Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus und die deutsche Öffentlichkeit haben Anspruch darauf, daß das Thema Bundespresse- und Informationsamt immer wieder gründlich durchdiskutiert wird. Im vergangenen Jahre habe ich dazu das Wort ergriffen — als ganz freier Demokrat —,
und der Herr Kollege Kühn hat es aufgegriffen, indem er darauf den Begriff prägte: GFDP. Ich möchte auch im Geiste dieser „ganz freien demokratischen Partei" als ganz freier Demokrat sprechen. Ich nehme an, daß das die größte Fraktion ist; wer in diesem Hause möchte nämlich nicht ein ganz freier Demokrat sein!
Ich bin der Meinung, daß es sich hier wirklich um ein überparteiliches Anliegen handelt.
Da ist zuerst Tit. 710 mit 950 000 DM Restbetrag zum Neubau eines Dienstgebäudes. Kollege Kühn hat einiges bereits darüber gesagt. Aber ich bin der Meinung, man solle nicht über verschüttete Milch und über ausgeschüttete Millionen klagen. Wer A sagt, der muß auch B sagen. Das A hat in diesem Falle den Wert von 4,1 Millionen, A und B sind zusammen 5 050 000 DM — ein hübscher Bau und eine hübsche Summe.
Vergleichen wir damit einige andere Dinge hier in Bonn, z. B. die Baracken für die ausländische und die deutsche Presse. Vergleichen wir damit auch, was uns Abgeordneten immer noch zugemutet wird. Als im vergangenen Jahr unser Kollege Professor Reif 2 Millionen beantragte, damit anständige und für die Arbeit geeignete Büros für die Abgeordneten geschaffen werden könnten, ist das sofort abgelehnt worden mit dem Hinweis: Provisorium.
— Von der Majorität des Hauses. Hier sitzt sie.
Meine Damen und Herren, wir sind alle der Meinung, daß es sich hier um ein Provisorium handelt, nämlich, soweit Bonn in Betracht kommt. Wir alle sind der Meinung, daß unsere hochverehrte Frau Kollegin Dr. Lüders recht gehabt hat, als sie bei Eröffnung des Bundestages sagte: „Wir sind hier in Bonn nur, solange wir nicht in Berlin sein können." Ich habe jedes Verständnis dafür, daß man darauf hinweist, für ein Provisorium sollte man nicht zusätzliche Millionen ausgeben. Aber dann sollte das auch überall gelten. Denn dieses Gebäude, das jetzt da entsteht, scheint mir nicht sehr provisorisch aufgeführt zu sein.
Wir sind in neuen Gründerjahren angelangt. Da gibt es ein schönes Wort von Ricarda Huch über die ersten Gründerjahre; sie sagte: So wie die Denkmäler immer größer wurden, mußten die öffentlichen Plätze auch größer werden; und dann waren sie wieder zu klein für die Denkmäler, und diese mußten wieder wachsen. So führen wir in den neuen Gründerjahren immer neue Gebäude auf, und dann sind sie so groß, daß man neue Beamtenscharen dafür braucht; dann braucht man wieder größere Gebäude, und so ad infinitum.
Höchst dankenswerterweise hat der Haushaltsausschuß den Regierungsentwurf in dieser Beziehung etwas reduziert. Während das Bundespresse-und Informationsamt im letzten Haushalt mit 31 Beamten auskam, wurden diesesmal 38 angefordert. Vom 18. Ausschuß wurden sie auf 33 heruntergesetzt. Auch das finde ich noch reichlich: 9 Oberregierungsräte, 4 Regierungsräte, 1 Ministerialbürodirektor usw. 1954 kam man mit 313 Angestellten aus; jetzt sind es 345. Früher waren es 33 Arbeiter; jetzt sind es 49. Wirklich, wenn man diese Zahlen zusammenzählt, das sind bereits mehrere Propagandakompanien.
Nach dem Entwurf sollte eine Erhöhung von 16 121 000 auf 19 755 000 DM stattfinden, wobei der größte Einzelposten jener berühmte Tit. 300 ist, insgesamt 11 250 000 DM. Allerdings, 1 250 000 DM sind dabei nur einmal angefordert. Auch Tit. 302 für Veröffentlichungen der Bundesregierung ist von 800 000 DM auf 1 Million erhöht worden. Darunter fällt das Bulletin. Ich komme darauf noch zurück.
Zuerst Tit. 300. Selbst in unserer milliardenfreudigen Zeit ist das eine ganz ansehnliche Zahl; man kann damit eine ganz erhebliche Steuerung der Presse und der öffentlichen Meinung herbeiführen. Was mich aber besonders interessiert, ist die Fußnote zu diesem Titel, wonach der Ansatz auch die Public-relations-Arbeit im In- und Ausland einschließt. Public relations, das ist ein weites, ein wichtiges Gebiet, das nicht mit Propaganda verwechselt werden darf. Public relations, das ist konstruktive Werbung für den Staat, durch gute politische Manieren, durch taktvolles Handeln, die Staatspersönlichkeit entsprechend zur Geltung zu bringen. Vielleicht könnte man also einige Mittel aus dem Tit. 300 auch dafür verwenden, ein pädagogisches Programm für gute politische Manieren aufzustellen.
Nun gibt es einige betrübliche Beispiele gerade aus der letzten Zeit für schlechte public relations. Ich weise auf den Fall der Villa Massimo in Rom hin, einer Stiftung der Familie Arnold, die für deutsche Künstler bestimmt ist und seit 1910 Sitz
der Deutschen Akademie in Rom gewesen ist. Als ich Ostern in Rom war, habe ich mich sehr eingehend mit jenen Plänen befaßt, die ausgesprochen schlechte public relations verraten, nämlich die Villa Massimo in zweckentfremdender Weise zum Sitz der deutschen Botschaft zu machen. Herr Kollege Arndt hat in der Fragestunde vom 4. Mai dieses Jahres diese wichtige Angelegenheit dem Hohen Hause vorgetragen, aber leider eine ganz unbefriedigende Antwort erhalten.
Wenn man dazu erfährt, daß von offiziellster Seite in Rom in Gegenwart von italienischen und deutschen Journalisten über die Künstler als „reichlich prätentiöse Herrchen" und „Pinselpfuscher" gesprochen wird,
dann muß man sich doch fragen, wie es mit den public relations bestellt ist.
Man muß noch dazu bedenken, daß die Beziehungen zwischen Deutschland und Italien in der neuen Zeit immerhin mit solchen „Kunstfritzen" begonnen haben wie einem gewissen Winckelmann, einem Goethe und ähnlichen. Es wurde auch gesagt, es seien keine Mittel für die Unterhaltung der Villa Massimo da. Welch legitime Verwendung für Mittel aus Tit. 300! Public relations, wie sie sein sollten!
Public relations in Amerika, diesem für uns so entscheidend wichtigen Land! Da ist uns Frankreich bei weitem über. Wenig ist in Amerika vom deutschen Standpunkt etwa in der Saarfrage, und sehr wenig ist über den deutschen Osten bekannt. Auch über die innerste europäische Notwendigkeit, die in der Wiedervereinigung beschlossen liegt, ist nicht genügend bekannt; denn das Politische genügt nicht. Es kommt darauf an, der Welt darzustellen, daß es sich bei einem deutschen Interesse, einem deutschen Recht um ein allgemeines Interesse handelt, um eine Angelegenheit, an der alle freien Nationen zutiefst beteiligt sind. Durch Reisebüro-public-relations kann man das nicht ersetzen. Ich konnte selber feststellen, daß es nur Deutschland und die deutsche Volksgruppe sind, die drüben noch kein eigenes Rundfunk- und Fernsehprogramm haben. Ich bin überdies der Meinung, daß man public relations mit diesem Fonds durch Einladungen an Schüler und Studenten aus der ganzen Welt in viel größerem Umfange als bisher ausbauen könnte.
Ich würde auch sagen, daß es die Aufgabe dieses Public-relations-Fonds ist, für die Richtigstellung zahlreicher Geschichtslegenden zu sorgen, z. B. die Geschichtslegende, daß wir in Deutschland in unserer Geschichte niemals Demokratie gehabt hätten. Sehr vieles müßte gesagt werden über die Wiedergutmachung, was natürlich zur Voraussetzung hat, daß das Problem der Wiedergutmachung auch befriedigend gelöst wird.
Das Bulletin wäre hierfür auch recht geeignet. Da sind, wie gesagt, 200 000 DM zusätzlich angefordert worden. Eine Fußnote zu Tit. 302 sagt, daß diese Erhöhung auch durch Hinzutreten einer arabischen Ausgabe bedingt ist.
— Ich gestehe, Herr Kollege, daß meine Kenntnis des Arabischen sehr beschränkt ist. Sie ist nicht größer als die jedes gebildeten Deutschen, der in seiner Jugend Karl May gelesen hat.
Aber die Fachleute versichern mir, daß es mindestens fünf arabische Sprachen und Spracharten gibt, und es wird gesagt, daß man sich so schwer untereinander verständigen könne wie etwa deutsche Parteipolitiker, die verschiedenen Parteien angehören.
Welches Arabisch es also ist, wage ich nicht zu entscheiden, aber ich stelle die Frage, ob wir im nächsten Jahre weitere 100 000 DM dafür aufbringen müssen, weil die übrigen arabischen Gruppen nunmehr auch mit dem Bulletin beglückt werden sollen. Darüber muß man doch Auskunft bekommen können. Ich bin allerdings ein wenig skeptisch geworden, was die Fachleute anlangt, wenn ich mir so die fehlerhaften Übersetzungen selbst aus schlichten französischen und englischen Texten vorstelle.
Ich bin der Meinung — wir haben das letztes Jahr schon einmal in aller Deutlichkeit hier von allen Fraktionen ausgesprochen —, daß das Bulletin nicht zu einem in der Verfassung nicht vorgesehenen Mittel der authentischen Interpretation dieser Verfassung werden darf.
Das Bulletin ist nicht dazu da, die Verfassung auszulegen, sozusagen mit letzter Autorität.
Bedenklich finde ich es auch, wenn, wie es unlängst geschah, das Bulletin eine Landkarte verbreitet, auf der das Saargebiet mit dem dem deutschen Rechte nicht entsprechenden Namen „Saarland" verzeichnet ist.
Noch ein Wort über public relations im Inland. Es kommt dabei darauf an, die Staatspersönlichkeit der einen und unteilbaren demokratischen Nation zur Geltung zu bringen. Viele von uns waren jetzt gerade in Berlin, und wir wissen — gerade wir, die wir es miterlebt haben —, daß die Weimarer Republik auch deshalb untergegangen ist, weil ihre Symbole ohne public relations blieben. Nach dem, was wir jetzt in Berlin erfahren haben, ließe sich auf diesem Gebiet allerlei für public relations und für die Staatssymbole tun. Es gibt in Berlin nicht genügend schwarz-rot-goldene Fahnen und Wimpel für die öffentlichen Gebäude und für die Schulkinder. Meine Freunde in Berlin haben mir vorgerechnet, daß man mit einem Betrag von 200 000 DM schon sehr viel tun könnte, um die Jugend von Berlin mit den Symbolen des republikanischen Staates zu versehen.
Ein anderer Posten, den zu berücksichtigen ich anregen würde: Schulbücher für Berlin, historische Karten, auf denen auch die Ostgebiete klar zum Ausdruck kommen, nicht nur für Berlin, sondern in viel größerem Maße auch für die übrigen Schulen Deutschlands!
Meine Damen und Herren, ohne eine kommende Stellungnahme des Bundestags in irgendeiner Weise präjudizieren zu wollen, möchte ich noch folgende Frage im Zusammenhang mit dem Public-
relations-Fonds aufwerfen. Das Problem des Wiederaufbaus des Reichstagsgebäudes in Berlin als Sinnbild der einen Deutschen Republik ist in ein akutes Stadium eingetreten. Uns ist von Freunden aller Parteien in Berlin nahegelegt worden, sehr bald etwas zu unternehmen. Ich meine, es wäre gut angelegtes Geld für public relations, wenn aus diesem Fonds für den Wettbewerb zum Aufbau dieses Viertels mit dem Reichstag darin die entsprechenden Summen zur Verfügung gestellt würden. Die Berliner sind der Meinung, daß man mit 60 000 DM sehr weit käme.
Ob mit Recht oder Unrecht, das spielt bei der Diskussion über einen solchen Fonds keine Rolle. Aber es liegt in der Natur der Sache, daß solchen Fonds in der Öffentlichkeit immer mit Mißtrauen begegnet wird. Dieses Mißtrauen müßte überwunden werden. Es wird schwer sein; denn wie Kollege Kühn gesagt hat, haftet solchen Fonds immer ein bestimmter Name an. Ich möchte ihn nicht wiederholen; es ist der Name einer ganz bestimmten, zoologisch nicht sehr hochstehenden Tiergattung. Aber dieses Mißtrauen, sagte ich, müßte man überwinden können. Hierzu zwei Vorschläge, die ich als ganz freier Demokrat machen möchte.
— Ja, manchmal ist es schon nötig, das Wort „frei" genauer zu definieren. Es wird allerlei Mißbrauch damit getrieben.
Meine Damen und Herren, Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß die Verwaltung der Presse durch politische Beamte immer etwas Bedenkliches an sich hat. Es ist überhaupt nicht gut, wenn die Presse verwaltet wird, nicht gut für die Presse, letzten Endes auch nicht gut für die Verwaltung; denn auch die Verwaltung ist darauf angewiesen, eine wirklich freie Presse in Deutschland zu haben. Ich würde vorschlagen, daß man führende Männer und Frauen aus Journalismus, Literatur und Wissenschaft auf ehrenamtlicher Grundlage für diese wichtige Einrichtung der public relations heranziehen sollte, Männer und Frauen, die sich in ihrem Beruf als Journalisten oder in der Literatur oder in der Wissenschaft einen Namen geschaffen haben, die sicherlich gern bereit wären, hier mit ihrem Rat, mit Einsatz ihrer Persönlichkeit mitzuarbeiten.
Ich bin ferner der Meinung, daß von Zeit zu Zeit in diesem Hohen Hause mehr stattfinden sollte als nur eine Diskussion über diesen Fonds. Wir sollten von Zeit zu Zeit einen sehr genauen Tätigkeitsbericht im Bundestag erhalten. Was geschieht, um diese Steuermittel in richtiger und konstruktiver Weise anzuwenden? Wie werden sie verwandt, und was hat dieses Hohe Haus dazu zu sagen, welche Ratschläge kommen aus der Mitte der Opposition und der Regierungsparteien? Ich würde darin einen Weg sehen, dieses verständliche Mißtrauen zu überwinden und das, was an Mitteln aufgebracht wird, wirklich konstruktiv in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Dann würde in diesem Parlament, das schließlich der höchste Hüter der public relations des Staates ist, das Gefühl aufkommen. daß es mehr zu tun hat, als nur einmal im Jahr in ansteigendem Maße die Mittel für diesen Fonds zu genehmigen.