Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Umdruck 403 *) legen wir Ihnen drei Anträge zum Haushalt des Verkehrsministeriums vor. Mit den Anträgen wollen wir zweierlei erreichen: einmal die Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn verbessern und zum andern die Sicherheit im Schienen- und Straßenverkehr erhöhen.
Die Anträge, die wir heute stellen, sind nicht neu. Sie sind in den Ausschüssen, allerdings mit etwas unterschiedlichen Ergebnissen, eingehend beraten worden. Der Verkehrsausschuß hat teilweise einstimmig zugestimmt. Im Haushaltsausschuß wurden sie mit Mehrheit abgelehnt. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser unterschiedlichen Wertung haben wir die Anträge neu aufgenommen und hoffen, daß bei einer sachlichen Wertung unserer Argumente sich für unsere Anträge im Plenum eine Mehrheit finden läßt.
In unserem ersten Antrag bitten wir Sie um Ihre Zustimmung zu einer teilweisen Abgeltung der betriebsfremden Lasten der Bundesbahn. Der Herr Berichterstatter hat eine Reihe von Einzelheiten hierzu vorgetragen. Ich kann mich, glaube ich, in diesem Zusammenhang etwas kürzer fassen. Ich darf bei der Begründung voraussetzen, daß die defizitäre Lage der Bundesbahn bekannt ist. Der Betriebsverlust belief sich in den beiden vergangenen Jahren auf etwa je 600 Millionen DM. Er ist für das laufende Jahr auf über 800 Millionen DM geschätzt worden.
Ich will es mir an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit versagen, in eine Analyse der Defizite einzutreten. Aber eines scheint mir absolut festzustehen: daß die hohen Defizite im wesentlichen dadurch mitverschuldet worden sind, daß man de Bundesbahn nach der Währungsumstellung in zunehmendem Maße betriebsfremde Lasten auferlegte, Aufwendungen, die im letzten Jahr über 300 Millionen DM hinausgingen und die mit dem Betrieb der Bundesbahn überhaupt nichts zu tun haben.
Wir sind der Meinung, daß die betriebsfremden Lasten in Widerspruch zum Bundesbahngesetz stehen. Nach § 4 des Gesetzes soll die Bundesbahn nach kaufmännischen Grundsätzen geführt werden. Eine kaufmännische Geschäftsführung der Bundesbahn besagt, daß die Bahn ihren Betrieb in Ordnung halten und darum bemüht sein soll, einen Ausgleich zwischen Aufwand und Ertrag zu erzielen. Wir sind der Meinung, daß das auch möglich gewesen wäre, wenn die Bundesregierung der Bundesbahn nicht frühzeitig unzumutbare und untragbare betriebsfremde Lasten auferlegt und sie dadurch in eine Verlustwirtschaft hineingezwungen hätte.
Diese — unverschuldeten — Betriebsverluste haben die Bundesbahn zu einer Kette von unglücklichen Maßnahmen veranlaßt, und aus dieser Kettenreaktion haben sich zu einem erheblichen Teil die hohen Defizite in den letzten Jahren ergeben. Wir sind der Meinung, daß durch die betriebsfremden Lasten das Betriebsbild der Bundesbahn völlig verzerrt worden ist. Unser Antrag verfolgt daher den Zweck, zu einer Entzerrung des Betriebsbildes zu kommen und den betriebswirtschaftlichen Unsinn wenigstens teilweise zu korrigieren.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns mit unserem Vorhaben, glaube ich, in guter Gesellschaft. Die Regierungskoalition hat mit ihrem Um-
*) Siehe Anlage 5.
druck 429 einen Antrag gestellt, der ungefähr auf der gleichen Ebene liegt. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wollen der Bundesbahn die betriebsfremden Lasten abnehmen. Aber wenn Sie es ehrlich meinen — und ich unterstelle Ihnen natürlich, daß Sie es ehrlich meinen —, dann verstehe ich allerdings nicht ganz den Sinn Ihrer Erläuterungen. In Satz 2 Ihrer Erläuterungen steht z. B., daß der Betrag als Beitrag zur Bestreitung von Lasten gelten soll, die der Deutschen Bundesbahn nicht zugemutet werden können. Sie sprechen also von „unzumutbaren Lasten". Im ersten Satz sprechen Sie davon, daß „die noch angespannte Finanzlage der Deutschen Bundesbahn . . . es erforderlich" mache, „ihr zur Erhaltung ihrer Liquidität einen nicht rückzahlbaren Betrag von 200 000 000 DM für das Jahr 1955 zuzuweisen".
— Ich komme darauf! Mir scheint das widerspruchsvoll zu sein; denn entweder sind die betriebsfremden Lasten unzumutbar aus Gründen einer kaufmännischen Geschäftsführung, dann kann man ihre Abgeltung nicht vom Zustand der jeweiligen Liquidität abhängig machen; oder aber Sie sehen die jeweilige Finanzlage der Bundesbahn als das entscheidende Kriterium an, dann ist die Abgeltung im Prinzip nur eine Liquiditätshilfe. Je nachdem also, ob Sie nun das Kriterium der Liquidität oder das Kriterium der Unzumutbarkeit herausstellen, ist es entweder eine echte Abgeltung oder eine von Fall zu Fall zu gewährende Liquiditätshilfe.
Deswegen, meine sehr geehrten Herren von der Regierungskoalition, wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns sagen würden, was Sie mit Ihrem Antrag bezwecken. Nach unserer Auffassung genügt es, wenn die Erläuterungen nur den Hinweis enthalten, daß sich die betriebsfremden Lasten zur Zeit auf mehr als 300 Millionen DM belaufen und es sich im vorliegenden Haushalt nur um eine teilweise Abgeltung der betriebsfremden Lasten handelt. Wenn wir das in die Erläuterungen aufnehmen, werden wir einer solchen Erläuterung zustimmen.
— Nein, nicht in der gewünschten Klarheit, Herr Müller-Hermann, die ich Ihnen eben auseinandersetzen durfte.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir auch in den Details differieren, so waren wir uns doch, glaube ich, im Verkehrsausschuß im Prinzip einig.
Im Verkehrsausschuß haben wir die Feststellung machen müssen, daß der Widerstand von dem Herrn Bundesfinanzminister ausgeht. Wir haben feststellen müssen, daß das Hauptargument des Herrn Bundesfinanzministers immer wieder war: man müsse den ganzen Sachverhalt bei der Bundesbahn noch einmal überprüfen. Ein solches Argument hat nur noch wenig Überzeugungskraft. Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister fragen, wie lange man die Bundesbahn denn eigentlich noch überprüfen will.
Die Prüfungen der Bundesbahn laufen seit mehr als fünf Jahren. Zunächst wurden — das liegt schon sehr lange zurück — Gutachten von deutschen, schweizerischen und amerikanischen Sachverständigen angefordert. Als diese Gutachten vorlagen, hat man den Wissenschaftlichen Beirat beim Verkehrsministerium beauftragt, sich mit der Bundesbahn zu beschäftigen. Dann wurde eine Treuhandgesellschaft mit der Prüfung der Selbstkostenrechnung der Bundesbahn beauftragt. Zwischendurch wurde der Wetzler-Ausschuß berufen. Dieser Ausschuß hat zunächst e i n Gutachten angefertigt; als es nachher in Zweifel gezogen wurde, hat man auf Verlangen ein erweitertes Gutachten angefertigt. Die Arbeit des Wetzler-Ausschusses war insofern ein gewisser Erfolg, als sich hier etwa 20 bis 25 Sachverständige über Höhe und Umfang der betriebsfremden Lasten einig waren! Trotzdem will der Bundesfinanzminister weiterhin untersuchen und prüfen. Ich frage den Herrn Bundesfinanzminister, wie lange diese Prüfungen denn eigentlich noch weitergehen sollen.
Ich möchte weiter fragen: Worauf beruht das tiefe Mißtrauen, das die Vertreter des Bundesfinanzministeriums — doch wahrscheinlich auf Weisung ihres Chefs — der Bundesbahn entgegenbringen? Richtet sich dieses Mißtrauen gegen die Leitung der Bundesbahn? Richtet sich das Mißtrauen gegen die gesamte Verwaltung? Oder richtet sich das Mißtrauen sogar gegen die Bundesbahn als Institution? Ich glaube, das Hohe Haus hat ein Recht darauf, von der Bundesregierung hierauf eine definitive Antwort zu bekommen.
Wir Sozialdemokraten halten eine weitere Verschiebung der Abgeltung und eine erneute Vertröstung auf die Zukunft für untragbar. Deswegen bitten wir Sie, meine Damen und Herren, unserem Antrag zuzustimmen. Wir bitten Sie darum, weil erstens dem Bund durch die Annahme dieses Antrages keine zusätzlichen Ausgaben entstehen und weil es sich zum andern ja nur um eine teilweise Abgeltung betriebsfremder Lasten handelt. So weit zu unserem ersten Antrag.
Der zweite Antrag, den wir unter Ziffer 3 des Umdrucks 403 stellen, steht ebenfalls in Zusammenhang mit der Bundesbahn. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung zu einer Erhöhung des Darlehens an die Bundesbahn von 100 auf 200 Millionen DM. Von diesem zusätzlichen Betrag sollen 64 Millionen DM zur Ausweitung des Fahrzeugbestandes und 36 Millionen DM zur Beseitigung schienengleicher Bahnübergänge verwendet werden.
Der Fahrzeugbestand der Bundesbahn — und ich glaube, auch daran gibt es keinen Zweifel — ist völlig überaltert und durch Verschrottung ständig geschrumpft. Heute schon häufen sich die Klagen über eine unzureichende Waggonstellung. Wenn das Wirtschaftsvolumen weiter wächst, wenn neue Anforderungen auf uns zukommen oder wenn insbesondere in der Erntezeit eine erhöhte Nachfrage nach Ladevolumen einsetzt, können erhebliche Spannungen in der Frachtraumbeschaffung eintreten. Deshalb halten wir es für dringend geboten, daß neben den Planungen und Vorfinanzierungen aus dem Verkehrsfinanzgesetz der Bundesbahn unverzüglich zusätzlich Kreditmittel im Betrage von 64 Millionen DM für die Güterwagenbeschaffung zur Verfügung gestellt werden.
Die restlichen 36 Millionen DM sollen der Verkehrssicherheit dienen. Täglich ereignen sich Verkehrsunfälle an den Punkten, an denen sich Schiene und Straße kreuzen, und häufig ist dabei eine erhebliche Zahl von Toten und Verletzten zu
beklagen. Diese Gefahrenquelle kann nur dann wesentlich eingeengt werden, wenn wir — zumindest auf den verkehrsreichen Straßen — die schienengleichen Bahnübergänge beseitigen. Das Bundesverkehrsministerium hat Berechnungen bezüglich der Beseitigung der schienengleichen Übergänge angestellt und das erforderliche Programm auf 192 Millionen DM beziffert. Obwohl diese Zahlen bekannt sind, hat der Herr Bundesfinanzminister nur einen Ansatz von 4 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt eingesetzt, ein Betrag, der angesichts der erforderlichen Aufwendungen von 192 Millionen DM als absolut zwergenhaft angesehen werden muß. Wenn wir alle Jahre nur 4 Millionen DM für die Beseitigung der schienengleichen Übergänge verwendeten, würde das bedeuten, daß wir dazu einen Zeitraum von 48 Jahren nötig hätten. Mit so geringen Mitteln kann man der Lawine der Straßenunfälle nicht entgegenwirken. Aus der Sorge um die wachsende Zahl der Verkehrsunfälle stellen wir den Antrag, die Mittel zur Beseitigung schienengleicher Übergänge von 4 auf 40 Millionen DM zu erhöhen. Das würde bedeuten, daß wir in fünf Jahren einen Gefahrenherd beseitigen.
Ein drittes akutes Problem, das in Zusammenhang mit der Haushaltsberatung von uns angesprochen werden muß, ist die Beseitigung der Frostschäden. Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß das Problem auch den Haushaltsausschuß sehr beschäftigt hat. In den bisherigen Haushalten waren für diesen speziellen Zweck nur relativ bescheidene Mittel vorgesehen. Erst die verheerenden Folgen der Frostaufbrüche in diesem Frühjahr haben den Herrn Bundesfinanzminister veranlaßt, zusätzlich etwas zu tun und für diesen Zweck rund 20 Millionen DM zur Verfügung zu stellen.
Nun, meine Damen und Herren, die Erfahrungen, die wir alle als Kraftfahrer gemacht haben, sollten uns davon überzeugen, daß diese Ansätze viel zu gering sind und keineswegs dem Ausmaß der entstandenen Schäden entsprechen. Dafür ein Beispiel aus der Praxis. Der Landschaftsverband Westfalen hat festgestellt, daß in seinem Bereich Frostschäden an Bundesstraßen in einer Größenordnung von etwa 23 Millionen DM aufgetreten sind. Bliebe es bei den jetzigen Haushaltsansätzen, dann würde der Landschaftsverband eine Quote von etwa 2 Millionen DM bekommen, also etwa ein Zehntel des effektiven Bedarfs erhalten.
Was wäre die Folge einer so ungenügenden Mittelversorgung? Die Folge wäre die, daß man die Schadenstellen nicht gründlich beseitigen, daß man die Straßendecken nicht frostsicher machen, sondern daß man sich darauf beschränken müßte, sie nur sehr notdürftig zu reparieren. Ungenügende Reparaturen aber sind praktisch wertlos, und sie können schon im nächsten Winter zu einer Vervielfachung der Schäden führen.
Das ist die übereinstimmende Auffassung aller Fachleute, das ist auch die Auffassung der Fachressorts im Bundesverkehrsministerium gewesen. Aber man hat häufig in der Verkehrswirtschaft den Eindruck, daß alle Einsicht und alle Vernunft nicht sehr viel nutzen, wenn der Bundesfinanzminister nicht will.
Unser Antrag zielt darauf ab, vorhandene Notstände zu beseitigen und neuen katastrophalen Zuständen auf den Straßen vorzubeugen. Wir beantragen eine Erhöhung der Haushaltsansätze um 80 Millionen DM.
— Ich komme gleich dazu. Dieser Einwand — ich habe ihn erwartet — hilft bekanntlich immer, wenn gegen eine sachliche Berechtigung nicht sehr viel zu sagen ist. Wir sind als Sozialdemokraten der Überzeugung, daß die Mittel zur Deckung der 80 Millionen DM aus dem Sockelzuwachs fließen werden, d. h. aus dem zusätzlichen Aufkommen, das sich aus der Ausweitung des Kraftfahrzeugbestandes und aus der Ausweitung des Straßenverkehrs ergeben wird. In unserer Überzeugung sind wir bestärkt worden, als sich kürzlich im Verkehrsausschuß herausstellte, daß — Herr Kollege Müller-Hermann, ich bitte Sie zuzuhören — nach den eigenen Zahlen des Bundesfinanzministeriums aus dem Verkehrsfinanzgesetz für den Bund ein Mehraufkommen von 320 Millionen DM erwartet wird,
im Haushalt aber nur 282 Millionen verplant sind, daß sich also hieraus schon eine Reserve von etwa 38 Millionen ergibt. Ich hoffe, daß Sie zu ähnlichen Feststellungen gekommen sind. Wenn wir nun allein bei einem solchen Einzelposten eine Reserve von 38 Millionen DM haben, dann kann man doch annehmen, daß sich aus dem gesamten Sockelzuwachs ein Betrag ergeben wird, der weit über diese 80 Millionen hinausgeht. Wir sehen also im Sockelzuwachs eine echte Deckungsgrundlage für unsere Anträge.
Ich habe mich bemüht, eine Reihe von sachlichen Argumenten zur Begründung unserer Anträge vorzutragen. Ich hoffe, daß diese Anträge Ihre Zustimmung finden werden. Gestatten Sie mir nun, im Anschluß an die Begründung unserer Anträge noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Verkehrshaushalt +in seiner Gesamtheit und zur Verkehrspolitik der Bundesregierung zu machen.
Wir haben uns während der bisherigen mehrfachen und sehr ausführlichen verkehrspolitischen Debatten vergeblich bemüht, von der Bundesregierung zu erfahren, welches denn eigentlich ihre verkehrswirtschaftliche Gesamtkonzeption sei. Die Antwort auf diese Frage ist uns der Herr Verkehrsminister bis heute schuldig geblieben. Wir stellen deshalb, Herr Bundesverkehrsminister, diese Frage heute erneut. Wir wünschen von der Bundesregierung zu erfahren, welche prinzipielle Stellung sie gegenüber der Bundesbahn einnimmt. Einige Teilprobleme habe ich vorhin schon ansprechen dürfen. Aber ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang noch einige andere Fragen stellen. Es würde uns interessieren, Herr Bundesverkehrsminister, wann die Bundesbahn endlich saniert wird. Es würde uns interessieren, wie es mit der Tarifreform steht, und es würde uns interessieren, wann endlich das Durcheinander im Omnibusverkehr zwischen Bundesbahn und Bundespost aufhört.
Wir möchten Sie weiter fragen, Herr Bundesverkehrsminister: Welches ist Ihre Konzeption in der Frage der Koordinierung der Verkehrsträger? Was wird die Bundesregierung tun, um den ruinösen Wettbewerb im Güternahverkehr endlich zu ordnen? Nach wie vor — und das wird Ihnen ja auch bekannt sein — werden doch die Tarife um 50 % unterboten. Welche Vorstellung haben Sie, Herr
Bundesverkehrsminister, sich erarbeitet, um diesen Teil des Frachtenmarktes endlich einmal vernünftig zu ordnen?
Wir fragen Sie weiter, Herr Bundesverkehrsminister: Welches ist Ihre Konzeption im Straßenbau? Der Bundesregierung ist doch seit langem bekannt, daß die Pflege und der Ausbau der Straßen keineswegs dem Anwachsen des Straßenverkehrs entsprechen. Was nutzt uns, Herr Bundesverkehrsminister, ein Zehnjahresplan, wenn er nur auf dem Papier steht und wenn der Herr Bundesfinanzminister anscheinend gar nicht daran denkt, ihn zu honorieren?
Wir fragen deshalb die Bundesregierung; was sie im Rahmen eines solchen Zehnjahresplanes tun will, um den Gemeinden und den Gemeindeverbänden als Baulastträgern eine größere Hilfe als bisher angedeihen zu lassen. Hier liegt doch ein Problem von erheblicher Tragweite vor uns, an dem die Bundesregierung, wie uns scheint, einfach achtlos vorübergeht.
Ich darf Sie darauf hinweisen: 50 000 km sind Straßen zweiter Ordnung. Die Straßen befinden sich teilweise in einem verheerenden Zustand. Das werden Sie mir bestätigen müssen, wenn Sie Autofahrer sind. Die Gemeindeverbände sind von sich aus einfach nicht in der Lage, den dringend notwendigen Ausbau zu finanzieren. Gerade weil wir diese Dinge täglich vor Augen haben, fordern wir heute erneut, daß der Bund seinen Zuständigkeitsbereich im Straßensystem erweitert und daß die Gemeindeverbände entlastet werden. Wir sind der Auffassung, daß 20 000 bis 30 000 km Straßen erster Ordnung auf den Bund übergehen und daß in demselben Umfang die Straßen zweiter Ordnung in die Zuständigkeit der Länder übernommen werden müssen. Ein solches Verlangen wäre auch fiskalisch gerechtfertigt; denn praktisch ist ja der Bund derjenige, dem die gesamten Verkehrsteuern zufließen.
Es scheint, uns dringend notwendig, für den gesamten Straßenverkehr etwas zu tun. Wir halten es für dringend geboten, auch die Mittel für die Verbreiterung der Ortsdurchfahrten und für die Anlegung von Umgehungsstraßen zu erhöhen. Auch diese Ansätze sind so gering gehalten, daß praktische Wirkung davon nicht zu erwarten ist. Schlechte Straßen sind die Hauptursache der Verkehrsunfälle, und deswegen ergeht unsere Bitte an Sie, diese Mittel zu erhöhen.
Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die Bundesregierung aus dem sprunghaften Anwachsen des Verkehrs keine entscheidenden Konsequenzen gezogen hat. Das Verkehrsfinanzgesetz — das will ich zugeben — war zweifellos ein erster Schritt auf dem Wege zur Besserung. Aber er reicht bei weitem nicht aus. Er reicht nach unserer Auffassung nicht aus, um beispielsweise die Aufgabe des Straßenbaus auch nur annähernd zu bewältigen. Er reicht allenfalls aus, große Löcher zu stopfen, keineswegs aber genügt er, um zu einer durchgreifenden Sanierung zu kommen. Deswegen sind wir davon überzeugt, daß wesentlich höhere Haushaltsmittel für die Verkehrswirtschaft zur Verfügung gestellt werden müssen, als dies im Haushalt der Fall ist.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch ein Wort zu dem 18-Punkte-Programm des Herrn Kollegen Müller-Hermann. Herr Kollege Müller-Hermann, ich begrüße das Programm. Ich begrüße es besonders deswegen, weil wir in diesem Programm eine ganze Reihe unserer eigenen Gedanken wiederfinden. Wir sind absolut an Ihrer Seite, wenn Sie z. B. feststellen, daß die „wirksame Unfallbekämplung in der zielbewußten Anpassung des Straßennetzes an den ständig wachsenden Verkehr liegt", und wenn Sie weiter sagen, daß „an Stelle der jetzigen Flickarbeit" — es ist interessant, daß Sie das als Angehöriger der Koalition sagen — „eine großzügige, weitblickende und das gesamte Straßennetz umfassende Generalplanung stehen muß". Sehen Sie, darin sind wir völlig mit Ihnen einig. Aber, Herr Kollege Müller-Hermann, Ihre Fraktion hat es doch in diesen Tagen in der Hand, dafür zu sorgen, daß bessere Verkehrsverhältnisse geschaffen werden, und es liegt doch an Ihrer Fraktion, wie sich die Verkehrswirtschaft in den nächsten Munaten entwickeln wird. Das hängt von der Bewilligung der Mittel ab, die für die Neuordnung des Straßenwesens notwendig sind. Wenn Ihre Fraktion die notwendigen Mittel nicht bewilligt, Herr Kollege Müller-Hermann, dann sind Sie doch ein einsamer Rufer in Ihrer Fraktion und ein einsamer Rufer in Ihrer Koalition, und dann haben Ihre Vorschläge nur einen sehr bedingten Wert.
In der Zusammenfassung unserer Kritik, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Feststellung, daß wir wegen der Unzulänglichkeit des Haushalts, wegen des Fehlens einer vernünftigen verkehrswirtschaftlichen Gesamtkonzeption und wegen der mangelnden Fähigkeit des Bundesverkehrsministers, sich im Kabinett durchzusetzen, den Haushalt 12 ablehnen müssen.