Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit allen Stimmen — bei zwei Stimmenthaltungen — hat der Ausschuß beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, die Immunität des Herrn Abgeordneten Donhauser aufzuheben. Der Schilderung des Sachverhalts muß im vorliegenden Fall eine Erörterung ganz allgemeiner und grundsätzlicher Art vorausgehen, über die ich Ihnen in wenigen Sätzen berichten darf. Es handelt sich um die Abklärung der Frage, die sich erstmals stellt, ob Abgeordnete, die als Zeugen vor einem Untersuchungsausschuß aussagen, unter den Begriff der Indemnität im Sinne des Art. 46 Abs. 1 des Grundgesetzes fallen.
Dieser Artikel besagt, daß ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden darf. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen. Der Text dieser Bestimmung unterscheidet sich von den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung Art. 36 insoweit, als die Weimarer Reichsverfassung „die in Ausübung des Berufs getanen Äußerungen" für straffrei erklärte, während nach dem Grundgesetz „die im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getanen Äußerungen" für straffrei erklärt werden. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen diesen beiden Fassungen kann aus dieser redaktionellen Verschiedenheit nicht geschlossen werden.
Literatur und Rechtsprechung sind einhellig der Auffassung, daß Abgeordnete wegen ihrer Abstimmung oder wegen Äußerungen, die sie in der Vollversammlung, in einem Ausschuß oder im Altestenrat in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete getan haben, nicht zur Verantwortung gezogen werden können, wenn diese Äußerungen in Beziehung zur Ausübung des Mandats stehen. Die überwiegende Meinung geht auch dahin, daß Äußerungen und Abstimmungen in Fraktionssitzungen hierzu gehören. In vorliegenden Fällen liegen jedoch Äußerungen beleidigenden Inhalts vor, die Abgeordnete vor einem Untersuchungsausschuß getan haben. Aus der Tatsache, daß diese Zeugen Abgeordnete sind, kann nach Auffassung des Ausschusses nicht gefolgert werden, daß sie ihre Aussagen in Ausübung ihres Mandats getan haben, da sie nicht die Rechte und Pflichten eines ordentlichen Mitgliedes des Untersuchungsausschusses haben und lediglich als Zeugen wie jeder andere Staatsbürger die an sie gerichteten Fragen zu beantworten haben. Aus dieser Erwägung hat sich der Ausschuß mit mehreren Fällen und zunächst mit dem hier heute zu berichtenden Einzelfall, dem Antrag auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Donhauser befaßt. Dem Antrag liegt ein Strafantrag des Münchener Rechtsanwalts Dr. Berthold zugrunde. Herr Berthold schreibt:
Der Unterzeichnete hat als Zeuge vor dem Ausschuß
— also vor dem Untersuchungsausschuß —
ausgesagt, daß er lediglich zu den Bundestagswahlen, etwa um den 4. August 1949; sowohl der CSU wie der Bayernpartei Gelder überreicht habe, die aus bayerischen Wirtschaftskreisen stammten und von Leuten kamen, die in einem Klientenverhältnis zu ihm standen.
Er schreibt weiter:
Ich habe ausdrücklich unter Eid ausgesagt, daß ich an die Hergabe dieser Gelder keinerlei Bedingungen geknüpft hatte und daß ich nach der Bundestagswahl keine Gelder mehr gegeben habe. Es wurde mir von dem Ausschuß die Frage vorgelegt, ob ich für die Gelder Provision genommen hätte, da dies in einer früheren Vernehmung der Bundestagsabgeordnete Donhauser behauptet hätte. Ich verneinte dies unter Berufung auf meinen Eid und kündigte an, daß ich deswegen gegen Donhauser Strafanzeige stellen werde, da seine Behauptung eine Verleumdung darstellt. Donhauser war unter den Zuhörern anwesend. Er kannte also meine Aussage genau. Trotzdem hat Donhauser, wie ich aus Pressemeldungen entnehmen kann, wiederum die Behauptung aufgestellt, daß ich auch nach der Bundestagswahl Gelder an die Bayernpartei, und zwar 30 000 DM gegeben hätte. Donhauser hat mich damit also des Meineids bezichtigt. Außerdem stellt er die Behauptung auf, daß ich von den 30 000 DM mir gleich 5000 DM als Provision abgezogen hätte.
Es werden dann Beweise angeboten.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich mit der materiellen Sachlage nicht zu befassen, sondern zu prüfen gehabt, ob in dem vorliegenden Fall eine Handlung vorliege, die das Haus dazu veranlassen könne, die Immunität weiterhin aufrechtzuerhalten. Er ist, wie ich schon zu Eingang sagte, mit allen Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen zu dem Ergebnis gekommen, daß im vorliegenden Fall keine Möglichkeit bestehen darf, die Immunität als Vorwand zu benutzen, um einer rechtlichen Abklärung und einer Ehrenrettung des Beleidigten den Weg zu verbauen.
Aus diesem Grunde beantrage ich namens des Ausschusses, das Hohe Haus möge die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Donhauser beschließen.