oktober 1900. Mit diesem Gesetz wurden die bis dahin geltenden Bestimmungen der Gewerbeordnung geändert. Zu jener Zeit brauchten die Verkaufsstellen nur zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens geschlossen zu sein, oder anders ausgedrückt: sie konnten von 5 Uhr früh bis 21 Uhr abends geöffnet sein. Es hat zu jener Zeit sehr nachhaltige Kämpfe der bestehenden Angestelltenverbände gekostet, um zu erreichen, daß Änderungen eintraten. Das kann Ihnen der Umstand zeigen, daß die höheren Verwaltungsbehörden nach diesem von mir genannten Gesetz zwar die Möglichkeit hatten, Ausnahmen zuzulassen, sie bedurften dazu aber der Zustimmung von zwei Dritteln der Geschäftsinhaber. Das bedeutet also, daß das Personal und die Verbände seinerzeit zu den Dingen überhaupt noch nichts zu sagen hatten.
Es ist dann gelungen, zum 20-Uhr-Ladenschluß zu kommen, und dieser Zustand hat sich auch bis zum ersten Weltkrieg erhalten. Die Demobilmachungsverordnung vom 18. März 1919 ordnete dann die Schließung von 19 bis 7 Uhr an. Diese Regelung wurde später in die Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1923 übernommen. Es folgte eine weitere Arbeitszeitverordnung vom 30. April 1938, die aber in ihren §§ 22 und 23 die bestehenden Regelungen übernahm. Aber die Verordnung, die dann später folgte, die vom 21. Dezember 1939, also aus der Kriegszeit, enthielt doch ein wesentlich Neues. Sie ließ behördliche Änderungen zu, die dann dazu führten, daß vielfach der 17-Uhr- und 18-Uhr-Ladenschluß eingeführt wurde und — was das Interessanteste ist — in der Regel oder mindestens überwiegend auch der SonnabendFrühschluß.
Nun ist es richtig, daß zur Zeit dieser Einschränkungen der Ladenöffnungszeiten bestimmte wirtschaftliche Bedingungen bestanden. Aber diese Regelung hat sich doch recht lange gehalten. Die derzeitige Regelung für die Ladenschlußzeiten ist immer noch die Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1939. Bis zur Währungsreform hatte man überwiegend den 18-Uhr-Ladenschluß, und auch der Sonnabend-Frühschluß bildete bis zu diesem Zeitpunkt die Regel. Weil aber diese Verordnung die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen zuließ, kam es in verschiedenen Ländern zu ländergesetzlichen Regelungen, so z. B. in Bremen und in Hamburg. In Bremen führte man den 18-UhrLadenschluß allgemein und den Frühschluß um 14 Uhr an allen Sonnabenden des Monats ein, in Hamburg den Sonnabend-Schluß um 15 Uhr. Aber auch in einigen anderen Städten des Bundesgebiets ist, ohne daß eine gesetzliche Grundlage dafür gegeben war, dieser Sonnabend-Frühschluß freiwillig eingeführt worden. Ob er sich bewährt hat? Er besteht ja zur Zeit noch. Der Regelfall ist doch wohl der, daß etwas, was sich nicht bewährt, aufgehoben und geändert wird.
In Bremen ist nun allerdings ein Streit darüber entstanden, ob einige Verwaltungsakte des bremi-
schen Senats, mit denen Ladenschlußzeiten festgesetzt wurden, rechtswirksam seien. Es wurde bestritten, daß die Verordnung vom Dezember 1939 noch eine Grundlage für solche Ausnahmen bilde. Es kam zu einem Verwaltungsstreitverfahren, und das Verwaltungsgericht entschied, daß die Akte ungültig seien. Es war besonders eine Firma in Bremen, die später auch im ganzen Bundesgebiet sich gegen diese „Sonnabendfrühschluß-Bewegung" eingesetzt hat, und zwar im klaren Gegensatz — wenigstens in Bremen — zu den Beschlüssen ihrer eigenen Fachorganisation. Ich persönlich kann nur sagen, daß ich diese Entwicklung in Bremen bedaure, weil sich die Sache dort gut eingespielt und eingebürgert hatte. Als diese Verwaltungsakte des bremischen Senats annulliert wurden, beschloß die bremische Bürgerschaft ein Gesetz. Nun wurde vom Verwaltungsgericht entschieden, auch das Gesetz sei rechtsunwirksam. — Dazu kann ich nur sagen, daß nach meiner Ansicht für diese Frage nicht das Verwaltungsgericht, sondern der bremische Staatsgerichtshof zuständig ist. Es besteht also in Bremen augenblicklich ein durchaus unerwünschter Rechtszustand.
Aber was ist nun geschehen, nachdem keine gesetzliche Basis für den Sonnabend-Frühschluß mehr da war? Die Einzelhandels-Fachverbände haben sämtlich öffentlich aufgefordert, die Geschäfte nach wie vor sonnabends um 14 Uhr zu schließen. Sie haben sogar den Senat gebeten, an diesem Sonnabend-Frühschluß festzuhalten.
Meine Damen und Herren! Im Lande Bremen gibt es kleine und kleinste Städte und Mittelstädte, auch solche, die von Dörfern, also Gebieten mit ländlicher Bevölkerung, umgeben sind. Im Lande Bremen liegen die Verhältnisse nicht anders als in den größeren Ländern im Bundesgebiet. Aber diese Vorgänge in Bremen zeigen nach meiner Ansicht, daß der Sonnabend-Frühschluß in den Verkaufsstellen nicht ausschließlich ein Anliegen der Angestellten ist, die in ihnen tätig sind, sondern auch ein Anliegen der Geschäftsinhaber selbst.
Welches sind die Gründe für den SonnabendFrühschluß? — Man muß sich einmal vergegenwärtigen, wie angestrengt das Verkaufspersonal in den Geschäften in häufig von staubiger Luft erfüllten Räumen, vielfach bei künstlichem Licht, in ständigem Gehen und Stehen tätig sein muß, um zu wissen, welche physisch und psychisch anstrengende Tätigkeit hier geleistet werden muß. Nun ist es aber auch noch so, daß ja der Sonnabend-Frühschluß bei Industrie, Behörden, Banken, Versicherungen usw. eine Verlagerung der Einkäufe, ohne daß ein zwingender Grund dafür vorläge, gerade auf diese Nachmittagsstunden des Sonnabends gebracht hat, so daß vom Verkaufspersonal an diesem Tage besonders viel geleistet werden muß.
Auch die deutsche Angestelltenschaft, soweit sie in diesen Verkaufsstellen tätig ist, hat einen Anspruch darauf, eine zusammenhängende Wochenendfreizeit zu haben. Sie hat den Anspruch dann, wenn er ihr ohne zwingende Gründe nicht versagt werden kann; darauf komme ich noch zu sprechen. Diese zusammenhängende Wochenendfreizeit soll der Erholung, der Erhaltung der Gesundheit, also der Erhaltung der Arbeitskraft dienen und soll diesem Teil der Angestelltenschaft die Möglichkeit der Teilnahme an Sport, an Wanderungen — dies besonders für die Jugend — und auch an den kulturellen Veranstaltungen des Wochenendes geben.
Was wird denn nun eigentlich an Argumenten gegen diese Wünsche jenes Teils der Angestelltenschaft geltend gemacht? Einmal heißt es, die Landbevölkerung könne unmöglich auf den Sonnabendnachmittags-Einkauf in den Klein- und Mittelstädten verzichten. Wenn ich boshaft sein wollte, könnte ich die Frage stellen, ob die Landwirtschaft auch im Winter nicht in der Lage ist, an anderen Tagen einzukaufen. Das kann sie bestimmt; kein verständiger Mensch wird bestreiten, daß sie es kann. Aber es hat sich herausgestellt, daß auch die Landbevölkerung — abgesehen von der sie stark belastenden Arbeit in der Erntezeit — ihre Einkäufe durchaus zu anderen Zeiten tätigen kann.
— Ich habe das Licht nicht ausgeschaltet.
Darf ich einmal darauf aufmerksam machen, daß der einzige, der das Wort hat, der Redner ist.
Es wird weiter darauf hingewiesen, daß die berufstätigen Personen zu den sonstigen Zeiten nicht einkaufen könnten.
Im Lande Bremen
hat sich folgendes ergeben. Nachdem die Beschlüsse für die neuen Ladenschlußzeiten vorlagen, gab es in einem Zeitraum von etwa drei Wochen acht oder zehn Leserbriefe in der Bremer Presse. Dann war Ruhe, dann hat die Sache ausgezeichnet geklappt. Und Bremen liegt ja nicht aus der Welt. Die Verhältnisse in Bremen liegen nicht viel anders als in anderen Gebieten.
Weiter wird uns immer wieder gesagt, damit sei eine Umsatzminderung verbunden, die nicht tragbar sei. Meine Damen und Herren, der geschulte Kaufmann weiß, daß die Höhe des Umsatzes nicht von den Zeiten der Ladenöffnung abhängt, sondern von der vorhandenen Kaufkraft und der Tüchtigkeit, die er selber für sein Geschäft entfaltet und mitbringt.
Der Ihnen vorliegende Antrag sieht nun vor, daß der erste Sonnabend im Monat einen 18- oder 19-
Uhr-Ladenschluß hat, je nachdem, wie die gegenwärtigen Regelungen gegeben sind, daß an allen folgenden Sonnabenden jedoch um 14 Uhr Ladenschluß ist.
In dem Gesetzentwurf sind noch andere Ausnahmen enthalten. So ist die Möglichkeit gegeben, für vier weitere Sonnabende im Jahr den Ladenschluß auf eine spätere Zeit zu verlegen, also auf 18 oder 19 Uhr. An weiteren 16 Werktagen im Jahr soll die Möglichkeit bestehen, unter Umständen, wenn ein Bedürfnis dafür nicht verneint werden kann, die Ladenschlußzeit bis auf 21 Uhr zu verlegen.
Die Antragsteller sind der Überzeugung, daß der Anspruch der großen Schar der Handelsangestellten berechtigt ist und daß er auch ohne besondere Schwierigkeiten erfüllt werden kann, daß lediglich — und das geben wir zu — geringe Opfer an Bequemlichkeit vom kaufenden Publikum gebracht werden müssen. Das ist ein Opfer, das wir gerin-
Wegener)
ger werten als den Vorteil, den die Angestelltenschaft für die Erhaltung ihrer Arbeitskraft und auch der Geschäftsinhaber für sich durch die neue Regelung gewinnen.
— Melden Sie sich nachher, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Antragsteller bitte ich Sie, den Ihnen vorliegenden Antrag, Drucksache 1879, an den Ausschuß für Arbeit zur weiteren Beratung zu überweisen.
Damit ist die Begründung des Antrages erfolgt.
Der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen.
— Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat zu dieser Frage schon seit Monaten eine außerordentlich große Anzahl von Briefen bekommen. Auch die einzelnen Fraktionskollegen haben in den letzten Tagen Äußerungen — meistens nichtzustimmende — zu dem Gesetzentwurf erhalten. Die Fülle der Eingaben ist so groß, daß sie die Menge der Eingaben betreffend Süßwarensteuer um ein ganz Erkleckliches vermehrt.
Die Süßwarensteuer ist ja noch im Stadium nascendi; da stehen wir vielleicht erst am Anfang einer Entwicklung.
Ich möchte die Eingaben und das darin enthaltene Material nach drei Gesichtspunkten aufgliedern. Ich nehme zunächst die Eingaben aus dem Kreise der Käuferschichten, dann die aus den Kreisen der in Frage kommenden Geschäftsinhaber, schließlich die aus dem Kreise der — ich will mal sagen — betroffenen Angestellten.
Bei dem ersten, dem Kreis der Käuferschichten, sprechen sich nahezu alle Eingaben gegen den Samstagnachmittagladenschluß aus.
Alle erklären immer und immer wieder, man brauche doch nun nicht eine Schematisierung nach dieser Richtung hin durchzuführen, man solle die Entwicklung, die sich nun einmal vielerorts auf die Offenhaltung am Samstagnachmittag eingestellt habe, unter allen Umständen weiterlaufen lassen. Besonders die Hausfrauen weisen darauf hin, daß am Samstagnachmittag ihre Männer zur Verfügung stehen, und zwar besonders bei den Großeinkäufen. Es ist also eine Art Familienfest, das sich da entwickelt.
Wir sollten in dieser rauhen Zeit solche Familienfeste nicht unterbinden und nicht die Entwicklungsmöglichkeit dazu abschneiden.
Die Hausfrauen sind es ja, durch deren Hände der größte Teil des Verdienstes des Mannes geht.
Wenn also die Hausfrauen diese Tätigkeit entfalten, sollen wir sie nicht dabei stören.
In dem Gesetzentwurf wird nun gesagt: Gut, wir wollen dieses Familienidyll am ersten Samstagnachmittag im Monat sich entwickeln lassen. Dazu äußern sich alle Schreiben dahin, daß ein Samstag absolut nicht ausreiche.
Gerade aus Arbeiterschichten wird mir und meinen Fraktionsfreunden immer und immer wieder dargelegt, daß die Arbeiter doch auch ein Recht darauf hätten, mit ihrer Familie einmal zum gemeinsamen Einkauf auszugehen. Und was sollte mit dem einen Samstagnachmittag geschehen? Die meisten werden ja nicht auf den Kalender schauen und dann immer daran denken, daß nur der eine Samstag in Frage kommt.
— Ich bin sehr dankbar, Herr Kollege Oellers für den Einwurf. Wenn es ein schlechter, ein regnerischer Tag ist, dann kommt das Ganze nicht zur Entwicklung.
Es gibt Hausfrauen, die mir geschrieben haben, daß man in einer Zeit, in der die Bergleute, um uns aus einer Klemme zu helfen, Sonderschichten fahren, auch den Samstagnachmittag zum allgemeinen Einkauf ruhig beibehalten soll. Ich glaube, das ist ein sehr geschickter Hinweis, und vor der Majestät des Kunden, von der immer wieder gesprochen wird, sollten doch auch wir unter allen Umständen kapitulieren.
Von verschiedenen Instituten zur Erforschung der Volksmeinung ist eine Volksbefragung, also eine ganz demokratische Handlung, durchgeführt worden. Aus den Ergebnissen dieser Volksbefragung ist klar und eindeutig nachgewiesen, daß der größte Teil der Befragten, die allen Bevölkerungsschichten angehörten, durchaus dafür war, am Samstagnachmittag die Ladengeschäfte offen zu lassen.
— Herr Kollege Richter, ich bin sehr objektiv, das wissen Sie; Sie hatten schon wiederholt Gelegenheit, meine Objektivität anzuerkennen.
Nun komme ich zu den Eingaben des zweiten Kreises, nämlich der Geschäftsinhaber, die recht viele Eingaben gemacht haben. Die betreffenden Kreise weisen darauf hin, daß der Samstagnachmittag nun einmal zu dem großen Geschäftstag gehört, den man ihnen nicht nehmen dürfe. Die Geschäfte weisen auch darauf hin, daß sie nach dem neuen Steuerbukett der Bundesregierung jetzt erhöhte Umsatzsteuerbeträge abführen sollten, daß sie ferner nach der in Aussicht gestellten Durchforstung des Einkommensteuergesetzes auch wieder mehr Einkommensteuer entrichten sollten; Voraussetzung für die Entrichtung erhöhter Einkommensteuer sei aber, daß man ihnen den Hauptgeschäftstag selbst nicht nehme.
Auch der Städtetag hat sich in einer wohlbegründeten Eingabe gegen den Wegfall der Verkaufstätigkeit am Samstagnachmittag ausgesprochen. Das Hotel- und Verkehrsgewerbe hat es ebenfalls getan.
Ist nun bei den Angestellten selbst alles eitel Freude? Auch das ist nicht der Fall. Soweit die Angestellten büromäßig tätig sind, haben sie norma-
lerweise. Samstagnachmittag frei, sie konzentrieren also ihre Einkaufstätigkeit auf den Samstagnachmittag. Die in den entsprechenden Branchen tätigen Angestellten sind in ihren Auffassungen genau so uneinheitlich wie so viele andere Volksschichten. Ein großer Teil befürchtet durch den Rückgang des Geschäfts einen Wegfall oder eine Minderung etwaiger Umsatzprovisionen, wo solche Provisionen üblich sind. Die andern meinen, man solle ihnen auf eine andere Art und Weise entgegenkommen. Sie wissen ja, daß durch die Tarifverträge jedem dieser Angestellten ein freier Nachmittag gesichert ist. Wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, das Wochenende zu verlängern, würden wir auch dafür stimmen. Aber entgegen dem Wunsch von praktisch 80 % der Menschen aus allen Bevölkerungsschichten kann der freie Samstag unmöglich eingeführt werden.
Das war das Wesentliche, was ich bei der kurzen mir zur Verfügung stehenden Redezeit sagen wollte. Meine politischen Freunde können in diesem Gesetzentwurf nicht der Weisheit letzten Schluß sehen. Sie sind zwar zu entsprechender Mitarbeit im Ausschuß bereit, aber dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form können sie nicht zustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Naegel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre sehr reizvoll, die ganze Vorgeschichte des heute hier zur Diskussion stehenden Themas einmal zu erörtern, aber wir wollen Ihre Zeit nicht damit in Anspruch nehmen. Zunächst habe ich als Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik einen Auftrag zu erledigen. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß wir im Ausschuß für Wirtschaftspolitik einstimmig den Beschluß gefaßt haben, die Bundesregierung aufzufordern, eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung für die Offenhaltung der Einzelhandelsgeschäfte vorzulegen. Dieser Beschluß ist einstimmig im Ausschuß für Wirtschaftspolitik gefaßt worden. Er ist eine kleine Abänderung gegenüber dem Beschluß, den der Ausschuß für Arbeit gefaßt hat, weil wir der Meinung waren, wir könnten der Regierung nicht schon bei der Anregung, ein solches Gesetz vorzulegen, einengende Bestimmungen vorschreiben. Ich darf das Hohe Haus namens des Ausschusses für Wirtschaftspolitik bitten, diesem Beschluß beizutreten und ihn zu akzeptieren.
Zu der andern Sache darf ich vielleicht einige ganz wenige Worte sagen. Ich glaube, daß die Regelung, die Herr Kollege Degener eben hier vertreten hat, gerade diejenige ist, die von der gesamten Wirtschaft abgelehnt worden ist, und zwar sehr eindeutig.
Es ist lange darüber diskutiert worden, ob man eine Neuregelung der Geschäftszeiten und auch gewisser Freizeiten innerhalb der Einzelhandelsgeschäfte treffen sollte. Aber gerade die Regelung, die hier vom Ausschuß für Arbeit schon einmal überlegt war und nunmehr wieder den Inhalt des neuen Gesetzes darstellt, ist sowohl von allen Beteiligten der Wirtschaft als auch von der Verbraucherschaft abgelehnt worden. Ich bin deshalb der Meinung, wir brauchten uns mit diesem Thema an sich gar nicht weiter zu beschäftigen, zumal die Beschlüsse vorliegen, daß die Bundesregierung
eine von ihr ausgearbeitete Gesetzesvorlage machen soll. Ich möchte deshalb anregen, diese Unterlagen der Bundesregierung als Material zu überweisen, da eine nochmalige Behandlung des Themas in den Ausschüssen auch kein weiteres neues Moment mehr beibringen kann.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei meiner Fraktionskollegen haben den Ihnen vorliegenden Antrag auf Drucksache Nr. 1987 unterzeichnet. Im übrigen ist aber die Zentrumsfraktion der Ansicht, daß es nicht opportun und nicht richtig sei, den Ladenschluß am Samstag allgemein für das ganze Bundesgebiet einheitlich zu regeln. Wir- haben deswegen dem Hause einen Abänderungsantrag unterbreitet, der leider nicht gedruckt vorliegt, obwohl wir ihn gestern eingereicht haben. Es heißt darin — ich gestatte mir, Herr Präsident, das vorzulesen, da er eben nicht gedruckt vorliegt —:
Die Bundesregierung wird ersucht, eine Regegelung der Verkaufszeit für Einzelhandelsgeschäfte vorzubereiten, bei welcher sicherzustellen ist, daß den Angestellten der Einzelhandelsgeschäfte ein arbeitsfreier Nachmittag in der Woche verbleibt und die Bestimmung des Wochentags dafür den Gemeinden überlassen bleibt.
Bei dem Bundesgebiet handelt es sich nun einmal nicht, wie einer der Herren Vorredner, der Kollege Degener, eben sagte, um einen Bereich wie Bremen. Bei der Verschiedenheit, die zu berücksichtigen ist, bei der Stadt und Land, große und kleine Städte, Fabrikstädte und Kurorte berücksichtigt werden müssen, ist das eine Angelegenheit, die nicht von Bundes wegen, sondern die auf der gemeindlichen Ebene geregelt werden muß.
Man fragt hier nach allen möglichen Interessen, aber schließlich sind die Läden wegen der Käufer da!
Wer fragt denn hier eigentlich nach den Interessen der Käufer; und diese Interessen der Käufer dienen schließlich der Existenz auch derer, die davon leben wollen; und zu denen gehören auch die darin verkaufenden Angestellten. Sie dürfen sich doch nicht den Ast absägen, auf dem sie sitzen, meine Damen und Herren! Schließlich sägen sie sich in den kleinen Orten den Ast ab, auf dem sie sitzen; denn dann kommen sie eben nicht mehr auf ihre Unkosten! Aber bleiben wir mal bei den Interessen der Käufer. Gerade die Werktätigen, wann sollen sie denn ihre Einkäufe eigentlich besorgen? Und wenn nun auch die Familie einmal zusammen einkaufen will, wenn die Frau mit ihrem Mann zusammen am Samstagnachmittag, an dem er frei hat und an dem er mit ihr, mit der Familie einkaufen könnte, einkaufen will, da sind die Läden zu! Und die werktätigen Frauen, wann sollen sie eigentlich einkaufen, wenn sie nebenbei noch einen Haushalt zu versorgen haben? Ja, jeder Beruf hat seine Vorzüge und seine Nachteile, und wenn einer sich entschließt, Verkäufer zu werden, dann muß er diesen Nachteil in Kauf nehmen. Er hat andere Vorteile dafür. Ich bin der Ansicht, daß die Öffentlichkeit für eine so schematische Regelung, wie sie hier von den Interessentenver-
tretern vorgeschlagen ist, kein Verständnis hat und sie ablehnen wird. Wir sind deswegen der Ansicht, die Regelung, die bundeseinheitlich erfolgen soll, muß dahin gehen, daß die örtlichen Instanzen zu entscheiden haben, was für diese Gemeinde die richtige Ladenschlußzeit am Samstag ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Richter .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel ist diese Frage für unsere gesamte Wirtschaft wichtig; aber ich glaube, ebenso wichtig ist sie auch für alle diejenigen, die in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt sind. Es war immer die Angst der Kaufleute, daß ihr Verdienst geringer würde, wenn sich die Zeit, in der der Laden offen ist, verkürzen würde.
Die Praxis hat immer erwiesen, daß diese Angst der Kaufleute unberechtigt war und daß die Käufer auch mit den Waren, die sie sich kaufen konnten, versorgt wurden. Es ist doch nicht so, wenn Sie hier sagen, der Arbeitnehmer hätte keine Gelegenheit, mit seiner Frau an dem freien Samstagnachmittag mal seinen Großeinkauf zu machen, d. h. seinen Anzug, den er sich alle paar Jahre einmal von seinem Lohn kaufen kann,
seine Schuhe, die er sich vielleicht — —
— Bitte, anders ist es nicht! Gehen Sie doch hin in die Stadt; sehen Sie sich das Leben in den Arbeitergemeinden an, wie oft ein Arbeiter, der eine Familie hat, in der Lage ist, sich auf Grund seines Lohnes einen Anzug zu kaufen.
— Das sind Dinge, die weiß ich vielleicht besser als Sie! — Aber, meine Damen und Herren, darum handelt es sich nicht, es ist nicht notwendig, daß Sie sich deshalb erregen. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß der Arbeiter ja nicht mit seiner Frau jede Woche oder gar jeden Monat einen Großeinkauf hat, Das ist doch gewöhnlich ein besonderes Ereignis!
Im Arbeitsausschuß und mit diesem Antrag haben wir auch gar nicht beabsichtigt, daß jeden Samstag um 14 Uhr alle Läden geschlossen sein sollen. Nach eingehender Diskussion, an der sich alle Fraktionsvertreter beteiligten, haben wir uns mit Mehrheit dahingehend verständigt, daß der erste Samstag im Monat aufbleibt, d. h. daß die Läden und offenen Verkaufsstellen so lange auf sind wie an Wochentagen. Wenn also der Angestellte sein Monatsgehalt oder der Arbeiter die Spitze seiner Lohnzahlung bekommt, hat er die Möglichkeit, mit seiner Frau und seinen Kindern einen Einkauf zu tätigen, er kann auch eine Tasse Kaffee trinken und, wenn er das Geld dazu hat, sogar noch ein Stück Kuchen dazu essen. Die Chance haben wir dem Arbeiter, seiner Familie und den Wirtschaftszweigen verschiedenster Art gelassen.
Es wird auch kein Ladengeschäft geschädigt. Die Masse gibt ihren Verdienst aus, und was sie nicht auszugeben braucht und was schließlich zur Sparkasse kommen sollte, das schädigt die Wirtschaft auch nicht; das kommt ihr indirekt wieder zugute. Man sollte daran denken, daß es sich hier um ein
Schutzrecht für das Personal, für Hunderttausende von meistens jungen Menschen, von weiblichen und männlichen Angestellten handelt. Warum sollen die nicht mit ihren Familien, mit ihren Freunden und Bekannten ein Wochenende verleben können? Warum sollen sie als Angestellte am Sonnabend bis 7 Uhr abends — bis sie nach Hause kommen, wird es 8 und 9 Uhr — gebunden sein, während alle ihre Freundinnen und Freunde, ihre Familien das Glück haben, auf das Land zu gehen oder an sonst einem Besuch oder einer Veranstaltung teilnehmen zu können?
— Mich interessieren in diesem Falle Ihre Zwischenrufe wirklich nicht, weil ich dafür nicht das geringste Verständnis habe, und ich bedaure, daß Sie diese unsozialen Zwischenrufe machen.
Aber die Angelegenheit ist auch von kultureller Bedeutung; denn gerade an Sonnabenden finden die kulturellen Veranstaltungen statt. Wenn man schon das Familienleben fördern will und sich dafür einsetzt, dann sollte man auch derartige Bestrebungen stützen. Ich freue mich, daß der Begründer unseres Antrags, der von drei Fraktionen des Hauses und von 29 Abgeordneten gemeinschaftlich gestellt wurde, beantragt hat, den Antrag an den Ausschuß für Arbeit zu überweisen. Sie sehen daran die Bereitwilligkeit der Antragsteller, den Antrag nochmals sehr eingehend beraten zu lassen. Um so mehr bedauere ich die Äußerung des Herrn Kollegen Naegel, der den Antrag als Material der Bundesregierung überwiesen haben will. Töten Sie nicht das Initiativrecht der Abgeordneten dieses Hauses, die sich aus drei Fraktionen in dieser sozialen und kulturellen Frage zusammengefunden haben, indem Sie glauben, den Antrag einfach niederstimmen zu sollen, sondern fördern Sie den Versuch der Gemeinschaftsarbeit auch in dieser Frage und überlassen Sie die Regelung dem ehrlichen Willen aller im Ausschuß. Letzten Endes haben Sie dann in zweiter und dritter Lesung zu entscheiden, daß die Regelung allen Kreisen und unserem gesamten Land dienlich ist.
Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, im Auftrag meiner Fraktion, diesen Antrag der Abgeordneten der drei Fraktionen dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich als Antragsteller in dieser Angelegenheit den Stein ins Rollen gebracht habe, dann aus dem einfachen Grunde, weil von unzähligen Angestellten und Arbeitern und vor allem von Hausfrauen die Anregung an mich gelangt ist, doch einmal dafür Sorge zu tragen, daß in dem Durcheinander, das in den verschiedensten Gemeinden geherrscht hat, endlich einmal klare Verhältnisse geschaffen werden. Wenn statistisch einwandfrei feststeht, daß die Einnahmen der Geschäfte am Samstagnachmittag über 25 % der Wocheneinnahmen ausmachen, dann erhebt sich die Frage: Wer sind denn die Käufer, die ausgerechnet am Samstagnachmittag ihre Käufe tätigen? Sie dürfen versichert sein, meine Damen und Herren, daß es nicht die begüterten Schichten sind, die am Samstagnachmittag einkaufen gehen.
Gerade die Kreise, die die ganze Woche über arbeiten, haben das Bedürfnis, am Samstagnachmittag einzukaufen.
Wer einen eigenen Betrieb hat, der weiß, daß die Arbeitnehmer die ganze Woche über beschäftigt sind, zum mindesten bis samstagmittags. Wann haben sie Gelegenheit zu einem Einkauf größerer Art, wann können Mann und Frau gemeinsam einen solchen Einkauf machen? Ihnen bleibt letztlich nur der Samstagnachmittag dafür übrig.
Es soll gar nicht daran gerüttelt werden, daß den Angestellten irgendein freier Nachmittag gewährt wird. Sie sollen genau die gleiche Arbeitszeit behalten wie die andern. Wenn hier eben der Initiativgesetzesantrag gestellt worden ist, den Samstagnachmittag freizubekommen, dann darf ich feststellen, daß die Arbeitnehmerschaft dafür kein Interesse hat. Hier wurde eben mehrfach von Umfragen gesprochen und dann der Zwischenruf gemacht: „Ja, wenn die Gewerkschaften eine solche Umfrage halten würden?" Ich bin der festen Überzeugung, wenn die Gewerkschaften eine solche Umfrage bei den Arbeitnehmern allgemein halten würden, dann käme ein Ergebnis heraus, das ganz anders wäre, als diejenigen vermuten, die eben die Zwischenrufe gemacht haben.
Die breite Masse der Arbeitnehmer würde bestimmt dafür plädieren, am Samstagnachmittag eine Kaufmöglichkeit zu haben.
Meine Damen und Herren! Es wurde davon gesprochen, daß die Angestellten ein Anrecht auf ein verlängertes Wochenende haben. Was würden diese Angestellten sagen, wenn die gleiche Forderung von den Angestellten in den Konditoreien, Cafés und in den Restaurationsbetrieben gestellt würde, wenn die gleichen Forderungen auf einen freien Samstagnachmittag von den Angestellten in den Verkehrsbetrieben erhoben würden?
Ziehen Sie einmal diesen Vergleich, dann werden Sie dahin kommen, daß wir an dem Samstagnachmittag in dieser Beziehung nicht rütteln können. Wenn die Angestelltenschaft am Samstagnachmittag arbeitet, dann tut sie es einzig und allein im Interesse ihrer Kollegen und nicht im Interesse der Geschäftswelt.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hatte nicht die Absicht, zu diesem Punkt das Wort zu nehmen.
Aber meine Fraktion ist nach den Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Richter der Auffassung, daß es sich hier nicht um ein soziales Problem der Arbeitszeitregelung handelt, auch noch nicht einmal um ein Problem, bei dem die Angestellten, die es ja hier betrifft, eine einheitliche Auffassung haben werden. Das müßte erst untersucht werden. Ich spreche zu dieser Frage, weil ich meine, daß es von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob das Hohe Haus glaubt, alle Angelegenheiten bundeseinheitlich regeln zu müssen, für die ein
Bedürfnis zur staatlichen Regelung nicht unbedingt vorhanden ist.
Nichts ist so unterschiedlich wie gerade das Bedürfnis auf dem Gebiet der Offenhaltung der Geschäfte in den verschiedensten Ländern, in den verschiedensten Städten, in den unterschiedlichsten Gebieten je nach der Struktur dieses Landes und nach der Struktur auch der Bevölkerung, die dort entweder einkaufen muß oder nicht einkaufen will. Die Situation wird in jedem Land und in jeder Stadt außerdem von der Struktur der Industrie und der Bevölkerung — ob es Landbevölkerung oder industrielle Bevölkerung ist — bestimmt sein. Schon in den Großstädten sind die Dinge wesentlich anders als in den Dörfern, von denen hier gesprochen wurde.
Wir sind außerdem der Auffassung, daß eine Fülle von Problemen — und gerade hier kann sich ein wahrer Föderalismus offenbaren — auf der unteren Ebene des Landes so gut und so den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechend geregelt werden kann wie nur irgend möglich.
— Wahrscheinlich sehr viel besser!
Wir sind auch nicht der Meinung, Herr Kollege Richter, daß es hier um ein soziales Unrecht geht. Wir wünschen sehr, daß gerade den Angestellten im Einzelhandel die Möglichkeit der Freizeit, vor allem aber auch die Möglichkeit zum Verleben eines zusammenhängenden Wochenendes gegeben wird. Ich könnte mir durchaus denken, daß man Sonntag und Montagvormittag schließt, und ich könnte mir durchaus viele andere Möglichkeiten des Austausches denken, die wiederum in jeder Stadt und in jeder Gegend, ja sogar in jedem besonderen Zweig des Einzelhandels anders liegen werden.
Zusammenfassend kann ich sagen, daß meine Fraktion der Auffassung ist, daß wir uns davor hüten sollten, noch mehr Uniformierung unseres öffentlichen Lebens zu betreiben.
Wir glauben daher, daß man eine Rahmengesetzgebung des Bundes, in der alle Dinge so bis ins einzelne festgelegt werden, wie es sich vielleicht der Deutsche Gewerkschaftsbund vorstellt, nicht braucht. Wir sind der Auffassung, daß zunächst einmal im Ausschuß die Angestellten selbst gehört werden sollten. Wir sind außerdem der Auffassung, daß, wenn der Bund in seiner Mehrheit die Meinung vertritt, einer solchen Vorlage zustimmen zu müssen, er in keinem Fall für das gesamte Bundesgebiet festlegen darf, wie die Freizeiten im besonderen aussehen sollen. Unter der Voraussetzung, daß dieser Rahmen so gespannt ist, daß kein genereller staatlicher Zwang die Frage regelt, werden wir der Beratung im Ausschuß zustimmen und an ihr teilnehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Ich darf mit einigen kurzen Sätzen die Auffassung der Fraktion der Kommunistischen Partei zu diesem Problem darlegen.
— Ich kann warten, bis Sie sich beruhigt haben. —
Die Frage, die Frau Kalinke zuletzt gestellt hat,
entspricht nicht ganz der Lage der Tatsachen. Was mit dieser Gesetzesvorlage erreicht werden soll, ist einmal die Beseitigung eines unhaltbaren Dualismus in den einzelnen Ländern und eine gerechte Regelung der Frage des Ladenschlusses und damit natürlich die Erfüllung einer alten sozialpolitischen Forderung der Angestellten des Einzelhandels.
— Regen Sie sich doch nicht künstlich auf! Ich bin der Meinung, daß von einer Uniformierung nicht gesprochen werden kann. Wenn Sie sich die Dinge auf einer Reihe von anderen Gebieten betrachten — beispielsweise die unheilvolle Zersplitterung auch in der Gesetzgebung über die Feiertage —, dann werden Sie einsehen müssen, daß auch dort zwangsläufig eine bundeseinheitliche Regelung notwendig wird, genau wie auf diesem Sektor.
— Vielleicht haben wir Gelegenheit, die Oktoberrevolution einmal zu feiern.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir s o die Frage nicht erledigen können, daß man nämlich einen Gesetzentwurf, der von einzelnen Abgeordneten eingebracht worden ist, nun einfach der Bundesregierung als Material überweist. Wir haben die sehr ernste Tatsache zu verzeichnen, daß die Angestellten-Verbände, soweit sie vorhanden sind, diese Ladenschlußregelung einheitlich verlangen, und ich glaube, man sollte ihren Wünschen Rechnung tragen. Das übrige, was dann zu tun sein wird, wird zum großen Teil Sache der Erziehung sein. Ich glaube, daß die Gewerkschaften bereit sind, sich auch dieser Aufgabe zu unterziehen. Deswegen bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, daß dieser Gesetzesvorschlag dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Degener.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Debatte, die zu dieser Frage hier stattgefunden hat, bin ich sehr lebhaft an meine Tätigkeit erinnert worden, die ich als Angestellter einer großen Angestellten-Organisation vor 25, 30 Jahren ausgeführt habe. All die Argumente, die mir heute hier entgegengehalten wurden, sind die gleichen, die mir damals begegnet sind, und ich möchte Herrn Kollegen Huth nur eines sagen. Bei seinen Ausführungen dachte ich lebhaft an die Vorgänge, die sich ereignet haben, als es darum ging, die Verkaufszeit an Sonntagen außerhalb der Kirchzeit zu beseitigen. Da schrie auch alles Zeter und Mordio. Dasselbe Schauspiel wiederholte sich, als es vom 21-Uhr-Ladenschluß über den 20-Uhr- zum 19-Uhr-Ladenschluß ging. Die Argumente waren stets die gleichen. Meine Damen und Herren, glauben Sie mir, es ist eine Frage der Erziehung und des guten Willens. Ich habe in meiner Begründung ausdrücklich gesagt: Der Anspruch auf den frühen Sonnabendschluß wird gestellt, weil er nach unserer Überzeugung und nach der Überzeugung derer, die ihn erfüllt sehen möchten, ohne Schaden für die Geschäftswelt mit nur geringen Opfern an Bequemlichkeit, durch das kaufende Publikum erfüllt werden kann.
Aber nun möchte ich mir erlauben, noch ein Wort zu dem Antrag des Herrn Kollegen Naegel zu sagen. Ich bedauere, daß er diesen Antrag gestellt hat. Es handelt es sich um einen Initiativgesetzesantrag mit nicht weniger als 29 Unterschriften, gesetzestechnisch einwandfrei gestaltet, zu einer Angelegenheit, mit der sich der Ausschuß so oder so — auch nach der Regierungsvorlage, wenn sie einmal kommt — noch beschäftigen muß. Das Initiativrecht der Mitglieder dieses Hohen Hauses scheint mir so bedeutungsvoll zu sein, daß wir nicht zu der hier verlangten Methode übergehen sollten, es durch solche Anträge herabzuwerten und herabzuwürdigen. Ich habe die Hoffnung, daß das Hohe Haus dieser Entwertung des Initiativrechtes nicht zustimmt und den Antrag an den Ausschuß verweist.
Das Wort hat der Abgeordnete Meyer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht mehr zum Worte gemeldet, wenn mir die Ausführungen unserer verehrungswürdigen Kollegin Frau Kalinke nicht dazu hinreichenden Anlaß gegeben hätten. Da ich aber einmal das Wort habe, darf ich noch einen Satz darüber hinaus sagen.
Es ist ja nicht so, daß hier nur das Schicksal einiger zehntausend oder hunderttausend Einzelhandelsangestellter geregelt werden soll, sondern es ist schon so, daß hier das Schicksal der kleinen Kaufleute behandelt wird, wo Mann und Frau oder die Frau allein ihr Geschäft betreibt und heute vom frühen Morgen bis zum späten Abend hinter der Bank stehen muß, um zu verkaufen, weil der Nachbar mit Personal seine Geschäftszeit entsprechend anders und besser gestalten kann. Nach dem Ladenschluß beginnt dann für sie die Arbeit, die sie im Interesse der Ordnung ihres Geschäfts darüber hinaus zu leisten haben. Denen wollen wir mit diesem Antrag die Möglichkeit verschaffen, nunmehr ebenfalls ein Wochenende zu bekommen.
Wenn Frau Kalinke hier gesagt hat, die Angestellten seien darüber nicht der Meinung, die einige Redner hier vorgetragen haben, dann will ich es ihrer Sorge überlassen, wieweit sie da mit den Kollegen in ihrem Verbande fertig wird. Ich möchte ihr aber für ihren eigenen Bereich anraten, in ihrer Krankenkasse mit gutem Beispiel voranzugehen und da nun am Sonnabend nachmittags Kassenstunden zu halten, damit die Angestellten, die tagsüber wegen der Geschäftszeit nicht zur Kasse gehen können, am Sonnabendnachmittag diese Geschäfte erledigen können.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Wer seine Zeit einteilt, hat das Glück, antworten zu können.
Ich stelle hier fest, daß ich als alte Gewerkschafftlerin für den 5-Uhr-Ladenschluß am Heiligen Abend Unterschriften gesammelt habe. Ich weiß, daß die Geschäftsleute nicht pleite gegangen sind, als wir den 5-Uhr-Ladenschluß am Heiligen Abend
einführten, obwohl sie das damals befürchteten. Insofern bin ich mit Herrn Degener einverstanden. Aber das Problem liegt für uns nicht darin, was die Geschäftsleute zu machen gedenken, auch nicht in der Frage der Konkurrenzfähigkeit zwischen Geschäften mit und ohne Angestellte. Das Problem liegt auch nicht so, wie es mein Herr Vorredner sagte, daß die Angestellten das nicht wollten. Ich sagte, die Angestellten werden unterschiedliche Meinungen haben, nämlich die Angestellten, die nicht im Verkauf tätig sind und am Sonnabend einkaufen möchten, und die Angestellten, die Verkaufspersonal sind und natürlich den berechtigten Wunsch haben, ein freies Wochenende zu haben. Diesen Wunsch verstehe und unterstütze ich und viele meiner Freunde ebenfalls. Wir meinen aber, daß die Bedürfnisse und die Wünsche in den verschiedensten Gebieten unterschiedlich sind, und wir wehren uns gegen eine Uniformierung und gegen eine einheitliche Regelung dieser Dinge. Auch bei den Sozialversicherungsträgern, auch bei den Banken sind die Dinge nicht einheitlich geregelt.
Es gibt sehr viele Einrichtungen, die sich durchaus den Bedürfnissen angepaßt haben. So haben z. B. die Ersatzkassen, die Sie sicher gemeint haben, schon seit langem zum Ausgleich für den Sonnabendmittag-Schluß an einem Nachmittag in der Woche Spätdienst, um den Angestellten die Möglichkeit zu geben, ihre Angelegenheiten zu erledigen. Und wenn es möglich ist, am Sonnabendmittag alle Geschäfte zu schließen, müßte zum Ausgleich am Freitagabend den Arbeitern — auf die kommt es nämlich an — die Möglichkeit gegeben werden, einzukaufen.
Ich wollte nur sagen, daß das Problem so komplex ist, daß man es mit so einfachen Methoden nicht lösen kann.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Zunächst einmal ist die Aussprache geschlossen. Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine Damen und Herren! Für den Fall, daß das Hohe Haus Ausschußüberweisung beschließen sollte, stelle ich den Antrag, die Drucksachen gleichzeitig an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen, weil sowohl in dem mündlichen Bericht als auch in dem Gesetzesantrag von den Einzelhandelsgeschäften auf den Bahnhöfen gesprochen wird. Wir befassen uns im Augenblick im Rahmen von § 40 des Bundesbahngesetzes mit derselben Materie. Für diesen Teil wünscht der Ausschuß ebenfalls eine Behandlung.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Die Abstimmung ist nicht ganz einfach. Es liegen nämlich vor erstens ein Initiativgesetzentwurf, gleichzeitig ein mündlicher Bericht des Ausschusses, der die Aufforderung an die Regierung enthält, ihrerseits ein Gesetz vorzulegen. Weiterhin liegen drei Abänderungsanträge vor, zunächst derjenige auf Umdruck Nr. 68, ferner ein Antrag des Zentrums, den Herr Abgeordneter Dr. Reismann vorhin verlesen und begründet hat, und schließlich ein Antrag Morgenthaler und Genossen, der dahin geht, die Regelung über den werktäglichen Ladenschluß den Länderregierungen zu überlassen. Ich glaube, ich kann die Abstimmung nur so regeln, daß ich die Reihenfolge der Anträge danach einrichte, welche Anträge weitergehen und infolgedessen für die Erledigung der folgenden Anträge bestimmend sind. Das entspricht nicht ganz der Numerierung, die auf der heutigen Tagesordnung mit Buchstaben a und b gewählt worden ist.
Ich lasse zunächst über den Antrag Morgenthaler und Genossen abstimmen, die Regelung über den werktäglichen Ladenschluß den Länderregierungen zu überlassen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich darf nochmals diejenigen, die dafür stimmen, bitten, die Hand zu erheben. — Das letztere ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zu dem Initiativgesetzesantrag der Abgeordneten Degener und Genossen.
— Nein, das geht nicht. Das Initiativgesetz geht normalerweise an einen Ausschuß. Wenn die Überweisung des Initiativgesetzes an einen Ausschuß abgelehnt ist, kann ich überhaupt erst über die Frage abstimmen lassen, ob die Regierung aufgefordert werden soll, ihrerseits ein Gesetz vorzulegen. Anders kann ich die Sache nicht handhaben.
Es wird jetzt also über die Drucksache Nr. 1879 abgestimmt. Dazu liegt zunächst ein Antrag Naegel vor, diesen Antrag der Bundesregierung als Material zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung als Material zustimmen, die Hand zu erheben.
— Ich glaube, es ändert sich nichts, Herr Kollege, ob wir die Reihenfolge so oder so nehmen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun ist die Überweisung an. den Ausschuß für Arbeit
— das kommt gleich zusätzlich — beantragt. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erstere war zweifellos die Mehrheit; damit ist der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit als federführenden zugestimmt.
Ferner ist zusätzlich die Überweisung an den Ausschuß für Verkehr beantragt worden. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erstere war die Mehrheit; damit ist der Überweisung an den Ausschuß für Verkehr zugestimmt.
Die Ausschußüberweisung des Initiativgesetzentwurfs ist hiermit erfolgt.
— Ich habe vorhin keinen Antrag gehört, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Wirtschaftpolitik zu überweisen.
— Der Antrag ist nicht gestellt. Es liegt lediglich ein Abänderungsantrag vor. In diesem steht von einer Überweisung nichts.
Zur Abstimmung hat das Wort Herr Dr. Preusker.
Ich stelle den Antrag, den Gesetzentwurf zusätzlich an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen.
Auch darüber stimmen wir ab. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erstere war die Mehrheit; die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist also beschlossen.
— Bei den Herren Schriftführern bestehen Zweifel über die Abstimmung. Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wegen der mangelnden Blockbildung bei dieser Abstimmung ist die Auszählung schwierig. Unter diesen Umständen kann ich leider den Hammelsprung nicht vermeiden. Ich bitte also diejenigen, die der Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zustimmen, die Ja-Tür zu passieren, diejenigen, die dagegen sind, die NeinTür.
Die Damen und Herren Schriftführer werden gebeten, zur Auszählung die Türen zu besetzen. Ich bitte die Türen zu schließen.
— Dann müßten wir noch einige dazunehmen. Ich kann aber niemanden erkennen.
— Draußen werden doch noch Schriftführer sein!
— Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, ihre Plätze an den Türen zur Auszählung einzunehmen. —
Die Abstimmung beginnt.
Ich bitte, die Auszählung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist beendet.
Das Abstimmungsergebnis, meine Damen und Herren: 170 Ja, 117 Nein, 2 Enthaltungen. Damit ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik angenommen.
Wir haben nun noch abzustimmen über den mündlichen Bericht und die dazu vorliegenden Abänderungsanträge. Meine Damen und Herren, ich mache nochmals darauf aufmerksam, daß dieser mündliche Bericht die Aufforderung an die Bundesregierung enthält, ihrerseits einen Gesetzentwurf vorzulegen, obwohl der Bundestag in diesem Falle soeben die Überweisung eines Initiativgesetzentwurfs aus seinen Reihen beschlossen hat. Ich bitte, die Abstimmung unter diesen Umständen zu beachten.
Ich lasse nun zunächst abstimmen über den Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 68 und bitte diejenigen, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Es liegt ferner vor der Abänderungsantrag der Fraktion des Zentrums. Dieser Antrag ist eigentlich ein Vorschlag zur Abänderung des vorhin an den Ausschuß überwiesenen Gesetzentwurfs. Ich würde Ihnen daher in diesem Falle empfehlen, diesen Antrag dem Ausschuß, an den der vorhin angenommene Gesetzentwurf überwiesen worden ist, als Material zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die dieser Regelung zustimmen, die Hand zu erheben. —
— Sie wollen unmittelbare Abstimmung?
— Also dann stelle ich den Antrag zur unmittelbaren Abstimmung. Da der Antrag nicht bekannt ist und im Umdruck noch nicht vorliegt, lese ich ihn vor:
Die Bundesregierung wird ersucht, eine Regelung der Verkaufszeit für Einzelhandelsgeschäfte vorzubereiten, bei welcher sicherzustellen ist, daß Angestellten der Einzelhandelsgeschäfte ein arbeitsfreier Nachmittag in der Woche verbleibt und die Bestimmung des Wochentages dafür den Gemeinden überlassen bleibt.
Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Ausschußantrag auf Drucksache Nr.1386. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich bitte nochmals diejenigen, die zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; damit ist der Ausschußantrag angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kehren nun zurück zu Punkt 15 der Tagesordnung, und zwar zur
dritten Beratung
des im Laufe der heutigen Sitzung in zweiter Lesung angenommenen
Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Nr. 1881 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 78 [neu]).
Das Haus hatte beschlossen, die dritte Beratung noch im Laufe dieser Sitzung vorzunehmen. Der Umdruck Nr. 84 enthält die in zweiter Lesung angenommenen Änderungen. Wegen einer Textberichtigung dazu hat Herr Abgeordneter Dr. Menzel ums Wort gebeten.
Meine Damen und Herren! Ich bitte damit einverstanden zu sein, daß der in der zweiten Lesung angenommene § 3 a in seinem letzten Teil nicht lautet: „soweit dem nicht im Einzelfalle wichtige Gründe entgegenstehen", son-
dern: „falls dem im Einzelfalle nicht wichtige Gründe entgegenstehen". Ich möchte vermeiden, daß in einem Satz zweimal das Wort „soweit" erscheint.
Meine Damen und Herren, wird dem widersprochen? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich diese Textberichtigung der Abstimmung zugrunde legen.
Wird das Wort zur dritten Beratung gewünscht?
— Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren! Ich wollte meinen Ausführungen in der zweiten Lesung nichts Sachliches hinzusetzen, sondern wollte lediglich dem Herrn Kollegen Menzel auf seine Rechtsausführungen über die Möglichkeit des Bundes antworten, die Grenzschutzpolizeibehörden auch im Falle der Voraussetzungen des Art. 91 zu verwenden. Wie Sie wissen, kann Art. 91 nur Anwendung finden zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes, also nur unter diesen ganz ernsten Voraussetzungen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann der Bund allerdings über die Polizeikräfte eines Landes oder mehrerer Länder verfügen. Kann er aber das, dann kann er unter den gleichen Voraussetzungen zweifellos auch über seine eigenen Polizeikräfte verfügen.
Im übrigen glaube ich, daß wir uns heute über diese Rechtsfragen nicht so sehr den Kopf zu zerbrechen brauchen. In dem Maße, wie es gelingen wird, die in der nächsten Zeit zu beratenden Vorschläge für eine Abänderung des Grundgesetzes durchzusetzen, und wie es im Anschluß daran gelingen wird, dann wirklich bundeseigene Bereitschaftspolizeikräfte im gesamten Bundesgebiet zu schaffen, in eben diesem Maße werden sich diese Rechtsfragen in der praktischen Anwendung sowieso erledigen.
Ich wollte nur, um nicht mißverstanden zu sein und um die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Menzel nicht unwidersprochen zu lassen, meine Rechtsauffassung hier kurz bekanntgeben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Aretin.
— Nein, Herr Renner, diese Wortmeldung lag schon vor, ehe Sie sich gemeldet haben!
Meine Damen und Herren! Ich spreche nur deshalb, um mich von meinem Kollegen Renner hier zu unterscheiden, denn unsere beiden Meinungen über dieses Gesetz vertragen sich miteinander so wenig, wie Feuer sich mit Wasser verträgt.
Der Grund, warum meine Fraktion dem Gesetzentwurf, wie ihn die Bundesregierung vorgelegt hat, zustimmend gegenübergestanden ist, war der, daß wir dem Erfordernis der Sicherheit gerecht werden wollten. Daß wir der jetzigen Fassung unsere Zustimmung nicht mehr geben können, liegt daran, daß wir in diesem Hause einen klaren und eindeutigen — erlauben Sie diesen Ausdruck —, einen pointierten Sieg des Zentralismus gesehen haben. Daher können wir unsere Zustimmung nicht geben.
— Ich habe ausdrücklich gesagt: außerhalb der Tagesordnung!
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist richtig, die Bedeutung der Entscheidung, die heute hier vollzogen worden ist, nicht ins Lächerliche zu ziehen, sondern sie in ihrer ganzen Schwere noch einmal zu beleuchten. Das, was der Herr Bundesinnenminister, der vor einigen Wochen noch öffentlich gesagt hat, daß er ja gelegentlich auch noch Verfassungsminister sei, eben zum Schluß uns noch enthüllt hat, ist ein Beweis dafür, daß meine Einschätzung, die sich auf die Tatsache gründet, daß ich ihn seit 30 und mehr Jahren persönlich kenne, durchaus richtig ist. Und die Einschätzung lautet: Gib diesem Herrn Innenminister den kleinen Finger, und er nimmt den ganzen Körper!
Er spricht heute schon offen aus, daß er diese „seine" Polizei, von der er selber vorher zugeben mußte, daß sie ausschließlich zum Zweck des Schutzes seiner Grenzen bestimmt ist, — —
— es sind nicht meine Grenzen; eure Grenzen sind nicht meine Grenzen, mein Land hört nicht an der Elbe auf! —
— daß er diese Grenzschutzpolizei unter verfassungswidriger Auslegung des Art. 91 im ganzen Lande einsetzen will. Das beweist, daß er die Verfassung, wie er das schon früher einmal getan hat, so wertet, wie Sie sie selber werten, nämlich als einen Fetzen Papier.
— Als einen Fetzen Papier!
— Nein, ich spreche von dem Herrn Innenminister Dr. Lehr,
den ich seit 1917/18 kenne.
— Jawohl, das kann man wohl sagen, daß das ein Provokateur ist.
Herr Abgeordneter Renner, wen haben Sie mit der Bezeichnung Provokateur gemeint?
Den Zwischenrufer.
Was heute vor sich geht, ist nichts anderes als der erste entscheidende große Schritt der Verwirklichung der Brüsseler Beschlüsse,
dieser Beschlüsse also, die uns das USA-Monopolkapital im Zuge der Remilitarisierung aufzwingt.
Herr Dr. Menzel — Verzeihung, zu Ihnen, Herr Strauß, komme ich eine Minute später!
Daß der Herr Innenminister die Brüsseler Beschlüsse freudig durchführt, nimmt uns, die wir ihn kennen, nicht wunder.
Herr Abgeordneter Renner, ich mache darauf aufmerksam, daß der Herr Bundesinnenminister keine Brüsseler Beschlüsse durchführt. Diese Ihre Beanstandung entspricht nicht dem Sachverhalt.
Verzeihung, es ist bei der Begründung dieses Gesetzes wörtlich gesagt worden, daß es im Sinne der Beschlüsse von Brüssel durchgeführt wird.
Und nun zu Herrn Menzel! Herr Menzel, wenn ich die Fanfare, die Sie hier bei der ersten Lesung geblasen haben,
mit der Schamade vergleiche, die Sie heute über uns haben heruntersäuseln lassen, dann frage ich mich: Was steckte denn eigentlich hinter Ihrer damaligen uneingeschränkten Feststellung, daß dieses Gesetz nichts anderes ist als der Auftakt zur Remilitarisierung?
Das haben Sie doch ganz eindeutig und mit großer Schärfe hier zum Ausdruck gebracht!
— Es sieht heute anders aus. Richtig, Herr Menzel, es sieht heute anders aus, weil sich in der Zwischenzeit einiges abgespielt hat. Und ich möchte Ihnen in Erweiterung des Lobes, das Ihnen der Herr Innenminister für ihren Umfall erteilt hat, eins sagen. Das, was dazwischen liegt, ist die Konferenz in Bad Homburg,
ist Ihre Absprache mit dem Herrn General Eisenhower, dem Kommandeur des kommenden Krieges gegen die Sowjetunion
und gegen das deutsche Volk.
Das ist das, was sich in der Zwischenzeit getan hat, nicht wahr!
Das ist das, was sich in der Zwischenzeit abgespielt hat. Und ich möchte Ihnen zum Schluß sagen, Herr Menzel: Man ist auch nicht ungestraft der Schwiegersohn eines Herrn Severing.
Herr Abgeordneter Renner!
Lassen Sie mich doch erst einmal ausreden! — Das heißt: Bei Ihnen haben wir,
als Sie noch Innenminister in unserem Lande waren, —
Herr Abgeordneter Renner!
— festgestellt, daß Sie stetig bemüht waren, im Sinne der Tendenz eines Carl Severing eine zentralisierte Polizei aufzustellen.
Herr Abgeordneter Renner, ich bitte, wenn ich klingle, davon Kenntnis zu nehmen und Ihre Rede zu unterbrechen. Das entspricht der parlamentarischen Übung.
Verzeihung, — —Vizepräsident Dr. Schäfer: Es entspricht aber nicht der parlamentarischen Übung, Verwandtschaftsverhältnisse zum Gegenstand von Polemiken zu machen.
Ich habe nur eine politische Verwandtschaft gemeint und wiederhole noch einmal: Herr Menzel, als Sie noch Innenminister bei uns im Lande waren, da haben wir bei Ihnen die Tendenzen zur Zentralisierung der Polizei gemerkt.
Ich stelle hier fest: Die rechten Führer der Sozialdemokraten machen hier in Einheitsfront mit der absoluten Reaktion etwas, was keinen anderen Namen verdient als den, den der Herr Menzel selber der Sache gegeben hat: Den ersten Schritt zur Remilitarisierung Westdeutschlands.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Vergebung, daß ich wegen einer Rechtsfrage die Aufmerksamkeit des Hauses doch noch einmal in Anspruch nehmen muß. Die Beratungen eines Gesetzes gelten als Motive und werden für die Ermittlung des Willens des Gesetzgebers herangezogen. Daher fühle ich mich verpflichtet, den Rechtsausführungen des Herrn Kollegen Menzel zu widersprechen. Ich trete den Auffassungen des Herrn Innenministers bei.
Der Herr Kollege Menzel hat eine Auslegung des Art. 91 des Grundgesetzes gegeben, der ich nicht beipflichten kann, weil ich sie für juristisch falsch halte. Ich möchte auch nicht den Eindruck entstehen lassen, als ob die von Herrn Kollegen Menzel gegebene Auslegung in diesem Haus unwidersprochen hingenommen worden sei. Art. 91 spricht von der Zusammenfassung der Polizeikräfte der Lände r. Es versteht sich von selbst, daß die Polizeikräfte des Bundes — und zu ihnen gehören die Grenzschutzformationen auch — in einem Fall des Art. 91 die gleiche Verwendung finden können wie die Polizeikräfte der Länder.
Außerdem hat Herr Kollege Menzel zu dem in der zweiten Lesung schließlich angenommenen § 3 a eine Auslegung gegeben, die die Rechte der Länder in dem Sinne präjudiziert, daß es den Ländern bei Bestehen von Grenzschutzbehörden des Bundes nicht möglich sei, eigene Grenzschutzbehörden zu errichten.
Ich halte diese Auffassung nicht für richtig. Bei der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes und insoweit der Bund gemäß Art. 87 des Grundgesetzes seine Kompetenz in Anspruch nimmt und selbst durchführt, werden Gesetzgebung und Exekutive des Landes auf diesem polizeilichen Sektor eingeschränkt und unter Umständen hinfällig gemacht. Es ist aber nicht so, daß durch die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden auf allen Gebieten und in jedem Ausmaß das Bestehen von Grenzschutzbehörden der Länder, natürlich im Einvernehmen und in einem organisatorischen Zusammenhang mit dem Bund, ausgeschlossen bliebe. Das ist nach meiner Auffassung auch in § 3 a nicht präjudiziert. Im übrigen möchte ich damit nur .zum Ausdruck bringen, daß es sich hier um Rechtsfragen handelt, und daß wir hier im Plenum nicht zu einer Entscheidung über die objektive Richtigkeit einer Auslegung berufen sind. Ich melde aber diese Zweifel an. Man wird sehen, welche Lösung, welche richtige Rechtsansicht die Praxis dann entwickeln wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht zu sprechen,
genau so wie Redner anderer Parteien nicht. Aber entschuldigen Sie vielmals, wenn hier von seiten der Bayernpartei gesprochen wurde, dann muß ich als bayrischer Abgeordneter eine Antwort geben. Ich glaube diese Antwort ausnahmsweise einmal im Sinne der Mehrheit dieses Hauses ausfallen lassen zu können. Wir hatten auch im Hinblick auf die Abstimmung über den § 3 a, die nicht sehr schön gewesen ist, unsere Bedenken. Diese Bedenken hat die Erklärung des Herrn Bundesinnenministers, auf die ich mich ausdrücklich beziehe und die ich mir ausdrücklich zu eigen mache, zerstreut. Wir glauben also, daß wir trotz der etwas zentralistischen Strömung, die bei der Abstimmung über § 3 a zur Geltung kam, diesem Gesetz zustimmen müssen. Denn es geht nicht um irgendwelche parteipolitischen Angelegenheiten, sondern es geht darum, daß, wenn organisierte Banden örtlich von Osten bei uns eindringen, der Bund eine Möglichkeit haben muß, dem entgegenzutreten. Das gilt für ganz Deutschland, das gilt auch für Bayern.
Herr Abgeordneter Renner, haben Sie eben im Zwischenruf den Ausdruck „armer Irrer" gebraucht?
— Dann muß ich Sie zur Ordnung rufen. Das ist ausgesprochen eine Beleidigung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Meine Damen und Herren! Eine kurze Klarstellung zu den Repliken des Herrn Bundesinnenministers und des Herrn Kollegen von Merkatz. Die Bundesgrenzschutzbehörden sind Behörden und nicht Bereitschaftspolizei, und zwar auch dann, wenn diese Behörden Exekutivorgane bekommen. Weder der jetzige Art. 91 so, wie das Grundgesetz ihn enthält, noch die vom Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung beschlossene neue Fassung, die dem Plenum demnächst zugehen wird, enthalten den Hinweis auf die Grenzschutzbehörden. Ich verstehe daher gar nicht die mich etwas krampfhaft anmutenden Versuche, jetzt in den Art. 91 hineinzuinterpretieren, daß der Bund im Falle des Art. 91 die Grenzschutzkräfte anfordern kann. Meine Damen und Herren, warum — ich bedauere, das wiederholen zu müssen — machen Sie denn eine Sache so kompliziert, wenn es auch einfach geht?
Als wir nämlich beantragten, in das Gesetz aufzunehmen, daß diese Aufgaben der Grenzschutzformationen künftighin die Polizei des Bundes bekommen sollte, da haben gerade Sie es abgelehnt. Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt hier gegen Ihre eigene Argumentation sprechen.
Herr Kollege Renner, ich habe die Bemühungen, nicht nur im Lande Nordrhein-Westfalen, sondern in der ganzen britischen Zone wieder eine vernünftige, dem Staate und nicht einzelnen uniformierten Polizeichefs zur Verfügung stehende Polizei aufzubauen, nicht aufgegeben. Ich werde für eine zentrale Leitung der Polizei und ihre Unterstellung unter die Innenminister weiterkämpfen. Ich könnte dazu eine ausgezeichnete Vorlage benutzen, nämlich die Polizeigesetze des Ostzone.
Meine Damen und Herren! Die Zahl derjenigen, die eigentlich nicht sprechen wollten, sich aber doch zu Wort gemeldet haben, ist nunmehr erschöpft.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz — Punkt 15 unserer heutigen Tagesordnung — in der in zweiter Lesung beschlossenen Fassung in der Schlußabstimmung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen. — Das Gesetz ist in dritter Lesung gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr nach Eintreffen des Herrn Berichterstatters Punkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nr. 1852 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Senator Dr. Klein .
Dr. Klein, Senator von Berlin, Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat am 5. Januar das Gesetz über Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen beschlossen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 14. Dezember beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist in erster Linie darin begründet, daß der Bundesrat der Meinung war, ein solches Gesetz sei verfassungsmäßig nicht zulässig. Art. 28 des Grundgesetzes besagt, daß die Länder und Gemeinden ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln haben. Art. 131 besagt, daß die Rechtsverhältnisse der Flüchtlingsbeamten sowie der früheren Reichs- und Staatsbeamten, die aus anderen als tarifrechtlichen oder beamtenrechtlichen Gründen ihre Stellung verlassen mußten, durch ein Bundesgesetz zu regeln sind.
Der Vermittlungsausschuß gab einstimmig der Überzeugung Ausdruck, die verfassungsrechtlichen Bedenken seien nicht so schwerwiegend, daß sie hier den Anlaß geben könnten, dem Bundestag zu empfehlen, das Gesetz aufzuheben. Es ist beschlossen worden, bei der Verabschiedung des Gesetzes die verfassungsrechtlichen Bedenken zurückzustellen.
Der zweite Komplex der Bedenken des Bundesrates bezog sich auf Änderungsvorschläge, denen der Vermittlungsausschuß zum Teil gefolgt ist und die er zu einem anderen Teil verworfen hat. Ich darf mich auf die Bundestagsdrucksache Nr. 1852 beziehen. Es ist durch den Vermittlungsausschuß im § 3 ein neuer Absatz eingefügt worden, nach dem die Zustimmung zur Einstellung nur für solche Personen erteilt werden darf, die vor dem 23. Mai 1949 befugt im Bundesgebiet Wohnung genommen haben. Es sind nur Ausnahmen für Spätheimkehrer und für solche Personen vorgesehen, die unverschuldet in Lebensgefahr geraten und deswegen in das Bundesgebiet geflüchtet sind. Wegen der Einzelheiten darf ich mich auf den Text der Drucksache beziehen.
Alsdann ist eine Verbesserung in § 4 vorgeschlagen worden, die den Zweck hat, den Gemeinden und Ländern eine eigene Personalpolitik zu ermöglichen. Es ist jetzt in § 4 Abs. 1 vorgesehen worden, daß statt jeder dritten schon jede zweite Stelle für die Besetzung frei sein soll, wenn von den 20% der Gesamtzahl der Stellen, also dem Anteil der pflichtmäßig unterzubringenden Personen, die Hälfte besetzt ist.
Diese Lockerung wurde auch im Interesse des Nachwuchses getroffen, was j a auch dem Nachwachs der Vertriebenen selbst zugute kommt.
Dann ist in § 4 Abs. 2 eine Bestimmung aufgenommen worden, daß zugunsten der Länder auch solche in Dienst genommenen Beamten anrechnungsfähig sein sollen, die noch keine zehnjährige Dienstzeit hinter sich haben. — Ein anderer Vorschlag des Bundesrates, auch die inzwischen in den Ruhestand getretenen oder verstorbenen Personen zu berücksichtigen, ist verworfen worden.
Zu § 6 ist beschlossen worden, daß die Bergmannsversorgungsscheine ebenfalls zu einer bevorzugten Unterbringung berechtigen.
Schließlich ist der Vorschlag des Bundesrates, Ausnahmen für Berufe mit besonderen wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen oder kaufmännischen Voraussetzungen vorzusehen, vom Vermittlungsausschuß nur zum Teil gebilligt worden. Ich darf mich dabei auf die Drucksache beziehen.
Mit dem fast einstimmig gefaßten Beschluß des Vermittlungsausschusses wird dem Bundestag empfohlen, diese Vorschläge zu akzeptieren.
Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Sie haben die Berichterstattung gehört. Ich nehme nicht an, daß zu diesem Antrag des Vermittlungsausschusses Erklärungen abgegeben werden.
— Herr Abgeordneter Dr. Nowack zu einer Erklärung!
Dr. Nowack (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen von Kollegen der CDU, der DP und meiner eigenen Fraktion möchte ich folgende Erklärung abgeben.
Wir haben die Änderungen und Ergänzungen, die der Vermittlungsausschuß in und zu dem Gesetzentwurf gemacht hat, nicht ohne Bedenken hingenommen. Wir sind aber der Auffassung, daß wir diesem Entwurf jetzt zustimmen sollten, weil wir nicht noch einmal eine Verzögerung dieses Gesetzes herbeiführen wollen, wie sie durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses seitens des Bundesrates herbeigeführt worden ist. Wir haben diese Anrufung bedauert und damals Befürchtungen geäußert, daß diese Verzögerung das Gesetz illusorisch machen und den erstrebten Zweck verhindern könnte.
In der Zwischenzeit liegen nun Nachrichten vor, daß sich unsere Befürchtungen leider bestätigen. Ich möchte dafür nur ein einziges Beispiel anführen. In der Stadt Lengerich in Westfalen ist zu Anfang dieses Monats eine Gruppe von 19 Angestellten der Stadt zu Beamten ernannt worden,
offensichtlich in dem Bestreben, dem mit diesem Gesetz verfolgten Zweck entgegenzuwirken.
Wir werden also diesem Gesetz zustimmen; wir behalten uns aber vor, zu prüfen, ob wir nicht bei den weiteren Beratungen des Gesetzentwurfs zu Art. 131 Vorschriften in dieses Gesetzes einbauen müssen, um solche Dinge, wie sie sich beispielsweise in dem angeführten Ort ereignet haben, wieder rückgängig zu machen, weil sie offensichtlich gegen eine Tendenz verstoßen, die diesem Gesetz zugrunde liegt.
Im übrigen nehmen wir an, daß es sich bei der
jetzt zu beschließenden Vorlage nicht um eine Präjudizierung der endgültigen Regelung des Gesetzes zu Art. 131 handelt.
Auch Herr Abgeordneter von Thadden wünscht eine Erklärung abzugeben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der zweiten und dritten Beratung haben wir dem damals eingebrachten Entwurf unsere Zustimmung gegeben. Ich muß feststellen, daß der Charakter des damals in zweiter und dritter Lesung verabschiedeten Gesetzentwurfs durch die Abänderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses ganz wesentlich geändert worden ist, so wesentlich, daß das Gesetz als solches unserer Ansicht nach beinahe seinen Wert verliert.
Lassen Sie mich nur drei Punkte herausgreifen. Der § 4 in seiner geänderten Fassung bedeutet, daß den Dingen Tür und Tor geöffnet wird, von denen der Herr Abgeordnete Nowack hier eben sprach. Die Tatsache, daß man in § 4 Abs. 2 Ziffer 2 noch jenen Buchstaben c eingefügt hat, macht diesen § 4 zu einem Gummiparagraphen ersten Ranges. Es wird jetzt nach Belieben jeder als eine wissenschaftliche Kraft oder etwas Ähnliches hingestellt.
Herr Abgeordneter von Thadden, ich glaube, daß die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses mit der Feststellung, es können nur Erklärungen abgegeben werden, zum Ausdruck gebracht hat, daß eine Aussprache nicht staatfinden soll. Ich bitte Sie, sich im Rahmen einer Erklärung zu halten.
Jawohl!
Zu § 6 möchte ich folgendes erklären. Er erscheint mir als ein Witz; denn daß man diejenigen, die sich bisher bemüht haben, den Kreis der 131er zu vermehren, nämlich die Entnazifizierungsräte, nun mit den 131ern gleichsetzt, berührt mich merkwürdig.
Wir können diesem Gesetzentwurf, so wie er hier vorliegt, auf Grund unserer Stellungnahme bei der damaligen Beratung des Gesetzentwurfs nicht zustimmen. Der erste Entwurf ist so verwässert worden, daß das Gesetz praktisch wertlos sein wird.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 1852. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen
über die Anträge der Fraktionen der SPD
und KPD betreffend Tariferhöhungen bei
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Günther. Der Altestenrat schlägt Ihnen vor fünf Minuten zur Berichterstattung und keine Aussprache.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich mit den Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion und der kommunistischen Fraktion betreffend Tariferhöhung bei der Bundesbahn befaßt. Er war aber der Auffassung, daß diese Anträge als erledigt zu betrachten seien, da einmal die Tariferhöhungen am 1. Januar 1951 bereits in Kraft getreten sind, zum andern aber auch die Notwendigkeit dieser Maßnahme erkannt wurde. Deswegen hat sich im Ausschuß bei Feststellung dieses Berichts keinerlei Widerspruch ergeben.
Die Bundesbahn hatte durch die erhöhten Personalkosten, durch die Materialpreiserhöhungen und Erneuerungen der Anlagen eine Summe von insgesamt 495 Millionen DM mehr aufzubringen. Die Personalkosten haben sich deshalb erhöht, weil im vergangenen Jahr die 6%ige Gehaltskürzung aufgehoben wurde und außerdem den unteren Beamtengruppen Bezüge aus der Überbrückungshilfe gewährt wurden. Es handelte sich hier um eine Summe von 175 Millionen DM. Die Materialpreiserhöhungen brachten eine Mehrausgabe von 120 Millionen DM. Ferner sind zur Erneuerung von Anlagen mindestens 200 Millionen DM erforderlich gewesen.
Die Bundesbahn hofft, daß durch Verkehrszuwachs 75 Millionen DM eingehen. Aus der Übernahme der Flüchtlingspensionen durch den Bund erhofft sie 80 Millionen DM, aus der Erhöhung der Abgeltungssätze im Besatzungsverkehr in Anpassung an die Tarife etwa 15 Millionen DM, aus den am 1. Januar 1951 in Kraft getretenen Tariferhöhungen 309 Millionen DM; das wären zusammen 479 Millionen DM.
Die Bundesbahn hatte an sich auch die Erhöhung der Tarife für die Schülerfahrkarten erwogen; aber der Bundesrat hat das abgelehnt. Das bedeutet eine Mindereinnahme von 15 Millionen DM. Außerdem ist durch die Staffelung der Tarife eine Mindereinnahme von 6 Millionen DM anzunehmen. Alles in allem ist zu sagen, daß es notwendig war, diese Tariferhöhungen vorzunehmen. Der Beirat der Bundesbahn und die Tarifkommission haben sich auch für eine Erhöhung der Tarife eingesetzt. Der Verkehrsausschuß bittet Sie um Zustimmung zu seinem Antrag.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! —Das erste ist die Mehrheit gewesen. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der Abgeordneten von Thadden und Genossen betreffend Häftlinge aus Konzentrationslagern der russischen Besatzungszone (Nrn. 1061, 1838 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 10 Minuten für die Berichterstattung und 60 Minuten für die Aussprache vor. Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß wir die 60 Minuten nicht benötigen.
Ich bitte die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Hütter, das Wort zu nehmen.
Frau Hütter , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Sitzung vom 21. November 1950 hat mich der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen beauftragt, die Berichterstattung über die Beratungen,
die über den Antrag der Herren von Thadden und Genossen stattgefunden haben, zu übernehmen. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
durch eine entsprechende Verordnung die Häftlinge der Konzentrationslager der russischen Besatzungszone mit den Rußlandheimkehrern gleichzustellen.
Diese Vergünstigungen sollen den entlassenen Häftlingen zugute kommen, die nachweisen können, daß sie aus politischen Gründen oder wegen ihrer sozialen Stellung inhaftiert wurden.
Mit diesem Antrag wird die Bundesregierung um ein Gesetz bzw. eine Verordnung ersucht, um die rechtliche Gleichstellung der Häftlinge der sowjetzonalen Konzentrationslager mit den Heimkehrern zu gewährleisten, soweit sie nicht gesundheitlicher Schädigungen wegen unter das Bundesversorgungsgesetz fallen. Es sollen also solche Häftlinge in den Genuß der Vergünstigungen für Rußlandheimkehrer kommen, die nachweisen können, daß sie aus politischen Gründen oder wegen ihrer sozialen Stellung eine gewisse Zeit hindurch inhaftiert waren.
Ein Vertreter des Bundesarbeitsministeriums, der bei der Beratung des Antrags zugegen war, erklärte vor dem Ausschuß, daß ein entsprechender Gesetzentwurf beim Bundesflüchtlingsministerium bereits vorbereitet war, daß die Zuständigkeit für diese Angelegenheit aber beim Bundesarbeitsministerium läge. Das Bundesarbeitsministerium sei nun, nachdem das Kabinett im Sommer vorigen Jahres diese Zuständigkeit bestätigt hatte, im Begriff, diesen Fragenkomplex zu untersuchen, und es wolle die Materie in der sich in Vorbereitung befindlichen Novelle zum Heimkehrergesetz verarbeiten.
Der Ausschuß vertritt jedoch den Standpunkt, daß aus sachlichen Gründen ein eigenes Gesetz hierfür geschaffen werden müsse. Außerdem ist der Ausschuß der Ansicht, daß die gesetzliche Regelung dieser Angelegenheit dringlich ist. Er schlägt daher vor, den Antrag des Herrn von Thadden in folgender Fassung anzunehmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag beschleunigt den Entwurf eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Haftentlassene der Konzentrationslager der russischen Besatzungszone vorzulegen.
Die Hilfsmaßnahmen sollen den entlassenen Häftlingen zugute kommen, die nachweisen können, daß sie aus politischen Gründen oder wegen ihrer sozialen Stellung inhaftiert wurden.
Der Rechtsausschuß hat sich in seiner 85. Sitzung vom 24. Januar dem Standpunkt des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen angeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten den Fraktionen empfehlen, die Damen des Hauses öfter zu Berichterstattern zu machen. Die Aufmerksamkeit war geradezu wohltuend.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen der Frau Berichterstatterin kann ich mich als Antragsteiler außerordentlich kurz fassen, da alle Gesichtspunkte, die ich im Ausschuß vorgetragen habe, in dem Bericht zum Ausdruck gekommen sind.
Meine Damen und Herren, es ist meines Erachtens ganz außerordentlich wichtig, daß wir denjenigen, die in den Konzentrationslägern der Ostzone zum Teil vier, fünf, ja bis zu sechs Jahren zugebracht haben, hier einige Vergünstigungen einräumen. Die Zustände in diesen Konzentrationslagern unterscheiden sich wirklich in nichts von den Zuständen in den russischen Kriegsgefangenenlagern. Ich habe kürzlich einen Bericht von dem bekannten Publizisten Günther Birkenfeld bekommen, der unendlich viel Material von der Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit zusammengestellt hat. Ich kann Ihnen allen nur dringend empfehlen, sich dieses einmal durchzulesen. Sie bekommen es überall. Sie werden darüber erschüttert sein, was dort alles vorgegangen ist bzw. heute noch unter einer anderen Deklarierung vor sich geht.
Meine Damen und Herren, als Antragsteller freue ich mich, daß jetzt für diesen Personenkreis eine Regelung geschaffen werden soll und kann, die ihm einen kleinen Ausgleich für das geben soll, was sie erlitten haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist nicht ganz uninteressant, daß die Behandlung dieses Antrags zu ungefähr derselben Zeit erfolgt, in der die Kriegsverbrecher aus Landsberg entlassen worden sind. Es ist auch charakteristisch, daß dieser Antrag von Abgeordneten gestellt worden ist, deren politische Einstellung und wahrscheinlich auch Vergangenheit und Tätigkeit während der zwölf Hitlerjahre sie sicherlich dazu autorisiert,
sich in eine solche Angelegenheit einzumischen und sie zum Gegenstand einer politischen Hetze und Propaganda zu machen. Ich glaube, die Namen der Herren von Thadden, Dr. Richter, Dr. Dorls und Hedler sind so symbolisch, daß ich weitere Ausführungen dazu wohl nicht zu machen brauche.
Wenn nun diese Herren diesen Antrag eingebracht haben — Sie erinnern sich vielleicht daran, daß gestern derselbe Herr von Thadden den Antrag gestellt hat, die Sitzung des Bundestages im Hinblick auf die beabsichtigten Hinrichtungen in Landsberg
um eine halbe Stunde auszusetzen —, dann, glaube ich, ist das ein Beweis dafür, welche Gesichtspunkte für jene Herren maßgebend gewesen sind, nämlich durch eine Hetze gegen die Deutsche Demokratische Republik einen Schleier zu schaffen, hinter dem sich bereits eine neue Generation oder, sagen wir, eine neue Schicht von Kriegsverbrechern in Westdeutschland entwickelt,
während im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik gegen jene Elemente — und das ist der grundlegende Unterschied zu den Verhältnissen in Westdeutschland — vorgegangen wird,
die, sei es in dieser oder jener Form, sich Verbrechen gegen die Demokratie zuschulden kommen lassen.
Um auf den Zwischenruf einzugehen: ich weiß nicht, ob Herr Kollege Schmid der Zwischenrufer gewesen ist; ich möchte ihm aber eine Antwort geben. Herr Kollege Schmid, ich hatte Gelegenheit zu einer Kontroverse mit dem Bürgermeister von Witzenhausen in Hessen, einem Mann, der sich wegen seiner Vergangenheit und aus anderen Gründen aus der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Westen abgesetzt hat und hier im Westen schnell Bürgermeister in Witzenhausen geworden ist; er wurde aber von seiner eigenen Partei, der FDP, schließlich wegen seiner Vergangenheit ausgeschlossen. Bei dieser Kontroverse, die um dieselbe Behauptung ging, mit der die Herren von Thadden, Dr. Richter usw. diesen Antrag eingebracht haben, habe ich erklärt: Wären vor 1933, in der Weimarer Zeit, Maßnahmen ergriffen worden, durch die nicht nur Himmler, Hitler, sondern auch die ganze Generalskamarilla und die Herren Vögler, Krupp, Thyssen usw., die den Krieg vorbereitet haben, damals dingfest gemacht und hinter Stacheldraht gesetzt worden, Herr Kollege Carlo Schmid, dann wäre 1933 nicht gekommen und wir hätten nicht die Zustände, wie wir sie heute haben.
- Und um das zu verhindern, Herr Kollege Schmid, werden in der Deutschen Demokratischen Republik solche Elemente festgesetzt, die in derselben Richtung — im Gegensatz zu der Entwicklung hier im Westen — gearbeitet haben.
Und, Herr Kollege Carlo Schmid, hier in Westdeutschland sind dieselben Leute, die die Weimarer Republik zum 30. Januar geführt haben, wieder am Werk, und sie werden von dieser Seite aus unterstützt!
- Auch Sie, Herr Kollege Carlo Schmid, müßten aus den Erfahrungen der 12 Jahre die Möglichkeit haben, sich ein richtiges Urteil zu bilden. Es ist ganz klar, daß wir alle Veranlassung haben, uns gegen die Maßnahmen zu wehren und die Absichten zu durchkreuzen, die mit dieser Propaganda verfolgt werden, nämlich Stimmung gegen die Deutsche Demokratische Republik zu machen und damit den Herren Vorschub zu leisten, die auf einen Krieg hinsteuern. Dagegen müssen wir uns mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen, und ich glaube, jeder, der die Entwicklung seit 1945 bis heute überprüft und richtig einschätzt, wird das tun müssen und wird sich darüber im klaren sein, in welch ernster Stunde wir uns bereits heute befinden. Keiner, der es mit dem deutschen Volk und der Erhaltung des Friedens ehrlich meint, darf seine Hand zu einer solchen Hetze bieten, sondern muß sich dafür einsetzen, daß die Kriegstreiber und die Hetzer zum Krieg in Westdeutschland beseitigt bzw. dingfest gemacht werden, damit eben dem deutschen Volk der Friede erhalten bleibt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pohle.
Meine Damen und Herren! Nur zur Richtigstellung, damit nicht ein falsches Bild durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Müller entstehen kann.
Das Anliegen der Betreuung der Personen, die aus den Konzentrationslagern der Sowjetzone kommen, ist durchaus nicht nur ein Anliegen des Herrn von Thadden und Genossen,
sondern es ist ein Anliegen sämtlicher Fraktionen dieses Hauses außer der KPD-Fraktion. Die Angelegenheit war schon seit Monaten mehrfach Gegenstand unserer Erörterungen im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, aber wir von den einzelnen Fraktionen haben nur deshalb keine konkreten Anträge gestellt, weil uns von den Vertretern der Bundesregierung schon im August vorigen Jahres in Aussicht gestellt wurde, daß dem Hohen Hause demnächst Vorschläge einer Regelung von der Bundesregierung vorgelegt werden. Da dies bisher nicht geschehen, die Zuständigkeitsabgrenzung wohl auch nicht klar ist, haben wir den Antrag des Herrn von Thadden und Genossen gern im Ausschuß aufgenommen und ihn in einer umformulierten Fassung hier vorgelegt.
Zum Schluß: Herr Abgeordneter Müller, schon aus dem biblischen Saulus ist ein Paulus geworden! Wir haben in den letzten Jahren mancherlei erlebt. Denken Sie nicht zuletzt daran, daß Sie das kommende Gesetz eventuell für sich und ihre Kollegen werden in Anspruch nehmen müssen!
Meine Damen und Herren, die Aussprache ist geschlossen.
Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1838 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte urn die Gegenprobe. — Gegen drei kommunistische Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 20:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Belastung des Straßenverkehrs (Nrn. 1588, 1851 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hagge. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen habe ich Ihnen — indem ich mich auf die Begründung der Drucksache Nr. 1851,. wie sie Ihnen vorliegt, beziehe — zu berichten, daß das Hohe Haus gebeten wird, den Antrag der SPD, Nr. 1588 der Drucksachen des Deutschen Bundestags, für erledigt zu erklären.
Ich eröffne — und schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1851 und bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, die Hand zu er-
heben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen drei kommunistische Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 21:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Luftschutzabgaben (Nrn. 1326, 1875 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Juncker. Ich bitte Ihn, das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Nach dem Antrag Drucksache Nr. 1326 der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei betreffend Luftschutzabgaben soll die Bundesregierung ersucht werden, den Runderlaß des ehemaligen Reichskommissars für Preisbildung Nr. 56/40 vom 10. Mai 1940 mit der Wirkung aufzuheben, daß die seit dem 20. Juni 1948 erhobenen Luftschutzabgaben von den Hauseigentümern an die Mieter zurückzuerstatten sind. Der Runderlaß sah vor, daß der Vermieter bei Schaffung endgültiger Luftschutzräume in bestehenden Gebäuden bei der Preisbehörde eine Mietzinserhöhung beantragen konnte, die die zur Verzinsung und Tilgung des aufgewendeten Kapitals notwendigen Kosten deckte. Angemessen erschien ein Ansatz von 7 % der Anlagekosten.
Zu dem Antrag der SPD lag ein Schreiben des Zentralverbandes der Haus- und Grundbesitzer e. V. vor. Der Verband sprach sich zwar gegen eine generelle und rückwirkende Aufhebung der Verordnung aus, da es sich bei der Luftschutzabgabe um eine Verzinsung und Amortisation des aufgewandten Kapitals handelte, äußerte andererseits aber keine Bedenken, da durch die bisherige Einbeziehung der Luftschutzabgaben die Kosten in etwa amortisiert seien
— ich berichte nur, meine Herren —, so daß gegen eine Aufhebung des Runderlasses — allerdings ohne Statuierung einer Rückerstattungspflicht der Mieter — nichts eingewandt wird.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik kam nach kurzer Beratung zu dem Beschluß, dem Hause zu empfehlen, die Bundesregierung zu ersuchen, den Runderlaß des ehemaligen Reichskommissars für Preisbildung vom 10. Mai 1940 sofort aufzuheben. Wir bitten das Hohe Haus, entsprechend zu beschließen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. —Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses, den Sie. eben gehört haben, zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 22 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Donhauser gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Berthold (München) vom 20. und 28. November 1950 (Nr. 1817 der Drucksachen).
Ich bitte den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Ritzel, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit allen Stimmen — bei zwei Stimmenthaltungen — hat der Ausschuß beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, die Immunität des Herrn Abgeordneten Donhauser aufzuheben. Der Schilderung des Sachverhalts muß im vorliegenden Fall eine Erörterung ganz allgemeiner und grundsätzlicher Art vorausgehen, über die ich Ihnen in wenigen Sätzen berichten darf. Es handelt sich um die Abklärung der Frage, die sich erstmals stellt, ob Abgeordnete, die als Zeugen vor einem Untersuchungsausschuß aussagen, unter den Begriff der Indemnität im Sinne des Art. 46 Abs. 1 des Grundgesetzes fallen.
Dieser Artikel besagt, daß ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden darf. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen. Der Text dieser Bestimmung unterscheidet sich von den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung Art. 36 insoweit, als die Weimarer Reichsverfassung „die in Ausübung des Berufs getanen Äußerungen" für straffrei erklärte, während nach dem Grundgesetz „die im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getanen Äußerungen" für straffrei erklärt werden. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen diesen beiden Fassungen kann aus dieser redaktionellen Verschiedenheit nicht geschlossen werden.
Literatur und Rechtsprechung sind einhellig der Auffassung, daß Abgeordnete wegen ihrer Abstimmung oder wegen Äußerungen, die sie in der Vollversammlung, in einem Ausschuß oder im Altestenrat in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete getan haben, nicht zur Verantwortung gezogen werden können, wenn diese Äußerungen in Beziehung zur Ausübung des Mandats stehen. Die überwiegende Meinung geht auch dahin, daß Äußerungen und Abstimmungen in Fraktionssitzungen hierzu gehören. In vorliegenden Fällen liegen jedoch Äußerungen beleidigenden Inhalts vor, die Abgeordnete vor einem Untersuchungsausschuß getan haben. Aus der Tatsache, daß diese Zeugen Abgeordnete sind, kann nach Auffassung des Ausschusses nicht gefolgert werden, daß sie ihre Aussagen in Ausübung ihres Mandats getan haben, da sie nicht die Rechte und Pflichten eines ordentlichen Mitgliedes des Untersuchungsausschusses haben und lediglich als Zeugen wie jeder andere Staatsbürger die an sie gerichteten Fragen zu beantworten haben. Aus dieser Erwägung hat sich der Ausschuß mit mehreren Fällen und zunächst mit dem hier heute zu berichtenden Einzelfall, dem Antrag auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Donhauser befaßt. Dem Antrag liegt ein Strafantrag des Münchener Rechtsanwalts Dr. Berthold zugrunde. Herr Berthold schreibt:
Der Unterzeichnete hat als Zeuge vor dem Ausschuß
— also vor dem Untersuchungsausschuß —
ausgesagt, daß er lediglich zu den Bundestagswahlen, etwa um den 4. August 1949; sowohl der CSU wie der Bayernpartei Gelder überreicht habe, die aus bayerischen Wirtschaftskreisen stammten und von Leuten kamen, die in einem Klientenverhältnis zu ihm standen.
Er schreibt weiter:
Ich habe ausdrücklich unter Eid ausgesagt, daß ich an die Hergabe dieser Gelder keinerlei Bedingungen geknüpft hatte und daß ich nach der Bundestagswahl keine Gelder mehr gegeben habe. Es wurde mir von dem Ausschuß die Frage vorgelegt, ob ich für die Gelder Provision genommen hätte, da dies in einer früheren Vernehmung der Bundestagsabgeordnete Donhauser behauptet hätte. Ich verneinte dies unter Berufung auf meinen Eid und kündigte an, daß ich deswegen gegen Donhauser Strafanzeige stellen werde, da seine Behauptung eine Verleumdung darstellt. Donhauser war unter den Zuhörern anwesend. Er kannte also meine Aussage genau. Trotzdem hat Donhauser, wie ich aus Pressemeldungen entnehmen kann, wiederum die Behauptung aufgestellt, daß ich auch nach der Bundestagswahl Gelder an die Bayernpartei, und zwar 30 000 DM gegeben hätte. Donhauser hat mich damit also des Meineids bezichtigt. Außerdem stellt er die Behauptung auf, daß ich von den 30 000 DM mir gleich 5000 DM als Provision abgezogen hätte.
Es werden dann Beweise angeboten.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich mit der materiellen Sachlage nicht zu befassen, sondern zu prüfen gehabt, ob in dem vorliegenden Fall eine Handlung vorliege, die das Haus dazu veranlassen könne, die Immunität weiterhin aufrechtzuerhalten. Er ist, wie ich schon zu Eingang sagte, mit allen Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen zu dem Ergebnis gekommen, daß im vorliegenden Fall keine Möglichkeit bestehen darf, die Immunität als Vorwand zu benutzen, um einer rechtlichen Abklärung und einer Ehrenrettung des Beleidigten den Weg zu verbauen.
Aus diesem Grunde beantrage ich namens des Ausschusses, das Hohe Haus möge die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Donhauser beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Ältestenrat hatte Ihnen vorgeschlagen, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. Der Betroffene, Herr Abgeordneter Donhauser, gehört im Augenblick einer im Ältestenrat vertretenen Fraktion nicht an. Er möchte das Wort nehmen. Ich kann ihn daran nicht hindern. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie dringend, der Empfehlung des Vorsitzenden des Immunitätsausschusses nachzukommen und heute meine Immunität für diesen Fall aufzuheben. Ich habe selbst das größte Interesse daran, daß ich in die Lage versetzt werde, die Wahrheit meiner Behauptungen vor einem Gericht unter Beweis zu stellen. Ich bitte Sie also, meine Immunität aufzuheben.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 1817. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Aufhebung der Immunität zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
— Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen.
Meine Damen und Herren, damit haben wir die Tagesordnung hinter uns gebracht.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages, die 119., auf Mittwoch, den 21. Februar 1951, 13 Uhr 30, ein und schließe die 118. Sitzung des Deutschen Bundestages.