Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Umdruck 399 der sozialdemokratischen Fraktion zu begründen. Damit ist es meine Aufgabe, mit der im Rahmen einer zweiten Lesung gebotenen Kürze zu dem Informationsapparat zu sprechen, den sich der Herr Bundeskanzler aufgebaut hat und den er von Jahr zu Jahr zu vergrößern bestrebt ist. Er umfaßt in diesem Jahr in unserem Haushalt ein finanzielles Volumen von etwa 30 Millionen DM.
*) Siehe Anlage 8 der 87. Sitzung.
Ich möchte nur so weit zu diesem Informationsapparat sprechen, als er seinen Niederschlag im Haushalt 04 findet. Ich möchte nicht zu all den Kapiteln sprechen, die auch zu diesem Informationsapparat gehören und die wahrscheinlich erst durch jenen Beschluß dieses Hauses möglich geworden sind, den ich für einen der beschämendsten Beschlüsse halte, daß man nämlich Parteifinanzierungen durch Steuerabschreibungen durchführen kann.
Das ist ein besonderes Kapitel und gehört nicht unmittelbar in die Haushaltsberatung. Aber in diesen Bereich gehört zunächst der Tit. 300 im Haushaltsplan 04, der die Überschrift „Förderung des Informationswesens" trägt. Wir sind der Auffassung, daß dieser Titel wohl ein klein wenig die Tatsachen verniedlicht und vielleicht sogar ein irreführender Titel ist. Unsere Befürchtung ist, daß es sich hier mehr um Lenkung als um Förderung und mehr um Propaganda als um Information handelt.
Auch wir bestreiten nicht, daß in diesem Titel Förderung des Informationswesens ein sachlich berechtigter Kern liegt. Selbstverständlich muß jeder Regierungschef über einen bestimmten Fonds verfügen, der Aufgaben zu speisen hat, die nun einmal mit dieser Funktion unlöslich verbunden sind. Ein gewisser Dispositionsfonds gehört also zur Funktion eines jeden Regierungschefs. Es gehört insbesondere in Deutschland in diesen Aufgabenbereich, daß wir der Welt, dem Ausland gegenüber, das verzerrte Deutschlandbild wieder in Ordnung bringen, jenes Bild einer verzerrten Auffassung von Deutschland, das durch jene verschuldet ist, die jahrelang im Namen Deutschlands einem eklen System diplomatische und journalistische Hilfsdienste geleistet haben und die heute allzuoft mit biedermännischem Augenaufschlag kommen und sich wieder für berufen halten, an der Korrektur dieses Deutschlandbildes mitzuwirken.
Wo bestimmte Auswüchse vorgekommen sind, sind wir sehr dankbar, wenn die Regierung direkt eingegriffen hat. Ich möchte hier nicht versäumen, dankbar anzuerkennen, daß das Bundeskanzleramt durch eine erfreulich prompte Entlassung vorgegangen ist, als ein Chefredakteur des Bundespresse- und Informationsamtes den Rest seiner nazistischen Gesinnung nicht tief genug in seinem Busen verbergen konnte.
Die Korrektur des Deutschlandbildes draußen in der Welt — und die Vergrößerung dieses Fonds ist ja immer wieder mit diesem Motiv begründet worden — soll durch die Selbstdarstellung eines neuen Deutschlands erreicht werden. Aber das ist doch, glaube ich, ein gemeinsames Anliegen des ganzen Hauses, ein Anliegen der Regierung wie des Parlaments, der Koalition und Opposition. Deshalb verstehen wir nicht recht, warum es nicht eine Mitwirkung des Parlaments bei der Kontrolle dieses Informationsfonds geben sollte.
Unser Antrag, den ich zu begründen die Ehre habe, verlangt deshalb in Ziffer 2, der Zweckbestimmung dieses Titels folgende Fassung zu geben:
Die Mittel sind übertragbar.
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Betrages unterliegt der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages aus drei Mitgliedern des Bundestages
zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Nicht der ganze Haushaltsausschuß sollte eingeschaltet werden, auch nicht der Rechnungsprüfungsausschuß, sondern ein kleiner Kreis von drei vertrauenswürdigen Mitgliedern dieses Hauses. Es wäre vielleicht keine unbillige Erwartung, daß auch die Opposition durch einen Abgeordneten in diesem Dreierausschuß vertreten ist. Der Herr Bundeskanzler hat einmal in einer seiner Natur offenbar widersprechenden Anwandlung selbst die Meinung geäußert, daß man einen kleinen Ausschuß bilden solle, den er in vollem Umfange über die Geheimnisse seiner Außenpolitik zu informieren bereit wäre. Nun, wenn das schon möglich ist, müßte es meines Erachtens genau so möglich sein, einen kleinen Ausschuß auch in die Geheimnisse seiner Informationspolitik in vollem Umfange einzuweihen.
Mit dem Hinweis, daß der Präsident des Bundesrechnungshofes als eine mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattete Persönlichkeit die Prüfung vorzunehmen habe, ist, bei allem gebotenen Respekt, doch nur die formale Prüfung der Ausgaben gemeint. Uns geht es aber auch um die Sicherung der Voraussetzung, die es uns erlaubt, politisches Vertrauen zur Ausgabepraxis in diesem Fonds zu haben. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit dieses Hauses, dies ablehnen, zwingen Sie uns einfach den Verdacht auf, daß in diesem 11 1/4-MillionenEtat doch wohl mehr politisches Reptilienfutter vorhanden ist, als man eingestehen möchte.
In flottem Tempo ist dieser Fonds zur Förderung des Informationswesens hinaufgeklettert: 4 1/2 Millionen, 5 1/2 Millionen, im Vorjahre wurden es 10 Millionen und in diesem Jahre 11 1/4 Millionen DM. Wir verkennen nicht, daß der Herr Bundeskanzler mit diesen ihm zur Verfügung gestellten Mitteln sparsam gewirtschaftet hat.
— Aber lassen Sie mich hinzufügen, es heißt in der Zweckbestimmung: „Die Mittel sind übertragbar". Was in dem einen Jahr eingespart wird, geht also automatisch auf das nächste Jahr über. Das erlaubt auch die Frage: Wenn das so weiter geht, wieviel Millionen werden bis zum Wahljahr 1957 in diesem Fonds zusammengeflossen sein?
Wir halten es deshalb für geboten — und dies verlangen wir unter Ziffer 1 unseres Antrages —, noch dazu angesichts der so oft betonten angespannten Haushaltslage, diesen Fonds um 5 1/4 Millionen auf 6 Millionen DM zu kürzen. Ich sage, der Herr Bundeskanzler hat gemessen an der Großzügigkeit der Mehrheit dieses Hauses bescheiden hausgehalten. Aber wir gehen auf die Mitte der Legislaturperiode zu, die Vorboten der kommenden Bundestagswahlen zeigen sich, und da sind Subsidien- und Reptilienfonds nun einmal Verlockungen. Wir halten den Herrn Bundeskanzler für nicht ganz frei von der inneren Disposition zur Sünde
und wir möchten hier durch die Formulierung dieses Titels eine Bremse vorlegen.
Vielleicht nicht ohne inneren Zusammenhang mit dem Anwachsen dieser Dispositionsmittel haben wir in den letzten Jahren auch ein Ansteigen all jener in ihren finanziellen Hintergründen sehr obskuren Gesellschaften erlebt, als da sind die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise, der Bund aktiver Demokraten, Politischer Arbeitskreis Berlin, Arbeitsgemeinschaft für Wiedervereinigung. Herr Lenz ist eben ein sehr kinderreicher Mann.
Wir erleben seit einem Jahr etwa, daß die Plakataktionen der Bundesregierung in zunehmendem Maße von solchen Tarnorganisationen durchgeführt werden.
Wir haben im Zusammenhang mit der Paulskirchenbewegung noch sehr wohl jenes Schumacher-Plakat mit der verfälschenden Zitatverstümmelung in Erinnerung, die dort der Öffentlichkeit dargeboten wurde. Experten haben festgestellt, daß dieses Plakat an Druck- und Plakatierungsgebühren etwa 300 000 DM gekostet haben muß.
Wir haben dann später einen Mehrfarben-Offsetdruck von 16 Seiten in einer Auflage von etwa 1 Million unter dem Titel „Der Scheibenwischer" erlebt, Publikationen, die samt und sonders einen parteipolitischen Charakter tragen. Wenn ich Herrn Lenz fragte, ob er bereit ist, die finanziellen Hintergründe all dieser Publikationen hier darzulegen, ich bin ganz sicher, daß er uns hier in einer sehr frühlingswidrigen Stille und Verschwiegenheit, der Verschwiegenheit einer Polarnacht, stumm entgegenstehen und nichts über diese Sachen sagen würde.
Wir können von Ihnen nicht die Auflösung all dieser Hilfsinstrumente fordern. Das steht uns nicht zu, das ist nicht Sache dieses Hauses. Aber wir verlangen und müssen verlangen, daß, wenn Etatsmittel, wenn Mittel des Bundes in diesen Organisationen wirksam werden, diese Zahlungen eingestellt und die Mittel meinetwegen an die Bundeszentrale für Heimatdienst überwiesen werden, wo wir wenigstens einigermaßen die Voraussetzungen der Kontrolle haben und glauben dürfen, daß die Mittel einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden.
In dem Vermerk zu Tit. 300 heißt es: „Der Ansatz schließt auch die Public-Relations-Arbeit im In- und Ausland sowie die Förderung von Film, Bild und Publikationen verschiedener Art ein". Ich habe hierzu eine Frage an den Herrn Bundeskanzler. Es ist uns mitgeteilt worden, daß die Absicht besteht, im nächsten Jahr anläßlich des Geburtstages des Herrn Bundeskanzlers einen Bundeskanzlerfilm herauszubringen. Es würde uns sehr interessieren, ob dieser Film auch aus diesen uns hier zur Beschlußfassung vorgelegten Mitteln finanziert werden soll.
Lassen Sie mich noch einer Sorge Ausdruck geben. In dieser Verwirrung von parteipolitischen Propagandainstrumenten und staatlichen Einrichtungen kommt immer mehr eine gefährliche Tendenz an die Oberfläche, die letzten Endes darauf
hinausläuft, den Staat zur Beute einer Partei zu machen. Das wäre eine ungeheuer gefährliche Tendenz.
— Meine Damen und Herren, rufen Sie nicht Oho! Bei dem, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, mit jenen beschämenden Bildern bei den. Regierungsbildungen, kann man doch bereits nicht mehr von Kuhhandel sprechen; das hieße doch diese sehr ehrenwerten Tiere nahezu beleidigen.
Wenn ich mir alle die Ereignisse vor Augen halte, die bei diesen Regierungsbildungen sichtbar geworden sind, mit dem Überbieten an Ministern., so werde ich dabei, besonders mit Rücksicht auf das, was wir gerade jetzt in Niedersachsen erlebt haben, an ein Wort erinnert
— rufen Sie bitte deutlicher, dann kann man es vielleicht verstehen — —
- Lassen Sie sich informieren! Vielleicht können Sie in aller Form hier bestreiten, daß man die Absicht hat, die Summe der Staatssekretäre in dieser neuen Regierung in Niedersachsen um eine größere Anzahl zu vergrößern und daß man bereits das elfte Ministerium an den Horizont malt. Alles das erinnert mich an jenes Wort, dis ein konservativer englischer Ministerpräsident einmal gesprochen hat, als man ihn fragte: Wie sieht es jetzt nach der Wahl in Ihrer Partei aus? Darauf antwortete er: Bei uns herrscht die Stimmung eines Zoologischen Gartens bei der Fütterung der Raubtiere.
Meine Damen und Herren, es ist doch nun einmal so, daß sich bei all diesen Regierungsbildungen zeigt, wie sehr der Staat zum Instrument einer Partei gemacht werden soll.
Nun noch ein Wort zum Presse- und Informationsamt. — Die allgemeine Unruhe nutzt nichts; Sie müssen dann schon artikulierte Zwischenrufe machen. Zum Presse- und Informationsamt, einem anderen Instrument der Informationspolitik, — —Präsident D. Dr. Gerstenmaler: Einen Augen, blick, Herr Abgeordneter. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?