Rede von
Erwin
Schoettle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vier Minister für besondere Aufgaben, wie diese Herren bei der Regierungsbildung getauft worden sind — ein Witzbold hat sie „Minister ohne besondere Aufgaben" genannt; man kann darüber streiten —, haben zusammen einen Etat von 795 800 DM. Gewiß, im Rahmen eines 30-
Milliarden-Budgets eine belanglose Summe! Wenn man aber der Meinung ist — ich glaube, das sollte man als Vertreter der Steuerzahler in diesem Hause tun —, daß jede unnütz und zwecklos ausgegebene Mark ein Diebstahl am Steuerzahler ist, dann müßte man sich die Frage vorlegen, ob diese vier Sonderminister —die persönliche Integrität der betreffenden Herren völlig außer Zweifel gelassen — nicht tatsächlich eine Bezeichnung verdienen, wie sie in den letzten Wochen einmal in einem der Opposition keineswegs nahestehenden „Welt" blatt
von der Nordseeküste geprägt worden ist, eine Bezeichnung inAnlehnung an einen Begriff aus einer verflossenen „großen" Zeit, wo man bekanntlich den „größten Feldherrn aller Zeiten" abgekürzt als „Gröfaz" bezeichnet hat, nämlich die Bezeichnung „ Ümaz", d. h. „überflüssigste Minister aller Zeiten".
Meine Damen und Herren, die Sache ist ernst genug, um nicht nur darüber zu scherzen. Die Herren Minister in allen Ehren, aber sie haben sich in der kurzen Zeit ihrer Tätigkeit schon ein recht beträchtliches. Apparätchen zurechtgelegt. Und wenn man nach der Presse gehen darf, dann besteht die Absicht, den Herren Ministern „ohne besondere Aufgaben" Aufgaben zu stellen — wenigstens dem einen oder andern von ihnen —, bei denen auch schon im Keime die Garantie vorhanden ist, daß sich da ein beträchtlicher Apparat entwickeln wird. Zum Beispiel der mir sonst sehr sympathische Herr Bundesminister Franz-Josef Strauß wird nach der „Welt" für ein Ressort in Aussicht genommen, das sich mit Fragen der Heimatverteidigung befassen soll. Ich will hier gar nicht eine Debatte über die Organisation des Wehrwesens vorwegnehmen; darüber werden wir noch genügend zu reden haben. Ich will auch nicht die Frage aufwerfen, ob eine solche Aufsplitterung der Aufgaben zweckmäßig ist. Wenn sie erfolgt, werden wir erleben, daß jeder der betreffenden Ressortminister sich sein Königreich baut, mit allen Konsequenzen!
Ich muß noch einmal sagen, meine Damen und Herren: Es wird so viel von Verwaltungsreform geredet, es sind so große Worte darüber gebraucht worden, und es haben sich so viele Leute beinahe moralisch verpflichtet, gerade bei diesen Ministerien zu beginnen, daß wir uns eigentlich sehr wundern müßten, wenn sie nicht heute die Gelegenheit wahrnähmen, einen Anfang zu machen.
Obwohl wir angesichts dessen, was sich hier in den letzten Tagen ereignet hat, wenig Grund für Optimismus haben, hoffen wir doch, daß Sie wirklich in sich gehen und mit uns gemeinsam das Problem der Vereinfachung der Verwaltung einmal dadurch anpacken, daß Sie die Ansatzpunkte aus-*) Siehe Anlage 13.
scheiden, von denen aus sich immer wieder gewisse Wucherungen in unserer öffentlichen Verwaltung entwickeln können, weil die einen oder anderen Herren Minister das Bedürfnis haben, sich noch eine Planstelle zuzulegen, noch einen Angestellten zu beschäftigen, noch ein Titelchen zu verwalten und noch eine Stelle im Haushaltsplan auszufüllen, die nach ihrer Meinung überflüssigerweise offengeblieben ist.
Und deshalb, meine Damen und Herren, beantragen wir für die sozialdemokratische Fraktion die Streichung des Einzelplans 30, weil wir glauben, daß die Aufgaben, die die Herren Minister jetzt nicht wahrnehmen, weil sie nicht existieren oder weil man sie erfinden muß, damit sie beschäftigt sind, von jedem beliebigen Ressort im Rahmen der Bundesverwaltung wahrgenommen werden können, ohne daß dadurch irgend etwas vernachlässigt wird, was der Bürger von der Regierung mit gutem Recht erwarten kann.
Wir beantragen auch in diesem Falle namentliche Abstimmung, damit klargestellt ist, wo die verschiedenen Propagandisten der Verwaltungsreform in dieser Frage stehen.