Rede von
Heinz
Kühn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Daß wir in der inflationistischen Bereitschaft, der Gefräßigkeit der Gesprächspartner das notwendige Futter hinzustreuen, unterlegen sind, dürfte ja auch Ihnen bekannt sein.
Meine Damen und Herren! Es wächst wiederum — ich wollte zum Presse- und Informationsamt als besonderer Institution sprechen — ein neues Provisorium aus Beton und Stahl aus dem Bonner Boden — 5 Millionen DM kostet es —, das Bundespresse- und Informationsamt. Man hat uns gesagt, daß sogar der Herr Bundeskanzler gegrollt haben soll, weil das Gebäude ihm den Ausblick auf den Drachenfels zu verbauen im Begriffe sei.
Nun, wir befürchten mehr, daß an Stelle dieser mythischen Drachenhöhle, auf die der Ausblick verbaut wird, eine neue Drachenburg gebaut werden könnte. Und hoffentlich wird es da nicht zu einer Ansammlung zahlreicher Reptilien kommen, die von dort aus betreut werden. Denn mir scheint dieses Gehäuse sehr geeignet zu sein, in einer günstigen Stunde einmal alles das zu umschließen, was Herr Lenz damals mit seinem Informationsministerium angestrebt hatte und was zunächst einmal als Folge der verdienstvollen Aktion der Bundespressekonferenz, der in- und ausländischen Presse, gescheitert ist. Aber ich bin ganz sicher, daß dieses Projekt noch nicht endgültig zu Grabe getragen ist.
Ich will nicht grundsätzlich gegen die Notwendigkeit eines solchen Neubaus sprechen. Ohne jeden Zweifel war das Bundespresse- und Informationsamt sehr unbefriedigend untergebracht. Nicht nur aus Gründen der Symbolik glaube ich, daß die Betreuung der Journalisten in einer Kaserne schlecht placiert ist. Auch technisch waren die dortigen Unterkunftsverhältnisse außerordentlich unzureichend. Man hat beispielsweise für die rundfunktechnische Aufnahme von den „Bleikammern von Bonn" gesprochen. Ein großer Teil der Angestellten, der sich mit diesen Dingen zu beschäftigen hat, ist absolut unzulänglich untergebracht. Aber ich glaube, weniger hätte auch in diesem Falle genug sein können. Der Haushaltsausschuß hat einstimmig die Anforderungen des Bundespresse- und Informationsamts als übertrieben bezeichnet.
Diese Entscheidung des Haushaltsausschusses hat nun wieder den Zorn des Herrn Forschbach wachgerufen, der jetzt als sechster Bundespressechef des ersten Bundeskanzlers Dienst tut. Er hat seinen Zorn insbesondere auf das Haupt der Sozialdemokraten gelenkt. In einigen, wie ich annehme, nicht ganz uninspirierten Artikeln wird davon gesprochen, daß die Publikationen des Bundespresse- und Informationsamtes, als da sind die Kommentare, die Übersicht über die Rundfunksendungen und all dies, besonders auch an die Opposition geliefert worden seien. In einem Artikel heißt es: „. . . und auch die Opposition", in einem anderen: ,,. . . vor allem auch die Opposition" und „doch auch die Opposition". Eine Zeitung schreibt, über 70 % der Volltextanforderungen zwischen dem 1. und 21. März seien — und dann kommt ein Gedankenstrich — von der SPD angefordert worden. Erstens einmal, möchte ich sagen, ist das doch kein Grund zu besonderem Erstaunen. Denn das Bundespresse- und Informationsamt hat, soweit es das Parlament beliefert, schließlich nicht die Aufgabe, eine Koalitionsmonopoleinrichtung zu sein.
Zweitens sollte man sich doch freuen, wenn man das Produkt seiner Arbeitsleistung auch genutzt sieht, selbst wenn dies in einem besonderen Umfang die Opposition tut.
Der Rundfunkabhördienst und Auslandsdienst ist eine gute und respektable Leistung des Bundespresse- und Informationsamtes, für die man dankbar sein kann. Keine respektable Leistung war allerdings jener Brief, den Herr Forschbach dann in Zirkulation setzte und zu dem mein Freund Schoettle im Rahmen der Haushaltsdebatte noch besonders Stellung nehmen wird, weil dieses Kapitel ihn als den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses in einem besonderen Maße angeht. Als ich diesen Brief bekam, in dem Herr Forschbach mitteilte, daß er künftig diese Publikationen nicht mehr zusenden könne, daß man sie sich äußerstenfalls noch bei ihm abholen könne, habe ich zunächst gedacht, daß ich mir als stellvertretender Vorsitzender des Presseausschusses diese besondere Aufmerksamkeit Herrn Forschbachs verdient habe. Ich habe mein Gewissen durchforscht. Ich war mir nichts Bösen bewußt. Ich habe dann festgestellt, daß auch andere Kollegen meiner Fraktion einen solchen Brief bekommen haben. Nun, hier ist die gebotene Grenze entschieden überschritten.
Es ist eine grobe Ungehörigkeit eines Beamten dem Parlament gegenüber, gegen den wohlerwogenen Beschluß eines Parlamentsausschusses den administrativen Kleinkrieg zu eröffnen. Aber dazu wird mein Freund Schoettle noch einiges Deutliches sagen. Auch das Bundespresse- und Informationsamt hat der Regierung und dem Parlament, der Koalition und der Opposition, im Rahmen des Möglichen zu dienen.
Wenn Herr Forschbach bei den inneren Arbeitseinsparungen, die ihm durch den Haushaltsausschuß auferlegt waren, nicht in der Lage ist, so viel einzusparen, daß er den Abgeordneten noch die Drucksachen zusenden kann, die ja als eine Kollektivsendung an dieses Haus kommen — die Verteilung an die einzelnen Abgeordneten geschieht hier —, wenn er nicht einmal einen Boten erübrigen kann, der diese Drucksachen vom Presse- und Informationsamt in dieses Haus bringt, sind wir in der Lage, ihm einige Hinweise zu geben. Ich könnte nur am Rande sagen, beim Abhördienst ließe sich der kasakstanische Alma-Ata-Sender und der sudanesische Omdurman-Sender bestimmt einsparen, auf den in einigen Artikeln als besondere Glanzleistung des Bundespresse- und Informationsamtes hingewiesen wurde.
Wenn das aber nicht reicht, dann soll man im Bundespresse- und Informationsamt jede Art von Parteipropaganda unterlassen.
Die Publikation von Telegrammen und Briefen an den Herrn Bundeskanzler, die Elogen für seine Politik und Zustimmung zu seiner Politik enthalten, ist Sache der zuständigen Dienststellen der CDU.
Auch die Parteitelegramme der CDU, z. B. das Parteitelegramm der CDU von Baden-Württemberg, das in den offiziellen Publikationen mitgeteilt worden ist, gehören nicht in die Publikationen des Bundespresse- und Informationsamtes. Sonst müssen wir das Bundespresseamt bitten, künftig auch die Mißbilligungsdokumente der Sozialdemokratischen Partei in all den Zuschriften der Landesorganisationen unserer Partei an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers mitzuteilen.
Vielleicht wäre das nicht ganz ohne Nutzen. Aber ich glaube, diese Dinge gehören in die zuständigen Dienststellen der einzelnen Parteien, der Regierungsparteien sowie der Opposition, und nicht in die Publikationen eines Bundespresse- und Informationsamtes.
Wir Sozialdemokraten haben am Neubau des Bundespresse- und Informationsamtes auch noch eine andere Kritik geübt. Wir sind der Meinung, daß der vorgesehene Aufwand in diesem Umfang gewiß nicht notwendig gewesen wäre. Es heißt, im Sitzungssaal sollen Beleuchtungskörper zum Preise von etwa 4000 DM, 200 Stühle à 100 DM angebracht bzw. aufgestellt werden Ich glaube, wenn wir überall der Repräsentationssucht unserer Zeit — ich sage das nicht an eine Seite, ich sage das allgemein an die deutsche Öffentlichkeit — etwas schärfere Zügel anlegten, könnte dies nur von Nutzen sein.
Wir glauben auch nicht, daß der Aufwand in diesem speziellen Fall besonders notwendig ist. Die Wirkung kostspieliger Beleuchtungskörper und der Komfort behaglicher Sitzflächen wird, glaube ich, nicht die Skepsis beheben können, die viele Journalisten empfinden, wenn sie vom Bundespresse- und Informationsamt reden; sie meinen, etwas weniger äußerer Aufwand, wie er beabsichtigt ist, dafür aber etwas mehr echte Informationsbereitschaft könnten nur von Nutzen sein.
Hier stellt sich noch einmal die Frage nach der Funktion dieses Amtes. Soll es nur Hilfsinstrument der Regierung zur publizistischen Meinungslenkung sein, oder soll es ein Instrument sein zur möglichst vollständigen und möglichst objektiven Information der Öffentlichkeit? Wir sind der Meinung, das Amt sollte das letztere tun.
Herr von Eckardt, dessen Ausscheiden nun zur Vervollständigung des ersten halben Dutzend an Pressechefs geführt hat, war dem Typus nach ein Journalist, und er verstand es, seiner Tätigkeit eine, ich möchte sagen, gewinnende Atmosphäre zu geben, wenn er damit auch dem Amte selbst nicht immer den notwendigen Inhalt gegeben hat. Mit Herrn Forschbach tritt nun ein Verwaltungsbeamter — vorläufig oder endgültig - an die Spitze dieses Amtes, und wir befürchten, daß er mit erprobter Befähigung sich und sein Amt in den Dienst seines Chefs stellen und das Amt allzusehr als eine Informations- und Meinungslenkungsinstitution der Regierung empfinden wird. Das wird weder den Aufgaben eines solchen Amtes dienen — wenn man es nicht als den Beginn eines Propagandaministeriums empfindet —, noch wird es den Journalisten und der Information der Öffentlichkeit dienen.
Sie alle haben Gelegenheit gehabt, die Bedenken des Bundesrechnungshofs in der Drucksache 1140 zu lesen. Diese Bedenken sollten hier auch diejenigen nachdenklich stimmen, die unsere Einwendungen gern als Einwendungen der Opposition mit einer Handbewegung abtun möchten. Der Bundesrechnungshof hat in dieser Drucksache deutlich darauf hingewiesen, daß man das Bundespresse- und Informationsamt nicht ins Bundeskanzleramt eingliedern sollte. In diesem sehr nachlesenswerten Bericht des Bundesrechnungshofs steht der Hinweis auf die Gefahr der mißbräuchlichen Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dort wird gesagt, daß das Bundespresse- und In-
formationsamt deutlich und sorgsam die Grenze zwischen staatspolitischer und parteipolitischer Aufklärung beachten sollte.
Zum Schluß heißt es, die Parteipolitik zu vertreten, sei Sache der Parteien.
Wir glauben — lassen Sie mich das abschließend sagen —, daß erst dann, wenn die vom Bundesrechnungshof dort aufgestellten Prinzipien in vollem Umfange gewahrt werden und wenn dazu das Bundespresse- und Informationsamt zu einem kleineren Apparat wird und wenn es in der Führung des Amtes persönlich und sachlich mit einem Höchstmaß an Unabhängigkeit geleitet wird, sich die Hoffnungen erfüllen können, die in dem Trinkspruch anläßlich des Richtfestes zum Informationsgebäude ausgesprochen worden sind: daß hier allein „der Wahrheit und dem rechten Wort" gedient werden soll.