Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als dem Ausschuß für Arbeit seinerzeit der Antrag Drucksache Nr. 603 zur Bearbeitung überwiesen wurde, worin nichts anderes verlangt wurde, als daß die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen sollte, der die Ladenschlußzeiten regelte, da hat er sich bereits in seiner ersten Sitzung mit der Frage beschäftigt, ob denn der Umweg über die Regierung nicht etwas zu weit sei, und ob er die Aufgabe nicht kürzer und zweckmäßiger selbst erledigen könne. Er ist dann in seiner Mehrheit zu den Beschlüssen gekommen, von denen der Herr Berichterstatter, Kollege Ludwig, eben gesprochen hat.
Aber die Dinge gingen dann nicht den gewünschten Weg. Der Geschäftsordnungsausschuß stellte sich auf den Standpunkt, daß der Ausschuß mit der selbständigen Erledigung der Aufgabe seine Kompetenzen überschritten habe. Das mag formal durchaus richtig sein. Ich glaube aber, was dann folgte, hat bestimmt nicht der zweckmäßigen und schnellen Erledigung der dem Ausschuß zugedachten Aufgabe gedient. Aber immerhin, der Ausschuß hat sich bemüht, die Dinge so einfach wie möglich zu regeln, indem er die bestehenden reichsgesetzlichen Bestimmungen abänderte. Es war also ein rein formaler Vorgang, der verhinderte, daß die damals im Ausschuß für Arbeit mit Mehrheit zustande gekommene Regelung dem Hohen Hause zur Beschlußfassung unterbreitet werden konnte.
Diese Tatsache hat nun eine Anzahl der Mitglieder des Ausschusses und einen Kreis weiterer Mitglieder des Hohen Hauses veranlaßt, einen Initiativgesetzentwurf einzureichen, dessen Inhalt sich in der wesentlichsten Frage mit dem Inhalt der Beschlüsse deckt, die ursprünglich im Ausschuß erarbeitet worden sind.
Aber gestatten Sie mir, hier einmal einiges zur Entwicklung der Gesetzgebung auf dem Gebiete der Ladenschlußzeiten vorzutragen. Es ist jetzt gerade ein halbes Jahrhundert her, daß das erste Ladenschlußgesetz erlassen wurde; das war nämlich am 1. Oktober 1900. Mit diesem Gesetz wurden die bis dahin geltenden Bestimmungen der Gewerbeordnung geändert. Zu jener Zeit brauchten die Verkaufsstellen nur zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens geschlossen zu sein, oder anders ausgedrückt: sie konnten von 5 Uhr früh bis 21 Uhr abends geöffnet sein. Es hat zu jener Zeit sehr nachhaltige Kämpfe der bestehenden Angestelltenverbände gekostet, um zu erreichen, daß Änderungen eintraten. Das kann Ihnen der Umstand zeigen, daß die höheren Verwaltungsbehörden nach diesem von mir genannten Gesetz zwar die Möglichkeit hatten, Ausnahmen zuzulassen, sie bedurften dazu aber der Zustimmung von zwei Dritteln der Geschäftsinhaber. Das bedeutet also, daß das Personal und die Verbände seinerzeit zu den Dingen überhaupt noch nichts zu sagen hatten.
Es ist dann gelungen, zum 20-Uhr-Ladenschluß zu kommen, und dieser Zustand hat sich auch bis zum ersten Weltkrieg erhalten. Die Demobilmachungsverordnung vom 18. März 1919 ordnete dann die Schließung von 19 bis 7 Uhr an. Diese Regelung wurde später in die Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1923 übernommen. Es folgte eine weitere Arbeitszeitverordnung vom 30. April 1938, die aber in ihren §§ 22 und 23 die bestehenden Regelungen übernahm. Aber die Verordnung, die dann später folgte, die vom 21. Dezember 1939, also aus der Kriegszeit, enthielt doch ein wesentlich Neues. Sie ließ behördliche Änderungen zu, die dann dazu führten, daß vielfach der 17-Uhr- und 18-Uhr-Ladenschluß eingeführt wurde und — was das Interessanteste ist — in der Regel oder mindestens überwiegend auch der SonnabendFrühschluß.
Nun ist es richtig, daß zur Zeit dieser Einschränkungen der Ladenöffnungszeiten bestimmte wirtschaftliche Bedingungen bestanden. Aber diese Regelung hat sich doch recht lange gehalten. Die derzeitige Regelung für die Ladenschlußzeiten ist immer noch die Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1939. Bis zur Währungsreform hatte man überwiegend den 18-Uhr-Ladenschluß, und auch der Sonnabend-Frühschluß bildete bis zu diesem Zeitpunkt die Regel. Weil aber diese Verordnung die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen zuließ, kam es in verschiedenen Ländern zu ländergesetzlichen Regelungen, so z. B. in Bremen und in Hamburg. In Bremen führte man den 18-UhrLadenschluß allgemein und den Frühschluß um 14 Uhr an allen Sonnabenden des Monats ein, in Hamburg den Sonnabend-Schluß um 15 Uhr. Aber auch in einigen anderen Städten des Bundesgebiets ist, ohne daß eine gesetzliche Grundlage dafür gegeben war, dieser Sonnabend-Frühschluß freiwillig eingeführt worden. Ob er sich bewährt hat? Er besteht ja zur Zeit noch. Der Regelfall ist doch wohl der, daß etwas, was sich nicht bewährt, aufgehoben und geändert wird.
In Bremen ist nun allerdings ein Streit darüber entstanden, ob einige Verwaltungsakte des bremi-
schen Senats, mit denen Ladenschlußzeiten festgesetzt wurden, rechtswirksam seien. Es wurde bestritten, daß die Verordnung vom Dezember 1939 noch eine Grundlage für solche Ausnahmen bilde. Es kam zu einem Verwaltungsstreitverfahren, und das Verwaltungsgericht entschied, daß die Akte ungültig seien. Es war besonders eine Firma in Bremen, die später auch im ganzen Bundesgebiet sich gegen diese „Sonnabendfrühschluß-Bewegung" eingesetzt hat, und zwar im klaren Gegensatz — wenigstens in Bremen — zu den Beschlüssen ihrer eigenen Fachorganisation. Ich persönlich kann nur sagen, daß ich diese Entwicklung in Bremen bedaure, weil sich die Sache dort gut eingespielt und eingebürgert hatte. Als diese Verwaltungsakte des bremischen Senats annulliert wurden, beschloß die bremische Bürgerschaft ein Gesetz. Nun wurde vom Verwaltungsgericht entschieden, auch das Gesetz sei rechtsunwirksam. — Dazu kann ich nur sagen, daß nach meiner Ansicht für diese Frage nicht das Verwaltungsgericht, sondern der bremische Staatsgerichtshof zuständig ist. Es besteht also in Bremen augenblicklich ein durchaus unerwünschter Rechtszustand.
Aber was ist nun geschehen, nachdem keine gesetzliche Basis für den Sonnabend-Frühschluß mehr da war? Die Einzelhandels-Fachverbände haben sämtlich öffentlich aufgefordert, die Geschäfte nach wie vor sonnabends um 14 Uhr zu schließen. Sie haben sogar den Senat gebeten, an diesem Sonnabend-Frühschluß festzuhalten.
Meine Damen und Herren! Im Lande Bremen gibt es kleine und kleinste Städte und Mittelstädte, auch solche, die von Dörfern, also Gebieten mit ländlicher Bevölkerung, umgeben sind. Im Lande Bremen liegen die Verhältnisse nicht anders als in den größeren Ländern im Bundesgebiet. Aber diese Vorgänge in Bremen zeigen nach meiner Ansicht, daß der Sonnabend-Frühschluß in den Verkaufsstellen nicht ausschließlich ein Anliegen der Angestellten ist, die in ihnen tätig sind, sondern auch ein Anliegen der Geschäftsinhaber selbst.
Welches sind die Gründe für den SonnabendFrühschluß? — Man muß sich einmal vergegenwärtigen, wie angestrengt das Verkaufspersonal in den Geschäften in häufig von staubiger Luft erfüllten Räumen, vielfach bei künstlichem Licht, in ständigem Gehen und Stehen tätig sein muß, um zu wissen, welche physisch und psychisch anstrengende Tätigkeit hier geleistet werden muß. Nun ist es aber auch noch so, daß ja der Sonnabend-Frühschluß bei Industrie, Behörden, Banken, Versicherungen usw. eine Verlagerung der Einkäufe, ohne daß ein zwingender Grund dafür vorläge, gerade auf diese Nachmittagsstunden des Sonnabends gebracht hat, so daß vom Verkaufspersonal an diesem Tage besonders viel geleistet werden muß.
Auch die deutsche Angestelltenschaft, soweit sie in diesen Verkaufsstellen tätig ist, hat einen Anspruch darauf, eine zusammenhängende Wochenendfreizeit zu haben. Sie hat den Anspruch dann, wenn er ihr ohne zwingende Gründe nicht versagt werden kann; darauf komme ich noch zu sprechen. Diese zusammenhängende Wochenendfreizeit soll der Erholung, der Erhaltung der Gesundheit, also der Erhaltung der Arbeitskraft dienen und soll diesem Teil der Angestelltenschaft die Möglichkeit der Teilnahme an Sport, an Wanderungen — dies besonders für die Jugend — und auch an den kulturellen Veranstaltungen des Wochenendes geben.
Was wird denn nun eigentlich an Argumenten gegen diese Wünsche jenes Teils der Angestelltenschaft geltend gemacht? Einmal heißt es, die Landbevölkerung könne unmöglich auf den Sonnabendnachmittags-Einkauf in den Klein- und Mittelstädten verzichten. Wenn ich boshaft sein wollte, könnte ich die Frage stellen, ob die Landwirtschaft auch im Winter nicht in der Lage ist, an anderen Tagen einzukaufen. Das kann sie bestimmt; kein verständiger Mensch wird bestreiten, daß sie es kann. Aber es hat sich herausgestellt, daß auch die Landbevölkerung — abgesehen von der sie stark belastenden Arbeit in der Erntezeit — ihre Einkäufe durchaus zu anderen Zeiten tätigen kann.
— Ich habe das Licht nicht ausgeschaltet.