Rede von
Dr.
Fritz
Oellers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Darf ich mir die Zeit dazurechnen? Die Übersicht über das Aufkommen an Landessteuern und Bundessteuern vom 1. April bis zum 31. Dezember 1950 ergibt, daß von dem gesamten Steueraufkommen des Landes in dieser Zeit nur 25 % auf Landessteuern und 75 % auf Bundessteuern entfallen sind. Angesichts dieser Zahlen gewinnt die vom Lande Schleswig-Holstein übernommene Interessenquote ihre ganz besondere Bedeutung. Für Schleswig-Holstein ergibt sich aus diesen Übersichten über die tatsächliche Entwicklung, daß der Übergang der Lasten und Steuern auf den Bund ab 1. April 1950 eine Verschlechterung gebracht hat, die mindestens der Höhe der Interessenquote entspricht. Ich will auf die rechtliche und finanzwirtschaftliche Bedeutung der Interessenquoten an dieser Stelle nicht eingehen, da dieses Problem sowieso demnächst einer näheren Prüfung unterzogen werden soll und die Interessenquoten einstweilen j a nur für das Jahr 1950 ausgerichtet sind. Für das vorliegende Gesetz über eine Bundeshilfe für Schleswig-Holstein muß ich jedoch darauf hinweisen, daß die Belastung dieses Landes mit Anteilen an den vom Bunde zu tragenden Besatzungskosten und Kriegsfolgelasten in Form der Interessenquote in Höhe von 70 Millionen DM bei einem Landessteueraufkommen von 170 Millionen DM völlig untragbar ist. Tatsächlich ergibt die Entwicklung des laufenden Rechnungsjahres, daß Schleswig-Holstein zur Zahlung dieser Interessenquote einfach nicht in der Lage gewesen ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat zwar zunächst davon abgesehen, die Zahlung der Interessenquoten von den Ländern zu fordern, solange das erste Überleitungsgesetz und das Gesetz über den Finanzausgleich der Länder noch ein sehr umstrittener Gegenstand der Ausschußberatungen war. Nachdem sich die Länder aber im Dezember bereit erklärt hatten, Vorauszahlungen auf den Finanzausgleich über das Bundesfinanzministerium zu leisten, hat es der Herr Bundesfinanzminister für erforderlich gehalten, die für die finanzschwachen Länder bestimmten Zahlungen zur Aufrechnung gegen die rückständigen Interessenquoten einzubehalten. Die Folge davon ist, daß das Land Schleswig-Holstein von den Ausgleichsleistungen der anderen Länder bislang nicht einen Pfennig in bar erhalten hat.
Dabei muß besonders hervorgehoben werden, daß
das Gesetz über den Finanzausgleich der Länder in
der vom Bundestag bereits verabschiedeten Fassung für Schleswig-Holstein nur Finanzleistungen
in Höhe von 110 Millionen DM vorsieht gegenüber einer Finanzhilfe im vorigen Jahre von 220 Millionen DM und daß, wie bereits betont, in den Beratungen über das Finanzausgleichsgesetz vom Herrn Bundesfinanzminister und von den Ländern erklärt worden ist, daß diese Ausgleichszahlungen für Schleswig-Holstein nicht ausreichend sein würden.
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat deswegen seit Dezember die auf Grund des ersten Überleitungsgesetzes übertragenen Aufgaben des Bundes aus den um die Interessenquote gekürzten Betriebsmitteln nur in der Weise leisten können, daß sie die Ausgaben in wachsendem Maße aus den Betriebsmitteln der kommenden Monate leistete. Sie ist zur Zahlung der aufs äußerste gedrosselten Ausgaben für Landeszwecke nur dadurch in der Lage gewesen, daß sie durch ihre Kasse laufende, für bestimmte Aufgaben der Wasserwirtschaft, des Wohnungsbaues und für andere Zwecke vorgesehene Gelder für die dringendsten Aufgaben der Landesverwaltung verwandt hat. Sie hat dies nur tun können in dem Vertrauen darauf, daß in den Verhandlungen über den Finanzausgleich der Länder bereits anerkannt worden war, daß die Finanzzuweisungen allein nicht ausreichend sein würden. Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf dient daher vor allen Dingen auch dazu, im Sinne dieser Verhandlungen mit größter Beschleunigung die Maßnahmen zu ermöglichen, die allein der Leistungsfähigkeit Schleswig-Holsteins entsprechen und sie erhalten können.
Über die Notwendigkeit eines Bundeszuschusses von 70 Millionen kann danach meines Erachtens kein Zweifel mehr bestehen.
Von einer gewissen Bedeutung mag dabei die Frage der Deckung dieses Zuschusses sein. Hier ist von besonderem Interesse, daß die von SchleswigHolstein auf den Bund übergegangenen Kriegsfolge- und Soziallasten vom Bundesfinanzministerium in einer Übersicht vom Mai 1950 auf 605,9 Millionen DM geschätzt worden sind, während sie nach den jetzt vorliegenden Ziffern tatsächlich nur 517 Millionen DM betragen haben. Der Unterschied von 88 Millionen DM bedeutet daher bereits eine Einsparung im Bundeshaushalt, die zur Deckung des beantragten Bundeszuschusses ausreichen würde.
Ebenso ergibt das Bundessteueraufkommen an Zöllen und Verbrauchssteuern, Besitz- und Verkehrssteuern in Schleswig-Holstein nach den IstZahlen im Jahre 1950 voraussichtlich 305 Millionen DM gegenüber nur 329 Millionen DM im Rechnungsjahre 1949. Schleswig-Holstein hat also an Bundessteuern gegenüber den Erwartungen ein Mehraufkommen von 176 Millionen DM aufgebracht. Trotzdem sieht der vorgelegte Entwurf in § 2 vor, daß der Bund von der in Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen kann, zur Deckung eines etwaigen Fehlbetrages nach dem Verhältnis des Ist-Aufkommens die Einkommen- und Körperschaftsteuer der Länder im Rechnungsjahre 1950 in Anspruch zu nehmen. Aber das mag der Bund mit den Ländern selber aushandeln.
Für die in § 3 vorgesehene Ermächtigung des Bundesfinanzministers, dem Lande Schleswig-Holstein mit einem unverzinslichen Kassenkredit bis zur Höhe von 35. Millionen DM zur Überbrückung rückständiger Leistungen aus dem Finanzausgleich zu Hilfe zu kommen, bedarf es meines Erachtens keiner weiteren Ausführungen, da die Abwicklung dieses Kredits durch die über das Bundesfinanzministerium zu leistenden Finanzausgleichszahlungen der zuschußpflichtigen Länder gesichert ist.
Fasse ich zusammen, so ergibt sich durch die Annahme dieses Gesetzes die Möglichkeit, dem durch die Unzulänglichkeit unserer geltenden Finanzverfassung am härtesten betroffenen Land zu helfen, wie es im Rahmen des Art. 106 des Grundgesetzes als selbstverständliche Folgerung der Zusammengehörigkeit aller Länder angenommen werden darf. Ich bitte Sie vor allem, noch einmal zu bedenken, daß die Finanznot Schleswig-Holsteins im wesentlichen darauf beruht, daß dieses finanzschwächste Land durch die Aufnahme einer außergewöhnlich hohen Zahl von Heimatvertriebenen eine Aufgabe auf sich genommen hat, die zu erfüllen im gesamtdeutschen Interesse liegt und damit Aufgabe aller Länder sein muß. Ich bitte Sie außerdem, daran zu denken, daß Schleswig-Holstein Grenzland ist und daß es die ihm angefallenen Aufgaben auf kulturellem Gebiet wie auf allen anderen Gebieten nur dann erfüllen kann, wenn seine Leistungsfähigkeit so weit erhalten wird, wie es dem Entwicklungsstande der anderen deutschen Länder entspricht. Es würde in Schleswig-Holstein von den Einheimischen sowohl wie von den Heimatvertriebenen nicht verstanden und vor allem auch von der Grenzbevölkerung als Im-Stich-lassen empfunden werden müssen, -wenn der Bund als Vertreter Gesamtdeutschlands dieser Aufgabe nicht gewachsen wäre und ihr nicht gerecht werden könnte.