Rede von
Dr.
Otto
Kneipp
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat zu dieser Frage schon seit Monaten eine außerordentlich große Anzahl von Briefen bekommen. Auch die einzelnen Fraktionskollegen haben in den letzten Tagen Äußerungen — meistens nichtzustimmende — zu dem Gesetzentwurf erhalten. Die Fülle der Eingaben ist so groß, daß sie die Menge der Eingaben betreffend Süßwarensteuer um ein ganz Erkleckliches vermehrt.
Die Süßwarensteuer ist ja noch im Stadium nascendi; da stehen wir vielleicht erst am Anfang einer Entwicklung.
Ich möchte die Eingaben und das darin enthaltene Material nach drei Gesichtspunkten aufgliedern. Ich nehme zunächst die Eingaben aus dem Kreise der Käuferschichten, dann die aus den Kreisen der in Frage kommenden Geschäftsinhaber, schließlich die aus dem Kreise der — ich will mal sagen — betroffenen Angestellten.
Bei dem ersten, dem Kreis der Käuferschichten, sprechen sich nahezu alle Eingaben gegen den Samstagnachmittagladenschluß aus.
Alle erklären immer und immer wieder, man brauche doch nun nicht eine Schematisierung nach dieser Richtung hin durchzuführen, man solle die Entwicklung, die sich nun einmal vielerorts auf die Offenhaltung am Samstagnachmittag eingestellt habe, unter allen Umständen weiterlaufen lassen. Besonders die Hausfrauen weisen darauf hin, daß am Samstagnachmittag ihre Männer zur Verfügung stehen, und zwar besonders bei den Großeinkäufen. Es ist also eine Art Familienfest, das sich da entwickelt.
Wir sollten in dieser rauhen Zeit solche Familienfeste nicht unterbinden und nicht die Entwicklungsmöglichkeit dazu abschneiden.
Die Hausfrauen sind es ja, durch deren Hände der größte Teil des Verdienstes des Mannes geht.
Wenn also die Hausfrauen diese Tätigkeit entfalten, sollen wir sie nicht dabei stören.
In dem Gesetzentwurf wird nun gesagt: Gut, wir wollen dieses Familienidyll am ersten Samstagnachmittag im Monat sich entwickeln lassen. Dazu äußern sich alle Schreiben dahin, daß ein Samstag absolut nicht ausreiche.
Gerade aus Arbeiterschichten wird mir und meinen Fraktionsfreunden immer und immer wieder dargelegt, daß die Arbeiter doch auch ein Recht darauf hätten, mit ihrer Familie einmal zum gemeinsamen Einkauf auszugehen. Und was sollte mit dem einen Samstagnachmittag geschehen? Die meisten werden ja nicht auf den Kalender schauen und dann immer daran denken, daß nur der eine Samstag in Frage kommt.
— Ich bin sehr dankbar, Herr Kollege Oellers für den Einwurf. Wenn es ein schlechter, ein regnerischer Tag ist, dann kommt das Ganze nicht zur Entwicklung.
Es gibt Hausfrauen, die mir geschrieben haben, daß man in einer Zeit, in der die Bergleute, um uns aus einer Klemme zu helfen, Sonderschichten fahren, auch den Samstagnachmittag zum allgemeinen Einkauf ruhig beibehalten soll. Ich glaube, das ist ein sehr geschickter Hinweis, und vor der Majestät des Kunden, von der immer wieder gesprochen wird, sollten doch auch wir unter allen Umständen kapitulieren.
Von verschiedenen Instituten zur Erforschung der Volksmeinung ist eine Volksbefragung, also eine ganz demokratische Handlung, durchgeführt worden. Aus den Ergebnissen dieser Volksbefragung ist klar und eindeutig nachgewiesen, daß der größte Teil der Befragten, die allen Bevölkerungsschichten angehörten, durchaus dafür war, am Samstagnachmittag die Ladengeschäfte offen zu lassen.
— Herr Kollege Richter, ich bin sehr objektiv, das wissen Sie; Sie hatten schon wiederholt Gelegenheit, meine Objektivität anzuerkennen.
Nun komme ich zu den Eingaben des zweiten Kreises, nämlich der Geschäftsinhaber, die recht viele Eingaben gemacht haben. Die betreffenden Kreise weisen darauf hin, daß der Samstagnachmittag nun einmal zu dem großen Geschäftstag gehört, den man ihnen nicht nehmen dürfe. Die Geschäfte weisen auch darauf hin, daß sie nach dem neuen Steuerbukett der Bundesregierung jetzt erhöhte Umsatzsteuerbeträge abführen sollten, daß sie ferner nach der in Aussicht gestellten Durchforstung des Einkommensteuergesetzes auch wieder mehr Einkommensteuer entrichten sollten; Voraussetzung für die Entrichtung erhöhter Einkommensteuer sei aber, daß man ihnen den Hauptgeschäftstag selbst nicht nehme.
Auch der Städtetag hat sich in einer wohlbegründeten Eingabe gegen den Wegfall der Verkaufstätigkeit am Samstagnachmittag ausgesprochen. Das Hotel- und Verkehrsgewerbe hat es ebenfalls getan.
Ist nun bei den Angestellten selbst alles eitel Freude? Auch das ist nicht der Fall. Soweit die Angestellten büromäßig tätig sind, haben sie norma-
lerweise. Samstagnachmittag frei, sie konzentrieren also ihre Einkaufstätigkeit auf den Samstagnachmittag. Die in den entsprechenden Branchen tätigen Angestellten sind in ihren Auffassungen genau so uneinheitlich wie so viele andere Volksschichten. Ein großer Teil befürchtet durch den Rückgang des Geschäfts einen Wegfall oder eine Minderung etwaiger Umsatzprovisionen, wo solche Provisionen üblich sind. Die andern meinen, man solle ihnen auf eine andere Art und Weise entgegenkommen. Sie wissen ja, daß durch die Tarifverträge jedem dieser Angestellten ein freier Nachmittag gesichert ist. Wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, das Wochenende zu verlängern, würden wir auch dafür stimmen. Aber entgegen dem Wunsch von praktisch 80 % der Menschen aus allen Bevölkerungsschichten kann der freie Samstag unmöglich eingeführt werden.
Das war das Wesentliche, was ich bei der kurzen mir zur Verfügung stehenden Redezeit sagen wollte. Meine politischen Freunde können in diesem Gesetzentwurf nicht der Weisheit letzten Schluß sehen. Sie sind zwar zu entsprechender Mitarbeit im Ausschuß bereit, aber dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form können sie nicht zustimmen.