Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Vorlage ist das Ergebnis einer langwierigen und mühevollen Arbeit.
Angesichts der Bedeutung, die der Sicherheitsschutz für unser Land hat, hat der Bundesregierung die Tendenz vorgeschwebt, das Hohe Haus zur Annahme des Bundesgrenzschutzgesetzes möglichst mit Einstimmigkeit zu veranlassen. Ich habe bei jeder Vorlage betreffend die Sicherheit im Innern betont, daß diese Sicherheit keine Angelegenheit einer einzelnen Partei oder der Regierungskoalition ist, sondern das ganze Hohe Haus — mit Ausnahme der Damen und Herren der KPD — in gleicher Weise betrifft. Deshalb haben wir in all den Verhandlungen versucht, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Sie selber, die Sie im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung an den Beratungen teilgenommen haben, wissen, wie mühevoll der Weg gewesen ist, den wir noch his in die letzten Stunden, ja bis in dieses Hohe Haus hinein gegangen sind.
Ich habe mich mit vollem Bedacht nicht bei den einzelnen Bestimmungen zum Wort gemeldet, sondern es, nachdem die Dinge soweit vorbereitet waren, Ihnen überlassen, die Entscheidung zu fällen. So gestatten Sie mir hier einige allgemeine Bemerkungen, ohne daß ich auf Rechtsfragen im einzelnen eingehen will.
Ich möchte aus den Punkten, die hier zuletzt erörtert worden sind, nur eine Rechtsfrage herausgreifen, nämlich die Frage, ob der Art. 73 des Grundgesetzes, der dem Bund wirklich das ausschließliche Recht der Gesetzgebung für den Grenzschutz gibt, infolgedessen nach Art. 124 des Grundgesetzes das bayerische Recht, das eine Landesgrenzpolizei geschaffen hat, zum Bundesrecht wandelt und somit auch für eine Landesgrenzpolizei kein Raum mehr ist. Soweit ich unterrichtet bin, ist die bayerische Landesgrenzpolizei durch eine Staatsministerialverordnung vom 25. November 1945 geschaffen worden. Diese Verordnung
ist ein reiner Organisationsakt und schafft als solcher kein objektives Recht. Die Verordnung ist daher niemals Bundesrecht im Sinne des Art. 124 des Grundgesetzes geworden. Der Art. 87 des Grundgesetzes gibt dem Bund nur eine Möglichkeit, den Vollzug des nach Art. 73 des Grundgesetzes gesetzten Bundesrechts in bundeseigene Verwaltung zu übernehmen. Dabei ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Bund unter Verzicht auf das Recht der eigenen Verwaltung den Vollzug des Gesetzes einem Land in eigener Verwaltung überläßt.
Ich möchte mich hier nicht in Rechtsausführungen komplizierter Art verlieren, sondern auf den tragenden Gesichtspunkt zurückkommen. Es liegt mir daran, daß das Hohe Haus sich heute in zweiter und dritter Lesung über einen Gesetzentwurf einig wird, dessen Vollzug -dringende Notwendigkeit ist. Ich kann dem Hohen Haus die gute Nachricht übermitteln, daß heute morgen, ehe wir in die weiteren Beratungen bei mir drüben eintraten, ein Vertreter der Hohen Kommission in meinem Ministerium war, der uns mitteilte, daß die Hohe Kommission dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, grundsätzlich zustimmt.
Deshalb bitte ich Sie, nachdem wir heute diesen Akt der Courtoisie erfahren haben, in Ihren Beschlüssen der Bundesregierung ebenso courtoisievoll zur Seite zu .stehen.
Nun erlauben Sie mir einige allgemeine Ausführungen. In der Debatte anläßlich der ersten Lesung schien es so, als ob zwischen den Regierungsparteien und der Fraktion der SPD eine tiefe Meinungsverschiedenheit bestünde. Erfreulicherweise hat sich diese Besorgnis nicht bewahrheitet. In den Beratungen des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich namentlich der Herr Vorsitzende fortgesetzt bemüht, zu einer weitgehenden Annäherung der Standpunkte zu kommen, die zwar auf beiden Seiten gewisse Wünsche übriggelassen hat, die aber doch heute zu der Hoffnung berechtigt, daß sich bei der nun bevorstehenden Gesamtabstimmung eine große Mehrheit für den Entwurf aussprechen wird.
Ich hätte es z. B. namens der Regierung sehr gern gesehen, wenn der Bundesregierung die Errichtung einer besonderen Grenzschutzoberbehörde gestattet worden wäre, um, wie es die ursprüngliche Regierungsvorlage vorsah, damit in meinem eigenen Hause die Fülle der Arbeit etwas zu verringern. Aber das haben Sie uns nicht konzediert, und damit müssen wir uns abfinden. Andererseits hätte die SPD gerne gesehen, daß bei der Bestimmung der Zahl und der Ausstattung der Grenzschutzbehörden der Bundestag mit eingeschaltet wäre, sei es durch den Vorbehalt eines besonderen Bundesgesetzes, sei es durch eine Verordnung, die der Zustimmung dieses Hohen Hauses bedarf. Wenn somit auf beiden Seiten Wünsche, Forderungen und Anregungen nicht ganz erfüllt worden sind, so hat dies doch der Einfachheit und der Klarheit des Gesetzentwurfs keinen Abbruch getan.
Ich glaube, eine objektive Auslegung des Textes wird ohne weiteres zu dem Schluß kommen, daß es sich auch wirklich nur um eine Sicherung im Grenzbereich handelt, also nicht etwa um die getarnte Aufstellung einer Bundespolizei, die etwa auch in den von der Grenze abliegenden Gebieten tätig
sein soll, selbstverständlich abgesehen von den Notfällen des Art. 91 des Grundgesetzes. Sie werden anerkennen müssen, daß diese Sicherung, wie sie sich auch aus dem § 3 des Entwurfes ergibt, eine rein polizeiliche Sicherung ist und nicht etwa irgendeinen militärischen Charakter trägt, wie es manche Gegner der Vorlage anfangs geargwöhnt haben.
Gewisse Bedenken beziehen sich auch darauf, daß das Vollzugspersonal der Grenzschutzbehörden in Bereitschaften zusammengeführt werden soll. Die Gründe, die dafür angegeben worden sind, kann ich nicht als stichhaltig ansehen. Schon bei der ersten Lesung des Entwurfs habe ich darauf hingewiesen, daß Bundesgrenzschutzbehörden wenig Sinn hätten, wenn sie nur aus Büropersonal und Schreibkräften bestehen würden, daß es also zu dem Begriff des Grenzschutzes gehört, die mit ihm betrauten Behörden auch mit Exekutivpersonal auszustatten. Warum sollte es mit dem Grundgesetz lediglich vereinbar sein, daß diese Exekutivbeamten ihren Dienst an der Grenze einzeln verrichten dürfen, aber daß es dem Grundgesetz widersprechen würde, wenn man diese Einzelgänger in Bereitschaften zusammenfaßt, in denen sie diese Patrouillen gemeinsam vornehmen? Die Bereitschaften bedürfen einer gewissen Zusammenfassung. Das ist für einen planmäßigen Einsatz, für die Ausbildung und für die Durchführung einer einheitlichen und schnellwirkenden Befehlsgewalt notwendig. Bedenken Sie doch, bitte, daß wir eine Bundesgrenze von 4700 km zu schützen haben, und wenn Sie einem dreischichtigen Arbeitsdienstwechsel vorsehen, dann entfällt bei den vorgesehenen Mannschaftsstärken auf mehr als 1 1/2 km nur ein einziger Mann. Wir können es daher nicht verantworten, den Schutz der Grenzen einem weiträumig verzettelten Einzeldienst zu überlassen, wir müssen vielmehr auf eine gewisse Zusammenfassung Wert legen, eine Zusammenfassung, die uns in die Lage versetzt, unsere Einheiten schnell und planmäßig an die Schwerpunkte heranzubringen und dort einzusetzen.
Ich begrüße ganz besonders die Anregung des Bundesrats über das Verhältnis zu den Landesbehörden. Auch vom Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung sind diese Anregungen einmütig gutgeheißen worden. Die Bundesregierung legt allergrößten Wert darauf, daß sich zwischen den künftigen Bundesgrenzschutzbehörden und den Polizeibehörden der Länder, sowohl den bisher bestehenden Ordnungspolizeibehörden wie den künftig entstehenden oder vielmehr, besser gesagt, den jetzt in der Entstehung begriffenen Landesbereitschaftspolizeibehörden eine gedeihliche Zusammenarbeit entwickelt.
Auf personellem Gebiete wird dies aller Voraussicht nach dadurch zum Ausdruck kommen, daß wir die im Landesgrenzschutz tätigen Beamten, soweit sie hierzu geeignet sind, in den Bundesgrenzschutz übernehmen. Das ist eine Maßnahme, die auch zur Folge haben wird, daß die effektive Vermehrung der Zahl der Grenzschutzbeamten und des Grenzschutzes nicht unerheblich hinter der Zahl zurückbleibt, die Sie heute als Stärke des Bundesgrenzschutzes festlegen werden. Die Festlegung soll nach der interfraktionellen Abmachung jetzt durch einen Beschluß des Bundestages erfolgen, der der Zustimmung der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitglieder bedarf. Mit einem solchen Beschluß ist Ihnen, meine Damen und Herren, eine hinreichende Gewähr dafür geboten, daß die Bundesregierung den Grenzschutz ohne Ihre Zustimmung nicht ver-
mehren, nicht etwa verdoppeln oder verdreifachen kann. Außerdem werden die Stellen, die hier geschaffen werden, noch von Ihrem Haushaltsausschuß besonders bewilligt werden müssen. Sie haben also volle, doppelte Sicherheit, und es besteht kein Grund zu der Forderung, die Stärke des Grenzschutzes, wie es Herr Kollege Menzel wünscht, nicht nur durch Beschluß des Bundestages, sondern im Gesetz selber festzulegen und dabei die Zustimmung der absoluten Mehrheit dieses Hohen Hauses zu verlangen. Eine solche Festlegung im Gesetz selbst hat immer ihre großen Bedenken. Sie würde eine wesentliche Verschlechterung gegenüber der im Grundgesetz vorgesehenen Regelung bedeuten, wonach für die Einrichtung der Bundesgrenzschutzbehörden ein einfaches Bundesgesetz, d. h. die Zustimmung der relativen Mehrheit dieses Hauses genügt.
Was nun freilich die Paßnachschau betrifft, die uns der Bundesrat gestrichen hat, so müssen wir darauf bestehen, meine Damen und Herren, daß diese Paßnachschau uns verbleibt und den Bundesgrenzschutzbehörden übertragen wird. In den Ausschußberatungen habe ich immer wieder angedeutet, daß wir dabei vorwiegend die Paßkontrolle an den Hauptübergangsstellen, an den Grenzübergängen im Auge haben und daß wir nach Übereinkunft mit den zuständigen Stellen auch die Paßnachschau an den kleineren Übergangsstellen regeln werden. Ich bin sicher, daß auf diese Weise die vom Bundesrat geäußerten Bedenken der Länder hinsichtlich der Paßkontrolle zu beschwichtigen sind.
Der Entwurf, meine Damen und Herren, hat gewiß manche Fragen offen gelassen, die weniger durch Formulierungen hier in diesem Hohen Hause als durch den Geist entschieden werden sollen, in dem das Gesetz angewendet wird.
Ich bitte Sie daher dringend, in dem Bestreben,
heute die letzte, optimale Forderung herauszuholen,
die letzte, optimale Fassung zu finden, nicht noch
nach neueren Formulierungen zu suchen, an denen
es ja bis zum letzten Augenblick nicht gefehlt hat.
Wir halten den Antrag der SPD, die Zuständigkeit der Grenzschutzbehörden auf eine Tiefe von 30 km zu beschränken, zwar nicht für sehr glücklich für uns und sehen darin für die praktische Durchführung des Gesetzes tatsächlich auch manche Erschwernisse in polizeitechnischer Hinsicht; aber wir glauben, daß diese Bedenken wenigstens zum Teil in einer Aussprache behoben worden sind, die ich noch kurz vorher mit Vertretern der Fraktionen gehabt habe.
Ich darf noch auf ein Letztes hinweisen, anknüpfend an die Besprechung, die wir heute morgen mit einem Vertreter der Alliierten gehabt haben, in der uns mitgeteilt wurde, daß gegen den Grundgedanken des Gesetzes Einwendungen von dieser Seite nicht erhoben werden. Im Anschluß hieran darf ich Sie bitten, mit Ihrem Beschluß doch nicht hinter der Bereitwilligkeit der Besatzungsmächte zurückzubleiben,
damit dem Gesetz die von uns so heiß begehrte
breite Mehrheit dieses Hauses gesichert wird. Wenn
Sie mit der von mir erhofften Einmütigkeit jetzt
dem Gesetz Ihre Zustimmung in zweiter und —
ich bitte Sie, keinen weiteren Aufschub zu beschließen — anschließend in dritter Lesung erteilen,
kann ich Ihnen die unzweideutige Versicherung abgeben, daß ich mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln dafür eintreten werde, daß die künftigen Bundesgrenzschutzbehörden als echte Polizeibehörden der verfassungsmäßigen Ordnung dienen und ihre Kräfte nur zum Wohle unseres Volkes für seine innere Freiheit und seine Sicherheit einsetzen werden.