Rede von
Willi
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel ist diese Frage für unsere gesamte Wirtschaft wichtig; aber ich glaube, ebenso wichtig ist sie auch für alle diejenigen, die in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt sind. Es war immer die Angst der Kaufleute, daß ihr Verdienst geringer würde, wenn sich die Zeit, in der der Laden offen ist, verkürzen würde.
Die Praxis hat immer erwiesen, daß diese Angst der Kaufleute unberechtigt war und daß die Käufer auch mit den Waren, die sie sich kaufen konnten, versorgt wurden. Es ist doch nicht so, wenn Sie hier sagen, der Arbeitnehmer hätte keine Gelegenheit, mit seiner Frau an dem freien Samstagnachmittag mal seinen Großeinkauf zu machen, d. h. seinen Anzug, den er sich alle paar Jahre einmal von seinem Lohn kaufen kann,
seine Schuhe, die er sich vielleicht — —
— Bitte, anders ist es nicht! Gehen Sie doch hin in die Stadt; sehen Sie sich das Leben in den Arbeitergemeinden an, wie oft ein Arbeiter, der eine Familie hat, in der Lage ist, sich auf Grund seines Lohnes einen Anzug zu kaufen.
— Das sind Dinge, die weiß ich vielleicht besser als Sie! — Aber, meine Damen und Herren, darum handelt es sich nicht, es ist nicht notwendig, daß Sie sich deshalb erregen. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß der Arbeiter ja nicht mit seiner Frau jede Woche oder gar jeden Monat einen Großeinkauf hat, Das ist doch gewöhnlich ein besonderes Ereignis!
Im Arbeitsausschuß und mit diesem Antrag haben wir auch gar nicht beabsichtigt, daß jeden Samstag um 14 Uhr alle Läden geschlossen sein sollen. Nach eingehender Diskussion, an der sich alle Fraktionsvertreter beteiligten, haben wir uns mit Mehrheit dahingehend verständigt, daß der erste Samstag im Monat aufbleibt, d. h. daß die Läden und offenen Verkaufsstellen so lange auf sind wie an Wochentagen. Wenn also der Angestellte sein Monatsgehalt oder der Arbeiter die Spitze seiner Lohnzahlung bekommt, hat er die Möglichkeit, mit seiner Frau und seinen Kindern einen Einkauf zu tätigen, er kann auch eine Tasse Kaffee trinken und, wenn er das Geld dazu hat, sogar noch ein Stück Kuchen dazu essen. Die Chance haben wir dem Arbeiter, seiner Familie und den Wirtschaftszweigen verschiedenster Art gelassen.
Es wird auch kein Ladengeschäft geschädigt. Die Masse gibt ihren Verdienst aus, und was sie nicht auszugeben braucht und was schließlich zur Sparkasse kommen sollte, das schädigt die Wirtschaft auch nicht; das kommt ihr indirekt wieder zugute. Man sollte daran denken, daß es sich hier um ein
Schutzrecht für das Personal, für Hunderttausende von meistens jungen Menschen, von weiblichen und männlichen Angestellten handelt. Warum sollen die nicht mit ihren Familien, mit ihren Freunden und Bekannten ein Wochenende verleben können? Warum sollen sie als Angestellte am Sonnabend bis 7 Uhr abends — bis sie nach Hause kommen, wird es 8 und 9 Uhr — gebunden sein, während alle ihre Freundinnen und Freunde, ihre Familien das Glück haben, auf das Land zu gehen oder an sonst einem Besuch oder einer Veranstaltung teilnehmen zu können?
— Mich interessieren in diesem Falle Ihre Zwischenrufe wirklich nicht, weil ich dafür nicht das geringste Verständnis habe, und ich bedaure, daß Sie diese unsozialen Zwischenrufe machen.
Aber die Angelegenheit ist auch von kultureller Bedeutung; denn gerade an Sonnabenden finden die kulturellen Veranstaltungen statt. Wenn man schon das Familienleben fördern will und sich dafür einsetzt, dann sollte man auch derartige Bestrebungen stützen. Ich freue mich, daß der Begründer unseres Antrags, der von drei Fraktionen des Hauses und von 29 Abgeordneten gemeinschaftlich gestellt wurde, beantragt hat, den Antrag an den Ausschuß für Arbeit zu überweisen. Sie sehen daran die Bereitwilligkeit der Antragsteller, den Antrag nochmals sehr eingehend beraten zu lassen. Um so mehr bedauere ich die Äußerung des Herrn Kollegen Naegel, der den Antrag als Material der Bundesregierung überwiesen haben will. Töten Sie nicht das Initiativrecht der Abgeordneten dieses Hauses, die sich aus drei Fraktionen in dieser sozialen und kulturellen Frage zusammengefunden haben, indem Sie glauben, den Antrag einfach niederstimmen zu sollen, sondern fördern Sie den Versuch der Gemeinschaftsarbeit auch in dieser Frage und überlassen Sie die Regelung dem ehrlichen Willen aller im Ausschuß. Letzten Endes haben Sie dann in zweiter und dritter Lesung zu entscheiden, daß die Regelung allen Kreisen und unserem gesamten Land dienlich ist.
Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, im Auftrag meiner Fraktion, diesen Antrag der Abgeordneten der drei Fraktionen dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.