Rede von
Erwin
Schoettle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht das Recht, den Herrn Präsidenten zu interpretieren.
Ich will mich auf das Thema beschranken, wegen dessen ich mich zu Wort gemeldet habe. Mein Freund Kühn hat bereits von der merkwürdigen Reaktion gesprochen, die der stellvertretende Chef des Bundespresse- und Informationsamtes auf einen Beschluß des Haushaltsausschusses hin an den Tag gelegt hat. Mir sind von einer Reihe von Kollegen, und zwar aus allen Fraktionen dieses Hauses, die Originalbriefe zugesandt worden, die die Unterschrift von Herrn Forschbach tragen und in denen er unter dem Datum vom 4. Mai dem Haushaltsausschuß eine versteckte Rüge erteilt und als Strafmaßnahme für einen Beschluß dieses Ausschusses den Empfängern von Materialien des Presse- und Informationsamtes mitteilt, daß das Amt hinfort nicht mehr in der Lage sei, diese Drucksachen den Empfängern wie bisher zuzustellen; sofern sie nicht imstande seien, die Dinge abzuholen, müsse die Zustellung unterbleiben.
Ich weiß nicht, ob jemand in diesem Hause es für eine verbotene Dramatisierung einer Bagatelle ansieht, wenn ich diesen Brief, von dem ich nicht weiß, in wieviel Exemplaren er verschickt worden ist, zu den Akten des Deutschen Bundestages gebe, indem ich ihn hier in seinem Wortlaut mitteile.
Was immer Sie aber davon halten, ich glaube,
dieses Haus sollte ohne Unterschied der Parteien
— und es sind Angehörige aller Fraktionen mit diesem Brief bedacht worden; ich habe ihn auch von Angehörigen aller Fraktionen erhalten — schon in den Anfängen den Versuch eines Behördenleiters zurückweisen, Beschlüsse dieses Hauses oder eines seiner Ausschüsse zu kritisieren, ehe sie überhaupt Gesetzeskraft erhalten haben.
Wenn wir die jetzt überall sichtbare Tendenz der Administration, das Parlament angesichts der Überbelastung mit gesetzgeberischer Arbeit zu gängeln oder in seiner praktischen Bedeutung für das Verfassungsleben zurückzudrängen und zu überspielen, nicht mit aller Entschiedenheit bekämpfen, meine Damen und Herren, dann wird
dieses Parlament eben seine Funktion nicht erfüllen können.
Deshalb möchte ich diesen Vorgang mit aller gebotenen Zurückhaltung zur Kenntnis des Hauses bringen.
Der Brief, der einen Standardtext enthält, lautet folgendermaßen:
Der Haushaltsausschuß des Bundestags hat in seiner Beratung am 29. 4. 55 dem Presse- und Informationsamt zur Auflage gemacht, durch Umorganisation innerhalb des Amtes diejenigen Stellen einzusparen, die wegen Nachholbedarfs bzw. unter Berücksichtigung des Aufgabenzuwachses und der teilweise effektiven Unterbesetzung angefordert worden sind. Es ist aber dem Amt nicht möglich, durch organisatorische Maßnahmen das Personal bereitzustellen, das erforderlich ist, den Einzelversand der Kommentarübersicht, „Ost-Information", des „Sowjetzonen-Spiegels" und „Nahost-Spiegels" durchzuführen. Der Versand muß daher leider eingestellt werden. Es wird zunächst versucht werden, die Auflagenhöhe dieser Dienste noch unverändert beizubehalten. Die bisherigen Bezieher können ihre Exemplare jedoch nur weiter erhalten, wenn sie die Abholung im Presse- und Informationsamt sicherstellen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Forschbach
Der Herr stellvertretende Leiter des Presse- und Informationsamtes versucht offenbar, dem ersten Teil seines Namens Ehre zu machen. Aber ich finde, dieses Unternehmen sollte im Keime erstickt werden.
Um was handelt es sich? Der Haushaltsausschuß hat dem Auftrage zufolge, der ihm vom Hause erteilt worden ist, versucht, in vielen Beratungen einer Tendenz entgegenzuwirken, die sich in den letzten Jahren immer wieder bemerkbar gemacht hat, nämlich der Tendenz zur Ausweitung des Personalbestandes der Verwaltung. Wenn er einen solchen Beschluß faßt, dann handelt er nicht einfach aus Willkür, sondern nachdem er die verschiedenen Gesichtspunkte abgewogen hat. Ich sage hier mit betonter Schärfe: Ich betrachte es als eine Unverschämtheit eines Beamten, wenn er schon in diesem Stadium Maßnahmen ergreift, die man als eine Strafaktion gegen einen Beschluß des Parlaments ansehen muß.
Wenn das Parlament sich das gefallen ließe, dann verdiente es mit Recht die Verachtung der Bürokratie, und ich bitte Sie, mir wenigstens in diesem Punkte zuzustimmen, auch wenn wir sonst in vielen Fragen verschiedener Meinung sind, und diesem Herrn durch Ihr Verhalten einen Rüffel zu erteilen.