Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es darf vorausgesetzt werden, daß der Bericht über den Verkehrshaushalt nicht so interessant ist wie die Debatte über Fragen der Außenpolitik. Immerhin hängt auch von diesem Einzelplan, einem der umfangreichsten des ganzen Haushaltsplans, einiges für das Leben unseres Volkes ab. Ich werde mich bemühen, den Bericht so kurz wie möglich zu erstatten. Dieser Bericht stützte sich in der Arbeit des Haushaltsausschusses zunächst einmal auf den in der Ausschußdrucksache 279 schriftlich vorliegenden Bericht des Berichterstatters. Ihnen liegt heute die Drucksache 1512 mit dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses vor.
Manches von dem, was heute morgen hier in der Debatte bezüglich des Verhältnisses zwischen Parlament und Bürokratie anklang, findet auch in den vorbereitenden Beschlüssen des Haushaltsausschusses zum Haushalt des Verkehrsministeriums seinen Niederschlag.
Ich darf an Hand des Berichts an die wichtigsten Einsparungen prinzipieller Natur, nicht zahlenmäßigen Umfangs, erinnern. Wir haben im Haushaltsausschuß verhindert, daß die an sich bescheidenen Forderungen des Verkehrsministeriums auf Vermehrung der Planstellen in vollem Umfange verwirklicht wurden. Wir haben unsere besondere Aufmerksamkeit den Reisekosten bei den einzelnen Kapiteln und Titeln des verkehrsministerialen
Haushalts zugewandt, so im Bereich des Bundesministeriums für Verkehr selbst, so auch im Bereich der Binnen- und der Seewasserstraßenverwaltung sowie der Bundesanstalt für Wasserbau. Wir haben auch bei den Autokosten nach Kräften gestrichen und eingespart, auf der andern Seite aber neuen Bewilligungen zugestimmt, von denen ich eine hervorragende nenne: die Vorbereitung des Baues einer Staustufe bei Geesthacht an der Elbe mit einem ersten Betrag von 100 000 DM.
Die Bedeutung des Haushalts im Rahmen des Gesamthaushalts ergibt sich aus einigen interessanten Zahlen. Der Gesamthaushalt des Bundes weist im ordentlichen Teil 26 521 Millionen auf, der ordentliche Haushalt des Verkehrsministeriums 901,1 Millionen und damit 3,4 % des gesamten ordentlichen Haushalts des Bundes. Der außerordentliche Haushalt des Bundes weist eine Endsumme von 1674,5 Millionen auf. Davon entfallen auf den Einzelplan 12 0,5 Milliarden oder 26,5 %.
Innerhalb des Kap. 1201 Personal- und Sachausgaben ist eine Steigerung von 11,5 Millionen im Vorjahr auf 12,8 Millionen in diesem Jahr festzustellen, die aber mit 1,2 Millionen auf eine Verlagerung eines Titels entfällt, nämlich auf die bisher im Einzelplan 60 aufgeführten Beihilfen auf Grund der Beihilfengrundsätze.
Der Haushaltsausschuß hat es sich bei der Beratung der einzelnen Kapitel nicht leicht gemacht. Eines der schwersten und in seiner Bedeutung weitesttragenden Kapitel war nach dem Zustandekommen des Verkehrsfinanzgesetzes und schon vorher die Frage der Bundesleistung zugunsten der Deutschen Bundesbahn. Sie finden in dem Ihnen gedruckt vorliegenden Haushalt eine Summe von 200 Millionen DM für eine Liquiditätshilfe für die Bundesbahn, die nach einer vom Vertreter des Bundesfinanzministeriums im Haushaltsausschuß dargelegten Auffassung den Charakter eines Darlehens haben soll. Sie finden ein eigentliches, als solches bereits bezeichnetes Darlehen von 100 Millionen DM zugunsten der Bundesbahn und eine Leistung aus den Erträgnissen des Verkehrsfinanzgesetzes von 148 Millionen.
Meine Damen und Herren, hierhin gehört nun die Behandlung eines Antrags Drucksache 1092 der Abgeordneten Müller-Hermann und Genossen, der folgenden Wortlaut hat:
Der Haushaltsausschuß des Bundestages wird beauftragt, im Zusammenhang mit den Beratungen des Haushaltsgesetzes 1955 die Übernahme der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn durch den Bund zu prüfen. Der Bundestag erwartet einen Bericht anläßlich der zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1955.
Hier liegt in der Zwischenzeit das Gutachten des sogenannten Wetzler-Ausschusses vor. Dieses Gutachten geht in einer Reihe von Punkten von der Berechtigung der Forderung auf Übernahme der sogenannten betriebsfremden oder politischen Lasten von der Bundesbahn auf den Bund aus. Der Haushaltsausschuß hat sich mit Mehrheit aber dahin entschieden, sich bis jetzt nicht als imstande befindlich zu erklären und zu betrachten, über die Frage der Notwendigkeit der Übernahme der betriebsfremden Lasten der Deutschen Bundesbahn durch den Bund ein Urteil zu bilden. Er erwartet hierüber eine Vorlage der Bundesregierung, die
zusammen mit dem Bericht des erweiterten Sachverständigenausschusses die Grundlagen für einen Antrag des Haushaltsausschusses an das Plenum zu Drucksache 1092 liefern soll, also eine Erledigung, die nach Auffassung der Mehrheit heute nicht möglich ist, sondern hinausgeschoben werden soll.
Im Bereich des Bundesbahnkomplexes hat die Frage der Arbeitszeit der Bundesbahnbeamten und -angestellten eine gewisse Rolle gespielt. Wir haben den Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, Herrn Minister a. D. Dr. Hilpert , zu uns gebeten, und er hat auch darüber gesprochen. Aus einem ergänzenden Brief möchte ich Ihnen mit Rücksicht auf die Bedeutung dieser Frage der Überlastung von Bahnbeamten — bedeutend mit Rücksicht auf die Gefährdung des Verkehrs — einige wenige Sätze mitteilen. Es heißt hier in der Information durch Herrn Dr. Hilpert:
Die Länge der Dienstschicht — also einschließlich Dienstbereitschaft und Pausen — beträgt jetzt im stationären Dienst in der Regel zwischen 8 bis 12 Stunden; über 12 Stunden darf die Schicht bis 14 Stunden nur dann ausgedehnt werden, wenn in ihr eine Pause von mindestens 2 Stunden enthalten ist; im Zug- und Kraftwagendienst in der Regel bis höchstens 12 Stunden; sie darf bis 14 Stunden (früher 16 Stunden) ausgedehnt werden, insbesondere wenn in ihr eine mindestens 2stündige Pause enthalten ist.
Nach den Erhebungen der Bundesbahn arbeiteten von den gesamten unter die Dienstdauervorschriften fallenden Personen in Dienstschichten in einem siebentägigen Zeitraum am 1. September 1937 im Vergleich zum 30. Juni 1952 über 48 bis 54 Stunden früher 20,75 % aller Beamten und Angestellten, heute 39,26 %, über 54 bis 60 Stunden früher 32,33 %, heute 25,89 %, über 60 bis 66 Stunden früher 24,19%, heute 6,61 %, über 66 bis 72 Stunden früher 15,62 %, heute 2,97 %, über 72 bis 78 Stunden — das gibts auch noch — früher 4,83 %, heute 0,62 %, über 78 bis 84 Stunden früher 1,32 %, heute 0,38 %. 1937 gab es sogar 0,05 %, die über 90 Stunden tätig waren oder in Bereitschaft standen.
In dem Einzelplan, der Ihnen vorliegt, ist von Wichtigkeit, weil dazu in der Zwischenzeit noch ein Antrag gestellt worden ist, Kap. 12 02 Tit. 890, Bundesleistung an die Privatbahnen. Sie erinnern sich an das Verkehrsfinanzgesetz. Dieses Verkehrsfinanzgesetz hat einen Abschnitt VI „Finanzierungshilfe für nichtbundeseigene Eisenbahnen". Darin wird der Bundesregierung eine Ermächtigung erteilt, während der zehn auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Rechnungsjahre durch die Bundesminister für Verkehr und der Finanzen nichtbundeseigenen Eisenbahnen darlehnsweise jährliche Finanzierungshilfen bis zur Höhe von 10 Millionen DM zu gewähren, die angemessen verzinst werden sollen. In der Neufassung der Erläuterungen zu Kap. 12 02 Tit. 510 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Mittel für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen noch nicht vorgesehen sind. Der Herr Bundesverkehrsminister hat in der Sitzung des Haushaltsausschusses die Frage der Bereitstellung von Mitteln für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen als nicht sehr dringlich bezeichnet unter Hinweis darauf, daß die Bahnen ja noch nicht in der Lage seien, entsprechende Investitionspläne aufzustellen.
Die Liebe des Hauses muß diesen nichtbundeseigenen Eisenbahnen mindestens in dem Verhältnis gelten, wie die öffentliche Hand an ihnen beteiligt ist, nämlich zu etwa 70 %. Nun haben mehrere Mitglieder des Hauses einen Antrag auf Umdruck 428 *) eingereicht und fordern darin die Bereitstellung von 4 Millionen DM als Darlehen, zugleich aber die Erhöhung des Einnahmeansatzes im Einzelplan 60 Kap. 60 01 um die gleichen 4 Millionen DM. Es wird gegebenenfalls der Erörterung bei. Einzelplan 60 vorbehalten bleiben müssen, ob ein Weg dieser Art gangbar ist. Ich darf Ihnen vorweg sagen, daß ich ihn nach kritischer Überprüfung der Sachlage als nicht gangbar erachte
und daß ich befürchte, daß die Bewilligung eines Darlehens von 4 Millionen DM an die nichtbundeseigenen Eisenbahnen mit ,diesem Zwang zur Aufbringung ein Schlag ins Wasser sein würde.
In der Zwischenzeit aber — und ich freue mich, das feststellen zu können — ist eine Verständigung mit dem Bunidesfinanzministerium zustande gekommen, die meiner Meinung nach diesen Antrag gegenstandslos machen könnte. Das Bundesfinanzministerium ist bereit, aus Kassenmitteln vorläufig in diesem Rechnungsjahr den gewünschten Betrag von 4 Millionen DM zu einem üblichen Zinsfuß von etwa 4 % zur Verfügung zu stellen. Damit würden die nichtbundeseigenen Eisenbahnen in der Lage sein, Bestellungen zu finanzieren, die auf dem Gebiete der Verbesserung ihres Fahrzeugparks dringend erforderlich sind.
Nun, meine Damen und Herren, im Rahmen des Einzelplans gibt es eine Fülle von Zahlen, von denen ich mit Rücksicht auf das große Interesse, das idas Haus diesem Einzelplan beweist, nur einige wenige zur Kenntnis bringen möchte. Im Bereich der Seeschiffahrt werden zur Verfügung gestellt 50 Millionen DM, für die Berufsausbildung der Seeleute 0,4 Millionen DM, für die Investitionen der Deutschen Lufthansa 15 Millionen DM, für die Lufthansa noch ein Betriebszuschuß von 15 Millionen DM, dann 2 Millionen DM und 1 Million DM für Flughafengesellschaften und dergleichen mehr, 4,32 Millionen DM für die Förderung des Ausländerreiseverkehrs in Deutschland. Im Bereich der Binnenwasserstraßenverwaltung erfolgen — wenn dieser Etat angenommen wird — Bewilligungen in Höhe von insgesamt 74 436 200 DM. Entsprechende Bewilligungen erfolgen auch für Seewasserstraßen.
Das Hauptkapitel aber, das uns neben der Bundesbahn schon der Größenordnung wegen am stärksten interessieren muß, sind die Straßen. Wir 'haben in den Jahren 1950 bis 1953 für Bundesfernstraßen ausgegeben 213 Millionen, 225 Millionen, 264 Millionen und 313 Millionen DM. Im ganzen sollen in diesem Jahre 442,6 Millionen DM auf Bundesfernstraßen entfallen. nachdem im Vorjahr 296.9 Millionen DM auf die Bundesfernstraßen entfielen. Von diesen 442 Millionen DM entfallen 245 Millionen DM planmäßig auf Bundesstraßen und 197,6 Millionen DM auf Bundesautobahnen.
Von den im außerordentlichen Haushalt enthaltenen 163,5 Millionen DM entfallen 109,5 Millionen DM oder 67 % auf die Fortführung von Bauvorhaben und nur 54 Millionen DM oder 33 % auf neue Bauvorhaben, für die in den Vorjahren noch keine Ansätze ausgebracht worden waren.
*) Siehe Anlage 8.
Im einzelnen sind im Straßenhaushalt folgende interessante Ansätze enthalten: Unterhaltung der Bundesstraßen und Bundesautobahnen 123 Millionen DM, Um- und Ausbau der Bundesstraßen und Bundesautobahnen 41,9 Millionen DM, Neubau an Bundesstraßen und Bundesautobahnen 61 Millionen DM. Es handelt sich bei dem letzteren um 71 Bauvorhaben, in der Hauptsache um Ortsumgehungen. Davon betreffen 61 Ansätze mit 55 Millionen DM die Fortsetzung von bereits begonnenen Bauten und nur 10 Ansätze mit 6 Millionen DM den Beginn von neuen Baumaßnahmen.
Ein sehr schwieriges und wahrscheinlich nicht leicht oder überhaupt nicht zu lösendes Kapitel ist die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für die Beseitigung von Frostschäden. Wir haben im Haushalt nur 20 Millionen DM, für die Beseitigung von Kriegsschäden 41,2 Millionen DM und dann einige zu geringe Beträge zugunsten von Gemeinden. So werden 2,4 Millionen DM als Zuschüsse für den Ausbau von Ortsdurchfahrten in Gemeinden von mehr als 9000 Einwohnern bereitgestellt, 2,6 Millionen DM als Haushaltsmittel für Zubringerstraßen und 3,3 Millionen DM als Darlehen und Zuschüsse zum Wiederaufbau kriegszerstörter Brücken, die sich in der Baulast von Gemeinden befinden.
Abschließend darf ich feststellen, daß der Haushalt 1955 nach dem Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes nunmehr die Möglichkeit zur Fortsetzung des seit Jahren geforderten Autobahnneubaus gibt. Der vorliegende Haushalt sieht hierfür Baumaßnahmen mit einer Gesamtbausumme von 194 Millionen DM vor, wovon 118 Millionen DM im Haushalt ausgebracht sind und 76 Millionen DM durch die Öffa im Kreditwege beschafft werden sollen. Für den Neubau sowie größeren Um- und Ausbau von Bundesstraßen im Rahmen des Verkehrsfinanzgesetzes enthält der Haushalt einen Ansatz von 16 250 000 DM. Vorgesehen sind zunächst aber nur 40 Millionen DM, von denen 20 Millionen DM für die Beseitigung von Frostschäden eingeplant sind. Die danach noch fehlenden Mittel sollen im Wege des Vorgriffs bereitgestellt werden. Die Menge und der Umfang der Frostschäden werden vom Bundesverkehrsministerium auf 50 Millionen DM beziffert.
Sie sehen, daß der Haushalt knapp ist, daß bei aller Reichhaltigkeit der Mittel von mehr als 1,3 Milliarden DM auf den einzelnen Bedarf viel zu wenig entfällt und daß es der großen Sorge dieses Hohen Hauses bedarf, um künftig mehr Mittel, als auch auf Grund des Verkehrsfinanzgesetzes bereitgestellt werden konnten, bereitzustellen; denn die Verkehrsdichte und der Zustand der Straßen stellen gegenüber den bereitstehenden Mitteln eine derart wesentliche und entscheidende Überforderung dar, daß die Aufmerksamkeit des Parlaments wie auch der Regierung notwendig ist, um in nächster Zukunft einen Weg zu einer entscheidenden weiteren Verbesserung zu finden.