Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten ist es mir gestattet, meine Rede von Donnerstag fortzuführen. Ich hatte mir erlaubt, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß der Bundesrechnungshof zur Zeit eine Wirtschaftlichkeits- und Dienststellenprüfung beim Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen vornimmt Ich hatte den Punkt Dienststellenprüfung bereits abgeschlossen und komme nunmehr auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu sprechen.
Welche Aufgaben dem Bundesrechnungshof in dieser Hinsicht gestellt worden sind, ist nicht bekannt. Es wäre' für uns sehr interessant, wenn der Herr Bundespostminister oder — in seiner Vertretung — der Herr Staatssekretär darauf einginge und uns darlegte, welche Aufgaben damit gemeint sind. Es wäre interessant zu wissen, ob der Bundesrechnungshof die Verwaltung in dieser Hinsicht zu prüfen oder Vorschläge in der Betriebsführung zu machen hat.
Vielleicht darf ich ein paar konkrete Fragen stellen, die diesen Komplex umfassen. Erstens: Welche Aufgabe ist dem Bundesrechnungshof überhaupt gestellt worden? Zweitens: Seit wann wird geprüft, und wie lange wird die Prüfung voraussichtlich noch dauern? Der Bundesrechnungshof ist im Ministerium für Post- und Fernmeldewesen schon seit etwa zwei Jahren tätig und wird, wie geflüstert wird, unter Umständen noch zwei weitere Jahre zu prüfen haben. Drittens: Wie groß ist die Anzahl der Prüfer und wieviel Bedienstete des Bundespostministeriums werden dabei in Anspruch genommen? Denn es ist gesagt worden, daß sich hervorragende Techniker, die im Postministerium selbst gebraucht werden, für diesen Zweck zur Verfügung stellen müssen. Wir hätten viertens gern gewußt, welche Ergebnisse bisher vorliegen — der Kostenaufwand wäre nicht uninteressant — und
wieviel die Prüfung an Kosten noch erfordern wird. Damit möchte ich die Frage der Rationalisierung abgeschlossen haben.
Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß das Bundespostministerium gemeinwirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen hat, d. h. daß volkswirtschaftliche Verpflichtungen betriebswirtschaftlichen Zweckmäßigkeiten gegenüberstehen. Es wird aber nicht immer möglich sein, alle Betriebe, die der Post bzw. der Volkswirtschaft dienen, auf die Gewinnlinie zu bringen.
Nun sei es mir erlaubt, noch auf zwei weitere Fragen einzugehen, und zwar auf die Konsolidierung der Kapitalverhältnisse bei der Bundespost und nicht zuletzt auf die Investierungsaufgaben. Dem Aktivvermögen von etwa 4,3 Milliarden stehen ein Eigenkapital von etwa 2 Milliarden und ein Fremdkapital von 2,3 bis 2,4 Milliarden gegenüber. Es kommt hier vor allen Dingen auf die Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital an. Diese Relation ist ungefähr 45,2 % Eigenkapital und 54,8 % Fremdkapital. Ich weiß, daß damit die klassischen Regeln hinsichtlich des Eigen- und Fremdkapitals gegenüber dem Aktivvermögen durchaus durchlöchert sind. Ich halte die Tatsache noch gar nicht mal für besorgniserregend, daß das kurzfristige Kapital immerhin erheblich ist und daß aus diesem Grunde eine gewisse Konsolidierung der Kapitalverhältnisse durchgeführt werden muß.
Dem Bundeskabinett hat diese Frage auch zur Entscheidung vorgelegen. 250 Millionen DM sollten als Konsolidierungskapital vom Kapitalmarkt angefordert werden. Das Bundeskabinett hat sich, soviel ich weiß, für nur 100 Millionen DM entschieden, weil es der Meinung ist, der Kapitalmarkt dürfe durch die öffentliche Hand nicht zu sehr in Anspruch genommen werden. Meine Damen und Herren, wenn damit die Liquidität bei der Bundespost gefährdet sein sollte, bin ich immerhin der Meinung, daß diese Beschlußfassung nicht ganz richtig ist. Ich wäre dem Herrn Staatssekretär dankbar, wenn er uns auf diese Frage eine Antwort gäbe. Nach meiner Ansicht sollte sich der Bundestag doch für die Auffassung der Bundespost entscheiden; denn letzten Endes dient die gesamte Post der Öffentlichkeit, der deutschen Volkswirtschaft.
Ich darf jetzt dazu übergehen, etwas über die Investierungen bei der Bundespost zu sagen. Ich verrate hier sicherlich kein Geheimnis, wenn ich erkläre, daß noch ein sehr großer Nachholbedarf bei der Bundespost vorhanden ist, obgleich sich das Ministerium — das muß ich hier wirklich aus Überzeugung sagen — hinsichtlich des Nachholbedarfs die allererdenklichste Mühe gegeben hat, die deutsche Volkswirtschaft zufriedenzustellen. Bei dieser Gelegenheit muß durchaus anerkannt werden, daß man sich vom höchsten Beamten bis zum Hilfsbeamten und Hilfsarbeiter wirklich in den Dienst der Allgemeinheit gestellt hat. Ich bin bereit, anzuerkennen, daß die Bundespost hier tatsächlich Hervorragendes geleistet hat. Hierbei sollen die beiden Herren Minister, die bisher amtiert haben, und ihre Staatssekretäre einbezogen werden.
Ich sagte schon, daß ein sehr starker Nachholbedarf vorhanden ist. Dies ist insbesondere beim Fernmeldewesen der Fall. Die Automatisierung ist ohne Zweifel sehr intensiv vorangetrieben worden, und es ist ein erfreuliches Ergebnis, daß die Bundespost es bis jetzt fertiggebracht hat, in den
Selbstwählferndienst ungefähr 50 % aller Großstädte einzubeziehen. In absehbarer Zeit soll die Einführung des Selbstwählferndienstes total abgeschlossen sein. Ich bitte auch hier um eine Zeitangabe. Es ist unbedingt erforderlich, daß der Selbstwählferndienst bald in seiner Gesamtheit aufgebaut ist; denn es gibt in Westeuropa immerhin Staaten, die den vollständigen Selbstwählferndienst bereits durchgeführt haben — ich darf in diesem Zusammenhang Dänemark, Schweden und England nennen —, die auf diesem Gebiete sehr fortschrittlich sind. Aber man darf bei all diesen Betrachtungen und bei der Kritik nicht vergessen, daß die Bundespost einen Nachholbedarf gehabt hat, der sich aus den ungeheuren Kriegszerstörunden ergeben hat.
Nun, ich sagte, es ist erfreulich, daß auf dem Gebiete des Selbstwählferndienstes schon sehr viel geleistet worden ist. Aber wir dürfen dabei nicht übersehen, daß noch andere Dinge nachgeholt werden müssen. Es ist der Öffentlichkeit nicht unbekannt, daß es Zehntausende von Antragstellern im Bundesgebiet gibt, die gern einen Telefonanschluß hätten und sich der Vorteile, die sich aus dem Selbstwählferndienst ergeben, bedienen möchten. Ich weiß wohl, daß der Post die Größenordnung, um die es hier geht, in etwa bekannt ist. Ich weiß aber auch, daß Zehntausende bisher keinen Antrag gestellt haben, weil sie absolut resignieren, weil sie von vornherein wissen, daß sie im Augenblick von der Post gar nicht bedient werden können. In dieser Hinsicht ist also auch noch ein beachtlicher Bedarf vorhanden, der baldmöglichst gedeckt werden muß. Die Investitionen, die vorgenommen werden sollen, müssen unbedingt auch diesen Bedarf berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen ein paar Zahlen nennen. Ich will nicht alle Aufzeichnungen, die im Verlauf des letzten Jahres in der Presse bekanntgegeben worden sind, vortragen. Jedoch will ich auf einige wenige Vergleichszahlen aufmerksam machen. Auf 100 Einwohner entfallen an Sprechstellen in Westdeutschland etwa 6,6, in Belgien 8,8, in Dänemark 18,8, in Großbritannien 12,1, in Norwegen 16,2, in Schweden 26,4 und in den USA sogar 31. Aus dieser Gegenüberstellung ersehen Sie, daß das Bundesgebiet noch sehr rückständig ist, daß Westdeutschland leider an letzter Stelle steht. Wenn dann noch die Nebenstellen abgezogen werden, wird die Relation, von der ich eben gesprochen habe, für Westdeutschland noch wesentlich ungünstiger. Hier muß also noch Erhebliches getan werden. Wenn die Bundespost die Absicht hat, in diesem Jahre erhebliche Investitionen zu machen, dann nicht nur im Selbstwählferndienst, sondern auch in der Schaffung weiterer Sprechstellen und der Beschaffung der dazu benötigten Kabelverbindungen.
Wenn ich recht orientiert bin, ist für das Jahr 1955 ein Investitionskapital in Höhe von etwa 1 080 000 000 Mark vorgesehen. Wenn die Restbestände des vorigen Jahres noch hinzugerechnet werden, mögen es etwa 1 500 000 000 Mark sein, die investiert werden sollen. Der Geldbedarf wird — ich mag nachher verbessert werden — etwa 1 Milliarde Mark betragen. Ein beträchtlicher Teil dieses Kapitalbedarfs soll durch Eigenkapital gedeckt werden, das übrige durch Fremdkapital.
Nunmehr komme ich wieder auf die 250 Millionen Mark zu sprechen, die ich vorhin bei der
Konsolidierung der Kapitalverhältnisse der Bundespost erwähnt habe. Ich möchte nun ganz konkret die Frage stellen, ob dadurch, daß das Kabinett nur 100 Millionen Mark bewilligt hat, die Investition in ihrer Gesamtheit etwa gefährdet ist. Das wäre außerordentlich bedauerlich. Wenn das der Fall sein sollte, würde sich der Bundestag noch auf Grund eines besonderen Antrags speziell mit dieser Frage zu beschäftigen haben.
Damit möchte ich das abschließen, was ich zum Post- und Fernmeldewesen zu sagen habe. Ich glaube doch wenigstens einige wichtige Probleme angeschnitten zu haben. Mir schien es wichtig zu sein, auch diffizile Dinge anzusprechen, damit wir von zuständiger Seite sofort Aufklärung über diese Fragen bekommen. Vergessen wir nicht, meine Damen und Herren, daß Investitionen notwendig sind, daß aber notwendiges Kapital vom Kapitalmarkt geholt werden muß. Denn wir müssen es uns ein für allemal verbeten haben, daß die Investierungen in Zukunft über den Preis gehen. Wir haben im vorigen Jahre eine Gebührenerhöhung gehabt. Wir dürfen uns keine weitere mehr leisten. Damit wird die Öffentlichkeit, wird die deutsche Volkswirtschaft nicht einverstanden sein. Ich glaube, es war durchaus zweckmäßig, daß einige Probleme der Bundespost angesprochen wurden. Das liegt durchaus im Interesse dieses Hauses und des Bundespostministeriums; des Hauses deshalb, weil wir uns zuweilen orientieren lassen müssen, der Bundespost deshalb, weil sie durch den Bundestag gegebenenfalls die entsprechende Unterstützung bekommen kann.