Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 15. Juni 1955 die Kleine Anfrage 176 der Abgeordneten Höcherl, Dr. Gleissner , Seidl (Dorten), Lermer und Genossen betreffend Mißstände bei der Landbeschaffung durch die öffentliche Hand — Drucksache 1414 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1453 vervielfältigt.
Der Abgeordnete Dr. Dollinger hat mit Schreiben vom 15. Juni 1955 namens der Fragesteller die Kleine Anfrage 86 der Abgeordneten Dr. Dollinger, Wieninger, Dr.-
Ing. E. h. Schuberth und Genossen betreffend Betriebsauskünfte für das Militärische Sicherheitsamt in Koblenz — Drucksache 640 — zurückgezogen, da ihr materieller Inhalt überholt ist.
Meine Damen und Herren, der einzige Punkt der Tagesordnung lautet:
Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1100, 1500 bis 1530).
Ich rufe zunächst auf:
Einzelplan 04 für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes .
Der Einzelplan 04 ist mit Ausnahme des Tit. 101 besprochen. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Herr Abgeordneter Mellies hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich in den verflossenen Jahren zum Haushalt des Bundeskanzlers von dieser Stelle gesprochen habe, habe ich stets darauf hinweisen müssen, daß durch die starke Belastung, die der Herr Bundeskanzler sich selbst auferlegt hat, auf innenpolitischem Gebiete viele Schwierigkeiten und Versäumnisse entstanden sind. In diesem Jahre bin ich in der angenehmen Lage, meine Ausführungen mit einem Glückwunsch, ja sogar mit einem doppelten Glückwunsch zu beginnen. Der eine gilt dem Herrn Bundeskanzler, da er nunmehr die Last — Herr Bundeskanzler, ich möchte es ja gern genau sagen; aber es ist in diesem Fall etwas schwierig: eins ist zuwenig und zwei ist sicher zuviel —, also sagen wir vielleicht: von anderthalb Ministerien losgeworden ist.
Der zweite Glückwunsch sollte Herrn von Brentano gelten, der ja leider im Augenblick nicht anwesend ist, ein Glückwunsch dahin, daß er nun aus seinem jahrelangen Dasein als AußenministerKronprinz endlich erlöst worden ist.
Diese Erlösung kam zwar nicht, wie das sonst in den Märchen üblich ist, durch den Kuß einer schönen Prinzessin — wir hätten das Herrn von Brentano sicher alle gern gegönnt —,
sondern kam durch einen Beschluß des Herrn Bundeskanzlers. Sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn die Erlösung nach dem Märchen durch den Kuß der schönen Prinzessin gekommen wäre, wäre es eine vollständige Erlösung gewesen, während wir einige Zweifel haben, Herr Bundeskanzler, ob bei Ihrem Beschluß diese Erlösung nun auch tatsächlich eine vollständige gewesen ist.
Zu den Fragen der Außenpolitik wird mein Fraktionskollege Schmid nachher noch Stellung nehmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur eine Bemerkung machen. Herr Bundeskanzler, es wäre weder für die deutsche Politik noch für den Außenminister glücklich, wenn er sozusagen nur als stellvertretender Außenminister von Ihnen betrachtet würde.
Stellvertreter haben aus sachlichen Gründen — ich kann das ja sagen — in der Regel die Aufgabe, zu Hause zu bleiben, und Sie haben bei der letzten politischen Reise, Herr Bundeskanzler, den Außenminister ja auch zu Hause gelassen.
Wir hoffen, um mit einem Wort der vergangenen Zeit zu reden, daß das nun wirklich eine einmalige Erscheinung gewesen ist.
Infolge der Entlastung, die Sie, Herr Bundeskanzler, jetzt bekommen haben, werden Sie hoffentlich Zeit finden, sich um die entscheidenden Fragen der Innenpolitik etwas mehr zu kümmern und auch hier, wie es nach dem Grundgesetz Ihre Aufgabe ist, die Richtlinien der Politik bestimmen.
Es erweckt doch in der Bevölkerung nicht gerade Vertrauen zur Demokratie — wenn man nicht einen schärferen Ausdruck gebrauchen will —, wenn jetzt z. B. seit fast einem halben Jahr der Bevölkerung in regelmäßigen Abständen mitgeteilt wird, daß über die Frage der Sozialreform in der nächsten Woche eine Sondersitzung des Kabinetts stattfinden soll.
Das fing, wenn ich mich nicht irre, im Januar an. Das hat sich bis heute fortgesetzt — inzwischen ist schon ein halbes Jahr verflossen —, und diese außerordentliche Kabinettssitzung hat immer noch nicht stattgefunden. Wir wissen ja auch sonst, wie wenig von Ihrem vor zwei Jahren angekündigten Programm auf innerpolitischem Gebiet bisher durchgeführt worden ist.
Ich muß in dem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, auch heute wieder an den § 12 der Geschäftsordnung der Bundesregierung erinnern. Ich habe ja fast in jedem Jahr auf diese Dinge hinweisen müssen. Ich glaube, Sie müßten doch endlich einmal darangehen, die Bestimmung dieses § 12 auch zu beachten. Der § 12 lautet bekanntlich:
Äußerungen eines Bundesministers, die in der Öffentlichkeit erfolgen oder für die Öffentlichkeit bestimmt sind, müssen mit den vom Bundeskanzler gegebenen Richtlinien der Politik in Einklang stehen.
Sie haben aus dieser Bestimmung des § 12 nicht, wie es nach unserer Auffassung notwendig gewesen wäre, die personellen Konsequenzen gezogen. In einer Bundestagssitzung — ich glaube, es war vor zwei Jahren — haben Sie mir, als ich über diese Frage sprach, zugerufen, dieser Paragraph sei in die Geschäftsordnung gewissermaßen nur als Warnung für die Bundesminister hineingekommen. Aber, Herr Bundeskanzler, es heißt in diesem § 12 ausdrücklich: ,,. . . müssen mit den vom Bundeskanzler gegebenen Richtlinien der Politik in Einklang stehen." Ich glaube, Sie und die Bundesregierung sollten doch Wert darauf legen, daß die Bevölkerung draußen sieht: Sie beachten auch die Gesetze, die Sie sich selbst gegeben und selbst auferlegt haben.
Ich muß in diesem Zusammenhang doch einiges vorbringen. Ich will mich auf zwei Fälle beschränken. Es ist sicher gegenüber dem ersten Bundestag und dem ersten Bundeskabinett durch die Ermahnungen, die Sie Ihren Ministern gegeben haben, mit den Sonntagsreden etwas besser geworden. Aber dem Herrn Minister Seebohm, der ja vielleicht im Dementieren in dem jetzigen Kabinett eine noch größere Aktivität entfaltet als während der Zeit des ersten Bundestages, ist in der letzten Zeit wieder durch den Sinn gegangen, daß er einmal einiges zu der innenpolitischen Entwicklung sagen müßte. Er hat in Versammlungen ausgeführt, die Bundesrepublik bedürfe allein schon wegen ihrer erheblichen inneren Gefährdung eigener Streitkräfte. In diesem Zusammenhang hat er weiter auf den Deutschen Gewerkschaftsbund und industrielle Interessenverbände als mögliche Gefahr für die innere Stabilität der Bundesrepublik hingewiesen.
Herr Bundeskanzler, entspricht es den Richtlinien
Ihrer Politik, daß die Streitkräfte zu diesem Zweck
notwendig sind und zu diesem Zweck mit auf-
gebaut werden sollen? Sie haben bisher zu diesen Äußerungen Ihres Verkehrsministers keine Stellung genommen. Ich möchte auf die Debatte, die hier vor einigen Tagen über die Wehrfrage stattgefunden hat, nicht zurückgreifen. Wir werden ja bei der ersten Lesung des sogenannten Freiwilligengesetzes noch die Möglichkeit haben, darauf zurückzukommen. Aber diese Äußerungen des Verkehrsministers zeigen doch eine Auffassung, von der die Bevölkerung unbedingt wissen muß, ob sie nun den Richtlinien Ihrer Politik entspricht.
Der zweite Fall, den ich kurz zur Sprache bringen möchte, bezieht sich auf die Äußerungen des Herrn Familienministers in der 56. Sitzung des Bundestages am 18. November 1954. Sie, Herr Bundeskanzler, waren bei dieser Sitzung nicht zugegen. Ein Redner meiner Fraktion und auch ein Vertreter der Fraktion des GB/BHE haben damals ausdrücklich den Wunsch geäußert, Sie möchten die Angelegenheit überprüfen und dem Hause berichten. Das Überprüfen haben Sie offenbar getan; denn Sie haben im bayerischen Wahlkampf in einer Wahlversammlung einmal in einer Äußerung betont — wenn die Presse richtig berichtet hat, was ich nicht bezweifle —, daß Sie mit den Äußerungen von Herrn Wuermeling nicht ganz einverstanden seien, und Sie haben hinzugefügt, Sie würden mit ihm reden. Vielleicht haben Sie das getan, da Herr Wuermeling ja in der letzten Zeit etwas schweigsamer geworden ist. Aber, Herr Bundeskanzler, warum haben Sie denn nicht dem Wunsch, der hier aus dem Hause kam, entsprochen und sind auf die infamen Äußerungen des Familienministers in einer kurzen Erklärung eingegangen? Sie können doch nicht den Vorfall, der sich hier im Hause abgespielt hat und in dem das ganze Haus sich von dem Familienminister brüskiert und beleidigt fühlte, damit erledigen, daß Sie in einer öffentlichen Versammlung eine beiläufige Bemerkung machen.
Oder legen Sie vielleicht auch hier wieder Wert darauf, durch ein solches Verfahren Ihre Achtung oder Mißachtung des Parlaments deutlich und demonstrativ zu unterstreichen?
In den Bereich der Richtlinien der Politik gehören auch die Fragen der Personalpolitik. Es scheint mir höchste Zeit zu sein, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich hier um die Entwicklung kümmern und vor diesem Hause einmal die Richtlinien der Personalpolitik darlegen. In Art. 3 des Grundgesetzes ist bestimmt, daß keiner seiner religiösen oder politischen Einstellung wegen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Herr Bundeskanzler, wie ist es mit dieser Bestimmung der Verfassung in Einklang zu bringen, wenn aus einem Ministerium einem Bewerber mitgeteilt wird: „Ihre Bewerbung kann leider nicht berücksichtigt werden, da die für die Evangelischen vorgesehenen Ministerialratstellen in diesem Ministerium bereits besetzt sind"?
Sie mögen zu der Erkenntnis gelangt sein, daß bei der gesamten politischen Situation, wie wir sie in der Bundesrepublik haben, die Bundesregierung durch diese Verfassungsbestimmung überfordert ist. Aber, Herr Bundeskanzler, dann kann man sie doch nicht einfach beiseiteschieben, sondern dann müssen Sie diese Dinge doch hier vor dem Hause einmal zur Sprache bringen und müssen doch auch
entsprechende Änderungsvorschläge machen. Es handelt sich hier um einen Fall — auch das ist wohl bei der ganzen Beurteilung noch bemerkenswert —, der unter das Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes fällt. Entspricht nun die in diesem Schreiben zum Ausdruck gekommene Einstellung Ihrer Auffassung oder der Auffassung des Bundeskabinetts, und sind Sie, wie ich schon ausführte, der Auffassung, daß das Kabinett durch diese Bestimmung des Grundgesetzes praktisch überfordert ist? Es ist doch unerträglich, daß man durch derartige Bescheide in der Bevölkerung die Feststellung treffen muß, daß sich die Bundesregierung über Bestimmungen des Grundgesetzes einfach hinwegsetzt.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir dann, daß ich einen zweiten Fall anschneide, der beweist, wie es auf personalpolitischem Gebiet vielfach aussieht. Ich hatte vor einiger Zeit Veranlassung, mich um den Fall eines kleinen Angestellten zu kümmern. Ich möchte gleich feststellen, und ich habe das auch in einem Brief, den ich dem Personalchef der Verwaltung geschrieben habe, ganz klar und offen zum Ausdruck gebracht, daß sich dieser kleine Angestellte nicht gerade immer sehr klug und geschickt benommen hat. Er hat sicher seinen Vorgesetzten Veranlassung gegeben, sich über ihn zu ärgern. Aber es handelt sich hier um das typische Schicksal eines jungen Menschen, der nach dem Verlassen der Schule zur Wehrmacht eingezogen wurde, dann kurze Zeit in der freien Wirtschaft tätig war, bei Ausbruch des Krieges wieder eingezogen wurde und dann jahrelang Soldat sein mußte. Für einen solchen Menschen ist es natürlich schwer, sich in den Bereich einer Verwaltung einzufinden und einzufügen. Bei halbwegs guter Menschenführung wäre es meines Erachtens möglich gewesen, durch eine entsprechende Aussprache mit diesem jungen Menschen dafür zu sorgen, daß er sich langsam eingefügt hätte. Aber statt dessen, weil man sich über ihn geärgert hatte, versuchte man, ihn auf alle Fälle loszuwerden. Nun setzte innerhalb dieser Verwaltung ein Verfahren ein, das man nur noch mit einem „Fertigmachen" bezeichnen kann.
Er hat dann in einem verzweifelten Augenblick
selbst sein Entlassungsgesuch geschrieben, und
diesem Gesuch wurde natürlich sofort entsprochen.
Als ich von dem Fall Kenntnis bekam, habe ich mich mit der ,zuständigen Verwaltung in Verbindung gesetzt und habe gefragt, ob nicht eine Wiederverwendung möglich sei. Dabei wurde mir folgendes gesagt: Eine Wiederverwendung ist nicht möglich, weil sich der betreffende Angestellte geweigert hat, Anordnungen seiner Vorgesetzten durchzuführen. Nun, meine Damen und Herren, wenn das so wäre, würde jeder sagen: das ist ein berechtigter Entlassungsgrund gewesen. Ich habe daraufhin — das ist die einzige Unterredung, die ich mit dem Mann gehabt habe — diesen Mann gefragt, und er hat mir zweimal auf eindringliches Vorhalten erklärt: Das kann gar nicht in Frage kommen, und ich möchte darauf bestehen, daß diese Angelegenheit geklärt wird. Ich habe das dem Personalchef der Verwaltung mitgeteilt. Anstatt nun einmal zu klären, ob der Vorfall wirklich so gewesen ist, und mir kurz und sachlich Bericht darüber zu erstatten, schrieb er mir einen langen Brief, in dem erstens einmal die alten Vorwürfe wiederholt waren, die mir schon längst mitgeteilt
waren. Dann befand sich noch eine Anlage dabei, die auch den Personalakten beigefügt werden sollte. Ich muß schon sagen: als ich dieses Blatt gelesen habe, habe ich mich im tiefsten Innern geschämt, daß so etwas in einer Verwaltung möglich ist. All das, was man nur an Klatsch und Tratsch und Hinterhältigkeiten zusammentragen kann, war in dieses Blatt aufgenommen worden.
Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, wenn jemandem von uns ein solches Blatt in die Hand gegeben worden wäre, dann hätten wir in der einzig richtigen Weise reagiert: wir hätten den Schreiber schleunigst zur Tür hinausgeworfen und hätten ihn wahrscheinlich aus der Verwaltung hinausgeworfen. Aber das geschieht hier nicht, sondern dieses Blatt soll zu den Personalakten genommen werden. Dabei weiß der betreffende junge Mensch gar nicht einmal, was hier gegen ihn an Klatsch und Tratsch zusammengetragen worden ist und was sich nun in seinen Personalakten befindet. Wenn er sich später einmal um eine Stelle bewirbt und die Personalakten herangezogen werden, wird man natürlich sagen: eine Einstellung ist nicht möglich; und der Mensch erfährt in seinem Leben nicht, was eigentlich an Vorbehalten gegen ihn gemacht wird. Erst auf mein eindringliches Schreiben hin und auf den Hinweis, daß man doch in einer großen Verwaltung so nicht verfahren könne, hat mir der Personalchef mitgeteilt, daß auch er sich davon überzeugt habe, das Blatt könne nicht in die Personalakten hineinkommen, er habe seine Entfernung veranlaßt. Aber was wäre geschehen, wenn ich nicht zufällig diesen Fall in die Hand bekommen hätte und mich um diese Dinge hätte kümmern können!
Sehen Sie, Herr Bundeskanzler, das ist es eben, was heute in den Verwaltungen der Bundesrepublik einen, ich möchte sagen: so unglücklichen Geist erzeugt, einen Geist, der sich sicher nicht zum Vorteil der Verwaltung auswirkt. Der Personalchef hat mir dann — und auch das möchte ich in diesem Zusammenhang noch sagen — mitgeteilt, er könne sich ja schließlich bei der großen Verwaltung nicht um jeden kleinen Angestellten kümmern. Darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten, meine Damen und Herren! Gewiß kann er das nicht; aber wenn ihm mitgeteilt wird, daß hier offenbar Unrecht geschehen ist, dann hat er sich auch bei einem kleinen Angestellten um diese Angelegenheit zu kümmern!
Unrecht bleibt doch Unrecht, ob es einem Großen oder einem Kleinen geschieht. Ja, ich möchte sagen, Unrecht an einem Kleinen ist doppeltes Unrecht, weil er sich nicht so zur Wehr setzen kann, wie das bei einem Großen der Fall ist.
Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, wenn ich gerade diesen Fall etwas ausführlicher geschildert habe; aber ich glaube, es ist doch einmal nötig, an einem solchen Einzelbeispiel zu zeigen, wie es nach dieser Richtung hin heute bei uns in den Verwaltungen vielfach aussieht. Es entsteht bei einer solchen Handhabung — und es spricht sich natürlich herum — in der Bevölkerung und auch bei einem großen Teil der öffentlichen Bediensteten die große Resignation, daß es keinen Sinn mehr habe, sich gegen Unrecht zur
Wehr zu setzen; sie haben Angst, wider den Stachel zu löcken. Sie werden mit mir der Überzeugung sein, daß das zu einer verhängnisvollen Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Demokratie führen muß und daß es auch einen unglücklichen Zustand in unseren Verwaltungen selbst bedeutet. Es ist für das Verhältnis der öffentlichen Bediensteten zum Staat sicher nicht gut, wenn heute viele angesichts solcher Zustände von einem Gefühl der ohnmächtigen Wut, des Zornes und des Ingrimms erfüllt sind. Sie haben, Herr Bundeskanzler, — —
— Ja, meine Damen und Herren, ich glaube, das ist ein so ernstes Problem, daß es uns alle angeht, und wir sollten das nicht mit einer billigen Handbewegung und mit einem Lächeln einfach abtun!
Meine Damen und Herren, wenn das in einer der größten Verwaltungen der Bundesrepublik möglich gewesen ist, dann ist das, glaube ich, ein Beweis dafür, daß das ein Geist ist, der sich in einem sehr starken Maße ausgebreitet hat. Sie haben, Herr Bundeskanzler, mir gegenüber einmal die Wendung gebraucht, der Kampf gegen die Bürokratie sei hoffnungslos und den solle man eigentlich aufgeben — das war nicht hier im Parlament, es war an einer anderen Stelle —, aber ich glaube, mit einer solchen Bemerkung oder einer solchen Resignation kann man doch die Dinge nicht abtun. Sie selber wollen das ja offenbar auch nicht, denn Sie haben in Ausschußsitzungen gelegentlich über das Verhalten Ihrer Bürokratie sehr geklagt und sind sehr zornig darüber geworden, und Sie haben dann hinzugefügt, daß die notwendigen Konsequenzen gezogen werden würden. Ich habe daraufhin die Bitte geäußert, daß Sie wenigstens den Ausschuß einmal darüber unterrichten möchten, welche Konsequenzen gezogen worden seien. Einer solchen Bitte haben Sie bisher leider nicht entsprochen. Aber jetzt finden Sie sicher Zeit, sich um die Bürokratie, auch in Ihrem eigenen Amt, etwas zu kümmern, so daß wir von Ihnen Klagen über die schlechte Organisation im Bundeskanzleramt nicht mehr zu hören bekommen.
Sicher können Sie dann auch, Herr Bundeskanzler, dafür sorgen, daß die Zustellung von Briefen, die Sie an Abgeordnete richten, genau so schnell erfolgt wie die Zustellung von Briefen, die Sie an den Präsidenten des Bundesrats richten. Es entsteht doch sonst in der Öffentlichkeit der fatale Eindruck, daß Briefe an Abgeordnete, z. B. an den Vorsitzenden der Opposition, mit Absicht einige Tage zurückgehalten werden.
Sicher können Sie dann auch dafür sorgen, daß nicht mehr — wie Sie es einmal zugegeben haben — im Bundeskanzleramt Dinge ohne Ihr Wissen, ohne Ihren Willen, ja sogar gegen Ihren Willen geschehen.
Meine Damen und Herren, auf diese wenigen Bemerkungen und Feststellungen möchte ich mich hier in diesem Augenblick beschränken. Ich glaube aber, Herr Bundeskanzler, daß nach der Aufgabe von anderthalb Ministerien für Ihren Tätigkeitsdrang noch genügend zu tun übrig bleibt. Meine Darlegungen haben Ihnen hoffentlich gezeigt, daß wir Ihrem Haushaltsplan nicht nur aus politischen,
sondern auch aus sachlichen Gründen nicht zustimmen können.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wenn der Herr Bundesminister Seebohm die Bemerkung gemacht hat, die der Herr Abgeordnete Mellies soeben wiedergegeben hat, so würde eine solche Ausführung weder meinen Anschauungen noch den Richtlinien der von mir geleiteten Politik entsprechen!
— Meine Herren, auf diese Frage des Herrn Kollegen Mellies darf ich vielleicht gleich etwas sagen, wenn ich über die Personalpolitik spreche.
Den Vorfall damals hier im Parlament, der durch Ausführungen des Herrn Bundesministers Wuermeling verursacht worden ist, habe ich außerordentlich bedauert. Sie haben ja festgestellt, Herr Kollege Mellies, daß in der letzten Zeit doch eine gewisse Änderung eingetreten ist.
Aber, meine Damen und Herren, die Auffassungen des Herrn Kollegen Mellies über den Einfluß des Bundeskanzlers auf die Personalpolitik entsprechen nicht der Wirklichkeit. Die Personalpolitik könnte in dem einen oder anderen Falle zu den Richtlinien der Politik gehören; im allgemeinen tut sie das nicht. Ich möchte aber jetzt schon sagen: wenn einem Bewerber eine solche Mitteilung geworden ist, wie Herr Mellies sie eben mitgeteilt hat — die für die evangelischen Bewerber vorgesehenen Stellen seien besetzt —, so bitte ich, mir doch mitzuteilen, um welches Ministerium es sich handelt; denn das würde allerdings unter „Richtlinien der Politik" fallen, und dann könnte ich mich darum kümmern.
Im allgemeinen ist die Personalpolitik in folgender Weise geregelt. Jeder Minister nimmt die Bewerber um bestimmte Stellen vorläufig selbständig an, ohne daß ein anderer Minister und ohne daß der Bundeskanzler überhaupt etwas davon erfährt, weil eben der Minister in seinem Geschäftsbereich selbständig ist. Erst von gewissen Stellen an und nachdem ,die Probezeit erledigt ist, kommt die Frage, ob jemand angestellt werden soll oder nicht, an das Kabinett — sie kommt nicht an den Bundeskanzler —, und das Kabinett entscheidet darüber.
Ich muß auch sagen — meine Damen und Herren, ich sage das ganz offen —, daß ich manchmal über Auswahl oder Nichtauswahl von Persönlichkeiten erstaunt bin, wenn ich durch Zufall etwas davon höre.
— Ja, meine Damen und Herren, ich habe nun wirklich größere Dinge zu bearbeiten als die Personalien in den einzelnen Ministerien.
Ich bitte doch, Verständnis dafür zu haben, daß ich mich in einer Zeit wie der unsrigen, in der so große Dinge auf dem Spiele stehen und die Kraft und die Zeit des verantwortlichen Mannes, des Bundeskanzlers, schon durch diese großen Angelegenheiten über Gebühr in Anspruch genommen ist, unmöglich um diese Angelegenheiten kümmern kann.
Aber, Herr Kollege Mellies, wenn Sie irgendeine besondere Beschwerde haben und glauben, es sei besser, sie mir direkt zur Kenntnis zu bringen, so tun Sie das bitte. Ich verspreche Ihnen, daß ich den Dingen dann nachgehen werde.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Niemand wird verlangen, daß sich der Herr Bundeskanzler um die Einzelheiten der Personalpolitik kümmert. Ich habe ja auch nur nach den Richtlinien dieser Personalpolitik gefragt. Der Herr Bundeskanzler hat ausdrücklich festgestellt, daß der Fall der Einstellung eines Ministerialrats, wenn dieser Bescheid gegeben worden ist —und ich werde Gelegenheit nehmen, Ihnen das Schreiben zu unterbreiten, Herr Bundeskanzler —, nicht den Richtlinien der Personalpolitik entspricht. Ich glaube also, es ist hier doch der geeignete Ort, darüber zu sprechen.
In dem zweiten Fall, meine Damen und Herren, wollte ich einmal einen gewissen Geist aufzeigen, der heute in den Verwaltungen ist. Das muß einmal hier im Parlament zur Sprache gebracht werden, muß zur Sprache gebracht werden beim Haushalt des Bundeskanzlers.
Aber, Herr Bundeskanzler, in zwei Dingen bin ich gar nicht von Ihrer Antwort befriedigt. Ich habe Sie eben schon durch einen Zwischenruf gefragt: Ist Ihnen denn seinerzeit nicht migeteilt worden, daß Herr Seebohm solche Äußerungen gemacht hat? Das hat in allen Zeitungen gestanden. Sie können das natürlich nicht im einzelnen lesen. Dann muß man aber doch auch hier wieder feststellen: es ist doch etwas bei Ihnen im Bundeskanzleramt nicht in Ordnung, wenn solche Dinge nicht zu Ihnen gelangen!
Bei der zweiten Frage, die sich auf Herrn Wuermeling bezog, handelt es sich doch einfach darum, daß Sie auch den notwendigen Respekt hier dem Hause bezeigen sollen, indem Sie auch vor diesem Hause von den Dingen abrücken, die sich in der betreffenden Sitzung des Bundestages zugetragen haben.
Nun haben Sie mir gesagt, ich möchte Ihnen das freundlichst mitteilen, und Sie würden den Dingen nachgehen. Ja, Herr Bundeskanzler, da bin ich eben in letzter Zeit auch etwas sehr zweifelhaft geworden. Ich habe Ihnen unter dem 29. April 1955 einen Brief geschrieben, in dem ich um eine Unterredung bat, und diese Unterredung sollte mit noch einem anderen Freunde meiner Fraktion und auch
mit einem Minister des Kabinetts stattfinden. Das war vorher mit dem Minister des Kabinetts besprochen worden. Auf diesen Brief — und Sie werden wissen, daß es sich um eine außerordentlich wichtige gesamtpolitische Frage handelte — habe ich dann am 9. Mai 1955 von Ihrem Herrn Staatssekretär folgende Mitteilung bekommen:
Der Herr Bundeskanzler hat mich beauftragt,
Ihnen mitzuteilen, daß es ihm vor seiner Abreise nach Paris leider nicht möglich war, die
in Ihrem Schreiben vom 29. 4. 55 bezeichneten
Herren zu empfangen. Er wird nach seiner
Rückkehr nach Bohn auf die Angelegenheit
zurückkommen.
Datiert vom 9. Mai 1955. — Herr Bundeskanzler, ich warte heute noch darauf. Ich mache Ihnen persönlich nicht den Vorwurf, daß Sie das vergessen haben; Sie können das selbstverständlich im einzelnen nicht behalten. Aber was geschieht eigentlich in Ihrem Bundeskanzleramt, daß Ihnen so etwas nicht wieder vorgelegt wird und Sie darauf
aufmerksam gemacht werden? Sie haben als Regierungschef diese Zusage gegeben; das muß innegehalten werden.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren, die Angelegenheit, derentwegen Herr Mellies mich sprechen wollte, ist in der Zwischenzeit schon erledigt worden.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Mellies!
Herr Bundeskanzler, sind Sie der Auffassung, daß Sie, selbst wenn eine solche Angelegenheit erledigt ist, es nicht mit einigen Worten einem Abgeordneten des Parlaments mitteilen müssen?
Weitere Wortmeldungen zu Tit. 101 liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung über diesen Titel.
Umdruck 399*), ein Antrag der Fraktion der SPD, liegt Ihnen vor. Das Wort zur Begründung dieses Antrags hat der Herr Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Umdruck 399 der sozialdemokratischen Fraktion zu begründen. Damit ist es meine Aufgabe, mit der im Rahmen einer zweiten Lesung gebotenen Kürze zu dem Informationsapparat zu sprechen, den sich der Herr Bundeskanzler aufgebaut hat und den er von Jahr zu Jahr zu vergrößern bestrebt ist. Er umfaßt in diesem Jahr in unserem Haushalt ein finanzielles Volumen von etwa 30 Millionen DM.
*) Siehe Anlage 8 der 87. Sitzung.
Ich möchte nur so weit zu diesem Informationsapparat sprechen, als er seinen Niederschlag im Haushalt 04 findet. Ich möchte nicht zu all den Kapiteln sprechen, die auch zu diesem Informationsapparat gehören und die wahrscheinlich erst durch jenen Beschluß dieses Hauses möglich geworden sind, den ich für einen der beschämendsten Beschlüsse halte, daß man nämlich Parteifinanzierungen durch Steuerabschreibungen durchführen kann.
Das ist ein besonderes Kapitel und gehört nicht unmittelbar in die Haushaltsberatung. Aber in diesen Bereich gehört zunächst der Tit. 300 im Haushaltsplan 04, der die Überschrift „Förderung des Informationswesens" trägt. Wir sind der Auffassung, daß dieser Titel wohl ein klein wenig die Tatsachen verniedlicht und vielleicht sogar ein irreführender Titel ist. Unsere Befürchtung ist, daß es sich hier mehr um Lenkung als um Förderung und mehr um Propaganda als um Information handelt.
Auch wir bestreiten nicht, daß in diesem Titel Förderung des Informationswesens ein sachlich berechtigter Kern liegt. Selbstverständlich muß jeder Regierungschef über einen bestimmten Fonds verfügen, der Aufgaben zu speisen hat, die nun einmal mit dieser Funktion unlöslich verbunden sind. Ein gewisser Dispositionsfonds gehört also zur Funktion eines jeden Regierungschefs. Es gehört insbesondere in Deutschland in diesen Aufgabenbereich, daß wir der Welt, dem Ausland gegenüber, das verzerrte Deutschlandbild wieder in Ordnung bringen, jenes Bild einer verzerrten Auffassung von Deutschland, das durch jene verschuldet ist, die jahrelang im Namen Deutschlands einem eklen System diplomatische und journalistische Hilfsdienste geleistet haben und die heute allzuoft mit biedermännischem Augenaufschlag kommen und sich wieder für berufen halten, an der Korrektur dieses Deutschlandbildes mitzuwirken.
Wo bestimmte Auswüchse vorgekommen sind, sind wir sehr dankbar, wenn die Regierung direkt eingegriffen hat. Ich möchte hier nicht versäumen, dankbar anzuerkennen, daß das Bundeskanzleramt durch eine erfreulich prompte Entlassung vorgegangen ist, als ein Chefredakteur des Bundespresse- und Informationsamtes den Rest seiner nazistischen Gesinnung nicht tief genug in seinem Busen verbergen konnte.
Die Korrektur des Deutschlandbildes draußen in der Welt — und die Vergrößerung dieses Fonds ist ja immer wieder mit diesem Motiv begründet worden — soll durch die Selbstdarstellung eines neuen Deutschlands erreicht werden. Aber das ist doch, glaube ich, ein gemeinsames Anliegen des ganzen Hauses, ein Anliegen der Regierung wie des Parlaments, der Koalition und Opposition. Deshalb verstehen wir nicht recht, warum es nicht eine Mitwirkung des Parlaments bei der Kontrolle dieses Informationsfonds geben sollte.
Unser Antrag, den ich zu begründen die Ehre habe, verlangt deshalb in Ziffer 2, der Zweckbestimmung dieses Titels folgende Fassung zu geben:
Die Mittel sind übertragbar.
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Betrages unterliegt der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages aus drei Mitgliedern des Bundestages
zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Nicht der ganze Haushaltsausschuß sollte eingeschaltet werden, auch nicht der Rechnungsprüfungsausschuß, sondern ein kleiner Kreis von drei vertrauenswürdigen Mitgliedern dieses Hauses. Es wäre vielleicht keine unbillige Erwartung, daß auch die Opposition durch einen Abgeordneten in diesem Dreierausschuß vertreten ist. Der Herr Bundeskanzler hat einmal in einer seiner Natur offenbar widersprechenden Anwandlung selbst die Meinung geäußert, daß man einen kleinen Ausschuß bilden solle, den er in vollem Umfange über die Geheimnisse seiner Außenpolitik zu informieren bereit wäre. Nun, wenn das schon möglich ist, müßte es meines Erachtens genau so möglich sein, einen kleinen Ausschuß auch in die Geheimnisse seiner Informationspolitik in vollem Umfange einzuweihen.
Mit dem Hinweis, daß der Präsident des Bundesrechnungshofes als eine mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattete Persönlichkeit die Prüfung vorzunehmen habe, ist, bei allem gebotenen Respekt, doch nur die formale Prüfung der Ausgaben gemeint. Uns geht es aber auch um die Sicherung der Voraussetzung, die es uns erlaubt, politisches Vertrauen zur Ausgabepraxis in diesem Fonds zu haben. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit dieses Hauses, dies ablehnen, zwingen Sie uns einfach den Verdacht auf, daß in diesem 11 1/4-MillionenEtat doch wohl mehr politisches Reptilienfutter vorhanden ist, als man eingestehen möchte.
In flottem Tempo ist dieser Fonds zur Förderung des Informationswesens hinaufgeklettert: 4 1/2 Millionen, 5 1/2 Millionen, im Vorjahre wurden es 10 Millionen und in diesem Jahre 11 1/4 Millionen DM. Wir verkennen nicht, daß der Herr Bundeskanzler mit diesen ihm zur Verfügung gestellten Mitteln sparsam gewirtschaftet hat.
— Aber lassen Sie mich hinzufügen, es heißt in der Zweckbestimmung: „Die Mittel sind übertragbar". Was in dem einen Jahr eingespart wird, geht also automatisch auf das nächste Jahr über. Das erlaubt auch die Frage: Wenn das so weiter geht, wieviel Millionen werden bis zum Wahljahr 1957 in diesem Fonds zusammengeflossen sein?
Wir halten es deshalb für geboten — und dies verlangen wir unter Ziffer 1 unseres Antrages —, noch dazu angesichts der so oft betonten angespannten Haushaltslage, diesen Fonds um 5 1/4 Millionen auf 6 Millionen DM zu kürzen. Ich sage, der Herr Bundeskanzler hat gemessen an der Großzügigkeit der Mehrheit dieses Hauses bescheiden hausgehalten. Aber wir gehen auf die Mitte der Legislaturperiode zu, die Vorboten der kommenden Bundestagswahlen zeigen sich, und da sind Subsidien- und Reptilienfonds nun einmal Verlockungen. Wir halten den Herrn Bundeskanzler für nicht ganz frei von der inneren Disposition zur Sünde
und wir möchten hier durch die Formulierung dieses Titels eine Bremse vorlegen.
Vielleicht nicht ohne inneren Zusammenhang mit dem Anwachsen dieser Dispositionsmittel haben wir in den letzten Jahren auch ein Ansteigen all jener in ihren finanziellen Hintergründen sehr obskuren Gesellschaften erlebt, als da sind die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise, der Bund aktiver Demokraten, Politischer Arbeitskreis Berlin, Arbeitsgemeinschaft für Wiedervereinigung. Herr Lenz ist eben ein sehr kinderreicher Mann.
Wir erleben seit einem Jahr etwa, daß die Plakataktionen der Bundesregierung in zunehmendem Maße von solchen Tarnorganisationen durchgeführt werden.
Wir haben im Zusammenhang mit der Paulskirchenbewegung noch sehr wohl jenes Schumacher-Plakat mit der verfälschenden Zitatverstümmelung in Erinnerung, die dort der Öffentlichkeit dargeboten wurde. Experten haben festgestellt, daß dieses Plakat an Druck- und Plakatierungsgebühren etwa 300 000 DM gekostet haben muß.
Wir haben dann später einen Mehrfarben-Offsetdruck von 16 Seiten in einer Auflage von etwa 1 Million unter dem Titel „Der Scheibenwischer" erlebt, Publikationen, die samt und sonders einen parteipolitischen Charakter tragen. Wenn ich Herrn Lenz fragte, ob er bereit ist, die finanziellen Hintergründe all dieser Publikationen hier darzulegen, ich bin ganz sicher, daß er uns hier in einer sehr frühlingswidrigen Stille und Verschwiegenheit, der Verschwiegenheit einer Polarnacht, stumm entgegenstehen und nichts über diese Sachen sagen würde.
Wir können von Ihnen nicht die Auflösung all dieser Hilfsinstrumente fordern. Das steht uns nicht zu, das ist nicht Sache dieses Hauses. Aber wir verlangen und müssen verlangen, daß, wenn Etatsmittel, wenn Mittel des Bundes in diesen Organisationen wirksam werden, diese Zahlungen eingestellt und die Mittel meinetwegen an die Bundeszentrale für Heimatdienst überwiesen werden, wo wir wenigstens einigermaßen die Voraussetzungen der Kontrolle haben und glauben dürfen, daß die Mittel einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden.
In dem Vermerk zu Tit. 300 heißt es: „Der Ansatz schließt auch die Public-Relations-Arbeit im In- und Ausland sowie die Förderung von Film, Bild und Publikationen verschiedener Art ein". Ich habe hierzu eine Frage an den Herrn Bundeskanzler. Es ist uns mitgeteilt worden, daß die Absicht besteht, im nächsten Jahr anläßlich des Geburtstages des Herrn Bundeskanzlers einen Bundeskanzlerfilm herauszubringen. Es würde uns sehr interessieren, ob dieser Film auch aus diesen uns hier zur Beschlußfassung vorgelegten Mitteln finanziert werden soll.
Lassen Sie mich noch einer Sorge Ausdruck geben. In dieser Verwirrung von parteipolitischen Propagandainstrumenten und staatlichen Einrichtungen kommt immer mehr eine gefährliche Tendenz an die Oberfläche, die letzten Endes darauf
hinausläuft, den Staat zur Beute einer Partei zu machen. Das wäre eine ungeheuer gefährliche Tendenz.
— Meine Damen und Herren, rufen Sie nicht Oho! Bei dem, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, mit jenen beschämenden Bildern bei den. Regierungsbildungen, kann man doch bereits nicht mehr von Kuhhandel sprechen; das hieße doch diese sehr ehrenwerten Tiere nahezu beleidigen.
Wenn ich mir alle die Ereignisse vor Augen halte, die bei diesen Regierungsbildungen sichtbar geworden sind, mit dem Überbieten an Ministern., so werde ich dabei, besonders mit Rücksicht auf das, was wir gerade jetzt in Niedersachsen erlebt haben, an ein Wort erinnert
— rufen Sie bitte deutlicher, dann kann man es vielleicht verstehen — —
- Lassen Sie sich informieren! Vielleicht können Sie in aller Form hier bestreiten, daß man die Absicht hat, die Summe der Staatssekretäre in dieser neuen Regierung in Niedersachsen um eine größere Anzahl zu vergrößern und daß man bereits das elfte Ministerium an den Horizont malt. Alles das erinnert mich an jenes Wort, dis ein konservativer englischer Ministerpräsident einmal gesprochen hat, als man ihn fragte: Wie sieht es jetzt nach der Wahl in Ihrer Partei aus? Darauf antwortete er: Bei uns herrscht die Stimmung eines Zoologischen Gartens bei der Fütterung der Raubtiere.
Meine Damen und Herren, es ist doch nun einmal so, daß sich bei all diesen Regierungsbildungen zeigt, wie sehr der Staat zum Instrument einer Partei gemacht werden soll.
Nun noch ein Wort zum Presse- und Informationsamt. — Die allgemeine Unruhe nutzt nichts; Sie müssen dann schon artikulierte Zwischenrufe machen. Zum Presse- und Informationsamt, einem anderen Instrument der Informationspolitik, — —Präsident D. Dr. Gerstenmaler: Einen Augen, blick, Herr Abgeordneter. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gern.
Herr Kollege, darf ich eine Frage stellen: Es würde mich sehr interessieren, wieviel Minister die SPD in Niedersachsen den übrigen Fraktionen angeboten hat und wieviel Staatssekretäre sie nötig gehabt hätte, wenn sie die Regierung gebildet hätte.
Daß wir in der inflationistischen Bereitschaft, der Gefräßigkeit der Gesprächspartner das notwendige Futter hinzustreuen, unterlegen sind, dürfte ja auch Ihnen bekannt sein.
Meine Damen und Herren! Es wächst wiederum — ich wollte zum Presse- und Informationsamt als besonderer Institution sprechen — ein neues Provisorium aus Beton und Stahl aus dem Bonner Boden — 5 Millionen DM kostet es —, das Bundespresse- und Informationsamt. Man hat uns gesagt, daß sogar der Herr Bundeskanzler gegrollt haben soll, weil das Gebäude ihm den Ausblick auf den Drachenfels zu verbauen im Begriffe sei.
Nun, wir befürchten mehr, daß an Stelle dieser mythischen Drachenhöhle, auf die der Ausblick verbaut wird, eine neue Drachenburg gebaut werden könnte. Und hoffentlich wird es da nicht zu einer Ansammlung zahlreicher Reptilien kommen, die von dort aus betreut werden. Denn mir scheint dieses Gehäuse sehr geeignet zu sein, in einer günstigen Stunde einmal alles das zu umschließen, was Herr Lenz damals mit seinem Informationsministerium angestrebt hatte und was zunächst einmal als Folge der verdienstvollen Aktion der Bundespressekonferenz, der in- und ausländischen Presse, gescheitert ist. Aber ich bin ganz sicher, daß dieses Projekt noch nicht endgültig zu Grabe getragen ist.
Ich will nicht grundsätzlich gegen die Notwendigkeit eines solchen Neubaus sprechen. Ohne jeden Zweifel war das Bundespresse- und Informationsamt sehr unbefriedigend untergebracht. Nicht nur aus Gründen der Symbolik glaube ich, daß die Betreuung der Journalisten in einer Kaserne schlecht placiert ist. Auch technisch waren die dortigen Unterkunftsverhältnisse außerordentlich unzureichend. Man hat beispielsweise für die rundfunktechnische Aufnahme von den „Bleikammern von Bonn" gesprochen. Ein großer Teil der Angestellten, der sich mit diesen Dingen zu beschäftigen hat, ist absolut unzulänglich untergebracht. Aber ich glaube, weniger hätte auch in diesem Falle genug sein können. Der Haushaltsausschuß hat einstimmig die Anforderungen des Bundespresse- und Informationsamts als übertrieben bezeichnet.
Diese Entscheidung des Haushaltsausschusses hat nun wieder den Zorn des Herrn Forschbach wachgerufen, der jetzt als sechster Bundespressechef des ersten Bundeskanzlers Dienst tut. Er hat seinen Zorn insbesondere auf das Haupt der Sozialdemokraten gelenkt. In einigen, wie ich annehme, nicht ganz uninspirierten Artikeln wird davon gesprochen, daß die Publikationen des Bundespresse- und Informationsamtes, als da sind die Kommentare, die Übersicht über die Rundfunksendungen und all dies, besonders auch an die Opposition geliefert worden seien. In einem Artikel heißt es: „. . . und auch die Opposition", in einem anderen: ,,. . . vor allem auch die Opposition" und „doch auch die Opposition". Eine Zeitung schreibt, über 70 % der Volltextanforderungen zwischen dem 1. und 21. März seien — und dann kommt ein Gedankenstrich — von der SPD angefordert worden. Erstens einmal, möchte ich sagen, ist das doch kein Grund zu besonderem Erstaunen. Denn das Bundespresse- und Informationsamt hat, soweit es das Parlament beliefert, schließlich nicht die Aufgabe, eine Koalitionsmonopoleinrichtung zu sein.
Zweitens sollte man sich doch freuen, wenn man das Produkt seiner Arbeitsleistung auch genutzt sieht, selbst wenn dies in einem besonderen Umfang die Opposition tut.
Der Rundfunkabhördienst und Auslandsdienst ist eine gute und respektable Leistung des Bundespresse- und Informationsamtes, für die man dankbar sein kann. Keine respektable Leistung war allerdings jener Brief, den Herr Forschbach dann in Zirkulation setzte und zu dem mein Freund Schoettle im Rahmen der Haushaltsdebatte noch besonders Stellung nehmen wird, weil dieses Kapitel ihn als den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses in einem besonderen Maße angeht. Als ich diesen Brief bekam, in dem Herr Forschbach mitteilte, daß er künftig diese Publikationen nicht mehr zusenden könne, daß man sie sich äußerstenfalls noch bei ihm abholen könne, habe ich zunächst gedacht, daß ich mir als stellvertretender Vorsitzender des Presseausschusses diese besondere Aufmerksamkeit Herrn Forschbachs verdient habe. Ich habe mein Gewissen durchforscht. Ich war mir nichts Bösen bewußt. Ich habe dann festgestellt, daß auch andere Kollegen meiner Fraktion einen solchen Brief bekommen haben. Nun, hier ist die gebotene Grenze entschieden überschritten.
Es ist eine grobe Ungehörigkeit eines Beamten dem Parlament gegenüber, gegen den wohlerwogenen Beschluß eines Parlamentsausschusses den administrativen Kleinkrieg zu eröffnen. Aber dazu wird mein Freund Schoettle noch einiges Deutliches sagen. Auch das Bundespresse- und Informationsamt hat der Regierung und dem Parlament, der Koalition und der Opposition, im Rahmen des Möglichen zu dienen.
Wenn Herr Forschbach bei den inneren Arbeitseinsparungen, die ihm durch den Haushaltsausschuß auferlegt waren, nicht in der Lage ist, so viel einzusparen, daß er den Abgeordneten noch die Drucksachen zusenden kann, die ja als eine Kollektivsendung an dieses Haus kommen — die Verteilung an die einzelnen Abgeordneten geschieht hier —, wenn er nicht einmal einen Boten erübrigen kann, der diese Drucksachen vom Presse- und Informationsamt in dieses Haus bringt, sind wir in der Lage, ihm einige Hinweise zu geben. Ich könnte nur am Rande sagen, beim Abhördienst ließe sich der kasakstanische Alma-Ata-Sender und der sudanesische Omdurman-Sender bestimmt einsparen, auf den in einigen Artikeln als besondere Glanzleistung des Bundespresse- und Informationsamtes hingewiesen wurde.
Wenn das aber nicht reicht, dann soll man im Bundespresse- und Informationsamt jede Art von Parteipropaganda unterlassen.
Die Publikation von Telegrammen und Briefen an den Herrn Bundeskanzler, die Elogen für seine Politik und Zustimmung zu seiner Politik enthalten, ist Sache der zuständigen Dienststellen der CDU.
Auch die Parteitelegramme der CDU, z. B. das Parteitelegramm der CDU von Baden-Württemberg, das in den offiziellen Publikationen mitgeteilt worden ist, gehören nicht in die Publikationen des Bundespresse- und Informationsamtes. Sonst müssen wir das Bundespresseamt bitten, künftig auch die Mißbilligungsdokumente der Sozialdemokratischen Partei in all den Zuschriften der Landesorganisationen unserer Partei an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers mitzuteilen.
Vielleicht wäre das nicht ganz ohne Nutzen. Aber ich glaube, diese Dinge gehören in die zuständigen Dienststellen der einzelnen Parteien, der Regierungsparteien sowie der Opposition, und nicht in die Publikationen eines Bundespresse- und Informationsamtes.
Wir Sozialdemokraten haben am Neubau des Bundespresse- und Informationsamtes auch noch eine andere Kritik geübt. Wir sind der Meinung, daß der vorgesehene Aufwand in diesem Umfang gewiß nicht notwendig gewesen wäre. Es heißt, im Sitzungssaal sollen Beleuchtungskörper zum Preise von etwa 4000 DM, 200 Stühle à 100 DM angebracht bzw. aufgestellt werden Ich glaube, wenn wir überall der Repräsentationssucht unserer Zeit — ich sage das nicht an eine Seite, ich sage das allgemein an die deutsche Öffentlichkeit — etwas schärfere Zügel anlegten, könnte dies nur von Nutzen sein.
Wir glauben auch nicht, daß der Aufwand in diesem speziellen Fall besonders notwendig ist. Die Wirkung kostspieliger Beleuchtungskörper und der Komfort behaglicher Sitzflächen wird, glaube ich, nicht die Skepsis beheben können, die viele Journalisten empfinden, wenn sie vom Bundespresse- und Informationsamt reden; sie meinen, etwas weniger äußerer Aufwand, wie er beabsichtigt ist, dafür aber etwas mehr echte Informationsbereitschaft könnten nur von Nutzen sein.
Hier stellt sich noch einmal die Frage nach der Funktion dieses Amtes. Soll es nur Hilfsinstrument der Regierung zur publizistischen Meinungslenkung sein, oder soll es ein Instrument sein zur möglichst vollständigen und möglichst objektiven Information der Öffentlichkeit? Wir sind der Meinung, das Amt sollte das letztere tun.
Herr von Eckardt, dessen Ausscheiden nun zur Vervollständigung des ersten halben Dutzend an Pressechefs geführt hat, war dem Typus nach ein Journalist, und er verstand es, seiner Tätigkeit eine, ich möchte sagen, gewinnende Atmosphäre zu geben, wenn er damit auch dem Amte selbst nicht immer den notwendigen Inhalt gegeben hat. Mit Herrn Forschbach tritt nun ein Verwaltungsbeamter — vorläufig oder endgültig - an die Spitze dieses Amtes, und wir befürchten, daß er mit erprobter Befähigung sich und sein Amt in den Dienst seines Chefs stellen und das Amt allzusehr als eine Informations- und Meinungslenkungsinstitution der Regierung empfinden wird. Das wird weder den Aufgaben eines solchen Amtes dienen — wenn man es nicht als den Beginn eines Propagandaministeriums empfindet —, noch wird es den Journalisten und der Information der Öffentlichkeit dienen.
Sie alle haben Gelegenheit gehabt, die Bedenken des Bundesrechnungshofs in der Drucksache 1140 zu lesen. Diese Bedenken sollten hier auch diejenigen nachdenklich stimmen, die unsere Einwendungen gern als Einwendungen der Opposition mit einer Handbewegung abtun möchten. Der Bundesrechnungshof hat in dieser Drucksache deutlich darauf hingewiesen, daß man das Bundespresse- und Informationsamt nicht ins Bundeskanzleramt eingliedern sollte. In diesem sehr nachlesenswerten Bericht des Bundesrechnungshofs steht der Hinweis auf die Gefahr der mißbräuchlichen Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dort wird gesagt, daß das Bundespresse- und In-
formationsamt deutlich und sorgsam die Grenze zwischen staatspolitischer und parteipolitischer Aufklärung beachten sollte.
Zum Schluß heißt es, die Parteipolitik zu vertreten, sei Sache der Parteien.
Wir glauben — lassen Sie mich das abschließend sagen —, daß erst dann, wenn die vom Bundesrechnungshof dort aufgestellten Prinzipien in vollem Umfange gewahrt werden und wenn dazu das Bundespresse- und Informationsamt zu einem kleineren Apparat wird und wenn es in der Führung des Amtes persönlich und sachlich mit einem Höchstmaß an Unabhängigkeit geleitet wird, sich die Hoffnungen erfüllen können, die in dem Trinkspruch anläßlich des Richtfestes zum Informationsgebäude ausgesprochen worden sind: daß hier allein „der Wahrheit und dem rechten Wort" gedient werden soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Prinz zu Löwenstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus und die deutsche Öffentlichkeit haben Anspruch darauf, daß das Thema Bundespresse- und Informationsamt immer wieder gründlich durchdiskutiert wird. Im vergangenen Jahre habe ich dazu das Wort ergriffen — als ganz freier Demokrat —,
und der Herr Kollege Kühn hat es aufgegriffen, indem er darauf den Begriff prägte: GFDP. Ich möchte auch im Geiste dieser „ganz freien demokratischen Partei" als ganz freier Demokrat sprechen. Ich nehme an, daß das die größte Fraktion ist; wer in diesem Hause möchte nämlich nicht ein ganz freier Demokrat sein!
Ich bin der Meinung, daß es sich hier wirklich um ein überparteiliches Anliegen handelt.
Da ist zuerst Tit. 710 mit 950 000 DM Restbetrag zum Neubau eines Dienstgebäudes. Kollege Kühn hat einiges bereits darüber gesagt. Aber ich bin der Meinung, man solle nicht über verschüttete Milch und über ausgeschüttete Millionen klagen. Wer A sagt, der muß auch B sagen. Das A hat in diesem Falle den Wert von 4,1 Millionen, A und B sind zusammen 5 050 000 DM — ein hübscher Bau und eine hübsche Summe.
Vergleichen wir damit einige andere Dinge hier in Bonn, z. B. die Baracken für die ausländische und die deutsche Presse. Vergleichen wir damit auch, was uns Abgeordneten immer noch zugemutet wird. Als im vergangenen Jahr unser Kollege Professor Reif 2 Millionen beantragte, damit anständige und für die Arbeit geeignete Büros für die Abgeordneten geschaffen werden könnten, ist das sofort abgelehnt worden mit dem Hinweis: Provisorium.
— Von der Majorität des Hauses. Hier sitzt sie.
Meine Damen und Herren, wir sind alle der Meinung, daß es sich hier um ein Provisorium handelt, nämlich, soweit Bonn in Betracht kommt. Wir alle sind der Meinung, daß unsere hochverehrte Frau Kollegin Dr. Lüders recht gehabt hat, als sie bei Eröffnung des Bundestages sagte: „Wir sind hier in Bonn nur, solange wir nicht in Berlin sein können." Ich habe jedes Verständnis dafür, daß man darauf hinweist, für ein Provisorium sollte man nicht zusätzliche Millionen ausgeben. Aber dann sollte das auch überall gelten. Denn dieses Gebäude, das jetzt da entsteht, scheint mir nicht sehr provisorisch aufgeführt zu sein.
Wir sind in neuen Gründerjahren angelangt. Da gibt es ein schönes Wort von Ricarda Huch über die ersten Gründerjahre; sie sagte: So wie die Denkmäler immer größer wurden, mußten die öffentlichen Plätze auch größer werden; und dann waren sie wieder zu klein für die Denkmäler, und diese mußten wieder wachsen. So führen wir in den neuen Gründerjahren immer neue Gebäude auf, und dann sind sie so groß, daß man neue Beamtenscharen dafür braucht; dann braucht man wieder größere Gebäude, und so ad infinitum.
Höchst dankenswerterweise hat der Haushaltsausschuß den Regierungsentwurf in dieser Beziehung etwas reduziert. Während das Bundespresse-und Informationsamt im letzten Haushalt mit 31 Beamten auskam, wurden diesesmal 38 angefordert. Vom 18. Ausschuß wurden sie auf 33 heruntergesetzt. Auch das finde ich noch reichlich: 9 Oberregierungsräte, 4 Regierungsräte, 1 Ministerialbürodirektor usw. 1954 kam man mit 313 Angestellten aus; jetzt sind es 345. Früher waren es 33 Arbeiter; jetzt sind es 49. Wirklich, wenn man diese Zahlen zusammenzählt, das sind bereits mehrere Propagandakompanien.
Nach dem Entwurf sollte eine Erhöhung von 16 121 000 auf 19 755 000 DM stattfinden, wobei der größte Einzelposten jener berühmte Tit. 300 ist, insgesamt 11 250 000 DM. Allerdings, 1 250 000 DM sind dabei nur einmal angefordert. Auch Tit. 302 für Veröffentlichungen der Bundesregierung ist von 800 000 DM auf 1 Million erhöht worden. Darunter fällt das Bulletin. Ich komme darauf noch zurück.
Zuerst Tit. 300. Selbst in unserer milliardenfreudigen Zeit ist das eine ganz ansehnliche Zahl; man kann damit eine ganz erhebliche Steuerung der Presse und der öffentlichen Meinung herbeiführen. Was mich aber besonders interessiert, ist die Fußnote zu diesem Titel, wonach der Ansatz auch die Public-relations-Arbeit im In- und Ausland einschließt. Public relations, das ist ein weites, ein wichtiges Gebiet, das nicht mit Propaganda verwechselt werden darf. Public relations, das ist konstruktive Werbung für den Staat, durch gute politische Manieren, durch taktvolles Handeln, die Staatspersönlichkeit entsprechend zur Geltung zu bringen. Vielleicht könnte man also einige Mittel aus dem Tit. 300 auch dafür verwenden, ein pädagogisches Programm für gute politische Manieren aufzustellen.
Nun gibt es einige betrübliche Beispiele gerade aus der letzten Zeit für schlechte public relations. Ich weise auf den Fall der Villa Massimo in Rom hin, einer Stiftung der Familie Arnold, die für deutsche Künstler bestimmt ist und seit 1910 Sitz
der Deutschen Akademie in Rom gewesen ist. Als ich Ostern in Rom war, habe ich mich sehr eingehend mit jenen Plänen befaßt, die ausgesprochen schlechte public relations verraten, nämlich die Villa Massimo in zweckentfremdender Weise zum Sitz der deutschen Botschaft zu machen. Herr Kollege Arndt hat in der Fragestunde vom 4. Mai dieses Jahres diese wichtige Angelegenheit dem Hohen Hause vorgetragen, aber leider eine ganz unbefriedigende Antwort erhalten.
Wenn man dazu erfährt, daß von offiziellster Seite in Rom in Gegenwart von italienischen und deutschen Journalisten über die Künstler als „reichlich prätentiöse Herrchen" und „Pinselpfuscher" gesprochen wird,
dann muß man sich doch fragen, wie es mit den public relations bestellt ist.
Man muß noch dazu bedenken, daß die Beziehungen zwischen Deutschland und Italien in der neuen Zeit immerhin mit solchen „Kunstfritzen" begonnen haben wie einem gewissen Winckelmann, einem Goethe und ähnlichen. Es wurde auch gesagt, es seien keine Mittel für die Unterhaltung der Villa Massimo da. Welch legitime Verwendung für Mittel aus Tit. 300! Public relations, wie sie sein sollten!
Public relations in Amerika, diesem für uns so entscheidend wichtigen Land! Da ist uns Frankreich bei weitem über. Wenig ist in Amerika vom deutschen Standpunkt etwa in der Saarfrage, und sehr wenig ist über den deutschen Osten bekannt. Auch über die innerste europäische Notwendigkeit, die in der Wiedervereinigung beschlossen liegt, ist nicht genügend bekannt; denn das Politische genügt nicht. Es kommt darauf an, der Welt darzustellen, daß es sich bei einem deutschen Interesse, einem deutschen Recht um ein allgemeines Interesse handelt, um eine Angelegenheit, an der alle freien Nationen zutiefst beteiligt sind. Durch Reisebüro-public-relations kann man das nicht ersetzen. Ich konnte selber feststellen, daß es nur Deutschland und die deutsche Volksgruppe sind, die drüben noch kein eigenes Rundfunk- und Fernsehprogramm haben. Ich bin überdies der Meinung, daß man public relations mit diesem Fonds durch Einladungen an Schüler und Studenten aus der ganzen Welt in viel größerem Umfange als bisher ausbauen könnte.
Ich würde auch sagen, daß es die Aufgabe dieses Public-relations-Fonds ist, für die Richtigstellung zahlreicher Geschichtslegenden zu sorgen, z. B. die Geschichtslegende, daß wir in Deutschland in unserer Geschichte niemals Demokratie gehabt hätten. Sehr vieles müßte gesagt werden über die Wiedergutmachung, was natürlich zur Voraussetzung hat, daß das Problem der Wiedergutmachung auch befriedigend gelöst wird.
Das Bulletin wäre hierfür auch recht geeignet. Da sind, wie gesagt, 200 000 DM zusätzlich angefordert worden. Eine Fußnote zu Tit. 302 sagt, daß diese Erhöhung auch durch Hinzutreten einer arabischen Ausgabe bedingt ist.
— Ich gestehe, Herr Kollege, daß meine Kenntnis des Arabischen sehr beschränkt ist. Sie ist nicht größer als die jedes gebildeten Deutschen, der in seiner Jugend Karl May gelesen hat.
Aber die Fachleute versichern mir, daß es mindestens fünf arabische Sprachen und Spracharten gibt, und es wird gesagt, daß man sich so schwer untereinander verständigen könne wie etwa deutsche Parteipolitiker, die verschiedenen Parteien angehören.
Welches Arabisch es also ist, wage ich nicht zu entscheiden, aber ich stelle die Frage, ob wir im nächsten Jahre weitere 100 000 DM dafür aufbringen müssen, weil die übrigen arabischen Gruppen nunmehr auch mit dem Bulletin beglückt werden sollen. Darüber muß man doch Auskunft bekommen können. Ich bin allerdings ein wenig skeptisch geworden, was die Fachleute anlangt, wenn ich mir so die fehlerhaften Übersetzungen selbst aus schlichten französischen und englischen Texten vorstelle.
Ich bin der Meinung — wir haben das letztes Jahr schon einmal in aller Deutlichkeit hier von allen Fraktionen ausgesprochen —, daß das Bulletin nicht zu einem in der Verfassung nicht vorgesehenen Mittel der authentischen Interpretation dieser Verfassung werden darf.
Das Bulletin ist nicht dazu da, die Verfassung auszulegen, sozusagen mit letzter Autorität.
Bedenklich finde ich es auch, wenn, wie es unlängst geschah, das Bulletin eine Landkarte verbreitet, auf der das Saargebiet mit dem dem deutschen Rechte nicht entsprechenden Namen „Saarland" verzeichnet ist.
Noch ein Wort über public relations im Inland. Es kommt dabei darauf an, die Staatspersönlichkeit der einen und unteilbaren demokratischen Nation zur Geltung zu bringen. Viele von uns waren jetzt gerade in Berlin, und wir wissen — gerade wir, die wir es miterlebt haben —, daß die Weimarer Republik auch deshalb untergegangen ist, weil ihre Symbole ohne public relations blieben. Nach dem, was wir jetzt in Berlin erfahren haben, ließe sich auf diesem Gebiet allerlei für public relations und für die Staatssymbole tun. Es gibt in Berlin nicht genügend schwarz-rot-goldene Fahnen und Wimpel für die öffentlichen Gebäude und für die Schulkinder. Meine Freunde in Berlin haben mir vorgerechnet, daß man mit einem Betrag von 200 000 DM schon sehr viel tun könnte, um die Jugend von Berlin mit den Symbolen des republikanischen Staates zu versehen.
Ein anderer Posten, den zu berücksichtigen ich anregen würde: Schulbücher für Berlin, historische Karten, auf denen auch die Ostgebiete klar zum Ausdruck kommen, nicht nur für Berlin, sondern in viel größerem Maße auch für die übrigen Schulen Deutschlands!
Meine Damen und Herren, ohne eine kommende Stellungnahme des Bundestags in irgendeiner Weise präjudizieren zu wollen, möchte ich noch folgende Frage im Zusammenhang mit dem Public-
relations-Fonds aufwerfen. Das Problem des Wiederaufbaus des Reichstagsgebäudes in Berlin als Sinnbild der einen Deutschen Republik ist in ein akutes Stadium eingetreten. Uns ist von Freunden aller Parteien in Berlin nahegelegt worden, sehr bald etwas zu unternehmen. Ich meine, es wäre gut angelegtes Geld für public relations, wenn aus diesem Fonds für den Wettbewerb zum Aufbau dieses Viertels mit dem Reichstag darin die entsprechenden Summen zur Verfügung gestellt würden. Die Berliner sind der Meinung, daß man mit 60 000 DM sehr weit käme.
Ob mit Recht oder Unrecht, das spielt bei der Diskussion über einen solchen Fonds keine Rolle. Aber es liegt in der Natur der Sache, daß solchen Fonds in der Öffentlichkeit immer mit Mißtrauen begegnet wird. Dieses Mißtrauen müßte überwunden werden. Es wird schwer sein; denn wie Kollege Kühn gesagt hat, haftet solchen Fonds immer ein bestimmter Name an. Ich möchte ihn nicht wiederholen; es ist der Name einer ganz bestimmten, zoologisch nicht sehr hochstehenden Tiergattung. Aber dieses Mißtrauen, sagte ich, müßte man überwinden können. Hierzu zwei Vorschläge, die ich als ganz freier Demokrat machen möchte.
— Ja, manchmal ist es schon nötig, das Wort „frei" genauer zu definieren. Es wird allerlei Mißbrauch damit getrieben.
Meine Damen und Herren, Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß die Verwaltung der Presse durch politische Beamte immer etwas Bedenkliches an sich hat. Es ist überhaupt nicht gut, wenn die Presse verwaltet wird, nicht gut für die Presse, letzten Endes auch nicht gut für die Verwaltung; denn auch die Verwaltung ist darauf angewiesen, eine wirklich freie Presse in Deutschland zu haben. Ich würde vorschlagen, daß man führende Männer und Frauen aus Journalismus, Literatur und Wissenschaft auf ehrenamtlicher Grundlage für diese wichtige Einrichtung der public relations heranziehen sollte, Männer und Frauen, die sich in ihrem Beruf als Journalisten oder in der Literatur oder in der Wissenschaft einen Namen geschaffen haben, die sicherlich gern bereit wären, hier mit ihrem Rat, mit Einsatz ihrer Persönlichkeit mitzuarbeiten.
Ich bin ferner der Meinung, daß von Zeit zu Zeit in diesem Hohen Hause mehr stattfinden sollte als nur eine Diskussion über diesen Fonds. Wir sollten von Zeit zu Zeit einen sehr genauen Tätigkeitsbericht im Bundestag erhalten. Was geschieht, um diese Steuermittel in richtiger und konstruktiver Weise anzuwenden? Wie werden sie verwandt, und was hat dieses Hohe Haus dazu zu sagen, welche Ratschläge kommen aus der Mitte der Opposition und der Regierungsparteien? Ich würde darin einen Weg sehen, dieses verständliche Mißtrauen zu überwinden und das, was an Mitteln aufgebracht wird, wirklich konstruktiv in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Dann würde in diesem Parlament, das schließlich der höchste Hüter der public relations des Staates ist, das Gefühl aufkommen. daß es mehr zu tun hat, als nur einmal im Jahr in ansteigendem Maße die Mittel für diesen Fonds zu genehmigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ehren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Niemand in diesem Hause hat erwartet, daß die Opposition dem Einzelplan 04 für den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts ihre Zustimmung geben würde. Ihr Änderungsantrag kommt daher nicht überraschend. Es ist das selbstverständliche Recht der Opposition, solche Anträge zu stellen. Aufgabe der Koalition hingegen ist es, sie auf ihren tatsächlichen Wert zu überprüfen und, wenn sie es für notwendig erachtet, solche Anträge abzulehnen.
Uneingeweihte, die die Begründung des Änderungsantrages zur Kenntnis nahmen, konnten der Meinung sein, daß es sich bei der Summe in Tit. 300 um einen geheimnisumwitterten Fonds der Regierung handele ohne Vorbild in anderen großen westlichen Demokratien. Wie sieht es nun in der Wirklichkeit auf diesem Gebiete aus? Während man in der Bundesrepublik in der Diskussion vielfach so argumentiert, als sei die Informationspolitik mit den Grundsätzen einer demokratischen Regierungsform unvereinbar, können wir feststellen, daß die westlichen Demokratien über umfassende Informationseinrichtungen verfügen.
Ich gebe dem Herrn Kollegen Kühn recht: es kommen, wenn wir über dieses Kapitel diskutieren, so manchmal etwas unliebsame Erinnerungen an alte Zeiten auf. Aber ich halte es doch für notwendig, daß wir uns von diesen Ressentiments freimachen und notwendige Aufgaben nicht deshalb vernachlässigen, weil im „Dritten Reich" Schindluder da- I mit getrieben worden ist.
Vielleicht interessiert es das Hohe Haus, zu wissen, daß beispielsweise das Central Office of Information, das in England den Rang einer selbständigen Regierungsabteilung mit eigenem Budget hat, das ausführende Organ für die Herstellung und Verwertung von Informationsmaterial für die Regierung ist. Die Arbeit dieser englischen Regierungsstelle konzentriert sich auf das Inland. Die Auslandsinformationen werden vom englischen Auswärtigen Amt durchgeführt und in drei Abteilungen gegliedert. Die britische Information im In-und Ausland wirkt heute im wesentlichen in folgenden Richtungen: erstens den Ausländern Kenntnisse über England zu vermitteln und das Verständnis für die Politik des Landes wachzurufen, zweitens die britische Außenpolitik zu unterstützen, drittens Verständnis für die Aufgaben des Commonwealth zu erwecken und viertens den Exporthandel durch gute Informationsarbeit zu unterstützen. Für diese Gesamtinformation standen der englischen Regierung nachfolgende Summen zur Verfügung: Im Rechnungsjahr 1947/48 12,9 Millionen Pfund Sterling, von 1948/49 an alle Jahre hindurch 11,62 Millionen bis zum Jahre 1952/53 9,78 Millionen. Bei Bewertung dieser Summe ist interessant, festzustellen, daß die damalige sozialistische Regierung in England den höchsten Betrag für die Aufklärung und Information einsetzte.
Wir wissen, daß es in den Vereinigten Staaten auf diesem Gebiete noch anders aussieht, daß dort noch bedeutend mehr Geld eingesetzt wird. Von 1945 bis einschließlich 1953 bewilligte der amerikanische Kongreß für internationale Information und
Erziehungstätigkeit die Summe von 500 Millionen Dollar. Während der Regierungsjahre 1948 bis 1952 beliefen sich die Sonderzuwendungen an das Außenministerium für Informationszwecke auf 342,5 Millionen Dollar.
Man wird einwenden, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung diese Gelder — das hat Herr Kühn ja auch so durchblicken lassen — zur Propagierung ihrer Politik verwendet. Ich unterstelle einmal, daß dem so wäre: Meine Damen und Herren, welche Regierung täte das nicht! Ich glaube, das tut sowohl der Herr Ministerpräsident Zinn, wie es auch Niedersachsens verflossener Ministerpräsident Hinrich Kopf getan hat.
Meines Erachtens erfüllt jede Regierung mit einer solchen Tätigkeit den Willen ihres Auftraggebers, nämlich des Volkes. Die Regierung Adenauer ist durch eine ganz klare Willensäußerung des Volkes auf ihren Platz berufen worden, und — was mehr bedeutet — sie hat durch das Wahlergebnis den unmißverständlichen Auftrag erhalten, die Politik zu verwirklichen, die von den Parteien vertreten wird, die diese Regierung stützen und tragen. Ich bin der Meinung, daß jede von der Mehrheit des Volkes getragene Regierung nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, ihre Aufgaben populär zu machen und an das Volk heranzutragen!
Ich bin weiter der Meinung: Wenn die Regierungen der Weimarer Republik es vor 1933 besser und umfassender verstanden hätten, das Volk aufzuklären, vielleicht wäre uns das furchtbare Erlebnis des „Dritten Reiches" erspart geblieben!
Aber trotz dieser Binsenwahrheit wird das zur Verfügung stehende Geld in Wirklichkeit gar nicht in der Hauptsache für die Information im eigenen Land verwandt; in Wirklichkeit wird der größte Teil des Geldes eingesetzt, um unserem Land und Volk draußen in der Welt wieder eine echte Vertrauensbasis zu schaffen!
Ich glaube, zu dieser Aufgabe muß sich doch auch die Opposition bekennen.
Welches Volk in der Welt, so frage ich, hätte denn nach dem Erlebnis des „Dritten Reiches" und im Hinblick auf die Folgen für unser Volk in der Welt hier eine größere Aufgabe zu erfüllen als gerade wir!
Meine Damen und Herren, daß wir heute als Handelspartner der Welt wieder eine geachtete Stellung einnehmen, daß man heute wieder Vertrauen zu Deutschland hat, kam nicht etwa von ungefähr. Um dieses Ziel zu erreichen, mußten wichtige Vorarbeiten geleistet werden. Es galt und gilt auch heute noch, durch eine zielbewußte Aufklärung die deutschfeindliche Stimmung im Ausland zu überwinden.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Kühn hat so einige, wie er wohl meinte, geheimnisvolle Organisationen genannt. Eine Organisation, die ebenfalls durch das Bundespresseamt unterstützt wird, hat er zu nennen vergessen: die Gesellschaft „Informaciones". In der Kuratoriumssitzung dieser Gesellschaft war unser verehrter Herr Kollege Professor Schmid der Auffassung, daß die Arbeit dieser Gesellschaft sehr gut sei; nicht nur das, die Gesellschaft müsse vor allen Dingen durch höhere Mittel unterstützt werden!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Kollege Kühn — und auch der Herr Kollege Prinz zu Löwenstein — hat die Summen kritisiert, die für Gebäude ausgegeben worden sind; es wurde der Etat kritisiert. Wenn wir feststellen, daß eine einzelne Zigarettenfirma in Deutschland für die Werbung ihrer Fabrikate mehr Geld zur Verfügung hat als die Bundesregierung für die Erfüllung ihrer Aufgaben besonders im Hinblick auf die Aufklärung im Ausland, . dann müssen wir doch zu der Überzeugung kommen, daß die im Etat angesetzte Summe viel zu gering ist und daß der Antrag der SPD auf Streichung fast der Hälfte dieser zur Verfügung stehenden Gesamtsumme einfach inopportun ist.
Zu der zweiten Forderung der SPD in ihrem Antrag Umdruck 399, die eine Änderung des Zweckbestimmungsvermerks betrifft, folgendes: Der Betrag, um den es hier geht, kann doch nicht etwa nach Lust und Laune zum Fenster hinausgeworfen werden! Die amtlichen Stellen sind bei der Verwendung der Gelder an klare Richtlinien der Bundesregierung gebunden, und wenn die Regierung für die Verausgabung des Geldes eine besondere Vollmacht verlangt, die von der sonstigen Praxis abweicht, dann halten wir diese Forderung in Anbetracht des besonderen Charakters der Aufgaben dieses Amtes für begründet.
Im übrigen, meine Damen und Herren — auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition —: Wir haben uns doch erst vor einigen Tagen über ein ähnliches Thema unterhalten, als es um einen Dispositionsfonds des Bundesvertriebenenministeriums ging. Als aus dem Hause die Forderung kam, einen Ausschuß für die Verteilung des Fonds einzusetzen, konnte Herr Minister Oberländer, ohne Widerspruch zu finden, erklären, daß man ihm als dem besten Sachkenner schon die Verteilung des Geldes überlassen müsse; ansonsten könne er ja einen Obersekretär mit der Verteilung der Gelder beauftragen.
Ich glaube, es gehört auch zu den demokratischen Gepflogenheiten, daß wir einer Regierung in so delikaten Angelegenheiten das Vertrauen schenken müssen. Es geht ja nicht nur um das Ausland, es geht auch um die Ostzone. Es geht um Dispositionen, die eventuell stündlich getroffen werden müssen. Dann müssen wir der Regierung das Vertrauen schenken, daß sie in dem Sinne, wie wir es beschlossen haben, handelt. Wir sollten nicht vergessen — Kollege Kühn hat es ja auch gesagt —, daß jede Mark, die hier ausgegeben wird, vom Bundesrechnungshof auf ihre ordnungsgemäße Verwendung überprüft wird. Wer die Praxis des Bundesrechnungshofes kennt, weiß, daß hier eine sorgfältige und echte Kontrolle ausgeübt wird.
Und zum Schluß: Als Journalist interessiere ich mich besonders für die Arbeit, die im Bundespresse- und Informationsamt geleistet wird, und ich darf sagen, — —
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Präsident!
Sind Sie nicht auch der Auffassung, daß bei der Prüfung der Verwendung dieser Mittel sehr oft politische Ermessensfragen entscheidend sind und daß es einfach die Kraft des Bundesrechnungshofes übersteigt, zu diesen politischen Ermessensfragen Stellung zu nehmen?
Ich will das nicht einmal bestreiten, Herr Kollege Mellies; aber wenn wir nach demokratischen Richtlinien und nach demokratischer Auffassung in der Mehrheit dieses Hauses annehmen, daß eine ordnungsgemäße und gute Verwendung dieser Mittel erfolgt, dann muß, glaube ich, auch selbst die Opposition sagen: Ja, wir haben nun nicht ganz unser Ziel erreicht; aber es ist der Wille der Mehrheit, die Praxis so zu üben.
— Bitte schön, Herr Kollege Schoettle, nachher haben Sie Gelegenheit, auch noch etwas festzustellen.
Ich komme zum Schluß und möchte Ihnen folgendes sagen: Ich habe mich als Journalist für die Arbeit, die im Bundespresse- und Informationsamt geleistet wird, interessiert. Ich würde den Damen und Herren anraten, sich auch einmal die Arbeitsweise dieses Amtes anzuschauen. Sie werden feststellen können, daß hier eine — wenn ich das gerade vom Technischen her nehme - ganz hervorragende Arbeit im Dienste unseres Volkes geleistet worden ist. Ich habe auch den Eindruck gewonnen — das möchte ich hier in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen —, daß hier Männer und Frauen über alle Parteien hinweg in undemokratischer Weise
ehrlich bestrebt sind, ihrem Volke und Vaterlande zu dienen. Ich möchte daher bitten, — —
— Man kann selbstverständlich darüber lachen. Wenn Sie jetzt die Erklärung abgeben, daß Ihr Pressechef Heine für Ihre Sache ehrlich arbeitet, dann würde ich nicht lachen. Daß dort ehrliche Arbeit geleistet wird, können Sie bestreiten, aber nicht aus der Welt schaffen.
Ich komme zum Ende und beantrage, den Änderungsantrag Umdruck 399 abzulehnen.
Herr Kollege Ehren, Sie haben sich versprochen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch falsche Zungenschläge haben ihre besondere Bedeutung, Herr Kollege Ehren.
Das mit dem „undemokratisch" ist vielleicht nicht so ganz von ungefähr gewesen. Ich will nicht untersuchen, wie Sie es wirklich gemeint haben.
Eine Sekunde, I Herr Abgeordneter.
Also der falsche Zungenschlag ist raus, Herr Kollege Ehren, überlegen Sie selber, wie Sie ihn gemeint haben.
Herr Kollege Schoettle, einen Augenblick! Ich darf festhalten, damit wir über diesen Punkt weiterkommen, daß nicht „undemokratisch", sondern „und demokratisch" gesagt worden ist
— oder jedenfalls gemeint wurde. Damit ist diese Diskussion zu Ende.
Herr Abgeordneter, fahren Sie fort.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht das Recht, den Herrn Präsidenten zu interpretieren.
Ich will mich auf das Thema beschranken, wegen dessen ich mich zu Wort gemeldet habe. Mein Freund Kühn hat bereits von der merkwürdigen Reaktion gesprochen, die der stellvertretende Chef des Bundespresse- und Informationsamtes auf einen Beschluß des Haushaltsausschusses hin an den Tag gelegt hat. Mir sind von einer Reihe von Kollegen, und zwar aus allen Fraktionen dieses Hauses, die Originalbriefe zugesandt worden, die die Unterschrift von Herrn Forschbach tragen und in denen er unter dem Datum vom 4. Mai dem Haushaltsausschuß eine versteckte Rüge erteilt und als Strafmaßnahme für einen Beschluß dieses Ausschusses den Empfängern von Materialien des Presse- und Informationsamtes mitteilt, daß das Amt hinfort nicht mehr in der Lage sei, diese Drucksachen den Empfängern wie bisher zuzustellen; sofern sie nicht imstande seien, die Dinge abzuholen, müsse die Zustellung unterbleiben.
Ich weiß nicht, ob jemand in diesem Hause es für eine verbotene Dramatisierung einer Bagatelle ansieht, wenn ich diesen Brief, von dem ich nicht weiß, in wieviel Exemplaren er verschickt worden ist, zu den Akten des Deutschen Bundestages gebe, indem ich ihn hier in seinem Wortlaut mitteile.
Was immer Sie aber davon halten, ich glaube,
dieses Haus sollte ohne Unterschied der Parteien
— und es sind Angehörige aller Fraktionen mit diesem Brief bedacht worden; ich habe ihn auch von Angehörigen aller Fraktionen erhalten — schon in den Anfängen den Versuch eines Behördenleiters zurückweisen, Beschlüsse dieses Hauses oder eines seiner Ausschüsse zu kritisieren, ehe sie überhaupt Gesetzeskraft erhalten haben.
Wenn wir die jetzt überall sichtbare Tendenz der Administration, das Parlament angesichts der Überbelastung mit gesetzgeberischer Arbeit zu gängeln oder in seiner praktischen Bedeutung für das Verfassungsleben zurückzudrängen und zu überspielen, nicht mit aller Entschiedenheit bekämpfen, meine Damen und Herren, dann wird
dieses Parlament eben seine Funktion nicht erfüllen können.
Deshalb möchte ich diesen Vorgang mit aller gebotenen Zurückhaltung zur Kenntnis des Hauses bringen.
Der Brief, der einen Standardtext enthält, lautet folgendermaßen:
Der Haushaltsausschuß des Bundestags hat in seiner Beratung am 29. 4. 55 dem Presse- und Informationsamt zur Auflage gemacht, durch Umorganisation innerhalb des Amtes diejenigen Stellen einzusparen, die wegen Nachholbedarfs bzw. unter Berücksichtigung des Aufgabenzuwachses und der teilweise effektiven Unterbesetzung angefordert worden sind. Es ist aber dem Amt nicht möglich, durch organisatorische Maßnahmen das Personal bereitzustellen, das erforderlich ist, den Einzelversand der Kommentarübersicht, „Ost-Information", des „Sowjetzonen-Spiegels" und „Nahost-Spiegels" durchzuführen. Der Versand muß daher leider eingestellt werden. Es wird zunächst versucht werden, die Auflagenhöhe dieser Dienste noch unverändert beizubehalten. Die bisherigen Bezieher können ihre Exemplare jedoch nur weiter erhalten, wenn sie die Abholung im Presse- und Informationsamt sicherstellen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Forschbach
Der Herr stellvertretende Leiter des Presse- und Informationsamtes versucht offenbar, dem ersten Teil seines Namens Ehre zu machen. Aber ich finde, dieses Unternehmen sollte im Keime erstickt werden.
Um was handelt es sich? Der Haushaltsausschuß hat dem Auftrage zufolge, der ihm vom Hause erteilt worden ist, versucht, in vielen Beratungen einer Tendenz entgegenzuwirken, die sich in den letzten Jahren immer wieder bemerkbar gemacht hat, nämlich der Tendenz zur Ausweitung des Personalbestandes der Verwaltung. Wenn er einen solchen Beschluß faßt, dann handelt er nicht einfach aus Willkür, sondern nachdem er die verschiedenen Gesichtspunkte abgewogen hat. Ich sage hier mit betonter Schärfe: Ich betrachte es als eine Unverschämtheit eines Beamten, wenn er schon in diesem Stadium Maßnahmen ergreift, die man als eine Strafaktion gegen einen Beschluß des Parlaments ansehen muß.
Wenn das Parlament sich das gefallen ließe, dann verdiente es mit Recht die Verachtung der Bürokratie, und ich bitte Sie, mir wenigstens in diesem Punkte zuzustimmen, auch wenn wir sonst in vielen Fragen verschiedener Meinung sind, und diesem Herrn durch Ihr Verhalten einen Rüffel zu erteilen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Herr Abgeordneter Kühn, wollen Sie noch das Wort? — Bitte!
Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung zu der Replik des Kollegen Ehre n. Er hat mit der mir etwas merkwürdig erscheinenden Feststellung begonnen, es sei das Recht der Opposition, Anträge zu stellen, und es sei die Aufgabe der Koalition, sie auf ihre Berechtigung zu prüfen. Darin liegt doch einfach ein pharisäischer Hochmut, meine Damen und Herren! Jeder Abgeordnete in diesem Hause hat die Verpflichtung, jeden Antrag, ob er von der Opposition oder von der Koalition kommt, auf seine sachliche Berechtigung hin zu prüfen. Das ist doch einfach das, was ich eben den Versuch, den Staat zur Beute einer Partei zu machen, genannt habe. Hier tun Sie doch ganz offen so, als wenn der Staat die Angelegenheit einer Partei sei, als wenn es die Koalitionsaufgabe sei, die Dinge, die uns hier beschäftigen, auf die Berechtigung hin zu prüfen. Jeder Abgeordnete ist nach seiner Wahl verpflichtet, die Dinge auf ihre sachliche Berechtigung, auf ihre Zweckdienlichkeit hin zu überprüfen und dann vor seinem Gewissen seine Entscheidung zu treffen. Das ist nicht Ihr Monopol, meine Damen und Herren von der Koalition!
Niemand hat bestritten, auch ich nicht in meinen Ausführungen — ich habe es sogar noch betont und unterstrichen —, daß ein solcher Fonds genau so, wie er in anderen Staaten besteht, auch für die Bundesrepublik notwendig ist. Daß er dem Herrn Bundeskanzler zur Verfügung stehen muß, habe ich ausdrücklich betont. Warum soll er aber dann, wenn er für die Funktionen bestimmt ist, die Sie, Herr Kollege Ehren, erwähnt haben, nicht der parlamentarischen Kontrolle unterstellt werden?
Sie haben auf die westlichen Demokratien hingewiesen. Gewiß haben diese umfangreiche Mittel dafür zur Verfügung gestellt, aber es wird dort streng darüber gewacht, daß es sich lediglich um Maßnahmen der staatlichen Werbung, nicht aber um parteipolitische Abnutzung dieses Fonds handelt.
Alle diese Länder haben aber auch nicht solche „Arbeitsgemeinschaften Demokratischer Kreise" oder die „Arbeitsgemeinschaft für Wiedervereinigung". Meine Damen und Herren, die einzige Arbeitsgemeinschaft für Wiedervereinigung sollte dieses Parlament hier sein,
und da möchten wir etwas mehr Arbeitsgemeinschaftlichkeit bei Ihnen erwarten.
Solche Organisationen parteiischer Art gibt es doch in diesen Ländern nicht. Dort wird sehr streng und nach sehr sorgfältigen Prinzipien darüber gewacht, daß es staatliche und nicht parteipolitische Dinge sind, die daraus finanziert werden. Dort hat es auch bisher — mir ist jedenfalls nichts bekannt, und Sie werden mir kein Beispiel nennen können — nicht Warnungen eines Bundesrechnungshofs geben müssen, die all das beinhalteten, was ich Ihnen eben zur Kenntnis gebracht habe.
Wenn es sich darum handelt, den Staat nach draußen in seiner demokratischen Substanz zu vertreten oder, wie Sie sagen, Herr Kollege, das Wiederholen des Schicksals der Weimarer Republik zu verhindern, dann werden Sie da, wie ich hoffe — wenn Sie mir gestatten, meine Damen und Her-
ren, in manche Richtungen dieses Hauses zu gukken —, eine gemeinsame Aufgabe dieses Parlaments erkennen müssen. Wenn es darum geht, die deutschfeindliche Stimmung draußen niederzuringen, indem wir uns durch eine gute Selbstdarstellung in echtem demokratischem Handeln der Weltöffentlichkeit vorstellen, dann ist das nicht eine Sache der Koalition, sondern eine Aufgabe des ganzen Hauses.
So habe ich, Herr Kollege Ehren, Ihre ganze Replik so verstanden, daß sie eigentlich noch einige zusätzliche Begründungen f ü r unseren Antrag gab, für den Antrag, diesen Fonds einer parlamentarischen Kontrolle zu unterstellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zum Einzelplan 04.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 399 *) abstimmen. Es ist getrennte Abstimmung zu den Ziffern 1 und 2 beantragt worden. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe zur Abstimmung auf Änderungsantrag Umdruck 399 Ziffer 1. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 399 Ziffer 2 auf. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist bei einigen Enthaltungen gegen zahlreiche Stimmen abgelehnt.
Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 391 ganz abgelehnt.
Ich rufe den Einzelplan 04 in der Fassung des Ausschusses zur Abstimmung auf. Wer dem Einzelplan 04 in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zahlreiche Neinstimmen ist dieser Einzelplan 04 angenommen.
Wir kommen zu Einzelplan 05:
Einzelplan 05 für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts .
Auch hier ist noch — wie bei Einzelplan 04 — der Tit. 101 offen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmid .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aussprache zum Etat des Außenministers ist keine außenpolitische Debatte im eigentlichen Sinne des Wortes. Es wird in dieser Aussprache Kritik geübt an der Art, wie die Außenpolitik geführt wird, und nicht in erster Linie an den Zielen dieser Außenpolitik. Die Kritik bezieht sich also auf das Instrument dieser Politik, das Auswärtige Amt, und sie hat sich zu beziehen auf gewisse Maßnahmen und auch auf gelegentliches Verhalten des Mannes, dem die Führung
*) Siehe Anlage 8 zur 87. Sitzung. dieser Außenpolitik obliegt, nämlich des Herrn Außenministers.
— Er wird offenbar vertreten durch den Herrn Bundeskanzler.
Die Koppelung der beiden Ämter, des Bundeskanzleramtes und des Amtes des Außenmnisters, in der Person des Herrn Bundeskanzlers hat es ihm in seiner Eigenschaft als Außenminister sehr schwer gemacht, dem Parlament die Aufmerksamkeit zu schenken, auf die dieses Haus Anspruch hat. Das ist eine schlechte Sache, und es war nicht gut, daß der Herr Bundeskanzler geglaubt hat, so lange beide Ämter verwalten zu müssen. Er hat offenbar bis vor wenigen Wochen niemanden gefunden, dem er das nötige Können zugetraut hat. Sicher hat uns der Herr Bundeskanzler Herr in einigen unserer Plenarsitzungen Rede und Antwort gestanden, wenngleich er manchmal vorgezogen hat, auf Fragen nicht zu antworten. Aber die laufende Unterrichtung des Parlaments ist nun doch zu kurz gekommen. Wie oft haben wir ihn im Auswärtigen Ausschuß gesehen? Das läßt sich an den Fingern abzählen. Und wenn er kam, dann warteten oft drängende Bundeskanzlergeschäfte auf ihn, so daß er uns mit seinem Staatssekretär allein lassen mußte, mit einem Beamten also. Ich sage dieses Wort ohne jeden abwertenden Beigeschmack. Aber ein Beamter hat nun einmal nicht die Politik der Regierung zu vertreten und ist nicht in der Lage, verbindliche politische Erklärungen abzugeben. Er ist Auskunftsperson und nicht mehr. Beratungen im Auswärtigen Ausschuß über politische Materien haben aber doch nur dann einen Sinn, wenn auf der Regierungsbank nicht nur eine Auskunftsperson sitzt, sondern der Mann, der die Ziele und die Methoden der Außenpolitik politisch zu verantworten hat. Dabei kann sich der Außenminister nur in seltenen Fällen vertreten lassen; da muß er schon persönlich gegenwärtig sein.
Sicherlich kann es vorkommen, daß der Minister aus zureichenden Gründen verhindert ist und daß er deswegen die Sitzungen des Ausschusses nicht immer persönlich wahrnehmen kann, obgleich es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, daß der Außenminister bei keinem wichtigen Tagesordnungspunkt fehlt. Ich bin überzeugt, daß Herr von Brentano, der neue Außenminister, so denkt und so handeln wird, zumal ihm die Zahl der den Herrn Bundeskanzler außenpolitisch unmittelbar beratenden Beamten viel Zeit dazu lassen wird.
Aber auch bei minder wichtigen Fragen müßte die Regierung im Ausschuß politisch und nicht durch einen Beamten vertreten sein. Darum meine ich -
ich sage das für meine Person —, daß der Posten eines parlamentarischen Staatssekretärs geschaffen werden sollte, der die Stellungnahme des Auswärtigen Amts im Ausschuß politisch zu vertreten in der Lage wäre. Damit bekämen wir auch eine klarere Ordnung in den Aufbau des Auswärtigen Amts selbst. Aufbau und Leitung des Dienstbetriebs — eine sehr wichtige Sache im übrigen -
lägen in der Hand des beamteten Staatssekretärs, der Verkehr mit dem Parlament dafür in der Hand seines parlamentarischen Kollegen. Ich glaube, daß man auf beiden Seiten profitieren würde, auf der Seite des Amtes und auf der Seite des Parlaments.
Vielleicht könnte man in diesem Fall auch die Stellenpläne ein wenig sachgemäßer bearbeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Geschäfte einiger Auslandsmissionen so zugenommen haben könnten, daß man die Zahl der höheren Beamten, um nur diese zu nennen, verdoppeln und gar verdreifachen müßte.
In Lissabon z. B. vertraten 1936 zwei höhere Beamte die Interessen des Deutschen Reiches. 1955 hält man sieben Beamte, also das Dreifache, für notwendig, die Interessen der Bundesrepublik zu vertreten. Woher auf einmal dieser Bedarf? Kommt er daher, daß die entthronten Monarchen sich das schöne Portugal zum Aufenthalt auserkoren haben wie einst zur Zeit Voltaires und Candides das schöne Venedig? Oder haben unsere diplomatischen Beziehungen zu diesem Lande so zugenommen? Schließen wir mehr Handelsverträge ab als vorher? Oder ist das Protokoll dort so kompliziert geworden, daß man so viel mehr Beamte braucht, um alle Einladungen wahrnehmen zu können, die an die Botschaft ergehen? Lissabon war während des Krieges einer der Hauptorte der internationalen Spionage. Nun, Botschaften sollen keine Spionagezentralen sein und Diplomaten keine Agenten; das weiß man auch hier im Auswärtigen Amt, und ich bin überzeugt, daß man entschlossen ist, nach diesem Wissen zu handeln. Mit der schlechten Vergangenheit Lissabons also kann diese Vermehrung des Personals nicht zusammenhängen. Womit hängt sie dann sonst zusammen? Ich würde es gern hören.
Oder nehmen wir Stockholm! 1936 versahen drei Beamte des höheren Dienstes dort die Aufgaben der Gesandtschaft; heute sind es neun. Insgesamt ist der Beamtenstab von 15 auf 36 Köpfe angewachsen. Warum diese Steigerung?
Oder nehmen wir das Generalkonsulat in Mailand! 1936 genügten dort drei Beamte; 1955 braucht man sechs. Gewiß, Mailand ist ein großer Platz; aber das ist er immer gewesen, auch schon im Jahre 1936.
Nehmen wir Kairo! 1936 waren dort zwei höhere Beamte notwendig, jetzt sind es sieben. Sicher, Kairo ist heute wichtiger geworden, als es 1936 der Fall war; sehr viel wichtiger. Aber muß sich die Steigerung seiner Bedeutung in mehr als eine Verdreifachung des diplomatischen Personals übersetzen, und müssen wirklich dort insgesamt statt bisher 12 nun 30 Personen tätig sein?
Nehmen wir Singapur! 1936 hielt man beim dortigen Generalkonsulat einen Beamten für notwendig, heute fünf. Was hat die Notwendigkeit begründet, das Personal des Generalkonsulats zu verfünffachen? Wohlverstanden: es handelt sich nicht um eine Stelle, die Politik zu machen hat, also nicht um eine Gesandtschaft. Da könnte ich in Anbetracht der Veränderungen, die im Fernen Osten vor sich gegangen sind, es verstehen, daß das Personal vermehrt wird. Es handelt sich aber um ein Konsultat, also eine Stelle, in der bloße Verwaltungsarbeit zu leisten ist.
In die Arkana der Personalpolitik eines Auswärtigen Amts einzudringen, ist schon immer sehr schwer gewesen. Heute scheint mir dies, in Bonn besonders, auf fast unendliche Schwierigkeiten zu stoßen. Ohne Rechenschieber kommt man da kaum mehr aus, wenn man die verschiedenen Schlüssel handhaben will, nach denen offenbar die Stellen besetzt werden: die Konfession, die Zugehörigkeit zur alten Karriere oder zur neuen, das Band eines Korps oder einer anderen Verbindung, die Landsmannschaft, der Grad der braunen oder sonstigen Vergangenheit, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten politischen Partei der Koalition oder gar der Verdacht, es mehr mit der Opposition zu halten.
Meine Damen und Herren, damit sollte man doch endlich Schluß machen. Sollte es denn nicht möglich sein, daß auch wir in der Bundesrepublik im Auswärtigen Dienst einen Beamtenkörper schaffen, dessen Mitglieder ausschließlich nach ihrer Tüchtigkeit, nach ihrem Können, nach ihrem Charakter, nach ihren Fähigkeiten ausgewählt werden, eine Beamtenschaft, die sich nicht mehr dieser oder jener politischen Konstellation glaubt verschreiben zu müssen, sondern die der Regierung schlechthin dient, jeder Regierung, mag sie heute auf dieser Koalition beruhen, morgen auf einer anderen. Das ist doch in anderen Ländern möglich geworden! Warum sollte es bei uns unmöglich sein?
Ist es denn wirklich notwendig, bei der Anstellung von Beamten so sehr nach der Konfession zu fragen? Ist es denn nicht möglich, mit dem Satz des Grundgesetzes Ernst zu machen, der uns vorschreibt, die Frage nach der Konfession auszuschalten, wenn es sich um die Anstellung von Beamten handelt?
Ich glaube und hoffe, daß sich Herr von Brentano, der neue Außenminister, dieser Dinge annehmen wird in dem Geiste, der allein dem Staate frommen kann. Er wird es nicht sehr leicht haben, und zu allem hin ist seine Stellung als Außenminister doch recht erheblich reduziert. Zwei Beamte, die Herren Blankenhorn und Hallstein, bleiben die außenpolitischen Berater des Herrn Bundeskanzlers und haben, wenn die Presse richtig berichtet hat, unmittelbares Vortragsrecht bei ihm. Wie Herr von Brentano sich damit abfinden will, ist seine Sache. Aber das Parlament — auch wir von der Opposition — hat ein Interesse daran, daß in Dingen der Außenpolitik, auch was die Organisation des Instruments der Außenpolitik, des Auswärtigen Amtes, und was die Kompetenzen derer, die dieses Instrument handhaben, anlangt, technisch richtig verfahren wird.
Dem Außenminister obliegt die Führung der Außenpolitik, deren Richtlinien der Herr Bundeskanzler bestimmt. Im Rahmen dieser Richtlinien verwaltet e r sein Amt selbständig; er ist nicht der Untergebene des Herrn Bundeskanzlers. Zu den Dienstobliegenheiten des Außenministers gehört aber, daß er der Berater des Chefs der Regierung ist, der einzige amtliche Berater in Dingen der Außenpolitik. Es geht nicht an, daß Informationen, daß Ratschläge, daß Warnungen von anderen beamteten Personen an den Regierungschef herangetragen werden. Wenn das geschähe, würde die Außenpolitik notwendig zweigleisig werden. Wir hätten dann eine Außenpolitik oder, sagen wir, eine Diplomatie des Auswärtigen Amtes und eine andere des engeren Beraterstabes des Herrn Bundeskanzlers, und das könnte nur zu einem schlimmen Ende führen. Man sollte sich doch an die alte Erfahrungstatsache erinnern, daß gerade in Dingen der Führung der Außenpolitik das Staatsoberhaupt und der Chef der Regierung amtlich nur durch
einen Mann beraten werden können, nämlich durch den Außenminister.
So wie diese Dinge nun geordnet sind, wird es wohl so sein, daß Herr Blankenhorn die NATO-Politik machen wird. Herr Hallstein wird, wenn er seine bisherige Tätigkeit fortsetzt, Vertragsverhandlungen von politischer Bedeutung führen und dabei unmittelbar vom Herrn Bundeskanzler instruiert werden, und er wird ihn dabei unmittelbar beraten. Für den Außenminister als solchen bleibt dann doch nicht sehr viel mehr übrig als die Expedition der laufenden Geschäfte und die kleinere Politik. Er wird dann, fürchte ich, der eigentliche Staatssekretär sein.
Ich habe mit dieser Darstellung bewußt übertrieben, um das Dilemma, vor dem wir stehen, ganz klar darzustellen. Wir meinen, daß es im Interesse der Bundesrepublik wäre, wenn der Außenminister wirklich der einzige amtliche Berater des Herrn Bundeskanzlers wäre und die einzige Stelle, von der aus Anweisungen an die dem Ministerium unterstehenden Personen ausgehen.
Was nun die Methoden unserer Diplomatie anlangt, so sollte man sich im Außenministerium bei der Aufstellung politischer Ziele, bei der Auswahl seiner politischen Freunde des Unterschieds zwischen Großmächten und Nicht-Großmächten durchaus bewußt sein. Aber auch wenn man das weiß: wenn man die Ziele seiner Politik unter Berücksichtigung dieses Unterschiedes aufstellt, sollte man sich doch in seiner Diplomatie, d. h. im Verkehr mit den Staaten und den Regierungen gleichmäßig verhalten, ob es sich nun um eine Großmacht handelt oder einen Staat, der nicht Großmacht ist. Es ist nicht gut, wenn man auf ein Verhalten einer NichtGroßmacht diplomatisch sehr viel heftiger reagiert als auf das gleiche Verhalten einer Großmacht.
Wir haben die Wegnahme eines sehr großen Teiles des deutschen Eigentums in den Vereinigten Staaten von Amerika zwar mit Bedauern, aber ohne große diplomatische Gesten hingenommen.
Als der österreichische Staatsvertrag dieselbe Lage schuf — offenbar nach dem amerikanischen Modell — haben wir mit gröbstem Geschütz geantwortet. Der Leiter unserer dortigen Mission wurde in Urlaub geschickt und die Führung der Geschäfte in die Hand eines Beamten ohne viel Autorität gegeben.
Ich glaube nicht, daß das ein gutes diplomatisches Verhalten war.
Um über das Materielle des Problems zu sprechen: Es ist nach dem Versailler Vertrag die schlechte Sitte eingerissen, nach Kriegen das Privateigentum von Individuen zu konfiszieren, um sich damit für Reparationsansprüche, die man zu haben glaubt, vorweg zu befriedigen. Dagegen haben nach 1919 die Juristen der ganzen Welt protestiert, die österreichischen Juristen nicht minder als deutsche und andere. Nun ist man im österreichischen Staatsvertrag nach der Methode von Versailles vorgegangen: Man hat das deutsche Privateigentum zum allergrößten Teil konfisziert, und Österreich will sich daran für seine angeblichen Reparationsansprüche befriedigen. Wir halten das nicht für eine gute Methode. Die gute Methode wäre gewesen — wenn Österreich glaubt, Reparationsansprüche zu haben —, uns eine Rechnung vorzulegen und dann mit uns zu verhandeln. Man hat es anders gemacht. Die Alliierten haben im Staatsvertrag mit Österreich vereinbart, daß Österreich verpflichtet ist, das deutsche Privateigentum über einen bestimmten Betrag hinaus zu konfiszieren, daß ihm verboten ist — zum Teil wenigstens —, es an deutsche Eigentümer oder an Ausländer zurückzuübertragen. In der Verurteilung dieser Vereinbarung sind wir wahrscheinlich mit Ihnen einig. Wir sind nicht mit Ihnen einig, wenn Sie glauben sollten, daß die Art und Weise, wie der Herr Außenminister auf dieses Verhalten reagiert hat, glücklich gewesen sei.
Wir haben doch in dem Überleitungsvertrag zu den Pariser Verträgen versprochen, jede Regelung. die die Alliierten mit Österreich über das deutsche Privateigentum treffen würden, hinzunehmen. Wir haben aber diese Regelung nicht hingenommen, sondern wir haben darauf sehr sauer reagiert. Das richtige Verhalten wäre meines Erachtens gewesen — da es doch nicht möglich ist, den österreichischen Staatsvertrag wieder aufheben zu lassen —, alle Chancen auszunützen, die darin liegen -
und es liegt doch wenigstens die eine Chance darin, etwas für die kleinen deutschen Vermögen herauszuholen. Man hätte also so schnell als möglich die diplomatischen Voraussetzungen dafür schaffen müssen, daß über diese Chance verhandelt werden kann. Statt dessen beruft man den einzigen Vertreter der Bundesregierung in Wien ab und macht damit ein Verhandeln unmöglich.
Ich fürchte, daß dieses Verhalten dazu führen könnte, die Position der kleinen deutschen Eigentümer erheblich zu verschlechtern, und ich kann nur hoffen, daß die österreichische Regierung es diese Menschen nicht entgelten lassen wird, daß man vom Auswärtigen Amt aus so fehlerhaft reagiert hat.
Und nun ein Letztes. Absicht und Taktik diplomatischer Verhandlungen werden im allgemeinen geheimgehalten. Das ist ein alter Brauch und ein guter Brauch, der im übrigen eine Unterrichtung der parlamentarischen Instanzen nicht ausschließt, sondern geradezu zur Voraussetzung hat, wenigstens in einer parlamentarischen Demokratie. Eine schlechte Methode aber scheint es mir zu sein, zwar das Parlament nicht rechtzeitig über die eigenen Absichten zu unterrichten, aber vor der Presse oder vor dem Mikrophon Erklärungen abzugeben, daß man diese oder jene Lösung — etwa des Wiedervereinigungsproblems — unter keinen Umständen annehmen werde; insbesondere wenn dies vor Verhandlungen geschieht, in denen gerade der Gegenstand dieses „Niemals" Verhandlungspunkt sein soll und der Verhandlungsgegner die Faustpfänder in der Hand hat.
Auf diese Weise kann man Verhandlungen zum Scheitern bringen, ehe sie begonnen haben.
Ich weiß nicht, was der Herr Bundeskanzler nun in den Vereinigten Staaten anläßlich seines letzten
Besuches in Wirklichkeit gesagt hat. Er sollte so bald wie möglich dem Bundestag das Ergebnis seiner dortigen Besprechungen und seiner Besprechungen in London mitteilen. Ich möchte hoffen, daß er es heute noch und ausführlich tun wird.
Wenn man den Nachrichten Glauben schenken darf, hat er dem Sinn nach erklärt, daß die Wiedervereinigung Deutschlands niemals durch den Verzicht des Eintritts auch eines wiedervereinigten Deutschlands in NATO erkauft werden würde; denn man sei in der Bundesrepublik vertragstreu.
Zum Thema „Vertragstreue" einige Worte: Niemand mutet der Bundesregierung zu, einen Vertrag zu brechen, auch nicht die nunmehr ratifizierten Pariser Verträge. Aber man kann der Bundesregierung und ihren Vertragspartnern durchaus zumuten, in neuen Verhandlungen zu prüfen, ob nicht für die Wiedervereinigung Deutschlands eine Lösung gefunden werden könne, die Deutschland Sicherheit gibt und es Deutschland ermöglicht — dem wiedervereinigten Deutschland ermöglicht —, für die Sicherheit der Welt etwas zu tun, außerhalb des Schemas der Pariser Verträge und von NATO!
Mit anderen Worten: Wir muten niemandem zu, einen Vertrag zu brechen, aber wir verlangen, daß, wenn es um die Wiedervereinigung Deutschlands geht, auch die Pariser Verträge zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht werden,
wenn sonst die Zustimmung der Sowjetunion zur Wiedervereinigung nicht zu erhalten ist. Da scheinen uns nun die Erklärungen, die der Herr Bundeskanzler in den Vereinigten Staaten abgegeben hat, ein schweres Hemmnis auf unserem Wege zu sein. Mit solchen Erklärungen blockiert man die Chancen der Viererkonferenz und läuft man Gefahr, daß diese Konferenz nicht zu einer Konferenz über die Wiedervereinigung Deutschlands wird, sondern lediglich zu einer Konferenz über die Normalisierung der Beziehungen aller Staaten, sowohl zur Bundesrepublik als auch zur DDR.
Aber damit wäre die Spaltung Deutschlands in einem gordischen Knoten versiegelt, und ich sehe noch nicht den Alexander, der diesen Knoten auflösen oder zerhauen könnte. Es ist doch nicht so, daß die Alternative lautete: hie Pariser Verträge und damit Sicherheit, Freiheit und Wiedervereinigung; dort: Weg mit den Pariser Verträgen und damit die politische und diplomatische Isolierung Deutschlands! Das Problem liegt doch anders: Wie können durch eine geeignete Politik und geeignete diplomatische Methoden die Voraussetzungen für die Wiedervereinigung Deutschlands geschaffen werden? Sie sagen: Durch die Methode der Pariser Verträge! Die Pariser Verträge sind aber doch nur dann in ihrem Aufbau, in ihrer Konzeption sinnvoll, wenn man davon ausgeht, die Welt werde auch künftig in zwei Blöcke aufgeteilt bleiben, die miteinander im Kalten Krieg stehen. Auf der Grundlage einer solchen Annahme — oder für eine Zwischenzeit bis zur Schaffung eines allgemeinen Systems kollektiver Sicherheit — scheint uns aber eine andere Vorstellung sinnvoller: Wenn man das russische Ja will, muß man bereit sein, ein wiedervereinigtes Deutschland bündnisfrei zu lassen, damit keiner der Blöcke zu fürchten braucht, das Potential eines wiedervereinigten Deutschlands werde dem anderen, als feindlich angesehenen Blocke zuwachsen.
Aber das Grundziel aller Politik, aller Weltpolitik müßte sein, die Blöcke aufzulösen, was wiederum nur durch Beendigung des Kalten Krieges geschehen kann, dessen Ausdrucksform doch diese Blöcke und die Spaltung Deutschlands, Koreas, Indochinas usw sind. Dieser Friedensschluß im Kalten Krieg setzt voraus, daß sich die Weltmächte über die Verschiebung der Machtverhältnisse in der Welt und ihre Neuordnung einigen und daß sie diese Einigung durch ein System kollektiver Sicherheit sichern, das seinerseits nur funktionieren kann, wenn man zu einer massiven Abrüstung bereit ist. In einem solchen System kollektiver Sicherheit wird dann den einzelnen Staaten oder Gruppen von Staaten vertraglich die Funktion zugewiesen werden, die sie für ihre eigene Sicherheit und die der anderen Staaten auszuüben haben. Dann werden die Blöcke aufgelöst sein, und dann wird wahrscheinlich die Frage, ob NATO oder nicht NATO, gegenstandslos geworden sein. Aber bis dahin wird viel Zeit vergehen müssen; denn der Wirrwarr ist groß, und die Interessen, die im Spiele sind, sind es auch. Wir können aber in Deutschland nicht mehr so lange warten.
Sollten wir nicht die Möglichkeit einer Einigung der Weltmächte dadurch fördern, daß wir ihnen deutlich machen, daß die in der Zwischenzeit auch für sie günstige Behandlung der Deutschlandfrage ein wiedervereinigtes Deutschland wäre, das keinem der rivalisierenden Blöcke als integrierender Bestandteil angehört, ein Deutschland, das in die Sicherheitsplanung so eingebaut wird, daß sich niemand bedroht fühlen kann, und das in der Lage ist, jedem, der Hilfe brauchen sollte, im Rahmen seiner Möglichkeit zu helfen, wie die anderen Partner bereit sein sollten, gegebenenfalls ihm zu helfen? Aber mit Erklärungen wie denen, die der Herr Bundeskanzler offenbar in den Vereinigten Staaten abgegeben hat, löst man nichts. Man verhärtet die Positionen und kränkt die Chancen dieser notwendigen Einigung der Mächte über die Voraussetzungen für die Schaffung der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit.
Herr Bundeskanzler, Sie haben bisher über diese Dinge nur nach der einen Seite hin konkret zu sprechen brauchen. Nun werden Sie, wenn Sie nach Moskau fahren sollten, dort vor konkrete Fragen gestellt werden, auf die Sie mit Ja oder Nein werden antworten müssen. — In Parenthese: Sie sollten sehr bald nach Moskau fahren; denn wahrscheinlich führt die Route Bonn—MoskauGenf schneller nach Deutschland als die Route Bonn—Genf—Moskau. —
Die Frage, die man vielleicht in Moskau an Sie stellen wird, könnte lauten: Wenn wir, die Sowjetunion, gesamtdeutsche freie Wahlen zulassen und wenn wir bereit sind, die Souveränität eines wiedervereinigten Deutschlands zu achten, das keinem der bestehenden Blöcke beitritt und das Teil eines zu schaffenden Sicherheitssystems werden soll, wollen Sie dann das wiedervereinigte Deutschland aus NATO heraushalten? Wenn man Sie so
fragen sollte, Herr Bundeskanzler, was werden Sie dann antworten? Sagen Sie es uns heute!
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Herr Kollege Schmid hat in seinen Ausführungen verschiedene Themen angeschnitten. Ich folge der Reihenfolge, in der er sie zur Sprache gebracht hat. Zunächst folgendes:
Herr Kollege Schmid hat sich das so vorgestellt, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amts mir unterstellt bleibe, Anweisungen von mir entgegenzunehmen und mir Bericht zu erstatten habe. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß ich, wenn ich entsprechend den Richtlinien meiner Politik Anweisungen zu erteilen habe, sie an den betreffenden Bundesminister gebe. Das ist so selbstverständlich, daß ich gar nicht begreife, wie Herr Professor Schmid überhaupt zu seiner Auffassung kommt.
— Meine Damen und Herren, es war von jeher, bei der Reichsregierung und bei der Vorgängerin der gegenwärtigen Bundesregierung, so, daß der Chef der Regierung das Recht hat, sich von einem Staatssekretär unmittelbar Vortrag halten zu lassen. Natürlich ist der Staatssekretär verpflichtet, das seinem Minister mitzuteilen.
Herr Schmid hat dann andeutungsweise verschiedene Aussprüche darüber getan, was ich in den Vereinigten Staaten gesagt haben soll. Ich will Ihnen sagen, was ich dort gesagt habe. Ich habe — und zwar mit Bezug auf den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, die Durchführung der Pariser Verträge zu stoppen — erklärt: Die Bundesrepublik bleibt den von ihr eingegangenen Verträgen treu!
Ich habe in gleicher Weise gesagt — und ich betone hier, daß keine Macht mir irgend etwas anderes zugemutet hat —, daß das wiedervereinigte Deutschland entsprechend dem Deutschlandvertrag seine Stellung selbst zu bestimmen hat.
Ich halte es aber für völlig unmöglich, zu erklären — wie das Herr Schmid jetzt wieder von mir verlangt —, das wiedervereinigte Deutschland solle bündnislos bleiben.
Der Bundesregierung ist von Herrn Schmid immer wieder der Vorwurf gemacht worden, wir legten jetzt die Stellung des wiedervereinigten Deutschlands fest. E r verlangt das doch jetzt damit, daß ich erklären sollte — in Moskau erklären sollte! —, das zukünftige wiedervereinigte Deutschland werde bündnislos bleiben. Ganz in Parenthese gesagt: das war ja ein sehr schöner Abgang, den Herr Schmid sich gesichert hat, indem er erklärte: Was er in Moskau sagen soll, das soll er jetzt uns hier sagen! — Ich wünschte wirklich dem Kollegen Schmid, daß
er einmal diplomatischen Verhandlungen beiwohnen könnte. Dann würde er doch ein anderes Bild davon bekommen. Ich wäre geradezu komplett unfähig, wenn ich der deutschen Öffentlichkeit jetzt das sagen würde, was ich in Moskau sagen will.
Die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid zu der Österreich-Sache halte ich für sehr unglücklich. Er hat seinen Parteigenossen da zu Hilfe kommen wollen.
— Nun, meine Herren, der Herr Vizekanzler Schärf hat doch ausdrücklich — nach der Presse — erklärt, daß seine Partei diejenige gewesen sei, die diese Bestimmung über die Beschlagnahme deutscher Vermögen in den Vertrag hineingebracht habe.
Im übrigen ist es Herrn Kollegen Schmid — er hat unser Verhalten gegenüber Amerika mit dem gegenüber Österreich verglichen — vielleicht in etwa bekannt, daß wir mit Amerika Krieg gehabt haben! Die österreichischen Dinge lagen doch wohl ganz anders;
nirgendwo ist ja Hitler so begeistert aufgenommen worden wie in Wien!
— Meine Herren, ich weiß nicht, was Sie wollen; soviel ich weiß, waren Sie seinerzeit genau so empört darüber, wie ich es gewesen bin!
Und nun, meine Damen und Herren, möchte ich Herrn Schmid noch eines sagen: Der Hauptgegenstand aller meiner Verhandlungen in den Vereinigten Staaten ist gewesen die Wiedervereinigung Deutschlands!
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, daß ich etwas in Verlegenheit war, als ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Mellies zum Etat des Bundeskanzlers hörte. Die Gravamina, die Herr Kollege Mellies vorbrachte, in allen Ehren, in vielen Punkten würde ich ihm zustimmen. Es sind Mißstände angedeutet worden, die auch uns nicht gefallen. Aber ich weiß nicht recht: Hatte man dabei in diesem Saal nicht das Gefühl, daß hier eine Menge doch recht kleiner Problematik zusammengescharrt wurde
angesichts von größeren Problemen, die sich doch
wahrhaftig in diesem Zusammenhang hätten erörtern lassen? Das ist nicht geschehen. Daß es nicht
geschehen ist, Herr Kollege Mellies, nehme ich als ein gutes Zeichen. Daß Sie von Ihrer Seite aus beim Haushalt des Bundeskanzlers tatsächlich nicht mehr an Kritik vorgebracht haben als das, was Sie sagten, müßte eigentlich den Schluß zulassen, daß Sie im übrigen mit ihm ganz zufrieden sind.
— Ich habe schon zugehört, Herr Kollege Mellies!
Herr Kollege Schmid hat dann gesagt, es zieme sich jetzt in diesem Augenblick weniger, eine außenpolitische Debatte zu führen, als Kritik am Instrument, an den Methoden zu üben.
Aber er hat dann — was ich schon voraussah —doch kräftig zugelangt und wieder einmal einen kurzen Exkurs über Außenpolitik gegeben.
Zunächst einmal zu den Beanstandungen im Technischen, also zur echten Kritik am Instrument: Auswahl der Personen. Natürlich sind wir alle darüber einig, daß gerade das Auswärtige Amt, dessen Arbeitsleistung für uns alle doch von größter Bedeutung ist, aus einem Stab von erstklassigen, tüchtigen Leuten zusammengesetzt sein sollte, die nach keinem anderen Gesichtspunkt ausgesucht sein sollten als nach ihrem fachlichen Können und ihrer fachlichen Zuverlässigkeit. Ich glaube, man ist in den vergangenen Jahren im Auswärtigen Amt auch in der Richtung bemüht gewesen. Kritik wird man immer anlegen können; es wird nie ein Auswärtiges Amt geben, von dem alle Seiten einverständig sagen werden: Da ist nun wirklich die Elite beisammen, die wir dort sehen wollen.
Das ist insbesondere dann unmöglich, wenn man an die großen Schwierigkeiten denkt — sie sind uns allen ja bekannt —, die bei der personellen Besetzung dieses Amtes in den vergangenen Jahren zu überwinden waren.
Zur Frage des Rechenschiebers, insbesondere des konfessionellen Rechenschiebers, dürfen wir ein ehrliches Wort sagen; gerade wir von der Christlich-Demokratischen Union dürfen es sagen: Meine Damen und Herren, auch uns wäre es wahrhaftig lieb, wenn es in diesem Lande eines Tages dazu käme, daß man nicht mehr nach der Konfession zu fragen brauchte.
— Ja, wir alle, Herr Kollege Schmid, das ist das Entscheidende! Wer zwingt uns denn diese Dinge immer wieder auf? Wenn man ständig z. B. den Vorwurf macht, es werde eine „katholische" Politik betrieben, es würden katholische Persönlichkeiten ausgelesen — obwohl doch eine nur oberflächliche Nachprüfung das Gegenteil beweist —, dann zwingt man uns dazu, den Rechenschieber herauszuholen und nachzuweisen, daß es eben nicht so ist.
— Prüfen Sie doch die Zusammensetzung der Behörden in Bonn einmal unter dem konfessionellen Gesichtspunkt wirklich nach. Es ist eben ein altes deutsches Unglück, diese konfessionelle Frage. Sie ist nun einmal da, und weil sie da ist — nicht weil
wir sie künstlich aufwerfen wollen —, haben wir diese Schwierigkeiten.
— Sie brauchen nicht zu lachen! Wir sind durchaus bereit — und tun es Tag um Tag, und die Personalpolitik in den Behörden beweist es ja —,
dieses Problem von Jahr zu Jahr mehr zu überwinden und tatsächlich dahin zu kommen, wohin wir hoffentlich gemeinsam gehen wollen.
Die Methoden der Diplomatie! Der Herr Bundeskanzler hat schon das Wesentliche darüber gesagt. Herr Kollege Schmid, ich glaube nicht, daß Sie der Bundesrepublik den Vorwurf machen können, sie habe in den vergangenen Jahren ihre Verhaltensweise zu den verschiedenen Mächten danach eingerichtet, ob diese Mächte klein oder groß, stark oder schwach seien.
— Ja, aber das ist ja eben eine falsche Beweisführung. Daß zufällig Österreich eine kleine Macht ist, hat damit gar nichts zu tun. Wenn Österreich eine große Macht gewesen wäre und es hätte sich verhalten, wie es sich verhalten hat, wäre unsere Kritik auch stärker und auch berechtigter gewesen als gegenüber den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
— Was wollen Sie mit Dänemark?
— Entschuldigen Sie, das ist nun das unglückseligste Beispiel, das Sie anbringen konnten.
Mit Dänemark verhält es sich so — es ist ganz schön daß ich das einmal von dieser Stelle aus sagen darf —: Den alten Streitpunkt, den wir mit Dänemark hatten, haben wir bereinigt. Wie haben wir ihn bereinigt? Es ist folgendermaßen zugegangen: Wir sind in Straßburg zusammengekommen —der Vertreter der Dänen, wir, — —
— Nein, eben nicht der Opposition, sondern der konservative dänische Abgeordnete Bögholm ist zu mir gekommen. Wir haben uns überlegt: Können wir die Dinge nicht einfach unter Freunden bereinigen? Denn schließlich soll der Europarat ja auch zu etwas gut sein.
Wir haben uns ausgesprochen. Er war hier; ich war in Dänemark. Wir haben das, was die Regierungen zu verhandeln hatten, in gemeinsamen Gesprächen vorbereitet, und was dann nachher die Regierungen zu tun hatten, war ganz einfach, nachdem auch unsere schleswig-holsteinischen Freunde, insbesondere auch mein Kollege Rasner, der damals vielleicht im Ton — und das meinten Sie ja wohl —,
sagen wir einmal: etwas
frisch gewesen ist, — gerade Kollege Rasner ist es
gewesen, den ich gebeten hatte, dabei mitzuwirken.
Er hat mit größtem Verständnis die Verhandlungen mit verfolgt und mit geführt, und er hat geholfen, sie zusammen mit unseren Freunden aus Schleswig-Holstein zu einem guten Ende zu führen. Man darf wohl sagen, daß man auch in Dänemark zufrieden war.
Ich gebe gerne zu: ich habe auch ein Gespräch mit Herrn Ollenhauer in diesem Zusammenhang gehabt, bei dem wir uns gegenseitig versprochen haben, die Angelegenheit zu fördern, so gut wir konnten.
Ich erzähle das nur deswegen, weil man wirklich nicht sagen kann, daß wir in diesem Zusammenhang dem „kleinen" Dänemark gegenüber arrogant oder auf sonst ungehörige Weise aufgetreten wären. Ich habe die große Freude, darauf hinweisen zu können, daß es heute schon Formen europäischer Zusammenarbeit gibt, die der rein privaten Initiative europäischer Abgeordneter entspringen und zu einem guten politischen Ergebnis führen können.
Wenn die Bundesrepublik sich wirklich verhielte, wie Kollege Schmid meinte, würden wir alle in diesem Hause sicherlich vollkommen einig sein.
Nun die Fragen der Methoden und der Zielsetzung der Außenpolitik. Wie oft haben wir uns in diesem Hause darüber unterhalten!
Bevor ich darauf kurz eingehe, richte ich einen Appell an Sie. Herr Kollege Schmid, Sie haben auf der Einladung zur Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses in dieser Woche gelesen, daß ich einen Tagesordnungspunkt: „Künftige Arbeitsweise des Ausschusses" aufgenommen habe. Es ist meine Absicht, diesen Ausschuß ganz und gar in den Dienst der außenpolitischen Bemühungen des Parlaments zu stellen. Wenn wir eine gemeinsame Gewissenserforschung über die Arbeit des Ausschusses anstellen — und Sie waren ja selbst einmal Vorsitzender des Ausschusses —, so werden Sie mir zugeben, daß es vielleicht nicht nur an der Regierung lag, daß der Ausschuß nicht immer befriedigend gearbeitet hat, sondern daß es auch an der Haltung der Ausschußmitglieder und nicht zuletzt auch der Mitglieder der Opposition lag, daß wir nicht weitergekommen sind. Ich könnte mir eine Arbeitsweise des Ausschusses denken, bei der ständig die sich wandelnde und entwickelnde außenpolitische Lage verfolgt und beobachtet wird, wobei sich der Ausschuß jeweils seine Meinung bildet. Dazu gehört aber eben ein Mindestmaß gemeinsamen außenpolitischen Wollens. Wir haben in diesem Ausschuß, glaube ich, in den vergangenen Jahren auch darunter gelitten, daß wir in dieser schrecklich erstarrten Frontenstellung einander gegenüberstanden und daß es dabei kaum echte Gesprächsmöglichkeiten gegeben hat. Wenn wir uns ehrlich anstrengen, kann das vielleicht in der Zukunft besser werden.
Ich stimme Ihnen zu, daß wir hoffen und erwarten, daß der Außenminister bei unseren Beratungen anwesend sein wird, damit wir uns mit ihm austauschen können. Ich muß aber den Bundeskanzler doch in Schutz nehmen. So gering, wie Sie es dargestellt haben, ist die Zahl seiner Besuche im Auswärtigen Ausschuß wahrhaftig nicht gewesen.
— Ja gewiß, ich habe es einigermaßen verfolgt. Er hat wirklich getan, was er konnte. Ich weiß, daß er stets, wenn ich ihn im Auftrage des Ausschusses gebeten habe, dazusein, versucht hat, darauf Rücksicht zu nehmen.
Einer der Vorteile der Besetzung des Außenministeriums mit einem eigenen Außenminister wird nun ohne Zweifel der sein, daß wir in unserem Ausschuß den Außenminister öfter als bisher bei uns haben können.
Ich will aber auch die Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, um wenigstens noch ein Wort zu dieser These zu sagen, es sei schlecht gewesen, daß der Bundeskanzler sich die Besetzung des Außenministeriums mit einem eigenen Außenminister so lange vorbehalten habe. Niemand wird mich in Verdacht haben, daß ich meinem Kollegen und Freund Heinrich von Brentano nicht gegönnt hätte, daß er nun einen Aufgabenbereich übernommen hat, der ihm liegt, den er gewünscht hat. Ich wünsche ihm wirklich dazu von Herzen alles Gute und allen Erfolg.
Aber auf der andern Seite ist doch folgendes zu sagen. Es klingt immer ein bißchen liebedienerisch — und es ist wahrhaftig nicht so gemeint —, wenn man darauf hinweist, daß es doch nun wirklich keine Neuigkeit ist, wenn man sagt, wie unverhältnismäßig groß der persönliche Kredit des Bundeskanzlers und Außenministers Konrad Adenauer war und ist und daß vielfach bei den zu führenden Verhandlungen dieser ganz persönliche Kredit es war, der den Erfolg beschieden hat.
Schließlich muß man es sich doch bei solchen Besetzungen von Positionen überlegen, ob es zweckmäßig ist — was ja mit der Bestellung eines Außenministers im allgemeinen zwangsläufig der Fall sein wird —, in internationale Konferenzen nun eine auf dieser Ebene noch nicht erprobte Kraft an Stelle eines Mannes zu schicken, der überall da, wo er bei internationalen Verhandlungen bisher auftrat, den hohen Respekt seiner Verhandlungspartner genossen hat, und zwar in einem ungewöhnlich hohen Maße.
Der Bundeskanzler hat nun selbst den Zeitpunkt für gekommen erachtet, wo er sich aus diesem Gebiet mehr zurückzieht, und er hat den Außenminister bestellt. Damit, glaube ich, ist den Wünschen, soweit man ihnen Berechtigung zusprechen kann, Rechnung getragen worden. Im übrigen, Herr Kollege Schmid, können wir es, glaube ich, Heinrich von Brentano ruhig überlassen, zu sehen, daß er sich als Außenminister gehörig durchsetzt.
Daß an den verantwortlichen Leiter der Politik in jeder Regierung der Welt, auch auf außenpolitischem Gebiete, alle möglichen Ratschläge herangetragen werden
— ja, ich weiß es, ich habe die Nuance wohl bemerkt — und sich alle möglichen Ratgeber mit ihm
in Verbindung setzen, ist doch nur natürlich. Es handelt sich dabei wirklich nur um Nuancen und darum, daß der neue Außenminister genau weiß, was seines Amtes ist.
— Ich glaube es, Herr Kollege Schmid: jedenfalls nach den Unterhaltungen, die ich mit ihm geführt habe, glaube ich es zu wissen.
Nun aber zu dem letzten Teil Ihrer Ausführungen. Wieder läuft es auf unseren alten Streitpunkt hinaus. Sie behaupten: Es gibt keine Wiedervereinigung, wenn man nicht sofort und von vornherein erklärt: das wiedervereinigte Deutschland hält sich bündnisfrei. Ich möchte wissen, woher Sie den Mut zu dieser These nehmen.
In den letzten Jahren sind so viele Thesen von Ihnen aufgestellt worden, die durch die geschichtliche Entwicklung widerlegt worden sind;
man kann ein ganzes Register anlegen. Herr Wehner hält mir entgegen: „Sie werden auf Ihren Verträgen sitzenbleiben"; man hat uns entgegengehalten: Sowjetrußland wird nicht mehr verhandeln.-
Sowjetrußland verhandelt, es lädt sogar den Bundeskanzler nach Moskau ein!
— Ach, nicht wegen der „Politik der Stärke"; lieber Herr Kollege, ich möchte wohl wissen, was, da immerhin unsere Politik die deutsche Politik gewesen ist und nicht Ihre Politik — wie soll ich sie nennen, „der Schwäche" etwa? —,
wohl der Grund für Sowjetrußland gewesen sein muß, nun den Bundeskanzler einzuladen. Wenn es sich um eine Verkettung von Ursache und Wirkung handelt, dann ist doch offenbar unsere Politik die Ursache gewesen, welchen Namen Sie ihr immer beilegen mögen.
Ich will mich nicht wiederholen; sonst müßte ich Ihnen auch wieder sagen, was Ihre kollegiale „Wiener Arbeiterzeitung" gesagt hat: daß man den österreichischen Staatsvertrag nur bekommen habe, weil und seitdem die Pariser Verträge unterzeichnet worden seien. Ich habe es ja bei der letzten Bundestagsdebatte schon gesagt. Ich glaube, bei Ihnen liegt ein tiefes Mißverstehen der totalitären Mentalität vor.
Ich persönlich glaube, daß man in Sowjetrußland sehr viel besser verstehen würde, was wir zu sagen haben. Wir sagen nämlich den Leuten in Moskau ziemlich klar, was wir wollen. Wir sagen ihnen: Wir wollen, auch wir, Frieden, Entspannung; ihr braucht uns wahrhaftig nicht zu fürchten. Es sind doch einfach Ammenmärchen, daß man vor einer Wiedererstehung des deutschen Militarismus in Rußland angesichts der gigantischen Technisierung des modernen Krieges Angst zu haben brauche. Wir müssen den Russen sagen: wir sind durchaus bereit, auch eurem Sicherheitsbedürfnis Rechnung zu tragen. Als ich das letztemal bei der
Debatte fragte, was Sowjetrußland wolle, haben Sie, Herr Kollege Schmid, mir zugerufen: Sicherheit! Die Antwort hat mich erschreckt. Sowjetrußland will gewiß wie jedes Staatswesen auch Sicherheit, aber daß es im gegenwärtigen Augenblick nur Sicherheit wollte und daß es gar die ganzen letzten zehn Jahre hindurch nur Sicherheit wollte, das kann man nun doch wirklich nur verteidigen, wenn man zu behaupten bereit ist, daß die Politik, die Sowjetrußland betrieben hat mit den Baltischen Staaten, mit Polen, mit der Tschechoslowakei, mit Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Albanien, — daß diese ganze Politik eine Sicherheitspolitik gewesen sei.
Ich fürchte, mancher Sowjetrusse würde Ihnen das auch so anbieten.
Wie ist es wirklich gewesen? Sowjetrußland hat die Lage — ich wiederhole es —, die heute besteht, selbst heraufbeschworen. Es war ein grundsätzlicher Fehler der westlichen Politik, nach dem letzten Weltkriege die Waffen wegzulegen und nach Hause zu gehen in dem Glauben, daß nun alles gut gehen werde. Sowjetrußland hat diese Pause ausgenutzt. Sie wissen das genau so gut wie wir. Erst von Berlin, erst von Griechenland, von Korea ab trat dann die gegenläufige Entwicklung ein. Sowjetrußland hat seine Expansion nicht aus freiem Willen gestoppt, sondern weil diese gegenläufige Entwicklung des Westens begann.
Schön, wir werden den Sowjetrussen sagen: wenn ihr Sicherheit braucht, worauf habt ihr denn eure eigene Sicherheit aufgebaut, worauf wollt ihr sie aufbauen? Kollektives Sicherheitssystem? — Gut, akzeptiert. Aber ihr seid dazu noch bis an die Zähne bewaffnet, und ihr wißt ganz genau, daß ihr kein kollektives Sicherheitssystem annehmen würdet, ohne daß ihr erst diese sehr realen Voraussetzungen im eigenen Verteidigungsraum geschaffen hättet. Also habt bitte auch Verständnis für die andere Seite!
Und zur anderen Seite gehört nun einmal nicht nur die Neue Welt, gehören nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, zur anderen Seite gehören auch wir. Einer der Ihren, Herr Wenzel Jaksch, hat bei einer Gelegenheit völlig richtig ausgesprochen, worum es geht. Es geht darum, daß bei dem von Ihnen vorgestellten kollektiven Sicherheitssystem unser ganzes Schicksal ausschließlich von dem guten Willen Moskaus abhängig wäre, sich an die Pakte zu halten. Ich bestreite nicht, meine Damen und Herren, daß es auch einmal einen Zeitpunkt geben kann, wo man vielleicht in Moskau nicht nur taktisch, sondern sogar strategisch seine Politik ändert. Nichts in dieser Welt ist ewig, auch in Moskau nicht. Aber berechtigt uns irgendein Anzeichen, irgendein Vorkommnis in der sowjetrussischen Politik, anzunehmen, daß dieser Zeitpunkt heute etwa schon eingetreten sei? Ich möchte den in diesem Saale sehen, der diese These aufzustellen wagen könnte!
In Sowjetrußland hat sich taktisch vielerlei geändert, und man muß das mit Aufmerksamkeit verfolgen. Wir werden es ganz bestimmt tun. Ich habe schon oft genug gesagt, schon allein die sogenannte friedliche Koexistenz bedeutet bei all ihrer Problematik viel, d. h. daß Sowjetrußland
statt des heißen Krieges für eine gewisse Zeit den politisch-propagandistischen Krieg gewählt hat.
Nun sagen Sie: aber wenn Sie nach Moskau kommen — ich will dem Herrn Bundeskanzler gewiß nicht vorgreifen —, dann werden Ihnen Fragen vorgelegt werden, und Sie haben mit Ja oder Nein zu antworten. Entschuldigen Sie, ich stelle mir das Gespräch ein bißchen anders vor.
Beide Seiten werden Fragen stellen, beide Seiten werden Antworten geben, und aus Frage und Antwort wird sich ein Gespräch entwickeln.
— Lieber Herr Kollege, Sie erwarten immer Wunder. Sie glauben, daß von heute auf morgen sich die erstarrten Fronten der Welt auflösen und die Blöcke wegschmelzen wie Schnee an der Frühlingssonne. So einfach ist es nicht, Blöcke aufzulösen.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege Schoettle, dann will ich Ihnen antworten. Nicht Sie, aber Ihr Kollege Professor Schmid hat gesagt, man müsse eine Politik treiben, die die Blöcke auflöst.
— Gut, das ist schon sehr viel. Es klang nur nicht so überzeugend.
Wenn Sie aber sagen, daß das lange dauern wird, dann können Sie nicht im gleichen Atemzug verlangen, daß zwar die Blöcke langsam und allmählich auftauen, daß aber die deutsche Wiedervereinigung von uns wie aus dem Zauberhut dem deutschen Volk übermorgen präsentiert wird.
Die Möglichkeiten der Verhandlung mit Sowjetrußland sind doch wirklich nicht so beschränkt. Wenn der schlimmste Fall einträte, daß die Sowjetrussen ihr Ja zu einer deutschen Wiedervereinigung wirklich nur unter der Bedingung der Bündnislosigkeit Deutschlands gäben, warum akzeptieren Sie das von vornherein als Ihre einzige Arbeitshypothese?
Lassen Sie uns doch einmal abwarten, wozu dieses Gespräch führt, wozu man in Moskau bereit ist, wenn wir unseren Standpunkt klarlegen. Wir können den Sowjetrussen ganz ehrlich sagen: Seht, das ist unsere Konzeption; wir wollen die Wiedervereinigung, aber wir wollen diese Wiedervereinigung in wirklicher Freiheit, d. h. in gesicherter Freiheit, und das können wir nur haben, wenn die Dinge in Westeuropa soundso ausgehen.
Ich weiß, daß es das große Anliegen der sowjetrussischen Politik ist, die amerikanischen Stützpunkte aus Westeuropa wegzubekommen. Gut, dann müssen die Sowjetrussen dazu beitragen, daß die sowohl für die westliche Politik als auch für uns selbst annehmbaren Voraussetzungen geschaffen werden, die es erlauben, jene Stützpunkte aufzugeben!
Welches sind diese Voraussetzungen? Wir müssen eine Lage schaffen, bei der auch Westeuropa nicht — und jetzt komme ich auf Gedankengänge Ihres Kollegen Herrn Wenzel Jaksch zurück — in einer praktisch wehrlosen Situation belassen wird, die zwar vielleicht in einem Konfliktsfall Sanktionen der westlichen Welt, aber verspätete Sanktionen, auslösen könnte. Wir wissen doch, wie problematisch solche Sanktionen sind.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben wir gefährliche Beispiele erlebt. Die Frage, ob wirklich Sanktionen ausgelöst würden, hängt j a weitgehend auch davon ab, wie die übrige Welt zum Angriffsobjekt innerlich, gefühlsmäßig steht. Ich glaube, es ist nicht mehr als gut und nützlich, wenn wir in dieser Stunde anläßlich der Einladung, die von Moskau ausgegangen ist, der westlichen Welt nicht den Verdacht geben, wir seien Situationspolitiker, die je nachdem ihr Fähnlein nach dem Winde hängen.
Wir haben unsere Freunde gewählt. Das bedeutet nicht, daß wir unsere Feinde gewählt haben. Wir wollen mit Rußland keine Feindschaft. Aber wir müssen mit der Tatsache, mit dem Phänomen Sowjetrußland rechnen, so wie es nun einmal ist.
Immer, wenn ich die außenpolitischen Darlegungen der Sozialdemokratischen Partei höre, vermisse ich eins: den Hinweis darauf, daß es sich bei Sowjetrußland eben einfach nicht mehr um eine Macht im überlieferten Sinne des Wortes handelt, mit der man paktieren kann, so wie man ehedem paktiert hat — man hat schon da schlechte Erfahrungen genug gemacht —, sondern daß es sich bei Sowjetrußland um etwas qualitativ anderes handelt, um eine Macht, die verbündet ist mit einer weltrevolutionären aggressiven Ideologie. Es klingt allmählich banal, wenn man es tausendmal wiederholen muß, aber es wird doch deswegen nicht weniger wahr. Ich weiß nicht, ob ich es bei einer dieser Debatten schon erwähnt wabe: während der Weimarer Zeit, als Deutschland der einzige Verbündete Sowjetrußlands war, ist jedes Jahr einmal in der „Iswestija" oder „Prawda" ein Artikel erschienen, oder ein bolschewistischer Führer hat eine Rede gehalten, worin es hieß, das Bündnis mit Deutschland — Rapallo — gelte nur auf Widerruf, bis nämlich Deutschland für die kommunistische Revolution reif geworden sei. Und Stresemann mußte sich drei Jahre nach dem Berliner Vertrag, 1929, in Moskau offiziell darüber beklagen, daß eine ihm nachgebildete Strohpuppe bei der Maifeier des Jahres 1929, am Galgen hängend, über den Roten Platz getragen wurde. Dieses unheimliche Phänomen müssen wir in Rechnung stellen.
Ich gehöre nicht zu denjenigen, die gewisse Anzeichen mindestens erheblicher taktischer Änderung der Politik Moskaus — ich wiederhole es — einfach übersehen wollen, und deshalb begrüße ich alle Möglichkeiten eines Gesprächs. Wir müssen dabei nur von vornherein — es nützte gar nichts, wenn wir anders vorgehen würden — klarmachen, was wir wirklich wollen. Die Leute in Moskau sind Realisten. Ihre bisherige Politik hat gezeigt, daß der Schwache von ihnen immer niedergewalzt worden ist.
Derjenige dagegen, der wußte, was er wollte und der auf seinem Standpunkt unter Berücksichtigung auch der Bedürfnisse der Sowjetunion bestand, hat mehr Aussicht auf erfolgreiche Verhandlungen, als, glaube ich, Ihre Politik das haben würde.
Ich bin sogar im Gegenteil fest davon überzeugt, meine Herren von der Sozialdemokratie: Wenn wir das Glück gehabt hätten, daß wir uns in den letzten Jahren wenigstens auf außenpolitischem Gebiet gefunden hätten, wenn hinter dieser Außenpolitik, die mit einem etwas unglücklichen Ausdruck „Politik der Stärke" genannt wurde — sie ist ja in Wirklichkeit eine Politik des Ausgleichs oder des Kräftegleichgewichts —, dieses ganze Haus und das ganze Volk gestanden hätten und wir mit dieser großartigen Einmütigkeit nach Moskau kämen, — glauben Sie nicht, daß dann die Chancen einer deutschen Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit ungeheuer viel größer geworden wären?!
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Nach den getroffenen Vereinbarungen rufe ich nunmehr auf:
Einzelplan 12 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr .
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es darf vorausgesetzt werden, daß der Bericht über den Verkehrshaushalt nicht so interessant ist wie die Debatte über Fragen der Außenpolitik. Immerhin hängt auch von diesem Einzelplan, einem der umfangreichsten des ganzen Haushaltsplans, einiges für das Leben unseres Volkes ab. Ich werde mich bemühen, den Bericht so kurz wie möglich zu erstatten. Dieser Bericht stützte sich in der Arbeit des Haushaltsausschusses zunächst einmal auf den in der Ausschußdrucksache 279 schriftlich vorliegenden Bericht des Berichterstatters. Ihnen liegt heute die Drucksache 1512 mit dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses vor.
Manches von dem, was heute morgen hier in der Debatte bezüglich des Verhältnisses zwischen Parlament und Bürokratie anklang, findet auch in den vorbereitenden Beschlüssen des Haushaltsausschusses zum Haushalt des Verkehrsministeriums seinen Niederschlag.
Ich darf an Hand des Berichts an die wichtigsten Einsparungen prinzipieller Natur, nicht zahlenmäßigen Umfangs, erinnern. Wir haben im Haushaltsausschuß verhindert, daß die an sich bescheidenen Forderungen des Verkehrsministeriums auf Vermehrung der Planstellen in vollem Umfange verwirklicht wurden. Wir haben unsere besondere Aufmerksamkeit den Reisekosten bei den einzelnen Kapiteln und Titeln des verkehrsministerialen
Haushalts zugewandt, so im Bereich des Bundesministeriums für Verkehr selbst, so auch im Bereich der Binnen- und der Seewasserstraßenverwaltung sowie der Bundesanstalt für Wasserbau. Wir haben auch bei den Autokosten nach Kräften gestrichen und eingespart, auf der andern Seite aber neuen Bewilligungen zugestimmt, von denen ich eine hervorragende nenne: die Vorbereitung des Baues einer Staustufe bei Geesthacht an der Elbe mit einem ersten Betrag von 100 000 DM.
Die Bedeutung des Haushalts im Rahmen des Gesamthaushalts ergibt sich aus einigen interessanten Zahlen. Der Gesamthaushalt des Bundes weist im ordentlichen Teil 26 521 Millionen auf, der ordentliche Haushalt des Verkehrsministeriums 901,1 Millionen und damit 3,4 % des gesamten ordentlichen Haushalts des Bundes. Der außerordentliche Haushalt des Bundes weist eine Endsumme von 1674,5 Millionen auf. Davon entfallen auf den Einzelplan 12 0,5 Milliarden oder 26,5 %.
Innerhalb des Kap. 1201 Personal- und Sachausgaben ist eine Steigerung von 11,5 Millionen im Vorjahr auf 12,8 Millionen in diesem Jahr festzustellen, die aber mit 1,2 Millionen auf eine Verlagerung eines Titels entfällt, nämlich auf die bisher im Einzelplan 60 aufgeführten Beihilfen auf Grund der Beihilfengrundsätze.
Der Haushaltsausschuß hat es sich bei der Beratung der einzelnen Kapitel nicht leicht gemacht. Eines der schwersten und in seiner Bedeutung weitesttragenden Kapitel war nach dem Zustandekommen des Verkehrsfinanzgesetzes und schon vorher die Frage der Bundesleistung zugunsten der Deutschen Bundesbahn. Sie finden in dem Ihnen gedruckt vorliegenden Haushalt eine Summe von 200 Millionen DM für eine Liquiditätshilfe für die Bundesbahn, die nach einer vom Vertreter des Bundesfinanzministeriums im Haushaltsausschuß dargelegten Auffassung den Charakter eines Darlehens haben soll. Sie finden ein eigentliches, als solches bereits bezeichnetes Darlehen von 100 Millionen DM zugunsten der Bundesbahn und eine Leistung aus den Erträgnissen des Verkehrsfinanzgesetzes von 148 Millionen.
Meine Damen und Herren, hierhin gehört nun die Behandlung eines Antrags Drucksache 1092 der Abgeordneten Müller-Hermann und Genossen, der folgenden Wortlaut hat:
Der Haushaltsausschuß des Bundestages wird beauftragt, im Zusammenhang mit den Beratungen des Haushaltsgesetzes 1955 die Übernahme der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn durch den Bund zu prüfen. Der Bundestag erwartet einen Bericht anläßlich der zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1955.
Hier liegt in der Zwischenzeit das Gutachten des sogenannten Wetzler-Ausschusses vor. Dieses Gutachten geht in einer Reihe von Punkten von der Berechtigung der Forderung auf Übernahme der sogenannten betriebsfremden oder politischen Lasten von der Bundesbahn auf den Bund aus. Der Haushaltsausschuß hat sich mit Mehrheit aber dahin entschieden, sich bis jetzt nicht als imstande befindlich zu erklären und zu betrachten, über die Frage der Notwendigkeit der Übernahme der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn durch den Bund ein Urteil zu bilden. Er erwartet hierüber eine Vorlage der Bundesregierung, die
zusammen mit dem Bericht des erweiterten Sachverständigenausschusses die Grundlagen für einen Antrag des Haushaltsausschusses an das Plenum zu Drucksache 1092 liefern soll, also eine Erledigung, die nach Auffassung der Mehrheit heute nicht möglich ist, sondern hinausgeschoben werden soll.
Im Bereich des Bundesbahnkomplexes hat die Frage der Arbeitszeit der Bundesbahnbeamten und -angestellten eine gewisse Rolle gespielt. Wir haben den Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Herrn Minister a. D. Dr. Hilpert , zu uns gebeten, und er hat auch darüber gesprochen. Aus einem ergänzenden Brief möchte ich Ihnen mit Rücksicht auf die Bedeutung dieser Frage der Überlastung von Bahnbeamten — bedeutend mit Rücksicht auf die Gefährdung des Verkehrs — einige wenige Sätze mitteilen. Es heißt hier in der Information durch Herrn Dr. Hilpert:
Die Länge der Dienstschicht — also einschließlich Dienstbereitschaft und Pausen — beträgt jetzt im stationären Dienst in der Regel zwischen 8 bis 12 Stunden; über 12 Stunden darf die Schicht bis 14 Stunden nur dann ausgedehnt werden, wenn in ihr eine Pause von mindestens 2 Stunden enthalten ist; im Zug- und Kraftwagendienst in der Regel bis höchstens 12 Stunden; sie darf bis 14 Stunden (früher 16 Stunden) ausgedehnt werden, insbesondere wenn in ihr eine mindestens 2stündige Pause enthalten ist.
Nach den Erhebungen der Bundesbahn arbeiteten von den gesamten unter die Dienstdauervorschriften fallenden Personen in Dienstschichten in einem siebentägigen Zeitraum am 1. September 1937 im Vergleich zum 30. Juni 1952 über 48 bis 54 Stunden früher 20,75 % aller Beamten und Angestellten, heute 39,26 %, über 54 bis 60 Stunden früher 32,33 %, heute 25,89 %, über 60 bis 66 Stunden früher 24,19%, heute 6,61 %, über 66 bis 72 Stunden früher 15,62 %, heute 2,97 %, über 72 bis 78 Stunden — das gibts auch noch — früher 4,83 %, heute 0,62 %, über 78 bis 84 Stunden früher 1,32 %, heute 0,38 %. 1937 gab es sogar 0,05 %, die über 90 Stunden tätig waren oder in Bereitschaft standen.
In dem Einzelplan, der Ihnen vorliegt, ist von Wichtigkeit, weil dazu in der Zwischenzeit noch ein Antrag gestellt worden ist, Kap. 12 02 Tit. 890, Bundesleistung an die Privatbahnen. Sie erinnern sich an das Verkehrsfinanzgesetz. Dieses Verkehrsfinanzgesetz hat einen Abschnitt VI „Finanzierungshilfe für nichtbundeseigene Eisenbahnen". Darin wird der Bundesregierung eine Ermächtigung erteilt, während der zehn auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Rechnungsjahre durch die Bundesminister für Verkehr und der Finanzen nichtbundeseigenen Eisenbahnen darlehnsweise jährliche Finanzierungshilfen bis zur Höhe von 10 Millionen DM zu gewähren, die angemessen verzinst werden sollen. In der Neufassung der Erläuterungen zu Kap. 12 02 Tit. 510 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Mittel für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen noch nicht vorgesehen sind. Der Herr Bundesverkehrsminister hat in der Sitzung des Haushaltsausschusses die Frage der Bereitstellung von Mitteln für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen als nicht sehr dringlich bezeichnet unter Hinweis darauf, daß die Bahnen ja noch nicht in der Lage seien, entsprechende Investitionspläne aufzustellen.
Die Liebe des Hauses muß diesen nichtbundeseigenen Eisenbahnen mindestens in dem Verhältnis gelten, wie die öffentliche Hand an ihnen beteiligt ist, nämlich zu etwa 70 %. Nun haben mehrere Mitglieder des Hauses einen Antrag auf Umdruck 428 *) eingereicht und fordern darin die Bereitstellung von 4 Millionen DM als Darlehen, zugleich aber die Erhöhung des Einnahmeansatzes im Einzelplan 60 Kap. 60 01 um die gleichen 4 Millionen DM. Es wird gegebenenfalls der Erörterung bei. Einzelplan 60 vorbehalten bleiben müssen, ob ein Weg dieser Art gangbar ist. Ich darf Ihnen vorweg sagen, daß ich ihn nach kritischer Überprüfung der Sachlage als nicht gangbar erachte
und daß ich befürchte, daß die Bewilligung eines Darlehens von 4 Millionen DM an die nichtbundeseigenen Eisenbahnen mit ,diesem Zwang zur Aufbringung ein Schlag ins Wasser sein würde.
In der Zwischenzeit aber — und ich freue mich, das feststellen zu können — ist eine Verständigung mit dem Bunidesfinanzministerium zustande gekommen, die meiner Meinung nach diesen Antrag gegenstandslos machen könnte. Das Bundesfinanzministerium ist bereit, aus Kassenmitteln vorläufig in diesem Rechnungsjahr den gewünschten Betrag von 4 Millionen DM zu einem üblichen Zinsfuß von etwa 4 % zur Verfügung zu stellen. Damit würden die nichtbundeseigenen Eisenbahnen in der Lage sein, Bestellungen zu finanzieren, die auf dem Gebiete der Verbesserung ihres Fahrzeugparks dringend erforderlich sind.
Nun, meine Damen und Herren, im Rahmen des Einzelplans gibt es eine Fülle von Zahlen, von denen ich mit Rücksicht auf das große Interesse, das idas Haus diesem Einzelplan beweist, nur einige wenige zur Kenntnis bringen möchte. Im Bereich der Seeschiffahrt werden zur Verfügung gestellt 50 Millionen DM, für die Berufsausbildung der Seeleute 0,4 Millionen DM, für die Investitionen der Deutschen Lufthansa 15 Millionen DM, für die Lufthansa noch ein Betriebszuschuß von 15 Millionen DM, dann 2 Millionen DM und 1 Million DM für Flughafengesellschaften und dergleichen mehr, 4,32 Millionen DM für die Förderung des Ausländerreiseverkehrs in Deutschland. Im Bereich der Binnenwasserstraßenverwaltung erfolgen — wenn dieser Etat angenommen wird — Bewilligungen in Höhe von insgesamt 74 436 200 DM. Entsprechende Bewilligungen erfolgen auch für Seewasserstraßen.
Das Hauptkapitel aber, das uns neben der Bundesbahn schon der Größenordnung wegen am stärksten interessieren muß, sind die Straßen. Wir 'haben in den Jahren 1950 bis 1953 für Bundesfernstraßen ausgegeben 213 Millionen, 225 Millionen, 264 Millionen und 313 Millionen DM. Im ganzen sollen in diesem Jahre 442,6 Millionen DM auf Bundesfernstraßen entfallen. nachdem im Vorjahr 296.9 Millionen DM auf die Bundesfernstraßen entfielen. Von diesen 442 Millionen DM entfallen 245 Millionen DM planmäßig auf Bundesstraßen und 197,6 Millionen DM auf Bundesautobahnen.
Von den im außerordentlichen Haushalt enthaltenen 163,5 Millionen DM entfallen 109,5 Millionen DM oder 67 % auf die Fortführung von Bauvorhaben und nur 54 Millionen DM oder 33 % auf neue Bauvorhaben, für die in den Vorjahren noch keine Ansätze ausgebracht worden waren.
*) Siehe Anlage 8.
Im einzelnen sind im Straßenhaushalt folgende interessante Ansätze enthalten: Unterhaltung der Bundesstraßen und Bundesautobahnen 123 Millionen DM, Um- und Ausbau der Bundesstraßen und Bundesautobahnen 41,9 Millionen DM, Neubau an Bundesstraßen und Bundesautobahnen 61 Millionen DM. Es handelt sich bei dem letzteren um 71 Bauvorhaben, in der Hauptsache um Ortsumgehungen. Davon betreffen 61 Ansätze mit 55 Millionen DM die Fortsetzung von bereits begonnenen Bauten und nur 10 Ansätze mit 6 Millionen DM den Beginn von neuen Baumaßnahmen.
Ein sehr schwieriges und wahrscheinlich nicht leicht oder überhaupt nicht zu lösendes Kapitel ist die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für die Beseitigung von Frostschäden. Wir haben im Haushalt nur 20 Millionen DM, für die Beseitigung von Kriegsschäden 41,2 Millionen DM und dann einige zu geringe Beträge zugunsten von Gemeinden. So werden 2,4 Millionen DM als Zuschüsse für den Ausbau von Ortsdurchfahrten in Gemeinden von mehr als 9000 Einwohnern bereitgestellt, 2,6 Millionen DM als Haushaltsmittel für Zubringerstraßen und 3,3 Millionen DM als Darlehen und Zuschüsse zum Wiederaufbau kriegszerstörter Brücken, die sich in der Baulast von Gemeinden befinden.
Abschließend darf ich feststellen, daß der Haushalt 1955 nach dem Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes nunmehr die Möglichkeit zur Fortsetzung des seit Jahren geforderten Autobahnneubaus gibt. Der vorliegende Haushalt sieht hierfür Baumaßnahmen mit einer Gesamtbausumme von 194 Millionen DM vor, wovon 118 Millionen DM im Haushalt ausgebracht sind und 76 Millionen DM durch die Öffa im Kreditwege beschafft werden sollen. Für den Neubau sowie größeren Um- und Ausbau von Bundesstraßen im Rahmen des Verkehrsfinanzgesetzes enthält der Haushalt einen Ansatz von 16 250 000 DM. Vorgesehen sind zunächst aber nur 40 Millionen DM, von denen 20 Millionen DM für die Beseitigung von Frostschäden eingeplant sind. Die danach noch fehlenden Mittel sollen im Wege des Vorgriffs bereitgestellt werden. Die Menge und der Umfang der Frostschäden werden vom Bundesverkehrsministerium auf 50 Millionen DM beziffert.
Sie sehen, daß der Haushalt knapp ist, daß bei aller Reichhaltigkeit der Mittel von mehr als 1,3 Milliarden DM auf den einzelnen Bedarf viel zu wenig entfällt und daß es der großen Sorge dieses Hohen Hauses bedarf, um künftig mehr Mittel, als auch auf Grund des Verkehrsfinanzgesetzes bereitgestellt werden konnten, bereitzustellen; denn die Verkehrsdichte und der Zustand der Straßen stellen gegenüber den bereitstehenden Mitteln eine derart wesentliche und entscheidende Überforderung dar, daß die Aufmerksamkeit des Parlaments wie auch der Regierung notwendig ist, um in nächster Zukunft einen Weg zu einer entscheidenden weiteren Verbesserung zu finden.
Ich darf dem Herrn Berichterstatter für seinen eingehenden Bericht danken. Es liegt nur an dem Umstand, daß der Bericht unglückseligerweise in die Mittagsstunden fällt, daß er nicht in so großem Umfang Aufmerksamkeit gefunden hat, wie es sonst sicherlich der Fall gewesen wäre.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Umdruck 403 *) legen wir Ihnen drei Anträge zum Haushalt des Verkehrsministeriums vor. Mit den Anträgen wollen wir zweierlei erreichen: einmal die Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn verbessern und zum andern die Sicherheit im Schienen- und Straßenverkehr erhöhen.
Die Anträge, die wir heute stellen, sind nicht neu. Sie sind in den Ausschüssen, allerdings mit etwas unterschiedlichen Ergebnissen, eingehend beraten worden. Der Verkehrsausschuß hat teilweise einstimmig zugestimmt. Im Haushaltsausschuß wurden sie mit Mehrheit abgelehnt. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser unterschiedlichen Wertung haben wir die Anträge neu aufgenommen und hoffen, daß bei einer sachlichen Wertung unserer Argumente sich für unsere Anträge im Plenum eine Mehrheit finden läßt.
In unserem ersten Antrag bitten wir Sie um Ihre Zustimmung zu einer teilweisen Abgeltung der betriebsfremden Lasten der Bundesbahn. Der Herr Berichterstatter hat eine Reihe von Einzelheiten hierzu vorgetragen. Ich kann mich, glaube ich, in diesem Zusammenhang etwas kürzer fassen. Ich darf bei der Begründung voraussetzen, daß die defizitäre Lage der Bundesbahn bekannt ist. Der Betriebsverlust belief sich in den beiden vergangenen Jahren auf etwa je 600 Millionen DM. Er ist für das laufende Jahr auf über 800 Millionen DM geschätzt worden.
Ich will es mir an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit versagen, in eine Analyse der Defizite einzutreten. Aber eines scheint mir absolut festzustehen: daß die hohen Defizite im wesentlichen dadurch mitverschuldet worden sind, daß man de Bundesbahn nach der Währungsumstellung in zunehmendem Maße betriebsfremde Lasten auferlegte, Aufwendungen, die im letzten Jahr über 300 Millionen DM hinausgingen und die mit dem Betrieb der Bundesbahn überhaupt nichts zu tun haben.
Wir sind der Meinung, daß die betriebsfremden Lasten in Widerspruch zum Bundesbahngesetz stehen. Nach § 4 des Gesetzes soll die Bundesbahn nach kaufmännischen Grundsätzen geführt werden. Eine kaufmännische Geschäftsführung der Bundesbahn besagt, daß die Bahn ihren Betrieb in Ordnung halten und darum bemüht sein soll, einen Ausgleich zwischen Aufwand und Ertrag zu erzielen. Wir sind der Meinung, daß das auch möglich gewesen wäre, wenn die Bundesregierung der Bundesbahn nicht frühzeitig unzumutbare und untragbare betriebsfremde Lasten auferlegt und sie dadurch in eine Verlustwirtschaft hineingezwungen hätte.
Diese — unverschuldeten — Betriebsverluste haben die Bundesbahn zu einer Kette von unglücklichen Maßnahmen veranlaßt, und aus dieser Kettenreaktion haben sich zu einem erheblichen Teil die hohen Defizite in den letzten Jahren ergeben. Wir sind der Meinung, daß durch die betriebsfremden Lasten das Betriebsbild der Bundesbahn völlig verzerrt worden ist. Unser Antrag verfolgt daher den Zweck, zu einer Entzerrung des Betriebsbildes zu kommen und den betriebswirtschaftlichen Unsinn wenigstens teilweise zu korrigieren.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns mit unserem Vorhaben, glaube ich, in guter Gesellschaft. Die Regierungskoalition hat mit ihrem Um-
*) Siehe Anlage 5.
druck 429 einen Antrag gestellt, der ungefähr auf der gleichen Ebene liegt. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wollen der Bundesbahn die betriebsfremden Lasten abnehmen. Aber wenn Sie es ehrlich meinen — und ich unterstelle Ihnen natürlich, daß Sie es ehrlich meinen —, dann verstehe ich allerdings nicht ganz den Sinn Ihrer Erläuterungen. In Satz 2 Ihrer Erläuterungen steht z. B., daß der Betrag als Beitrag zur Bestreitung von Lasten gelten soll, die der Deutschen Bundesbahn nicht zugemutet werden können. Sie sprechen also von „unzumutbaren Lasten". Im ersten Satz sprechen Sie davon, daß „die noch angespannte Finanzlage der Deutschen Bundesbahn . . . es erforderlich" mache, „ihr zur Erhaltung ihrer Liquidität einen nicht rückzahlbaren Betrag von 200 000 000 DM für das Jahr 1955 zuzuweisen".
— Ich komme darauf! Mir scheint das widerspruchsvoll zu sein; denn entweder sind die betriebsfremden Lasten unzumutbar aus Gründen einer kaufmännischen Geschäftsführung, dann kann man ihre Abgeltung nicht vom Zustand der jeweiligen Liquidität abhängig machen; oder aber Sie sehen die jeweilige Finanzlage der Bundesbahn als das entscheidende Kriterium an, dann ist die Abgeltung im Prinzip nur eine Liquiditätshilfe. Je nachdem also, ob Sie nun das Kriterium der Liquidität oder das Kriterium der Unzumutbarkeit herausstellen, ist es entweder eine echte Abgeltung oder eine von Fall zu Fall zu gewährende Liquiditätshilfe.
Deswegen, meine sehr geehrten Herren von der Regierungskoalition, wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns sagen würden, was Sie mit Ihrem Antrag bezwecken. Nach unserer Auffassung genügt es, wenn die Erläuterungen nur den Hinweis enthalten, daß sich die betriebsfremden Lasten zur Zeit auf mehr als 300 Millionen DM belaufen und es sich im vorliegenden Haushalt nur um eine teilweise Abgeltung der betriebsfremden Lasten handelt. Wenn wir das in die Erläuterungen aufnehmen, werden wir einer solchen Erläuterung zustimmen.
— Nein, nicht in der gewünschten Klarheit, Herr Müller-Hermann, die ich Ihnen eben auseinandersetzen durfte.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir auch in den Details differieren, so waren wir uns doch, glaube ich, im Verkehrsausschuß im Prinzip einig.
Im Verkehrsausschuß haben wir die Feststellung machen müssen, daß der Widerstand von dem Herrn Bundesfinanzminister ausgeht. Wir haben feststellen müssen, daß das Hauptargument des Herrn Bundesfinanzministers immer wieder war: man müsse den ganzen Sachverhalt bei der Bundesbahn noch einmal überprüfen. Ein solches Argument hat nur noch wenig Überzeugungskraft. Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister fragen, wie lange man die Bundesbahn denn eigentlich noch überprüfen will.
Die Prüfungen der Bundesbahn laufen seit mehr als fünf Jahren. Zunächst wurden — das liegt schon sehr lange zurück — Gutachten von deutschen, schweizerischen und amerikanischen Sachverständigen angefordert. Als diese Gutachten vorlagen, hat man den Wissenschaftlichen Beirat beim Verkehrsministerium beauftragt, sich mit der Bundesbahn zu beschäftigen. Dann wurde eine Treuhandgesellschaft mit der Prüfung der Selbstkostenrechnung der Bundesbahn beauftragt. Zwischendurch wurde der Wetzler-Ausschuß berufen. Dieser Ausschuß hat zunächst e i n Gutachten angefertigt; als es nachher in Zweifel gezogen wurde, hat man auf Verlangen ein erweitertes Gutachten angefertigt. Die Arbeit des Wetzler-Ausschusses war insofern ein gewisser Erfolg, als sich hier etwa 20 bis 25 Sachverständige über Höhe und Umfang der betriebsfremden Lasten einig waren! Trotzdem will der Bundesfinanzminister weiterhin untersuchen und prüfen. Ich frage den Herrn Bundesfinanzminister, wie lange diese Prüfungen denn eigentlich noch weitergehen sollen.
Ich möchte weiter fragen: Worauf beruht das tiefe Mißtrauen, das die Vertreter des Bundesfinanzministeriums — doch wahrscheinlich auf Weisung ihres Chefs — der Bundesbahn entgegenbringen? Richtet sich dieses Mißtrauen gegen die Leitung der Bundesbahn? Richtet sich das Mißtrauen gegen die gesamte Verwaltung? Oder richtet sich das Mißtrauen sogar gegen die Bundesbahn als Institution? Ich glaube, das Hohe Haus hat ein Recht darauf, von der Bundesregierung hierauf eine definitive Antwort zu bekommen.
Wir Sozialdemokraten halten eine weitere Verschiebung der Abgeltung und eine erneute Vertröstung auf die Zukunft für untragbar. Deswegen bitten wir Sie, meine Damen und Herren, unserem Antrag zuzustimmen. Wir bitten Sie darum, weil erstens dem Bund durch die Annahme dieses Antrages keine zusätzlichen Ausgaben entstehen und weil es sich zum andern ja nur um eine teilweise Abgeltung betriebsfremder Lasten handelt. So weit zu unserem ersten Antrag.
Der zweite Antrag, den wir unter Ziffer 3 des Umdrucks 403 stellen, steht ebenfalls in Zusammenhang mit der Bundesbahn. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung zu einer Erhöhung des Darlehens an die Bundesbahn von 100 auf 200 Millionen DM. Von diesem zusätzlichen Betrag sollen 64 Millionen DM zur Ausweitung des Fahrzeugbestandes und 36 Millionen DM zur Beseitigung schienengleicher Bahnübergänge verwendet werden.
Der Fahrzeugbestand der Bundesbahn — und ich glaube, auch daran gibt es keinen Zweifel — ist völlig überaltert und durch Verschrottung ständig geschrumpft. Heute schon häufen sich die Klagen über eine unzureichende Waggonstellung. Wenn das Wirtschaftsvolumen weiter wächst, wenn neue Anforderungen auf uns zukommen oder wenn insbesondere in der Erntezeit eine erhöhte Nachfrage nach Ladevolumen einsetzt, können erhebliche Spannungen in der Frachtraumbeschaffung eintreten. Deshalb halten wir es für dringend geboten, daß neben den Planungen und Vorfinanzierungen aus dem Verkehrsfinanzgesetz der Bundesbahn unverzüglich zusätzlich Kreditmittel im Betrage von 64 Millionen DM für die Güterwagenbeschaffung zur Verfügung gestellt werden.
Die restlichen 36 Millionen DM sollen der Verkehrssicherheit dienen. Täglich ereignen sich Verkehrsunfälle an den Punkten, an denen sich Schiene und Straße kreuzen, und häufig ist dabei eine erhebliche Zahl von Toten und Verletzten zu
beklagen. Diese Gefahrenquelle kann nur dann wesentlich eingeengt werden, wenn wir — zumindest auf den verkehrsreichen Straßen — die schienengleichen Bahnübergänge beseitigen. Das Bundesverkehrsministerium hat Berechnungen bezüglich der Beseitigung der schienengleichen Übergänge angestellt und das erforderliche Programm auf 192 Millionen DM beziffert. Obwohl diese Zahlen bekannt sind, hat der Herr Bundesfinanzminister nur einen Ansatz von 4 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt eingesetzt, ein Betrag, der angesichts der erforderlichen Aufwendungen von 192 Millionen DM als absolut zwergenhaft angesehen werden muß. Wenn wir alle Jahre nur 4 Millionen DM für die Beseitigung der schienengleichen Übergänge verwendeten, würde das bedeuten, daß wir dazu einen Zeitraum von 48 Jahren nötig hätten. Mit so geringen Mitteln kann man der Lawine der Straßenunfälle nicht entgegenwirken. Aus der Sorge um die wachsende Zahl der Verkehrsunfälle stellen wir den Antrag, die Mittel zur Beseitigung schienengleicher Übergänge von 4 auf 40 Millionen DM zu erhöhen. Das würde bedeuten, daß wir in fünf Jahren einen Gefahrenherd beseitigen.
Ein drittes akutes Problem, das in Zusammenhang mit der Haushaltsberatung von uns angesprochen werden muß, ist die Beseitigung der Frostschäden. Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß das Problem auch den Haushaltsausschuß sehr beschäftigt hat. In den bisherigen Haushalten waren für diesen speziellen Zweck nur relativ bescheidene Mittel vorgesehen. Erst die verheerenden Folgen der Frostaufbrüche in diesem Frühjahr haben den Herrn Bundesfinanzminister veranlaßt, zusätzlich etwas zu tun und für diesen Zweck rund 20 Millionen DM zur Verfügung zu stellen.
Nun, meine Damen und Herren, die Erfahrungen, die wir alle als Kraftfahrer gemacht haben, sollten uns davon überzeugen, daß diese Ansätze viel zu gering sind und keineswegs dem Ausmaß der entstandenen Schäden entsprechen. Dafür ein Beispiel aus der Praxis. Der Landschaftsverband Westfalen hat festgestellt, daß in seinem Bereich Frostschäden an Bundesstraßen in einer Größenordnung von etwa 23 Millionen DM aufgetreten sind. Bliebe es bei den jetzigen Haushaltsansätzen, dann würde der Landschaftsverband eine Quote von etwa 2 Millionen DM bekommen, also etwa ein Zehntel des effektiven Bedarfs erhalten.
Was wäre die Folge einer so ungenügenden Mittelversorgung? Die Folge wäre die, daß man die Schadenstellen nicht gründlich beseitigen, daß man die Straßendecken nicht frostsicher machen, sondern daß man sich darauf beschränken müßte, sie nur sehr notdürftig zu reparieren. Ungenügende Reparaturen aber sind praktisch wertlos, und sie können schon im nächsten Winter zu einer Vervielfachung der Schäden führen.
Das ist die übereinstimmende Auffassung aller Fachleute, das ist auch die Auffassung der Fachressorts im Bundesverkehrsministerium gewesen. Aber man hat häufig in der Verkehrswirtschaft den Eindruck, daß alle Einsicht und alle Vernunft nicht sehr viel nutzen, wenn der Bundesfinanzminister nicht will.
Unser Antrag zielt darauf ab, vorhandene Notstände zu beseitigen und neuen katastrophalen Zuständen auf den Straßen vorzubeugen. Wir beantragen eine Erhöhung der Haushaltsansätze um 80 Millionen DM.
— Ich komme gleich dazu. Dieser Einwand — ich habe ihn erwartet — hilft bekanntlich immer, wenn gegen eine sachliche Berechtigung nicht sehr viel zu sagen ist. Wir sind als Sozialdemokraten der Überzeugung, daß die Mittel zur Deckung der 80 Millionen DM aus dem Sockelzuwachs fließen werden, d. h. aus dem zusätzlichen Aufkommen, das sich aus der Ausweitung des Kraftfahrzeugbestandes und aus der Ausweitung des Straßenverkehrs ergeben wird. In unserer Überzeugung sind wir bestärkt worden, als sich kürzlich im Verkehrsausschuß herausstellte, daß — Herr Kollege Müller-Hermann, ich bitte Sie zuzuhören — nach den eigenen Zahlen des Bundesfinanzministeriums aus dem Verkehrsfinanzgesetz für den Bund ein Mehraufkommen von 320 Millionen DM erwartet wird,
im Haushalt aber nur 282 Millionen verplant sind, daß sich also hieraus schon eine Reserve von etwa 38 Millionen ergibt. Ich hoffe, daß Sie zu ähnlichen Feststellungen gekommen sind. Wenn wir nun allein bei einem solchen Einzelposten eine Reserve von 38 Millionen DM haben, dann kann man doch annehmen, daß sich aus dem gesamten Sockelzuwachs ein Betrag ergeben wird, der weit über diese 80 Millionen hinausgeht. Wir sehen also im Sockelzuwachs eine echte Deckungsgrundlage für unsere Anträge.
Ich habe mich bemüht, eine Reihe von sachlichen Argumenten zur Begründung unserer Anträge vorzutragen. Ich hoffe, daß diese Anträge Ihre Zustimmung finden werden. Gestatten Sie mir nun, im Anschluß an die Begründung unserer Anträge noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Verkehrshaushalt +in seiner Gesamtheit und zur Verkehrspolitik der Bundesregierung zu machen.
Wir haben uns während der bisherigen mehrfachen und sehr ausführlichen verkehrspolitischen Debatten vergeblich bemüht, von der Bundesregierung zu erfahren, welches denn eigentlich ihre verkehrswirtschaftliche Gesamtkonzeption sei. Die Antwort auf diese Frage ist uns der Herr Verkehrsminister bis heute schuldig geblieben. Wir stellen deshalb, Herr Bundesverkehrsminister, diese Frage heute erneut. Wir wünschen von der Bundesregierung zu erfahren, welche prinzipielle Stellung sie gegenüber der Bundesbahn einnimmt. Einige Teilprobleme habe ich vorhin schon ansprechen dürfen. Aber ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang noch einige andere Fragen stellen. Es würde uns interessieren, Herr Bundesverkehrsminister, wann die Bundesbahn endlich saniert wird. Es würde uns interessieren, wie es mit der Tarifreform steht, und es würde uns interessieren, wann endlich das Durcheinander im Omnibusverkehr zwischen Bundesbahn und Bundespost aufhört.
Wir möchten Sie weiter fragen, Herr Bundesverkehrsminister: Welches ist Ihre Konzeption in der Frage der Koordinierung der Verkehrsträger? Was wird die Bundesregierung tun, um den ruinösen Wettbewerb im Güternahverkehr endlich zu ordnen? Nach wie vor — und das wird Ihnen ja auch bekannt sein — werden doch die Tarife um 50 % unterboten. Welche Vorstellung haben Sie, Herr
Bundesverkehrsminister, sich erarbeitet, um diesen Teil des Frachtenmarktes endlich einmal vernünftig zu ordnen?
Wir fragen Sie weiter, Herr Bundesverkehrsminister: Welches ist Ihre Konzeption im Straßenbau? Der Bundesregierung ist doch seit langem bekannt, daß die Pflege und der Ausbau der Straßen keineswegs dem Anwachsen des Straßenverkehrs entsprechen. Was nutzt uns, Herr Bundesverkehrsminister, ein Zehnjahresplan, wenn er nur auf dem Papier steht und wenn der Herr Bundesfinanzminister anscheinend gar nicht daran denkt, ihn zu honorieren?
Wir fragen deshalb die Bundesregierung; was sie im Rahmen eines solchen Zehnjahresplanes tun will, um den Gemeinden und den Gemeindeverbänden als Baulastträgern eine größere Hilfe als bisher angedeihen zu lassen. Hier liegt doch ein Problem von erheblicher Tragweite vor uns, an dem die Bundesregierung, wie uns scheint, einfach achtlos vorübergeht.
Ich darf Sie darauf hinweisen: 50 000 km sind Straßen zweiter Ordnung. Die Straßen befinden sich teilweise in einem verheerenden Zustand. Das werden Sie mir bestätigen müssen, wenn Sie Autofahrer sind. Die Gemeindeverbände sind von sich aus einfach nicht in der Lage, den dringend notwendigen Ausbau zu finanzieren. Gerade weil wir diese Dinge täglich vor Augen haben, fordern wir heute erneut, daß der Bund seinen Zuständigkeitsbereich im Straßensystem erweitert und daß die Gemeindeverbände entlastet werden. Wir sind der Auffassung, daß 20 000 bis 30 000 km Straßen erster Ordnung auf den Bund übergehen und daß in demselben Umfang die Straßen zweiter Ordnung in die Zuständigkeit der Länder übernommen werden müssen. Ein solches Verlangen wäre auch fiskalisch gerechtfertigt; denn praktisch ist ja der Bund derjenige, dem die gesamten Verkehrsteuern zufließen.
Es scheint, uns dringend notwendig, für den gesamten Straßenverkehr etwas zu tun. Wir halten es für dringend geboten, auch die Mittel für die Verbreiterung der Ortsdurchfahrten und für die Anlegung von Umgehungsstraßen zu erhöhen. Auch diese Ansätze sind so gering gehalten, daß praktische Wirkung davon nicht zu erwarten ist. Schlechte Straßen sind die Hauptursache der Verkehrsunfälle, und deswegen ergeht unsere Bitte an Sie, diese Mittel zu erhöhen.
Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die Bundesregierung aus dem sprunghaften Anwachsen des Verkehrs keine entscheidenden Konsequenzen gezogen hat. Das Verkehrsfinanzgesetz — das will ich zugeben — war zweifellos ein erster Schritt auf dem Wege zur Besserung. Aber er reicht bei weitem nicht aus. Er reicht nach unserer Auffassung nicht aus, um beispielsweise die Aufgabe des Straßenbaus auch nur annähernd zu bewältigen. Er reicht allenfalls aus, große Löcher zu stopfen, keineswegs aber genügt er, um zu einer durchgreifenden Sanierung zu kommen. Deswegen sind wir davon überzeugt, daß wesentlich höhere Haushaltsmittel für die Verkehrswirtschaft zur Verfügung gestellt werden müssen, als dies im Haushalt der Fall ist.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch ein Wort zu dem 18-Punkte-Programm des Herrn Kollegen Müller-Hermann. Herr Kollege Müller-Hermann, ich begrüße das Programm. Ich begrüße es besonders deswegen, weil wir in diesem Programm eine ganze Reihe unserer eigenen Gedanken wiederfinden. Wir sind absolut an Ihrer Seite, wenn Sie z. B. feststellen, daß die „wirksame Unfallbekämplung in der zielbewußten Anpassung des Straßennetzes an den ständig wachsenden Verkehr liegt", und wenn Sie weiter sagen, daß „an Stelle der jetzigen Flickarbeit" — es ist interessant, daß Sie das als Angehöriger der Koalition sagen — „eine großzügige, weitblickende und das gesamte Straßennetz umfassende Generalplanung stehen muß". Sehen Sie, darin sind wir völlig mit Ihnen einig. Aber, Herr Kollege Müller-Hermann, Ihre Fraktion hat es doch in diesen Tagen in der Hand, dafür zu sorgen, daß bessere Verkehrsverhältnisse geschaffen werden, und es liegt doch an Ihrer Fraktion, wie sich die Verkehrswirtschaft in den nächsten Munaten entwickeln wird. Das hängt von der Bewilligung der Mittel ab, die für die Neuordnung des Straßenwesens notwendig sind. Wenn Ihre Fraktion die notwendigen Mittel nicht bewilligt, Herr Kollege Müller-Hermann, dann sind Sie doch ein einsamer Rufer in Ihrer Fraktion und ein einsamer Rufer in Ihrer Koalition, und dann haben Ihre Vorschläge nur einen sehr bedingten Wert.
In der Zusammenfassung unserer Kritik, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Feststellung, daß wir wegen der Unzulänglichkeit des Haushalts, wegen des Fehlens einer vernünftigen verkehrswirtschaftlichen Gesamtkonzeption und wegen der mangelnden Fähigkeit des Bundesverkehrsministers, sich im Kabinett durchzusetzen, den Haushalt 12 ablehnen müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 379, den zu begründen ich die Ehre habe, hat bei weitem nicht das finanzielle Ausmaß und die finanzielle Bedeutung wie die Anträge auf Umdruck 403, die soeben begründet worden sind. Es werden hier bescheidene weitere 150 000 DM als Zuschuß für die Nürburgring-GmbH verlangt. Der jetzige Zuschuß von 100 000 DM soll auf 250 000 DM wieder erhöht werden.
Die Nürburgring-GmbH hat den Nürburgring, die weltbekannte Rennstrecke, zu unterhalten. Kriegsbedingte Schäden konnten bisher in weitgehendem Umfang noch nicht beseitigt werden. Außerdem hat es sich als notwendig erwiesen, Modernisierungen sowohl an der Strecke selbst wie auch an den Randanlagen — insbesondere soweit sie die Sicherheit des Publikums betreffen, das den Rennen zusieht — vorzunehmen. Nach Prüfung der dafür notwendigen Investitionen — die laufenden Unterhaltungskosten werden aus den Erträgnissen des Ringes selbst bestritten — hat das Bundesverkehrsministerium nach Absprache mit dem Land Rheinland-Pfalz einen Betrag von 250 000 DM in den Etat eingesetzt, nachdem das Land Rheinland-Pfalz sich verpflichtet hatte, einen Betrag in gleicher Höhe in seinen Haushalt einzusetzen.
Diese Erhöhung um 150 000 DM sollte im Haushalt insgesamt dadurch ausgeglichen werden, daß der Betrag an anderer Stelle eingespart werden sollte. Das Bundesfinanzministerium hat nach Prüfung die Notwendigkeit dieses Ausbaus anerkannt. Der Haushaltsausschuß hat aber in seinen Bera-
tungen die Zuschußmittel wieder auf 100 000 bzw. 96 000 DM zurückgesetzt. Es mag sein, daß dort die Verhältnisse nicht so klar gelegen haben, wie ich es Ihnen eben dargestellt habe, daß man insbesondere Deckungsschwierigkeiten zu haben glaubte, weil nicht bekannt war, daß an anderer Stelle bereits 150 000 DM eingespart waren. Das Ergebnis ist jetzt, daß hier eine Kürzung um 150 000 DM eingetreten ist und daß an anderer Stelle die ursprünglich eingesetzten 150 000 DM ebenfalls im Haushalt nicht mehr vorgesehen sind, sondern tatsächlich eingespart worden sind. Der Antrag bringt also eine echte neue finanzielle Belastung nicht.
Die Erhaltung des Nürburgrings ist ein soziales Anliegen für diese Gegend. Die Eifel, in der der Nürburgring liegt, ist, wie man sagt, landschaftlich schön, aber wirtschaftlich arm. Sie hat keine Industrien, die Böden werfen nur geringe Erträge ab. Kleinere landwirtschaftliche Unternehmen, die dort vorherrschen, sind auf Nebeneinnahmen angewiesen. Der Nürburgring ist aus diesen Gründen in den Nachkriegsjahren des ersten Weltkriegs geschaffen worden. Es war eine soziale Tat, die hier vollbracht wurde. Er hat eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung erlangt. Man spricht jetzt von ihm als von der „Industrie der Eifel". Im Jahre 1954 kamen nicht weniger als 50 000 Kraftfahrzeuge zum Nürburgring, und sie brachten über 200 000 Besucher in die arme Eifel.
Der Hinweis darauf — das soll auch im Haushaltsausschuß geäußert worden sein —, daß eine Rennstrecke wie der Nürburgring aus Mitteln der Industrie finanziert werden sollte,
geht an der Tatsache vorbei, daß sowohl Industrie wie auch Sportverbände für die Benutzung der Rennstrecke erhebliche Gebühren zahlen müssen und diese nach unserer Meinung — und das war auch die Meinung des Verkehrsministeriums — nicht noch erhöht werden können. Die dafür interessierte Industrie erbringt also bereits erhebliche Leistungen. Es entspricht auch durchaus unserer Verkehrspolitik, daß sportliche Wettbewerbe möglichst von den öffentlichen Straßen entfernt, daß die öffentlichen Straßen davon entlastet werden sollen.
Der Antrag, der Ihnen vorliegt, war bereits gestellt, ehe sich die Katastrophe von Le Mans ereignete. Er trägt das Datum vom 7. Juni. Aber die dort gewonnenen Erfahrungen sprechen meines Erachtens gerade für die Notwendigkeit, die Rennstrecke in einen betriebssicheren Zustand zu versetzen und in diesem Zustand zu halten. Man wird nicht so weit gehen können, zu sagen, Rennen fänden überhaupt nicht mehr statt. Auf dem Nürburgring werden nicht nur Rennen veranstaltet, sondern er wird in großem Maße auch für Zuverlässigkeitsprüfungen in Anspruch genommen. Die betreffenden Unternehmungen müssen dann entsprechende Gebühren an die Nürburgring-GmbH, die Trägerin des Unternehmens, zahlen. Man wird dem Nürburgring aber nicht zumuten können — das ist finanziell für ihn nicht tragbar —, noch zusätzlich die Lasten zu tragen, die sich aus den notwendigen Investitionen für die Herstellung der Betriebssicherheit ergeben.
Nach meiner Meinung werden, wie gesagt, solche sportlichen Wettbewerbe nicht beseitigt werden können. Das wird auch nicht die Erfahrung sein, die sich aus dem traurigen Unglück von Le Mans ergeben wird. Unser Antrag bezweckt aber gerade, die Voraussetzungen zu schaffen, daß eine derartige Katastrophe, wie sie sich bedauerlicherweise in Le Mans ereignet hat, auf dieser Spezialrennstrecke in Zukunft nicht passieren kann. Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Stauch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt auf Umdruck 388 ein Antrag vor, der das Verkehrsproblem unseres Landes in ganz besonderem Umfang berührt. Es handelt sich hier um den Beginn des Ausbaus der schon begonnenen Autobahnstrecke Montabaur—Koblenz—Kaisersesch-Wittlich—Trier—Landstuhl. In diese Strecke sind bis Beginn des Krieges über 100 Millionen DM verbaut, in den Teilabschnitt Montabaur—Koblenz, der von uns beantragt wird, sind schon über 9 Millionen DM investiert worden.
Es sind verkehrstechnische und wirtschaftliche Gründe, die uns veranlaßt haben, dem Hohen Hause diesen Antrag vorzulegen. Ich erinnere Sie an die Enge der Bundesstraßen, die vom Westerwald aus den ganzen Verkehr zum Rhein tragen, der doch außerordentlich stark ist. Hinzu kommt der schlechte bauliche Zustand dieser Straßen, insbesondere ihre schlechte Packlage, wie wir an den Frostaufbrüchen sehen, die in diesem Jahr zeitweise den Verkehr auf weiten Strecken fast völlig stillgelegt haben. Ich erinnere Sie außerdem an die Verkehrsdichte der beiden Rheinuferstraßen, insbesondere der Bundesstraße 9, auf denen durch den außerordentlich starken Industrieverkehr in den Bimsgebieten fast eine totale Verstopfung des Verkehrs zu verzeichnen ist. Jeder von uns, meine Damen und Herren, hat das wohl schon einmal erlebt, wenn er kilometerlang mitten in einer Bimskolonne fährt, ohne daß es ihm möglich ist, zu überholen.
Lassen Sie mich auch noch das Problem des Fremdenverkehrs ganz kurz ansprechen. Im Gebiet des Mittelrheins und an der Mosel ist ein außerordentlich starker Fremdenverkehr zu verzeichnen. Wenn sich hier an den verkehrsreichen Sonn- und Feiertagen des abends die Kolonnen in Bewegung setzen, dann sind diese Straßen einfach nicht mehr in der Lage, den Verkehr zu bewältigen.
Alle diese Gründe haben uns veranlaßt, den Antrag Umdruck 388 einzubringen. Ursprünglich war diese Strecke auch im Entwurf des Bundesverkehrsministeriums in die Dringlichkeitsstufe 1 eingestuft; aber aus unerklärlichen Gründen ist sie herausgestrichen worden.
In dem neuen Antrag haben wir unter Buchstabe b den Vermerk hinzugefügt:
Die Inangriffnahme der Strecke MontabaurKoblenz setzt voraus, daß die Mittel über die für die übrigen Streckenabschnitte erforderlichen Kredite hinaus durch die Öffa beschafft werden können.
Das bedeutet, daß kein anderes Verkehrsproblem durch diesen unseren Antrag berührt oder gefährdet wird.
Ich darf das Hohe Haus deshalb bitten, aus den von mir angeführten verkehrstechnischen und
wirtschaftlichen Gründen diesem unserem Antrag Umdruck 388 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige allgemeine Bemerkungen zu dem Haushalt des Bundesverkehrsministeriums, da die übrigen Anträge, die auf verschiedenen Umdrucken vorliegen, noch nicht begründet sind. Der Herr Berichterstatter hat schon betont, welche Bedeutung dem Haushalt des Bundesverkehrsministeriums mit einem Zuschuß von rund 1 Milliarde zukommt. Hier im Hause ist bis jetzt aber immer nur von der Bundesbahn und vom Straßenbau gesprochen worden. In den Bundesverkehrshaushalt gehören noch einige andere Verkehrsarten, die man eigentlich mit ansprechen sollte.
Wir sind im ganzen von dem Haushalt nicht so recht befriedigt und schließen uns insofern den Ausführungen des Kollegen Bleiß an. Auch wir meinen, daß der Herr Bundesverkehrsminister bei seinen Forderungen ruhig etwas, sagen wir einmal, robuster hätte sein können und daß doch wohl auch aus den ordentlichen Haushaltsmitteln noch etwas mehr für die Bedürfnisse des Straßenbaus und für sonstige Verkehrsnotwendigkeiten hätte aufgebracht werden können.
Uns scheint das noch nicht genügend berücksichtigt zu sein, und ich glaube, hier sind noch Möglichkeiten gegeben, wobei ich wiederum das berühmte, für die Allgemeinheit schwer verständliche Sockelaufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz und die Zuwachsraten ansprechen möchte, die ja auch anfallen werden, wenn die Wirtschaft und die Entwicklung des Verkehrs so weitergehen, und die nun sang- und klanglos in dem allgemeinen Topf des Bundeshaushalts und des Bundesfinanzministers verschwinden, ohne daß der Verkehr entsprechend partizipiert. Wir sind uns völlig darüber im klaren, daß ohne das Verkehrsfinanzgesetz die notwendigen Mittel überhaupt nicht hätten aufgebracht werden können, und wir sind insofern von dem Ergebnis des Verkehrsfinanzgesetzes ganz befriedigt. Ich möchte deshalb die grundsätzliche Debatte, die beinahe wieder aufgerollt worden wäre, jetzt nicht noch einmal aufreißen.
Aber ich möchte hier eine Notiz im Bulletin von Herrn Ministerialrat Korff erwähnen, worin dieser ausdrücklich feststellt, keine der beteiligten Stellen der Bundesverwaltung sei der Auffassung, daß genügend für den Straßenbau getan worden sei. Das stellt er als Mitglied des Bundesfinanzministeriums ausdrücklich fest. Und dann muß man sehen, daß im ordentlichen Haushalt 1955 sogar 2 bis 2 1/2 Millionen weniger als in den Vorjahren für die Bundesstraßen ausgeworfen worden sind.
— Die 2 1/2 Millionen im ordentlichen Haushalt sind nach wie vor nicht da; im ordentlichen Haushalt! Das reimt sich doch nicht ganz zusammen.
Wir sind auch der Auffassung — ich glaube, Herr Kollege Bleiß hatte das schon angedeutet —, daß wir uns in der Zukunft wahrscheinlich noch viel mehr Gedanken über den Transportraum überhaupt machen müssen, der den steigenden Bedürfnissen der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden muß. Es ist zu prüfen, ob sein Ausmaß ausreichend ist. Wir sollten etwas positiver an die ganzen Fragen herangehen, als es das Bundesverkehrsministerium nach unserer Auffassung in der letzten Zeit getan hat. Ich erinnere nur an das vorgesehene Straßenentlastungsgesetz, an die vorgesehene, nach unserer Meinung über das Notwendige hinausgehende Beschränkung der Länge und der Gewichte der Lkws, an die etwas undurchsichtigen Bestimmungen in dem Personenbeförderungsgesetz und andere Dinge. Wir meinen schon, daß wir hier auch die Sorge haben müssen, daß überhaupt der Transportraum in der nächsten Zeit zur Verfügung steht.
Insoweit begrüßen wir außerordentlich die Hilfe, die der Bundesbahn aus dem Verkehrsfinanzgesetz, aber auch aus den sonstigen Haushaltsmitteln zugekommen ist. Wir meinen feststellen zu können, daß die Bundesbahn aus sich heraus schon im letzten Jahr durch eine Rückwanderung des Verkehrs, besonders im Personenverkehr, von der Straße auf die Schiene Erfolge erzielt hat. Das scheint mir ein wesentlich erfreulicheres Anzeichen zu sein als alle
Hilfe, die man über den
Haushalt und über sonstige Finanzmittel der Bundesbahn zukommen läßt. Ich meine, wir müßten uns im Gegenteil bemühen, der Bundesbahn die Kraft zu geben, sich aus sich heraus weiter zu entwickeln und das zu erreichen, was wir haben wollen: eine Rationalisierung, eine Modernisierung auf dem natürlichen Wege. Wenn wir das alles hier etwas künstlich aufpulvern, dann besteht leicht die Gefahr, daß die Empfänger der Ansicht sind, das könnte so weitergehen, ohne daß sie sich selbst genügend Mühe geben müßten. Wir meinen, daß das, was bisher gegeben worden ist, der Bundesbahn helfen wird, und sind deshalb nicht der Ansicht, daß man, dem Antrag der SPD folgend, diese Mittel erhöhen sollte. Wir meinen allerdings — und das ist ein besonderes Anliegen —, daß die Bundesbahn sehr wohl noch weitere Mittel für ihre Modernisierung braucht, daß sie da aber endlich den Versuch machen sollte, auf den Kapitalmarkt zuzukommen. Wir hatten schon in den Ausschußbesprechungen vorgesehen, einen besonderen Betrag auszuwerfen, um eine Zinsverbilligung für aufgenommene Kapitalien für die Bundesbahn sicherzustellen. Die Bundesbahn hat natürlich Sorge, jetzt an den Kapitalmarkt heranzutreten, nachdem die alten Schulden noch keine befriedigende oder überhaupt keine Regelung gefunden haben. Das müßte einer baldigen Lösung zugeführt werden. Ich glaube, es wäre für die Bundesbahn und den Bundeshaushalt ebenso wie für den Herrn Bundesfinanzminister das erfreulichste, wenn dann die Entwicklung so weiterginge, wie wir sie uns denken.
Dabei ist noch notwendig die Abgleichung zwischen Bundesbahn und Bundespost im eigenen Hause. Hier scheinen mir sehr viele Möglichkeiten für eine bessere Arbeitsteilung in Organisationen, die der Bundesverwaltung selbst unterstehen, zu liegen. So höre ich, daß z. B. in den Eisenbahnstationen keine Fahrpläne für die Bundespostfahrzeuge ausgehangen werden und umgekehrt es genau so ist. Das sind ja nicht nur Ressortstreitigkeiten, sondern eigentlich Manipulationen, die sonst nur von kleinen und unbedeutenden Konkurrenzunternehmen vorgenommen werden. Hier müßte man zu einer besseren Zusammenarbeit und Arbeitsteilung kommen, die in der Frage des Per-
sonenbeförderungsgesetzes, auf das das Hohe Haus später noch eingehen muß, eine Rolle spielen werden.
Ganz bedauerlich ist es aber, daß trotz der immerhin recht erheblichen Mittel und Anstrengungen der Betroffenen, die das Verkehrsfinanzgesetz fordert, praktisch nur 16,3 Millionen für die Bundesstraßen übrigbleiben, nachdem die Mittel für die Bundesbahn, die Mittel für die Autobahnen und die erheblich gestiegenen Mittel für die Betriebsbeihilfe auf Grund der Erhöhung der Mineralöl- und Dieselpreise abgesetzt sind. Es bleiben also tatsächlich nur 16,3 Millionen für die Bundesstraßen. Wir hören aber, daß der Aufwand allein für die Frostschäden auf 50 Millionen geschätzt wird. Wir fragen uns dabei auch — ich weiß nicht, ob die Auskunft gegeben werden kann —, ob diese 50 Millionen überhaupt ausreichen, um die Straßen wirklich von Grund auf instand zu setzen, oder ob sie nur dafür ausreichen, die Löcher einigermaßen zuzuschütten und auszugleichen. Dann hätte das ja eigentlich gar keinen Sinn; denn dann würde in wenigen Jahren derselbe Schaden wieder auftreten.
Erfreulich ist die Regelung durch das Bundesfinanzministerium, daß eine Vorfinanzierung im Straßenbau durch die Öffa vorgenommen werden kann. Ich glaube — wenn ich das hier einschalten darf —, wenn auch die 4 Millionen, die wir für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen vorgesehen haben, auf diesem Wege zugesichert werden können, so würde damit schon eine Lösung dieses Fragenkomplexes gegeben sein.
Wir sehen also, daß das ganze Verkehrsproblem bei diesen Verkehrsträgern einer grundsätzlichen Neuordnung bedarf. Das ist hier schon angesprochen worden. Das Bundesverkehrsministerium spricht auch selbst von einer gesunden Aufgabenteilung durch eine vernünftige Tarifpolitik. Es fragt sich nur: Was ist das Primäre? Ist die Tarifpolitik vorher zu ordnen, oder ist zunächst eine gesunde Aufgabenteilung zu finden? Hier sind wir etwas besorgt, daß man mit weiteren Ausschüssen und weiteren allzu gründlichen Untersuchungen Monate und Jahre vergehen läßt und zu überhaupt keiner richtigen Konzeption kommt. Wir meinen, daß es jetzt schon möglich sein muß, eine klarere Verkehrspolitik zu betreiben, und daß es nicht unbedingt notwendig ist, bis auf den letzten Pfennig genau eine Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Wenn man diese Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen einmal theoretisch hergestellt hat, kann das sowieso nur ein Augenblicksbild sein, und in wenigen Tagen und Monaten ist diese Gleichheit der Wettbewerbsverhältnisse wieder verschwunden. Andererseits steht doch wohl unbestritten fest, daß bei dem Flächenverkehr und dem Transport von eiligen Gütern die Straße bevorzugt werden müßte, hingegen der Transport von Massengütern, der Knotenpunktverkehr und der Verkehr auf große Entfernungen der Bundesbahn und der Schiene zugewiesen werden müßten.
Aus diesen grundsätzlichen Klarheiten heraus, die man doch in den letzten Jahren gewonnen hat, scheint es mir möglich zu sein, daß der Bundesverkehrsminister nun die richtige Ausgangsstellung den einzelnen Verkehrsträgern zuweist, von der aus sie dann weiter arbeiten können. Ich möchte hier der Auffassung meiner Freunde ganz deutlich Ausdruck geben: wir würden einer dirigistischen Verkehrspolitik in Form von staatlichen Regelungen bis zum letzten unbedingt widersprechen. Wir halten sie auch gar nicht für notwendig. Wir halten es aber für notwendig, daß von dem Herrn Bundesverkehrsminister schon recht bald eine klarere Politik getrieben wird, damit die Verkehrsteilnehmer wissen, wohin der Weg geht. Dabei ist es notwendig, daß sich die Bundesbahn mit dem Kraftverkehr zusammensetzt und daß sie auch der Beschränkung der Ausdehnung ihres Verkehrs auf den Straßen Rechnung trägt. Herr Bleiß hatte sich beinahe versprochen und hatte gemeint, daß für Kraftfahrzeuge der Bundesbahn neue Mittel bereitgestellt werden sollten. Das war aber wirklich nur ein Versprechen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Sehr gern!
Lieber Herr Drechsel, alles, was Sie bisher vorgetragen haben, waren, wenn ich es richtig verstanden habe, sehr kritische Bemerkungen, skeptische Bemerkungen. Ihnen gefällt manches nicht. Wenn ich mir jetzt schon einmal die Zwischenfrage erlauben darf: Weswegen stimmen Sie eigentlich diesem Verkehrshaushalt zu, nachdem Ihnen die ganze Verkehrspolitik off en-bar nicht paßt?
Das will ich Ihnen genau beantworten, Herr Kollege Schmidt; — ich wollte es allerdings zum Schluß tun. Wir sind nicht so skeptisch wie Sie, daß wir die Hoffnung aufgegeben haben, daß der Herr Bundesverkehrsminister nicht doch noch die Dinge meistern könnte. Deshalb sind wir nicht der Auffassung, daß man den Haushalt des Verkehrsministers ablehnen sollte, während Sie wahrscheinlich schon alle Hoffnung haben fahren lassen. Das ist der Unterschied in unserer Auffassung.
Ich komme darauf zurück, daß mir diese Absprache zwischen Bundesbahn und Kraftfahrzeuggewerbe durchaus möglich und notwendig erscheint. Daß diese Absprache bisher nicht zu einem Ergebnis geführt hat, ist kein Zeichen dafür, daß man sie nicht wieder aufnehmen sollte. Man sollte zu einer Zusammenarbeit und Ergänzung kommen und eine sorgfältige Überprüfung der Aufgabenteilung im Verkehr vornehmen. Wir sind auch der Auffassung, Herr Kollege Bleiß, daß man wirklich eine Überlegung hinsichtlich der gemeinwirtschaftlichen Lasten anstellen sollte. Sie wissen aber genau so gut wie ich, daß darüber noch gar keine restlose Klarheit erzielt worden ist.
— Nein, das haben Sie auch nicht gesagt. Man muß sich dann überlegen, ob die Forderung zur Tragung solcher gemeinwirtschaftlicher Lasten in allem Umfang überhaupt berechtigt und notwendig ist und wie man diese Forderung, wenn sie von der Allgemeinheit gestellt wird, abgelten kann.
— Nein, man soll das nicht immer wieder verschleppen! Da sind wir die letzten, und wir meinen auch, daß das sogar sehr schnell erfolgen könnte.
Wir sind weiterhin — das ist hier noch nicht angesprochen worden — der Auffassung, daß man notwendige Mittel für den Straßenbau auch aus anderen Quellen aufbringen könnte. Ich will hier nur die Höhe der Mineralölpreise, die Frage der sonstigen Zuverfügungstellung von Mitteln aus interessierten Gewerben wie Kraftfahrzeuggewerbe oder Versicherungsgewerbe ansprechen. Es gibt da schon noch gewisse Möglichkeiten.
Am Rande — weil mir das gerade einfällt - ist vielleicht die Frage an den Herrn Bundesverkehrsminister gestattet, warum eigentlich die im Güterkraftverkehrsgesetz vorgesehene Rechtsverordnung für eine abweichende Festsetzung des Standortes im Güternahverkehr noch nicht erlassen worden ist. Wenn ich mich recht erinnere, steht sie seit 2 1/2 Jahren aus, und die Betroffenen wissen immer noch nicht, woran sie sind.
Nun komme ich gerade im Zusammenhang mit der schon angesprochenen gemeinwirtschaftlichen Forderung an einen Verkehrsträger und der auch schon erwähnten Forderung, bei der Bundesbahn nach kaufmännischen Grundsätzen zu handeln, in einigen Punkten auf die wiedererstandene Lufthansa zu sprechen. Wir begrüßen natürlich, daß diese Lufthansa wiedererstanden ist. Aber wir sind etwas skeptisch, ob wirklich in diesen wenigen Jahren der wirtschaftliche Betrieb so möglich wird, wie es behauptet wird. Man spricht ja davon, daß der Betrieb bereits ab 1958 rentabel sein könne. Wir haben gerade hier Sorgen, daß diese kaufmännischen Grundsätze, die auch bei der Lufthansa notwendig sind, durch allzugroße Forderungen von regionalen oder lokalen Stellen verlassen werden und die Lufthansa dann zu einem gemeinwirtschaftlichen Betrieb werden könnte, bei dem man dann nicht weiß, wo die Mittel herkommen. Wir meinen auch, der ganze Start der Lufthansa gibt nicht gerade die Gewähr dafür, daß dort kaufmännisch und wirtschaftlich operiert wird. Der Aufbau ist doch sehr knapp gehalten, und ob man mit den jetzt vorhandenen zehn Flugzeugen im nationalen oder im europäischen und im übrigen internationalen Verkehr zu einer rentablen Gestaltung kommen wird, scheint mir persönlich zweifelhaft.
Sie werden natürlich sofort sagen: Woher kommt das Geld, um die Lufthansa etwas größer zu bauen? Sie werden weiterhin mit Recht darauf hinweisen, daß die Wirtschaft, bisher wenigstens, bei der Bitte, die Lufthansa ebenfalls mit zu finanzieren, eine recht kalte Schulter gezeigt hat. Wir sollten uns aber fragen, oder der Herr Bundesverkehrsminister sollte sich einmal Gedanken darüber machen, ob man nicht dann, wenn man die Sicherheit gibt, daß ein Betrieb kaufmännisch geleitet wird und daß er auch wirtschaftlich den Notwendigkeiten entspricht, das Geld eher dafür bekommt, als wenn man es dauernd beim Staatsbetrieb läßt.
Der Aufsichtsrat der Lufthansa ist zur Zeit natürlich aus den Reihen der Geldgeber, also aus Vertretern des Bundes und der Länder, zusammengesetzt. Vielleicht kann man hier schon einmal mit einer Auflockerung beginnen. Ich vermag nicht einzusehen, warum ein Aufsichtsrat einer solchen
Gesellschaft nur aus Ministerialräten oder Oberbürgermeistern zusammengesetzt werden muß, auch wenn von diesen Stellen das Geld kommt. Ich meine, daß man sehr wohl in den Aufsichtsrat einer solchen Gesellschaft aus der Wirtschaft kommende oder sonstige erfahrene Leute hineinwählen soll, auch wenn sie selbst keinen Pfennig zu dem Betrieb beigetragen haben. Das ist kein Novum. Sie wissen alle, daß in Aufsichtsräten sehr wohl Persönlichkeiten sind, die nicht selbst Kapitalgeber des betreffenden Unternehmens sind. Wenn man diesen Aufsichtsrat etwa so umgestaltete, könnte ich mir vorstellen, daß das von uns allen befürwortete und als notwendig erkannte Interesse der Wirtschaft zur Mitfinanzierung der Lufthansa geweckt würde.
In diesem Zusammenhang würde uns auch interessieren, warum eigentlich die Verhandlungen in den USA, die der Herr Bundesverkehrsminister jetzt geführt hat, gescheitert sind und warum die Unterzeichnung des deutsch-amerikanischen Luftfahrtabkommens ausgesetzt werden mußte. Wir haben diese Tatsachen bisher nur aus Pressenotizen erfahren.
Nun noch ein kurzes Wort zur Seeschiffahrt.
Diese ist auch noch nicht angesprochen worden. Die Seeschiffahrt ist natürlich nach wie vor ein Sorgenkind. Durch den Ausfall verschiedener Finanzierungsmöglichkeiten ist jetzt die Notwendigkeit entstanden, andere Finanzierungswege zu finden. Wir begrüßen es, daß im Bundeshaushalt ein Betrag von 6 Millionen DM zur Zinsverbilligung eingesetzt worden ist. Ich glaube auch, daß das der richtige Weg ist. Auf diesem Wege kann man für die Seeschiffahrt erhebliches Kapital bekommen. Aber es muß sichergestellt sein — und das ist die Bitte an den Haushaltsausschuß —, daß diese 6 Millionen DM nicht nur einmal gegeben werden, sondern sozusagen alle Jahre wieder. Die Seeschiffahrt käme in die größte Verdrückung, wenn ihr plötzlich diese Zinsverbilligungen fehlten.
Das waren also einige allgemeine Bemerkungen, die ich zu dem Haushalt machen wollte. Ich möchte damit schließen, daß ich nochmals sage: der Herr Bundesverkehrsminister sollte in der Durchsetzung seiner Forderungen den anderen Ressortträgern gegenüber etwas härter sein. Ich glaube, er sollte auch etwas mehr Unterstützung z. B. bei dem Herrn Bundeswirtschaftsminister finden; denn schließlich muß der Apparat des Verkehrs so gebildet sein und sich so durchsetzen können, daß er der Wirtschaft und dem Volke richtig dient. Nun, lieber Herr Kollege Schmidt, glaube ich, eben hierin unterscheiden wir uns: wir werden dem Haushalt des Herrn Bundesverkehrsministers zustimmen; wir sind nicht der Auffassung, daß die Dinge nicht doch in Ordnung gebracht werden könnten, — unter der Voraussetzung allerdings, daß man nun nicht an der Vergangenheit klebt und nicht anerkennt, daß inzwischen strukturelle Veränderungen erfolgt sind. Denn sonst würde natürlich der schon einmal erhobene Vorwurf einer mangelnden Voraussicht des Herrn Bundesverkehrsministers bestehenbleiben. Ich glaube aber, daß die Lehren der letzten Jahre auch in diesem Hause nicht ohne Berücksichtigung bleiben werden.
— Ich sage es im nächsten Jahre wieder!
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Bleiß hat mich mehrfach zitiert. Ich kann nur feststellen, daß ich in einer Reihe von Punkten mit ihm — ich glaube, da auch für meine Gesamtfraktion zu sprechen — übereinstimme. Trotzdem sind wir bei unseren Anträgen zum Haushalt sehr vorsichtig, weil wir der Auffassung sind, wir sollen nicht Anträge zum Bundeshaushalt stellen, die in Anbetracht der Gesamtsituation für den Herrn Bundesfinanzminister zur Zeit unzumutbar sind. Wir würden es aber sehr begrüßen, wenn wir bei der sachlichen Behandlung der Verkehrsprobleme zu einer vertrauensvollen und engen Zusammenarbeit gerade zwischen Koalition und Opposition kämen — sehr große Meinungsverschiedenheiten scheinen mir auch in der Sache gar nicht zu bestehen — und wenn es unseren gemeinsamen Bemühungen gelänge, sowohl im Parlament als auch bei der Regierung die Bedeutung der Verkehrsprobleme für unsere Gesamtwirtschaft etwas stärker zu betonen und dem auch bei der Behandlung der Verkehrsprobleme im parlamentarischen Rahmen den nötigen Ausdruck zu verleihen.
An dieser Stelle ist von mir verschiedentlich eine recht heftige Kritik am Verkehrsministerium geübt worden. Nun, ich werde auch heute einige Kritik zu üben haben. Ich möchte aber an den Anfang einige Worte des besonderen Lobes und der Anerkennung an die Adresse des Verkehrsministeriums für einige seiner Abteilungen richten. Insbesondere die Abteilungen im Bundesverkehrsministerium, die sich mit den Fragen der Seeschiffahrt, der Binnenschiffahrt und der Luftfahrt zu beschäftigen haben, haben sich tatsächlich erhebliche Verdienste erworben.
Gerade was die Seeschiffahrt betrifft, können wir der Kritik, die von außen daran geübt wird, daß die Höhe der Darlehen in diesem Haushalt von 70 auf 50 Millionen DM herabgesetzt wird, durch die Feststellung begegnen, daß der neu eingesetzte Haushaltstitel „Zinsverbilligungen" in Höhe von 6 Millionen DM ein vollwertiger Ersatz für das ist, was jetzt ausfällt, und daß in Anbetracht des bisher Erreichten damit die Garantie gegeben wird, daß auf dem bisher beschrittenen Wege fortgefahren werden kann. Ich habe die Bitte an das Bundesverkehrsministerium — natürlich auch an den Herrn Bundesfinanzminister, an den ich im Laufe meiner Ausführungen noch einige besonders freundliche Worte zu richten haben werde —, sich in den nächsten Monaten besonders auch des Problems der Passagierschiffahrt anzunehmen. Ich bin der Meinung: es ist an der Zeit, daß dieses Thema sehr ernsthaft aufgegriffen wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich nicht in allzu allgemeine theoretische Erörterungen verlieren. Wir haben uns im Verkehrsausschuß — und, wie ich weiß, auch im Haushaltsausschuß — auch bei den Beratungen über das Verkehrsfinanzgesetz bemüht, vor allem die Situation bei der Bundesbahn und die Situation auf den deutschen Straßen zu verbessern. Diesem Anliegen, zunächst einmal auf die Bahn ausgerichtet, soll der Antrag auf Umdruck 429 *) dienen, der sich mit der teilweisen
*) Siehe Anlage 9.
Abnahme der politischen Lasten der Bahn beschäftigt. Dieser Antrag, meine Damen und Herren, bedeutet keine neue finanzielle Belastung des Bundeshaushalts, sondern lediglich eine Titeländerung, und zwar soll an die Stelle des Titels „Liquiditätshilfe für die Deutsche Bundesbahn" der Wortlaut treten: „Teilweise Abnahme der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn".
Über das Thema „Abnahme der betriebsfremden politischen Lasten der Deutschen Bundesbahn" haben wir uns, glaube ich, bei jeder Haushaltsberatung, in jedem Jahr unterhalten. Jedesmal wurde quer durch alle Fraktionen die Feststellung getroffen: Wenn wir von der Deutschen Bundesbahn eine kaufmännische Betriebsführung erwarten und verlangen, muß sie von den politischen Lasten befreit werden. — Es scheint mir an der Zeit zu sein, daß wir diesem berechtigten Anliegen nunmehr auch einmal, wenigstens andeutungsweise, Rechnung tragen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja, bitte!
Herr Müller-Hermann, darf ich Sie an dieser Stelle mit der Frage unterbrechen, ob Sie sich erinnern, daß Sie höchstpersönlich als Sprecher Ihrer Fraktion vor einem Jahr bei den Beratungen über den Verkehrshaushalt 1954 in Aussicht gestellt haben, Sie beabsichtigten dieses Problem bereits im Nachtragshaushalt 1954 zu bereinigen? Wenn Sie also im Augenblick mit jemandem argumentieren, so eigentlich mit dem Schatten Ihrer Ausführungen vom vorigen Jahr!
Ich widerspreche dem durchaus nicht, Herr Kollege Schmidt. Sie wissen ja, daß ich mich gerade in den letzten Monaten immer wieder sehr ernsthaft um dieses Problem bemüht habe und daß diesem gleichen Anliegen, das ich bereits bei der vorjährigen Haushaltsberatung hier vertreten habe, auch der Koalitionsantrag auf Umdruck 429 dient. Aber vielleicht lassen Sie mich zunächst noch einige Ausführungen machen, bevor Sie die nächste Zwischenfrage stellen, Herr Kollege Schmidt!
Meine Damen und Herren, das Bundesverkehrsministerium hat einen Ausschuß eingesetzt, der den ganzen Problemkreis der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn klären soll. Der sogenannte Wetzler-Ausschuß hat das Wetzler-Gutachten erstattet. Dieses Wetzler-Gutachten zerfällt in zwei Teile: einmal sind die politischen Belastungen das Thema; das Thema des zweiten Teils sind die gemeinwirtschaftlichen Lasten. Soviel mir bekannt ist, gibt es in der gesamten Fachwelt — mit Ausnahme des Bundesfinanzministeriums — keine Meinungsverschiedenheit mehr über die Klärung des Themenkreises „politische Lasten". Anders verhält es sich mit den gemeinwirtschaftlichen Lasten der Deutschen Bundesbahn. Mit einem gewissen Bedauern hörte ich, daß das Bundesverkehrsministerium beabsichtigt, dieses Wetzler-Gutachten zu vervielfältigen und in Umlauf zu setzen. Meine Damen und Herren, dieses Wetzler-Gutachten versucht, die Negativseite der gemeinwirtschaftlichen
Belastungen der Deutschen Bundesbahn festzustellen mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß die dort errechneten Beträge nicht addiert werden dürfen, und mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß die vielen Privilegien der Deutschen Bundesbahn in diesem Gutachten nicht geprüft und gewertet worden sind. Das Wetzler-Gutachten stellt also im Hinblick auf die gemeinwirtschaftlichen Lasten — die ja auch hier im Zusammenhang mit dem Haushalt keine Bedeutung haben — ein Fragment dar und nicht eine endgültige Grundlage für die Wertung der gemeinwirtschaftlichen Lasten der Deutschen Bundesbahn.
Anders, wie gesagt, verhält es sich mit den politischen Lasten, und ich bin der Meinung, daß wir aus dem Titel „Liquiditätshilfe" den Titel „Teilweise Abnahme der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn" machen sollten. Mich und auch meine Koailitionsfreunde, die diesen Antrag mit unterstützt haben — das ist praktisch der gesamte Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages —, leiten im Grunde zwei Überlegungen.
Wenn wir uns darüber einig sind, daß die Bundesbahn zu einer kaufmännischen Betriebsführung
nicht nur gesetzlich, sondern auch durch die tatsächlichen Gegebenheiten gezwungen wird und gezwungen werden soll, dann müssen wir ihr diese politischen Lasten, die eine kaufmännische Betriebsführung unmöglich machen, abnehmen. Das heißt: wenn wir jetzt diesen Titel im Bundeshaushalt einsetzen, der keine zusätzliche Belastung darstellt, sondern nur die Änderung eines Titels, dann bezwecken wir damit eine Stärkung der Verantwortlichkeit der Deutschen Bundesbahn, die nach Abnahme dieser politischen Belastungen dann durch eigene innerorganisatorische Maßnahmen versuchen muß, sich auf eine gesunde Plattform zu stellen. Die Mittel, die wir mit Hilfe des Verkehrsfinanzgesetzes der Bundesbahn zur Verfügung stellen — immerhin ein Betrag von 1,5 Milliarden DM —, sollen ja dazu dienen, sie in die Lage zu versetzen, ihre Modernisierung und Rationalisierung voranzutreiben.
Folgendes zweite Ziel verfolgen wir mit der Abnahme der politischen Belastung: eine Modernisierung und Rationalisierung der Bahn wird allein — auch mit diesem Zuschuß oder Darlehen von 1,5 Milliarden aus dem Verkehrsfinanzgesetz — wahrscheinlich nicht zu bewerkstelligen sein, sondern die Bahn wird darauf angewiesen sein, den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Dazu muß sie kreditwürdig werden, und aus diesem Grunde scheint mir notwendig zu sein, daß wir ihr nicht nur die politischen Belastungen abnehmen, sondern endlich auch einmal eine Klarstellung bezüglich der bisher der Bundesbahn unter dem Namen „Darlehen" zur Verfügung gestellten Zuschüsse vornehmen. Hier liegt eine Aufgabe des Haushaltsausschusses und des Bundesfinanzministeriums für die nächsten Monate, weil die Klärung dieser Frage der bisherigen Darlehen, die ja wahrscheinlich auch haushaltsrechtlich in einen Zuschuß verwandelt werden müssen, der nicht zurückzahlbar ist, die Voraussetzung für die Kreditwürdigkeit ist. Mit diesen Maßnahmen werden wir die Kreditwürdigkeit der Deutschen Bundesbahn zu erhöhen in der Lage sein. Aus diesen Überlegungen heraus bitte ich das Hohe Haus, dem Koalitionsantrag in Umdruck 429 zuzustimmen. Praktisch deckt sich dieser Vorschlag weitgehend auch mit in dieser Richtung geäußerten Wünschen der Opposition.
Etwas schwieriger liegen die Dinge bei dem Antrag auf Umdruck 428*). Wir haben vor einigen Monaten das Verkehrsfinanzgesetz verabschiedet und stehen jetzt bei dieser Haushaltsverabschiedung vor der Frage, ob wir gewillt sind, ein Gesetz, das wir vor wenigen Wochen in diesem Hause fast einstimmig verabschiedet haben, auch einzuhalten. In diesem Gesetz wird ausdrücklich festgelegt, daß für die Dauer von 10 Jahren der Deutschen Bundesbahn aus dem Aufkommen des Verkehrsfinanzgesetzes ein Betrag von 150 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden muß und für die Dauer von 14 Jahren ein Betrag von 120 Millionen DM für den Ausbau der Autobahnen. Diese beiden Positionen sind im Verkehrsfinanzgesetz zweckgebunden vorgesehen.
Ein weiterer Abschnitt des Verkehrsfinanzgesetzes sieht dann vor, daß — gleichmäßig verteilt auf diese beiden Positionen — die Möglichkeit besteht, den nicht bundeseigenen Bahnen Darlehen bis zu einem Betrag von 10 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Der Bundeshaushalt in der bisher vom Haushaltsausschuß verabschiedeten Form sieht in Tit. 510 für die Deutsche Bundesbahn einen Betrag von 148 Millionen DM und in Tit. 800 für den Bau von Bundesautobahnen einen Betrag von 118 Millionen DM vor; d. h. es fehlen jeweils zwei Millionen DM, die aber nicht in einer separaten Position als Darlehen an die nicht bundeseigenen Bahnen eingesetzt worden sind. Wir stehen also damit in diesem Hause, wenn wir der durch das Verkehrsfinanzgesetz festgelegten Zweckbindung zu folgen bereit sind, vor der Alternative, entweder die Beträge von 148 Millionen DM und 118 Millionen DM auf 150 Millionen DM bzw. 120 Millionen DM zu erhöhen oder eine neue Position in Höhe von 4 Millionen DM für die nichtbundeseigenen Bahnen zu schaffen. Der Änderungsantrag auf Umdruck 428 schlägt Ihnen vor, diese 4 Millionen DM in der weggefallenen Position Tit. 511 als Darlehen an die nichtbundeseigenen Eisenbahnen gemäß Abschnitt VI Art. 1 des Verkehrsfinanzgesetzes vom 6. April 1955 einzuplanen.
Nun muß in diesem Zusammenhang natürlich auch die Frage gestellt werden: Wie sollen diese zusätzlich eingeplanten 4 Millionen DM gedeckt werden? Ich sehe mich leider genötigt, jetzt meine Worte insbesondere an das Bundesfinanzministerium zu richten. Vor der Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes hat der Herr Bundesfinanzminister den Mitgliedern des Finanz- und Steuerausschusses am 11. März dieses Jahres das nach sorgfältigen Vorschätzungen und Berechnungen vermutete Mehraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz für das Jahr 1955 vorgelegt. In dieser Aufstellung ist bereits berücksichtigt, daß das Verkehrsfinanzgesetz nicht am 1. April, sondern separat für die Kraftfahrzeugsteuer, Beförderungssteuer, Mineralölsteuer zu späteren Terminen in Kraft tritt. Aus dieser Gesamtaufstellung ergibt sich — wohlgemerkt, ich berufe mich ausschließlich auf die Zahlen, die uns vom Finanzministerium selbst zur Verfügung gestellt worden sind — für das Jahr 1955 ein Betrag von 340 Millionen DM an Bundessteuern und 45 Millionen DM an Ländersteuern; die Ländersteuern interessieren uns in diesem- Zusammenhang nicht. Aus dem Kraftverkehr kommen also im Jahre 1955 340 Millionen DM an Bundessteuern auf. Ich betone ausdrücklich, diese Zahl betrifft nur das Aufkommen aus dem
*) Siehe Anlage 8.
Kraftverkehr und nicht das Aufkommen z. B. an Mineralölsteuer, die außerhalb der Kraftverkehrswirtschaft anfällt. Das Aufkommen außerhalb der Kraftverkehrswirtschaft beträgt hier nach den Vorausschätzungen des Bundesfinanzministeriums 21 Millionen DM. Es ist bei den Beratungen des Verkehrsfinanzgesetzes ausdrücklich klargestellt worden, daß die sogenannten Rückvergütungen für erhöhte Mineralölsteuer, z. B. für die Landwirtschaft bei der Benutzung von Dieselkraftstoff für stationäre Motore usw., aus dem Teil des Mineralölsteueraufkommens vorgenommen werden sollen, der außerhalb der Kraftverkehrswirtschaft aufgebracht wird. Ich glaube, darüber gibt es auch keinerlei Meinungsverschiedenheiten.
Nun, meine Damen und Herren, was ist im Bundeshaushalt eingeplant? Es sind 148 Millionen DM für die Bundesbahn und 118 Millionen DM für die Bundesautobahnen eingeplant; das sind 266 Millionen DM. Es sind weiter 16 1/4 Millionen DM für die Bundesstraßen eingeplant, also summa summarum 282 Millionen DM. Ihnen steht ein vorausgeschätztes Aufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz von 340 Millionen DM gegenüber.
Nun muß in diesem Zusammenhang das eine ergänzend gesagt werden. Der neu geschaffene Tit. 750 sieht vor, daß zusätzlich zu den 16 1/4 Millionen DM auf diesem Titel alles verbucht werden soll, was sonst noch an Bundessteuern aus dem Verkehrsfinanzgesetz aufkommt. Hier ist also, wie ich hoffe, eine gewisse Sicherung gegeben, daß entsprechend den Zweckbindungen des Verkehrsfinanzgesetzes die Mittel tatsächlich auch für den Straßenbau bzw. für die Bundesbahn Verwendung finden.
Aber bei den von mir jetzt dargelegten Zahlen scheint es mir wohl kein unbilliges Verlangen zu sein, wenn beantragt wird, auf der Positivseite, auf der Deckungsseite, das Aufkommen aus der Mineralölsteuer um 4 Millionen DM zu erhöhen, damit wir auch rein formell einen Ausgleich für den neuen Titel „4 Millionen DM Darlehen an die nichtbundeseigenen Bahnen" finden.
Von Herrn Kollegen Bleiß und auch von den anderen Vorrednern ist dann darauf hingewiesen worden, daß für den Straßenbau im Laufe der nächsten Jahre erheblich mehr getan werden muß als bisher und daß vor allem auch ein Weg gefunden werden muß, um den schwächeren Baulastträgern, die keine spezifischen Einnahmen aus dem Kraftverkehr haben, aber sehr große Aufwendungen für den Straßenbau erbringen müssen, in irgendeiner Weise zu helfen. Sie wissen, daß der Präsident der Vereinigten Staaten, Eisenhower, vor kurzem dem amerikanischen Kongreß eine Botschaft mit dem Vorschlag eines Zehnjahresprogramms für den Straßenbau in Höhe von 101 Milliarden Dollar übermittelt hat. Selbstverständlich sind die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten nicht ohne weiteres mit den Verhältnissen bei uns zu vergleichen. Aber einen Satz aus dieser Botschaft möchte ich doch zitieren, auch etwas an die Adresse unseres verehrten Herrn Bundesfinanzministers gerichtet. Es heißt darin:
Überdies sind im Falle der Bundesregierung Ausgaben für ein Straßenprogramm als Gegenleistung gegenüber dem Straßenbenutzer für jene Steuern, die er im Zusammenhang mit seiner Benutzung der Straßen bezahlt, aufzufassen.
Mir ist völlig klar, daß dieses Postulat auf die heutige Situation übertragen für den Herrn Bundesfinanzminister und letzten Endes auch für uns alle eine Unzumutbarkeit bedeutet; denn ein großer Teil der Mittel, die heute von der Kraftverkehrswirtschaft aufgebracht werden, werden eben für andere, nicht minder dringliche Vorhaben benötigt. Aber angesichts des rapiden Zuwachses an Kraftverkehr, der vor allem in den Städten das Raumproblem sehr ernsthaft aufwerfen wird, werden wir auf die Dauer nicht daran vorbeikommen, Herr Bundesfinanzminister, auch einen Teil derjenigen Mittel für ein großzügiges Generalstraßenbauprogramm zur Verfügung zu stellen, die infolge des natürlichen Anwachsens des Kraftverkehrs in Ihre Finanzsäckel fließen.
— Dahin müssen wir wirken, meine Damen und Herren, und ich glaube, daß die Situation uns einfach dazu zwingen wird. Mir scheint es vernünftiger, ein solches Projekt rechtzeitig in Angriff zu nehmen und so Mittel zu sparen, die erforderlich wären, wenn wir in fünf, sechs, sieben, acht oder zehn Jahren vor einer nicht mehr zu meisternden Situation stünden.
Nun muß ich doch noch einmal auf das Aufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz für das Jahr 1955 zurückkommen. Ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums hat versucht, die Bedenken, die ich Ihnen vorgetragen habe, durch das Gegenargument zu entkräften: Ja, Herr Müller-Hermann, Sie haben vollkommen recht, die Mineralölsteueranhebung ist am 1. Mai in Kraft getreten und wird natürlich entsprechend von den Mineralölnutzern aufgebracht; aber es vergehen zwei bis drei Monate, bis dieses Aufkommen über die Mineralölverbände an die Bundeskasse abgeführt wird, und aus diesem Grunde können wir nicht nur einen Monat, nämlich bis zum 1. Mai, dem verspäteten Inkrafttreten, sondern wir müssen drei Monate des Mehraufkommens absetzen. — Herr Bundesfinanzminister, das ist eine sehr gefährliche Argumentation. Denn damit widerlegen Sie wirklich selbst Ihre Zahlen; diese Überlegung hätte ja seinerzeit auch bereits ihren Niederschlag finden müssen. Im übrigen müssen wir, glaube ich, uns und auch unseren sehr verehrten Herrn Bundesfinanzminister daran gewöhnen, daß er entweder immer nach dem Kassenprinzip oder immer nach dem Prinzip des Gesetzestextes arbeitet, aber nicht einmal so und einmal so, je nachdem, wie es gerade für die Haushaltssituation zweckmäßig erscheint. Aus diesem Grunde möchte ich meinen, daß wir uns über diese beiden Anträge, wenn wir es bei der zweiten Lesung nicht schaffen, bei der dritten Lesung noch einmal sehr ernsthaft auseinandersetzen müssen.
Meine Damen und Herren, ich hatte eigentlich die Absicht, noch etwas auf die Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen einzugehen, die wir zum Teil auch mit Haushaltsmitteln finanzieren. Aus den Reihen meiner Fraktion wird aber zu diesem Themenkreis noch ein besonderer Antrag gestellt werden, ich möchte mich daher heute nicht damit befassen. Ich möchte nur der Überzeugung Ausdruck geben, daß wir alle Mittel, die unter dem Motto Straßenbau zur Verfügung stehen und gebraucht werden, auch dem Straßenbau zugute kommen lassen müssen und nicht dem Bau von Tankstellen und Raststätten. Den sollen diejenigen finanzieren, die ein Interesse an der Unterhaltung dieser Tankstellen und Raststätten haben; ich
glaube, die sind kapitalkräftig genug, um mit diesem Bau und Ausbau selbst fertig zu werden.
Zum Abschluß lassen Sie mich noch auf folgendes hinweisen: Ich kann nur unterstreichen, was von verschiedenen Seiten gesagt worden ist: wir brauchen im Bereich des Verkehrs dringend eine Zusammenarbeit der Verkehrsträger. Wir stehen in der nächsten Zeit vor einem neuen Verkehrsnotstand, nicht vor einem Verkehrsnotstand in der Form, wie wir lange Zeit über ihn geredet haben, sondern vor einem Verkehrsnotstand, der seinen Grund in dem Mangel an Transportkapazität hat. Ich weise heute das Bundesverkehrsministerium und das Finanzministerium darauf hin. Im Mai 1954 haben der Deutschen Bundesbahn täglich etwa 150 bis 200 Waggons gefehlt. Im Mai 1955 waren es 1500 bis 2000 Waggons täglich. Wir unterstützen mit allen Mitteln — und dazu sollen ja auch gerade die 1,5 Milliarden DM dienen — das Neubau- und Ausbauprogramm der Deutschen Bundesbahn im Hinblick auf ihren Waggonbestand, aber wir werden auch mit dem Waggonneubau, der mit den Anforderungen und Erfordernissen leider nicht Schritt hält, allein nicht zurecht kommen, und wir müssen, ob wir wollen oder nicht, nun endlich einmal durch eine vernünftige Zusammenarbeit der Verkehrsträger das Unsere dazu beizutragen suchen, daß Leerlauf und Transportvergeudung vermieden werden. Diesem Zweck hat in erster Linie auch eine vorläufige und — eines Tages — eine endgültige Tarifreform zu dienen. Ich möchte angesichts des bevorstehenden Verkehrsnotstands nur noch einmal deutlich machen, meine Damen und Herren, welch verhängnisvollen Weg wir in diesem Hause beschritten hätten, wenn wir dem sogenannten Straßenentlastungsgesetz mit den Beförderungsverboten gefolgt wären.
Ich begrüße aus diesem Grunde ganz besonders, daß eine Tendenz zum Einlenken auf vernünftigere Wege, wie ich weiß und wie ich auch spüre, im Bundesverkehrsministerium selbst zu bemerken ist.
Bevor wir das Verkehrsfinanzgesetz verabschiedeten, ist verschiedentlich vom Herrn Bundesverkehrsminister darauf hingewiesen worden, daß sofort nach Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes die umfassende Verkehrskonzeption seines Hauses vorgetragen werden sollte. Das gilt für das Straßenbauprogramm, das immer noch auf dem Papier steht, das gilt für die Tarifneuordnung, das gilt für die Unfallbekämpfung usw. usw. Wir müssen leider wieder feststellen: Fehlanzeige! Wenn der Bundesverkehrsminister oder seine Herren im Ministerium meinen, daß man Unfallbekämpfung mit Hölderlin-Versen betreiben könnte, wie das im „Bulletin" zum Ausdruck kam: „Wenn die Not am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten" — ja, meine Damen und Herren, in dieser Form werden wir mit den Verkehrsproblemen auf jeden Fall nicht fertig werden. Ich möchte von meiner Seite und ich glaube hier auch wieder im Namen meiner ganzen Fraktion zu sprechen — darauf hinweisen, daß wir auf eine wirklich freundschaftliche und gute Zusammenarbeit mit dem Bundesverkehrsminsterium äußersten Wert legen. Wir wissen auch, Herr Bundesverkehrsminister, daß Sie in Ihrem Hause über ausgezeichnet qualifizierte Mitarbeiter verfügen, wenn wir auch immer wieder und gerade bei den Haushaltsberatungen feststellen müssen, wie sie den noch mehr qualifizierten Mitarbeitern des Bundesfinanzministeriums — wie es scheint — häufig genug nicht ganz gewachsen sind. Ich glaube, daß es in Ihrem eigenen Interesse, Herr Bundesverkehrsminister, und auch im Interesse der Bundesverkehrspolitik liegen würde, wenn Sie sich endlich entschließen könnten, gerade die guten Mitarbeiter in Ihrem Hause mehr zur Mitarbeit heranzuziehen und manche schlechteren Ratgeber, auf die Sie leider oft genug gehört haben, etwas mehr in den Hintergrund zu stellen. Dann werden wir auch mit der Bundesverkehrspolitik zurechtkommen.
Meine Damen und Herren! Bisher sind von den vielen Änderungsanträgen nur begründet die Änderungsanträge Umdrucke 428 Ziffer 1, 403 Ziffer 1, 429, 379, 388, 403 Ziffer 3. Nicht begründet sind die Anträge Umdrucke 428 Ziffer 2, 387, 412 und 427.
Zu dem Antrag Umdruck 428 *) hat das Wort der Abgeordnete Scheuren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Bericht des Herrn Abgeordneten Ritzel sind mir zwei Feststellungen aufgefallen, zu denen ich noch Stellung nehmen möchte. Einmal ist es seine Erklärung, daß der Herr Bundesverkehrsminister im Haushaltsausschuß erklärt habe, die nichtbundeseigenen Bahnen seien im Augenblick gar nicht verlegen um diese 10 Millionen DM, die sie so dringend benötigen, weil sie im Augenblick diese Mittel noch nicht verplant hätten. Ich habe eine solche oder ähnliche Erklärung schon einmal gehört gelegentlich der Beratung im Verkehrsausschuß und habe darum gebeten, daß man doch einmal angeben möge, von welcher Seite her eine solche Auffassung dem Bundesverkehrsministerium vermittelt worden ist. Meine Feststellungen nach den Beratungen im Haushaltsausschuß bei dem Präsidenten des Verbandes der nichtbundeseigenen Bahnen und beim Vorstand dieses Verbandes haben ergeben, daß niemals eine derartige Erklärung dem Bundesverkehrsminister oder seinem Ministerium gegenüber abgegeben worden ist. Nachdem der Herr Abgeordnete Ritzel aber diese Erklärung in seinem Bericht erneut aufgreift, frage ich den Herr Bundesverkehrsminister, woher er diese Information bezogen hat. Über die Notlage bei den nichtbundeseigenen Bahnen jetzt noch einmal zu sprechen, wäre verfehlt, nachdem dem ganzen Hause hinreichend Druckschriften darüber zugegangen sind und ich annehmen darf, daß diese noch in Erinnerung stehen.
Die zweite Feststellung, die der Herr Abgeordnete Ritzel getroffen hat, geht dahin, der Antrag Müller-Hermann und Genossen, Umdruck 428, könne hinfällig werden, nachdem ihm das Bundesfinanzministerium verbindlich zugesagt habe, daß es aus Kassenmitteln diese 4 Millionen DM, die mit dem Antrag gemeint waren, zur Verfügung stellen wolle, um im Jahre 1955 den nichtbundeseigenen Bahnen doch eine erste Hilfe zu gewähren. Ich bin der Meinung und habe dem ja bei der Beratung im Verkehrsausschuß auch Ausdruck gegeben, daß der Herr Kollege Müller-Hermann durchaus recht hat, wenn er eben von hier aus sagte, daß im Verkehrsausschuß und wahrscheinlich auch im Bundestag niemals daran gedacht war, den Start für die nicht-
*) Siehe Anlage 8.
bundeseigenen Bahnen um ein Jahr hinauszuschieben. Es ist vielmehr so gewesen, daß bei allen Beratungen immer wieder von gleichen Startbedingungen zum gleichen Zeitpunkt gesprochen wurde. Deshalb ist es unverständlich und wahrscheinlich nur auf die Erklärung des Herrn Bundesverkehrsministers im Haushaltsausschuß zurückzuführen, daß der Haushaltsplan für 1955 nicht den Ansatz gebracht hat, wie er im Verkehrsfinanzgesetz vorgesehen ist. Ich bitte jedenfalls namens der sozialdemokratischen Fraktion, mindestens dem Antrag Umdruck 428 die Zustimmung nicht zu versagen, damit die Bahnen im Jahre 1955 wenigstens eine erste, wenn auch nicht genügend wirksame Hilfe erhalten können.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn im Bundestag über Verkehrsfragen gesprochen wird, dann ist das im allgemeinen damit gleichbedeutend, daß auch der Herr Bundesverkehrsminister sein Teil abbekommt. Heute ist es zwar, jedenfalls bislang, verhältnismäßig glimpflich abgegangen; aber immerhin ist doch wieder durchgeklungen, daß man mit den Leistungen des Ministeriums bzw. mit der Leistung des Herrn Ministers selber keineswegs in allen Punkten zufrieden ist.
Ich habe auf der einen Seite die etwas schwierige und vielleicht sogar unpopuläre Aufgabe, ihn zu verteidigen. Auf der anderen Seite halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, das zu tun, da das Ausmaß der Kritik an den Leistungen in keiner Weise gerechtfertigt ist. Meine Damen und Herren, denken wir doch gerechterweise einmal daran, welch ein Verkehrschaos der totale Zusammenbruch 1945 hinterlassen hat! Denken wir weiter daran, daß eine Möglichkeit zur Neuordnung des Verkehrswesens praktisch erst mit dem Tage der Währungsreform gegeben war; und seien wir dann gerecht und stellen wir fest, daß ähnlich wie in anderen Zweigen der Wirtschaft auch auf dem Gebiet des Verkehrswesens in den letzten Jahren Außerordentliches geleistet worden ist, und zwar nicht zuletzt auf Grund der entschlossenen Initiative des Bundesverkehrsministers. Ich wehre mich ganz entschieden dagegen, daß sogenannte Verkehrsexperten — auch hier im Hause —, die sich vielfach selber zu solchen Experten ernannt haben, die Dinge immer so darzustellen belieben, als ob dieses Ministerium von vorn bis hinten nur versage. Das wollte ich vorausschicken.
Auf der anderen Seite hat man es als Mitglied des Verkehrsausschusses, verzeihen Sie den Ausdruck, manchmal satt, immer wieder die Standpunkte und Gegenstandpunkte der einzelnen Verkehrsinteressenten zu hören und dabei immer wie- der festzustellen, daß sie leider nicht immer von jener Sachlichkeit bestimmt sind, die wir, wenn wir uns als Mitglieder des Verkehrsausschusses und als Abgeordnete ein richtiges Bild machen sollen, voraussetzen müssen. Ich kann deshalb nur die Hoffnung aussprechen, daß für die künftigen Erörterungen von Verkehrsfragen, gleichgültig, um welche es sich handelt, zwischen den einzelnen Verkehrsträgern und insbesondere auch in den Beziehungen zwischen den Verkehrsträgern und dem Parlament jene Atmosphäre der Sachlichkeit geschaffen wird, die es uns ermöglicht, unter Abwägung aller sachlichen Gesichtspunkte vernünftige Entscheidungen zu treffen. Unter keinen Umständen wünschen meine politischen Freunde von der Deutschen Partei und ich, daß etwa künftige Auseinandersetzungen um wichtige Fragen auf dem Gebiet der Verkehrspolitik in einem ähnlichen Klima stattfinden wie die Erörterung der Fragen des Verkehrsfinanzgesetzes.
In diesem Zusammenhang hat es sich sehr erfreulich angelassen, daß der Herr Bundesverkehrsminister die Gelegenheit wahrgenommen hat, hinsichtlich einer weiteren sehr schwerwiegenden Frage, nämlich der Maße und Gewichte für die schweren Fahrzeuge, mit der Wirtschaft selber entsprechende Fühlung aufzunehmen. Wenn auch bis heute zwischen der Wirtschaft und dem Ministerium kein befriedigender Ausgleich zustande gekommen ist, so läßt uns die Tatsache, daß man sich überhaupt bisher rein sachlich über das Thema unterhalten hat, hoffen, daß es zu einem für alle Teile brauchbaren Kompromiß kommen wird.
Wenn von verschiedenen Seiten immer wieder der Versuch unternommen wird, in der Öffentlichkeit die Dinge so darzustellen, als plane der Bundesverkehrsminister, diese Frage auf dem Wege einer autokratischen Verordnung zu regeln, so möchte ich dem hier von diesem Platz aus mit allem Nachdruck entgegentreten. Ich darf dazu auf den einmütigen Beschluß des Verkehrsausschusses verweisen, der in den vergangenen Tagen gefaßt wurde und der besagt, der Verkehrsausschuß sei sich, und zwar in allen Fraktionen, darüber einig, daß man nach der Anhörung von technischen und sonstigen Sachverständigen gemeinsam zu einer Lösung, und zwar auf parlamentarischer Ebene, kommen wolle. Ich nehme an, daß, wenn ich dies praktisch im Namen des ganzen Verkehrsausschusses hier sagen kann, es auch den Interessenten draußen Veranlassung sein möge, in ihren eigenen Blättern etwas kürzer zu treten. Auf der anderen Seite kann ich auch in diesem Falle nur die Mahnung beispielsweise leider auch an verschiedene Kollegen richten, nun nicht draußen dauernd das Feuer zu schüren, sondern lieber mitzuhelfen, daß die Probleme auf sachliche Art und Weise gelöst werden.
Es ist hier sehr bewegte Klage über den mangelhaften Straßenausbau geführt worden. Herr Müller-Hermann hat den Straßennotstand verkündet. Wir nehmen das zur Kenntnis. Wir sind uns alle darüber im klaren. Bloß hat keiner der Herren Vorredner hier erörtern können, woher wir die gewaltigen Mittel nehmen sollen, die wir für einen solchen Straßenausbau brauchen, soll er in kürzerer Zeit und in wirklich angemessenem Umfang durchgeführt werden. Daß bei dem gewaltigen Anstieg des Kraftverkehrs, und zwar sowohl auf dem Personenwagen- wie auf dem Lastwagensektor alles, aber auch alles geschehen muß, um das Straßennetz wenigstens in etwa den wachsenden Bedürfnissen anzupassen, darüber sind sich die Vertreter sämtlicher Fraktionen im Verkehrsausschuß einig.
Aber ich möchte die Forderung jenes Kollegen unterstützen, der hier Klage darüber führte, daß das Bundesverkehrsministerium zu wenig Einfluß auf die Straßen vielerlei Klassifizierungen habe. Wir sind durchaus damit einverstanden, daß dem Herrn Bundesverkehrsminister eine größere Zu-
ständigkeit im Straßenwesen gegeben wird, als das bisher der Fall war. Ich nehme an, daß wir dann auch zur Befriedigung der Ansprüche kommen können, die die Länder und Gemeinden auf diesem Gebiet heute mit vollem Recht stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist einer Kulturnation unwürdig, daß sie jedes Jahr Tausende und aber Tausende von Verkehrstoten und Hunderttausende von Schwerverletzten beklagen muß. Wir sind uns auch alle darüber einig, daß es nicht angängig ist, mit diesen Zahlen etwa Propaganda in irgendeiner Richtung zu machen. Auf der anderen Seite müssen wir aber alle gemeinsam daran arbeiten, diesen Zustand zu beseitigen. Ich bezweifle allerdings, ob es lediglich mit der Ermahnung zur Verkehrsdisziplin an die einzelnen Verkehrsteilnehmer getan ist.
Ich habe manchmal den Eindruck, daß auch die Behörden selbst zu wenig tun, wobei ich nur daran erinnere, daß es beispielsweise in der Hand jeder Gemeinde liegt, eine Geschwindigkeitsbeschränkung in ihrem eigenen Bereich durchzuführen. Und da bekanntlich ein Großteil, wenn nicht der größte Teil aller Unfälle überhaupt in Ortsdurchfahrten passiert, dürfte es ein Leichtes sein, durch solche Geschwindigkeitsbeschränkungen vernünftigere Verkehrsverhältnisse in den einzelnen Ortschaften zu schaffen. Von dieser Möglichkeit ist bis heute bei weitem zu wenig Gebrauch gemacht worden. Nur wenige werden verlangen, daß dort, wo der Verkehr sich zügig entwickeln soll, nämlich auf der Landstraße und auf der Autohahn. Geschwindigkeitsbeschränkungen eingefürt werden sollen. Aber es muß hier festgestellt werden: Die Kommunen selbst haben in ihrem Gebiet dazu durchaus die Möglichkeit.
Zu dem Problem der Straße möchte ich abschließend noch sagen: Die Erörterung des Themas Nummernschilder — eine Kleinigkeit scheinbar nur auf dem Gebiet der Verkehrspolitik, aber eine Kleinigkeit, die auch erhebliche Wellen in der Öffentlichkeit geschlagen hat — sollte ebenfalls in möglichst ruhiger Atmosphäre vor sich gehen. Wir sind uns alle darüber klar, daß die bisherigen Nummernschilder verschwinden müssen, weil wir alle kein Interesse daran haben, nach wie vor als Besatzungsdeutsche gestempelt durchs Land zu fahren. Auf der andern Seite glaube ich aber, daß das Verlangen, das meines Wissens erstmalig im Kabinett in Erscheinung trat, nun auch die Bundesfarben noch auf den Nummernschildern unterzubringen, abwegig ist. Ich bin wohl nicht verdächtig, den Bundesfarben zu nahe treten zu wollen; aber meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß der Effekt, der hier erzielt würde, in keinem Verhältnis zu den aufzuwendenden Kosten steht. Darüber hinaus wird ja auch der Deutsche, der beispielsweise im Ausland fährt, nicht nach den Bundesfarben am Nummernschild, sondern nach seinem Verhalten schlechthin beurteilt. Das Kabinett möge sich eingehend überlegen, ob es an dieser Forderung festhält, damit wir nicht auch in dieser Frage einen neuen Sturm im Wasserglas erleben.
Im Rahmen des Verkehrsfinanzgesetzes ist, wie Herr Müller-Hermann hier schon ausführte, ein Teil der Mittel an die Deutsche Bundesbahn abgezweigt worden. Nachdem das Gesetz beschlossen ist und durchgeführt wird, kann man das, was man im Schoße des Ausschusses einmal ganz still geäußert hat, hier ruhig nochmals öffentlich sagen. Mir persönlich hat es keineswegs behagt, daß Mittel, die aus dem Straßenverkehr aufkommen, nun auf der anderen Seite der Bundesbahn gegeben wurden. Allerdings waren wir im Zuge der Maßnahmen, die das Verkehrsfinanzgesetz vorsah, zu einer so unpopulären Maßnahme wohl mehr oder minder gezwungen.
Was die Deutsche Bundesbahn betrifft, so kann ich mich ganz kurz fassen und das unterstreichen, was speziell die Herren Kollegen Drechsel und Dr. Bleiß vorhin schon ausgeführt haben. Es ist in der großen Verkehrsdebatte des Bundestages vor einem halben Jahre von den Rednern sämtlicher Fraktionen bereits zum Ausdruck gebracht worden, daß wir die Seeschlange nicht mehr sehen wollen, die Seeschlange Bundesbahn nämlich, die die politischen Lasten abgenommen haben will und auch sonst saniert sein will. Inzwischen haben sich die Standpunkte zwischen der Opposition und der Regierung in dieser Frage sehr weitgehend angenähert, und ich hoffe, daß mit dem notwendigen Verständnis des Bundesfinanzministeriums nun wirklich in absehbarer Zeit eine endgültige Bereinigung dieser Frage erfolgen kann. Auf der andern Seite darf hier ruhig einmal festgestellt werden, daß auch bei der Bundesbahn nicht nur Engel sitzen und daß die Bundesbahn ihre Karten einmal auf den Tisch legen möge. Das hat sie bis heute noch nicht getan; es würde aber sicher dazu beitragen, einen erheblichen Teil des Ressentiments zwischen Schiene und Straße zu beseitigen.
Einige Worte nur noch zu zwei anderen wichtigen Fragen. Herr Kollege Drechsel hat hier etwas über die Deutsche Lufthansa gesagt. Er hat ihr bescheinigt, daß sie praktisch keinen glücklichen Start gehabt habe. Ich bedauere das an sich, wenngleich ich seine Meinung natürlich achte. Zugegebenermaßen muß man bei der Fliegerei schlechthin — und hier spreche ich aus Erfahrung, Herr Kollege Drechsel — auch eine erhebliche Portion Optimismus und Idealismus mitbringen. Ich persönlich bringe sie mit, und ich hoffe, daß sich das Parlament, soweit es vorhin bei Ihren Erörterungen überhaupt vertreten war, durch Ihre Ausführungen nicht so weit beeindrucken läßt, daß es etwa seine fördernde Hand von der deutschen Luftfahrt zurückzieht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es war eine glückliche Fügung, daß die vom Verkehrsministerium geplanten Maßnahmen mit dem politischen Ablauf der Dinge, nämlich mit der Wiedererlangung der Souveränität, auch in Fragen der Lufthoheit zusammenfielen, so daß der geplante Aufmarsch der Lufthansa endlich abrollen konnte. Gewiß läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen, wie sich die Dinge endgültig entwickeln werden. Aber eins kann doch schon gesagt werden: Die warme Anteilnahme, die der Deutschen Lufthansa selbst von den Konkurrenzgesellschaften des Auslandes von vornherein entgegengebracht wurde, ich möchte sagen: die Freundschaft, die sich u. a. darin manifestiert, daß britische und amerikanische Gesellschaften der Deutschen Lufthansa ihre Piloten für die Ausbildung für ein Jahr zur Verfügung gestellt haben, läßt uns einmal hoffen, daß die begonnene freundschaftliche Zusammenarbeit auf anderen Gebieten zwischen Deutschland und den übrigen Nationen Europas und der Welt fortgesetzt wird, und läßt uns auf der andern Seite hoffen, daß der glückliche Start der Lufthansa, der sich
auch darin manifestiert, daß die im Augenblick in nur geringer Zahl vorhandenen Maschinen ständig und teilweise auf Wochen hinaus ausverkauft sind, seine Fortsetzung finden möge, wenn die Hansa einmal in der Lage sein wird, mehr Raum, mehr Passagierplätze anzubieten, als es ihr zur Zeit möglich ist.
Ich habe es bedauert — und mit mir meine politischen Freunde —, daß sich die deutsche Wirtschaft bei einem Unternehmen, wie es die Deutsche Lufthansa zumindest dem Rufe nach ist, in der Weise zurückgehalten hat, wie das der Fall gewesen ist. Natürlich wird bei der Wirtschaft nicht mit Sentiment und hoffentlich auch nicht mit Ressentiment gerechnet, sondern man rechnet dort ganz nüchtern mit Zahlen. Immerhin hätte es die Deutsche Lufthansa und hätten es die Bemühungen, die von allen verantwortlichen deutschen Stellen für die Wiedererrichtung der Deutschen Lufthansa unternommen worden sind, verdient, daß die deutsche Wirtschaft eine größere Aufgeschlossenheit an den Tag gelegt hätte. Die Wirtschaft hätte sich dann heute nicht darüber zu beklagen, daß sich der größte Teil der Aktien in Händen des Bundes befindet.
Wir glauben jedenfalls, daß der begonnene Start der Hansa fortgesetzt werden sollte. Wir sind nicht ohne weiteres davon überzeugt, daß dort etwa nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten gehandelt wird. Dazu haben sich schließlich sowohl dieses Parlament wie auch die Regierung die nötige Einflußnahme gesichert. Ich möchte ganz besonders diesen Appell an Sie richten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir werden demnächst im Zuge einer Großen Anfrage, die sich mit der Luftfahrtpolitik der Regierung befaßt und schließlich auch mit der Politik, die sie mit der Deutschen Lufthansa zu verfolgen gedenkt, sowieso noch im Detail über diese Dinge sprechen. Ich möchte Sie aber heute schon herzlich bitten, der deutschen Luftverkehrsgesellschaft nicht Ihr Wohlwollen zu entziehen, die. obwohl sie erst wenige Wochen am Luftverkehr der Welt teilnimmt, sich doch schon einen Platz erobert hat, so daß sie morgen nicht ohne weiteres wieder verschwinden kann.
Bei dieser allgemeinen Schau über die verkehrspolitischen Probleme schließlich noch ein letztes Wort über den Schiffbau, und zwar speziell über den Passagierschiffbau. Ich weiß, daß dieser oder jener Kollege des Haushaltsausschusses bei diesem Wort schon wieder neue Belastungen auf den Bundeshaushalt zukommen sieht. Aber es liegt noch im Schoße der Weisen, ob sich der Bund unbedingt in der Weise engagieren muß, wie er das in der Vergangenheit bei der Hochseefischerei oder bei der Hochseeschiffahrt getan hat. Jedenfalls liegt es in der Luft, daß genau wie im Fall der Lufthoheit, die wir durch die Wiederingangsetzung der Deutschen Lufthansa gekrönt haben, auch die deutschen Passagierschiffe in Zukunft auf den Weltmeeren nicht fehlen dürfen und auch nicht fehlen können. Die ganze Entwicklung im Überseeverkehr zeigt, daß nach wie vor eine große Nachfrage nach Schiffsplätzen besteht. Wir sind uns auf der anderen Seite im klaren darüber, daß die Wirtschaft, speziell die interessierte Wirtschaft, diese Forderung nachdrücklich erhebt, daß es außerdem auch eine Frage für die Beschäftigung unserer Werften ist, deren Bedeutung nicht verkannt werden darf. Wir sind uns aber ebenfalls darüber im klaren, daß ein beginnender deutscher Passagierschiffbau nicht sofort mit einer großen Flotte antreten kann, sondern daß hier mit der notwendigen Rücksicht und Vorsicht geplant und gehandelt werden muß. Daß der deutsche Passagierschiffbau wiederkommen muß, ist so sicher wie das Amen in der Kirche; ich bin zwar kein christlicher Demokrat wie Herr Dr. Dresbach, aber es sei mir trotzdem verstattet, das zu sagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe dann noch die Ehre, kurz meinen Antrag Umdruck 387 zu begründen. Ich will mich dabei so kurz wie möglich fassen. Es handelt sich darum, im Einzelplan 12 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr den Ansatz in Kap. 1202 Tit. 609 von 10 000 auf 30 000 DM zu erhöhen. Herr Kollege Höck von der Christlich-Demokratischen Union hat einen etwa gleichlautenden Antrag gestellt. Ich bin mit ihm übereingekommen, daß er Ihnen eine detailliertere Darstellung der Dinge geben wird. Ich bin überzeugt, daß das Haus diesem Antrag seine Zustimmung nicht versagen wird, da sowohl die CDU wie auch die SPD wie meines Wissens auch FDP und Deutsche Partei diese Anträge gestellt haben. Es handelt sich letzten Endes nur um einen Betrag von 20 000 Mark, mit dem aber immerhin sichergestellt ist, daß die Studiengesellschaft für Behälterverkehr, die im Rahmen der Verkehrskoordination eine ganz wesentliche Rolle im In- und Auslande spielt, weiterhin ihren Aufgaben voll gerecht werden kann. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrage Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneider hat schon auf den Umdruck 412 *) hingewiesen, den ein Reihe Kollegen dieses Hauses mit unterzeichnet und eingebracht haben. Ich darf vielleicht Ihr Augenmerk ganz kurz einmal auf das Interesse des Bundes an der Studiengesellschaft für Behälterverkehr richten. Es hieße die Bedeutung des Behälters verkennen, wollte man in ihm nur ein technisches Gerät der Eisenbahn sehen, die mit ihm die Durchführung ihres Verkehrs erleichtert. Der Behälter ist nämlich weit mehr. Er ist das Kernstück einer neuen Verkehrsform, um die auch wir uns jetzt bemühen und die sich langsam, aber sicher ihren Weg bricht und eine richtige Revolution im Verkehrswesen bedeutet. Ihr eigentlicher Sinn ist, daß nicht mehr wie bisher die Güter selbst manipuliert werden und beim Versender auf-, beim Empfänger ab- und bei den Umschlagstellen von einem Fahrzeug auf das andere geladen werden. Künftig soll der Transportraum selbst, der die Güter umschließt und bisher ein Teil des Fahrzeuges war, von diesem losgelöst manipuliert werden.
Die großen Vorteile einer solchen Verkehrsform darf ich als bekannt voraussetzen. Sie haben trotz der hohen Investierungskosten zu einem großen Aufschwung des Behälterverkehrs in allen Ländern geführt. Entscheidend ist und war aber, daß der Behälter das ideale Instrument zur Verwirklichung eines kombinierten Verkehrs ist, bei dem der Transport auf der langen Strecke von der Eisenbahn oder dem Schiff und nur auf der kurzen Strecke auf der Fläche des Kraftwagens durchgeführt wird. Erst
*) Siehe Anlage 6.
der Behälter, der dank seiner besonderen Konstruktion spielend von einem Fahrzeug auf das andere übergeht, macht einen solchen kombinierten Verkehr wirtschaftlich durchführbar. Auch der sogenannte Huckepack-Verkehr, von dem Sie schon gehört haben, ist ein extremer Fall des Behälterverkehrs. Es ist deshalb verständlich, daß bei allen Erörterungen über eine Neuordnung des Verkehrs die Förderung des Behälterverkehrs stets mit an erster Stelle steht. Der Behälter ist im übrigen wie geschaffen für den grenzüberschreitenden, internationalen Verkehr.
Leider entwickelt sich der Behälterverkehr nicht von selbst im freien Spiel der Kräfte im Sinne einer Zusammenarbeit der Verkehrszweige. Vielmehr versuchen Schiene sowohl wie Straße sich durch Schaffung eigener Behälterparks in verständlichem eigenwirtschaftlichem Interesse die Vorteile dieses Verkehrs zunutze zu machen, um ihre Position im Wettbewerb zu stärken. Im internationalen Verkehr kommt hinzu, daß es bereits heute mehrere unterschiedlich ausgereifte Systeme des Behälterverkehrs gibt, die sich in den einzelnen Ländern entwickeln. Weder bei uns noch in diesen anderen Ländern haben die Verkehrsbehörden eine Handhabe, die Entwicklung des Behälterverkehrs im Sinne einer volkswirtschaftlich gesunden Arbeitsteilung zwischen den Verkehrszweigen zu erzwingen.
Aus diesem Grunde wurde eben auf Veranlassung des Direktors der Verwaltung für Verkehr seinerzeit die Studiengesellschaft für Behälterverkehr in der Form eines eingetragenen Vereins gegründet. Ihre Aufgabe sollte es sein, auf einer neutralen Plattform die am Behälterverkehr interessierten Kreise zusammenzuführen und auf freiwilliger Grundlage die erwünschte Zusammenarbeit zu erreichen. Eine solche Zusammenarbeit ist nämlich auf technischem, werkehrlichem und organisatorischem Gebiet notwendig. Das ist auch geschehen. Wenn Sie sich einmal die Mitgliederliste dieser Studiengesellschaft anschauen, werden Sie sehen, daß in ihr Seefahrt, Schiene, Straße, Gewerkschaften usw. als Mitglieder vertreten sind. Ein starker Einfluß des Bundes wurde in den Satzungen festgelegt. Das Korrelat dazu war natürlich der finanzielle Beitrag des Bundes. Andere Länder sind dabei, nach dem Muster gerade der deutschen Studiengesellschaft ähnliche Einrichtungen zu schaffen.
Wir dürfen wohl sagen, daß die Studiengesellschaft wesentliche Arbeitserfolge im Sinne ihrer Aufgabenstellung erzielt hat. Allein aus den letzten beiden Jahren sei verwiesen auf die Schaffung eines für den kombinierten Überseeverkehr geeigneten Behälters und auf die Mitwirkung am Aufbau einer Überseebehältergesellschaft, an der Durchführung einer großen Erhebung über Wesen, Umfang und Grenzen des Behälterverkehrs gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie, auf die langjährigen Bemühungen um die Schaffung eines freizügigen Behälters, die gerade in diesen Tagen besonders praktische Erfolge gezeigt haben, ebenso auf die Pflege der internationalen Beziehungen, die bewirkt haben, daß z. B. der Vorsitzende dieser Gesellschaft zum Vizepräsidenten des Exekutivausschusses der internationalen Behälterbüros gewählt worden ist. Die Studiengesellschaft ist eben heute d i e Institution für die Gesamtinteressen des Behälterverkehrs in der Bundesrepublik. Als solche wird sie im Ausland wie im Inland anerkannt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang Ihr Augenmerk auch auf den Tit. 620 in demselben Kapitel richten, der eine Förderung der Behälterentwicklung vorsieht, aber im Zusammenhang mit der Rollenden Landstraße, die da erwähnt ist, im Zusammenhang mit der Mechanisierung von Verladeeinrichtungen und ähnlichen Dingen steht. Bedenken Sie, wie teuer eine technische Entwicklung letzten Endes ist, eine Entwicklung, an der die Industrie, die Schiene wie die Straße gleichermaßen sich finanziell beteiligen. Deshalb möchte ich doch darum bitten, aus den hier vorgetragenen Gründen dem Antrag Umdruck 412 zuzustimmen und den Betrag in Höhe der Regierungsvorlage — 30 000 DM — wiederherzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Körner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, anläßlich der Etatberatung eine verkehrspolitische Debatte zu entfachen. Ich werde mich darauf beschränken, dem einen oder anderen etwas Nachdruck zu geben und vielleicht da und dort eine kurze Begründung für die Änderungsanträge vorzutragen.
Wichtig erscheint uns vor allen Dingen die Abnahme der betriebsfremden, der politischen Lasten von der Hand oder, wenn Sie so wollen, vom Rükken der Deutschen Bundesbahn. Ich muß das wiederholen, was der Kollege Müller-Hermann hier schon gesagt hat: man soll eine klare Atmosphäre schaffen, der Bundesbahn — ich will es etwas gröber ausdrücken — die Möglichkeit nehmen, notwendige Rationalisierungen, Umorganisationen vielleicht hinter diesem Schild zu verstecken. Diese betriebsfremden Lasten sind im großen und ganzen — mit einigen Schwankungen über ihre Höhe — anerkannt worden. Nun sollen sie vom Bund übernommen werden. Damit ist der Bundesbahn die Chance, aber auch die große Verpflichtung auferlegt, auch von sich aus alle Kräfte anzuspannen. Wir können das auch mit Fug und Recht nahezu verlangen, da wir in diesem Haushaltsplan der Bundesbahn global 730 Millionen DM sozusagen zudiktieren.
Der andere Schwerpunkt des Etats — ich hoffe, daß die Herren Minister dafür auch noch immer wieder Interesse aufbringen — ist nämlich der Straßenbau und wird er auch für die nächsten Jahre und vielleicht auch für das nächste Jahrzehnt in jeder Beziehung bleiben. Ich fühle mich nicht als Vertreter irgendeines Interessenverbandes; aber ich kann wohl sagen, daß von der Seite der Straßenbauer und auch der der Straßenbenutzer mit Recht herausgestellt worden ist, daß die große Aufgabe, die uns hier bevorsteht, nur gelöst werden kann, wenn die durch die steigende Motorisierung anfallenden zusätzlichen Beträge aus den bisherigen Abgaben des Kraftverkehrs gleichfalls ungeschmälert den Straßenbauaufgaben zugeführt werden, ich wiederhole: ungeschmälert!
Mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, daß im Etat des Bundesverkehrsministeriums 282 Millionen DM auf der Ausgabenseite stehen und, wie wir berechnet haben, Herr Kollege Müller-Hermann, 340 Millionen DM einkommen sollen. Ich
habe das Empfinden„ als ob man bezüglich der Ausgabenbeschrankung die Kannare zu scharf anzieht. Man sollte hier eher bis an die letzte Möglichkeit herangehen, um alles zu tun, was für den Straßenbau überhaupt nur denkbar ist. Wenn ich allein an die Beseitigung der Frostschäden denke! In einem einzigen Kreis — ich will ihn hier jetzt nicht nennen, sonst heißt es wieder: der spricht für irgendeinen Wahlkreis — sind allein — und dieser Kreis ist gar nicht einmal groß — für 2 Millionen DM Frostschäden zu beseitigen. Das kann solch ein Kreis gar nicht tragen. Das ist ebenso unmöglich, als wenn man sagte: Wir wollen — ich stimme Herrn Dr. Bleiß da zu — 40 Millionen DM zusätzlich für die Beseitigung der schienengleichen Übergänge eingesetzt sehen. Gut, vielleicht noch mehr, wenn es möglich ist. Der Gesamtplan, wollte man alle schienengleichen Übergänge in Westdeutschland beseitigen, würde nach meinem Dafürhalten eine Summe von nahezu 8 Milliarden DM erfordern. Was sind dagegen die 40 Millionen DM, die Herr Dr. Bleiß gefordert hat! Aber die 40 Millionen DM sollen in die Kasse der Bundesbahn fließen. Die übrigen 40 Millionen DM müßten, wenn man einen solchen Betrag aufbringt, dann von den Gemeinden aufgebracht werden; denn gewöhnlich liegen die schienengleichen Übergänge im Ortsbereich von Gemeinden oder kleineren Städten. Und da kommen wir, ich möchte sagen, an den neuralgischen Punkt: das Kreuzungsgesetz, die Teilung der Kosten 50 zu 50 %. Hier wäre doch einmal dem Herrn Verkehrsminister und dem Herrn Finanzminister die Aufgabe gesetzt, das Kreuzungsgesetz einer Reform, zumindest einer Überarbeitung zu unterziehen oder aber — wenn man das nicht will — im Wege eines Finanzausgleichs und eines großen Verkehrswegeplanes, den wir schon oft diskutiert haben, den Gemeinden und Kreisen tatsächlich Mittel zur Verfügung zu stellen. Denn irgendwo ist die Grenze der Leistungsfähigkeit hier erreicht. Die großen Aufgaben, die uns hier bevorstehen, sind nicht durch Redereien zu erledigen. Das bleibt alles so; das bleibt von Besprechung zu Besprechung und von Sitzung zu Sitzung. Es wird in diesem Falle nicht energisch genug dahintergehakt.
Im übrigen hoffe ich, daß sich die Öffa auch noch zu einer stärkeren Vorfinanzierung entschließt, damit der Straßenbau noch weiter vorwärtsgetrieben werden kann. Ich nehme an, daß es nicht bei den nur 16,3 Millionen DM bleibt, die hier unter Tit. 750 eingeplant sind. Es heißt da sehr schön, es bleibt im Ermessen des Herrn Bundesfinanzministers. Ich bin nun etwas skeptisch geworden, aber ich hoffe, daß die Summen, die dann noch eingehen werden — in bezug auf die deutsche Wirtschaftsentwicklung bin ich optimistisch eingestellt —, auch tatsächlich dem Straßenbau zur Verfügung gestellt werden.
Was nun überhaupt — das will ich nur mit wenigen Worten noch abtun — die Teilung der Aufgaben zwischen den Verkehrsträgern angeht, die heute immer wieder herangeholt wurde, so glaube ich, daß man hier, Herr Bundesverkehrsminister, nur von der tarifarischen Seite her operieren kann. Ich sehe es als einen Lichtblick an, daß jetzt in dem Ausnahmetarif — B 3 ist es wohl — für Bimssteine der Versuch unternommen wird, so etwas wie eine volkswirtschaftliche und verkehrsmäßige Schwerpunktbildung und Aufgabenabgrenzung zwischen Schiene und Kraftwagen ganz organisch aufzubauen. Hier sehen wir geradezu einen Lichtblick.
Im übrigen: Tarife hin, Tarife her; sie basieren auch auf der Frage der echten Selbstkosten. Ich stelle fest, daß wir in Kap. 12 02 einen Tit. 305 haben mit einem Ansatz von 445 000 DM für die Ermittlung der Selbstkosten. Ich hoffe, daß uns der Bundesverkehrsminister bald einmal die Resultate aus dieser Etatsumme von 445 000 DM, d. h. dem Aufwand, vorlegen kann.
Ich möchte noch eins besonders betonen: Die Lösung des Problems der Maße und Gewichte, der Zuglängen und Achsdrücke ist sehr prekär, auch bezüglich der Zeitfrage. Die großen Auftraggeber stornieren ihre Aufträge; die Werke kommen, wie man so sagt, in Verdrückung. Der Herr Bundesverkehrsminister hat entsprechende Zusagen im Hinblick auf die Manipulation, die Methode gegeben, und ich bin sicher, daß wir uns alle anstrengen müssen, um hier bald zu einer Lösung zu kommen und um wieder eine gewisse Beruhigung in die Konstruktionsbüros, in die Fabrikation und bei den Benutzern aller Fahrzeuge hineinzutragen. Falsch wird es sein, überstürzt zu handeln, aber ebenso falsch, die Entscheidung weit und immer weiter hinauszuzögern. Ich möchte das Hohe Haus darauf hinweisen, daß der Verkehrsausschuß kürzlich eine Presseverlautbarung herausgegeben hat, wonach — die Entscheidung mag fallen, wie sie will — für entsprechende Übergangsfristen Sorge getragen werden soll. Meiner Überzeugung nach muß auch dafür Sorge getragen werden.
Ich möchte mich nun einzelnen Punkten zuwenden, und zwar zunächst zu dem Bericht des Herrn Kollegen Ritzel. In Drucksache 1512 unter Ziffer 4 heißt es am Schluß des Ausschußantrags:
... den Antrag der Fraktion des GB/BHE betr.
Fahrpreisermäßigung für Vertriebene und
Sowjetzonenflüchtlinge — Drucksache 486
abzulehnen.
Ich möchte von mir aus das Hohe Haus bitten, diesen Antrag nicht abzulehnen, sondern dem Antrag Drucksache 486 zuzustimmen. Ich habe es als schmerzlich empfunden, daß bei der Debatte über diesen Antrag in den Ausschüssen der Schwerpunkt auf eine finanzielle Erstattung von seiten des Bundesfinanzministers für die Bundesbahn gelegt wurde. Das war gar nicht der Sinn des Ganzen. Ich bin mir darüber klar: Wenn ich eine Million Anträge bekomme — bei drei freien Fahrten vielleicht bis Mitte nächsten Jahres — und wir eine mittlere Reiseentfernung von soundso viel Kilometern mit vielleicht 20 Mark annehmen, dann macht die Hälfte davon, die übernommen werden soll, einen Betrag von 30 Millionen Mark aus. Das ist gar nicht tragbar. Es ist ganz sicher, daß dann der Haushaltsausschuß sagt: Das können wir nicht.
Es dreht sich aber um etwas ganz anderes. Das Problem selbst ist ein soziales und ein politisches. Die Bundesbahn ist bisher noch nie auf den Gedanken gekommen, zu erklären: Ich wünsche vom Finanzminister eine Rückerstattung der 50%igen Fahrpreisermäßigungen, die ich für Gesellschaftsfahrten gebe.
Ab 25 Personen gebe ich 50 % und ab 12 Personen — ich habe ja die Originalanzeigen der Bundesbahn in der Hand gehabt, ihre Reklame sozusagen — gebe ich 33 1/3 %. Sie tut das aus einer kal-
ten, nüchternen, rein kaufmännischen Überlegung indem sie sagt: Wenn ich hier einen genügenden Anreiz biete, bekomme ich die Leute in meine Waggons, d. h. in meine Personenzüge.
Hier handelt es sich jedoch darum, Millionen von Vertriebenen, Lagerinsassen und Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, aus der Beschränkung des Lagerlebens herauszukommen, die Trennung von Familienangehörigen zu überwinden und ihnen, die den Willen haben, sich Wohnung und Arbeit zu beschaffen, eine Unterstützung zuerteilen. Von 100 Personen wird, wenn man den Satz umrechnet, eine Person auf halben Fahrpreis fahren, d. h. auf 100 Fahrgäste wird eine Person zum halben Fahrpreis mitgenommen, und zwar nicht jede x-beliebige Person, sondern nur die, deren Einkommen unter dem Fürsorgerichtsatz liegt bzw. seine Höhe erreicht. Das also war das Anliegen. Ich kann mich entsinnen, daß auch Herren der SPD sich damals wärmstens dafür eingesetzt haben. Es ist mir der Gedanke entgegengehalten worden: Ja, Herr Kollege Körner, aber zehn Jahre nach der entsetzlichen Katastrophe muß ja nun einmal mit all diesen Ausnahmen Schluß sein. Ich würde dem zustimmen, wenn das Problem politisch und sozial gelöst wäre; aber es ist nicht an dem. Deshalb bitte ich nochmals das Hohe Haus, hier an der richtigen Stelle großzügig zu verfahren. Die Bahn bricht ebensowenig wie unter der 50%igen Ermäßigung ihrer Gesellschaftsfahrten zusammen, wenn sie hier hilft, diese Dinge noch einmal bis zur Mitte des nächsten Jahres mitzuziehen, damit wir zu einer Beruhigung kommen, und die Menschen zum halben Fahrpreis fahren läßt. Es handelt sich, wie ausdrücklich betont sei, nur um die Minderbemittelten. Sie sollen Gelegenheit haben, ihre Verwandten, Kinder oder Eltern zu besuchen oder sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Das zu Drucksache 486.
Nun habe ich noch einen Antrag auf Umdruck 427 gestellt. Er betrifft das Problem der Wetterstation in Berlin Flughafen Tempelhofer Feld. Auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof ist 1945 von den Besatzungsmächten eine aerologische Station eingerichtet worden. Der Senat Berlin hat diese aerologische Station übernommen. In dem neuen Etat ist sie gestrichen; sie soll durch eine einfache Windmeßstation ersetzt werden.
Es handelt sich hier noch um folgendes. Man erklärt, man könne mit dieser Windmeßstation Tempelhof — Berlin ist ja mit einer der Flughäfen für die Zukunft — auskommen, indem man sich auf die Resultate einer in der Sowjetzone befindlichen Station, Lindenberg, beruft. Diese Station liegt 70 km südöstlich von Berlin-Tempelhof. Die Fluggesellschaften erklären, daß sie sich auf die Angaben aus der Sowjetzone — wir sind ja davon abhängig — nicht völlig verlassen können, weil die mathematischen Ausrechnungen nach Messungen erfolgen, die in Lindenberg mit veralteten technischen Apparaturen vorgenommen werden. Ich möchte also, um es kurz zu machen, sagen, daß wir hier nicht über Zwirnsfäden stolpern, sondern diese 80 000 DM einsetzen sollten. Wenn wir diesen Zuschuß nicht mehr zahlen, würden wir uns in die Abhängigkeit einer Meßstation der Sowjetzone begeben und die Fluggesellschaften in Verlegenheit bringen. Die Fluggesellschaften erklärten seinerzeit, sie könnten dann die Frühflüge nicht mehr rechtzeitig durchführen. Wir sollten den Flughafen in Berlin mit den gleichen Radarstationen, Radiosondenaufstiegen und dergleichen versehen, wie sie die anderen großen Flughäfen, z. B. Frankfurt am Main usw., haben. Ich bitte also das Hohe Haus, dem Antrag auf Umdruck 427 stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis dafür, wenn ich bei der Behandlung des Verkehrshaushalts noch kurz auf die Kleine Anfrage Nr. 177 eingehe, die sich mit dem Flughafen Wahn bzw., besser gesagt, mit der Verhinderung der Sperrung des Flughafens Wahn befaßt. Es ist bedauerlich, daß der Flughafen für neun Tage wegen Manöver geschlossen worden ist, nachdem in diesem Jahr eine Reihe von Militärflughäfen zur Verfügung stehen, die im vergangenen Jahr oder den voraufgegangenen Jahren für Manöver noch nicht zur Verfügung standen; ich brauche nur die Plätze Nörvenich, Geilenkirchen und Weeze und andere zu erwähnen. Sachverständige behaupten, bei gutem Willen hätte man auf den Flughafen Wahn für Manöverzwecke verzichten können. In der Beantwortung der Kleinen Anfrage wird ausgeführt, daß es beim letzten Manöver zu einem unmittelbaren Zusammenstoß zwischen einem Düsenjäger und einem Verkehrsflugzeug gekommen sei. Nach den mir zugegangenen Informationen soll der Flugplatz hier verwechselt worden sein. Ich darf bereits jetzt auch im Namen meiner Freunde darauf aufmerksam machen, daß wir auf die Einhaltung des seitens des Herrn Bundesverkehrsministers gegebenen Versprechens allergrößten Wert legen. Gestatten Sie mir, Herr Präsident, daß ich aus der Antwort auf die Kleine Anfrage zitiere. Dort steht, daß ein deutscher Flughafen mit zivilem Luftverkehr nicht wieder, wie es diesmal ohne deutsche Mitwirkung bei dem Flughafen Wahn der Fall war, als ein Brennpunkt des Manövergeschehens vorgesehen wird. Auf die Einhaltung dieses Versprechens legen wir allergrößten Wert. Wir müssen auch darauf bestehen, daß der Flughafen Köln-Wahn entsprechend seiner zukünftigen Bedeutung einen weiteren Ausbau erfährt.
Der Flughafen Köln-Wahn — oder auch „KölnBonn" genannt — hat eine mehrfache Bedeutung und besondere Vorzüge. Gestatten Sie mir, daß ich hierfür nur ganz wenige Argumente anführe. Der Flugplatz ist atmosphärisch, raummäßig und verkehrsmäßig außerordentlich günstig gelegen. Er ist der Flughafen für die Bundeshauptstadt, die wie jede andere Hauptstadt direkte Verbindungen zu den bedeutendsten Flughäfen der Welt haben muß.
In diesem Zusammenhang darf ich folgende zwei Beispiele anführen, die uns doch Anlaß zu einer gewissen Überlegung geben. Vor einigen Wochen ist ein Ausschuß dieses Hohen Hauses von Wahn abgeflogen. Dabei mußte man die bedauerliche Feststellung machen, daß dieser Ausschuß über eine Stunde an der Startbahn warten mußte, weil einige Düsenflugzeuge den Vorrang hatten. Sicherlich ist es auch nicht schön, wenn der Bonner Regierungschef zu einer sehr wichtigen internationalen Konferenz abfliegen will und nahezu eine halbe Stunde
angehalten wird, weil vorher noch drei Düsenjäger starten müssen.
— Verehrter Herr Kollege Schmidt, ich habe das hier erwähnt, damit dem Interesse an dem Flugplatz in der Weise Rechnung getragen wird, wie das für einen souveränen Staat zu wünschen ist.
Ich darf weiter darauf hinweisen, daß der Flughafen Köln-Bonn insbesondere wegen der Stadt Köln eine besondere Bedeutung hat, die doch das Drehkreuz oder das Verkehrskreuz des Westens ist. Es wird sicher interessant sein, einmal zu hören, daß wir zur Zeit in Köln immerhin wieder 965 an-, ab- und durchfahrende Züge haben, daß von diesen über 900 Zügen allein 86 internationale Züge sind und daß daneben noch 11 Züge mit internationalen Kurswagen ankommen bzw. abfahren.
Es muß festgestellt werden, daß der Flugplatz Wahn in den letzten Jahren leider etwas stiefmütterlich behandelt worden ist. Dagegen haben andere Flugplätze der Bundesrepublik immerhin erhebliche Zuwendungen erhalten. Wir hoffen zuversichtlich, daß der Nachholbedarf in Wahn in naher Zukunft seine Berücksichtigung findet.
In diesem Zusammenhang muß auch auf die Straßenverbindung zwischen Bonn und Wahn hingewiesen werden. Dieser Anfahrweg ist sehr zeitraubend und könnte bei einer direkten Verbindung zwischen Bonn und Wahn von zur Zeit 26 km auf 16 km verkürzt werden. Auf diese Weise würde Zeit gespart und auch ein nicht ganz ungefährlicher Zustand beseitigt werden. Ich glaube, daß nicht nur die Damen und Herren aus Berlin, die auf diese Flugverbindung in sehr starkem Maße angewiesen sind, diese Änderung begrüßen würden, sondern daß alle, die von Bonn aus den Flughafen Wahn benutzen müssen, von dieser Änderung sicherlich begeistert wären. Deshalb möchte ich die Bundesregierung, insbesondere aber den Herrn Bundesverkehrsminister recht herzlich bitten, daß der Flughafen Wahn auch in den kommenden Wochen und Monaten besonders unter die Lupe genommen wird, d. h. daß der Flugplatz Wahn in seiner ganzen Form und Gestalt eine derartige Änderung erfährt, wie es schließlich auch der Bedeutung einer Bundeshauptstadt zukommt.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Herr Kollege Körner hat vorhin mit dem Umdruck 427 *) ein Problem des Wetterdienstes angesprochen. Ich darf vielleicht darauf aufmerksam machen, daß der Haushalt, der sich auf den gesamten Wetterdienst bezieht, im wesentlichen unverändert verabschiedet worden ist, weil ein Gutachten vorliegt, dem erst künftig Rechnung getragen werden soll. Wenn also diese an sich meiner Meinung nach sehr begründete und berechtigte Forderung im Umdruck 427 hier vom Hause aufgenommen und gebilligt werden soll, dann bedürfte es nach meiner Auffassung vorher einer
*) Siehe Anlage 7. Erklärung der Bundesregierung darüber, ob mit der Annahme dieses Antrags das Gutachten des Bundesrechnungshofs in bezug auf den Wetterdienstnicht entscheidend gestört wird.
Der Herr Kollege Dr. Höck hat mich einer kleinen Aufgabe enthoben und hat es sehr gründlich gemacht. Ich freue mich dessen, daß er so gründlich und versiert über den Behälterverkehr sprach. Ich wollte mit einem Satz die Sache befürworten, aber ich hoffe sehr, daß er wenigstens den Herrn Kollegen Dr. Vogel von der Notwendigkeit der vermehrten Ausstattung dieses Titels um 20 000 DM überzeugt hat.
Meine Damen und Herren! In seinen Schlußausführungen hat Herr Kollege Müller-Hermann eine tiefe Reverenz vor den Beamten des Bundesverkehrsministeriums erwiesen. Er hat aber dabei einen leisen Vergleich mit den Beamten des Bundesfinanzministeriums angestellt. Ich möchte meinerseits die Anerkennung unterstreichen, die der Herr Kollege Müller-Hermann gegenüber den hochqualifizierten Beamten des Bundesverkehrsministeriums zum Ausdruck gebracht hat, und möchte vermeiden, eine Differenzierung in der Bewertung der Qualitäten der Beamten auch nur anzutippen; denn ich glaube, das Problem liegt auf einem ganz anderen Gebiet. Das Problem liegt in dem Gewicht unseres verehrten Herrn Bundesverkehrsministers, in dem Gewicht dieses Fachministers im Kabinett. Ich weiß nicht, ob es an seiner Person liegt, an seinem Fleiß liegt es bestimmt nicht. Aber es liegt vielleicht daran. daß er seinerzeit die falsche Fraktion gewählt hat. Wenn er vielleicht als Mitglied der CDU Verkehrsminister wäre, könnte ich mir denken, daß er sich gegenüber unserem ebenso hochverehrten Herrn Bundesfinanzminister besser durchzusetzen in der Lage wäre, als es ihm als Vertreter einer kleinen Fraktion — die nicht selten unter ferner liefen rangiert — möglich und beschieden ist.
Ich glaube, der Herr Bundesverkehrsminister kann mit all seinen Beamten in dem Ringkampf um die Zuteilung der Beträge im Bundeshaushalt das schöne Luther-Lied etwas abgewandelt anstimmen, das da heißt: Mit unserer Macht ist nichts getan — wir sind im Kampf mit dem Bundesfinanzminister bald verloren.
Aber gerade der Zusammenhang zwischen bundesfinanzministerieller Zuständigkeit und dem zum Teil sehr gründlichen Bemühen der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums gibt mir Veranlassung, die Hoffnung auszusprechen, daß die Tatsachen hier in der Bundesrepublik ebenso wie die Erfahrungen, die i a nicht nur Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, sondern, wie ich sagen möchte, Gott sei Dank, auch Vertreter des Bundesfinanzministeriums jetzt bei einer Amerikafahrt in bezug auf die dortigen Verkehrsverhältnisse sammeln konnten, dazu führen. den Herrn Bundesfinanzminister und seine Rate, insbesondere auch seinen speziellen Sachbearbeiter für Verkehrsangelegenheiten, ein bißchen weicher ums Herz werden zu lassen und sie dazu zu bewegen, die Verantwortung des Verkehrsministeriums nach der finanzpolitischen Seite etwas verstärkter zu tragen.
Ich darf vielleicht den Herrn Bundesfinanzminister einmal in einer Angelegenheit ansprechen, die
dem Herrn Bundesverkehrsminister, wie ich weiß, bekannt ist. Wir leben in einer Zeit der Massierung von Verkehrsunfällen, die — ich habe das schon als Berichterstatter zum Ausdruck gebracht und möchte es namens meiner Fraktion zusätzlich zu den Darlegungen meines Freundes Dr. Bleiß sagen — zwingend nach einer erheblichen Steigerung der Aufwendungen des Bundeshaushalts zugunsten der Straßen ruft. Meine Damen und Herren und Herr Bundesfinanzminister, im Kalenderjahr 1954 haben sich in der Bundesrepublik 490 000 Straßenunfälle ereignet, sind in der Bundesrepublik 11 565 Menschen durch Straßenunfälle zu Tode gekommen und sind 314 894 Menschen verletzt worden. Wenn Sie die Aufwärtsentwicklung des motorisierten Verkehrs auf den Straßen betrachten und den Zustand unserer Straßen damit vergleichen, wenn Sie wissen, daß zur Zeit über 2,5 Millionen zugelassene Kraftwagen — von den schwarz fahrenden gar nicht zu reden — in der Bundesrepublik so gut wie täglich auf den Landstraßen liegen, daß wir 2,3 Millionen Krafträder haben, die zugelassen sind, und 13 Millionen Fahrräder, daß die Zahl der Mopeds im Jahre 1955 die Millionengrenze übersteigen wird und praktisch schon überstiegen hat, wenn Sie dazu die ungeheure Belastung bei den Zulassungsbehörden in den einzelnen Landratsämtern, bei den städtischen Polizeibehörden usw. bedenken, die mit einer weiteren Steigerung dieser Ziffern eintritt, dann sind Sie sich alle — und das muß auch der Herr Finanzminister bei der Verteilung des Kuchens würdigen — bewußt, daß wir einem ungeheuren Verkehrsproblem und einer ungeheuren Gefahrensituation gegenüberstehen, die gemeistert werden will. Sie kann nur durch eine entsprechende Bereitstellung der erforderlichen Mittel gemeistert werden.
Der Herr Bundesfinanzminister wird mir gestatten, daß ich an ihn ebenso wie an den Herrn Bundesverkehrsminister in diesem Zusammenhang in Ergänzung dessen, was mein Freund Bleiß und was auch andere Kollegen heute morgen und heute mittag angesprochen haben, ein weiteres Wort betreffend das Problem der anderweitigen Regelung der materiellen Zuständigkeit in bezug auf die Straßen richte. Herr Dr. Bleiß hat hier die Forderung aufgestellt, daß eine große Anzahl von Landstraßen 1. Ordnung, die also von den Ländern betreut werden, zu Bundesstraßen befördert werden. Das würde nach unten die Möglichkeit einer Entlastung der Kreisverbände, der Kommunalverbände und der Gemeinden bieten. Ich darf vielleicht einmal aus der Erfahrung des Vorsitzenden eines Kreistages sprechen und dem Herrn Bundesfinanzminister, zur Unterstützung in diesem Falle der Bestrebungen des Herrn Bundesverkehrsministers, einige Tatsachen nahelegen, die beweisen mögen, daß die Dinge auch im Bereich des Bundesfinanzministeriums bei der Bereitstellung der erforderlichen Mittel für den Verkehrshaushalt künftig etwas anders beurteilt werden müssen, als es bisher der Fall gewesen ist. Der Landkreis Erbach im Odenwald verwaltet in eigener Kompetenz 220 Kilometer Landstraßen 2. Ordnung. Seit 1948 war dieser Kreis nur in der Lage, davon 70 Kilometer zu überholen und mit einer festen und staubfreien Decke zu versehen; dabei handelt es sich in der Hauptsache um Ortsdurchfahrten. Die restlichen 150 Kilometer sind wassergebundene Straßen, zu einem großen Teil in einem miserablen Zustand. Um sie in Ordnung zu bringen, bedürfte es eines Kapitalaufwandes von 5 Millionen DM. Aber nach dem Haushaltsplan dieses Kreises steht für dieses Jahr bei einem Hebesatz von 32 % im ganzen eine Kreisumlage von 1 140 000 DM zur Verfügung, die von den Kommunen aufgebracht werden muß. Der Kreis ist nicht in der Lage, größere Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. Er kann für diesen Zweck im laufenden Rechnungsjahr im ganzen 212 500 DM und für laufende Unterhaltung 50 000 DM flüssig machen. Für 220 Kilometer Landstraßen! Ich möchte die Frage aufwerfen, welchen Sinn es hat, wenn man von gut unterhaltenen—wenn es so ist—Bundesstraßen auf elende und erbärmliche Kreisstraßen gelangt. Hier bedarf es doch wirklich zwingend einer Verlagerung der heutigen Zuständigkeit.
Herr Kollege Scheuren sprach die Äußerung des Herrn Bundesverkehrsministers in bezug auf die. nicht bundeseigenen Eisenbahnen und die Durchführung der dafür beim Verkehrsfinanzgesetz geschaffenen gesetzlichen Bestimmungen an. Ich habe hier vor mir das Protokoll der 67. Sitzung des Haushaltsausschusses und darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wenige Sätze daraus verlesen, um das zu rechtfertigen, Herr Kollege Scheuren, was ich als Berichterstatter heute morgen hier gesagt habe. Der Herr Bundesverkehrsminister hat erklärt:
Unter diesen Umständen dürfte es kaum erwartet werden können, daß wir schon in diesem Jahr eine Abzweigung für die nicht bundeseigenen Eisenbahnen vornehmen, weil wir erst einmal das andere anlaufen lassen müssen und weil wir sowieso erst einmal sehen müssen, wie sich die Vorfinanzierung dieser Mittel gestaltet. Das spielt aber auch deswegen keine so ausschlaggebende Rolle, weil wir die Möglichkeiten der Ausgaben dieser 10 Millionen bei den nicht bundeseigenen Eisenbahnen erst einmal aufbereiten müssen. Erstens muß das noch mit dem Bundesrat geklärt werden — die nicht bundeseigenen Eisenbahnen unterstehen der Aufsicht der Länder —, und zweitens müssen von dort aus erst einmal Investitionspläne für diese Mittel vorgelegt und geprüft werden. Das dürfte sich wahrscheinlich bis zum Ende des Jahres hinziehen, so daß wir es in diesem Jahr nicht besonders einsetzen müssen.
Das war dann der Ausgangspunkt für die Haltung des Haushaltsausschusses. Sonst stünden vermutlich unter gleichmäßiger Belastung der Bundesbahn und der Autobahnen die 10 Millionen DM zugunsten der nicht bundeseigenen Eisenbahnen im Haushalt; so stehen sie nicht drin.
Nun entsteht folgende Frage. Wenn der eine hier noch in Frage kommende Antrag angenommen wird, in diesem Jahr 4 Millionen DM bereitzustellen, wird man nach der Formulierung des Antrags Umdruck 428 die Zuweisung dieser 4 Millionen DM an eine erhöhte Erwartung aus den Erträgnissen des Verkehrsfinanzgesetzes binden. Die Herren vom Bundesfinanzministerium sagen, es sei keine entsprechend erhöhte Erwartung zu rechtfertigen.
Wenn das zutrifft und wenn sich die Mehrheit des Hauses dieser Auffassung anschließt, was bleibt dann für die nicht bundeseigenen Eisenbahnen übrig? Null Komma Null! Ist es dann nicht besser, nach der Erkenntnis der Bedeutung des Spatzes in der Hand auf die Taube auf dem Dache zu ver-
zichten? — Ich nehme an, daß der Herr Bundesfinanzminister bereit ist, das zu bestätigen, was ich hier heute schon als Berichterstatter nach Besprechung mit seinen Räten erklärt habe. - Ist es dann nicht besser, in einer Art Vorgriff auf das kommende Jahr 4 Millionen DM aus Kassenmitteln zu einem Zinssatz von etwa 4 % bereitzustellen, damit wenigstens Anzahlungen auf notwendige Beschaffungen der nicht bundeseigenen Eisenbahnen geleistet werden können? Ich bitte den Herrn Bundesfinanzminister ausdrücklich darum, diese Feststellungen hier seinerseits zu bestätigen.
Nun ein Wort zu dem Antrag Müller-Hermann auf Drucksache 1092 betreffend die Übernahme der betriebsfremden Lasten der Bundesbahn durch den Bund. Verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, es ist eine wahre Tragik, daß Sie bei derart wichtigen Anträgen nicht so gut vorgearbeitet haben, daß Ihre Fraktionsvertreter dann im Haushaltsausschuß des Bundestages Ihren Anträgen auch zustimmen. So bleibt die Geschichte einfach in der Luft hängen. Es waren sozialdemokratische Abgeordnete,
die für Ihren Antrag gestimmt haben; einer davon steht gerade hier. Aber wir könnten da auch wieder das Lutherlied anstimmen: Mit unsrer Macht ist nichts getan. Die CDU hat den Antrag MüllerHermann auf Eis gelegt, und nicht die Sozialdemokraten.
Damit ist das Wesentlichste zu dem eigentlichen Haushalt gesagt. Aber noch ein Wort an den verehrten Herrn Bundesverkehrsminister. Herr Bundesverkehrsminister, mein Freund Mellies hat heute morgen im Zusammenhang mit dem Etat des Herrn Bundeskanzlers eine Frage angesprochen, die Ihr rednerisches Wirken angeht. Bei allem Respekt vor der Freiheit des Wortes und vor den Garantien des Grundgesetzes, bei allem Respekt vor jeder Leistung darf doch eine Frage hier einmal grundsätzlich aufgeworfen werden. Es bleibt vielleicht im Bereich der Betrachtung des Verkehrsministeriums, Herr Minister, daß ausgerechnet Sie so viele Betriebsunfälle mit Ihren Reden erleben. Sie haben im April eine Rede gehalten, die der Herr Kollege Mellies heute morgen bereits in Frageform dem Herrn Bundeskanzler nahezubringen versuchte, der aber — ich habe dafür volles Verständnis — nichts davon wußte. Diese Rede wurde in Osnabrück gehalten, und einer der hervorragendsten Journalisten der Bundesrepublik, Herr Dr. Hans Henrich, hat diese Rede zum Ausgangspunkt eines Artikels in der „Frankfurter Rundschau" gemacht. Sie haben ihm, Herr Minister, daraufhin geantwortet. Die Kopie Ihrer Antwort liegt vor mir. Ich glaube, keinen Vertrauensbruch zu begehen — ich bin dazu ermächtigt —, wenn ich einige Passagen aus Ihrer Antwort hier vorlese. Sie sagen im Absatz 3:
Ich habe ausgeführt, daß es gegen eine demokratische Ordnung sei, wenn an sich notwendige und gute Zusammenschlüsse von Menschen, die wie die Gewerkschaften und die Unternehmerverbände im wirtschaftlich-sozialen Raum eine Aufgabe von hoher Bedeutung zu erfüllen haben, versuchen, ihre wirtschaftliche Macht dazu zu mißbrauchen, daß sie politische Entscheidungen erzwingen wollen. Derartigen
Versuchen könne am besten entgegengetreten werden, wenn der Staat über die Machtmittel verfüge, die ein souveräner Staat haben muß. Und das ist bei der Konstruktion unserer Bundesrepublik, bei der die Polizei nur den Ländern zur Verfügung steht, für den Bund die Wehrmacht, die wir bisher nicht gebraucht hatten, solange bei uns als in einem nicht souveränen Staat bestimmte Aufgaben von den Besatzungsmächten wahrgenommen werden. Eine Wehrmacht ist deswegen für einen souveränen Staat nicht nur aus außenpolitischen Gründen, sondern auch aus innerpolitischen Gründen notwendig, um allen Angreifern zu wehren, denen ein Staat sonst ausgeliefert ist, wenn sie etwa auf einen Umsturz in dieser oder jener Weise hinarbeiten.
Nun, Herr Minister, darf ich einen kurzen Halt machen. Ich glaube nicht, daß Sie mit dem Versuch, einen Umsturz im Staat herbeizuführen, etwa die von Ihnen zitierten Unternehmerverbände gemeint haben. Sie haben dann fortgesetzt:
Ich habe in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht nur ein Beispiel aus der zurückliegenden Zeit im Zusammenhang mit der Gewerkschaft, sondern auch als Beispiel das Forum Verkehrsteilnehmer angeführt, da es sich hierbei um Grenzfälle handelt, bei denen der Beginn derartiger Versuche des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht sich abzeichnet.
Nun, Herr Minister, Sie werden ja sicher Gelegenheit nehmen, Ihre Darlegungen nachher noch bis zum Ende vorzulesen; ich kann mir das also ersparen.
Als mir dieser Fall bekannt wurde, dachte ich an Verschiedenes. Zunächst einmal dachte ich an einen lange der Geschichte angehörenden toten Berliner Polizeipräsidenten, den Herrn von Jagow, der einmal — es war am 13. Februar 1910 — gegen eine demokratische Wahlrechtsdemonstration mit den Worten Stellung nahm: „Ich warne Neugierige". Vielleicht sind Sie, Herr Minister, auch von den netten Zeilen in einem Gedicht aus dem Jahre 1848 von Wilhelm von Merckels beeinflußt:
Gegen Demokraten
Helfen nur Soldaten.
Ich habe den Eindruck, daß Herr Minister Dr. Seebohm in dieser Frage, wie die Amerikaner zu sagen pflegen, unter dem falschen Baum bellt. Ich habe den Eindruck, daß er vielleicht zu sehr von der Überlegung gefangen ist, daß bei den Millionen Mitgliedern der Gewerkschaften in der Bundesrepublik ebenso viele, kann man beinahe sagen -
vielleicht sind es 10 oder 20% weniger; das weiß ich nicht —, sozialdemokratische Wähler sind. Ich nehme an, Herr Minister, daß Sie Ihren Bismarck gut kennen. Vielleicht haben Sie hier an eine Geschichte gedacht, die seinerzeit — der gleiche Band ist hier neulich einmal zitiert worden — im Sommer 1892 passiert ist. In einer Ansprache, die Bismarck in Kissingen an eine Anzahl gelehrter Männer aus Schwaben hielt, sagte er:
Der Reichstag kommt herunter durch den Kampf der Parteien, der in ihm stattfindet. Jede von den Fraktionen hofft auf Alleinherrschaft,
— Bismarck konnte nicht wissen, daß das jetzt durch die CDU erreicht ist —
besonders die drei großen Fraktionen: Zentrum, — heute CDU —
die Nationalliberalen und Konservativen. Da herum gruppieren sich die, deren Interessen quertreiben: Polen, Welfen, Franzosen, Dänen, Sozialdemokraten. Letztere rechne ich zu den fremden Völkerschaften. Ihre Behandlung ist eine Kriegsfrage.
Herr Minister, die Gewerkschaften und in ihnen sehr, sehr viele Sozialdemokraten bekennen sich zu diesem Staat. Sie sind staatserhaltend in des Wortes bester und wahrster Bedeutung.
Sie können das u. a. bei einem Manne nachlesen, der auf dem Gebiete der Politik, soweit sie Angehörige der Gewerkschaften im Bundesdienst angeht, diese zu vertreten hat, nämlich dem Vorsitzenden der ÖTV, Kummernuss, der in deren Organ vom 1. Mai — Nr. 9, Herr Minister! — sehr bemerkenswerte Ausführungen gemacht hat, die ich Ihrer ganz besonderen Aufmerksamkeit empfehlen darf. Jedenfalls haben wir den Wunsch, daß im Bereich des Bundesverkehrsministeriums eine begründete großzügige Planung unter aktiver Mitwirkung des Herrn Bundesfinanzministers und seiner Räte Platz greift und überflüssige Reden durch notwendige Taten ersetzt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige Ergänzungen zu dem Antrag Drucksache 486 geben, allerdings nicht, um die klaren und treffenden Ausführungen meines Freundes Körner unnötigerweise zu erweitern, sondern um zu zeigen, von welch großer Bedeutung dieser Antrag unseres Erachtens ist. Es scheint sich meiner Auffassung nach hier um ein geradezu typisches Beispiel dafür zu handeln, wie leicht man einander mißverstehen und dann zu politisch nicht richtigen Ergebnissen kommen kann, wenn man solche Dinge nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit betrachtet. Ich darf vorsorglich bemerken, daß meine Fraktion bitten wird, über diesen Antrag, d. h. über die Ablehnung des Ausschußantrages in dieser Sache, in namentlicher Abstimmung zu entscheiden. Sie wissen, daß die Stärke unserer Fraktion nicht ausreicht, einen solchen Antrag selbst stellen zu können. Es ist Übung in diesem Hause, daß in diesem Falle vom Präsidium her gefragt wird, inwieweit ein derartiger Antrag unterstützt wird, und ich möchte nur alle die zahlreichen heimatvertriebenen Abgeordneten in diesem Hause jetzt schon auffordern, im Zusammenhang mit dem, was sie offenbar selbst auf den Versammlungen draußen erzählt haben, diesen Antrag hier auch in der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu unterstützen. Die Zahl würde allein bereits bei weitem ausreichen, dies herbeizuführen.
Nun zur Sache. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das Argument, das zu meinem Bedauern aus Kreisen der SPD vorgetragen wurde, 10 Jahre nach dem verlorenen Kriege sollte es solche Privilegien nicht mehr geben, geht vollkommen fehl. Es handelt sich nicht um ein Privilegium, es handelt sich darum, aus einer sozialpolitischen, ich möchte fast sagen: humanitären Erkenntnis reinster Art zu sehen, daß auf diesem Gebiet noch ein Bestimmtes getan werden muß, nämlich — und das ist ja im Grundsatz bisher stets von der Praxis und vom Ausschuß für Verkehrspolitik, in dem die Dinge auch behandelt worden sind, anerkannt worden — einem begrenzten Kreis von Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen eine Vergünstigung zu gewähren. Im allgemeinen heißt dieser Komplex, falsch verstanden, in der Öffentlichkeit die Freifahrt auf der Eisenbahn für die Flüchtlinge! Die Dinge liegen ganz anders. Diese Vergünstigung steht überhaupt nur einem sehr begrenzten Teil zu, nämlich denjenigen, die unter ziemlich eng gefaßte Richtlinien über Hilfsbedürftigkeit fallen. Es handelt sich darum, daß diese Menschen Verwandte — enge Verwandte, den Vater, den Sohn oder den Enkel etwa — vielleicht das letztemal sehen können, nachdem sie damals —1945 — durch die unglückseligen Umstände, auch durch die Verteilung der Vertriebenen im westdeutschen Restgebiet wie mit der Streusandbüchse über alle Gebiete des deutschen Vaterlandes, vom tiefsten Süden bis hinauf zum höchsten Norden verstreut worden sind. Wir wissen, daß Verwandte oft 1000 km entfernt voneinander wohnen. - Es ist weiter ein wichtiger sozialpolitischer Grundsatz, daß wir im Zuge der — je länger sie dauert, immer schwerer werdenden — Eingliederung Hilfe leisten müssen, daß diese Menschen, Erwerbslose aus den Zonenrand- und Notstandsgebieten, die Möglichkeit haben müssen, in weit entfernte Gebiete zu fahren, um ihre Arbeitsaufnahme dort zu erwirken und zu erleichtern.
Nun etwas — und ich glaube, das dürfte nicht strittig sein — zur Frage des finanziellen Hintergrundes. Es schwebt das Mißverständnis im Raum, daß hier durch einen Ersatz von Verdienstentfall für die um ihre Selbstbehauptung und Existenz ringende Bundesbahn ein Ausgleich geschaffen werden müßte. Das Gegenteil — das Gegenteil, wage ich zu sagen — ist wahr, und ich wäre dankbar, wenn die Deutsche Bundesbahn von dem nüchternen kaufmännischen Sinn eines kleinen Dorfkrämers etwas mehr lernte, der genau weiß, daß allein der Umsatz den Gewinn macht. Es sind vor langer Zeit ganz genaue Enquêten darüber angestellt worden, wer von dem in Frage kommenden, relativ engen Personenkreis überhaupt in der Lage und damit auch nur willens gewesen wäre, sehr wichtige und notwendige Fahrten, die oft über Hunderte Kilometer führen müssen, anzutreten. Was leicht vorauszusehen ist, ist damals in einer statistischen Enquête ganz genau erwiesen worden. Über 90 % der Befragten haben erklärt: Wenn ich diese Vergünstigung nicht gehabt hätte, wäre ich auf Grund meiner Vermögenslage nicht imstande gewesen, diese Fahrt zu machen. Dann wären die Züge der Bundesbahn, die mit derselben Kohle und mit denselben Waggons rollen, eben ohne diese Menschen gefahren, die damals wenigstens die Hälfte des Fahrpreises entrichtet haben.
Die Bundesbahn stellt dieselbe Forderung auch nicht bei vielen anderen Gelegenheiten. Mein Freund Körner hat bereits die Frage der 50%igen Fahrpreisermäßigung für Gesellschaftsfahrten behandelt. Es gäbe andere, peinlichere Beispiele mehr, z. B. die Frage, wer den Verdienstausfall für die staatspolitisch enorm wichtigen Fahrten zum Fußballspiel nach London oder in die Schweiz, wer den Tanzwagen an die Mosel und ähnliche Dinge subventioniert, wer dort von Staats wegen den
sogenannten Verdienstausfall der Bundesbahn ersetzt, der in Wirklichkeit gar kein Verdienstausfall ist.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich würde Sie wirklich bitten, diesem ernsten und echten Anliegen, das heute und noch eine gewisse Zeit — auch diese Dinge werden und müssen auslaufen — für einen großen Teil nicht eingegliederter Vertriebener von Bedeutung ist, stattzugeben. Eine Bereitstellung von Mitteln kommt hierfür gar nicht in Betracht, sondern allein die Vernunft gebietet die Erkenntnis, daß dabei für die Bundesbahn nicht ein Verdienstausfall, sondern im Gegenteil ein zusätzlicher Gewinn entsteht, den sie gut gebrauchen kann, und zugleich ein ernstes sozialpolitisches Anliegen seine Befriedigung findet.
Herr Abgeordneter Keller, Sie haben namentliche Abstimmung beantragt. Diese kann erst in der dritten Lesung erfolgen. Es handelt sich um die Ziffer 4 des Antrags auf Drucksache 1512. Über Resolutionen wird erst nach Abschluß der dritten Lesung abgestimmt. Sie müssen Ihren Antrag nach Abschluß der dritten Lesung wiederholen.
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Seebohm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich zunächst, bevor ich mich den sachlichen Dingen zuwende, auf die Frage eingehen, die Herr Ritzel zuletzt gestellt hat und die auch heute früh in den Äußerungen von Herrn Kollegen Mellies 'aufgeklungen ist. Herr Kollege Mellies, ich hatte mir die Sache schon :zurechtgelegt. Sie haben heute früh gesagt:
Er hat in Versammlungen ausgeführt, die Bundesrepublik bedürfe allein schon ihrer erheblichen inneren Gefährdung wegen eigener Streitkräfte. In dem Zusammenhang hat er weiter auf den Deutschen Gewerkschaftsbund und die industriellen Interessenverbände als mögliche Gefahr für die innere Stabilität der Bundesrepublik hingewiesen.
Das muß ich zurückweisen, denn in diesem Zusammenhang sind diese Dinge gar nicht gesagt worden. In diesen Wahlversammlungen, bei denen man ja bekanntlich als Wahlwerber seiner Partei und nicht als Bundesminister auftritt, wo man sich auch etwas schärfer muß ausdrücken können, ist vielmehr gesagt worden, daß die Notwendigkeit der Aufstellung einer Wehrmacht im Rahmen der Souveränität eines Staates liegt und daß diese Notwendigkeit darin begründet ist, daß der Staat sich gegen alle Umsturzversuche von außen, aber auch von innen zu wehren hat. Ich habe hingewiesen auf die Ausführungen unseres früheren Kollegen Fisch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, wo er ausgeführt hat, daß es sein Anliegen sei — momentan habe ich die Unterlagen nicht zur Hand, ich muß also aus dem Kopf ungefähr zitieren —, die nicht verfassungsmäßig begründete Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu ändern. Auf die Frage, wie er sich diese Änderung vorstelle, hat Herr Fisch vor dem Bundesverfassungsgericht erklärt: durch außerparlamentarische Aktionen. Und auf diese außerparlamentarischen Aktionen habe ich hingewiesen. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir schon einmal eine Zeit gehabt haben — nach
1918 —, in der solche außerparlamentarische Aktionen sich im Ruhrgebiet abgespielt haben. Damals haben Reichspräsident Ebert und der zuständige Reichskanzler Bauer und, glaube ich, auch der zuständige Reichswehrminister Noske geglaubt, ,genau wie später bei außerparlamentarischen Aktionen, wie sie in der Hölz-Angelegenheit vorlagen, die Wehrmacht einsetzen zu müssen. Mit der Polizei ist man damals nicht ausgekommen. Darauf hat sich das bezogen.
Im übrigen darf ich folgendes bemerken. Ich habe in diesen Reden auch von den nach meiner Ansicht notwendigen Grenzen gesprochen, die den Verbindungen im wirtschaftspolitisch-sozialen Raum gezogen sind, also sowohl den Unternehmerverbänden, den Arbeitgeberverbänden, wie auch den Gewerkschaften. Ich habe die Meinung vertreten — und das ist meine Auffassung —, daß diese Organisationen wegen ihrer hohen Bedeutung in diesem Raum nicht das Recht hätten, auf die politischen Entscheidungen des Parlamentes einen direkten, also „aktionsmäßigen", wie man so sagt, Einfluß auszuüben, und daß man sehr klar unterscheiden sollte, ob eine Streikberechtigung gegeben sein soll bei der Entscheidung politischer Fragen — was ich persönlich verneine — oder ob eine Streikberechtigung gegeben sein soll bei der letzten Entscheidung über wirtschaftspolitisch-sozialpolitische Fragen, was ich bejahe.
Ich glaube, ich habe hier eine ganz klare Grenze gezogen und damit keineswegs irgendeinem Zuhörer — der nicht böswillig war! — etwa die Meinung oktroyieren wollen, daß irgendein militärisches Mittel oder ein polizeiliches Mittel gegen diese Organisationen angewendet werden soll, wenn sie sich im Rahmen der demokratischen Ordnung bewegen. Das habe ich auch nochmals unterstrichen. Herr Henrich, der dieser Wahlversammlung in Osnabrück ja nicht beigewohnt und auch die folgenden Reden, in denen ich in gleicher Weise ähnliches ausgeführt habe, nicht gehört hat, hat als einziger deutscher Journalist die Angelegenheit aufgegriffen und darüber einen Artikel geschrieben. Ich habe mich bemüßigt gefühlt, ihm dazu in einem Brief, der viel länger ist — ich habe ihn natürlich auch nicht hier; Herr Ritzel hat Teile davon verlesen — meine Stellungnahme zukommen zu lassen. Es ist interessant, daß Herr Dr. Henrich meine Stellungnahme nicht in seiner Zeitung unter den Leserbriefen abgedruckt hat, sondern daß er diesen Brief Ihnen, verehrter Herr Ritzel, zur Verfügung gestellt hat. Ich unterstelle Ihnen gern, daß Sie diesen Brief im besten Sinne hier glaubten vortragen zu sollen.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es sehr merkwürdig ist: wenn einer von unserer Seite an irgendeiner Stelle eine solche Grenze zu ziehen versucht, die ja politisch wichtig ist, dann geschieht es sehr leicht, daß eine solche Äußerung mit besonderer Schärfe beurteilt wird; wenn aber einer von unserer Seite in anderen Fällen durch sein Leben oder durch seine Tätigkeit beweist, daß er in diesen Dingen eine ganz andere grundsätzliche Auffassung hat, dann wird das im gleichen Moment völlig vergessen. Ich darf unseren verehrten Kollegen Jahn an die Rede erinnern, die ich im Dezember vor der Eisenbahner-Gewerkschaft seinetwegen gehalten habe und in der ich mich, glaube ich, sehr eindeutig und klar über die Bedeutung der Gewerkschaften, wie ich sie sehe, ausgesprochen habe. Ich darf weiter daran erin-
nerv, daß ich in meiner Tätigkeit bei der Industrie- und Handelskammer in Braunschweig, die ja Ihre liebenswürdige Aufmerksamkeit durch eine Kleine Anfrage gefunden hat, der einzige Kammerpräsident bin, der im Jahre 1946 bereits durch Kooptierung in die Vollversammlung und Wahl in das Präsidium den maßgebenden Mann der Gewerkschaften im Braunschweiger Raum zum amtierenden Vizepräsidenten der Kammer gemacht hat. Ich bin deswegen sehr vielangegriffen worden. Wir haben das Jahre hindurch mit bestem Erfolg fortgeführt. Ich möchte also damit bloß sagen, daß man mir doch aus dem, was ich im Leben, insbesondere in diesen letzten Jahren seit 1945, bewiesen habe, keinen Vorwurf machen kann. Die Angriffe gegen diese Einstellung sind von der anderen Seite gekommen. Sie können sich vorstellen, daß diese Tatsache im Zusammenhang mit den Diskussionen über die paritätische Zusammensetzung von Kammern usw. für mich gar nicht sehr angenehm gewesen ist. Ich habe an meiner Auffassung trotzdem festgehalten, weil ich sie für eine Notwendigkeit halte, im Interesse des Brückenschlags und der guten Zusammenarbeit, da ich ja mit diesen Sachen verhältnismäßig weniger Beachtung finde, als wenn einmal aus parteipolitischen Gründen eine klare Abgrenzung zu bestimmten Fragen gezogen werden muß.
Der Herr Kollege Ritzel hat ein Wort Bismarcks zitiert, und in diesem Wort Bismarcks kamen neben den Polen und den Sozialdemokraten auch die Welfen vor. Ich darf den Kollegen Ritzel daran erinnern, daß seine politischen Freunde sehr gern-
und nicht etwa in lobendem Sinne — meine politischen Freunde rund mich als Welfen bezeichnen. Ich habe mich also, als Sie das zitierten, durchaus in guter Gesellschaft, nämlich in Ihrer guten Gesellschaft gefühlt. Deswegen habe ich diese Zitierung gar nicht sehr tragisch genommen.
Ich darf nun von diesen Dingen abgehen und mich dem eigentlichen Inhalt meiner heutigen Darlegungen zuwenden. Ich möchte mich dabei zunächst bei dem Herrn Kollegen Ritzel bedanken, der in außerordentlich zuvorkommender und in einer uns sehr wohltuenden freundschaftlichen Weise die schwierige Aufgabe der Berichterstattung über unseren Haushalt auch in diesem Jahr übernommen hat. Ich weiß, wieviel Mühe es macht, sich in diese Dinge so einzuarbeiten, wie er es getan hat. Meine Mitarbeiter und ich sind ihm sehr dankbar für das Verständnis, das er den Belangen des Verkehrs aus sachlichen und anderen Gründen entgegengebracht und hier gezeigt hat.
Der Herr Kollege Ritzel hat in seinem Bericht auch einen Punkt angeschnitten, den ich hier deswegen zuerst aufgreife, weil er auch in seiner zweiten Rede heute darauf eingegangen ist: die Frage der Mittel, die für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen zur Verfügung zu stellen sind. Der Herr Kollege Ritzel hat liebenswürdigerweise aus dem Protokoll der 67. Sitzung des Haushaltsausschusses zitiert. Ich möchte diese Zitierung ein wenig ergänzen; zunächst durch den Hinweis darauf, daß diese Sitzung am 11. März dieses Jahres stattgefunden hat, zu einem Zeitpunkt, als das Verkehrsfinanzgesetz noch nicht verabschiedet war, auch nicht hier in diesem Hause, zu einem Zeitpunkt also, zu dem man noch gar nicht wissen konnte, ob die Gedankengänge, die nichtbundeseigenen Eisenbahnen mit einzuschließen, in dem Gesetz auch ihre Verwirklichung finden würden.
Es ging damals um die Frage, ob man dafür schon vorsorglich einen Titel vorsehen soll. Ich habe damals — ich darf mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten diese Stelle verlesen — folgendes gesagt: „Erstens muß noch im Bundesrat geklärt werden nicht nur, ob wir den nichtbundeseigenen Eisenbahnen diese Kredite geben dürfen, sondern auch in welcher Weise die Länder bei dieser Kreditgewährung eingeschaltet sein wollen und müssen, weil sie ja die absolute Zuständigkeit über die nichtbundeseigenen Eisenbahnen haben; sie ist nach dem Grundgesetz den Ländern, nicht dem Bund vorbehalten. Zweitens müssen wir von den nichtbundeseigenen Eisenbahnen aus erst einmal Investitionspläne für diese Mittel vorgelegt bekommen; sie müssen erst geprüft werden." Ich konnte natürlich niemanden von den nichtbundeseigenen Eisenbahnen auffordern, solche Investitionspläne aufzustellen und einzureichen, zu einem Zeitpunkt, in dem noch gar nicht gesichert war, ob sie überhaupt aus diesem Rahmen etwas bekommen könnten.
— Nein, ich bin nicht Prophet; und gerade beim Verkehrsfinanzgesetz hatte ich noch weniger Lust, Prophet zu spielen. Daß Sie nachher die Liebenswürdigkeit hatten, dem Gesetz zuzustimmen, hat mich allerdings sehr gefreut, aber Prophet möchte ich in diesen Fragen lieber nicht sein.
Ich habe am 11. März weiter ausgeführt: „Das dürfte sich wahrscheinlich bis zum Ende des Jahres hinziehen — nämlich das Aufstellen von Investitionsplänen und das Prüfen im Einvernehmen mit den Ländern —, so daß wir in diesem Jahr voraussichtlich nicht besonders einen Titel und Mittel einzusetzen brauchten." Dann kommt die Begründung dafür: „Wir müßten nämlich sonst, Herr Kollege Ritzel, diese 10 Millionen DM in einem besonderen Titel im Haushalt ausbringen und dabei die anderen Titel vermindern. Da wir aber bis zum Abschluß des Haushaltsgesetzes keine Unterlagen für die Unterbringung dieser 10 Millionen DM werden vorlegen können, weil wir sie einfach nicht haben und auch nicht so schnell beschaffen können, wird es zweckmäßig sein, diese Angelegenheit auf das nächste Jahr zu verschieben."
Ich bin damals natürlich von der Auffassung ausgegangen, daß das Haushaltsgesetz spätestens Anfang April verabschiedet sein würde. Ich hätte die Ausführungen in diesem Sinne nicht gemacht, wenn ich geahnt hätte, daß wir Ende Juni in der zweiten Lesung stehen würden. Das konnte man ja — da ich eben auch wieder kein Prophet bin — auch nicht ohne weiteres voraussagen. Die Situation ist aber die, daß Beträge, die nicht im Haushalt ausgeworfen sind, natürlich nicht ausgegeben werden können. Nun wissen Sie, daß bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen die Anleihefrage zwar sehr wesentlich ist. Ich kenne die Verhältnisse sehr genau und kann, glaube ich, obwohl ich nicht dafür zuständig bin, nicht in den Verruf kommen, nicht von Anfang an die Interessen der nichtbundeseigenen Eisenbahnen ganz besonders gewahrt und unterstützt zu haben. Ich weiß aber auch, daß die nichtbundeseigenen Eisenbahnen eben wegen ihrer. besonderen wirtschaftlichen Lage nicht bereit sein können, Anleihen oder Darlehen zu irgendwelchen beliebigen ihnen angebotenen Bedingungen aufzunehmen. Vielmehr können sie Anleihen nur aufnehmen, wenn sie ihnen zu bestimmten niedrigen Zinsen
gegeben werden. Diese Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen standen uns aber auch noch bevor. Infolgedessen konnte ich am 11. März nicht sagen, daß wir diese Mittel so im Gesetz festgelegt und hinterher in den Unterhaltungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen so erläutert bekommen würden, daß ich sicher sein konnte, daß die nichtbundeseigenen Eisenbahnen bereit sein würden, diese Anleihemittel in Anspruch zu nehmen.
Dazu kommt noch ein Weiteres: Neben dem Oberbau ist bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen in erster Linie die Beschaffung von rollendem Material notwendig. Diese Beschaffung von rollendem Material wird aber möglich sein, ohne daß wir in diesem Haushalt diese Beträge ausbringen, weil ja die Lieferzeiten für das rollende Material ungefähr ein Jahr oder noch länger betragen. In den Vereinbarungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen ist immer zum Ausdruck gekommen, daß wir, wenn wir in diesem Haushalt diese Konditionen nicht endgültig ausbringen können, gemeinsam Mittel und Wege finden werden, um die nichtbundeseigenen Eisenbahnen trotzdem in die Lage zu versetzen, ihre Aufträge rechtzeitig herauszubringen, und ihnen die Bezahlung dann im nächsten Jahr — wo sie unter allen Umständen den gesetzlichen Anspruch haben — sicherzustellen.
Die Summe dieser Millionen, auf die die nichtbundeseigenen Eisenbahnen nach dem Gesetz Anspruch haben, wird ihnen natürlich nicht geschmälert, ob sie nun in diesem Jahr oder in späteren Jahren anfangen zu laufen. Wir sind bei der Überlegung in diesen Dingen nämlich von den guten Erfahrungen ausgegangen, die wir in ähnlicher Weise bei der Hingabe der Wiederaufbaudarlehen für die Seeschiffahrt gemacht haben. Dort wird nicht etwa vorweg finanziert, sondern eigentlich immer hinterher der Zusatz, den der Bund für einen bestimmten Schiffsbauauftrag gibt, durch einen besonderen Vertrag geklärt.
Da wir dieses System seit einigen Jahren mit recht gutem Erfolg durchgeführt hatten, so waren wir der Auffassung, daß es auch bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen angewendet werden sollte. Ich möchte das nur deswegen sagen, weil Herr Ritzel auch das Wort von der „Liebe zu den nichtbundeseigenen Eisenbahnen" verwendet hat. Ich glaube, diese Liebe kann gerade unserem Hause — obwohl wir für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen nicht zuständig sind — nicht abgesprochen werden. Gerade einige meiner Mitarbeiter haben sich den Problemen auf diesem Gebiet nicht nur mit großem Nachdruck, sondern auch mit recht erfreulichem Erfolg gewidmet.
Der Herr Berichterstatter hat dann ein weiteres Problem angeschnitten, das ich für außerordentlich bedeutungsvoll halte, weshalb ich auch dazu sprechen möchte. Sie wissen, daß die immer wieder geforderte Rationalisierung bei der Bundesbahn deshalb, weil uns nennenswerte Mittel für diese Rationalisierung nicht zur Verfügung standen, darin ihren Ausdruck fand, daß wir innerbetrieblich zusammengelegt und gespart haben. Sie wissen, daß die Bundesbahn ihren Personalbestand in den Jahren seit 1948 von über 600 000 auf erheblich unter 500 000 reduziert hat. Aber bei allen unseren Unterhaltungen und Besprechungen über diese Frage mußten die Einsparung und Verminderung des
Personals dort ihre Grenze finden, wo die Sicherheit des Betriebes gefährdet war oder die Überlastung des Personals ein unangemessenes Ausmaß erreichte.
Bei den Arbeitszeiten, von denen Herr Kollege Ritzel gesprochen hat, ist zwischen echter Arbeitszeit und Arbeitsbereitschaft zu unterscheiden. Grundsätzlich vertrete ich zusammen mit ihm die Auffassung, daß wir hier versuchen müssen, sobald es uns unsere wirtschaftliche Lage gestattet, die tatsächlichen Bereitschaftszeiten zusammen mit den Arbeitszeiten auf ein normales und vernünftiges Maß zu reduzieren, insbesondere deshalb, weil die Überbeanspruchungen einzelner Gruppen des Personals sich immer wieder auf diese Gruppen direkt verlegen. Gerade diese Gruppen, die oftmals einen besonders schweren Dienst haben — z. B. auf den Verschiebebahnhöfen —, können dadurch ganz besonders nicht nur in ihrer Gesundheit, sondern überhaupt in ihrer ganzen Lebenserwartung getroffen werden. Das ist eine Frage, die uns große Sorge macht. Sie gilt aber nicht nur für die Eisenbahnen, sondern das Problem gilt ganz allgemein für die Frage der Arbeitszeit und der Arbeitsbereitschaft im Verkehr überhaupt.
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß dieses Problem nicht nur bei der Eisenbahn, sondern daß es ebenso bei der Schiffahrt wie bei der Straße eine nicht unerhebliche Rolle spielt und daß die Frage, was man bei einem Menschen, der in seiner Arbeitszeit höchste Aufmerksamkeit aufzubringen hat, noch als Arbeitsbereitschaft anerkennen darf, eine sehr strittige und vielfach umkämpfte Frage ist. Ich glaube, daß wir uns bemühen müssen, in gemeinsamer Arbeit — und gerade hier in Zusammenarbeit mit den zuständigen Gewerkschaften — dieses Problem weiter und weiter zu verfolgen, bis wir endlich als Ziel den Zustand erreichen, den wir schon heute als angemessen ansehen. Dazu müssen wir wahrheitsgetreu feststellen, daß die heutigen Verhältnisse in vieler Beziehung und bei den verschiedensten, ja fast bei allen Verkehrsträgern nicht der zu verantwortenden Belastung der Menschen angemessen sind, die im Verkehr tätig sind und an deren Leistungen um der Sicherheit willen höchste Anforderungen gestellt werden müssen.
Die Bedeutung des Menschen im Verkehr brauche ich nicht noch einmal zu unterstreichen. Die Höhe der Unfälle vielfältigster Art auf allen Gebieten ist in sehr vielen Fällen auf menschliche Auswirkungen zurückzuführen, nicht auf Schuld, sondern auf andere menschliche Auswirkungen, auf Ermüdung, auf augenblickliche Schwäche oder auf irgendwelche andere Umstände, die mit der starken Beanspruchung der Arbeitskraft zusammenhängen. Wir müssen auch von dieser Seite aus die Unfälle nachdrücklich bekämpfen. Sie wissen, daß wir bei der Bundesbahn gerade auf diese Fragen besonderen Wert legen, weil uns die Sicherheit dort noch mehr am Herzen liegt, als das vielleicht von den anderen Verkehrsträgern von vornherein gesagt werden könnte.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf einige andere Fragen eingehen, die der Herr Kollege Dr. Bleiß vorgetragen hat. Dabei komme ich gleich auf ein Problem, das sich wie ein roter Faden durch eine ganze Reihe von Darlegungen gezogen hat: es ist das Problem der betriebsfremden Lasten bei der Bundesbahn. Offenbar besteht leider noch immer in vielen Fällen nicht die richtige Erkenntnis über die Begriffe „betriebsfremde" oder
„politische Lasten" und „gemeinwirtschaftliche Aufgaben". Ich unterscheide hier ausdrücklich zwischen Lasten und Aufgaben. Die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben hängen in ihrer Erfüllung mit einer ganzen Reihe von Konditionen zusammen, unter denen die Bundesbahn arbeitet. Die betriebsfremden — in Klammer: politischen — Lasten dagegen sind solche Lasten, die die Bundesbahn als Auswirkung des Zusammenbruchs und der sich daraus für sie ergebenden besonderen Lage zu tragen hat.
Der Herr Kollege Bleiß hat versucht, die ganze Galerie der Gutachten vor Ihnen auszubreiten, die in den letzten Jahren um den Komplex Bundesbahn erstellt worden sind. Es ist nicht immer so gewesen, Herr Kollege Dr. Bleiß, daß diese Gutachten deswegen erstellt werden mußten, weil sie der Bundesminister für Verkehr gewünscht hat. Sie sind vielfach von anderen Kreisen gewünscht worden, zunächst von der Besatzungsmacht, dann von der Bundesregierung oder von sonstigen Stellen. Sie sind nicht etwa deswegen gewünscht worden, weil wir uns in unserem Kreise nicht über die Problematik und ihre Lösungsmöglichkeiten klar waren, sondern weil wir die Vorschläge, die wir zu unterbreiten hatten, durch Sachverständigenaussagen unterstützen mußten. Das WetzlerGutachten, von dem Sie sprachen, ist ursprünglich entstanden, um die Problematik der politischen Lasten in die beiden Gruppen der betriebsfremden Lasten und der ;gemeinwirtschaftlichen Aufgaben scheiden zu können. Es ist damals in der Verkehrsministerkonferenz der Länder auf Antrag von Nordrhein-Westfalen entstanden, weil wir nach eingehenden Erörterungen in diesem Rahmen die Auseinandersetzung endlich einmal zu wirklich festen Begriffen formen wollten. Es ist ja ein Unglück in der verkehrspolitischen Auseinandersetzung, daß man sich hier vielfach an Schlagworten festhält und daß nachher die Notwendigkeit besteht, diese Schlagworte erst mit dem begrifflichen Inhalt zu füllen und dabei die Auseinandersetzung so zu führen, daß der begriffliche Inhalt auch allseitig anerkannt wird. Das Gutachten von Präsident Wetzler und seinem Ausschuß war auf Grund des Beschlusses dieser Verkehrsministerkonferenz von vornherein so gedacht, daß es zunächst von einem kleineren Kreis, im wesentlichen Vertretern der Länder und des Bundes unter dem Vorsitz von Herrn Präsidenten Wetzler, aufgestellt werden sollte und daß das Arbeitsergebnis dieses Kreises dann mit den Verkehrsträgern und mit den Vertretern der Wirtschaft, also dem Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Industrie- und Handelstag usw., erörtert werden sollte. Als das Gutachten in dem kleinen Kreis 'erstmals fertiggestellt war, wurde es überprüft und diskutiert, und dann wurde es dem großen Kreis vorgelegt. Dabei hat sich ergeben, was Herr Kollege Dr. Bleiß, wenn ich mich recht erinnere, wohl schon dargetan hat, daß in der Frage der Begriffsbestimmung der sogenannten betriebsfremden Lasten eine weitgehende Übereinstimmung aller Beteiligten besteht, daß aber in der Frage der Beurteilung und Bewertung der gemeinwirtschaftlichen Lasten die Auffassungen auseinandergehen.
Nun handelt es sich für uns in unserer Diskussion darum, daß wir sowohl für eine endgültige Entscheidung in der Bundesregierung wie für eine endgültige Entscheidung im Parlament diesen Begriff der betriebsfremden Lasten klar und deutlich herausarbeiten. Ich persönlich bin z. B. der Meinung, daß in dem Gutachten von Herrn Wetzler und seinem Ausschuß einige Dinge nicht sehr gravierender Art aufgeführt sind, die nach meiner Auffassung doch in die betriebsfremden Lasten und nicht in die gemeinwirtschaftlichen Lasten hineingehören, z. B. die zusätzlichen Kosten, die sich aus dem Berlin-Verkehr ergeben.
In diesen Fragen stimmen wir mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen nicht überein. Die Dinge sind ja auch noch relativ zu frisch. Das Gutachten von Wetzler konnte ich im Umdruck dem Ausschuß für Verkehrswesen erst vor wenigen Wochen zuleiten. Es bedarf natürlich einer eingehenden Überprüfunginnerhalb der Ressorts, um einen endgültigen Standpunkt der Bundesregierung herauszuarbeiten. Da uns andererseits auch noch viele andere Dinge in zeitlicher Hinsicht sehr bedrücken, sind die Maßnahmen nicht immer so schnell voranzutreiben, wie man das möchte.
Tatsache ist aber, daß sich, wenn man die betriebsfremden Lasten, wie sie der Wetzler-Ausschuß ermittelt hat, zugrunde legt, in den nächsten zehn Jahren für die Bundesbahn eine Totaliast von 2 Milliarden DM ergibt. In den vergangenen zehn Jahren betrug diese Last, die bereits getragen ist, etwa 1,7 Milliarden DM. Diese 2 Milliarden DM fallen nun nicht etwa in gleichen Jahresraten an, sondern am Anfang mit größeren Jahresraten, die sich allmählich vermindern. Man kann also das Problem einmal unter die Frage stellen: Ist es etwa — und diese Entscheidung muß der Herr Bundesminister der Finanzen erst treffen — unter der Voraussetzung, daß diese Darlegungen des Wetzler-Gutachtens allseitig anerkannt werden, möglich, mit gleichbleibenden Jahresraten diesen Komplex der betriebsfremden Lasten aus der Diskussion auszuräumen und von vornherein das zu tun, was von anderen Kollegen auch angeregt worden ist: die Bundesbahn dann mit dieser Abnahme der betriebsfremden Lasten tatsächlich auch in eine volle Eigenverantwortung hineinzustellen? Diese Frage ist auch von der Bundesbahn noch nicht endgültig beantwortet. Deswegen können wir auch noch keine feste Meinung der Bundesregierung zum Ausdruck bringen. Seien Sie aber überzeugt, daß wir um diese Meinung ringen.
Es hat mich interessiert, daß der verehrte Kollege Müller-Hermann Bedenken dagegen erhoben hat, daß das Wetzlersche Gutachten veröffentlicht würde. Dieses Gutachten ist in vielen Exemplaren, die abgezogen worden sind, den Herren dieses Hauses, dem Verkehrsauschuß, dem Haushaltsausschuß und anderen Stellen zugegangen, damit der Handel an der Milchbar von vornherein verhindert werden konnte. Ich kann mich daran erinnern, daß wir bei früheren Diskussionen über Verkehrsprobleme gerade immer den Vorwurf bekamen, daß wir die Gutachten nicht der Öffentlichkeit vorlegten. Gerade deshalb hatte ich den Wunsch, das Gutachten sobald als möglich der öffentlichen Diskussion zu unterbreiten. Das Gutachten ist kein Gutachten des Bundesministers für Verkehr und kein Gutachten der Bundesregierung, sondern eine Meinungsäußerung, zu der die anderen Stellen erst Stellung nehmen müssen. Infolgedessen halte ich es doch für gut, Herr Kollege Müller-Hermann, daß man ein solches Gutachten der Öffentlichkeit unterbreitet, damit sich auch jene Kreise, die vielleicht nicht vollkommen mit
dem Gutachten übereinstimmen, damit auseinandersetzen können.
Ich darf noch ,einmal unterstreichen: Für uns ist an diesem Gutachten wesentlich die endgültige klare Abgrenzung der betriebsfremden Lasten. Für uns ist nicht wesentlich das in diesem Gutachten selbstverständlich gleichermaßen angeschnittene und behandelte Problem der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben. Mit diesem Problem können wir uns erst eindeutig beschäftigen, wenn wir die betriebsfremden Lasten ausgegliedert und infolgedessen als Ergebnis der Arbeiten eine endgültige Lösung haben finden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Minister, sind wir uns darin einig, daß in bezug auf die gemeinwirtschaftliche Pflicht der Bundesbahn das WetzlerGutachten unvollständig ist, solange nicht auch die Privilegien und die eindeutigen Vorteile der Bundesbahn gegenüber der Konkurrenz gemessen, gewertet und berechnet worden sind?
Herr Kollege Müller-Hermann, darin sind wir uns durchaus einig. Es handelt sich, wie ich ausdrücklich gesagt habe, um die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben. Sie sind beziffert worden. Aber diesen gemeinwirtschaftlichen Aufgaben stehen gewisse andere Posten gegenüber, nicht nur Posten, die sich etwa aus der Bilanz der Bundesbahn ablesen lassen, sondern auch Posten, die in der Belastung bei anderen Verkehrsträgern auftreten können. Infolgedessen ist das ein Problem, das wir deswegen gar nicht in extenso zu behandeln brauchen, weil wir uns, glaube ich, alle darüber klar sind, daß wir die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben durch die Bundesbahn erfüllt sehen wollen. Infolgedessen steht für uns das Problem einer Ablösung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben oder einer Bezahlung für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben gar nicht zur Diskussion. Zur Diskussion steht die Frage, wie wir die betriebsfremden Lasten behandeln sollen.
Herr Kollege Bleiß hat weiter beantragt, mehr Mittel für die Beseitigung der schienengleichen Bahnübergänge zur Verfügung zu stellen. Es ist wohl ganz selbstverständlich, daß wir nichts mehr begrüßen würden, als wenn das alte Problem der schienengleichen Bahnübergänge dadurch beseitigt würde, daß wir eben schienengleiche Bahnübergänge ausmerzen. Wir bemühen uns, bei allen Straßenbauaufgaben oder sonstigen Lösungen von Verkehrsproblemen dem zu folgen. Ich darf Sie nur einmal daran erinnern, daß auf der Bundesstraße 9 im Laufe der letzten Jahre eine Reihe solcher schienengleichen Bahnübergänge verschwunden ist. Die Kosten, die für die Beseitigung aller schienengleichen Bahnübergänge entstehen würden, habe ich dem Hohen Hause schon wiederholt vorgetragen. Ich habe auch das Problem der beschrankten und nichtbeschrankten schienengleichen Bahnübergänge in diesem Hause eingehend auf Anfragen erläutert und glaube, ich kann mich deswegen kurz fassen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß wir im vorigen Jahr bei der bedauerlichen Zahl von fast 11 600 Toten, die wir im Straßenverkehr gehabt haben, nur 137 Tote bei schienengleichen Bahnübergängen und nur 22 Tote bei beschrankten Bahnübergängen hatten. Das heißt - wenn auch in der Zeitung ein solcher Unfall bei einem schienengleichen Bahnübergang immer in die Aufmerksamkeit der Leser springt und hier vielfach die Unfälle sehr schwer sind —, daß der Anteil dieser Unfälle an dem ungeheuren Gesamtkomplex glücklicherweise doch verhältnismäßig gering ist, was nicht hindern soll, daß wir uns der Beseitigung dieser schienengleichen Bahnübergänge mit allem Nachdruck widmen wollen und widmen müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
gleichgültig, wer immer ein Ressort wahrnimmt, er stellt natürlich seine Forderungen nach seinen Wünschen. Die Grenzen dieser Forderungen und ihrer Erfüllung bestimmt zuerst einmal der Herr Bundesminister der Finanzen, der die unangenehme Aufgabe hat, die Wunschträume der Ressortminister auf den Boden der Wirklichkeit zurückzuführen. Das geschieht dann durch einen Kabinettsbeschluß. Dieser Kabinettsbeschluß ist manchmal sehr hart und bitter erkämpft. Ich will nun nicht sagen, daß ich mit meinem verehrten Kollegen Schäffer nicht gelegentlich auch einmal aneinandergerate, aber im Grunde genommen vertrete ich die Auffassung, daß ich doch auch berücksichtigen muß, in welcher sehr schwierigen Lage er sich befindet,
und daß ich nicht Forderungen an ihn stellen darf, die er mir beim besten Willen nicht zu erfüllen vermag. Ich bin als Kabinettsmitglied nicht in der Lage, die Diskussion im Kabinett in demagogischer Weise oder gar in irgendeiner anderen Form zu führen. Deswegen muß ich mich darauf beschränken und damit abfinden, daß Sie diese Kritik an mir üben, und muß eben die Schwächen meiner Position und meiner Haltung in Kauf nehmen. Der Bundesminister für Verkehr ist ja derjenige, der für die öffentlichen Arbeiten in der Bundesrepublik im Rahmen der Aufgaben des Bundes verantwortlich ist. Selbstverständlich können Sie sich vorstellen, daß es dem Bundesminister für Verkehr ein Labsal ist, wenn er die Bauten, die er ausführen kann, so weit wie möglich auszudehnen vermag. Also daß irgendwo bei uns eine Bremse läge, etwas nicht zu bauen oder Aufgaben nicht durchzuführen, dürfen Sie weder meinen Mitarbeitern noch mir unterstellen.
Nun komme ich zu einem interessanten Problem, das Herr Kollege Bleiß angeschnitten hat, das aber auch von den anderen Rednern mit erörtert worden ist, nämlich zu der Frage, ob wir, wie Herr Kollege Bleiß es sehr schön formuliert hat, mit Spannungen in der Frachtraumbeschaffung zu rechnen haben. Herr Kollege Müller-Hermann hat diese Dinge etwas krasser ausgesprochen und von einem drohenden Verkehrsnotstand gesprochen. Ich bin immer der Meinung, daß man die Dinge keinesfalls dramatisieren soll. Aber ich darf dazu auf folgendes hinweisen. Vor zwei Jahren, als wir uns über
Fragen der Verkehrspolitik unterhielten, ist wiederholt von gewissen Kreisen zum Ausdruck gebracht worden, daß die Verkehrskrise, insbesondere die finanziell schlechte Lage der Verkehrsmittel, darauf zurückzuführen sei, daß wir ein Überangebot an Transportraum hätten. Ich habe mich damals wiederholt dagegen zur Wehr gesetzt, auch in der Öffentlichkeit, und habe darauf hingewiesen, daß wir nach meiner Auffassung eine Transportreserve haben müßten, um kommenden Anforderungen, insbesondere auch möglicherweise im Zusammenhang mit Mitteldeutschland, entsprechen zu können.
Die damalige Auffassung, daß wir eine sehr erhebliche Überkapazität hätten — sie ist z. B. auch in verschiedenen Vorträgen des verehrten Herrn Staatssekretärs Professor Brandt zum Ausdruck gekommen —, hat natürlich schon im vorigen Herbst durch besondere Umstände eine gewisse Beeinträchtigung erfahren. Sie wissen, daß der Verkehr eben leider ein Saisonbetrieb ist. Dieser Saisonbetrieb wirkt sich ganz besonders bei der Bundesbahn aus; denn sie ist ja der eigentliche Träger der Transportreserve Weil der Verkehr also ein Saisonbetrieb ist, der Spitzen im Herbst und im Frühjahr hat, haben wir, um diese Spitzen zu überwinden, im Jahre 1950 das EUROP-Abkommen geschlossen. Dieses EUROP-Abkommen hat sich im gesamten europäischen Raum, insbesondere nachdem 1953 auch die übrigen europäischen Staaten beigetreten sind — zuerst war es ein französisch-deutsches Abkommen —, sehr segensreich im Sinne eines Ausgleichs des Transportmittelangebots in der Zeit der Spitzen ausgewirkt. Das ist auch bei uns der Fall gewesen.
Wir hatten im vorigen Herbst eine besondere Anspannung dadurch, daß wir einmal eine sehr verspätete Ernte hatten, zweitens eine mengenmäßig sehr große Zuckerrübenernte — die Anfuhr von Zuckerrüben mit der Eisenbahn war bei gewissen süddeutschen Zuckerfabriken um 50 % höher als im Vorjahr — und drittens an der Ruhr große Haldenbestände hatten, die dadurch entstanden waren, daß wir im Frühjahr 1954 eine gewisse Flaute zu überwinden hatten. Das sind also Momente, die in ihrer Art und in ihrer Massierung zweifellos nicht leicht wiederkehren werden. Die Deutsche Bundesbahn hatte, wie gesagt, diesen Herbstverkehr zu bewältigen, der erheblich stärker war als der im allgemeinen um 10% über der übrigen Zeit des Jahres liegende Herbstverkehr. Die letzten drei Monate des Jahres 1954 wiesen einen um 22 % höheren Verkehr auf. Die Wagenreserve dagegen war um 14 % gesteigert. Wir sind nun in der Lage, für dieses Jahr, also für den kommenden Herbst, sagen zu können, daß wir mit den Verkehrsverhältnissen einigermaßen auszukommen hoffen. Denn wir haben zur Zeit praktisch keine Haldenbestände, und wir haben auf der anderen Seite erheblich mehr Wagen als im vorigen Jahr oder werden sie bis zum Herbst haben.
Wir haben eine Zunahme des Verkehrsaufkommens, und das gleicht sich bei den Massenverkehrsmitteln immer leicht dadurch aus, wenn wir als Meßzahl an die Stahlproduktion denken. Wir werden in diesem Jahr, wenn die Dinge gut gehen, vielleicht mit 21 Millionen t rechnen können. Damit haben wir, wenn nicht große Investitionen in der eisenschaffenden Industrie getätigt werden — und diese erfordern ja auch immer Zeit —, eine gewisse Spitzenbelastung erreicht, die kaum über-' schritten werden wird. Wir werden auch die Förderung des Ruhrgebiets nicht nennenswert steigern können, und wir werden angesichts der Lage im Frachtenraum in der Seeschiffahrt auch die Einfuhr von Kohle nicht nennenswert über ein bestimmtes Ausmaß hinaus steigern können.
— Aus England kriegen wir nichts; dort ist man durch den Streik mit 2 Millionen t im Minus. Wir können also nur aus Amerika Kohle einführen, und ob die Amerikaner bereit sind, ihre eingemottete Flotte von Victory-Schiffen dafür in Gang zu setzen, möchte ich zunächst einmal bezweifeln. Im übrigen ist die Seeschiffahrt, wie Sie wissen, recht gut beschäftigt. Infolgedessen ist das auch eine Frage der Frachtraumraten, und es ist die Frage, ob wir die zusätzliche Kohle zu überhöhten Preisen wirtschaftlich verdauen können. Das ist ein Problem, das auf einem anderen Boden steht.
Wenn wir diese Dinge betrachten, können wir ruhig sagen, daß wir in diesem Herbst im großen und ganzen keinen Verkehrsnotstand haben werden und daß sich der Verkehr im Rahmen dessen halten wird, was wir auch im vorigen Jahr gehabt haben. Wir werden im Herbst, wenn die Ablieferungen richtig laufen, einen Neubau von 12 400 Wagen zur Verfügung haben. Für das nächste Jahr sind weitere Wagen bestellt. Die Produktion in den Waggonfabriken läuft jetzt zügig. Das ist auch eine Konsequenz des Verkehrsfinanzgesetzes und der besseren Finanzierungsmöglichkeiten, die der Bundesbahn dadurch gegeben worden sind. Darüber hinaus werden wir noch dadurch einen erheblichen Vorteil haben, daß im Laufe dieses Jahres 10 500 Wagen älterer Bauart zu neuwertigen Waggons umgebaut werden, weil wir die Aktion der Umwandlung von Gleitlager in Rollenlager laufend durchführen. Wir würden diese Aktion gern verstärken. Daß wir es nicht können, liegt daran, daß wir weitere Rollenlager nicht in dem notwendigen Maße bekommen können.
Wir werden also für den diesjährigen Herbstverkehr mit einer Ladekapazität rechnen können, die um insgesamt rund 11 000 Waggons größer ist als im vorjährigen Herbst. Das bedeutet eine Vergrößerung des Wagenparks um 6 %. Wenn die zusätzlichen Maßnahmen verkehrlicher und betrieblicher Art, die die Bundesbahn zur Beschleunigung des Güterwagenumlaufs kennt, getroffen werden, dann können wir hoffen, daß wir den Herbstverkehr einigermaßen bewältigen werden. Dabei hoffen wir natürlich, daß uns günstige Wasserstände den vollen Einsatz der Schiffahrt ermöglichen.
— Wir leben zur Zeit in den sieben nassen Jahren; infolgedessen bin ich da nicht so schrecklich ängstlich, obwohl ich sonst kein Prophet sein möchte.
— Ein gewisses Risiko, verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, haben Sie immer. Wenn aber die ganze Binnenschiffahrtsflotte aufliegt und nicht fahren kann, weil sie keine Fracht hat, dann ist das ein viel unangenehmeres Risiko, als wenn sie voll beschäftigt ist. Gewisse Reserven stecken auch noch im holländischen Raum. Wir sind da nicht so sehr eingeengt.
Ich sage das nur deshalb, weil ich den Wunsch habe, daß die Bevölkerung aus dieser Debatte nicht etwa irgendwelche Besorgnisse ableitet, wir könnten uns in eine Mangellage schwieriger Art hineinbewegen. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich immer wieder nicht nur unsere Bevölkerung, sondern auch die Industrie darauf aufmerksam machen, daß das Leben von der Hand in den Mund in Zeiten der Hochkonjunktur nicht mehr möglich ist, daß man vielmehr gerade in solchen Zeiten auf gewisse Bestände, auf gewisse Vorräte Wert legen muß.
Deshalb ist es auch aus Verkehrsgründen sehr erwünscht, wenn sich ein möglichst großer Teil der Bevölkerung bereits im Sommer mit Hausbrand eindeckt, damit sich der Hausbrandtransport besser auf das ganze Jahr verteilt. Das liegt natürlich auch im Interesse eines besseren finanziellen Ergebnisses der Bundesbahn und der Binnenschifffahrt.
— Die Kohle ist über den GEORG zu kaufen; so ist mir mitgeteilt worden! Im übrigen ist es eine Sache der Verteilung durch den Kohlenhandel. Da der Kohlenhandel hier die Möglichkeit hat, sich seinen Fähigkeiten entsprechend zu betätigen, wollen wir hoffen, daß ihm viele Chancen gegeben sind. Die Bundesbahn jedenfalls hat genügend Waggons, die Förderung abzufahren, und sie hat auch genügend Waggons, um gemeinsam mit der Schiffahrt auch etwa ankommende Importkohle an den Verbraucher heranzuführen. Natürlich darf man dabei nicht vergessen, daß die Bundesbahn auch die notwendige Kohle für ihren eigenen Betrieb bekommt. Hier darf nicht etwa die Idee vorherrschen, man könne nun die Stückkohle, die die Bundesbahn braucht, vorteilhafter brechen und in Koks verwandeln und dann erwarten, daß die Bundesbahn ohne Kohle in der Lage wäre, die Kohlenzüge abzufahren. Also hier muß natürlich ein vernünftiger Ausgleich zwischen der Eisenbahn und dem Kohlenbergbau herbeigeführt werden.
Herr Kollege Dr. Bleiß ist auf die Frage der Frostschäden eingegangen. Ich darf das vielleicht zunächst einmal zurückstellen, weil er dann eine ganze Reihe Fragen von grundsätzlicher Bedeutung gestellt hat. Herr Kollege Dr. Bleiß hat gefragt, wann die Bundesbahn saniert werde. Das ist ein Problem, das j a nicht nur, sagen wir, mit einem Zeitpunkt beantwortet werden kann, sondern Herr Kollege Dr. Bleiß weiß sehr wohl, daß ein solches Unternehmen sehr vielfältige Maßnahmen erfordert, um schließlich zum Erfolg zu kommen. Wir sind uns darüber klar, daß wir zunächst bei der Bundesbahn um die Liquidität erster Ordnung kämpfen und daß wir erst dann, wenn dieses Problem einmal gut gelöst ist, die Liquidität zweiter Ordnung in Angriff nehmen können.
Hier kommt die Bemerkung von Herrn Kollegen Dr. Drechsel zum Zuge, der sagt: Es muß die Kreditwürdigkeit der Bundesbahn hergestellt werden, und diese Kreditwürdigkeit wird ja nur dann hergestellt, wenn eben auch ein Ausgleich zwischen den Ausgaben und den Einnahmen gefunden werden kann.
Nun wissen wir ja alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß das hier nicht eine Frage allein des Ausnützungsgrades ist, auf den man ja auch angespielt hat. Der Ausnützungsgrad ist heute dank der Gesamtkonjunktur der Wirtschaft auch im Verkehr durchaus gut, und es müßte eigentlich so sein, daß sich der Verkehr dank dem jetzt erreichten günstigen Ausnützungsgrad auch in seinen finanziellen Erträgen besserstellte. Aber hier kommt nun das zum Tragen, was ich immer wieder betont und gesagt habe, daß nämlich die Preise im Verkehr nicht der für eine folgerichtige Marktwirtschaft unerläßlichen Kostenwahrheit entsprechen, daß wir eben vom Verkehr aus ständig die verladende Wirtschaft durch zu niedrige Frachten subventionieren, daß aber die Erhöhung dieser Frachten mit ihren großen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft außerordentlich schwierig zu behandeln ist.
— Ja, kostengerecht; ich habe von Kostenwahrheit gesprochen, Herr Kollege Müller-Hermann. Hier erkennen wir also klar und deutlich, daß die Ausführungen, die ich früher gemacht habe, durch die Entwicklung durchaus bestätigt worden sind und daß ich mich damals keineswegs auf eine falsche Beurteilung der Sachlage eingelassen habe.
Diese Frage ist von Herrn Kollegen Dr. Drechsel noch in dem Sinne erweitert worden, daß er gesagt hat, die Bundesbahn müsse allmählich versuchen, auf den Kapitalmarkt zu gehen. Ich möchte Sie, Herr Kollege Dr. Drechsel, freundlichst bitten, weil das hier zu weit führen würde, sich von unserem sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Wellhausen einmal erläutern zu lassen, inwieweit die Bundesbahn laufend den Kapitalmarkt in Anspruch nimmt, und zwar in einer sehr geschickten und unauffälligen Weise und zu sehr günstigen Konditionen. Das ist dem Geschick der Herren zuzuschreiben und der Willigkeit der Länderregierungen, die Bundesbahn zu unterstützen. Also man darf wirklich nicht den Standpunkt vertreten, daß die Bundesbahn an den Kapitalmarkt nicht heranginge. Sie tut es überall dort, wo sich ihr der Kapitalmarkt zu angemessenen Bedingungen öffnet.
Die Frage aber, ob die Bundesbahn mit einer großen öffentlichen Anleihe hervortreten darf, würde im Rahmen der Gesamtanleihenotwendigkeiten und -möglichkeiten der öffentlichen Hand zu beantworten sein. Da vertrete ich persönlich immer den Standpunkt, daß sich bei unserem noch immer nur sehr wenig fundierten Kapitalmarkt die öffentliche Hand so weit wie möglich zurückhalten sollte, um zunächst einmal einer Konsolidierung der Finanzierung des Wiederaufbaues der produzierenden Industrie Raum zu geben. Das sind natürlich Probleme, die an sich über den Rahmen des Verkehrs hinausgreifen. Aber ich wollte nur einmal darauf hinweisen, daß es naturgemäß unser Wunsch ist, die Liquidität erster Ordnung so zu gestalten, daß wir auch an den Kapitalmarkt, und zwar nicht nur mit Geldmarkttiteln, herantreten können. Geldmarkttitel kann die Bundesbahn heute jederzeit unterbringen. Aber das ist natürlich eine Art der Finanzierung, der Sie wahrscheinlich auf die Dauer auch nicht den Vorzug geben wollen, sondern die man nur einmal vorübergehend ansetzen kann.
Es ist also hier eine Frage, die sich nur in einer sehr langwierigen Art und Weise entwickeln wird, und dabei kommen wir nun zu einem Problem, das ja auch immer wieder hier im Bundestag auf-
getaucht ist. Es ist das Problem — ich sagte es schon —: Was kann man tun, um von der Kostenseite her diese Frage der Wirtschaftlichkeit nicht nur der Bundesbahn, sondern aller Inlandsverkehrsträger anzuschneiden? Bei den Auslandsverkehrsträgern sind wir sowieso nicht in der Lage, das sehr wesentlich zu beeinflussen. Aber bei den Inlandsverkehrsträgern liegt uns eine große Verantwortung ob, weil ja die tariflichen Fragen für das Ergebnis von Einnahmen und Ausgaben eine erhebliche Bedeutung haben kann.
Ich habe, wie Sie sich erinnern werden, meine Damen und Herren, schon im August vorigen Jahres den zuständigen Ausschüssen des Bundestages eine synoptische Darstellung des tarifpolitischen Programms übermittelt. In diesem Programm sind die Pläne der Bundesregierung, die Vorschläge des Bundesrates und die Anträge der Herren Müller-Hermann und Genossen auf tarifpolitischem Gebiet einander gegenübergestellt. Das Programm der Bundesregierung zu diesem Problem ist im wesentlichen auch heute noch unverändert. Nach Auffassung der Bundesregierung sollte das verkehrspolitische Ziel der Tarifmaßnahmen
erstens die Förderung einer volkswirtschaftlich und verkehrspolitisch sinnvollen Teilung der Aufgaben zwischen Schiene, Straße und Binnenschifffahrt. Diese Teilung besteht natürlich in erster Linie darin, daß die Verkehrsträger ihren besonderen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechend eingesetzt sind, d. h. daß Binnenschiffahrt und Eisenbahn in erster Linie dafür da sind, die Transporte auf langen Strecken und die Transporte der Massengüter zu vollziehen, während andererseits der Straßenverkehr für den Nahverkehr, auch Flächenverkehr genannt, und für den Transport bestimmter besonders hochwertiger Güter in Frage kommt. Zweitens ist ein angemessener Ausgleich zugunsten des Güterkraftverkehrs für die ihm durch die Verkehrsgesetze auferlegten Belastungen zu schaffen, und drittens sind angemessene Beförderungsentgelte für die Verkehrsträger zu sichern, eine Angelegenheit, die erst dann zum vollen Erfolg kommen kann, wenn eine Reihe von uns vorgeschlagener verkehrspolitischer Maßnahmen sich haben durchführen lassen und sich auch auswirken werden.
Dabei ist von folgenden Grundsätzen ausgegangen worden: 1. Das gemeinwirtschaftliche System der Deutschen Bundesbahn ist im wesentlichen beizubehalten. 2. Die Wettbewerbsbedingungen von Schiene und Straße sind so weit wie möglich einander anzugleichen. 3. Ein echter Leistungswettbewerb muß gewährleistet werden. 4. Eine freie Preisbildung auf dem Gebiete des Verkehrs bleibt ausgeschlossen.
Der Bundesrat hat, wie Sie sich erinnern werden, in seiner Sitzung am 7. Mai 1954 etwa die gleichen Ziele aufgestellt.
Ich hatte nun in Aussicht genommen, die tarifpolitischen Maßnahmen im Rahmen der durch die Entwicklung in den letzten Jahren notwendig gewordenen allgemeinen Gütertarifreform zu verwirklichen, und daher hatte ich, wie dem Hohen Hause aus der verkehrspolitischen Debatte in Erinnerung sein dürfte, bereits im April 1954 einen Sachverständigenausschuß für die Neugestaltung des Gütertarifs berufen, der sich aus 29 besonders sachverständigen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr sowie der Länder und der Gewerkschaften zusammensetzt. Er hat den Auftrag, ein möglichst abgestimmtes Gutachten über eine allgemeine Gütertarifreform zu erstatten. Dabei soll das Ihnen bekannte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, der auf meinen Wunsch schon 1952/53 Vorschläge für die Reform des deutschen Eisenbahngütertarifs ausgearbeitet hatte, zur Grundlage genommen und verwertet werden.
Dieser Sachverständigenausschuß glaubte meinem Wunsch, sein Gutachten bis Ende vorigen
Jahres zu erstatten, nicht nachkommen zu können.
Er hat darauf hingewiesen, daß die von ihm zu behandelnde Materie ganz außergewöhnlich schwierig sei und einer sehr eingehenden und langwierigen Prüfung bedürfe. Es ist einzuräumen, daß die
Tarifpolitik ein Gebiet darstellt, das wie kaum
ein anderes der Verkehrs-, aber auch der Wirtschaftspolitik schwer übersehbar und schwer regelbar ist. Dies liegt vor allem daran, daß sie sich auf
die verschiedenen Bereiche des Verkehrs, der Wirtschaft und der Landwirtschaft auswirkt und hier
die Konditionen stark ineinander verflochten sind.
Die Gestaltung der Tarife ist ja nicht nur von ausschlaggebender Bedeutung für die Ertragslage und
Entwicklung g der Verkehrsträger
damit für die Entwicklung der Verkehrsträger
selbst. Sie beeinflußt darüber hinaus wesentlich das Verhältnis der Verkehrsträger untereinander, auch hat sie nicht unerheblichen Einfluß auf die Kostengestaltung in bestimmten Bereichen der Wirtschaft. Dadurch wirkt sie sich insbesondere sehr nachdrücklich auf die Standortbildung der Wirtschaft aus und hat infolgedessen bedeutenden Einfluß auf Wahl der Verkehrsmittel durch die auftraggebende Wirtschaft und damit wieder indirekt auf das Verhältnis der Verkehrsträger zueinander. Die ganzen Komplexe greifen also außerordentlich stark in- und durcheinander.
Die Tarifpolitik steht außerdem — diese Auffassung dürfte Allgemeingut geworden sein — in enger Abhängigkeit von der Gestaltung der allgemeinen Verkehrspolitik. Sie darf also nicht starr sein. Sie befindet sich vielmehr in ständiger Anpassung an die sich wandelnden Verhältnisse. Die Auswirkungen des Verkehrsfinanzgesetzes, die noch bevorstehenden Maßnahmen für die Nutzfahrzeuge und andere verkehrspolitische Maßnahmen von allgemeiner Bedeutung sind also von nachhaltigem Einfluß auf die Entwicklung der Tarifpolitik. Von welcher Bedeutung z. B. die Bestimmungen des Montanvertrages für die tarifpolitische Entwicklung sind, habe ich schon früher wiederholt dargelegt. Ich habe mich aus diesen Gründen damit einverstanden erklären müssen, daß der genannte Ausschuß sein Gutachten erst nach eingehender Prüfung aller Einzelfragen zu einem späteren Zeitpunkt erstattet. Auf meine Bitte hat er jedoch geprüft, ob die Verkehrsgesetze, insbesondere das Verkehrsfinanzgesetz, durch tarifpolitische Sondermaßnahmen ohne Präjudizierung der allgemeinen Gütertarifreform ergänzt werden könnten.
Der Ausschuß hat mir Ende 1954 derartige Sofortmaßnahmen vorgeschlagen. Ziel seiner Vorschläge war vor allem, dazu beizutragen, die Massengüter im Fernverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dazu hatte er vorgeschlagen, daß im Reichskraftwagentarif die Regelklassen F und G sowie alle von diesen Klassen abgeleiteten und darunter liegenden Ausnahmetarife aufgehoben werden sollen. Damit sollte die Entwicklung arteigener Tarife für Schiene und Straße, die wir ja anstreben, eingeleitet und ein der Struktur und
der Leistung dieser Verkehrsträger entsprechendes Tarifgefälle eingeführt werden.
Zu diesen Vorschlägen habe ich dann alle beteiligten Stellen, die Ressorts, die Verkehrsträger, die Länder und die Organisationen der Wirtschaft, gehört. Sie stimmen wenn auch aus verschiedenen Gründen, darin überein, daß diese Vorschläge zur Zeit nicht verwirklicht werden sollen. Der Sachverständigenausschuß hat mich nach Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes ebenfalls gebeten, von einer Verwirklichung seiner Vorschläge zunächst abzusehen. Er hat den Wunsch, sie vor allem auch im Hinblick auf die Bestimmungen des Verkehrsfinanzgesetzes noch einmal zu überprüfen. Ich darf dazu bemerken, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß dieser Sachverständigenausschuß nicht etwa in großen Abständen zusammentritt, sondern daß er jeden Monat zwei ganze Tage für die Beratungen dieser schwierigen Probleme verwendet und daß die Herren Mitglieder sehr erhebliche Opfer an Zeit und Geld bringen.
In diesem Zusammenhang möchte ich dem Hohen Hause mitteilen, daß ich vor einigen Wochen nach Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes den Präsidenten der Zentralarbeitsgemeinschaft des Verkehrsgewerbes, Herrn Geiger, und die leitenden Herren des Güternfern- und Güternahverkehrsgewerbes zu mir gebeten habe. Ichhabe ihnen nahegelegt, mir etwaige tarifpolitische Anträge im Zusammenhang mit dem Verkehrsfinanzgesetz möglichst bald zu übermitteln. Ich habe aber bis heute derartige Anträge nicht erhalten. Wann unter diesen Umständen Maßnahmen zur Neugestaltung der Tarifpolitik getroffen werden können, läßt sich schwer voraussagen.
Der Sachverständigenausschuß für die Neugestaltung der Gütertarife hat trotz der großen Arbeitslast, die auf jedem der beteiligten Herren, insbesondere auch auf seinem Vorsitzenden, Herrn Dr. Beyer, liegt, bereits 12 zweitägige Sitzungen abgehalten. Der Ausschuß hat die Absicht, in gleich intensiver Weise seine Arbeiten fortzusetzen, um mit möglichster Beschleunigung zum Ende zu kommen. Es ist aber aus den dargelegten Gründen verständlich, daß mir der Ausschuß einen bestimmten Zeitpunkt für die Beendigung dieser Arbeiten nicht nennen kann.
— Nein, es wird dauernd daran gearbeitet, Herr Müller-Hermann,
aber es können keine Maßnahmen bekanntgegeben werden, solange wir uns nicht klar sind, was wir mit diesen Maßnahmen an verschiedenen Dingen erreichen.
Bei der allseitig anerkannten schwierigen Lage der Tarifentwicklung — Sie wissen ja, daß Herr Kollege Schmidt einmal die Tarifangelegenheiten mit einem Kunstschach verwechselt hat und gesagt hat, daß er bestenfalls in der Lage sei, obwohl er doch wirklich nun zu den Experten des Hauses gehört, dort als Kiebitz zu wirken — ist es verständlich, daß schon einzelne Tarifmaßnahmen ohne grundsätzliche und allgemeine Bedeutung die verschiedensten Interessen berühren und nur nach eingehender Vorbereitung und Anhörung dieser zahlreichen Stellen entschieden werden können.
Daß das Verfahren bei Tarifmaßnahmen von grundsätzlicher allgemeiner Bedeutung nicht einfach gestaltet sein kann, muß wohl einleuchten. Änderungen des Regeltarifs der Eisenbahn von allgemeiner Bedeutung werden z. B. in folgenden Gremien behandelt: einmal durch die Ständige Tarifkommission der deutschen Eisenbahnen, durch die Organe der Deutschen Bundesbahn, durch den Bundesminister für Verkehr, der dazu die Länderressorts, die beteiligten Wirtschaftskreise und die anderen beteiligten Verkehrsträger zu hören hat. Schließlich sind noch der Preisrat und endlich das Kabinett mit den Tarifmaßnahmen zu befassen, die, soweit es sich um Rechtsverordnungen handelt, der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Ich werde sicherlich den Verkehrsausschuß, wie bisher schon, über alle tarifpolitischen Planungen und Maßnahmen, soweit sie für die Gestaltung des verkehrspolitischen Gesamtprogramms von Bedeutung sind, rechtzeitig unterrichten, damit der Ausschuß auf diese Weise die Möglichkeit hat, sie mit mir und den übrigen Ressorts zu erörtern und so auf die weitere Entwicklung mit einzuwirken.
Das ist zur Frage der Tarifpolitik zu sagen, die ja mit der Frage der Koordinierung in engem Zusammenhang steht. Die Koordinierung läßt sich nur, wie ich schon wiederholt gesagt habe, über eine gesunde Aufgabenteilung erreichen, und sie bedarf natürlich gewisser vorbereitender Maßnahmen auf den verschiedensten Gebieten und einer gewissen Klarheit für die Verkehrsträger, daß sie auch mit diesen Maßnahmen und ihren Auswirkungen zu rechnen haben; denn solange das nicht der Fall ist, werden sie kaum geneigt sein, sich irgendwelchen anderen Maßnahmen zu unterwerfen.
Der Herr Kollege Bleiß hat dann gefragt, ob ich mich wohl mit dem ruinösen Wettbewerb im Güternahverkehr schon beschäftigt hätte. Das ist eine Tatsache, über die wir schon wiederholt gesprochen haben. Sie wissen, Herr Kollege Bleiß, daß ich der Auffassung bin, daß dieses Problem nur dadurch gelöst werden kann auch nur in einer gewissen Annäherung —, daß wir im Güternahverkehr statt der bestehenden Höchstpreise Festpreise einführen. Das aber kann ich leider nicht alleine, sondern ich bedarf dazu auch der Zustimmung des Preisrates und des Herrn Bundesministers für Wirtschaft, der in dieser Frage bisher nicht die gleiche Auffassung wie ich vertreten hat trotz der Bemühungen, die wir in dieser Frage immer wieder unternommen haben. Ich bin also nicht in der Lage, diese Entwicklung etwa von mir aus allein weiter zu beschleunigen. Ich halte es aber für notwendig, daß das kommt, und ich glaube, es wird sich auf die Dauer auch nicht vermeiden lassen.
Herr Kollege Bleiß hat dann auf die Straßen hingewiesen und hat dabei ein Problem angerührt, zu dem ich Stellung nehmen muß, nämlich die Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs des Bundes auf dem Gebiet der Straßen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe schon vor Jahr und Tag das Wort von der Flurbereinigung der Straßen geprägt. Aber die verfassungsmäßige Situation ist so, daß der Bund nur eine sehr beschränkte Zuständigkeit auf dem Gebiet der Straßen hat. Er ist nämlich nur für die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen des Fernverkehrs, insgesamt rund 25 000 km, zuständig und hat keine eigene Verwaltung dieser Straßen, sondern diese Straßen werden im Auftrage des Bundes durch die Länder ver-
Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm)
waltet. Infolgedessen liegt die eigentliche Verwaltungsarbeit auf diesem Gebiet auf der Landesebene. Die Länder haben aber daneben noch für 50 000 km Landstraßen 1. Ordnung zu sorgen, deren Baulast ihnen allein zusteht. Sie haben indirekt für weitere 50 000 km Landstraßen 2. Ordnung zu sorgen, deren Baulast zwar bei den Landkreisen liegt, die aber größtenteils über die Mittelzuweisungen aus dem Haushalt der Länder mit betreut werden müssen. Daneben gibt es dann noch über 70 000 km Straßen, die in den Städten und Gemeinden liegen und als Gemeindewege betrachtet werden. Ich bin mit Herrn Kollegen Bleiß der Meinung, daß ein Straßenbauprogramm, das natürlich all diese Dinge umfaßt, uns erst die Möglichkeit gibt, das Problem ex profundo zu klären. Ich bemühe mich auch darum, diese Möglichkeit zu bekommen. Aber naturgemäß habe ich nicht das Recht, Programme von Ländern, Gemeinden und Kreisen zu fordern, sondern ich kann darum nur bitten. Ich bemühe mich um diese Unterlagen, und wir stehen da in sehr gutem Kontakt mit dem Deutschen Städtetag. Ich glaube, wir werden auf diesem Gebiet voranschreiten.
Die Straßenbauprogramme, die ich entwickelt hatte, waren zunächst auf die eigentlichen Aufgaben des Bundes abgestellt und waren mit Schätzungen hinsichtlich der klassifizierten Straßen ausgestattet. Das ist das Programm, das Sie meinen und über das wir uns noch mit den Ländern weiter sehr intensiv unterhalten. Die Flurbereinigung der Straßen, die auch vom Bundesminister für Verkehr durchaus begrüßt werden würde, weil er dann nach Ihrem Vorschlag in der Lage wäre, mit 50 000 km wenigstens auf etwa ein Viertel des Straßennetzes Einfluß zu nehmen, während er heute nur über ein Fünftel bis ein Sechstel verfügen kann, stößt vor allen Dingen auf die Schwierigkeit, daß die Länder zwar bereit wären, Straßen abzugeben, wir aber nur bereit sein können, diese Straßen zu übernehmen, wenn auch die Länder ihrerseits vorher von den Gemeinden entsprechende Straßen übernommen haben. Dieses Programm muß also bei der Zuständigkeit der Länder einsetzen; denn nur dann, wenn die Länder die Gemeinden und Kreise entsprechend entlastet haben, kann auch der Bund sich bereitfinden, die Länder entsprechend zu entlasten. Hier liegen die Dinge also in der dreifachen Ebene, so daß man dieses Problem nicht so ganz einfach behandeln kann. Es ist ja auch, wie Sie verstehen werden, so, daß eine Reihe der Länder keine große Lust hat, dieses Problem anzugreifen, weil das natürlich gewisse Beschränkungen ihrer Zuständigkeit mit sich bringt.
Ich habe über diese Fragen auf der Tagung der Forschungsgesellschaft für den Straßenbau schon 1953 sehr eingehend gesprochen, und diese Darlegungen sind ja auch im Druck erschienen. Ich darf aber bemerken, daß wir unabhängig davon alles tun werden, um mit unseren Maßnahmen gerade der Entlastung der Gemeinden zu dienen. Bei den Gemeinden bis 9000 Einwohner haben wir nach dem Bundesstraßengesetz die Möglichkeit, diese Dinge restlos auf uns zu übernehmen, während in den Ländern diese Zuständigkeit bei den Landstraßen 1. Ordnung noch bei 6000 Einwohnern liegt. Es wäre sehr zu wünschen, wenn auch die Länder entsprechende Gesetze zur Entlastung der Gemeinden schaffen würden, die ihre Landesstraßen in gleicher Weise behandeln, wie wir es mit dem
Bundesfernstraßengesetz getan haben. Die beste Methode, den Verkehr aus den Orten herauszuholen, ist zweifellos der Ausbau der Autobahn, und die nächstbeste Methode ist die Anlegung von speziellen Ortsumgehungsstraßen. Beides werden wir mit allem Nachdruck betreiben, denn wir wissen, daß sich die Unfälle zu über 80 % in den Ortschaften ereignen und daß wir ,die Engpässe in den Ortschaften nur lockern können, wenn wir von unserem Standpunkt aus den durchlaufenden Verkehr mäglichst den Ortschaften fernhalten. Das soll unser intensivstes Bemühen sein. Gleichzeitig aber müssen wir uns nicht nur weiter bemühen, die Mittel für diese Maßnahmen zu bekommen, sondern wir müssen auch alle Maßnahmen ergreifen, um die Straßenunterhaltungskosten herabzudrücken, ein Problem, über das wir uns ja in der nächsten Zeit im Verkehrsausschuß unterhalten werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte jetzt nur noch einige kurze Bemerkungen zu einigen Anträgen machen, die hier gestellt worden sind. Ich darf Sie bitten, den Antrag des Herrn Dr. Weber auf Umdruck 379 unter allen Umständen anzunehmen, und zwar nicht nur, weil wir diese Frage jetzt besonders deutlich durch das entsetzliche Unglück von Le Mans vorgehalten bekommen haben, sondern es besteht wirklich für die Eifel auch aus anderen Gründen eine Notwendigkeit, daß wir den Nürburgring in einem guten Zustand erhalten. Ich bitte also — damit uns keine Vorwürfe gemacht werden, daß etwas unterlassen eist, was später bei irgendwelchen Prüfungen doch zu Unfällen führt — um die Bewilligung dieser Mittel. In gleicher Weise möchte ich sehr freundlich bitten, uns die Möglichkeit zu geben, den Autobahnstutzen von Montabaur bis zur Straße B 42 zu bauen. Hier ist es wegen des starken Verkehrs aus dem Bimsgebiet und der sehr stark frostgefährdeten Straßen wirklich notwendig, daß dieses Stück hergestellt wird.
Ich bin weiter durch den Antrag des Herrn Kollegen Kärner wegen der Wetterstation in Berlin angesprochen worden. Herr Kollege Ritzel hat dazu Stellung genommen. In dem Gutachten des Rechnungshofes ist diese Frage nicht behandelt. Ich möchte empfehlen, da wir die ganze Frage des Wetterdienstes noch eingehend durcharbeiten, weil uns das Gutachten des Rechnungshofs erst in letzter Zeit zugegangen ist, daß Sie den Antrag des Herrn Kollegen Körner der Bundesregierung als Material überweisen, damit wir den Antrag bei den Beratungen mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesrechnungshof berücksichtigen können.
Zur Frage der Selbstkostenuntersuchungen! Herr Kollege Körner, ich habe auch darüber Material, ich möchte aber die Aufmerksamkeit des Hauses nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Wenn die Mittel, die wir beantragt haben, jetzt bewilligt sind, werden nach einem Stopp von einem Dreivierteljahr, den wir mitnehmen mußten, weil wir keine Mittel dafür im Haushalt hatten, die Arbeiten zügig vorangehen. Alle Vorbereitungen sind getroffen. Ich hoffe auch, daß die bisher etwas widerstrebenden Betriebe des Güterfernverkehrs auf den Straßen, mit denen heute früh verhandelt worden ist. sich dieser Sache anschließen. Dann werden wir das erste Arbeitsergebnis der Treuarbeit in absehbarer Zeit im Verkehrsausschuß
besprechen können. Sie wissen, wie sehr mir an diesen Dingen liegt.
Herr Kollege Brück hat dann die Frage des Flughafens Bonn-Köln angesprochen. Hierzu darf ich ihm sagen, daß wir uns von Anfang an um diesen Flughafen ganz besonders bemüht haben. Die Situation ist aber grundsätzlich so, daß ich dem Hohen Hause sagen möchte — was ich auch schon wiederholt öffentlich betont habe —: Es ist auf die Dauer nicht zu verantworten, daß ein ziviler Flughafen für militärische Einsätze benutzt wird, oder umgekehrt. Um der Sicherheit willen müssen wir eine Trennung zwischen ziviler Benutzung eines Flughafens und militärischer Benutzung eines Flughafens haben. Wir haben uns in der Zeit, die hinter uns liegt, sehr bemüht, die militärische Benutzung des Flughafens Köln-Wahn auszuschalten. Das wäre aber nur möglich gewesen durch die Anlage eines neuen großen Flughafens in einem Kreise auf dem linken Rheinufer, der ohnehin schon sehr stark durch Landabgabe in Mitleidenschaft gezogen ist. Infolgedessen ist die Sache — auch der Kasten wegen — zurückgestellt worden. Wir werden uns in dieser Frage jedoch weiter bemühen, jetzt allerdings in Auseinandersetzung mit unserem verehrten Herrn Kollegen Blank; denn es wird ja darauf ankommen, in welchem Ausmaß er nun ähnliche Momente vortragen zu müssen glaubt, wie sie bezüglich Köln-Wahn bisher von alliierter
Seite vorgetragen wurden. Das hat uns leider gehindert den Zustand zu erreichen. den wir mit Ihnen gemeinsam wirklich mit starkem Willen und allen Kräften anstreben. Dabei darf ich, um auf Herrn Kolleegen Ritzel zurückzukommen. sagen — in diesem Falle kann ich das ruhig sagen —: Zwar kann man auch hier das Lied anstimmen: „Mit unserer Macht ist nichts getan wir sund gar bald verloren". aber in diesem Falle streitet ja mit uns der starke Mann in Gestalt des Herrn Bundeskanzlers.
Das darf ichdankbar feststellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß noch auf zwei Punkte eingehen, die Herr Kollege Drechsel angesprochen hat. Er hat hier von der Festlegung des Standorts im Güternahverkehr gesprochen. Ich habe zu dieser Angelegenheit schon in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Herrn Kollegen Rademacher Stellung genommen. Es handelt sich hier nicht darum, daß der Bundesminister für Verkehr eine Verordnung erlassen kann; er kann sie nur im Einvernehmen mit dem Bundesrat erlassen. Im Einvernehmen mit dem Bundesrat war aber, wie die Vorverhandlungen zeigten, eine solche Verordnung nicht zu erlassen. Die Länder waren nicht bereit, diesen Weg zu gehen; sie haben uns dann den Weg gewiesen, wie er in einer Bestimmung des viel verlästerten Straßenentlastungsgesetzes vorgesehen ist. Wenn wir diese Bestimmung einmal herübernehmen könnten, hätten wir das Problem damit zugleich endgültig erledigt. Andererseits wissen Sie aus den Erfahrungen, daß wir hier nicht eine Maßnahme treffen können, die den Nahverkehrsbereich so ausdehnt, daß schließlich nur noch die Stadt Kassel als Fernverkehrsbereich übrigbleibt.
Das andere ist die Frage des Aushängens der Fahrpläne. Ich darf Ihnen dazu sagen, daß wir Bahn und Post wiederholt gebeten haben, gegenseitig ihre Fahrpläne auszuhängen. Aber was nützt alles Bitten, wenn hinter diesen Bitten nicht auch die Möglichkeit steht, den Willen durchzusetzen; und diese Möglichkeit ist nach dem Bundesbahngesetz ja nicht gegeben.
Sie haben dann weiter die Frage der Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Deutschen Lufthansa angesprochen. Hier darf ich Ihnen sagen, daß wir diesen Aufsichtsrat von vornherein so gestaltet haben, daß er weitgehend auch den Erfordernissen der privaten Wirtschaft entspricht. An der Spitze dieses Aufsichtsrates steht ein Mann der privaten Wirtschaft, nämlich der Bankdirektor Dr. Weigelt, der schon früher in der alten Lufthansa die privaten Kapitalgeber vertreten hat und den ich gerade aus diesem Grunde gebeten habe, uns trotz seines Alters seine Erfahrungen wieder zur Verfügung zu stellen. Wir haben weiter im Aufsichtsrat Direktor Bertram vom Norddeutschen Lloyd als Vertreter der Seeschiffahrt. Sie sprachen die Oberbürgermeister dort an. Herr Klett ist nicht als Oberbürgermeister von Stuttgart in diesem Aufsichtsrat, sondern als Vorsitzender des Verbandes deutscher Verkehrsflughäfen. Das ist wohl auch notwendig. Ebenso wie wir eine gute Verbindung zwischen Lufthansa und Seeschiffahrt durch Herrn Bertram haben und wie wir eine gute Verbindung zwischen Lufthansa und Bundesbahn durch Herrn Frohne haben, so müssen wir auch eine gute Verbindung zwischen Lufthansa und Verkehrsflughäfen haben, eben in Gestalt des Herrn Klett. Das sind also keineswegs irgendwelche staatlichen Funktionäre. Wir bemühen uns ohnehin, uns in dieser Frage Ihrem Standpunkt zu nähern, Herr Dr. Drechsel. Ich habe — aber auch nur in Wahlversammlungen — schon wiederholt gesagt, daß ich der Meinung bin, daß weder Minister — das ist ja auf der Bundesebene glücklicherweise nicht möglich — noch hohe Funktionäre des Staates in Aufsichtsräte gehören, sondern daß man in der freien Wirtschaft genug verantwortungsbewußte und kluge Leute findet, die diese Aufgaben für den Bund ausüben können.
Aber das ist meine persönliche Meinung, und ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich das nur in Wahlversammlungen sagen darf; sonst kommt vielleicht wieder eine Bemerkung von der anderen Seite.
— Nein, verzeihen Sie gütigst, in Niedersachsen konnte man das bis zur letzten Wahl nicht sagen.
Zum Schluß kommt dann noch die Frage der Seeschiffahrt: Gott sei Dank nicht mehr unser Sorgenkind, Gott sei Dank eine Angelegenheit, die sich dank intensiver Bemühungen recht erfreulich - ich glaube, zu unser aller Freude — entwickelt hat, etwas, was wir sicherlich auch in einigen Jahren von der Lufthansa werden sagen können. Ich bin davon überzeugt und habe auch Vertrauen zu den Männern, die hier wie in der Seeschiffahrt die Aufgabe erfüllen, den Auslandsverkehr für unser Volk aufzubauen. Ich bin aber mit Ihnen der Meinung, daß wir noch für eine gewisse Zeit den weiteren Aufbau der Seeschiffahrt von uns aus zu betreuen haben, und zwar durch Fortsetzen der Maßnahmen über Zinsverbilligung, über Bundesbürgschaften, über Wiederaufbaudarlehen, natürlich in einem allmählich abnehmenden Ausmaß,
damit sich dort die Kräfte, die wir berufen haben bewähren und sich auch weiter selbst bewähren können.
Zu der Frage der Passagierschiffahrt, die von Herrn Müller-Hermann auch noch angeschnitten worden ist, darf ich bemerken, daß ich ja sehr angegriffen worden bin, weil ich mich in dieser Frage positiv geäußert habe. Allerdings habe ich diesen Anruf an die Reeder gerichtet, damit sie sich dieses Problem möglichst in dieser Legislaturperiode überlegen sollen. Denn es wird einmal der Zeitpunkt kommen, wo wir sagen können: Wir brauchen von der öffentlichen Hand aus nichts mehr zur Lösung dieses Problems beizutragen. Wenn wir aber auch noch in der letzten Phase Unterstützungen geben wollen, dann müßte die Frage eines Wiederaufbaus der Passagierschiffahrt jetzt behandelt werden, damit diese Unterstützung auch noch von uns zur Verfügung gestellt werden kann. Es ist ganz eindeutig, daß man eine Passagierschiffahrt — das ist in allen Ländern so — ohne eine vernünftige Kreditgewährung nicht aufbauen kann. In den anderen Ländern wird unter dem Mittel der Kreditgewährung vielfach eine Subvention verstanden. Das möchten wir nicht; denn wir möchten nach Möglichkeit auch im Verkehr erreichen, daß wir ohne Subventionen auskommen und daß wir uns auch wirtschaftlich gesunder Verkehrsträger erfreuen können. Diesem Ziel dient die Arbeit aller meiner Mitarbeiter, die ich in gleicher Weise für ihren Fleiß und ihre ständige Einsatzbereitschaft loben möchte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur mit wenigen Sätzen zu den Anträgen auf den Umdrucken 403 und 428 Stellung nehmen. Ziffer 1 des Umdrucks 403 betrifft die Frage einer Abgeltung betriebsfremder Lasten. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat sich über das Wetzler-Gutachten und darüber, daß dieses Gutachten Gegenstand einer Stellungnahme der Bundesregierung werden wird, die spätestens im Jahre 1956 vorgelegt werden soll, bereits ausführlich geäußert. Ich darf darauf Bezug nehmen und feststellen, daß gerade unter diesem Gesichtspunkt dieses Wetzler-Gutachten heute eine Grundlage für irgendeine entscheidende Stelle im Haushalt noch nicht sein kann.
Ich möchte außerdem bemerken — unter Hinweis darauf, was in der Diskussion auch erwähnt wurde —, daß dem besonderen gemeinwirtschaftlichen Charakter der Bundesbahn auch gewisse Vorteile gegenüberstehen — siehe Lastenausgleich, siehe Steuern etc. —, die hier auch abgewogen werden müssen. Der entscheidende Gesichtspunkt kann aber immer nur der sein, daß die Sanierung der Bundesbahn aus dem Geld der Steuerzahler durchzuführen ist. Diese Sanierung der Bundesbahn hat sich nach dem Bedarf zu richten. Es darf vom Standpunkt der Bundesbahn aus keine obere Grenze bei dem Begriff „betriebsfremde Lasten" geben, und der Begriff „betriebsfremde Lasten" kann auch für den Steuerzahler keine Grenze nach unten sein. Die Sanierung ist durchzuführen nach dem Bedarf; denn ich kann dem Steuerzahler nur zumuten, die Bundesbahn nach Bedarf für die allgemeine Volkswirtschaft zu erhalten.
Ich darf in diesem Zusammenhang doch darauf hinweisen, was schon der Bundeshaushalt heuer enthält. Es sind — allein im Bundeshaushalt — im ganzen 728 Millionen DM. Eine sehr erkleckliche Zahl! Das sind die 280 Millionen DM Beförderungsteuer, das sind die 200 Millionen DM Zuschuß, das sind 100 Millionen DM Investitionshilfe, und das sind 148 Millionen DM aus dem Verkehrsfinanzgesetz.
Damit darf ich gleich zu Ziffer 3 des Antrags auf Umdruck 403 übergehen. Es wird hier im außerordentlichen Haushalt ein neuer Ansatz von 100 Millionen DM gefordert. Ich verweise dazu erstens auf die Gesamtleistung von 728 Millionen DM und verweise darauf, daß das Verkehrsfinanzgesetz eine Kreditunterlage in Höhe von ungefähr 650 Millionen DM für die Deutsche Bundesbahn gibt. Insgesamt darf das, was aus ordentlichen Mitteln als Kreditunterlage zur Verfügung gestellt wird, auf 850 Millionen DM berechnet werden, eine Summe, die ausreicht.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß wir den Antrag unter Ziffer 2 dieses Umdrucks vielleicht deshalb erhalten haben, weil nicht überlegt worden ist, was eigentlich für die Beseitigung der Frostschäden im Haushalt selbst schon enthalten ist. Wir können rechnen, daß jetzt schon aus dem Haushalt 42 Millionen DM für die Beseitigung der Frostschäden zur Verfügung stehen: 6 Millionen DM aus dem Kapitel ,,Unterhalt", 20 Millionen DM aus dem Kap. 12 10, Tit. 750; ferner können weitere 16,2 Millionen DM aus dem letzteren Titel noch gewonnen werden. Ich glaube, daß damit der Bedarf eben-fails gedeckt ist.
Ein letztes Wort zu dem Antrag auf Umdruck 428. Herr Kollege Müller-Hermann, ich glaube, der Antrag auf Umdruck 428 ist überflüssig. Die nicht bundeseigenen Eisenbahnen wollen jetzt die Möglichkeit haben, bereits Aufträge für Maschinen bestimmter Art zu geben, von denen sie selbst wissen, daß sie in diesem Jahre schon aus technischen Gründen nicht mehr geliefert werden können. Es geht ihnen darum, daß sie bereits jetzt die Vorfinanzierung gesichert wissen wollen, um daraufhin die Aufträge erteilen zu können. Ich glaube, es würde den nicht bundeseigenen Eisenbahnen eine Erklärung genügen, die abzugeben ich bereit bin und die ich hiermit abgebe, daß sie mit dem geforderten Betrag in Höhe von 4 Millionen DM im nächsten Haushaltsjahr ganz bestimmt rechnen und darauf bereits heute ihre Auftragsfinanzierung abstellen können.
Ich möchte aber nicht befürworten, die Deckung immer darin zu suchen, daß man einen Einnahmeposten einfach höher schätzt. Herr Kollege MüllerHermann, ich kann Ihnen nicht zustimmen, daß eine Grundlage dafür gegeben sei, den Einnahmeposten in Einzelplan 60 Kap. 60 01 einfach um den gewünschten Betrag zu erhöhen.
Das Prinzip der Deckung muß innerlich wahr gehalten werden. Ich muß Ihre Einwendungen bezüglich der 38 Millionen DM, id est 2 Monate
Ausfall an erhöhter Mineralölsteuer, als nichtig betrachten. Wir müssen damit rechnen, daß die Mineralölgesellschaften von ihren Zahlungsfristen
Gebrauch machen und die Summe infolgedessen heuer nicht zur Verfügung steht. Ich muß deshalb bitten, die Anträge auf den Umdrucken 403 und 428 nicht anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung zu Einzelplan 12.
Ich komme zur Abstimmung. Ich werde zuerst über sämtliche Änderungsanträge, und zwar in der sachlichen Reihenfolge, abstimmen lassen, wie sich das aus der Logik und dem Sachzusammenhang ergibt. Ich rufe auf den Änderungsantrag auf Umdruck 428 unter der Ziffer 1.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Abstimmung eintreten, verlese ich dem Hohen Hause drei Artikel des Verkehrsfinanzgesetzes, ohne weiter dazu Stellung zu nehmen. Das Verkehrsfinanzgesetz haben wir im März dieses Jahres verabschiedet. Im Art. 2 des Abschnittes IV heißt es:
Der Bund hat der Gesellschaft
— für Autobahnfinanzierung —
aus dem ihm zufließenden Aufkommen aus diesem Gesetz — vorbehaltlich einer Minderung nach Abschnitt VI dieses Gesetzes — einen jährlichen Zuschuß von einhundertzwanzig Millionen Deutsche Mark zu leisten.
Eingeplant im Haushalt sind 118 Millionen DM. Im Art. 2 des Abschnittes V heißt es:
Der Bund hat der Gesellschaft
— der Gesellschaft für Bundesbahnfinanzierungen —
aus dem ihm zufließenden Aufkommen aus diesem Gesetz in Ausführung des § 4 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 — vorbehaltlich einer Minderung nach Abschnitt VI dieses Gesetzes — einen jährlichen Finanzierungsbeitrag von einhundertfünfzig Millionen Deutsche Mark zu leisten.
Eingeplant im Haushalt sind 148 Millionen DM. In Art. 1 des Abschnitts VI heißt es:
Die Bundesregierung wird ermächtigt, während der zehn auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Rechnungsjahre durch die Bundesminister für Verkehr und der Finanzen nichtbundeseigenen Eisenbahnen darlehnsweise jährliche Finanzierungshilfen bis zur Höhe von zehn Millionen Deutsche Mark zu gewähren.
Das heißt, auf Grund dieser Position können die beiden anderen Positionen entsprechend gesenkt werden. Ich habe Weiteres nicht hinzuzufügen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme jetzt zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf
Umdruck 428 *) Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Umdruck 428 Ziffer 2 und mache darauf aufmerksam, daß, wenn der Antrag angenommen wird, gleichzeitig auch bezüglich des Einzelplans 60, der noch nicht behandelt ist, schon ein bindender Beschluß vorliegt. Ich hielt mich für verpflichtet, darauf hinzuweisen. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 428 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Umdruck 429 in Verbindung mit Umdruck 403 Ziffer 1. Diese Änderungsanträge decken sich teilweise; der eine geht etwas weiter als der andere, aber sachlich ist es dasselbe. Wer diesen beiden Änderungsanträgen auf Umdruck 429 und auf Umdruck 403 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Ja, ich bitte, genau zuzuhören, Herr Müller-Hermann. Der Änderungsantrag auf Umdruck 403 Ziffer 1 lautet:
Kap. 12 02 Tit. 531 erhält folgende Zweckbestimmung:
Zuschuß an die Deutsche Bundesbahn zur teilweisen Abgeltung betriebsfremder Lasten
Nicht mehr! Der Änderungsantrag auf Umdruck 429 lautet im ersten Teil:
In Kap. 12 02 wird Tit. 531 wie folgt gefaßt:
Tit. 531 teilweise Abnahme der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn
200 000 000 DM
— Abgeordneter Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich darauf aufmerksam machen, daß der Antrag auf Umdruck 429 durch die Erläuterung wesentlich eingeschränkt wird, daß also unser Antrag auf Umdruck 403**) Ziffer 1 der weitergehende ist. Ich würde Sie bitten, erst über unseren Antrag abstimmen zu lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gut! — Das Haus ist der gleichen Auffassung. Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahre ich so.
Zur Abstimmung kommt der Antrag auf Umdruck 403 Ziffer 1 als der weitergehende. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 403 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Abänderungsantrag auf Umdruck 403 Ziffer 1 ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 5.
Ich lasse nunmehr über den Antrag Umdruck 429 *) abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr die Anträge Umdruck 387 **) und Umdruck 412 ***) auf. Diese sind aber, soweit ich das in der knappen Zeit hier prüfen konnte, wirklich identisch. Wer diesen beiden Änderungsanträgen — Umdrucke 387 und 412, die inhaltlich identisch sind — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich muß wiederholen. Ich bitte die Damen und Herren, die den beiden aufgerufenen Änderungsanträgen zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das Präsidium ist sich nicht einig; wir müssen auszählen. Ich bitte, den Saal zu verlassen. Wir stimmen ab über die Anträge Umdrucke 412 und 387.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 202 Abgeordnete, mit Nein 128, enthalten hat sich niemand. Damit sind die Änderungsanträge auf den Umdrucken 387 und 412, die inhaltsgleich sind, angenommen.
Ich rufe nunmehr den Umdruck 379****) auf. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. —
— Meine Damen und Herren, allein kann ich ja nicht die Abstimmung durchführen; das muß schon das Haus tun. Ich habe den Änderungsantrag Umdruck 379 aufgerufen. Es handelt sich um den Antrag, den Nürburgring besser zu sichern. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 403 Ziffer 2. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmher auf den Änderungsantrag Umdruck 388 .*****) Der Antrag liegt Ihnen vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 427.******) Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
*) Siehe Anlage 9.
**) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 6. ****) Siehe Anlage 2.
*****) Siehe Anlage 4.
******) Siehe Anlage 7.
Schließlich rufe ich noch auf den Änderungsantrag Umdruck 403 Ziffer 3. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wer nunmehr dem Ausschußantrag im Ausschußbericht auf Drucksache 1512 in der Form zuzustimmen wünscht, die er durch die soeben angenommenen Änderungsanträge erhalten hat, im übrigen nach Vorschlag des Ausschusses, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen. Damit ist der Einzelplan 12 in der zweiten Beratung verabschiedet.
Ich rufe erneut auf
Einzelplan 13 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen .
Wir fahren da fort, wo die Beratung unterbrochen worden war. Ich erteile das Wort zur Fortsetzung seiner Rede, die er in der vorigen Sitzung unterbrechen mußte, dem Abgeordneten Diekmann.
Meine Damen und Herren, ich darf eine Bitte Wir wollen die zweite Beratung des
aussprechen. Wir wollen die zwei Beratung des
Haushaltsplans nach Möglichkeit bis heute abend 21 Uhr beenden. Deshalb bitte ich alle Sprecher, ihre Gedankengänge etwas zu straffen und sie hier zusammengefaßt vorzutragen; denn sonst ist das nicht möglich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten ist es mir gestattet, meine Rede von Donnerstag fortzuführen. Ich hatte mir erlaubt, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß der Bundesrechnungshof zur Zeit eine Wirtschaftlichkeits- und Dienststellenprüfung beim Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen vornimmt Ich hatte den Punkt Dienststellenprüfung bereits abgeschlossen und komme nunmehr auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu sprechen.
Welche Aufgaben dem Bundesrechnungshof in dieser Hinsicht gestellt worden sind, ist nicht bekannt. Es wäre' für uns sehr interessant, wenn der Herr Bundespostminister oder — in seiner Vertretung — der Herr Staatssekretär darauf einginge und uns darlegte, welche Aufgaben damit gemeint sind. Es wäre interessant zu wissen, ob der Bundesrechnungshof die Verwaltung in dieser Hinsicht zu prüfen oder Vorschläge in der Betriebsführung zu machen hat.
Vielleicht darf ich ein paar konkrete Fragen stellen, die diesen Komplex umfassen. Erstens: Welche Aufgabe ist dem Bundesrechnungshof überhaupt gestellt worden? Zweitens: Seit wann wird geprüft, und wie lange wird die Prüfung voraussichtlich noch dauern? Der Bundesrechnungshof ist im Ministerium für Post- und Fernmeldewesen schon seit etwa zwei Jahren tätig und wird, wie geflüstert wird, unter Umständen noch zwei weitere Jahre zu prüfen haben. Drittens: Wie groß ist die Anzahl der Prüfer und wieviel Bedienstete des Bundespostministeriums werden dabei in Anspruch genommen? Denn es ist gesagt worden, daß sich hervorragende Techniker, die im Postministerium selbst gebraucht werden, für diesen Zweck zur Verfügung stellen müssen. Wir hätten viertens gern gewußt, welche Ergebnisse bisher vorliegen — der Kostenaufwand wäre nicht uninteressant — und
wieviel die Prüfung an Kosten noch erfordern wird. Damit möchte ich die Frage der Rationalisierung abgeschlossen haben.
Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß das Bundespostministerium gemeinwirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen hat, d. h. daß volkswirtschaftliche Verpflichtungen betriebswirtschaftlichen Zweckmäßigkeiten gegenüberstehen. Es wird aber nicht immer möglich sein, alle Betriebe, die der Post bzw. der Volkswirtschaft dienen, auf die Gewinnlinie zu bringen.
Nun sei es mir erlaubt, noch auf zwei weitere Fragen einzugehen, und zwar auf die Konsolidierung der Kapitalverhältnisse bei der Bundespost und nicht zuletzt auf die Investierungsaufgaben. Dem Aktivvermögen von etwa 4,3 Milliarden stehen ein Eigenkapital von etwa 2 Milliarden und ein Fremdkapital von 2,3 bis 2,4 Milliarden gegenüber. Es kommt hier vor allen Dingen auf die Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital an. Diese Relation ist ungefähr 45,2 % Eigenkapital und 54,8 % Fremdkapital. Ich weiß, daß damit die klassischen Regeln hinsichtlich des Eigen- und Fremdkapitals gegenüber dem Aktivvermögen durchaus durchlöchert sind. Ich halte die Tatsache noch gar nicht mal für besorgniserregend, daß das kurzfristige Kapital immerhin erheblich ist und daß aus diesem Grunde eine gewisse Konsolidierung der Kapitalverhältnisse durchgeführt werden muß.
Dem Bundeskabinett hat diese Frage auch zur Entscheidung vorgelegen. 250 Millionen DM sollten als Konsolidierungskapital vom Kapitalmarkt angefordert werden. Das Bundeskabinett hat sich, soviel ich weiß, für nur 100 Millionen DM entschieden, weil es der Meinung ist, der Kapitalmarkt dürfe durch die öffentliche Hand nicht zu sehr in Anspruch genommen werden. Meine Damen und Herren, wenn damit die Liquidität bei der Bundespost gefährdet sein sollte, bin ich immerhin der Meinung, daß diese Beschlußfassung nicht ganz richtig ist. Ich wäre dem Herrn Staatssekretär dankbar, wenn er uns auf diese Frage eine Antwort gäbe. Nach meiner Ansicht sollte sich der Bundestag doch für die Auffassung der Bundespost entscheiden; denn letzten Endes dient die gesamte Post der Öffentlichkeit, der deutschen Volkswirtschaft.
Ich darf jetzt dazu übergehen, etwas über die Investierungen bei der Bundespost zu sagen. Ich verrate hier sicherlich kein Geheimnis, wenn ich erkläre, daß noch ein sehr großer Nachholbedarf bei der Bundespost vorhanden ist, obgleich sich das Ministerium — das muß ich hier wirklich aus Überzeugung sagen — hinsichtlich des Nachholbedarfs die allererdenklichste Mühe gegeben hat, die deutsche Volkswirtschaft zufriedenzustellen. Bei dieser Gelegenheit muß durchaus anerkannt werden, daß man sich vom höchsten Beamten bis zum Hilfsbeamten und Hilfsarbeiter wirklich in den Dienst der Allgemeinheit gestellt hat. Ich bin bereit, anzuerkennen, daß die Bundespost hier tatsächlich Hervorragendes geleistet hat. Hierbei sollen die beiden Herren Minister, die bisher amtiert haben, und ihre Staatssekretäre einbezogen werden.
Ich sagte schon, daß ein sehr starker Nachholbedarf vorhanden ist. Dies ist insbesondere beim Fernmeldewesen der Fall. Die Automatisierung ist ohne Zweifel sehr intensiv vorangetrieben worden, und es ist ein erfreuliches Ergebnis, daß die Bundespost es bis jetzt fertiggebracht hat, in den
Selbstwählferndienst ungefähr 50 % aller Großstädte einzubeziehen. In absehbarer Zeit soll die Einführung des Selbstwählferndienstes total abgeschlossen sein. Ich bitte auch hier um eine Zeitangabe. Es ist unbedingt erforderlich, daß der Selbstwählferndienst bald in seiner Gesamtheit aufgebaut ist; denn es gibt in Westeuropa immerhin Staaten, die den vollständigen Selbstwählferndienst bereits durchgeführt haben — ich darf in diesem Zusammenhang Dänemark, Schweden und England nennen —, die auf diesem Gebiete sehr fortschrittlich sind. Aber man darf bei all diesen Betrachtungen und bei der Kritik nicht vergessen, daß die Bundespost einen Nachholbedarf gehabt hat, der sich aus den ungeheuren Kriegszerstörunden ergeben hat.
Nun, ich sagte, es ist erfreulich, daß auf dem Gebiete des Selbstwählferndienstes schon sehr viel geleistet worden ist. Aber wir dürfen dabei nicht übersehen, daß noch andere Dinge nachgeholt werden müssen. Es ist der Öffentlichkeit nicht unbekannt, daß es Zehntausende von Antragstellern im Bundesgebiet gibt, die gern einen Telefonanschluß hätten und sich der Vorteile, die sich aus dem Selbstwählferndienst ergeben, bedienen möchten. Ich weiß wohl, daß der Post die Größenordnung, um die es hier geht, in etwa bekannt ist. Ich weiß aber auch, daß Zehntausende bisher keinen Antrag gestellt haben, weil sie absolut resignieren, weil sie von vornherein wissen, daß sie im Augenblick von der Post gar nicht bedient werden können. In dieser Hinsicht ist also auch noch ein beachtlicher Bedarf vorhanden, der baldmöglichst gedeckt werden muß. Die Investitionen, die vorgenommen werden sollen, müssen unbedingt auch diesen Bedarf berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen ein paar Zahlen nennen. Ich will nicht alle Aufzeichnungen, die im Verlauf des letzten Jahres in der Presse bekanntgegeben worden sind, vortragen. Jedoch will ich auf einige wenige Vergleichszahlen aufmerksam machen. Auf 100 Einwohner entfallen an Sprechstellen in Westdeutschland etwa 6,6, in Belgien 8,8, in Dänemark 18,8, in Großbritannien 12,1, in Norwegen 16,2, in Schweden 26,4 und in den USA sogar 31. Aus dieser Gegenüberstellung ersehen Sie, daß das Bundesgebiet noch sehr rückständig ist, daß Westdeutschland leider an letzter Stelle steht. Wenn dann noch die Nebenstellen abgezogen werden, wird die Relation, von der ich eben gesprochen habe, für Westdeutschland noch wesentlich ungünstiger. Hier muß also noch Erhebliches getan werden. Wenn die Bundespost die Absicht hat, in diesem Jahre erhebliche Investitionen zu machen, dann nicht nur im Selbstwählferndienst, sondern auch in der Schaffung weiterer Sprechstellen und der Beschaffung der dazu benötigten Kabelverbindungen.
Wenn ich recht orientiert bin, ist für das Jahr 1955 ein Investitionskapital in Höhe von etwa 1 080 000 000 Mark vorgesehen. Wenn die Restbestände des vorigen Jahres noch hinzugerechnet werden, mögen es etwa 1 500 000 000 Mark sein, die investiert werden sollen. Der Geldbedarf wird — ich mag nachher verbessert werden — etwa 1 Milliarde Mark betragen. Ein beträchtlicher Teil dieses Kapitalbedarfs soll durch Eigenkapital gedeckt werden, das übrige durch Fremdkapital.
Nunmehr komme ich wieder auf die 250 Millionen Mark zu sprechen, die ich vorhin bei der
Konsolidierung der Kapitalverhältnisse der Bundespost erwähnt habe. Ich möchte nun ganz konkret die Frage stellen, ob dadurch, daß das Kabinett nur 100 Millionen Mark bewilligt hat, die Investition in ihrer Gesamtheit etwa gefährdet ist. Das wäre außerordentlich bedauerlich. Wenn das der Fall sein sollte, würde sich der Bundestag noch auf Grund eines besonderen Antrags speziell mit dieser Frage zu beschäftigen haben.
Damit möchte ich das abschließen, was ich zum Post- und Fernmeldewesen zu sagen habe. Ich glaube doch wenigstens einige wichtige Probleme angeschnitten zu haben. Mir schien es wichtig zu sein, auch diffizile Dinge anzusprechen, damit wir von zuständiger Seite sofort Aufklärung über diese Fragen bekommen. Vergessen wir nicht, meine Damen und Herren, daß Investitionen notwendig sind, daß aber notwendiges Kapital vom Kapitalmarkt geholt werden muß. Denn wir müssen es uns ein für allemal verbeten haben, daß die Investierungen in Zukunft über den Preis gehen. Wir haben im vorigen Jahre eine Gebührenerhöhung gehabt. Wir dürfen uns keine weitere mehr leisten. Damit wird die Öffentlichkeit, wird die deutsche Volkswirtschaft nicht einverstanden sein. Ich glaube, es war durchaus zweckmäßig, daß einige Probleme der Bundespost angesprochen wurden. Das liegt durchaus im Interesse dieses Hauses und des Bundespostministeriums; des Hauses deshalb, weil wir uns zuweilen orientieren lassen müssen, der Bundespost deshalb, weil sie durch den Bundestag gegebenenfalls die entsprechende Unterstützung bekommen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Diekmann hat hier verschiedene Probleme angesprochen, wie er sich richtig ausgedrückt hat, die tatsächlich die Öffentlichkeit weitgehend bewegt und auch uns stark beschäftigt haben. Er hat sich darauf beschränkt, diese Probleme anzusprechen. Dieser Sachverhalt beinhaltet, daß er von einer kritischen Stellungnahme abgesehen hat. Das halte ich immerhin für eine bemerkenswerte Tatsache. Ich kann mich in weitem Umfang seinen Ausführungen anschließen. In erster Linie hat es mich wirklich gefreut, auch von ihm zu hören, daß er keinesfalls wünscht, daß weitere Investitionen etwa über den Preis, also in diesem Fall über Gebühren, vorgenommen werden. Es ist sehr erfreulich, daß wir hier zu einer einmütigen Stellungnahme kommen können.
Nun, Herr Kollege Diekmann, Sie haben außerdem schon letzthin, am Donnerstag, gesagt, daß das Wort „Rationalisierung" eine magische Kraft besitze. Ich glaube, daß die Rationalisierung nicht eine magische Kraft, sondern ein sehr realer Faktor ist. Von diesem Standpunkt aus haben wir vor einigen Monaten die ebenfalls von Ihnen in Ihrer Rede angeführte Kleine Anfrage an das Bundespostministerium gestellt, in der wir um Aufklärung baten, welche Maßnahmen in Aussicht gestellt werden, um möglichst die vorgenommene Gebührenerhöhung in einem gewissen Umfang rückgängig zu machen. Nun, diese Anfrage hat ihre Beantwortung gefunden, und Sie, Herr Kollege Diekmann, haben uns in Aussicht gestellt, daß Sie auf die zehn Punkte, die die Antwort auf diese Anfrage füllten, noch einmal zurückkommen werden. Ich möchte es mir deshalb versagen, auf diesen Fragenkomplex hier einzugehen, obwohl ich es für sehr wichtig halte, darauf zurückzukommen. Auch insofern befinde ich mich mit Ihnen absolut in Übereinstimmung.
Ich möchte aber bemerken, daß wir zu der Frage der Rationalisierung von dieser Stelle aus bereits anläßlich der vorjährigen Etatsdebatte sehr konkrete Vorschläge gemacht haben. Diese Vorschläge waren nicht als Feuilleton zum Haushalt gedacht, das man an sich vorbeigehen lassen kann oder aufnehmen soll, sondern sie waren tatsächlich als verwendbare Vorschläge gedacht, die um Ihre Aufmerksamkeit gebeten haben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist sehr wichtig, daß sich das Bundespostministerium sehr bald mit Rationalisierungsmaßnahmen beschäftigt, die nicht nur, wie in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, die mein Kollege Atzenroth seinerzeit initiiert hatte, zum Ausdruck gekommen war, technische Rationalisierungen vorsehen, sondern auch eine Verwaltungsvereinfachung in Betracht ziehen. Wir halten eine solche Verwaltungsvereinfachung erstens einmal für möglich, und dafür haben wir Vorschläge gebracht. Wir halten sie aber auch für nötig; denn wir sehen den Zeitpunkt kommen, in dem es für die Postverwaltung außerordentlich schwierig sein wird, noch das Personal zu bekommen, das sie für den ständig wachsenden Betriebsumfang nötig hat. Deshalb haben wir einige Vorschläge gemacht. Ich möchte hier nur stichwortartig darauf zurückkommen.
Ich bitte, sich doch wirklich einmal zu überlegen, ob die bisherige Verwaltungsstruktur nicht einer Änderung unterzogen werden kann. Ich meine damit, daß man darangehen sollte, Kompetenzentflechtungen vorzunehmen. Es ist doch heutzutage so, daß die Dreistufengliederung Ministerium, Mittelbehörden und Verkehrsämter gar nicht mehr in der Form wirksam ist, sondern daß daneben die beiden technischen Zentralämter, das Posttechnische und in erster Linie das Fernmeldetechnische Zentralamt, die Verwaltungsleitung ausschlaggebend bestimmen. Daraus ergibt sich aber, daß die Mittelbehörden ihre bisherigen Kompetenzen natürlich nicht ohne weiteres aufzugeben bereit sind. Dieser Ehrgeiz bringt, wie ich schon vor einem Jahr gesagt habe, zum Teil Laufwerke mit in Gang, die an sich keine Funktion ausüben. Wir können keine Prestigekompetenzen gebrauchen, sondern wir müssen uns zu einer sinnvollen Aufgabenteilung in dem Verwaltungsbetrieb aufraffen. Das ist auch möglich, wenn Sie zunächst einmal die Oberpostdirektionen von den Aufgaben entlasten, die sie im Laufe der Zeit übernommen haben, und wenn sie sich auf ihre ureigenen Aufgaben beschränken, als da sind: Herausgabe von Richtlinien, Aufsichtsfunktionen und dann auch allenfalls noch Bearbeitung von Personalangelegenheiten; sie sollten aber von Einzelentscheidungen entlastet werden. Diese Notwendigkeit bedingt natürlich, daß Sie den Verkehrsämtern eine größere Eigenverantwortlichkeit zumessen. Das sollte auch aus anderen Gründen geschehen, denn auch dadurch kommen wir zu einer Kompetenzentflechtung. Es ist nötig, den beiden Zentralämtern eine Stellung einzuräumen, die sie etwa in die Funktion einer Betriebsleitung versetzt. Ich bitte sehr darum, sich doch einmal darüber Gedanken zu machen.
Nun noch kurz folgendes. Es ist ja bekannt, daß ein großer Teil der Investitionsmittel für die technische Rationalisierung, und zwar sind es rund 75 %, dem Fernmeldewesen zufließen. Das ist durchaus verständlich und entspricht dem bisherigen Entwicklungsgang. Ich glaube allerdings, daß wir jetzt an die Aufgabe herangehen müssen, die Technik weit mehr als bisher auch dem Postbetrieb zugute kommen zu lassen. Wir arbeiten da z. B. doch noch mit Einrichtungen, mit denen man wirklich schon vor hundert Jahren gearbeitet hat. Ich nenne hier nur das Verteilspind, das jedem Fachmann ein Begriff ist. Eine solche Intensivierung beim Einbau der Technik in den Postbetrieb würde, glaube ich, auch unserer Industrie außerordentliche Möglichkeiten eröffnen. Ich glaube das deshalb, weil ich selber vor rund dreißig Jahren erlebt habe, welchen Impuls unsere Fernmeldeindustrie durch die damals vorgenommene technische Intensivierung des Fernmeldebetriebs erhalten hat.
Nun zum Schluß, Herr Kollege Diekmann, bin ich noch an eine Überlegung herangeführt worden, die mir neulich schon gekommen ist, als hier über die Postgebühren im Verkehr mit dem Saargebiet gesprochen wurde. Alle die Probleme, die Sie angeschnitten haben, die wirklich eine Beachtung verdient haben, hätten doch zweifellos im Verwaltungsrat schon irgendwie gelöst werden können. Man muß sich fragen, weshalb das nicht geschehen ist. Die Frage habe ich bereits gestellt, als ich eben das Gebührenproblem im Verkehr mit dem Saargebiet behandelt habe. Es scheint mir doch so, als habe sich die Schlüsselung, also die Zusammensetzung des Verwaltungsrats, die durch das Postverwaltungsgesetz gekommen ist, für die Erledigung der Aufgaben, die diesem Gremium gestellt sind, nicht als förderlich erwiesen. Ich darf darauf hinweisen, daß der Verwaltungsrat, der nach dem Reichspostfinanzgesetz in der Weimarer Zeit tätig war, in seiner Mehrheit Mitglieder der beiden Parlamente, also des Reichstags und des Reichsrats, hatte. Dieses Prinzip ist hier aufgegeben worden, und diese beiden parlamentarischen Gremien befinden sich nun in einer Minderheit, die zum größten Teil zugunsten der Vertreter der Gewerkschaft bzw. des Personals entstanden ist. Ich sage das deshalb, weil der Herr Minister vor längerer Zeit schon einmal auf die Frage einer Novelle eingegangen ist und sich wohl selber mit dem Gedanken trägt, hier — nicht in dieser speziellen Frage, aber allgemein — Änderungen zu schaffen. Man sollte dann diese spezielle Frage auch nicht vergessen! Ich glaube, es ist ganz verkehrt, bei der Entsendung der Mitglieder des Bundestages in den Verwaltungsrat nun auch noch nach dem d'Hondtschen System zu verfahren, was dazu führt und geführt hat, daß im Verwaltungsrat nur die beiden großen Parteien dieses Hauses vertreten sind, während es doch zweifelsfrei Sinn der Entsendung von Vertretern des Bundestages sein sollte, einen Querschnitt der Grundauffassungen des gesamten Hauses zu bekommen. Danach sollten wirklich sämtliche Parteien in diesen Verwaltungsrat Vertreter entsenden.
Das ist nun nicht geschehen. Es geht hier nicht um Mehrheiten, Herr Kollege Sabel.
— So, ich dachte nur; entschuldigen Sie.
— Schauen Sie, darum geht es eben nicht. Sie müssen auch einer kleinen Fraktion schon einmal zugestehen, daß sie einen ordentlichen Gedanken hat, sonst könnte sie auf die Mitarbeit verzichten. Deshalb meine ich nur, es sollte hier doch wirklich mal überlegt werden, ob nicht auch in dieser Frage eine andere Regelung der Erledigung der Aufgaben zweckmäßiger wäre.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Gladenbeck.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Diekmann hat in seinen Ausführungen am vergangenen Donnerstag eine ganze Reihe von Fragen zur Kritik gestellt. Ich möchte zu dieser sachlichen Kritik doch Stellung nehmen. Besonders dankbar begrüße ich es, daß der Herr Kollege Diekmann im letzten Teil seiner Ausführungen auch Worte der Anerkennung für die Arbeiten des Bundespostministeriums gefunden hat.
Das Jahr 1953 schloß in der Ertragsrechnung mit einem Verlust von 220 Millionen DM ab. Diese 220 Millionen DM waren kein periodenechter Verlust. Vielmehr müssen wir davon 109 Millionen als nicht periodengebundenen Verlust abziehen, so daß für 1953 111 Millionen DM Verlust zu buchen sind. Das Jahr 1954 brachte einen Nominalgewinn von 135 Millionen DM. Von diesen 135 Millionen DM müssen wir wieder 58 Millionen DM als Buchgewinn in Abzug bringen, so daß in der Ertragsrechnung ein Gewinn von 77 Millionen DM zu verzeichnen ist. Der gesamte Unterschied von 111 minus zu 77 plus vom Jahre 1953 zum Jahr 1954
— wobei ich bemerken muß, daß das Jahr 1954 bei der Bundespost nur neun Monate zählte, weil es ein Rumpfgeschäftsjahr war; das hängt zusammen mit der Umstellung von Rechnungsjahr auf Kalenderjahr —, dieser Unterschied von 188 Millionen DM ist nur zu 85 Millionen DM durch die Gebührenerhöhung erbracht worden; die anderen 103 Millionen DM mußten durch Rationalisierung hereingebracht werden. Rationalisierung ist im Rahmen der Bundespost sehr intensiv betrieben worden.
Der Vorwurf, der im ersten Teil der Ausführungen von Herrn Abgeordneten Diekmann anklang
— daß die Bundespost ihre Monopolstellung dazu benutzt, Gebühren zu erhöhen —, ist, glaube ich, nicht ganz berechtigt; schon deshalb nicht, weil bei allen Gebührenmaßnahmen der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost entscheidend mitwirkt. Auch muß man bedenken, daß an den Gebühren, die von der Erhöhung betroffen worden sind, eine unendlich lange Zeit hindurch festgehalten worden ist. Man sollte einmal überlegen, daß die Drucksachengebühr von 3 Pfennig im Jahre 1880 nunmehr bis zum Jahre 1954 mit 4 Pfennig beibehalten wurde. Ich glaube, es gibt in den 75 Jahren, in diesem dreiviertel Jahrhundert kaum einen Tarif, der so konstant geblieben ist wie unser Posttarif. Auch unser allgemeiner Briefposttarif ist von 10 Pfennig auf nur 20 Pfennig erhöht worden. Aber wenn man bedenkt, daß im Postbetrieb leider
fast die ganze Arbeit noch von Hand getan werden muß, kann man erkennen, daß diese Erhöhung von 100 % im Laufe von 75 Jahren wirklich nicht außergewöhnlich hoch genannt werden kann, sondern vielmehr als außergewöhnlich niedrig bezeichnet werden muß.
Ich darf vielleicht auf die Anregung von Herrn Abgeordneten Hübner eingehen, der fordert, daß wir sehr daran denken sollen, auch im Postbetrieb zu rationalisieren, sowohl technisch als auch organisatorisch. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß das Posttechnische Zentralamt — das Sie ja auch zitierten, Herr Abgeordneter — intensiv darum bemüht ist, eine automatische Verteilung von Briefen und Postkarten vorzunehmen, und zwar in der Art, daß nicht mehr von Menschenhand verteilt zu werden braucht, sondern wie beim Lochkartensystem die Sendungen automatisch auseinandergeworfen werden, so daß künftig die sehr anstrengende und zermürbende Arbeit des Briefverteilens von Hand wegfallen wird und wir auch entsprechend Personal einsparen können.
Wenn man daran denkt, vom unseren gesamten Betriebsausgaben 74 v. H. auf Personalkosten entfallen, dann wird wohl klar, daß unsere Hauptsorge sein muß, die Personalkosten herunterzudrücken und auf automatischen Dienstablauf hinzuarbeiten.
Herr Abgeordneter Diekmann hat bemängelt, daß die Postsparkassengelder und Postscheckgelder offenbar nicht rentabel genug angelegt würden. Ich darf diesen Vorwurf wohl mit einigen kurzen Worten entkräftigen. In unserer Finanzübersicht steht allerdings eine Verzinsung, die sehr minimal erscheint. Man muß dabei aber berücksichtigen, daß die Entnahme von der Bundespost selbst nicht mit kalkulatorischen Zinsen eingesetzt worden ist und damit natürlich das Gesamtzinsniveau herunterdrückt. Wenn wir die an Dritte ausgeliehenen Gelder betrachten, so ergibt sich, daß wir im Postscheckwesen immerhin im Jahre 1954 einen Zinssatz von 6,6 v. H. und im Postsparkassendienst von 5,6 v. H. erzielten, und ich glaube, wenn man berücksichtigt, daß wir sehr risikofreie Anlage suchen müssen, ist dieser Zinssatz durchaus anzuerkennen.
Ich möchte ganz kurz noch auf die Frage eingehen, ob es sich empfiehlt, den Omnibusbetrieb unter eine Dachgesellschaft zu stellen. Herr Abgeordneter Diekmann deutete selbst an, daß die Konstruktion einer Monopolgesellschaft selbstverständlich Stärken und Schwächen hätte. Ich möchte aber betonen, wie eng der Omnibusdienst mit dem sonstigen Dienst der Post verwachsen ist, daß kaum ein Omnibus fährt, der nicht auch Postgüter befördert, und daß die insgesamt 4500 Omnibusse und Anhänger doch in einer Betriebsgemeinschaft von insgesamt rund 30 000 Postkraftfahrzeugen stehen, mit all den Vorteilen der gemeinsamen Pflege, Wartung und dergleichen.
Ich möchte auch einmal aussprechen, daß die Benutzer selbst den Postomnibus, der ja das flache Land erschließt, schon deshalb kaum entbehren wollen, weil sie sich auf seine Betriebssicherheit und seine Zuverlässigkeit voll verlassen können und weil der Postonimibus zum Nutzen des flachen Landes auch da zu allen Jahreszeiten verkehrt, wo von keinem Unternehmer eine Rentabilität erzielt werden könnte.
Aber vielleicht kann man der Anregung von Herrn Abgeordneten Diekmann insoweit folgen, daß man in den Verzahnungsgebieten — wo also Post und Bahn Parallellinien laufen lassen — von einem Gemeinschaftsbetrieb Gebrauch macht, einem Gemeinschaftsbetrieb, wie er sich auch zwischen der österreichischen und deutschen Postverwaltung im Postomnibusbetrieb des Grenzverkehrs durchaus bewährt hat.
Herr Abgeordnter Diekmann hat die Arbeiten des Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung angesprochen. Die Deutsche Bundespost hat sich dem Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung gegenüber etwa so gefühlt wie ein Mensch, der sich gesund fühlt und sich doch einer ärztlichen Untersuchung unterziehen muß. Diese Untersuchung nimmt man selbstverständlich nur ungern in Kauf, zumal man auch das Honorar dafür entrichten muß. Wenn aber der Arzt einem die volle Gesundheit bestätigt oder aber, wenn er einem gute Ratschläge geben kann, wie man seine Gesundheit durch kleine Maßnahmen fördern kann, dann glaube ich vergißt man gerne den Schmerz, den die Untersuchung verursacht hat, und die Honorarzahlung. Ich habe den Eindruck, daß in den zwei Jahren, in denen der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung bei uns gearbeitet hat, sich doch schon manche Ratschläge herauskristallisiert haben, die für uns durchaus wichtig und nützlich sind und die sich auch auf die vom Herrn Abgeordneten Hübner angesprochene organisatorische Vereinfachung beziehen. Er wird feststellen, welche Oberpostdirektionen eventuell eingezogen werden können, wieweit sich das Arbeitsgebiet des posttechnischen und fernmeldetechnischen Zentralamtes erstrecken wird und welche Arbeiten vom Postministerium zu anderen Instanzen verlagert werden können. Wir haben im übrigen die Oberpostdirektionen schon wesentlich durch Bildung von Zentralämtern entlastet, die also die Funktionen von mehreren Ämtern in sich vereinigen, z. B. von Bau- und Betriebsämtern auf dem Fernmeldegebiet.
Wenn der Bundesbeauftragte diese umfangreiche Durchprüfung eines Betriebes mit 350 000 Beschäftigten vornimmt, dann ist das eine Arbeit, deren Zeitdauer wir zunächst auch etwas unterschätzt haben. Es besteht aber Grund zur Annahme, daß wir in etwa zehn Monaten mit der Prüfung zu Ende sein werden. Das Junktim, das einmal zwischen dem Festhalten unserer Planstellen und der Beendigung der Prüfung bestand, ist schon aufgehoben worden. Wir können uns also demnächst auf dem Gebiete des Planstellenwesens freier bewegen. Alle diejenigen, die auf höherbewerteten Dienstposten sitzen, ohne die zugehörige Planstelle und damit die Besoldung zu haben, werden in sehr kurzer Zeit befriedigt werden können.
Die Deutsche Bundespost stellt im übrigen umfangreiche Untersuchungen an, um die Wirtschaftlichkeit ihrer einzelnen Betriebszweige zu überprüfen. Ich hoffe, daß wir in naher Zukunft in dieser Beziehung laufend klarsehen werden.
Die Durchführung durch den Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ist in ihrem finanziellen Aufwand nicht ohne weiteres zu schätzen. Aber soviel mag gesagt werden: Der Bundesbeauftragte hat für diese Arbeit etwa zehn hochqualifizierte Herren des Bundesrechnungshofes zur Verfügung gestellt, und es werden von seiten des Bundespostministeriums etwa drei Kräfte ständig für diese Aufgabe beschäftigt. Daraus läßt sich leicht der Aufwand für Gehalt und Reisekosten er-
rechnen, und dieser Aufwand ist naturgemäß nicht unbeträchtlich. Im Vergleich zur Größe des Unternehmens aber, das mit einem Jahresumsatz von 3,5 Milliarden DM arbeitet, bleiben die Aufwendungen doch verschwindend gering.
Herr Abgeordneter Diekmann hat mit vollem Recht herausgestellt, daß die Deutsche Bundespost, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, noch nicht den Prozentsatz an Fernsprechteilnehmern aufzuweisen habe wie andere vergleichbare europäische Länder. Er hat die präzise Frage gestellt, wann denn der Nachholbedarf gedeckt sein wird. Man kann den Nachholbedarf etwa folgendermaßen errechnen: Wenn man die im Jahre 1939 in Deutschland unterbrochene Entwicklung auf dem Fernmeldegebiet ohne zeitliche Einbrüche sich fortgesetzt denkt, hätte am 1. Januar 1955 im Gebiet der Bundesrepublik eine Dichte an Fernsprechhauptanschlüssen von 5 pro 100 Einwohner vorliegen müssen; tatsächlich besaß zu diesem Zeitpunkt die Bundesrepublik aber nur 3,8 Fernsprechhauptanschlüsse pro 100 Einwohner. Umgerechnet auf rund 50 Millionen Einwohner fehlten demnach 600 000 Hauptanschlüsse. Will man die durch die Hauptanschlüsse der Post entstehenden Kosten ausrechnen, so muß man für jeden Hauptanschluß einen Betrag von 3000 DM einsetzen. Man kommt also bei 600 000 Hauptanschlüssen auf eine Summe von 1,8 Milliarden DM. Auf dem Fernmeldegebiet investieren wir in jedem Jahr 500 Millionen DM neu. Man kann rechnen, daß von diesen 500 Millionen DM etwa 200 Millionen DM dem Nachholbedarf dienen, so daß also nach dieser Rechnung der Nachholbedarf der Deutschen Bundespost in neun Jahren gedeckt sein wird.
Herr Abgeordneter Diekmann hat weiterhin die Frage der kurzfristigen Verschuldung der Deutschen Bundespost angeschnitten und hat gefragt, ob durch die vom Kabinett bewilligte Konsolidierungsanleihe von 100 Millionen DM, die nach seiner Ansicht zu gering ist, nicht etwa die Investitionen gestoppt würden. Ich kann ihn in dieser Beziehung beruhigen. Wir haben im diesjährigen Haushalt einen Betrag von 500 Millionen DM zur Verfügung; im kommenden Haushalt werden wir voraussichtlich den gleichen Betrag bekommen. Es bereitet uns natürlich Sorge, die kurzfristige Verschuldung Verschuldungen mit Rückzahlungsfristen bis zu drei Jahren nennen wir hier kurzfristige Verschuldungen — von etwa 800 Millionen DM vor uns herzuwälzen. Wir sind aber schon dankbar, daß man im Kabinett anerkannt hat, daß eine Konsolidierung notwendig ist, und daß eine erste Tranche von 100 Millionen DM bewilligt worden ist.
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit will ich Ihre Geduld nicht länger in Anspruch nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine ganz kurze Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Hübner über die Arbeit des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost. Ich fühle mich hier mit einigen anderen Kollegen persönlich angesprochen, weil ich durch das Hohe Haus in diesen Verwaltungsrat gesandt worden bin. Ich darf wohl zugleich für diese Kollegen sagen, Herr Kollege Hübner, daß dieser Verwaltungsrat doch erheblich gearbeitet hat und sich sehr um die Dinge bemüht. Es ist aber zu beachten, daß das Postverwaltungsgesetz die Befugnisse des Verwaltungsrates außerordentlich eingeschränkt hat. Das darf bei der Kritik nicht außer acht gelassen werden. Wir haben ja die eigenartige Konstruktion, daß sich dieses Hohe Haus durch das Postverwaltungsgesetz fast aller Kontrollrechte in bezug auf die Deutsche Bundespost begeben hat; es steht ja hier in diesem Haushalt auch nur das Gehalt des Herrn Bundespostministers. Auf der anderen Seite ist der Verwaltungsrat keineswegs ein so souveränes Gremium oberhalb der Postverwaltung, daß er nun wirklich in alle Dinge einsteigen und alles so regeln könnte, wie er es vielleicht möchte.
Im übrigen möchte ich aber an Hand dieser kleinen Kontroverse zwischen Herrn Abgeordneten Diekmann und Herrn Staatssekretär Gladenbeck sagen, daß es auch gewisse Fragen gibt, in denen der Postverwaltungsrat sich vielleicht nicht ganz so durchgesetzt hat, wie er das hätte tun können. Ich meine diese Sache mit dem Omnibusverkehr, die ja wirklich eine scheußliche Angelegenheit ist. Hier ist aber wohl die Schuld auch mit auf die Schultern anderer Ministerien und anderer Verwaltungen des Bundes zu verteilen.
Zum Abschluß darf ich mir vielleicht einen Vorschlag an den Herrn Kollegen Diekmann erlauben. Wenn dieses Hohe Haus oder wenn der Postausschuß dieses Hauses sich mit der Arbeit des Postverwaltungsrats beschäftigen will — und das sollte er, glaube ich, tun; das Parlament sollte nicht die Post so völlig aus der Lupe und aus dem Blick herauslassen —, so wäre vielleicht zu überlegen, ob sich der Ausschuß nicht einmal die Kollegen, die das Parlament in den Verwaltungsrat hineingeschickt hat, zur Berichterstattung vorladen und sich von ihnen auseinandersetzen lassen sollte, wie sich die Dinge in der Post tatsächlich verhalten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Wir können deshalb gleich zur Abstimmung über den Einzelplan 13 kommen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den
Einzelplan 29 für den Geschäftsbereich des
Bundesministers für Familienfragen .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Gleissner. Es liegt jedoch ein Schriftlicher Bericht *) vor. Ich nehme an, daß auf diesen verwiesen wird. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
— Es wird gewünscht, daß der Antrag der Fraktion der SPD, das ist der Antrag auf Umdruck
*) Siehe Anlage 12.
406 **), zuerst begründet wird. — Bitte, Frau Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der vorjährigen Haushaltsdebatte habe ich von dieser Stelle aus Bedenken in die Notwendigkeit und in die Tätigkeit des Bundesfamilienministeriums gesetzt. Nunmehr sind bald zwei Jahre vergangen, seit wir dieses Ministerium haben, und es müßte jetzt mehr aufzuweisen haben als eine Flut von Eingaben und Zuschriften, die sich meistens auf Wohnungsnöte oder Familienschwierigkeiten beziehen. Ich habe darum sehr sorgfältig sowohl den Geschäftsbericht des Familienministeriums wie auch die Ausführungen des Herrn Ministers im Bulletin der Bundesregierung gelesen und studiert, und ich habe da zu meinem Erstaunen festgestellt, daß sich der Herr Minister zunächst sehr ausführlich über das Kindergeldgesetz, über die familienpolitischen Auswirkungen der Steuerreform oder über die Wohnraumfrage für die Familie ausläßt, alles Fragen, für die wir ganze Ministerien zur Verfügung haben und für die auch die Gesetzgebung immer in diesen Ministerien durchgeführt wird.
Was das Kindergeldgesetz betrifft, so kann der Herr Familienminister nicht einmal die geistige Vaterschaft für dieses Gesetz in Anspruch nehmen.
Schon im Jahre 1951 ist von meiner Fraktion ein Entwurf für ein Kindergeldgesetz vorgelegt worden. Daß es damals vom 1. Bundestag nicht mehr verabschiedet worden ist, ist nicht unsere Schuld. Für dieses jetzige sehr umstrittene Kindergeldgesetz aber sollte der Herr Bundesfamilienminister den Ruhm nicht seinem Kollegen Winkelheide streitig machen wollen.
Was nun aber die Steuerreform anbelangt, die ja immerhin eine Vorlage des Bundesfinanzministeriums ist, so hat der Herr Familienminister hier eines erreicht: er hat die Freigrenze für das dritte Kind in der Kabinettsvorlage um das Doppelte erhöht. Aber, Herr Dr. Wuermeling, das dritte Kind, das sind etwa 9% aller unserer Kinder. Es ist also nur ein sehr beschränkter Kreis von Kindern, dem Ihre Tätigkeit zugute gekommen ist. Und wenn Sie davon sprechen, daß Sie den Wunsch zum Kinde stärken wollen, so müssen Sie meiner Meinung nach schon beim ersten Kind anfangen, denn gerade für die junge Ehe, gerade beim ersten Kind treten die finanziellen Schwierigkeiten für die Familie auf, und es kommt meistens gar nicht erst zum dritten Kind.
Es ist ohne Zweifel eine Tatsache, die, glaube ich, von niemandem hier in diesem Haus bestritten wird, daß der Wohnraum für Familien mit Kindern beim Aufbau der Bundesrepublik sehr vernachlässigt worden ist und daß hier Wandel geschaffen werden muß, um für Familien mit Kindern den genügenden Wohnraum zur Verfügung zu haben, denn wir sind uns wohl alle darüber einig, daß eine gesunde Familie und ein gesundes Familienleben nur in einer geräumigen und gesunden Wohnung existieren kann. Aber dazu, glaube ich, bedurfte es nicht des Bundesfamilien-
**) Siehe Anlage 10. ministeriums. Wir als Opposition haben es sehr begrüßt, als der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom Oktober 1953 davon sprach, daß nunmehr der „familiengerechte Wohnungsbau und vor allen Dingen auch die Familienwohnheime gefördert werden" sollten. Mir scheint das eine ganz klare Richtschnur von seiten des Chefs der Bundesregierung an den Herrn Wohnungsbauminister, und ich weiß eigentlich nicht, warum er da noch des besonderen Zuspruchs seines Kollegen vom Familienministerium bedarf.
Dagegen müssen wir doch sagen, daß sich die Lockerung der Wohnraumbewirtschaftung sehr zuungunsten gerade der kinderreichen Familien ausgewirkt hat.
Wir erleben es immer wieder, daß Hauswirte kinderreiche Familien nicht bei sich aufnehmen wollen. Wir müssen auch sagen, daß das jetzige Mietengesetz, das wir kürzlich verabschiedet haben, sich gerade auf die kinderreichen Familien sehr ungünstig auswirken wird, und hier hat der Herr Bundesfamilienminister anscheinend seinen Einfluß nicht geltend machen können.
Nun weist der Herr Familienminister in seinem Geschäftsbericht darauf hin, daß er auch besonders Forschungen hinsichtlich der Situation der Familie von heute in seinem Ministerium durchführen läßt. Ich bin der Meinung, daß das nicht die Aufgabe eines Ministeriums ist, sondern daß wir dazu andere Institutionen haben, die uns wertvolle Unterlagen liefern, aus denen wir Konsequenzen für die Gesetzgebung ziehen können. Wenn der Herr Bundesfamilienminister der Meinung ist, daß auf diesem Gebiet noch nicht genug getan worden ist, dann hoffe ich, daß er unserer Anregung, ein Institut für Jugendfragen zu gründen, in seiner Fraktion zum Durchbruch verhelfen wird. Denn Jugendfragen hängen ja aufs engste mit der Familie zusammen. Ich glaube, wir werden dann unsere Kenntnisse auf diesem Gebiet sehr erweitern können.
Der Bericht des Bundesfamilienministeriums hebt auch hervor, daß besonders der Schutz der Mutter, die Erholung der vielüberbürdeten Mutter im Vordergrund unserer Sorge stehen muß. Ich glaube, daß uns das Müttergenesungswerk in dieser Beziehung wertvolle Dienst leistet. Wenn wir an den Etat des Bundesfamilienministeriums mit etwa einer halben Million DM denken, so könnte ich mir vorstellen, daß diese halbe Million DM beim Müttergenesungswerk vielleicht noch sinnvoller, noch direkter, noch besser für die Familien und auch für die Mütter verwendet werden könnte.
Was nun den Mutterschutz anbelangt, so ist auch das Mutterschutzgesetz durch einen Antrag meiner Fraktion zumindest angeregt worden. Aber der einstimmige Wunsch des gesamten Bundestages, diesen Mutterschutz auf alle Mütter auszudehnen — wir haben hier in diesem Hause eine Entschließung darüber gefaßt —, ist bis heute noch nicht verwirklicht worden.
Offenbar ist auch da der Herr Bundesfamilienminister nicht durchgedrungen.
Ich will gern zugeben und glaube das auch, daß in Ihrem Hause sicherlich sehr sorgsam alle die
vielen Zuschriften beantwortet werden und daß man hier auch sehr fleißig alles zusammenträgt, was es Wissenswertes über die Familie gibt. Aber das rechtfertigt doch schließlich nicht die Existenz eines Ministeriums. Sie haben darauf hingewiesen — Sie taten es im Ausschuß, allerdings mit einer kleinen Einschränkung; Frau Kollegin Rehling hatte es schon bei der vorigen Debatte gesagt —, daß es auch andere Länder gäbe, die ein Familienministerium hätten. Ich bin dem einmal nachgegangen. Sie wiesen auf Frankreich und Belgien hin. Aber, Herr Dr. Wuermeling, diese Ministerien sind doch ganz etwas anderes als unser Familienministerium. In Belgien heißt es „pour la santé et la famille"; es ist also ein Ministerium für die Gesundheit und die Familie. Gerade die Gesundheitspolitik muß sich naturgemäß sehr stark auf die Familie erstrecken. In Frankreich ist es ein Ministerium für Gesundheits- und Bevölkerungspolitik. Auch das scheint mir etwas anderes zu sein als unser Familienministerium. Sie machten ja auch im Haushaltsausschuß den kleinen Zusatz, als wir fragten, ob man in anderen Ländern etwas Ähnliches habe: „Ja, beim Gesundheitsministerium." Es sind also dort Abteilungen beim Gesundheitsministerium, d. h. dort sind wirklich konkrete gesetzgeberische Arbeiten vorhanden — dazu sind ja Ministerien da —, die in unserem Familienministerium nicht geleistet werden können. Wenn man sich Ihre einzelnen Abteilungen ansieht, so stellt man fest, daß jeder dieser Abteilungen — Sozialpolitik, Steuer- und Wirtschaftsrecht, Familienrecht, Wohnungsfragen — ein ganzes Ministerium entspricht. Wie gering aber Ihr Einfluß auf die Gesetzgebung dieser Ministerien ist, das zeigt schon meine Andeutung hinsichtlich des Mutterschutzgesetzes bzw. seiner Ausdehnung auf alle Mütter; das zeigt z. B. auch die Tatsache, daß das Kindergeldschlußgesetz, das eigentlich am 1. April dieses Jahres vorliegen sollte, noch nicht den Bundestag passiert hat oder ihm vorgelegt worden ist. Der Einfluß, den Sie auf andere Ministerien nehmen, scheint also durchaus nicht so durchschlagend zu sein, daß er ein ganzes Ministerium rechtfertigen könnte.
Bleibt nun noch die Redetätigkeit des Herrn Bundesfamilienministers, die ja schon manchmal zu Ärgernis Anlaß gegeben hat.
Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt, daß der Herr Familienminister doch in letzter Zeit in dieser Beziehung sehr zurückhaltend gewesen sei. Aber ich meine, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundeskanzler schon die letzte Sonntagsrede seines Ministers in München gelesen hatte, in der der Herr Minister die Mütter auffordert, sie sollten sich „nicht wegwerfen an eine nicht gemäße und sie verunstaltende Gleichberechtigung".
Mir scheint das ein Rückfall zu sein, Herr Bundesfamilienminister!
Ich weiß nicht so recht, Herr Dr. Wuermeling, was man sich unter einer „Verunstaltung durch die Gleichberechtigung" vorstellen soll.
Selbstverständlich ist die Familie die Grundlage unseres ganzen staatlichen Lebens. Wir sind der
Meinung, daß die Gesamtkonzeption einer Regierung der Familie gerecht werden muß, daß die Tätigkeit jedes Ministeriums stets die Familie und das, was für sie notwendig und nützlich ist, vor Augen haben muß.
- Ja, das Grundgesetz allein schreibt es schon jedem Ministerium vor, so zu handeln,
Wir brauchen keine ministerielle Propaganda für den Familiengedanken, sondern wir brauchen eine echte und wirkliche Familienhilfe da, wo die Familie soziale Not leidet,
und zwar nicht nur die kinderreiche, sondern alle Familien.
Infolgedessen halten wir auch nach diesen zwei Jahren seiner Tätigkeit dieses Ministerium für nicht notwendig, ja für überflüssig. Ich möchte Sie bitten, unserem Antrag Umdruck 406, der die Streichung dieses Haushalts beantragt, zuzustimmen. Ich beantrage dazu namentliche Abstimmung.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte mich im wesentlichen den Ausführungen meiner Vorrednerin anschließen;
denn ich kann nur sagen, daß das, was sie angeführt hat, im großen und ganzen gesehen, auch meine persönliche Meinung ist.
Als meine Kollegin Frau Dr. Hubert soeben die Sonntagsrede des Herrn Ministers Wuermeling zitierte, schüttelte er den Kopf und sagte: „Das habe ich nicht gesagt!"
Nun, Herr Minister, es ist das Pech so vieler Politiker, daß sie falsch verstanden werden, und ich habe den Eindruck, daß Sie bei Ihren Reden meistens falsch verstanden werden.
— Das soll auch bei anderen Leuten vorkommen, vielleicht auch bei mir; das ist richtig. Das ist nun mal Pech! Aber wenn alle Zeitungen wörtlich, in Anführungsstriche gesetzt, das und noch mehr bringen, was Frau Kollegin Hubert zitiert hat, dann glaube ich, daß an den Worten doch etwas Wahres ist.
Es entspricht nämlich nicht nur der Stimmung, die vielleicht so im allgemeinen in dem Kreis der Katholischen Kaufmännischen Vereine Deutschlands herrscht, vor dem Sie gesprochen haben — wobei ich nicht einmal glaube, Herr Minister, daß alle der dort Anwesenden Ihrer Meinung waren —, sondern es entspricht auch im wesentlichen den Ausführungen, die wir auf diesem Gebiet von Ihnen gewohnt sind.
Wenn Sie, Herr Minister, von der „verunstaltenden Gleichberechtigung" sprechen,
die nicht frauengemäß sei, so muß ich Ihnen sagen: Von einer solchen Gleichberechtigung, die der Frau nicht gemäß ist und die sie verunstaltet, ist bei keiner gesetzlichen Vorlage im Bundeshaus die Rede gewesen.
Es blieb leider Ihnen schon einmal in diesem Hause vorbehalten, eine Vorlage, die gemacht wurde, in einem ähnlichen Sinne — verzeihen Sie, wenn ich sage: zu diffamieren. Ich möchte Sie doch bitten, um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken, solche schmückenden Beiworte, die ja eine gewisse propagandistische Bedeutung haben,
dem Worte „Gleichberechtigung" nicht mehr beizufügen. Wie Sie die Gleichberechtigung auffassen, Herr Minister, haben Sie uns oft genug vorgeführt Wir sind allerdings der Meinung, Herr Minister, daß diese Gleichberechtigung, wie Sie sie propagieren, keineswegs dazu geeignet ist, der Frau die Stellung in der Gemeinschaft und in der Familie zu schaffen, die Sie selbst in Ihren Reden immer wieder fordern. Ich glaube, Herr Minister, daß wir, wenn wir auf Ihre Einstellung zurückkommen — na ja, ich will nicht gerade sagen: vor 1900 zurückgehen müssen,
aber doch immerhin in die schwierigsten Zeiten,
wo die Frau noch eine Stellung hatte, die eben
unter anderen sozialen Verhältnissen üblich war.
Herr Minister, gestatten Sie, daß ich dabei, wenn wir schon von Ihren Reden sprechen, auch noch einmal auf ein anderes Problem eingehe. Sie haben davon gesprochen, daß man nachprüfen müßte, welcher Konfession Richter angehören, die Ehescheidungsrichter sind.
Sie haben einmal gesagt, es solle nachgeprüft werden, zu welcher Konfession diejenigen Richter gehören, die eine Anzahl oder eine bedeutende Anzahl von Ehescheidungen aussprechen. Herr Minister, es liegt schon längere Zeit zurück, aber es hat mich als Juristin ungemein beeindruckt, daß gerade von Ihrer Seite eine — vielleicht unbewußte — Beeinflussung der Richter ausgeübt wurde.
Bitte, bedenken Sie doch, daß es vielleicht den einen oder anderen beeinflussen könnte.
Es könnte vielleicht der Verdacht entstehen, daß Sie einen Richter beeinflussen wollen, durch einen solchen Verdacht,
daß er vielleicht bei einer Ehescheidung — —
— Gott sei Dank, ein liberal gerichteter sicherlich nicht. Da können Sie sicher sein, Herr Kollege Spies, der ist selbständig genug im Denken, als daß ihn eine solche Androhung eines Ministers oder eine Nachprüfung dieser Art durch einen Minister beeinflussen könnte. Aber es gibt sie vielleicht doch, wenn auch Gott sei Dank sicher nur wenige. Aber, Herr Minister, Sie sollten auch den Anschein vermeiden, in dieser Richtung einen Einfluß auszuüben. Ich glaube, so weit erstreckt sich Ihre Befugnis als Familienminister nicht. Ich glaube, daß, wenn überhaupt, Ihr Einflußgebiet nach anderer Seite viel größer und viel stärker sein müßte.
Lassen Sie mich dann noch Ihrer Rede gedenken, die Sie kürzlich im Fernsehfunk hielten und in der Sie die Bemerkung gemacht haben sollen, ein Anwalt habe Ihnen berichtet — ich glaube, der Herr Minister bestreitet nicht, daß er das gesagt hat —, daß in seiner Praxis von zehn geschiedenen Ehen acht durch die Berufstätigkeit der Frau zur Auflösung gelangt sind.
Eine Nachfrage nach der Quelle hat, wie mir authentisch berichtet wurde, ergeben, daß Sie Ihren Gewährsmann, der diese Behauptung aufgestellt hat, noch suchen. Nun, Herr Minister, ich hoffe, daß Sie bis heute Gelegenheit gehabt haben, den Anwalt ausfindig zu machen, der Ihnen diese Mitteilung gemacht hat, und daß Sie uns heute konkretere Angaben darüber machen werden. Aber, Herr Minister, wenn Sie schon so konkrete Zahlen angeben, dann haben Sie vielleicht durch Ihre Forschungsabteilung auch ermittelt, wieviel Ehen dadurch zustande gekommen sind, daß die Frau erwerbstätig war und so die materielle Grundlage für eine Ehe geschaffen wurde.
Ich glaube, daß Sie dann auf eine sehr viel höhere Zahl kommen werden als Ihr Gewährsmann, selbst wenn wir die Zahl, die da angegeben ist, unterstellen, wonach infolge der Erwerbstätigkeit der Frau soundso viele Ehen geschieden wurden.
Die Behauptung, die Sie da wiedergegeben haben, Herr Minister, ist sehr gefährlich; denn im Volksmund draußen wird nicht etwa kolportiert, daß Sie gesagt hätten: es „soll" so sein, sondern es wird kolportiert, Sie hätten gesagt: „es ist so". Wieder einmal Pech, wenn so etwas kolportiert wird! Ich bin der Meinung, daß Sie im Fernsehfunk, wo so viele zuhören und wo man gerade Ihnen so gern zuhört, Herr Minister — Ihre Freunde und Ihre Feinde —, mit dem, was Sie sagen, ganz besonders vorsichtig sein sollten.
Wenn Sie, Herr Minister, die Erwerbstätigkeit der Frau in diesem Zusammenhang schon erwähnen und nicht gerade besonders lobend erwähnen, wollen Sie vielleicht — das ist ja auch eine Aufgabe des Ministeriums — in so einem Fall nicht freundlichst gleich Vorschläge unterbreiten, wie Sie es einrichten können, daß die Erwerbstätigkeit der verheirateten Frau nicht mehr nötig ist? Sehen Sie, das wäre eine dankenswerte Aufgabe Ihres Ministeriums; aber ich glaube, dazu werden Sie nicht in der Lage sein, da es nicht mehr möglich ist, die soziale Entwicklung zurückzudämmen oder zurück-
zuschrauben und in irgendeiner Form jetzt plötzlich zu ändern. Also empfiehlt es sich wohl für ein Familienministerium, sich auf den Boden der gegebenen Tatsachen zu stellen und das Beste aus der Situation herauszuholen, nämlich auch der erwerbstätigen Frau und Mutter das Leben zu erleichtern und nicht durch solche Reden und solche Bemerkungen die wahrhaftig schwierige Situation einer doppelt belasteten Frau noch zu erschweren.
Ich fürchte sehr, Herr Minister, daß Sie, wenn Sie dies einmal nachprüfen werden, eingestehen müssen, daß auch bei Ihnen jetzt das politische Wollen über das bessere sachliche Wissen ging. Es wäre aber eine dankenswerte Aufgabe, für die erwerbstätige, doppelt belastete Frau, die Mutter, Hausfrau und berufstätige Frau ist, noch manche Erleichterungen zu schaffen.
Nun, Herr Minister, es ist schon erwähnt worden, daß Sie — und Ihre Freunde haben es mir durch Zurufe bei der Steuerdebatte klargemacht — das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, daß die Freibeträge für die Ehefrauen und Kinder erhöht wurden. Na ja, ich gönne Ihnen das, daß Sie es bei Herrn Schäffer durchgesetzt haben. Neu war die Forderung nicht. Ich empfehle Ihnen, die Protokolle des alten Bundestags durchzulesen; Sie werden das dann wiederfinden. Aber gut, vielleicht haben Sie das erreicht. Wenn Sie, Herr Minister, aber selber — und auch wieder in der Münchner Rede — davon sprechen, daß Sie die Rationalisierung des Haushalts durch Förderung der technischen Apparaturen im Haushalt begünstigen sollen und wollen, dann frage ich Sie: Herr Minister, was haben Sie dazu getan? Ich glaube es offen gestanden nicht ganz, was in den verschiedenen Pressemeldungen steht, die in Bonn verbreitet werden. Aber es ist doch verbreitet worden. Gestatten Sie bitte, Herr Präsident, daß ich etwas daraus zitiere. Danach soll es dem Herrn Bundesfamilienminister Wuermeling in Abwesenheit des Bundeswirtschaftsministers gelungen sein, das Bundeskabinett zur Ablehnung eines Konsumförderungsprogramms Erhards zu bewegen. Weiter heißt es:
Das Programm, das sich noch in Vorbereitung befand, wollte über eine Belebung der Konsumgüterindustrie und des Teilzahlungsgeschäftes den Lebensstandard erhöhen und vor allen Dingen den Haushalt modernisieren. Wuermeling argumentierte und setzte sich offenbar damit durch, zu hoher Lebensstandard fördere den Materialismus,
die Ausgaben für Komfort töteten den Willen zum Kind.
Nun, Herr Minister, ich glaube es zwar nicht, daß Sie in dieser Form argumentiert haben; dazu schätze ich Sie zu hoch ein. Aber es ist doch immerhin betrüblich, daß ernst zu nehmende Korrespondenzen einen derartigen Bericht überhaupt bringen können. Es sollte Ihnen doch einmal zu denken geben, wie die Stimmung und das Urteil über Ihre Wirkung oder Einwirkung auf andere Ministerien ist. Als Hausfrau, die immerhin 15 Jahre hindurch neben zum Teil ehrenamtlicher oder Berufstätigkeit den Haushalt ohne jede Hilfe mit allem, was
dazu gehört, wie große Wäsche und Fensterputzen, gemacht hat, kann ich Ihnen nur eines sagen, Herr Minister: ich wäre unendlich dankbar gewesen, wenn man damals auch schon die Möglichkeiten, die Instrumente, Hilfsmittel und Apparaturen zu kaufen, gehabt hätte, und eine Mutter, die vier oder fünf Kinder hat, ist, auch wenn sie nicht berufstätig ist, heute unendlich dankbar, wenn ihr eine Hilfe zuteil wird. Herr Minister, wenn wir schon ein Familienministerium haben, das sich eventuell u. a. auch mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigt, dann wäre es vielleicht einmal wichtig gewesen, daß Sie entsprechende Vorschläge gemacht hätten: Wie kommen denn eigentlich diese Frauen möglichst billig und möglichst zweckmäßig zu Hilfsgeräten?
Und da sagen Sie, Steuerpolitik sei Ihr Gebiet?! Warum hat Ihr Ministerium nicht einmal einen Vorschlag ausgearbeitet, daß die Kosten für solche Geräte - und zwar größere Geräte, ich denke dabei an Nähmaschinen, Staubsauger und Waschmaschinen — vom Haushaltungsvorstand von der Steuer abgesetzt werden können? Denken Sie doch einmal daran, daß der Haushalt der kleinste, aber zahlreichste, volkswirtschaftliche Betrieb ist. Glauben Sie mir, Herr Minister, die Waschmaschine ist unendlich wertvoll für eine Hausfrau! Insbesondere die kinderreiche Mutter wäre dankbar, wenn ihr der Mann, der das Geld verdient, die Maschine anschaffte. Ich will das alte Sprichwort gar nicht zitieren, daß auch ohne Steuerermäßigung die Waschmaschinen angeschafft werden würden, „wenn Vatern waschen müßte".
Dann gäbe nämlich jeder Mann das Geld dafür.
Herr Minister, seinerzeit ist durch den Herrn Wirtschaftsminister eine Kühlschrankaktion ins Leben gerufen worden. Ein Kühlschrank ist sicher eine wunderbare Angelegenheit, aber wichtiger wäre die Waschmaschine. Wo blieb die Anregung vom Herrn Familienminister auf diesem Gebiet? Wo bleibt die Anregung für die Anschaffung der Nähmaschine? Meine Herren, Sie brauchen nicht abzuwinken! Machen Sie einmal die Hausarbeit; dann werden Sie nämlich sehen, wie es ist!
Dafür regt aber der Herr Minister etwas anderes an, und das ist nett und amüsant, meine Herren. Er regt nämlich in seiner Rede an — und das möchte ich Ihnen doch wirklich nach den Zeitungsberichten zitieren, damit Sie es auch wissen —: „daß eine Frauenbewegung zum Schutz der Frau und Mutter in der Familie gegründet wird." Herr Minister, ich freue mich, daß Ihnen wenigstens das Wort „Frauenbewegung" allmählich eingegangen ist und daß Sie es immerhin in einen netten Zusammenhang gebracht haben. Sie und Ihr Ministerium haben sich auch in vielen Dingen das Gedankengut der Frauenbewegung zu eigen gemacht. Das ist ein Vorteil der zweijährigen Arbeit; denn früher haben Sie mir bei solchen Gelegenheiten immer Zwischenrufe gemacht. Immerhin, das ist ein Vorteil des Familienministeriums, den ich dankbar buche. Aber, Herr Minister, eine Frauenbewegung zum Schutze der Frau und Mutter in der Familie
ins Leben zu rufen, damit kommen Sie zu spät, weil das seit mehr als 100 Jahren einer der Hauptgedanken der alten Frauenbewegung ist.
Ich würde eine andere Sache empfehlen. Bitte, rufen Sie eine Männerbewegung zum Schutze der Frau in der Familie ins Leben, und, Herr Minister, Sie würden eine unsterbliche Berühmtheit erlangen; denn diese Männerbewegung würde sicher den Namen „Wuermeling-Bewegung" tragen.
Herr Minister, ob Sie geeigneter Vorsitzender dafür wären, weiß ich nicht ganz genau. Vielleicht würden die Herren, die sich dieser Bewegung anschließen, nicht ganz mit dem Vorsitzenden einverstanden sein. Aber eines wäre jedenfalls wundervoll: Dann würde nämlich das erreicht werden, was die Frauenbewegung an sich nicht erreichte, daß nämlich die Männer ihre Geschlechtsgenossen darauf hinweisen würden, daß sie in der Familie der Frau etwas mehr Schutz und Hilfe gewähren sollten. Wenn Sie das machen, Herr Minister, und wenn Sie das erreichen, werden sich viele sogar mit Ihrem Ministerium abfinden.
Herr Minister, Sie haben nebenbei von familiengerechten Wohnungen gesprochen. Herr Minister, ich stimme Ihnen völlig zu. Aber wenn Sie Ihre an sich begrüßenswerte Forderung vornehmlich auf Eigenheime ausdehnen, dann vermisse ich eines, was eine Ihrer Aufgaben wäre, daß Sie nämlich dazu sagen, wie die Sache finanziert werden soll. Vielleicht ist Herr Bundesminister Schäffer so freundlich, behilflich zu sein und zu sagen, wie er sich eine solche Finanzierung denkt.
— Herr Preusker kann es vielleicht in dem Umfange auch nicht; denn auch er ist ja wieder vom Herrn Finanzminister abhängig. Herr Finanzminister Schäffer ist in bezug auf Fragen der Familie ja mit Herrn Wuermeling sehr einig — das haben wir bei der Steuerdebatte gesehen, nicht wahr. Herr Minister? —, und ich denke daher, daß von dieser Seite eine wesentlich stärkere Unterstützung kommen könnte als sie vielleicht der Herr Wohnungsbauminister erreichen kann. Aber an sich gehören Wohnungsfragen natürlich in das Ressort des Wohnungsbauministers.
Es wurde schon erwähnt, daß Sie, Herr Minister, beim Kindergeld, bei dem wir ja alle grundsätzlich der Meinung waren, es solle gewährt werden, nicht ganz so reagiert haben, wie es nötig gewesen wäre. Es wäre z. B., nachdem diese Anregung im 1. Bundestag gegeben wurde und eine ganze Reihe Gesetzentwürfe vorgelegt worden sind, wirklich ein Verdienst Ihres Ministeriums gewesen, wenn Sie statt der nun vorhandenen drei Gesetze wirklich nur e i n Gesetz erarbeitet hätten. Da lag eine echte Aufgabe für ein Familienministerium. Schade, auch dieser Aufgabe sind Sie nicht gerecht geworden.
Herr Minister, wenn ich die Leistungen betrachte, die das Ministerium in den letzten zwei Jahren vollbracht hat, muß ich wohl sagen, daß Sie die zum Teil geringen Erwartungen, die an das Ministerium gestellt worden sind, nicht erfüllt haben. Das, was Sie geleistet haben, hat früher sehr gut das Frauenreferat gemacht. Ich meine, es wäre ganz gut, wenn wir in Zukunft diese Aufgaben auch wieder dem Frauenreferat im Innenministerium überließen. Es liegt nämlich auch eine große Gefahr in dem Vorhandensein des Familienministeriums, die wir bitte nicht unterschätzen wollen. Alle die Verbände, die Sie mit Ihren Reden erfreuen, und viele andere Interessierte knüpfen nämlich an Ihr Ministerium unerhört große Erwartungen. Diese Erwartungen können Sie, Herr Minister, nicht erfüllen, und dann wird die Enttäuschung um so größer sein. Diese Enttäuschung fällt dann leider nicht nur auf Ihre Person, sondern auf das ganze Kabinett, an dem ja auch meine Partei beteiligt ist.
Mit Ihrem kleinen Mitarbeiterstab, den Sie haben und dessen Kleinheit ich ja hervorhebe, können Sie die Aufgaben, die Sie in Ihrer Propaganda immer wieder betonen, nicht bewältigen. Es werden also notwendigerweise Enttäuschungen eintreten. Wird der Apparat größer und bearbeiten Sie wirklich alle die geplanten Fragen sachgemäß, dann würde ein Schattenkabinett entstehen. Wir wären nicht sehr glücklich, wenn neben dem an sich schon großen Kabinett noch ein großes Schattenkabinett entstünde. Man sollte wohl eher daran denken, ein Ministerium, das sich in den zwei Jahren als nicht nutzbringend erwies, abzubauen, und, wie Frau Hubert sehr richtig sagte und wie auch ich vorschlagen wollte, den für das Familienministerium vorgesehenen Betrag zu der vorige Woche bewilligten einmaligen Spende lieber dem Müttergenesungswerk und auch der von Ihnen gelegentlich propagierten ,,Familienerholung" zu überweisen. Dann würden wir mehreres erreichen. Die Mutter, die erwerbstätig ist und den Haushalt hat, könnte in ihrer freien Zeit einmal ungestört und frei von Sorgen mit ihren Kindern zusammen ein paar erholsame Tage verbringen. Das würde den Familien gut tun und würde sicher sehr viel Erfolg haben.
Die Familienfürsorge bzw. das Arbeiten und Schaffen für die Familie ist uns allen ein Anliegen. Dafür bedarf es aber keines eigenen Ministeriums. Im Gegenteil: bei einem gesonderten Familienministerium ist die Gefahr sehr groß, daß manche Stellen in anderen Ministerien sagen: „Was brauchen wir uns denn soviel darum zu kümmern? Soll das doch das Familienministerium tun!" Das lehne ich und das lehnt ein Teil meiner Freunde ab. Wir sagen: jedes Ministerium hat an die Familie zu denken als die kleinste und die förderungswürdigste Zelle des Staates. und nicht nur e i n Ministerium! Wenden wir die Mittel daher besser an! Ich für meine Person — und ich glaube, daß manche meiner Freunde sich dem anschließen werden — werde den Etat ablehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Rehling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure es aufrichtig, Frau Hubert und Frau Ilk, daß ich, wie im vorigen Jahre, auch in diesem Jahre mit Ihnen in der Beurteilung des Einzelplans 29 nicht einig gehen kann.
das Frau Ulla Lindström übertragen worden ist. — Ja, Sie rufen dazwischen: Mit was für Aufgaben! — Sehen Sie sich doch einmal die Aufgaben an, die vorn im Einzelplan 29 für unser Familienministerium gekennzeichnet sind; dann werden Sie feststellen, daß Frau Lindström die gleichen Aufgaben hat!
Sie hat den Auftrag, die gesamte Gesetzgebung, soweit sie Familienbelange berührt, zu beobachten und durch ihre Mitarbeit im Kabinett zu beeinflussen.
Sie hat verschiedene sicherlich anders gelagerte Arbeitsgebiete. Schweden hat über hundert Jahre hindurch keinerlei kriegerische Verwicklungen durchzustehen gehabt und hat nicht die Nöte, die wir haben. Wenn man trotzdem auch in Schweden die Errichtung eines Familienministeriums für notwendig hielt, dann muß doch schon irgendwie ein tieferer Grund hinter der ganzen Sache stecken. Gegenwärtig befaßt sich Frau Lindström hauptsächlich mit den Problemen der Haushaltsführung, der Qualität der Konsumgüter, des Kinderschutzes, der Familienzulagen, der Kinderheime und der Ferienkolonien. Ich kann beim allerbesten Willen keinen großen Unterschied zwischen den Aufgaben des Familienministeriums in Schweden und denen des unsrigen hier entdecken.
Ich sagte vorhin schon: vor dem ersten Weltkrieg gab es keine vergleichbare Familienpolitik. Angefangen hat damit Frankreich im Jahre 1920. In den dreißiger Jahren haben sich die Bestrebungen dann wesentlich auch auf andere Länder verbreitert. Immerhin müssen wir feststellen: Während his zum ersten Weltkrieg auch in den Verfassungen lediglich von den Rechten des Individuums die Rede war, ist nach dem ersten Weltkrieg in den verfassungsrechtlichen Bestimmungen von der Familie die Rede; der besondere Schutz der Familie wird gefordert. Die UNO-Charta der Menschenrechte widmet dem Schutz der Familie einen ganzen Abschnitt, und diese Grundgedanken sind in die Verfassungen von 33 Ländern aufgenommen worden.
Nun sagen Sie, Sie hätten aus dem Rechenschaftsbericht des Bundesfamilienministeriums nicht feststellen können, daß es sonderlich etwas geleistet hätte. Ich möchte Ihnen und Frau Ilk sagen: Es kommt natürlich immer darauf an, mit welchen Empfindungen und mit welcher Voreingenommenheit man an die Lektüre eines solchen Berichts herangeht.
Sie wissen doch sehr genau — genau so gut wie ich —, weil es eben in dem Vorwort des Haushaltsplans 29 steht, daß die Kompetenzen des Familienministers eingeschränkt sind und daß ihm vor allen Dingen immer da, wo es sich um finanzielle Maßnahmen handelt — und sie bilden nun einmal die Grundlage für eine wirtschaftliche Stützung der Familie —, durch unsere Situation — wir haben ja den zweiten Weltkrieg hundertprozentig verloren und nicht gewonnen — leider gewisse Schranken gesetzt sind.
Ich finde, es ist durchaus anerkennenswert, daß es nun gelungen ist, schon bei den Steuertarifen eine gewisse Verbesserung zu erreichen. Es hat niemand gesagt — auch der Familienminister nicht —, daß er gedenke, auf diesen Lorbeeren auszuruhen, sondern diese Reformen sollen auch weiterhin vorwärtsgetrieben werden.
Sie haben ihm dann weiter — und da wende ich mich auch gleichzeitig an Frau Ilk — Vorwürfe gemacht, daß er zwar sage, daß das Ministerium es als seine besondere Aufgabe ansehe, etwas für die Mütter zu tun, daß es aber hier noch an den nötigen Resultaten fehle. Es ist natürlich sehr leicht, festzustellen, wo überall noch etwas fehlt. Aber ich meine, Sie sollten auch hier dem Minister die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er mitsamt seinen sehr fleißigen Mitarbeitern nun einmal nicht in der Lage ist, Wunder zu tun.
In zwei Jahren läßt sich nicht alles durchsetzen, was man durchsetzen möchte; und ich für meine Person habe die Zuversicht, daß der Minister auch in der Zukunft überall da, wo er den deutschen Müttern helfen möchte — und, Frau Ilk, auch gerade den erwerbstätigen Müttern -, nicht in seinen Anstrengungen erlahmen wird.
Wir wissen auch, daß es heute leider notwendig ist, daß sehr viele Frauen erwerbstätig sind, und wir bemühen uns — und das tut auch das Familienministerium —, irgendwie darauf hinzuarbeiten, daß die Möglichkeiten zur Halbtagsarbeit etwa für erwerbstätige Mütter ausgeweitet und vermehrt werden. Wir wären sicherlich sehr glücklich, wenn es uns bei einer günstigen politischen Gesamtentwicklung gelänge, den Prozentsatz der Mütter, die heute genötigt sind, mit zum Erwerb beizutragen, weiter zu verringern.
Ich habe vor wenigen Tagen eine Statistik der Lehrerverbände in die Hand bekommen, wo in ganz nüchternen Zahlen auf einer Seite untereinander von Stuttgart und Frankfurt und einer Reihe von anderen Städten angegeben wurde, wie viele Kinder durch die Erwerbstätigkeit der Mütter die nötige Nestwärme entbehren müßten. Von seiten dieser Lehrerverbände wurde außerordentlich bedauert, daß diese Tatsache zu verzeichnen ist. Uns ist wirklich daran gelegen, alles zu versuchen, um der Familie den Mittelpunkt zu erhalten bzw. wieder zurückzugeben, dessen sie gerade im Hinblick auf die Kinder und deren Erziehung bedarf.
Sie haben in Ihren Ausführungen, Frau Ilk, den Aufgabenbereich des Ministeriums allerdings kollossal erweitert und, ich möchte sagen, damit vielleicht ungewollt einen Beweis für die Notwendigkeit seiner Errichtung geliefert.
Bei der Bezugnahme auf die verschiedenen Reden haben Sie Altes und Neues miteinander verknüpft und einiges angeführt, was der Herr Minister schon
vor etwa Jahresfrist richtiggestellt hat. Ich kann
mich zu den verschiedenen Reden nicht äußern, weil ich sie nicht gehört und auch keinen Bericht über sie bekommen habe.
Es hat mich außerordentlich gefreut, Frau Hubert, daß Sie auf das umstrittene Kindergeldgesetz zu sprechen kamen, bei dem nach Ihrer Ansicht der Herr Familienminister meinem Kollegen Winkelheide den Ruhm nicht streitig machen sollte. Wir in der CDU/CSU sind mit dem Anlaufen des Kindergeldgesetzes außerordentlich zufrieden.
Wir haben den Eindruck, daß sich dieses Kindergeldgesetz durchaus zum Vorteil für unsere Partei und unsere Konzeption auswirken wird.
— Wir haben es doch allein hier durchgezogen, wir
sind doch allein dafür verantwortlich, Herr Kollege!
Nach Ihren Ausführungen zum Wohnungsbau, Frau Hubert, möchte ich nur hoffen, daß die Vertreter Ihrer Fraktion im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen unsere Wünsche für das Familienheimgesetz kräftig unterstützen werden;
denn hier sehen wir ein ganz besonderes Anliegen für die Familie, das wir gern verwirklicht sehen möchten.
Sie haben darauf hingewiesen, daß die Arbeit des Familienministeriums sehr wohl in den einzelnen Ressorts getan werden könnte. Das mag in absolut normalen Zeiten möglich gewesen sein. Aber in einer Zeit, in der so viele drängende Aufgaben alle Ministerien überlasten, begrüße ich es durchaus, daß ein Ministerium vorhanden ist, das im Kabinett und bei den verschiedenen Ministerien die Belange der Familie sehr nachdrücklich vertritt.
Wir haben bisher den Eindruck, daß hier von den Mitarbeitern des Ministers und von ihm selbst schon eine ersprießliche Arbeit geleistet worden ist. Wir glauben, daß weitere Aufgaben in Zukunft noch auf uns zukommen. Ich denke hierbei etwa an die bevorstehende Sozialreform, die gerade im Hinblick auf die Familie eine Menge sehr wichtiger Probleme aufwirft.
Aus der Erkenntnis, daß dieses Ministerium durchaus seine Daseinsberechtigung erwiesen hat, möchte ich das Hohe Haus bitten, den Antrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen.
Herr Prasident! Merne sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst sagen, daß Sie völlig unbesorgt sein können. Ich habe in keiner Weise die Absicht, Sie heute abend noch mit einer längeren oder gar grundsätzlichen Rede aufzuhalten, sondern ich möchte nur einige Bemerkungen, die hier gemacht wurden, nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen.
Verehrte Frau Kollegin D r. Ilk , ich habe den Eindruck gewonnen, daß 'es mir immer noch nicht vergönnt gewesen ist, Ihre volle Sympathie in meiner Eigenschaft als Familienminister zu erringen.
Sie folgen zwar nicht im landläufigen Sinne meinen Spuren, aber Sie sind mir immer auf der Spur, wenn ich mal irgendwo etwas gesagt habe. Erfreulicherweise — ich glaube, daß ich auch Sie sehr zufriedenstellen kann mit dem, was ich hier berichtigend zu sagen habe — sind eigentlich alle die Zitate, die Sie gebracht haben, nicht in meinen Reden vorgekommen.
Darf ich es ganz kurz nacheinander klären. Sehen Sie mal, Herr Kollege, ich habe mir in den letzten Monaten angewöhnt, meine Reden schriftlich so vorzubereiten, daß ich der Presse das Manuskript anläßlich der Rede in die Hand geben kann. Das ist mir leider in München nicht gelungen, weil mir dort die Presse nicht sichtbar oder greifbar gewesen ist. Dadurch ist es dann gekommen, daß ein dort anwesender Berichterstatter wieder einmal etwas Falsches gebracht hat.
Darf ich also kurz sagen, Frau Kollegin Ilk, was ich gesagt habe.
Erstens. Ich habe nicht gesprochen von einer die Frau verunstaltenden Gleichberechtigung — das war der Ausgangspunkt Ihrer Formulierung —, sondern ich habe gesprochen von einer Gleichberechtigung, die durch manche für die Frau nachteilige Tendenzen verunstaltet wird,
also nicht von einer verunstalteten Frau, sondern von einer verunstalteten Gleichberechtigung.
Ich glaube, wir brauchen uns zur Sache nicht des näheren zu unterhalten, weil wir uns sicher, Frau Kollegin, darüber einig sind, daß es in diesen Gleichberechtigungstendenzen — das sehen wir auch an der Rechtsprechung in den letzten zwei Jahren — einige Dinge gibt, die wir alle mit großer Sorge sehen. Ich habe gerade gestern ein Urteil des Landgerichts Berlin in die Hand bekommen. Da war in erster Instanz ein Kindesvater nach der Scheidung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kinde ganz nachhaltig und systematisch verletzt hatte. Die höhere Instanz hat dann mit Bezugnahme auf den Grundsatz der Gleichberechtigung, weil nämlich die Mutter nicht mehr in zweiter Linie, sondern gleichberechtigt das Kind zu unterhalten habe, den Kindesvater freigesprochen.
Ich glaube — die Beispiele ließen sich vermehren—, hier sind wir alle miteinander darin einig, daß das gefährliche und bedenkliche Tendenzen sind. — Das zum ersten Punkt.
Zweitens, verehrte Frau Kollegin Ilk: Ich muß ja eigentlich in den letzten anderthalb Jahren nicht viel Falsches gesagt haben, daß Sie jetzt auf Reden zurückgreifen, die ich vor anderthalb Jahren gehalten habe.
Ich darf Ihnen, nachdem heute morgen die Bemerkung gefallen ist, ich sei in der letzten Zeit wesentlich schweigsamer geworden, die beruhigende Mitteilung machen, daß ich, wie ich heute vorsorglich festgestellt habe, vom 20. Juni 1954 bis zum 20. Juni 1955 genau 100 öffentliche Kundgebungen im Lande draußen gehalten habe, so daß also wohl von Schweigsamkeit keine Rede sein kann.
Aber nun haben Sie mich zitiert, ich hätte damals in Frankfurt gesagt, man solle eine Statistik darüber machen, welcher Konfession die Richter sind, die Ehen scheiden.
— Das ist gesagt worden, und ich muß dem in aller Freundlichkeit widersprechen. Ich habe nicht davon gesprochen, daß irgenwelche Konfessionsnachprüfungen erfolgen sollen, und habe in dem Zusammenhang die Frage der Konfession der Richter überhaupt nicht angerührt. Das war der zweite Punkt.
Der dritte Punkt ist der folgende. Im Fernsehfunk war neulich eine Sendung, zu der ich gebeten worden war: „Sind Ehen heute besonders gefährdet?" Da wurde auch über die Ehescheidungsfrage gesprochen. Da habe ich lediglich nachrichtlich, Frau Kollegin Ilk, erwähnt, daß mir neulich in einer Versammlung in der Diskussion ein Rechtsanwalt erklärt habe, von zehn von ihm bearbeiteten Ehescheidungsfällen sei in acht Fällen die Ehescheidung im letzten darauf zurückzuführen, daß die Ehefrau berufstätig gewesen sei.
Ich habe mich bisher bemüht, mich nach dem
Namen des betreffenden Herrn zu erkundigen. Ich
habe die Antwort auf mein Schreiben noch nicht
bekommen; ich verpflichte mich aber gern, Ihnen Auskunft zu geben, sobald mir die Antwort zugegangen ist.
Im übrigen dazu, verehrte Frau Kollegin Ilk, vielleicht doch noch eine rein sachliche Bemerkung, von der ich glaube, daß wir auch hier miteinander übereinstimmen. Ich glaube sogar, daß das ganze Haus mit mir darüber einig ist, daß die Berufstätigkeit der Frau und Mutter, die eine Familie hat, nicht gerade als eine familienfördernde Angelegenheit angesehen werden kann.
Damit ist, meine Damen und Herren, mit keinem Wort irgendein Werturteil über gerade die vielen Frauen gefällt, die leider Gottes heute aus wirtschaftlicher Notlage sich gezwungen sehen, Heim und Kinder zu verlassen und in fremde Arbeit zu gehen. Was mir unsere gemeinsame Aufgabe in diesem Zusammenhang zu sein scheint, ist das, eine Familienpolitik auf allen nur denkbaren Gebieten gemeinsam zu betreiben, die die Frau und Mutter, die noch Kinder zu betreuen hat, soweit es irgend geht, von dem moralischen und wirtschaftlichen Zwang zur Berufstätigkeit bei fremden Arbeitgebern befreit.
Ich glaube, das ist eine Tendenz, in der wir völlig einig sind, und ich glaube auch, daß wir, wenn es hier einmal an konkrete Fragen gehen sollte, auch weiter einig bleiben werden.
Das vierte und letzte ist folgendes. Ich bin gestern schon von einer Journalistin angerufen worden, ob es zutreffe, daß ich ein Konsumförderungsprogramm irgendwo und irgendwann abgelehnt hätte. Verehrte Frau Kollegin, ich kann dazu erklären: mir ist diese Nachricht gestern morgen völlig neu gewesen. Ich stelle fest, daß man Dinge von mir nicht nur falsch zitiert, sondern daß man Dinge zitiert, über die ich überhaupt nicht gesprochen habe. In der Sache kann ich Ihnen also erklären, daß gerade die Anliegen, die Sie erwähnt haben — Waschmaschinen nicht nur, Kühlschränke stehen etwas im Hintergrund, also die Dinge, die die Arbeit der Frau im Haushalt erleichtern —, Anliegen sind, in denen wir schon länger mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium verhandeln und in denen gerade in den nächsten Tagen eine weitere Besprechung bevorsteht.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich darauf beschränken,, diese wenigen rein berichtigenden Bemerkungen zu machen. Frau Kollegin Ilk, ich darf annehmen, daß Sie durch diese sachliche Aufklärung über das, was ich wirklich gesagt habe, befriedigt sind.
Was im übrigen die sachlichen Anliegen der Familienpolitik angeht, die hier behandelt worden sind — Frau Kollegin Dr. Rehling ist darauf im einzelnen eingegangen—so hoffe ich, später einmal hier dazu zusammenhängend Stellung nehmen zu können.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Haben Sie denn nicht gehört daß ich ausdrücklich gesagt habe, ich glaube nicht ganz an die Richtigkeit dieses Berichts,
und daß ich nur zitiert habe, was darin steht?!
— das ist das erste
— und daß ich nur zitierte, um damit die Stimmung zu dokumentieren?
Herr Minister, ich glaube, Sie können sich denken, daß ich erfreut bin, daß Sie mir jetzt in vielen Punkten zustimmen.
Meine Damen und Herren, eine Frage wurde wohl nicht gestellt, so daß ich der Beantwortung enthoben bin.
Ich darf also schließen mit dem letzten Gedanken, daß ich aus der heutigen Debatte den Eindruck gewonnen habe: bei allen Meinungsverschiedenheiten über meine Existenz als Minister für Familienfragen besteht in der Sache, um die es dem Familienministerium geht, eine weitgehende Übereinstimmung mit allen Teilen des Hauses.
Ich möchte daraus eigentlich die Konsequenz ziehen, daß, wenn wir über die Frage der Abstimmung über meinen Haushaltsplan hinweg sind, wir dann auch zu einer nach allen Seiten hin sachlichen Zusammenarbeit im Interesse der Sache unserer Familien kommen sollten. Frau Kollegin Ilk, wenn Sie vorhin vorgeschlagen haben, man solle auch unter den Männern eine Bewegung zum Schutze der Frau und Mutter in der Familie schaffen: ich bin herzlich gern bereit, diesen Gedanken aufzugreifen, möchte aber noch einen Schritt weitergehen und dann gleich eine Verbindung dieser beiden Frauen- und Männerbewegungen in der Form vorschlagen, daß ich Ihnen in dieser Ilk-WuermelingBewegung den — — gleichberechtigten Mitvorsitz antrage.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich darf damit die Aussprache schließen.
Es steht zur Abstimmung der Antrag Umdruck 406 *) der Fraktion der SPD. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt und ausreichend unterstützt. Ich eröffne die Abstimmung. Wer dem Streichungsantrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich, mit Ja zu stimmen, wer dagegen ist, mit Nein, die übrigen mit „Enthalten". Ich bitte die Schriftführer, mit den Urnen die Stimmzettel einzusammeln.
Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorschlagen, daß wir während der Auszählung die jetzige Beratung unterbrechen und mit dem Einzelplan 30 — Bundesminister für besondere Aufgaben — fortfahren. — Widerspruch erfolgt nicht.
Dann rufe ich auf
Einzelplan 30: Bundesminister für besondere Aufgaben .
*) Siehe Anlage 10.
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Gleissner . Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor. Ich nehme an, daß auf ihn Bezug genommen wird. — Das Haus ist damit einverstanden.
Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vier Minister für besondere Aufgaben, wie diese Herren bei der Regierungsbildung getauft worden sind — ein Witzbold hat sie „Minister ohne besondere Aufgaben" genannt; man kann darüber streiten —, haben zusammen einen Etat von 795 800 DM. Gewiß, im Rahmen eines 30-
Milliarden-Budgets eine belanglose Summe! Wenn man aber der Meinung ist — ich glaube, das sollte man als Vertreter der Steuerzahler in diesem Hause tun —, daß jede unnütz und zwecklos ausgegebene Mark ein Diebstahl am Steuerzahler ist, dann müßte man sich die Frage vorlegen, ob diese vier Sonderminister —die persönliche Integrität der betreffenden Herren völlig außer Zweifel gelassen — nicht tatsächlich eine Bezeichnung verdienen, wie sie in den letzten Wochen einmal in einem der Opposition keineswegs nahestehenden „Welt" blatt
von der Nordseeküste geprägt worden ist, eine Bezeichnung inAnlehnung an einen Begriff aus einer verflossenen „großen" Zeit, wo man bekanntlich den „größten Feldherrn aller Zeiten" abgekürzt als „Gröfaz" bezeichnet hat, nämlich die Bezeichnung „ Ümaz", d. h. „überflüssigste Minister aller Zeiten".
Meine Damen und Herren, die Sache ist ernst genug, um nicht nur darüber zu scherzen. Die Herren Minister in allen Ehren, aber sie haben sich in der kurzen Zeit ihrer Tätigkeit schon ein recht beträchtliches. Apparätchen zurechtgelegt. Und wenn man nach der Presse gehen darf, dann besteht die Absicht, den Herren Ministern „ohne besondere Aufgaben" Aufgaben zu stellen — wenigstens dem einen oder andern von ihnen —, bei denen auch schon im Keime die Garantie vorhanden ist, daß sich da ein beträchtlicher Apparat entwickeln wird. Zum Beispiel der mir sonst sehr sympathische Herr Bundesminister Franz-Josef Strauß wird nach der „Welt" für ein Ressort in Aussicht genommen, das sich mit Fragen der Heimatverteidigung befassen soll. Ich will hier gar nicht eine Debatte über die Organisation des Wehrwesens vorwegnehmen; darüber werden wir noch genügend zu reden haben. Ich will auch nicht die Frage aufwerfen, ob eine solche Aufsplitterung der Aufgaben zweckmäßig ist. Wenn sie erfolgt, werden wir erleben, daß jeder der betreffenden Ressortminister sich sein Königreich baut, mit allen Konsequenzen!
Ich muß noch einmal sagen, meine Damen und Herren: Es wird so viel von Verwaltungsreform geredet, es sind so große Worte darüber gebraucht worden, und es haben sich so viele Leute beinahe moralisch verpflichtet, gerade bei diesen Ministerien zu beginnen, daß wir uns eigentlich sehr wundern müßten, wenn sie nicht heute die Gelegenheit wahrnähmen, einen Anfang zu machen.
Obwohl wir angesichts dessen, was sich hier in den letzten Tagen ereignet hat, wenig Grund für Optimismus haben, hoffen wir doch, daß Sie wirklich in sich gehen und mit uns gemeinsam das Problem der Vereinfachung der Verwaltung einmal dadurch anpacken, daß Sie die Ansatzpunkte aus-*) Siehe Anlage 13.
scheiden, von denen aus sich immer wieder gewisse Wucherungen in unserer öffentlichen Verwaltung entwickeln können, weil die einen oder anderen Herren Minister das Bedürfnis haben, sich noch eine Planstelle zuzulegen, noch einen Angestellten zu beschäftigen, noch ein Titelchen zu verwalten und noch eine Stelle im Haushaltsplan auszufüllen, die nach ihrer Meinung überflüssigerweise offengeblieben ist.
Und deshalb, meine Damen und Herren, beantragen wir für die sozialdemokratische Fraktion die Streichung des Einzelplans 30, weil wir glauben, daß die Aufgaben, die die Herren Minister jetzt nicht wahrnehmen, weil sie nicht existieren oder weil man sie erfinden muß, damit sie beschäftigt sind, von jedem beliebigen Ressort im Rahmen der Bundesverwaltung wahrgenommen werden können, ohne daß dadurch irgend etwas vernachlässigt wird, was der Bürger von der Regierung mit gutem Recht erwarten kann.
Wir beantragen auch in diesem Falle namentliche Abstimmung, damit klargestellt ist, wo die verschiedenen Propagandisten der Verwaltungsreform in dieser Frage stehen.
Meine Damen und Herren! Ich habe zuerst zu fragen, ob noch Damen und Herren da sind, die in der namentlichen Abstimmung zum Antrag Umdruck 406 ihre Stimme noch nicht abgegeben haben. — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
Ich kann nunmehr, indem ich hierauf zurückkomme, das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung zu Umdruck 406 bekanntgeben. Es haben von den stimmberechtigten Abgeordneten Stimmen abgegeben 360. Mit Ja haben gestimmt 143, mit Nein 206; enthalten haben sich 11. Von den Berliner Abgeordneten wurden 16 Stimmen abgegeben, 10 mit Ja, 6 mit Nein, enthalten 0. Damit ist der Antrag auf Umdruck 406 abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 29 des Bundesministers für Familienfragen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Einzelplan ist angenommen.
Wir fahren nunmehr fort im
Einzelplan 30 Bundesminister für besondere Aufgaben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bergmeyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, in die Debatte über den Einzelplan 30 einzugreifen, weil ich der Auffassung bin, daß die Arbeiten zur Vereinfachung der Verwaltung erst dann richtig in Angriff genommen werden können, wenn der dafür beantragte Ausschuß gebildet ist. Nachdem ich aber von verschiedenen Seiten angesprochen bin, fühle ich mich verpflichtet, einiges klarzustellen. Für die Bildung eines Ausschusses zur Vereinfachung der Verwaltung
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 5062. haben sich 151 Abgeordnete ausgesprochen. Dieser Antrag ist aber nicht mit einem Antrag auf Beseitigung der vier Sonderminister oder des Bundesratsministeriums identisch.
Die 151 Abgeordneten wollen die Prüfung aller derartigen Anregungen und Vorschläge einem Ausschuß übertragen, in dem sämtliche Fraktionen vertreten sind und der erst nach gründlicher Vorprüfung
zu irgendwelchen Entscheidungen kommt.
Ich selbst halte, wie Sie alle wissen, die Sonderminister und das Bundesratsministerium für überflüssig, weil sie keine echten ministeriellen Aufgaben haben und weil das Volk sie nicht will. Aber was die 151 Abgeordneten machen, ist ihre Sache. Wir haben keinen Fraktionszwang!
Ich kann deshalb nur wiederholen, daß erst nach Bildung des Ausschusses alle Arbeiten, die mit der Vereinfachung der Verwaltung und der Staatsvereinfachung zusammenhängen, aufgenommen werden sollen. Aus diesem Grunde habe ich mich bei den Haushaltsberatungen bewußt zurückgehalten. Im übrigen werde ich den Antrag demnächst im Plenum eingehend begründen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde Sie 20 Minuten vor Schluß dieser Debatte nur mit wenigen Sätzen aufhalten. Herr Kollege Schoettle, nachdem wir im Haushaltsausschuß lang und breit über die Verwaltungsreform und ihre Möglichkeiten gesprochen haben, wollen wir es sehr kurz machen. Sonderminister oder, wie Sie sie immer nennen wollen, Minister ohne Portefeuille gibt es in allen demokratischen Staaten, und Sie werden nicht bestreiten können, daß eine ganze Menge demokratischer Länder mit viel älterer Tradition als die Bundesrepublik einen viel reichlicheren Gebrauch als wir davon machen. Darüber, ob das gut oder ungut ist, läßt sich eine ganze Menge sagen. Wir haben jedenfalls allen Grund, anzunehmen, daß wir bis jetzt mit den Persönlichkeiten, die die Koalition aufgestellt hat, gut gefahren sind; wir schenken den Herren unser volles Vertrauen und wünschen, daß sie weiter amtieren. Eine weitere Debatte über diese politische Notwendigkeit halte ich hier nicht für notwendig.
Was die Sparsamkeit anlangt, die in diesen vier Ministerien ebenso notwendig ist wie in den anderen, so haben wir das Notwendige schon im Haushaltsausschuß beschlossen. Wir waren gemeinschaftlich nicht gewillt, irgendeine Ausweitung dieser Verwaltungen zu dulden, und werden das in der Zukunft auch nicht tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich mit dem Herrn Kollegen Dr. Vogel über die Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit von Ministern ohne Portefeuille zu unterhalten. Es gibt in anderen demokratischen Ländern vieles, was sich dort traditionell gefestigt und entwickelt hat, was bei uns infolge der fehlenden Tradition nicht recht paßt. Die Frage, ob die Minister, die aus Gründen der Koalitionsarithmetik in ihr Amt eingesetzt worden sind, dies einer staatspolitischen Überlegung oder einer verwaltungsmäßigen Notwendigkeit verdanken, könnten wir hier endlos diskutieren. Ich gestehe selbstverständlich offen, daß uns auch politische Gesichtspunkte bei unserer Haltung leiten. Warum sollte man das abstreiten?
— Das wollen wir ja gar nicht. Es ist viel besser, in diesen Fragen ganz offen zu sein.
Sie gehen ja auch nicht von Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern ausschließlich von politischen Motiven aus.
Aber ein Wort an Herrn Kollegen Dr. Bergmeyer, in aller Freundschaft; wir kennen uns viel zuwenig; vielleicht wird sich das im Laufe der Zeit bessern. Lieber Herr Kollege Dr. Bergmeyer, Sie beantragen einen Ausschuß von 11 Köpfen. Ich sage Ihnen ganz offen: Was immer Sie in diesem Parlament an Ausschüssen zum Studium der Probleme der Verwaltungsreform einsetzen, wird wie das Hornberger Schießen ausgehen.
Darauf können Sie sich verlassen — und wir sprechen uns wieder! —, weil Sie die Kardinalprobleme ja gar nicht angehen können und vielleicht
— ich weiß es nicht — auch nicht dürfen, die mit dem Thema Verwaltungsreform auf die Tagesordnung gesetzt werden.
— Entschuldigen Sie, Herr Dr. Bergmeyer, ich will ja versuchen, einen Standpunkt sachlich darzutun, der an Ihren eigenen Standpunkten in den kommenden Auseinandersetzungen gemessen werden wird. Wir haben soviel von Verwaltungsreform, auch auf anderen Ebenen, in den Ländern usw., gehört, und immer lief es praktisch darauf hinaus: der Berg hat gekreißt, und ein Mäuschen — im höchsten Falle ein Mäuschen! — wurde geboren.
Das ist immer das gleiche, wo Sie auch die Geschichte anpacken, solange Sie nicht systematisch darauf abzielen, die Frage der Aufgabenverteilung in Angriff zu nehmen und bestimmte prinzipielle Fehlentwicklungen in unserem staatlichen Leben zu korrigieren. Das ist eine schwere Aufgabe. Wenn der Bundestag sich entschließen sollte, Ihnen zu folgen und einen Ausschuß von 11 Köpfen einzusetzen, dann beneide ich die 11 Abgeordneten nicht um ihre Aufgabe: denn sie werden sie weder in diesem noch im nächsten Bundestag lösen können. Aber eines, Herr Kollege Bergmeyer, ist zu
sagen: Wenn es einen Ausschuß gibt, der zusammen mit den von diesem Hause geschaffenen Institutionen, wie z. B. dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, etwas tun kann, um die Auswüchse der Verwaltung zu beschneiden, dann ist es mit genügender politischer Deckung durch das ganze Haus der Haushaltsausschuß des Bundestages.
Leider vermissen wir diese Deckung recht oft. Bei allem guten Willen stoßen wir uns an den Grenzen, die uns durch die Realitäten des politischen Lebens in diesem Hause gesetzt sind.
— Nun, ob wir nichts erreicht haben, Herr Bergmeyer, das liegt sehr im Auge des Beschauers, und ich möchte Ihnen lieber raten: Suchen Sie sich einige kenntnis- und erfahrungsreiche Kollegen in Ihrer eigenen Fraktion, die Sie über das unterrichten, was dort mit großer Mühe geschaffen worden ist und was manchmal hier im Plenum wieder ins Gegenteil verkehrt wird. Das ist ja die Tragik der Arbeit in einem Ausschuß wie dem Haushaltsausschuß. Ich möchte Ihnen nur als Kollege einen Gefallen tun und Sie vor jeder Illusion warnen, daß bei Ihrem Antrag irgend etwas herauskäme. Stimmen sie unserem Antrag zu!
Das Wort hat der Abgeordnete Seiboth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Behandlung und der nachfolgenden Abstimmung über den Einzelplan 30 befindet sich die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE in keiner sehr beneidenswerten Situation.
Ich sage das sehr offen, und ich will auch begründen, warum. Gerade wir als eine der kleinen Fraktionen dieses Hauses, die wir uns seinerzeit auf Einladung der größten Fraktion zur Teilnahme an der Regierung entschlossen hatten, haben vor zwei Jahren in die Einrichtung dieser Institution der Sonderministerien wenn auch nicht übertriebene, so doch immerhin gute Hoffnungen gesetzt. Der Herr Bundeskanzler hat, wie auch im Vorwort zum Einzelplan 30 erwähnt ist, in der Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 gesagt, daß diese Sonderminister die Aufgabe haben würden, das politische Element im Kabinett stärker zur Geltung zu bringen
und außerdem eine engere Verbindung mit den hinter dem Kabinett stehenden Fraktionen des Bundestages herzustellen.
Nun, meine Damen und Herren, wir, die wir als kleinere Fraktion mit noch drei anderen Fraktionen in eine Koalition gingen, die also aus vier Parteien gebildet wurde und an deren Regierungsspitze ein Kanzler steht, der, wie in letzter Zeit in aller Öffentlichkeit, auch in der Presse öfter erwähnt wurde, von dem ihm verfassungsmäßig zustehenden Recht, die Richtlinien der Politik zu be-
stimmen, recht ausgiebig und weitestgehend Gebrauch macht, wir waren nun der Meinung, daß diese Einrichtung der Sonderminister im Hinblick auf die ihnen vom Herrn Bundeskanzler gestellte wichtige Aufgabe es auch uns, den kleineren Fraktionen, nicht nur ermöglichen würde, darüber unterrichtet zu werden, was das Kabinett politisch vorhat, sondern auch unsere besonderen Wünsche im Kabinett entsprechend zur Geltung zu bringen. Ich muß offen eingestehen, daß viele meiner politischen Freunde, nicht zuletzt auf Grund der Erfahrungen, die wir in der letzten Woche bei der Behandlung sozialer Fragen im Plenum des Bundestages gemacht haben, der Meinung sind, daß wir zwar innerhalb der Koalition in außenpolitischen Fragen im großen und ganzen einer Auffassung sind, daß aber auch die Einrichtung der Sonderminister — Verbindung zwischen Koalitionsfraktionen und dem Kabinett — es nicht vermocht hat, bei gewissen unterschiedlichen Meinungen, die immer da sein werden, wenn wir nicht der Uniformität in der Politik huldigen wollen, gewisse Dramatisierungen zu verhindern, und daß wir besonders auf dem sehr weiten Gebiet der Innenpolitik, im besonderen der Sozialpolitik, mit unseren Wünschen von unseren Koalitionspartnern bisher weitgehend im Stich gelassen worden sind.
Hier — wir müssen das offen aussprechen — ist innerhalb unserer Fraktion und auch unserer Wählerschaft eine tiefe Mutlosigkeit, um nicht zu sagen Verbitterung eingetreten.
Wenn man uns immer bei noch so bescheidenen sozialen Wünschen, so berechtigt sie auch sind, entgegenhält: Für diese Zwecke ist das nötige Geld nicht da, dann müssen wir, auch wenn es sich um verhältnismäßig kleine Beträge im Rahmen des Gesamthaushalts handelt, Einsparungen an Ausgaben vornehmen, die für Einrichtungen eingesetzt sind, die sich in unserem Sinne eben nicht voll und ganz bewährt haben.
Auf der anderen Seite haben wir aber als Koalitionspartei seinerzeit diese Einrichtung mit den anderen vereinbart. Wir meinen, wir sollten den Weg der Abschaffung der Sonderministerien, den wir von uns aus zu gehen entschlossen sind, nicht über den Etat gehen. Das käme einer Art Roßkur gleich, bei der man nicht weiß, welchen Erfolg sie unter Umständen haben würde. Wir haben deshalb in unserer Fraktion beschlossen, sehr bald nach der Verabschiedung des Etats sowohl an die Bundesregierung als auch an unsere Koalitionspartner mit dem dringenden Verlangen heranzutreten, die Sonderministerien abzuschaffen.
Das ist auch der Grund, um eines gewissen Koalitionsstiles wegen — sagen wir es einmal so —,
warum kaum jemand aus unserer Fraktion dem Antrag auf Streichung des Etats zustimmen wird. Dagegen wird es in unserer Fraktion bei der Abstimmung über den Einzelplan 30 wohl in überwiegender Zahl Enthaltungen geben.
Ich hatte den Auftrag, im Namen meiner politischen Freunde, die sich bei diesem Einzelplan der
Stimme enthalten werden, Ihnen die Begründung für unser Verhalten bekanntzugeben.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 407 *) der Fraktion der SPD auf Streichung des Einzelplans 30. Es ist namentliche Abstimmung beantragt und hinreichend unterstützt. Ich eröffne die Abstimmung. Wer dem Streichungsantrag zustimmen will, den bitte ich, die JaKarte abzugeben, wer dagegen ist, die Nein-Karte, die übrigen die Karte für die Enthaltung. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmzettel mit den Urnen einzusammeln.
Meine Damen und Herren, zur Beschleunigung würde ich Ihnen vorschlagen, einen weiteren Einzelplan zu behandeln. Da der Einzelplan 40 sehr umfangreich ist, schlage ich vor, hierfür den Einzelplan 45, Finanzielle Hilfe für Berlin, zu nehmen. Besteht darüber Einverständnis?
— Herr Kollege Mellies!
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es hat doch keinen Sinn mehr, daß wir jetzt noch mit einem neuen Einzelplan anfangen. Wir haben nach den Vereinbarungen nicht einmal mehr 15 Minuten Zeit, und, Herr Präsident, ich finde, wir sollten eine so wichtige Angelegenheit wie die finanzielle Hilfe für Berlin nicht in so wenigen Minuten durchzupressen versuchen. Ich beantrage, daß die Verhandlungen heute abend geschlossen werden und daß wir sie morgen fortsetzen.
Ich habe den Eindruck, daß das Hohe Haus dieser Meinung ist. — Dann nehmen wir keinen neuen Punkt mehr.
Ich bitte, die namentliche Abstimmung zu beschleunigen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, im Saal zu bleiben; wir haben nach der namentlichen Abstimmung noch die Schlußabstimmung vorzunehmen.
Sind noch Damen und Herren im Saal, die bei der namentlichen Abstimmung ihre Stimme nicht abgegeben haben? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Ich darf inzwischen bekanntgeben, daß die Sitzung des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens morgen nicht stattfinden wird.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 407 bekannt. Abgestimmt haben 358 stimmberechtigte Abgeordnete. Mit Ja haben 132 gestimmt, mit Nein 208, enthal-
*) Siehe Anlage 11.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 5062.
ten haben sieh 18. Von den Berliner Abgeordneten haben 15 abgestimmt, mit Ja 8, mit Nein 6, enthalten hat sich einer. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 30. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 30 ist angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung; soweit sie nicht erledigt ist, wird sie morgen erledigt werden.
Ich berufe die nächste, die 90. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 22. Juni, 9 Uhr. Ich schließe die heutige Sitzung.