Protokoll:
18159

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 159

  • date_rangeDatum: 26. Februar 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:08 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/159 Textrahmenoptionen: 16 mm Abstand oben Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 159. Sitzung Berlin, Freitag, den 26. Februar 2016 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . . 15665 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15666 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu be- nennenden Mitglieder des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Menschenrechte gemäß § 6 Absatz 2 Nummer 4 und 5 des Gesetzes über die Rechtsstellung und Auf- gaben des Deutschen Instituts für Men- schenrechte – DIMRG Drucksache 18/7703 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15667 C Tagesordnungspunkt 19: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Dritten Gesetzes zur Än- derung des Aufstiegsfortbildungsför- derungsgesetzes Drucksachen 18/7055, 18/7676 . . . . . . 15667 C – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/7677 . . . . . . . . . . . . . . 15667 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Durchlässigkeit in der Bildung si- chern, Förderlücken zwischen beruf- licher Bildung und Studium schlie- ßen – zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bildungszeit PLUS – Wei- terbildung für alle ermöglichen, le- benslanges Lernen fördern Drucksachen 18/7234, 18/7239, 18/7676 . . . . 15667 D Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15668 A Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 15669 A Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15671 A Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15672 B Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15674 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 15676 C Lena Strothmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15677 D Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 15679 A Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) . . . . . . . 15680 C Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finan- zierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfä- hige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide aus- statten Drucksache 18/7643 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15682 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 15682 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016II Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 15683 C Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15685 D Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 15687 A Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) . . . . . . 15688 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 15690 C Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) . . . . . . 15691 A Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15691 B Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15692 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15694 A Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 15695 A Elfi Scho-Antwerpes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 15697 A Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15698 A Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15699 D Tagesordnungspunkt 21: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Kombinierter siebter und achter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi- nierung der Frau (CEDAW) Drucksache 18/5100 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15701 A Elke Ferner, Parl . Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15701 B Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 15702 C Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) . . . . . . . 15704 B Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15706 B Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15707 B Christina Schwarzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 15708 B Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15710 A Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15711 A Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15712 B Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfah- rens Drucksache 18/7457 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15714 A Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15714 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15715 D Frank Junge (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15716 C Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 15717 D Margaret Horb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15719 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 15720 B Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Bundesberggesetzes zur Untersa- gung der Fracking-Technik Drucksache 18/7551 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15721 B Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15721 C Dr . Herlind Gundelach (CDU/CSU) . . . . . . . . 15722 D Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15725 A Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15726 A Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15727 A Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15729 B Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15730 B Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende Drucksache 18/7555 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15731 B Iris Gleicke, Parl . Staatssekretärin BMWi . . . 15731 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 15732 A Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 15733 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15734 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15735 A Florian Post (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15736 A Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15736 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15738 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15739 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 15741 A Anlage 2 Neudruck: Erklärung nach § 31 GO der Ab- geordneten Petra Rode-Bosse (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 III brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh- rung beschleunigter Asylverfahren (158 . Sit- zung, Tagesordnungspunkt 3 a, Anlage 7) . . . 15742 A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15742 C Textrahmenoptionen: 30,5 mm Abstand oben (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15665 159. Sitzung Berlin, Freitag, den 26. Februar 2016 Beginn: 9 .01 Uhr
  • folderAnlagen
    Johann Saathoff (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15741 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aken, Jan van DIE LINKE 26 .02 .2016 Albsteiger, Katrin CDU/CSU 26 .02 .2016 Bartol, Sören SPD 26 .02 .2016 Beckmeyer, Uwe SPD 26 .02 .2016 Bergner, Dr . Christoph CDU/CSU 26 .02 .2016 Bilger, Steffen CDU/CSU 26 .02 .2016 Binder, Karin DIE LINKE 26 .02 .2016 Brantner, Dr . Franziska BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .02 .2016 De Ridder, Dr . Daniela SPD 26 .02 .2016 Dörmann, Martin SPD 26 .02 .2016 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 26 .02 .2016 Eberl, Iris CDU/CSU 26 .02 .2016 Engelmeier, Michaela SPD 26 .02 .2016 Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 26 .02 .2016 Gabriel, Sigmar SPD 26 .02 .2016 Grindel, Reinhard CDU/CSU 26 .02 .2016 Gröhe, Hermann CDU/CSU 26 .02 .2016 Gutting, Olav CDU/CSU 26 .02 .2016 Höger, Inge DIE LINKE 26 .02 .2016 Holzenkamp, Franz- Josef CDU/CSU 26 .02 .2016 Jüttner, Dr . Egon CDU/CSU 26 .02 .2016 Kaczmarek, Oliver SPD 26 .02 .2016 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 26 .02 .2016 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .02 .2016 Klare, Arno SPD 26 .02 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kömpel, Birgit SPD 26 .02 .2016 Mast, Katja SPD 26 .02 .2016 Merkel, Dr . Angela CDU/CSU 26 .02 .2016 Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 26 .02 .2016 Nahles, Andrea SPD 26 .02 .2016 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .02 .2016 Özoğuz, Aydan SPD 26 .02 .2016 Pantel, Sylvia CDU/CSU 26 .02 .2016 Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 26 .02 .2016 Scheer, Dr . Nina SPD 26 .02 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 26 .02 .2016 Schmidt (Aachen), Ulla SPD 26 .02 .2016 Schmidt, Dr . Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .02 .2016 Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 26 .02 .2016 Steinbach, Erika CDU/CSU 26 .02 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 26 .02 .2016 Terpe, Dr . Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .02 .2016 Thönnes, Franz SPD 26 .02 .2016 Ulrich, Alexander DIE LINKE 26 .02 .2016 Veit, Rüdiger SPD 26 .02 .2016 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 26 .02 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 26 .02 .2016 Werner, Katrin DIE LINKE 26 .02 .2016 Wicklein, Andrea SPD 26 .02 .2016 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 26 .02 .2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 201615742 (A) (C) (B) (D) Anlage 2 Neudruck: Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Petra Rode-Bosse (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu- nigter Asylverfahren (158. Sitzung, Tagesordnungspunkt 3 a, Anlage 7) Mit dem Gesetz werden verschiedene Maßnahmen zu Verfahren der Anerkennung, Unterbringung von Flüchtlin- gen und Asylbewerbern sowie deren Lebensbedingungen geregelt . Auch wenn ich die Zielsetzung des Gesetzes in wesentlichen Bereichen unterstütze und darin das Ergeb- nis eines Kompromisses sehe, der weitergehende Ver- schärfungen wie etwa die Einrichtung von Transitzonen verhindert hat, kommt es jetzt darauf an, dass die Regis- trierung zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in den Arbeitsmarkt unterstützt werden können . Hier wird Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni- gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin- derschutz  in  den  Einrichtungen  durch  die  Pflicht  eines  erweiterten Führungszeugnisses für Helfer und Helferin- nen vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch der unsinnige und inhumane Vorschlag von Transitzonen an den Grenzen vom Tisch ist . Allerdings habe ich erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit einzelner Regelungen des Gesetzentwurfes . Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen- stehen, sowie die zweijährige Aussetzung des Familien- nachzugs für subsidiär Schutzbedürftige . Sorgen bereitet mir, dass die Regelung zum Familiennachzug auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Ich befürchte, dass durch die Aussetzung des Fami- liennachzuges die Lebensbedingungen dieser Jugendli- chen verschärft werden, Integration erschwert wird und nachziehende Angehörige auf unsichere Wege gedrängt werden . Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten nur 0,6 Prozent der Antragssteller, über die entschieden wurde, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Famili- ennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich begrü- ße deshalb, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprü- fung zum Familiennachzug stattfinden soll.  Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich  ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . Die Stellungnahmen von Verbänden, Hilfswerken, Kirchen und vielen weiteren Organisationen sind in mei- ne  Entscheidung  mit  eingeflossen.  Trotz  der  oben  ge- nannten Bedenken werde ich dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren – auch unter Einbeziehung meiner politischen Gesamteinschätzung – zustimmen, denn was wir jetzt brauchen, sind schnellere und bessere Verfahren zur Unterbringung und Anerkennung . Zu guter Letzt: Mein besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften, die sich mit großem Engagement in den Unterkünften, in Sprachkur- sen, bei der Begleitung zu Ämtern, in Integrationsmaß- nahmen und in unzähligen weiteren Bereichen betätigen . Anlage 3 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Abwicklung des Fonds für Wiedergutmachungs- leistungen an jüdische Verfolgte – Stand 30 . Juni 2015 – Drucksachen 18/6735, 18/6847 Nr. 4 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Strategie Intelligente Vernetzung Drucksachen 18/6022, 18/6236 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Energieeffizienzstrategie Gebäude – Wege zu ei- nem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand Drucksachen 18/6782, 18/6933 Nr. 1.4 Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch die Deutsche Welle Entwurf der Fortschreibung der Aufgabenplanung 2014 bis 2017 der Deutschen Welle Drucksachen 18/7124, 18/7276 Nr. 8 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15743 (A) (C) (B) (D) Innenausschuss Drucksache 18/5982 Nr . A .8 Ratsdokument 10321/15 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/5165 Nr . A .9 Ratsdokument 8672/15 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/7422 Nr . A .19 EP P8_TA-PROV(2015)0456 Drucksache 18/7422 Nr . A .20 Ratsdokument 13694/15 Drucksache 18/7422 Nr . A .21 Ratsdokument 15262/15 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 159. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 4 Wahl: Deutsches Institut für Menschenrechte TOP 19 Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes TOP 20 Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen TOP 21 Übereinkommen gegen Diskriminierung der Frau TOP 22 Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens TOP 23 Änderung des Bundesberggesetzes (Fracking-Technik) TOP 24 Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815900000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich und freue mich, dass wir die heutige
Debatte mit einer Geschäftsordnungskontroverse begin-
nen können .


(Heiterkeit des Abg . Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] – Christine Lambrecht [SPD]: Endlich mal wieder!)


Das bringt doch den Blutdruck auf den üblichen Stand .

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben fristge-
recht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Wahl
der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglie-
der des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Men-
schenrechte zu erweitern und als Zusatzpunkt 4 gleich zu
Beginn der Tagesordnung aufzurufen .

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Kollege
Grosse-Brömer für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1815900100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! So spannend ist das Thema ja nun nicht . Aber
es ist auch nicht unwichtig; die Grünen würden ja sonst
nicht widersprechen . Das machen sie ja nur bei wichtigen
Angelegenheiten .

Wer an die letzte Geschäftsordnungsdebatte zurück-
denkt, wird sich daran erinnern, dass die Opposition
schon damals ziemlich schlecht aussah . Ich glaube, heute
wird es noch schlimmer .


(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist folgendermaßen: Schon damals hatten Sie kei-
nen rechtlichen, keinen inhaltlichen und keinen verfah-
rensrechtlichen Grund, irgendetwas zu vertagen . Heute
kommt es noch schlimmer: Sie können nicht nur keinen
der genannten Gründe anführen, Sie als Grüne haben so-

gar dem Verfahren, wie wir es heute ablaufen lassen wol-
len, vollständig zugestimmt . Sie haben dem Gesetz, auf
dessen Basis wir die Wahlen heute durchführen wollen,
im Juni letzten Jahres zugestimmt . Das Verteilverfahren –
die inhaltliche Basis des heutigen Verfahrens – haben
Sie noch im Juni letzten Jahres völlig richtig gefunden .
Nicht nur das: Sie haben zuvor selbst einen vollkommen
identischen Gesetzentwurf eingebracht . Der Name der
Kollegin Haßelmann, die gleich sprechen wird, steht an
prominenter Stelle darauf . Sie war also dafür, es so zu
machen, wie wir es heute machen wollen .

Ich freue mich auf Ihre Erwiderung gleich . Insofern
macht es wirklich Spaß, mit einer Geschäftsordnungsde-
batte zu beginnen .

Man kann es also kurz so zusammenfassen: Sie kri-
tisieren heute ein Verfahren, dem Sie nicht nur zuge-
stimmt, sondern das Sie selber vorgeschlagen haben .
Peter Lustig hätte dazu gesagt: Das ist komisch von den
Grünen, ist aber so .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber so lustig ist es ja vielleicht auch nicht . In der Sa-
che sollten Sie wirklich überlegen, ob wir über Themen,
bei denen Sie die verfahrensrechtliche Vorgehensweise
selbst vorschlagen und sie auch in einem eigenen Ge-
setzentwurf verankert haben, dann, wenn es ernst wird,
tatsächlich eine Geschäftsordnungsdebatte führen sollen .

Es geht in der Tat um das Kuratorium des Deutschen
Instituts für Menschenrechte . Wenn ich es richtig ver-
standen habe, haben Sie jetzt sogar noch nicht einmal
irgendwelche Bedenken gegen die vorgeschlagenen Per-
sonen – es sei denn, ich werde gleich eines Besseren be-
lehrt .

Man kann letztendlich zusammenfassen: Die Perso-
nen  finden  Sie  richtig,  das Verfahren  haben  Sie  selbst 
vorgeschlagen, Sie haben einen entsprechenden Gesetz-
entwurf eingebracht – und heute sind Sie dagegen . Ich
bin auf Ihre Erklärung gespannt, warum das so ist . Wir
sagen einfach: Sie haben uns von etwas, was Sie selbst
früher für richtig befunden haben, überzeugt, und wir fin-
den das auch richtig . Lassen Sie uns abstimmen! Es ist
gut . Es sind die richtigen Personen . Es ist das richtige






(A) (C)



(B) (D)


Verfahren . Jedenfalls haben auch Sie selbst das vor weni-
gen Wochen noch so gesehen .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815900200

Frau Haßelmann, bitte .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815900300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und

Herren Kolleginnen und Kollegen! Ja, in der Tat wider-
sprechen wir heute dem Aufsetzungswunsch; denn die
rechtliche Absicherung des Deutschen Instituts für Men-
schenrechte hat sehr lange gedauert . Dazu gab es hier im
Parlament ein sehr langes und zum Teil sehr unwürdiges
Verfahren . Einige in der Koalition hätten sogar fast ris-
kiert, dass dieses hoch anerkannte Institut für Menschen-
rechte abgestuft worden wäre im internationalen Kon-
text, indem Sie das nämlich einfach so heruntergemacht
und so ignoriert haben .

Deshalb haben wir gerne, Herr Grosse-Brömer, im
allerletzten Moment – es war wirklich die allerletzte
Möglichkeit vor Fristsetzung – dem Gesetz zugestimmt,
damit das Deutsche Institut für Menschenrechte abge-
sichert werden konnte, damit die gesetzliche Grundla-
ge geschaffen wurde und wir damit als Parlament auch
gemeinsam ein Zeichen setzen für Wertschätzung der
Arbeit des Deutschen Instituts für Menschenrechte . Und
das war richtig und gut . Wir würden das heute jederzeit
wieder so tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Nachdem das Ganze aber so lange gedauert hat,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Soll es heute nicht entschieden werden?)


ein solches Hin und Her bestanden hat, auch solche Dif-
famierungen gegen die Arbeit des Deutschen Instituts für
Menschenrechte erfolgten, wir nur in allerletzter Sekun-
de die Kurve gekriegt haben –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt mal zum heutigen Tag!)


wir haben ja fast ein Jahr lang darüber diskutiert –, wird
uns dann heute, am Dienstag, gesagt:


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Heute ist Freitag!)


So, da gibt es jetzt einen Vorschlag für das Kuratorium . –
Wir haben dann gesagt: Nennen Sie uns doch bitte ein-
mal die Namen . – Da hieß es: Ja, die haben wir gerade
noch nicht parat, aber die haben wir, und die kriegen Sie
dann . – Am Dienstag dieser Woche! Bis dato war das
Thema „Benennung der Kuratoriumsmitglieder“ noch
nicht einmal auf Wunsch der Koalitionsfraktionen auf
der Tagesordnung. Meine Damen und Herren, ich finde, 

das sind genug Gründe, um zu sagen: Wir widersprechen
der Aufsetzung .

Schauen wir uns dann einmal die Sachlage an: Ja,
das Verfahren ist so . Wir haben dem Gesetz zugestimmt .
Zwei Mitglieder für das Kuratorium werden aus den
Reihen der MdBs bestimmt . Dass wir als kleinste Op-
positionsfraktion kein Benennungsrecht für diese beiden
MdBs haben, ist nie und an keiner Stelle von uns infrage
gestellt worden .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Weil es logisch war! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was läuft denn jetzt falsch?)


Das ist doch sowieso klar angesichts der Verteilung der
Stimmenanteile hier im Deutschen Bundestag .

Dass Sie aber nicht die Größe und auch nicht das par-
lamentarische Verständnis hatten, bei den sechs Mitglie-
dern für das Kuratorium, die vom Parlament aus den Rei-
hen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu benennen
sind, zu sagen: „Das macht das Parlament gemeinsam .
Hier kommen wir konsensual zu einem gemeinsamen
Vorschlag, wen das deutsche Parlament in das Kurato-
rium als Fachexpertin oder als Fachexperten benennt“,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Aus der Wissenschaft!)


ist doch unvorstellbar angesichts der Thematik und ange-
sichts der Breite, die abgebildet werden soll . Schließlich
soll das Deutsche Institut für Menschenrechte auch die-
se Regierung kontrollieren . Wie ist denn jetzt das Sig-
nal nach außen? Die Große Koalition, die die Regierung
stellt, setzt alles daran, sich nicht mit den beiden klei-
neren Fraktionen im Deutschen Bundestag darauf zu ei-
nigen, welche sechs Personen man aus Zivilgesellschaft
und Wissenschaft benennt .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Entweder es gibt eine Geschäftsordnung, oder es gibt keine!)


Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich armselig,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


dass Sie diese Größe nicht hatten . Es ist auch nicht gut
für das Kuratorium und für die Außenwirkung des Ku-
ratoriums .


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie armselig!)


Jetzt noch ein abschließender Punkt: Wenn man Ihre
einseitige, monothematische Besetzung ansieht,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Was?)


dann kommt man zu der Auffassung, dass die auch nicht
gut für das Institut für Menschenrechte ist . Wo sind denn
Initiativen wie Pro Asyl, wo sind denn die Anliegen von
Human Rights Watch und von Amnesty International
thematisch vertreten?


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist wohl nicht monothematisch, oder? – Zuruf des Abg . Dr . Thomas Feist [CDU/CSU])


Michael Grosse-Brömer






(A) (C)



(B) (D)


Und die SPD duckt sich bei der Frage am liebsten ganz
weg, weil sie genau weiß, dass wir recht haben mit un-
serer Kritik


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Na, na! So ist das nicht!)


an dieser so einseitigen Besetzung und an dieser mono-
thematischen Besetzung im Hinblick auf Religionsfrei-
heit . Damit tun Sie dem Institut und dem Kuratorium
keinen Gefallen .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Es geht um Menschenrechte! Nicht um Verbandsvertreter!)


Das wissen wir alle, und das wissen die Fachverbände
ganz besonders .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Unsere Ablehnung, die wir gleich bei der Wahl bekun-
den werden – ich muss ja davon ausgehen, dass Sie für
Ihren Aufsetzungsantrag eine Mehrheit bekommen –,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


hat allerdings nichts mit einzelnen Personen, die hier zur
Wahl stehen, zu tun .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Aha!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815900400

Frau Kollegin .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815900500

Wir kritisieren das Verfahren . Wir halten die mono-

thematische Besetzung für falsch und auch den Weg, den
Sie gewählt haben, indem Sie nicht alle Fraktionen des
Deutschen Bundestages einbezogen haben, um zu einem
konsensualen Vorschlag zu kommen .

Danke .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Noch unlogischer geht nicht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815900600

Können wir jetzt abstimmen? – Das ist gut so . Dann

lasse ich über den Aufsetzungsantrag der Koalitionsfrak-
tionen abstimmen . Wer stimmt der Aufsetzung dieses Ta-
gesordnungspunktes zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist dem Aufsetzungsantrag mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppositi-
on stattgegeben worden .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Also, geht doch!)


Ich rufe damit diesen gerade aufgesetzten Zusatz-
punkt 4 auf:

Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benen-
nenden Mitglieder des Kuratoriums des Deut-
schen Instituts für Menschenrechte gemäß § 6

Absatz 2 Nummer 4 und 5 des Gesetzes über
die Rechtsstellung und Aufgaben des Deut-
schen Instituts für Menschenrechte – DIMRG

Drucksache 18/7703

Hierzu gibt es einen Wahlvorschlag der Fraktionen
von CDU/CSU und SPD auf der Drucksache 18/7703 .
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Wahlvor-
schlag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung
der Fraktion Die Linke angenommen .

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 19 a und
19 b:

a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Dritten Gesetzes zur Änderung des Auf-
stiegsfortbildungsförderungsgesetzes

Drucksache 18/7055

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung (18 . Ausschuss)


Drucksache 18/7676


(8 . Ausschuss)


Drucksache 18/7677

b) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung

(18 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias
W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Durchlässigkeit in der Bildung sichern,
Förderlücken zwischen beruflicher Bildung
und Studium schließen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Beate
Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan
Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bildungszeit PLUS – Weiterbildung für alle
ermöglichen, lebenslanges Lernen fördern

Drucksachen 18/7234, 18/7239, 18/7676

Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Aussprache 60 Minuten dauern . – Auch dazu gibt es of-
fenkundig keine Meinungsverschiedenheiten . Dann kön-
nen wir so verfahren .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Thomas Feist für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Britta Haßelmann






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1815900700

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehr-

ten Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in ab-
schließender Lesung die Neufassung des Gesetzes zum
Meister-BAföG . Das Meister-BAföG ist außer an Hand-
werker auch an andere adressiert, die im Rahmen der be-
ruflichen  Fortbildung  ihren weiteren Lebensweg  gehen 
wollen, ob das Techniker, Betriebswirte oder andere sind .

Ich möchte Ihnen, Frau Ministerin, sehr herzlich dan-
ken, dass Sie dafür gesorgt haben, dass aus Ihrem Haus
schon ein sehr ambitionierter Gesetzentwurf kam, den
wir in der parlamentarischen Beratung noch verbessern
konnten . Ich möchte an dieser Stelle auch besonders un-
seren Haushältern danken; denn die Gesetzesänderun-
gen, die wir jetzt auf den Weg bringen, werden in den
nächsten Jahren über 100 Millionen Euro kosten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wahrscheinlich war es hilfreich, dass das erste Gesetz
zur Aufstiegsfortbildungsförderung die Unterschrift von
Wolfgang Schäuble trug . Insofern war er wahrscheinlich
von Anfang an nicht ganz dagegen . Also vielen Dank,
Frau Ministerin, und vielen Dank an die Haushälterin-
nen und Haushälter, dass wir heute so ein schönes Gesetz
vorlegen können .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was machen wir mit dem vielen Geld? Das ist ja schon
eine ganze Menge . Obwohl: Wenn ich mir anschaue, was
wir im Bereich der Wissenschaft investieren, ist auch da
vielleicht noch Luft nach oben . Aber wir wollen ja nicht
klagen . Es ist ein schöner Tag . Zurück also zur Frage,
was wir mit dem Geld machen .

Zunächst statten wir dieses Programm besser aus . Es
wird familienfreundlicher gestaltet . Es wird einen höhe-
ren Zuschussbetrag geben . Wir werden die Grenze, bis zu
der die Kosten einer Maßnahme geltend gemacht werden
können, erhöhen, und wir werden auch bei der Förderung
für das Meisterstück eine ganze Menge Geld drauflegen. 

Die beste Nachricht für mich ist allerdings, dass die-
jenigen, die eine solche Aufstiegsfortbildung erfolg-
reich gemeistert haben, als Belohnung einen Erlass be-
kommen, und zwar nicht mehr in Höhe von 25 Prozent,
wie es bisher im Gesetz stand, sondern von 40 Prozent .
Leistung  lohnt  sich,  gerade  im Bereich  der  beruflichen 
Aus- und Fortbildung! Deswegen ist das, was wir heute
beschließen, gut .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich habe mich auch sehr gefreut über die konstrukti-
ven Beratungen, die wir dazu im Ausschuss hatten . Wir
hatten eine Anhörung, bei der die Experten alle der Mei-
nung waren – Herr Gehring wird mir hier zustimmen –,
dass das, was wir tun, gut ist . Deswegen, glaube ich,
werden Sie heute diesem Gesetzentwurf auch zustimmen
können . Ich glaube, auch die Fundamentalopposition hier
auf der linken Seite wird heute zumindest – eventuell mit
einer Enthaltung, wenn Sie dabei bleiben – dazu beitra-
gen, dass wir für die berufliche Bildung etwas Wichtiges 
machen .

Wir hatten ja in dieser Woche wegen der fremden-
feindlichen Ausschreitungen die Gelegenheit, ein paar
Orte in Sachsen kennenzulernen, von denen einige im
Haus bisher gar nicht wussten, dass sie existieren .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bautzen zum Beispiel!)


Diesen Orten würde ich heute gerne ein paar weitere hin-
zufügen, einfach um zu zeigen, dass das, was Sachsen
ausmacht, etwas völlig anderes ist . Die Orte, die ich Ih-
nen heute näherbringen möchte, sind: Königswalde, Eh-
renfriedersdorf, Aue und Leipzig . Den Namen der letzt-
genannten Stadt haben vielleicht die einen oder anderen
schon einmal gehört .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren sogar schon da!)


In Königswalde wurde ein junger Mann geboren, der
Nathanael Liebergeld heißt . Er wohnt jetzt in Aue – üb-
rigens auch eine schöne Stadt . Er hat einen Gesellenbrief
im Bereich Heizungs- und Sanitärinstallation erworben .
Nun war das für ihn aber nicht der Endpunkt, sondern
er hat gesagt: Ich möchte mich gerne weiterqualifizieren, 
richtig gut werden im Beruf . Seine Firma hat ihn dabei
unterstützt . Das ist auch gar nicht so einfach . Wenn man
besonders ambitionierte junge Leute hat, haben die auch
andere Möglichkeiten, werden vielleicht auch abgewor-
ben . Deswegen ist es wichtig, dass die Wirtschaft so et-
was unterstützt . Er hat das große Glück gehabt, dass er
nicht nur sehr ambitioniert, sehr gut und fleißig in seinem 
Beruf war, sondern er hatte auch die Gelegenheit, einen
Leipziger Installateurmeister kennenzulernen, dessen
Name André Schnabel ist . Dieser Installateurmeister ar-
beitet ehrenamtlich als Trainer für die Berufsweltmeis-
terschaften, die WorldSkills . Dieses Gespann hat es doch
tatsächlich geschafft, mit Unterstützung der Firma von
Nathanael Liebergeld aus Ehrenfriedersdorf – die Unter-
nehmen müssen natürlich solche jungen Leute bei Wett-
kämpfen freistellen; auch hier investieren die Unterneh-
men –, dass das Team Germany im letzten Jahr in São
Paulo bei einem Bewerberfeld aus mehr als 50 Nationen
als bestes eine Goldmedaille errang . An solche Personen
wie diesen jungen Mann und auch an andere besonders
begabte und fleißige junge Frauen und Männer denke ich, 
wenn wir heute diesen Gesetzentwurf verabschieden .
„Beste Förderung für die Besten in unserem Land“ – das
ist unser Motto . Genau das setzen wir auch heute um .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Vielleicht noch etwas Positives über Sachsen: Dort
hat die Große Koalition verabredet, einen Meisterbonus
einzuführen für alle, die ein Meisterstudium erfolgreich
abgeschlossen haben . Das heißt, das wird jetzt noch viel
einfacher . Auch der junge Mann, von dem ich gerade be-
richtet habe, wird im August, also genau zu dem Zeit-
punkt, wenn das Gesetz in Kraft treten soll, sein Meis-
terstudium beginnen . In Sachsen werden wir also einen
Meisterbonus einführen . Und das ist Politik, wie ich sie
verstehe: Werbung und Unterstützung für die berufliche 
Bildung sowie für die berufliche Fort- und Aufstiegsbil-
dung . Das ist Politik für die Besten in unserem Land, für






(A) (C)



(B) (D)


die Leistungsträger unserer Gesellschaft . Deswegen bitte
ich Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815900800

Rosemarie Hein ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815900900

Vielen Dank, Herr Präsident . – Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Herr Feist, ich werde einmal Ihre Ar-
beit übernehmen und nicht über Sachsen, sondern über
das Gesetz und die hier vorliegenden Anträge reden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In der Tat ist dieses, kurz als Meister-BAföG bezeich-
nete  Gesetz  ein  wichtiges  Instrument  für  berufliches 
Fortkommen, vor allen Dingen für jene Menschen, die
ihren Berufsweg im Rahmen der dualen Berufsausbil-
dung begonnen haben;


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Habe ich gesagt!)


denn dies ist in der Regel Voraussetzung, nach diesem
Gesetz gefördert zu werden . Es war hohe Zeit, die För-
derhöhen aufzustocken und die Förderbedingungen zu
verbessern . Dem wird das Gesetz allerdings, trotz der
Nachbesserungen im Ausschuss, die wir überhaupt nicht
geringschätzen wollen, nur teilweise gerecht . Wie schon
in der Debatte zum Studierenden-BAföG müssen wir Ih-
nen sagen, dass die Anpassungen einfach nicht reichen .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Ach, Quatsch!)


Sie nehmen nicht hinreichend Bezug auf die veränderten,
gestiegenen Lebenshaltungskosten, und das muss sich
ändern .


(Beifall bei der LINKEN)


Mit der Gesetzesnovelle – das will ich einräumen –
haben Sie versucht, den veränderten Berufsbiografien ge-
recht zu werden, und das ist auch notwendig . Berufswege
verlaufen heute mitunter anders, sind nicht mehr ganz so
geradlinig: Schule, Ausbildung, Beruf, eventuell später
eine Weiterbildung . Darum ist es richtig, über die For-
men der Weiterbildung auch eine Neu- oder Umorientie-
rung  im beruflichen Werdegang durch Aufstiegsfortbil-
dung möglich zu machen .

Die Öffnung des Meister-BAföG für eine Ausbildung
nach dem Bachelorstudium ist ein solcher Weg . Aber wa-
rum nur dieser eine, und warum nur in diese Richtung?
Warum kann ein Meister für ein späteres Bachelorstudi-
um in der Regel keine Förderung bekommen? Warum
können nicht auch Masterabsolventen eine Förderung
nach diesem Gesetz erhalten? Dass dies nicht möglich
ist, wurde auch in der Anhörung im Ausschuss kritisiert .
Wir brauchen viel mehr Flexibilität auch in der Bildungs-
förderung, wenn der berühmte Slogan von der Durchläs-

sigkeit im Bildungssystem, die so sehr sinnvoll ist, nicht
zu Makulatur verkommen soll .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Also, das ist ja nun wirklich unfassbar!)


– Regen Sie sich nicht so auf! Ich habe schon recht .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das stimmt nicht, Frau Hein!)


Das war auch der Grund, warum wir zu dem Gesetz-
entwurf einen Antrag gestellt haben: Uns ist es wichtig,
die Durchlässigkeit in der Bildung zu sichern und die
bestehenden  Förderlücken  zwischen  beruflicher  Bil-
dung und Studium zu schließen . Das heißt eben, dass
die Förderung gleichwertiger Bildungsgänge sich nicht
wechselseitig ausschließen darf . Das heißt auch, dass die
Förderbedingungen, zum Beispiel zwischen Studieren-
den-BAföG und Meister-BAföG, angepasst werden müs-
sen . Studierende an einer Hochschule und Lernende an
Technikerschulen befinden sich doch oft in vergleichba-
ren Lebenssituationen . Wieso sollen sie unterschiedlich
behandelt werden?


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen . Wieso
ist ein Kind in beiden Systemen unterschiedlich viel
wert? Studierende erhalten nur einen Kinderzuschlag
von 130 Euro . Wer Meister-BAföG erhält, bekommt
235 Euro Kinderzuschlag


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das sind zwei unterschiedliche Systeme, Frau Hein!)


– genau das ist ja das Problem –


(Beifall bei der LINKEN)


und noch 130 Euro für Betreuungskosten . Da wird mit
zweierlei Maß gemessen, und das ist nicht richtig . Wir
fordern, dass auch für Studierende mit Kind gleiche Be-
dingungen gelten .

Noch einmal etwas zur Durchlässigkeit: Wenn jemand
nach einer Ausbildung an einer Fachschule oder im Rah-
men eines Meisterlehrgangs keine Förderung nach Stu-
dierenden-BAföG mehr bekommt – das ist im Moment
so –, ist ein Masterstudiengang in der Regel auch nicht
möglich; denn da wird der Bachelor vorausgesetzt . Diese
Fördersystematik ist unlogisch, und das muss sich än-
dern .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Begründung des Ministeriums, die ich kürzlich er-
hielt, dass es sich hier schließlich um zwei gleichwertige
Bildungsgänge handele und man nicht zwei gleichwerti-
ge Bildungsgänge gleichzeitig oder nacheinander fördern
möchte, ist eigentlich obsolet geworden;


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja, genau!)


Dr. Thomas Feist






(A) (C)



(B) (D)


denn mit diesem Gesetz öffnen Sie das . Sie schaffen
nämlich die Möglichkeit, Meister-BAföG nach einem
Bachelorstudium zu erhalten .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist doch auch gut!)


– Ja, sicher . Wir müssen es bloß auch in umgekehrter
Richtung möglich machen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich weiß, dass diese Probleme nicht mit diesem Ge-
setz zu lösen sind;


(Martin Rabanus [SPD]: Voilà!)


aber ich finde, wir müssen hier grundsätzlich neu nach-
denken .

Dann die Sache mit der Erzieherinnen- bzw . Erzie-
herausbildung . Für die Erzieherinnen- bzw . Erzieheraus-
bildung und im Übrigen auch für die Altenpflegeausbil-
dung wurde das Gesetz, über das wir heute diskutieren,
vor einigen Jahren geöffnet . Das war durchaus sinnvoll,
aber nicht zu Ende gedacht . Wir alle hatten die Petition
eines jungen Mannes auf dem Tisch, der Erzieher wer-
den wollte . Diese Ausbildung dauert drei Jahre . Anders
als bei den sonstigen Ausbildungen nach diesem Gesetz,
gehört ein beträchtlicher Teil Praxis zur Ausbildung . Ins-
gesamt umfasst die praktische Ausbildung den Zeitwert
eines ganzen Ausbildungsjahres, und das muss auch so
bleiben; doch diese Zeit war nicht förderfähig . Nun hoff-
te der Petitionsausschuss, wir würden das mit diesem
Gesetz ändern . – Das ist nicht geschehen . Praktika sind
immer noch nicht förderfähig .

Ich will das kurz erklären: Erziehungsfachkräfte wer-
den für die Arbeit mit jungen Menschen im Alter von
0 bis 27 Jahren ausgebildet . Um da annähernd die nö-
tige Praxis zu erhalten, sind praktische Erfahrungen in
mindestens zwei Tätigkeitsfeldern oder zwei Aufgaben-
gebieten oder zwei Einsatzstellen notwendig . Mit einem
bezahlten Anerkennungsjahr, das es in einigen Bundes-
ländern gibt, kann man das eigentlich nicht erreichen .

Sie haben nun das Gesetz für einen Ausbildungsweg
geöffnet, für das es eigentlich nicht vorgesehen war . Nun
müssen Sie aber auch die Bedingungen so gestalten, dass
die Unterschiede nicht zulasten der Auszubildenden ge-
hen, dass sie dieses Risiko nicht alleine tragen müssen .


(Beifall bei der LINKEN)


Sie machen die Tür zwar ein wenig auf, aber nicht ganz .
Sie ermöglichen die Förderung, wenn eine Ausbildungs-
dichte in Vollzeitform von 70 Prozent erreicht wird, also
70 Prozent der Unterrichtsstunden müssen Präsenzstun-
den sein . Das reicht aber doch nicht, wenn mindestens
ein Drittel der Ausbildung Praxis sein soll; das sagt uns
die Prozentrechnung . Das können auch die Länder nicht
lösen, wie Sie sich das so vorstellen .

Bei aller Unterschiedlichkeit der Ausbildungswege in
den Ländern: Dort haben sie erst im vergangenen Jahr
eine Vereinbarung getroffen, an die sich jedes Bundes-
land hält . In der Vereinbarung wurde festgehalten, dass
ein Drittel praktische Ausbildung sein muss . Das ist
vorgeschrieben, man kann es sich nicht aussuchen . Man

bekommt dafür in der Regel auch bei integrierten Aus-
bildungen kein Geld . Dort werden die Praxisabschnitte
nämlich in die anderen Abschnitte einbezogen .

Wir haben Ihnen nun einen Vorschlag gemacht, des-
sen Umsetzung niemandem wehgetan hätte . Damit hät-
te man aber das Problem für die Auszubildenden gelöst .
Man  kann  pflichtig  vorgeschriebene  Praktika  einfach 
dem Vollzeitunterricht gleichstellen, und schon wäre die
Kuh vom Eis .


(Beifall bei der LINKEN)


Man muss auch keine Angst haben, dass damit irgend-
welche Lücken  oder  Schlupflöcher  geschaffen würden, 
die andere ausnutzen . Man kann in dieser Zeit etwaige
Einkommen gegenrechnen . Man kann das bezahlte Prak-
tikumsjahr von der Regelung ausnehmen; da braucht
man ja auch keine Unterstützung .

Mit den von uns vorgeschlagen Änderungen wäre
eine Lösung möglich gewesen . Wir haben im Vorfeld
versucht, das mit Ihnen zu klären . Das hat leider nicht
geklappt . Ich gebe zu, die Gewerkschaften waren da auch
nicht gerade hilfreich .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja!)


Die haben nur die duale Ausbildung im Blick und wissen
offensichtlich nicht, wie eine Erzieherinnen- bzw . Erzie-
herausbildung  tatsächlich  funktioniert.  Ich  finde,  dass 
das ein bisschen schade und auch schwierig ist, weil wir
gerade in diesem Bereich einen sehr hohen Fachkräfte-
bedarf haben .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Aber das können doch die Länder regeln, wenn sie wollen!)


– Nein, sie können das nicht regeln . Sie haben es gere-
gelt . Sie sagen: Ein Drittel der Ausbildung ist praktische
Ausbildung, und Punkt . – Wir aber sagen: Das ist euer
Pech, dann bekommen die keine Förderung . – Das ist
doch das Problem .


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach was!)


Geben Sie endlich Ihren Tunnelblick auf! Achten Sie
darauf, was um Sie herum passiert . Wir geben Ihnen heu-
te noch einmal die Gelegenheit, das entsprechend zu kor-
rigieren . Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht .
Sie haben also noch einmal eine Chance . Stimmen Sie
also unserem Antrag zu, dann sind wir fast rundum
glücklich!


(Beifall bei der LINKEN)


Eine abschließende Bemerkung möchte ich zum An-
trag der Grünen machen: Ein Instrument, das für die be-
rufliche Weiterbildung – und nur für diese – gedacht ist, 


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ist es!)


kann die Probleme der allgemeinen Weiterbildung nicht
lösen, so wichtig eine Lösung wäre . Sie verweisen auf
die Bildungszeit PLUS, aber damit lösen wir die Proble-
me auch nicht . Wir brauchen ein Weiterbildungsförder-
gesetz und ein umfassendes Bildungsfreistellungsgesetz .
Beide scheitern bislang an den Grenzen der Zuständig-

Dr. Rosemarie Hein






(A) (C)



(B) (D)


keiten zwischen Bund und Ländern . Darum werden wir
uns bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten .

Das Meister-BAföG werden wir nicht blockieren,


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist schön von Ihnen! Das ist sehr schön!)


weil wir finden: Es ist ein kleiner Schritt in die richtige 
Richtung . Unsere Forderungen halten wir aber aufrecht .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815901000

Martin Rabanus erhält nun das Wort für die SPD-Frak-

tion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Rabanus (SPD):
Rede ID: ID1815901100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Besu-
chertribünen! Frau Dr . Hein, herzlichen Dank für Ihren
Beitrag und für den versöhnlichen Schluss . Sie haben ja
deutlich gemacht, dass die Neuregelungen zum Meis-
ter-BAföG, die wir heute beschließen können, etwas
hervorbringen, was selten passiert . Nach Lage der Din-
ge werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf hier im
Deutschen Bundestag nämlich einstimmig – bei Ihrer
Enthaltung – beschließen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Ja, Mensch, was ist eine Enthaltung? Das ist nicht Fisch und nicht Fleisch!)


Das ist in der Tat ein Adelsschlag für den Gesetzentwurf,
den die Regierung vorgelegt hat . Die Fraktion der Grü-
nen wird sich sicherlich auch da einreihen können; jeden-
falls wenn Sie das nachvollziehen, worauf wir uns in der
letzten Beratung im Ausschuss verständigt haben .

Die AFBG-Novelle ist eine große Novelle; der Kol-
lege Feist hat darauf hingewiesen . Wir können ein Vo-
lumen von 90 bis 100 Millionen Euro jahresbezogen für
die Stärkung der Meisterausbildung bewegen, sozusagen
für die Stärkung des oberen Endes der beruflichen Aus-
bildung . Das ist ein großer, ein wichtiger Schritt in Rich-
tung  Gleichwertigkeit  von  beruflicher  und  allgemeiner 
Bildung . Deswegen ist heute in der Tat ein guter Tag für
die berufliche Bildung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir können – das will ich schon noch einmal erwäh-
nen – nicht nur die Förderung deutlich ausweiten – die
maximal förderfähigen Lehrgangs- und Prüfungsgebüh-
ren steigen von rund 10 000 auf 15 000 Euro –; wir er-
höhen auch den Zuschuss für das Meisterstück deutlich .
Wir erhöhen die Vermögensfreibeträge deutlich . Wir
erhöhen die Familienkomponente deutlich . Wir erhöhen

den Zuschuss zum Unterhalt auf 50 Prozent und den Zu-
schuss zum Maßnahmebeitrag auf 40 Prozent . Wir er-
höhen den Belohnerlass von 25 Prozent auf 40 Prozent .
Es sind großartige Zahlen, die wir vorweisen können; da
brauchen wir uns nicht zu verstecken .

Wir öffnen das Meister-BAföG für Bachelorabsolven-
ten . Wir modernisieren das Gesetz insgesamt . Wir ma-
chen damit einen großen Schritt und vollziehen das nach,
was wir in der BAföG-Novelle, deren substanzielle Teile
zum Wintersemester in Kraft treten, für die Schülerinnen
und Schüler sowie die Studierenden bereits beschlossen
haben .

Dazu kommt – darauf will ich in diesem Zusammen-
hang auch hinweisen – eine neue Gesetzesinitiative,
die im April den Deutschen Bundestag erreichen wird,
nämlich das Gesetz zur Weiterbildungsstärkung, das das
Kabinett Anfang Februar beschlossen hat . Damit schließt
sich sozusagen der Kreis . Dieses Gesetz, das Frau Nahles
vorgelegt hat, bezieht sich auf die Schwächeren, die Ge-
ringqualifizierten, diejenigen, die älter sind und eine län-
gere Arbeitslosigkeit hinter sich haben .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr gut!)


Die BAföG-Novelle haben wir bereits beschlossen . Die
Novelle zum Meister-BAföG beschließen wir heute . Da-
mit ist der Bogen gespannt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Große Koalition schaut nicht mit einem Tunnel-
blick – es ist interessant, wenn man den Tunnelblick
von denjenigen vorgeworfen bekommt, die gern mit
Scheuklappen unterwegs sind –,


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


sondern wir schauen auf die gesamte Bandbreite der
Menschen in der beruflichen Bildung, für die wir etwas 
tun können und tun wollen .

Ich möchte gern noch auf Ihren Hinweis zu den Prak-
tika und der Erzieherinnenausbildung eingehen, Frau
Dr. Hein. Ich finde, man kann sich das nicht so einfach 
machen . Die Expertinnen und Experten in der Anhörung
haben uns gesagt: Der Bund hat seine Hausaufgaben ge-
macht . – Wir haben präzise nachgefragt . Sie aber sagen
nun: Die Gewerkschaften kennen sich damit nicht aus;
ich weiß es doch besser . – Ich frage mich, wofür wir Ex-
pertinnen und Experten einladen und anhören, wenn wir
ihnen anschließend erklären: Ihr wisst das sowieso nicht
so gut wie wir; deswegen machen wir einfach weiter wie
bisher .

Wir haben als Große Koalition gesagt: Wir prüfen
das . Es ist uns ein Anliegen, an dieser Stelle Lösungen
herbeizuführen . Wir wollen es aber da machen, wo es
hingehört . Weil uns die Expertinnen und Experten gesagt
haben: „Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht; die
Länder müssen da tätig werden“, müssen wir das freund-
liche Angebot von Ihnen, Ihrem Änderungsantrag zuzu-

Dr. Rosemarie Hein






(A) (C)



(B) (D)


stimmen, leider noch einmal ausschlagen . Wir bleiben
bei der Regelung, die wir im Gesetz angelegt haben .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Es war einen Versuch wert!)


– In der Tat .

Zu den begleitenden Anträgen von Bündnis 90/Die
Grünen und von der Linken will ich jetzt nichts weiter
sagen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade! Starker Antrag!)


Dazu habe ich schon in der ersten Lesung des Gesetzes
Stellung genommen . Dem ist nichts weiter hinzuzufügen .

Ich glaube, dass wir mit dem AFBG, dem Gesetz mit
dem etwas sperrigen Namen „Aufstiegsfortbildungsför-
derungsgesetz“


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Es gibt schlimmere Gesetzesnamen! – Gegenruf des Abg . Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es gibt vor allen Dingen schlimmere Gesetze! – Gegenruf des Abg . Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das auch! – Gegenruf des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie viel Erfahrung!)


– ja, es gibt schlimmere Gesetzesnamen –, wirklich einen
tollen Beitrag leisten: für die berufliche Bildung, für die 
Chancen der Menschen in diesem Land, für diejenigen,
die etwas leisten wollen und das auch können .

Es ist eine große Novelle . Ich darf allen herzlich dan-
ken, die daran mitgewirkt haben, etwa den Expertinnen
und Experten, die uns nicht nur in der Anhörung zur Ver-
fügung standen . Ich darf natürlich auch den Haushälte-
rinnen und Haushältern ganz herzlich danken, die maß-
geblich dieses Volumen ermöglicht haben .

Ich darf mit einem freundlichen Blick auf die leider
verwaiste Länderbank


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die haben Bundesrat!)


noch einmal an die Länder appellieren, im Bundesrat die-
sem Gesetzentwurf zuzustimmen . Ich gehe davon aus,
dass sie das auch tun, damit auch sie stolz darauf sein
können, einen großen und guten Beitrag zur Stärkung der
Meisterausbildung in unserem Land geleistet zu haben .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815901200

Die Kollegin Walter-Rosenheimer erhält nun das Wort

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben
bereits vor einigen Wochen hier im Bundestag über das
Meister-BAföG diskutiert . In dieser Debatte haben Sie,

sehr geehrte Frau Ministerin, etwas ganz Bemerkenswer-
tes gesagt . Ich wiederhole es hier einmal . Sie haben sinn-
gemäß gesagt, es sei richtig, die Weiterbildungssituation
und gegebenenfalls auch die Schreckensszenarien auf
diesem Gebiet zu analysieren, entscheidend in der Politik
sei aber, dass man handle, dass man etwas mache . Ich
finde, damit haben Sie  total  recht. Politik bedeutet ent-
scheiden und damit im Idealfall entschiedenes Handeln .
Wenn diesem politischen Handeln aber keine fundierte
Analyse vorausgeht, was es zu ändern gilt, dann hat man
ganz offensichtlich ein Problem; denn wer die Heraus-
forderungen nicht kennt, handelt manchmal am Problem
vorbei .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will mich an dieser Stelle aber gar nicht in Fun-
damentalopposition bringen . Die Reform des Meis-
ter-BAföGs ist in unseren Augen nicht der ganz große
Wurf – das wissen Sie inzwischen; das haben wir oft ge-
nug gesagt –, trotzdem finden wir – das will ich in aller 
Deutlichkeit sagen –, dass das ein Schritt in die richtige
Richtung ist, wie man so schön sagt . Es stimmt ja auch:
Sie haben mit der Öffnung des Meister-BAföGs über-
fällige Anpassungen vollzogen . Und ja, es ist höchste
Zeit, dass in Zukunft auch Bachelorabsolventinnen und
Studienabbrecher bei Aufstiegsfortbildungen gefördert
werden können . Auch die Erhöhung von Leistungen und
Freibeträgen finden wir richtig. 


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Thomas Feist [CDU/CSU] und Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


– Herr Feist, Sie klatschen . Das ist ja gut .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja, wenn Sie einmal etwas richtig finden! Dass ich das noch  erleben darf!)


Sie wissen, dass wir es schade finden, dass die Reform 
nicht weiter gefasst ist . Ich denke, dass der eine oder an-
dere Bildungsinteressierte in Zukunft ein paar Euro mehr
in der klammen Kasse hat. Das finden wir gut, weil wir 
jeden zusätzlichen Euro für Bildung richtig finden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Es ist eine ganze Menge, was es mehr gibt!)


– Ja .

Wer aber behauptet, mit diesen Anpassungen eine ech-
te  Gleichwertigkeit  von  akademischer  und  beruflicher 
Bildung herzustellen, hat nicht recht . Da muss man, glau-
be ich, schon mehr bieten . Genau das haben übrigens –
vielleicht erinnern Sie sich daran – auch alle Experten
in unserem Fachgespräch, in der Anhörung im Bildungs-
ausschuss bestätigt . Diese Reform gibt eben nicht das
notwendige Signal dafür, dass lebenslanges Lernen end-
lich für alle Menschen möglich wird . Daran müssen Sie
etwas ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Aber darum geht es bei dem Gesetz nicht!)


Martin Rabanus






(A) (C)



(B) (D)


– Wir sprechen jetzt aber über das Thema, auch wenn es
nur um dieses eine Gesetz geht . Wir kritisieren ja gerade,
dass das kein größerer Wurf ist .

Wer nimmt an Weiterbildungen nicht oder viel zu
selten teil? Das sind vor allem Alleinerziehende, das
sind vor allem Frauen in den typischen Frauenberufen,
die schlechter bezahlt werden, das sind Menschen mit
Migrationshintergrund, das sind ausländische Menschen,
das sind aber auch Menschen mit geringerer Berufsqua-
lifizierung. All denen hilft die vorgelegte Änderung beim 
Meister-BAföG herzlich wenig, aber auch für diese Men-
schen tragen wir hier Verantwortung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vermutlich entgegnen Sie jetzt – das haben Sie ja
schon gesagt, Herr Feist –, dass es dafür andere Instru-
mente gibt: die Bildungsprämie, Bildungsgutscheine,
Bildungskredite,


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das sind alles Renner! Tolle Sachen!)


Bildungsurlaub, Weiterbildungssparen, verschiedene
Länderprogramme . Das gibt es alles . Es stimmt natür-
lich, dass das Meister-BAföG nicht das einzige Förder-
instrument ist; aber glauben Sie denn wirklich, dass die
Menschen bei dieser Vielzahl von Programmen und an-
gesichts dieser Unübersichtlichkeit noch den Überblick
behalten? Die Weiterbildungsbeteiligung ist in Deutsch-
land doch auch deshalb so gering, weil kaum jemand
weiß, was für Fördermöglichkeiten es gibt .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Die Weiterbildungsprämie ist immer überbucht! Ein Renner!)


Ich sage: Schaffen Sie doch endlich Transparenz in
diesem undurchsichtigen Dschungel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vereinfachen Sie die Zugänge, damit auch die vorhin
genannten Menschen am lebenslangen Lernen teilhaben
können .


(Beifall des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dazu gehören natürlich auch transparente, niedrig-
schwellige, qualitativ hochwertige und flächendeckende 
Beratungsangebote vor Ort .

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist doch kein Zu-
fall, dass in der reichen Industrienation Deutschland so
wenig Menschen am lebenslangen Lernen teilnehmen .
Das hat strukturelle Gründe . Ganz offensichtlich reichen
die derzeit bestehenden Förderinstrumente nicht aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist Ihre Aufgabe, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen .

Frau Ministerin Wanka, Sie haben gesagt, das Meis-
ter-BAföG sei ein entscheidender Beitrag zur Fachkräf-
tesicherung, aber es sei kein Beitrag, der die gesamte
Weiterbildungsthematik von A bis Z regle . Aber warum

eigentlich nicht? Trauen Sie es sich doch zu, die deutsche
Weiterbildung vom Kopf auf die Füße zu stellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich ein paar Feststellungen treffen . Sie
haben eine parlamentarische 80-Prozent-Mehrheit . Sie
sind gemeinsam mit Arbeitgebern und Gewerkschaften
Partner der großen Allianz für Aus- und Weiterbildung .
Der Bund hat im Jahr 2015 einen Haushaltsüberschuss
in Höhe von 12 Milliarden Euro erwirtschaftet . Besse-
re Voraussetzungen für eine umfassende Strukturreform
von A bis Z kann es nicht geben . Diese Chance hätten Sie
doch nutzen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Spätestens heute erfahren wir leider einmal mehr, dass
Ihrer Koalition trotz kräftigen Rückenwinds schnell ein-
mal die Puste ausgeht .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Nein, wir sind atemlos! – Zurufe von der SPD: Na, na!)


– Ja . – Wie eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung
aussehen kann, haben wir in unserem grünen Antrag zur
Bildungszeit Plus vorgelegt .


(Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Atemlos durch die Nacht!)


– „Atemlos durch die Nacht“? Das muss man auch als
Politikerin in diesen Tagen manchmal machen .

Wir wollen das Aufstiegsfortbildungsförderungsge-
setz so umbauen, dass es diesen Namen auch verdient .
Mit einem individuellen Mix aus Zuschuss und Darle-
hen können wir echte Zugangsgerechtigkeit in der Wei-
terbildung schaffen . Dabei wollen wir die Lebens- und
Einkommenssituation berücksichtigen und gerade die
Schwächeren fördern .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau das tun wir!)


Damit auch Berufstätige breiten Zugang zu Fort- und
Weiterbildung haben, müssen endlich auch die Möglich-
keiten der Arbeitszeitreduzierung ausgebaut und verein-
facht werden . Unser Konzept ist sozial gerecht . Denn es
gilt der Grundsatz: Wer weniger hat, bekommt mehr –
und umgekehrt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist das BAföG-Prinzip!)


Anders als beim Meister-BAföG sollen bei uns alle
Menschen die Möglichkeit erhalten, beruflich aufzustei-
gen und sich persönlich weiterzuentwickeln; denn das ist
zukunftsfähig . Auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von der SPD, scheint ja langsam zu dämmern, dass
diese Bundesregierung zu wenig  tut, um Geringqualifi-
zierte zu fördern .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Also wirklich!)


Beate Walter-Rosenheimer






(A) (C)



(B) (D)


Ich habe Ihren Artikel in der Frankfurter Rundschau
vom 12 . Februar dieses Jahres gelesen, Herr Kollege
Rossmann, in dem es darum geht, wie eine sozial gerech-
te Weiterbildungsförderung  aussehen  könnte.  Ich  finde 
die Ideen gut . Daran sieht man: Auch eine Zeitung kann
ein guter Ort sein, eigene Ideen darzustellen und zu kom-
mentieren .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber das kommt doch auch ins Parlament, Kollegin!)


Aber Sie sind Teil dieser Bundesregierung,


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Was? Das ist mir neu!)


und Sie tragen Verantwortung, die Dinge hier zu verän-
dern; denn entscheidend ist, was hier verändert und im
Bundestag beschlossen wird .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es tut mir leid, aber allein von Gastbeiträgen und vom
Fingerzeig auf einen unwilligen Koalitionspartner wird
kein einziger Mensch mit schlechteren Startchancen bes-
ser gefördert werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will abschließend die Seite 24 des Koalitionsver-
trages zitieren:

Angesichts des demografischen Wandels ist das le-
benslange Lernen so wichtig wie nie . Diese gesamt-
gesellschaftliche Aufgabe wollen wir im Rahmen
der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ bewälti-
gen .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja! Wir tun nichts anderes! – Martin Rabanus [SPD]: Das passiert auch!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich die-
ser Aufgabe! Drehen Sie nicht nur an den kleinen Stell-
schrauben! Nutzen Sie die breite Allianz für Aus- und
Weiterbildung! Bei den Gewerkschaften stoßen Sie doch
sicher auf offene Ohren .


(Dr . Daniela De Ridder [SPD]: In der Tat!)


Wir stimmen Ihrem Gesetzentwurf heute zu . Aber wir
finden, bei der Weiterbildung bleibt noch einiges zu tun. 
Wir geben die Hoffnung nicht auf,


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wir auch nicht!)


dass lebenslanges Lernen auch in der Großen Koalition
ankommt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Wir haben ja noch ein bisschen Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815901300

Für die Bundesregierung hat nun die Bundesministe-

rin Johanna Wanka das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! 724, das ist für mich heute die Zahl des Tages, weil
das Gesetz, über das wir heute befinden, bei der Vorbe-
reitung auf sage und schreibe 724 verschiedene Fortbil-
dungsziele in Anspruch genommen werden kann . Das tun
in dieser Republik im Moment im Schnitt 170 000 Men-
schen in jedem Jahr .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Hört! Hört!)


Das Meister-BAföG gibt es seit fast 20 Jahren, und es
ist gut . Wir hatten mehrere Novellen . Mit der jetzt vor-
liegenden Novelle sorgen wir dafür, dass es ein echtes
Aufstiegs-BAföG ist, dass es familienfreundlich, attrak-
tiv und vor allen Dingen fit für zukünftige Herausforde-
rungen ist . Das müssen wir in diesem Parlament immer
bedenken .

Meine Damen und Herren, es freut mich, dass – –


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Es freut mich – –


(Beifall des Abg . Hubertus Heil [Peine] [SPD] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie haben zwei Fans! – Heiterkeit)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815901400

Frau Ministerin, genießen Sie diese Szene in vollen

Zügen . Es kommt ganz selten vor, dass die schlichte An-
kündigung, dass man sich als Mitglied der Bundesregie-
rung freue, zu einer solch spontanen Sympathiebekun-
dung führt .


(Heiterkeit)


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Ich freue mich sehr, dass der Präsident diese Debatte
leitet, weil er einmal an unserem Gesetz herumgenörgelt
hat .


(Heiterkeit)


– Meine Damen und Herren, lachen Sie nicht so lange;
das geht von meiner Zeit ab .

Ich freue mich, dass es aus den Kreisen der Koaliti-
onsfraktionen in Bezug auf den Gesetzentwurf Lob gibt,
dass er ihnen so gut gefallen hat und dass sie ihn noch
besser gemacht haben . Auch setze ich darauf, dass die
zusätzlichen notwendigen Finanzmittel bereitgestellt
werden .

Schauen wir uns einmal – wir haben jetzt mehrfach
darüber geredet – das Gesetz an . In ihm sind zum Bei-
spiel Leistungsverbesserungen enthalten . Sie betreffen –
ich dekliniere das einmal herunter – den Zuschussanteil,
die Familienaufschläge, den Förderbetrag für das Meis-
terstück und weitere Dinge . Alles wird erhöht . Es gibt
weniger Bürokratie . Das Problem mit der Bürokratie
spielt hier also keine Rolle . Man kann den Förderantrag

Beate Walter-Rosenheimer






(A) (C)



(B) (D)


online stellen . Vor allen Dingen wird in Bezug auf die
Teilnahmenachweise – das ist auch für die Länder sehr
wichtig – der Bürokratieaufwand im Schnitt um die Hälf-
te reduziert .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das Gesetz schafft – das sage ich jetzt auch in Rich-
tung der Grünen – vor allen Dingen für den Einzelnen
mehr Transparenz . Bisher war es deutlich komplizier-
ter . Das Meister-BAföG hing bislang davon ab, wie die
Klassenzusammensetzung war, wie vielen es zustand et
cetera . Ab jetzt – mit Wirksamwerden dieses Gesetzes –
hängt es nur noch von den individuellen Voraussetzun-
gen des Einzelnen ab, ob er Meister-BAföG bekommt .
Das ist, glaube ich, für ihn – er kann ja nicht über die
Klassenzusammensetzung oder anderes entscheiden –
außerordentlich wichtig .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Jetzt etwas Prinzipielles, Frau Hein; da gibt es, glaube
ich, einen ideologischen Unterschied . Wenn man gerecht
handeln will, muss man berücksichtigen, ob die Voraus-
setzungen bei denen, die man beurteilt oder bedenkt,
gleich oder unterschiedlich sind . Wenn quasi Äpfel und
Birnen gleich gefördert werden, dann ist das nach meiner
Auffassung nicht gerecht . Wir sagen, dass es für Allein-
erziehende mit Kindern schwerer ist, eine Meisterfortbil-
dung zu machen . Deswegen bekommen diese dezidiert
einen besonderen Zuschlag für die Betreuungskosten –
das ist mir sehr wichtig –, der jetzt 130 Euro beträgt, um
der besonderen Lebenssituation gerecht zu werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn ich ausgerechnet an der Stelle höre, dass alle das
Gleiche bekommen müssen, kann ich nur sagen, dass
sich eine Familie mit eventuell sogar zwei Verdienern in
einer anderen Situation befindet.


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Warum nicht auch Studierende mit Kindern? Ich rede von Studierenden an einer Hochschule!)


– Ja, klar . Ich habe es kapiert .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Offensichtlich nicht!)


Bei Studierenden und denen, die das Meister-BAföG
bekommen, gibt es denselben Zuschussanteil in Höhe
von 130 Euro für die Kinder . Das andere ist der zusätzli-
che Darlehensanteil im AFBG . Es gibt also – das war uns
wichtig – genau denselben Zuschussanteil, mit Ausnah-
me der Alleinerziehenden .

Meine Damen und Herren, dies ist ein sehr gutes Ge-
setz . Es hat aber Grenzen . Zum Beispiel regelt es nicht,
wer einen Kurs zur Alphabetisierung besuchen kann und
wie man einen zweiten Schulabschluss nachholt . Auch
regelt  es  nicht  die Anpassungsqualifizierung  für  Men-
schen  mit  einer  Qualifikation  aus  dem Ausland.  Wei-
terhin regelt es auch nicht Dinge, die die Funktion der
allgemeinen  beruflichen  Weiterbildung  betreffen.  Das 
wird – Gott sei Dank! – bei uns zu 70 Prozent von den
Betrieben geleistet . Und das soll an der Stelle auch so

bleiben . Es wird vieles über die Bildungsprämie und über
andere Maßnahmen geregelt . Das ist aber nicht Aufga-
be dieses Gesetzes . Dieses Gesetz betrifft dezidiert die
Aufstiegsfortbildung für eine bestimmte Gruppe von
Menschen aus dem dualen System oder auch – da gibt
es jetzt eine entsprechende Erweiterung – aus dem Hoch-
schulsystem .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir schaffen nicht nur ein attraktives Aufstiegs-BAföG
für diejenigen, die wir in den Handwerksbetrieben oder
in den großen Firmen brauchen – also für die Fach- und
Führungskräfte  –,  sondern  auch  für  Pflegekräfte,  für 
Erzieherinnen und Erzieher . Frau Hein, wir haben hier
schon einmal darüber diskutiert: Wir brauchen eine Re-
gelung bezüglich dieses Anteils von 70 Prozent . Das be-
deutet aber, dass jemand, der einen entsprechenden Kurs
besucht, bei förderfähiger Verteilung der praktischen
Zeiten noch Anspruch auf acht Wochen Urlaub im Jahr
hat. Ich finde, das ist vertretbar. Dann kann voll durchge-
fördert werden . Es ist möglich, die gesamte Förderkette
in Anspruch zu nehmen . Auch Praktika können eingebaut
werden . Es gibt da also keine Förderlücke .

Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass man vor-
gebildete Kräfte als Erzieherinnen einsetzt und dann er-
wartet, dass sie ihre Tätigkeit nicht im Rahmen der regu-
lären Praktika finanziert bekommen, sondern über einen 
längeren Zeitraum mithilfe von Darlehen . Hier erwarte
ich, dass dann für sie von den Kommunen – oder wer
auch  immer  sie  anstellt  –  sozialversicherungspflichtige 
Arbeitsplätze geschaffen werden . Das ist entscheidend .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das ist doch gar nicht ausgeschlossen! Das kann man doch trotzdem alles machen!)


– Nein, kann man nicht .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Natürlich!)


– Nein!

Die dritte Novelle, über die wir heute sprechen, ist,
was das Leistungsvolumen betrifft, mit Abstand die
größte Novelle, die wir je hatten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was Prozentsätze anbelangt, will ich nur ein Beispiel
eines Ehepaares anführen . Die Ehefrau, die an einem
Meisterkurs teilnimmt, bekommt jetzt gut 140 Euro mehr
im Monat . Das Entscheidende ist aber: Sie bekommt
auch 263 Euro mehr als Zuschuss ohne Rückzahlungs-
pflicht. Das ist wichtig für die Betreffenden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, ich glaube, dieser Gesetz-
entwurf macht Ernst mit der Gleichwertigkeit von be-
ruflicher und akademischer Bildung, und darüber reden 
wir ja ständig . Jemand, der sich nach der Schule dazu
entschließt – auch mit Abitur –, eine duale Ausbildung zu
machen, begibt sich nicht in eine Sackgasse . Aufgrund
der praktischen Erfahrungen kann er später studieren –

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka






(A) (C)



(B) (D)


auch dann, wenn er kein Abitur hat . Wenn ihm das Stu-
dium nicht gefällt oder seine Erwartungen nicht erfüllt
werden, dann kann er in die duale Ausbildung gehen und
sich, je nach Voraussetzung, auch zum Meister ausbilden
lassen . Jemand, der einen Bachelor hat, kann jetzt nach
diesem Gesetzentwurf auch einen Handwerksbetrieb lei-
ten, wenn er seinen Meister nachmacht .

Diese Dinge beeinflussen die Attraktivität des beruf-
lichen Systems ganz entscheidend, und wir reden nicht
nur darüber, sondern wir handeln auch und stellen viel
Geld dafür zur Verfügung . Allein in den nächsten Jah-
ren wird dafür fast eine Viertelmilliarde Euro zusätzlich
ausgegeben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, die Attraktivität des Auf-
stiegs-BAföG wurde bereits erwähnt, aber es ist klar: Das
Gesetz muss auch durch den Bundesrat . Deswegen sage
ich – ich glaube aber, darin bin ich mir mit den Kolle-
gen von der A-Seite, die hier sind, einig –, dass wir die
A-Länder vielleicht noch ein Stück gemeinsam davon
überzeugen müssen .


(Martin Rabanus [SPD]: Die A-Länder sind nicht das Problem!)


– Die A-Länder sind das Problem an dieser Stelle .


(Martin Rabanus [SPD]: Die A-Länder sind immer gut!)


Aber wir werden sie überzeugen . Das wird nicht das Pro-
blem sein . Ich denke, wir kriegen das im Bundesrat hin .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das glaube ich auch!)


Ich finde es interessant, dass immer wieder gefordert 
wird, der Bund müsse hier tätig werden . Vielleicht war
ich zu lange an anderer Stelle im föderalen System aktiv,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann sein!)


aber für mich ist Bildung immer noch in einem großen
Maße Ländersache, und daran wollen wir vonseiten des
Bundes nichts ändern, sondern wir wollen Dinge gemein-
sam machen . Diese Änderung der Aufstiegsfortbildungs-
förderung machen wir gemeinsam – mit einer Verteilung
von 78 zu 22 Prozent .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch angesichts der Redebeiträge der Oppositions-
fraktionen glaube ich, dass wir auf dieses Gesetz, wenn
es im Bundesgesetzblatt steht, gemeinsam stolz sein kön-
nen, und wir sollten das auch vertreten . Wenn Sie ent-
sprechend abstimmen, können wir hier an dieser Stelle
sagen, dass es uns in diesem Parlament gelungen ist, das
erfolgreichste, wichtigste und bedeutendste Förderinstru-
ment, das wir im Bereich der Ausbildung haben,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


weiter zu stärken und zu verbessern .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815901500

Hubertus Heil von der SPD ist nun der nächste Red-

ner .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1815901600

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Leistung und nicht Herkunft soll
zählen . Mit diesem Gesetzentwurf machen wir deutlich,
dass wir in diesem Land auch Aufstieg durch Fortbildung
wollen und dass wir Menschen, die sich anstrengen, die
sich im Job weiterbilden und vorankommen wollen, un-
terstützen und Hürden aus dem Weg räumen . Deshalb ist
das ein guter Gesetzentwurf .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Das reiht sich ein – die Ministerin, der Kollege Rabanus
und Herr Dr . Feist haben Details des Gesetzentwurfes
schon referiert – in eine ganze Kette von Maßnahmen,
die wir auf den Weg gebracht haben, um die berufliche 
Bildung in diesem Land voranzubringen .

Ich will auch noch einmal daran erinnern, was wir mit
diesem Gesetzentwurf insgesamt auf den Weg bringen:
die Öffnung der Förderung für die Bachelorabsolventen,
die Anhebung der Unterhaltsbeträge, den einkommens-
unabhängigen Kinderbetreuungszuschlag für Alleiner-
ziehende, das Attraktivitätspaket Meisterstück, die Er-
höhung des maximalen Maßnahmenbeitrages und die
Erhöhung des Vermögensfreibetrages .

Daneben ist mir ganz wichtig – das ist uns im Ge-
setzgebungsverfahren gelungen –, dass wir auch dafür
gesorgt haben, dass der Zuschuss für Maßnahmen auf
40 Prozent erhöht wird . Überall wird über Gebührenfrei-
heit in der Bildung geredet. Das finden wir Sozialdemo-
kraten auch richtig . Ich denke beispielsweise an die Ab-
schaffung der Studiengebühren, die bundesweit gelungen
ist . Wir sorgen nun dafür, dass auch die Meistergebühren
für die betroffenen Menschen gesenkt werden . Das ist ein
ganz wesentlicher Schritt .


(Beifall bei der SPD)


Gemeinsam haben wir als Koalitionsfraktionen aus
einem guten Gesetzentwurf einen noch besseren Gesetz-
entwurf gemacht . Frau Wanka, deshalb sind wir nicht nur
diejenigen, die Sie auf diesem Weg unterstützen, sondern
wir selbst sind ein bisschen stolz darauf, dass wir das
gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen geschafft ha-
ben . Den Haushältern und den Berichterstattern, Herrn
Dr . Feist und Herrn Rabanus, ist zu Recht gedankt wor-
den . Das ist ein richtig guter Gesetzentwurf geworden .
Damit können wir uns wirklich sehen lassen . Dafür ganz
herzlichen Dank!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bundesministerin Dr. Johanna Wanka






(A) (C)



(B) (D)


Aber ich habe es schon gesagt: Das ist eine ganz
zentrale Maßnahme, die wir heute mit der zweiten und
dritten Lesung abschließen . Frau Ministerin, ich bin mir
sicher, dass das Signal, das Sie an alle Länder gegeben
haben, unser gemeinsames Signal ist . Wir stehen ge-
meinsam in der Verantwortung für das Meister-BAföG;
auch das sagen wir sehr deutlich . Wie gesagt: Es ist eine
zentrale Maßnahme, um Hürden tatsächlich wegzuräu-
men und gleichzeitig für die Attraktivität der beruflichen 
Ausbildung in diesem Land zu sorgen . Wir geben auch
denjenigen eine Perspektive, die sich im Beruf fortbilden
wollen . Damit sorgen wir für Durchlässigkeit .

Das Ganze reiht sich in ein größeres Maßnahmenpa-
ket der gesamten Bundesregierung ein . Mit der Allianz
für Aus- und Weiterbildung – das ist mir ganz wichtig –
ist es dieser Regierung gemeinsam mit den Sozialpart-
nern gelungen, einem Trend entgegenzuwirken, der in
den letzten Jahren leider um sich gegriffen hat, dass näm-
lich fast alle nach Fachkräften rufen, aber die Zahl der
beruflichen Ausbildungsplätze in den letzten Jahren eher 
zurückgegangen ist . Wir haben im Rahmen der Allianz
für Aus- und Weiterbildung – dafür hat sich federführend
Minister Gabriel eingesetzt – gemeinsam mit den Sozial-
partnern, der Wirtschaft und den Gewerkschaften dafür
gesorgt, dass es eine Trendumkehr gegeben hat . Es gibt
wieder mehr Ausbildungsplätze in Deutschland . Das ist
die erste gute Nachricht für junge Menschen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die zweite gute Nachricht ist, dass wir im Rahmen der
Allianz für Aus- und Weiterbildung über öffentliche Un-
terstützung vor allen Dingen etwas für die jungen Men-
schen getan haben, die es besonders schwer haben . Wir
unterstützen zum Beispiel benachteiligte junge Menschen
mit Maßnahmen der Assistierten Ausbildung . Damit ma-
chen wir deutlich: Wir lassen kein Kind und keinen Ju-
gendlichen zurück . Wir wollen nicht länger zusehen, dass
noch immer 1,5 Millionen Menschen zwischen 20 und
30 Jahren ohne jede Form von beruflicher Erstausbildung 
dastehen . Wir können nicht über Fachkräftemangel jam-
mern und diesen jungen Menschen keine zweite Chance
geben . Auch da haben wir uns auf den Weg gemacht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt kommt, wie gesagt, das Meister-BAföG für dieje-
nigen, die schon qualifiziert sind und nach vorne wollen. 
Das hat noch einen weiteren Effekt: Wenn diese Men-
schen Meister werden, sind das auch mögliche Ausbilder .
Insofern ist das eine richtig gute Tat . Wir haben auch für
Durchlässigkeit im Bereich des Bachelors gesorgt . Wir
werden mit dem BBiG die Strukturen im Bereich der be-
ruflichen Bildung noch in dieser Legislaturperiode weiter 
zu modernisieren haben .

Warum erwähne ich das alles? Weil mir angesichts
bestimmter Debatten, die unter dem Stichwort „Akade-
misierungswahn“ geführt werden, ein bisschen bange
ist . Es ist richtig: Es ist der Öffentlichkeit und uns allen
in den letzten Jahren zu wenig bewusst gewesen – das
stand zu wenig in den Zeitungen –, welchen Wert wir in
Deutschland mit  unserer  speziellen  beruflichen Ausbil-

dung im dualen System, aber auch im berufsfachlichen
Bereich im Vergleich zu anderen Ländern haben . Da sind
OECD-Studien falsch gelesen worden, als es die Diskus-
sion über die Akademisierung gegeben hat . Wir sind mit
Portugal und Spanien verglichen worden . Heute wissen
wir: In diesen Ländern gibt es unsere Form der Ausbil-
dung nicht . Das ist ein Grund für die hohe Jugendarbeits-
losigkeit in diesen Ländern .

Wir müssen nur ein bisschen aufpassen, dass das Pen-
del jetzt nicht in die falsche Richtung ausschlägt . Es geht
nicht  an, dass wir  akademische und berufliche Bildung 
gegeneinander ausspielen .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das macht doch keiner!)


Das tun einige in der öffentlichen Debatte .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Wer?)


Darunter ist auch jemand, den ich persönlich gerne mag
und der diesen Begriff mit erfunden hat – ein Philosoph
aus München .

Ich sage an dieser Stelle: Das ist kein Nullsummen-
spiel . Wir setzen auf Gleichwertigkeit und auf Durchläs-
sigkeit, weil wir alle Potenziale und Talente in diesem
Land zur Entfaltung bringen wollen . Mit dem Meis-
ter-BAföG öffnen wir dafür Wege . Deshalb ist das ein
guter  Tag  für  die  berufliche  Bildung  und  für  das  Bil-
dungssystem insgesamt . Es ist ein guter Tag für viele
Menschen in Deutschland, die demnächst eine Chance
haben werden, die sie bisher nicht gehabt haben .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815901700

Das Wort erhält nun die Kollegin Lena Strothmann für

die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Lena Strothmann (CDU):
Rede ID: ID1815901800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-

leginnen und Kollegen! Das deutsche Handwerk begrüßt
die Verbesserungen zum Meister-BAföG sehr .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will jetzt nicht alle Punkte noch einmal aufzählen;
vieles ist schon gesagt . Aber mir als Handwerksmeisterin
sind drei Punkte besonders wichtig .

Der erste Punkt ist die Verbesserung der Unterhaltsför-
derung inklusive der Förderelemente, damit auch Famili-
enangehörige einbezogen werden können . Im Handwerk
nehmen traditionell sehr viele an den Vollzeitlehrgängen
teil . Die Absicherung des Familieneinkommens ist oft
ausschlaggebend, damit junge Menschen überhaupt an
einem Lehrgang teilnehmen .

Zweiter Punkt . Wichtig ist auch die Erhöhung des Zu-
schusses zu den Unterhaltskosten auf 50 Prozent wie bei
den Studenten. Die Gleichwertigkeit der beruflichen und 

Hubertus Heil (Peine)







(A) (C)



(B) (D)


akademischen Bildung muss eben auch gelten, wenn es
um die finanzielle Förderung geht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der dritte Punkt ist die Erhöhung des maximalen För-
derbeitrages für das Meisterstück . Denn das Meisterstück
ist oft nicht nur sehr teuer in seiner Anfertigung; es ist
auch für jeden Meister von hohem ideellen Wert .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Bei so manchem Tischler steht heute noch sein Meis-
terstück im Wohnzimmer . Ich muss gestehen: Auch ich
habe mein Meisterstück voller Stolz viele Jahre getragen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was war es denn? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt wird es aber spannend!)


– Das erzähle ich Ihnen später .

Meine Damen und Herren, heute ist ein guter Tag für
das Handwerk . Denn wir verbessern heute nicht nur das
Meister-BAföG; wir stärken auch die duale Ausbildung .
Sie verbindet die Theorie mit der Praxis und erleichtert
so den jungen Menschen den Einstieg in den Arbeits-
markt . Die duale Ausbildung ist damit auch der Garant
für unsere niedrige Jugendarbeitslosigkeit im europäi-
schen Vergleich .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich kann deswegen das Vorgehen der EU-Kommissi-
on überhaupt nicht nachvollziehen . Auf der einen Seite
bewertet sie das duale System als Best Practice und emp-
fiehlt es den südeuropäischen Ländern zur Bekämpfung 
der hohen Jugendarbeitslosigkeit . Auf der anderen Seite
stuft sie den Meisterbrief aber als Hemmnis für den Be-
rufszugang und für den Binnenmarkt ein .

Meine Damen und Herren, zur dualen Ausbildung in
Deutschland gehört der Meisterbrief .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Er  ist  und  bleibt  die  Krönung  der  beruflichen Ausbil-
dung . Das muss auch Brüssel begreifen . Im deutschen
Handwerk werden 371 000 junge Menschen von Meis-
tern ausgebildet . Deswegen müssen wir auch weiterhin
für den Meisterbrief kämpfen . Ich bin froh, dass wir uns
in diesem Hohen Haus einig sind . Ich erinnere an unseren
gemeinsamen Antrag zum Meisterbrief, den Antrag zur
Transparenzinitiative und den Antrag zur Binnenmarkt-
strategie .

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch
im eigenen Land noch ein bisschen mehr für die duale
Ausbildung tun. Ich finde es fatal: In Europa wird unser 
System hoch gelobt . Aber im eigenen Land verliert es an
gesellschaftlicher Akzeptanz, ganz nach dem Motto „Der
Prophet gilt nichts im eigenen Land“ . Denn für viele
Schulabgänger und Eltern ist die duale Ausbildung leider
nur noch zweite Wahl . Fast 60 Prozent der jungen Men-
schen eines Jahrgangs streben ein Hochschulstudium an,

Tendenz steigend . Wir rechnen damit, dass es 2020 unge-
fähr 80 Prozent sind .

Darum fehlen uns im Handwerk geeignete Auszu-
bildende, während die Unis unter dem großen Andrang
stöhnen . Bachelor und Meister sind auf dem Papier
gleichgestellt . Dafür haben wir hart gekämpft . Aber das
muss noch in den Köpfen von Lehrern, Eltern und Schü-
lern ankommen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der akademische Berufsweg ist eben nicht immer
der Königsweg . Gerade in den technischen Studiengän-
gen haben wir hohe Abbrecherquoten . Zur Wahrheit ge-
hört auch – und das muss auch einmal gesagt werden –,
dass ein Meister oder Facharbeiter oft mehr verdient als
manch junger Akademiker . Was mich noch mehr erschüt-
tert, ist, dass viele jungen Menschen in unserem Land die
unterschiedlichen Berufsbilder und Karrieremöglichkei-
ten im Handwerk nicht kennen .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja, das stimmt!)


Das Handwerk bietet mehr als 130 Ausbildungsberu-
fe . Das Handwerk ist innovativ . Das Handwerk ist kre-
ativ, und das Handwerk ist vor allem Hightech . Da ist
für jeden etwas dabei . Es gibt viele individuelle Karri-
eremöglichkeiten von der Ausbildung bis hin zum Stu-
dium oder zu der Chance, ein eigenes Unternehmen zu
gründen, Stichwort: „Karriere mit Lehre“ . Hier muss die
Berufsorientierung unbedingt noch mehr leisten, vor al-
len Dingen an den Gymnasien .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, wir fördern mit den Ver-
besserungen beim Meister-BAföG auch den Weg in die
Selbstständigkeit . Das ist für das Handwerk, aber auch
für die gesamte deutsche Wirtschaft von großer Bedeu-
tung . Denn leider ist die Neigung der jungen Menschen
zur Selbstständigkeit in den letzten Jahren stark rückläu-
fig. 

Das Handwerk braucht nicht nur Auszubildende und
Fachkräfte, sondern auch junge Unternehmer, die zum
Beispiel einen Betrieb übernehmen . Denn sonst brechen
uns mit jeder Betriebsaufgabe Arbeits- und Ausbildungs-
plätze weg . Das hat dramatische Folgen . Denn nach einer
Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks
aus dem vergangenen Jahr stehen bis zum Jahr 2020
hochgerechnet 180 000 Unternehmen zur Übergabe an,
weil die Unternehmer in den Ruhestand gehen . Deswe-
gen ist es so wichtig, dass wir heute das Meister-BAföG
verbessern . Wir brauchen mehr junge Menschen, die den
Schritt in die Selbstständigkeit wagen .

Mein Fazit: Wir können mit diesem Gesetz sehr zu-
frieden sein . Es ist ein großer Schritt in die richtige
Richtung, ein deutlicher Beitrag zur Gleichstellung von
beruflicher  und  akademischer  Bildung.  Unser  nächstes 
gemeinsames Ziel sollte dann die vollständige finanzielle 
Gleichstellung sein . Darüber sollten wir in Zukunft re-
den .

Lena Strothmann






(A) (C)



(B) (D)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815901900

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ernst Dieter

Rossmann für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1815902000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Kollege Feist hat aktuelle Beispiele aus Sach-
sen genannt . Nun müssen Sie verstehen, dass ich, der ich
als Sozialdemokrat zum Meister-BAföG spreche, in die-
sem Zusammenhang auf August Bebel aus Sachsen als
den Urvater aller Sozialdemokraten hinweise . 14 Jahre
alt war er, als er die Lehre zum Drechsler begann . 18 Jah-
re alt war er, als er auf Wanderschaft ging . 24 Jahre alt
war er, als er einen gutgehenden Drechslermeisterbetrieb
gegründet hat .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da hätte er bleiben sollen! – Gegenruf des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kauderwelsch!)


Lassen Sie uns aber nicht zu tief in die Eingeweide des
Parlamentarismus eintauchen . Nur noch so viel: Dem
ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert wurde von kon-
servativ-bürgerlicher Seite immer vorgeworfen, er sei ja
nur Sattlergeselle . Hieran sieht man gut, was sich im Hin-
blick auf die Gleichwertigkeit von handwerklicher und
akademischer Ausbildung verändert hat .

Ich komme in die Gegenwart zurück . Frau Strothmann
hat in ihrer Rede aufgezeigt, dass es aktuell wichtig ist,
nicht nur diejenigen, die ihre Leistungsfähigkeit wei-
terentwickeln wollen, zu fördern, nicht nur Qualität zu
sichern und Ausbildung zu ermöglichen, sondern auch
für Nachwuchs für das kleine und mittlere Gewerbe im
Handwerk, aber auch für andere Bereiche zu sorgen . Da-
für brauchen wir dieses Gesetz .

Frau Strothmann, Sie haben prägnante Zahlen ge-
nannt . Ich möchte noch welche hinzufügen . Jedes Jahr
machen rund 540 000 Menschen einen Ausbildungsab-
schluss . Aber nur rund 110 000 Menschen machen einen
Aufstiegsabschluss . Diese Lücke zu schließen und dafür
zu sorgen, dass mehr Menschen einen Aufstiegsabschluss
machen, ist wichtig; denn erst diejenigen, die einen sol-
chen Abschluss machen, können in eine Betriebsnachfol-
ge eintreten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Um noch mehr erklärende Zahlen zu nennen: Die
Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass das
Meister-BAföG gut angenommen und mittlerweile
von 170 000 Menschen genutzt wird . Aber von diesen
170 000 Menschen absolvieren nur 50 000 eine hand-
werkliche  Meisterausbildung.  80  000  befinden  sich  in 
einer Techniker- oder Fachwirteausbildung . Hinzu kom-
men  die  Restgrößen  in  Pflege  und  Erziehung.  Nicht, 
dass Sie das falsch verstehen, aber das sind die kleinsten
Gruppen . Die Zahl derjenigen, die eine handwerkliche

Meisterausbildung absolvieren, muss erhöht werden .
Sonst bleibt die Lücke zu groß und haben wir nicht den
Hintergrund für das, was wir in Europa verteidigen wol-
len, nämlich den leistungsfähigen handwerklichen Mit-
telstand, der für Ausbildung, Qualität und wirtschaftliche
Entwicklung wichtig ist .

Frau Walter-Rosenheimer, Sie haben die Transparenz
angesprochen . Ich möchte in diesem Zusammenhang
eine Aufgabe ansprechen, die wir als Parlamentarier,
egal von welcher Fraktion, bei einer einstimmigen Be-
schlussfassung zu diesem Fördergesetz haben . Wir selber
müssen für dieses Gesetz werben . Wir können damit un-
vergleichlich besser werben als mit dem, was wir bisher
hatten, allein schon von den Kerndaten her . Wie Sie wis-
sen, gab es früher einen Zuschuss von 44 Prozent . Nun
liegt er bei 50 Prozent . Bislang lag der Zuschuss zum
Maßnahmebeitrag bei 30,5 Prozent . Nun sind es 40 Pro-
zent . Bisher lag der Bestehenserlass, der sogenannte Er-
folgsbonus, bei 25 Prozent . Jetzt werden es 40 Prozent
sein . Wir können sehr gut damit werben und allen sagen:
50, 40, 40, das ist eine klare, transparente Förderleistung .
Wenn du das umrechnest, dann stellst du fest, dass das
mehrere Tausend Euro mehr sind, die du als Entlastung
erhältst, wenn du dich auf den beschwerlichen und en-
gagierten Weg einer Aufstiegsfortbildung machst . – Das
müssen die Menschen wissen, damit sie es Kollegen und
in der Verwandtschaft erzählen können . Dann kann ein
Sog entstehen, sodass in Zukunft möglichst nicht nur
50 000, sondern 70 000 oder 80 000 Menschen eine hand-
werkliche Meisterausbildung und sogar 100 000 Men-
schen in der Industrie eine Technikerausbildung bzw .
eine Ausbildung als Fachwirt absolvieren . Auch in den
Pflege- und Erziehungsberufen sollte es einen ähnlichen 
Anstieg geben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Gesetz schafft eine positive Stimmung und eröffnet
uns entsprechende Chancen .

Frau Ministerin, ein weiterer wichtiger Punkt ist im
Hinblick auf die Gleichwertigkeit von handwerklicher
und akademischer Ausbildung, dass wir nun den Umstieg
vom akademischen Bachelor auf den beruflichen Meister 
erstmals in die Förderfähigkeit einbeziehen . Das Gegen-
stück mit aufzunehmen, was die Linke hier anspricht,
wird Aufgabe zukünftiger Reformen sein .

Nun hatte die Kollegin Walter-Rosenheimer die För-
derung der zweiten Chance angesprochen, zum Beispiel
mit Blick auf solche, die bisher keinen Berufsabschluss
hatten, sich aber noch in höherem Alter anstrengen, einen
solchen Berufsabschluss zu machen . Das ist nicht nur ein
Zeitungsartikel in der Frankfurter Rundschau gewesen,
sondern viel wichtiger ist: Wir haben schon den entspre-
chenden Kabinettsbeschluss dazu . Dies wird als Weiter-
bildungsförderungsgesetz vom Kabinett der Großen Ko-
alition so eingebracht .


(Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Lena Strothmann






(A) (C)



(B) (D)


Diejenigen, die zu einem späteren Zeitpunkt als zweite
Chance eine Berufsausbildung abschließen wollen, be-
kommen zur Zwischenprüfung 1 000 Euro und zur End-
prüfung 1 500 Euro als materielle Belohnung . Die Große
Koalition hat dies im Kabinett auf den Weg gebracht, um
den Ausgleich in Bezug auf die Anstrengungen auf allen
Wegen zu schaffen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Herr Kauder, das ist wunderbar: Frau von der Leyen
hat es noch abgelehnt; in der Großen Koalition kann Frau
Nahles das ins Kabinett und ins Parlament einbringen .
Das macht uns glücklich .


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Es freut mich, wenn Sie glücklich sind!)


Vielen ist gedankt worden, etwa der Ministerin, den
Haushältern und den Berichterstattern . Ich möchte einen
besonderen Dank an die Fachkräfte auf der letzten Reihe
der Regierungsbank richten . Denn sie haben uns bis ins
letzte Detail bei diesem Gesetzesvorhaben beraten kön-
nen .

Ich will noch etwas aus dem persönlichen Bereich
aus Schleswig-Holstein erzählen . Wir Abgeordnete aus
Schleswig-Holstein haben traditionell nicht nur Wirt-
schaftsjunioren und Gewerkschaftsvertreter als Prakti-
kanten im Parlament . Wir haben Jahr für Jahr gestandene
Handwerksmeisterinnen und -meister zu einem einwö-
chigen Praktikum bei uns im Bundestag . Das ist wunder-
bar . Schon zwei Meister für Heizung, Sanitär, Klimatech-
nik, ein Schmiedemeister und ein Maurermeister konnten
bei mir im Parlament auch die Gleichwertigkeit von par-
lamentarischer und handwerklicher Arbeit kennenlernen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815902100

Herr Kollege .


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1815902200

Ich möchte an dieser Stelle alle ermutigen: Holen Sie

sich das Handwerk, holen Sie sich die Meister in die Bü-
ros . Das ist für beide Seiten wichtig .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich persönlich möchte dieses Gesetz den Meistern, die
bei mir waren, widmen . Ich kann sagen: Sie haben genü-
gend Druck für ein gutes Gesetz gemacht, und sie werden
jetzt erfahren, dass dieser überzeugende Druck auch dazu
geführt hat, dass das ganze Parlament einstimmig einem
solchen Gesetzentwurf zustimmt .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815902300

Wolfgang Stefinger ist der letzte Redner zu diesem Ta-

gesordnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Wolfgang Stefinger (CSU):
Rede ID: ID1815902400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Deutschland ist wirtschaftlich stark . Das liegt
auch daran, dass wir ein starkes Berufsausbildungssys-
tem haben . Unser betriebliches Ausbildungssystem ist
jedem anderen überlegen . Nicht Länder mit hohen Aka-
demikerquoten verfügen über eine hohe Wirtschaftskraft
und eine geringe Jugendarbeitslosigkeit, sondern Länder
mit einem betrieblichen Berufsausbildungssystem wie
die Bundesrepublik Deutschland .

Deutschland hat die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit
in Europa . Die Vorteile unseres Systems liegen auf der
Hand; das ist schon gesagt worden . Die Ausbildungsin-
halte richten sich nämlich nach dem betrieblichen Bedarf .
Das heißt: Was gebraucht wird, wird auch vermittelt . Pra-
xis und Theorie stehen gleichermaßen im Mittelpunkt der
Ausbildung .

Unser Ziel ist es, junge Menschen für eine betriebliche
Berufsausbildung zu begeistern . Wir wollen motivieren,
unterstützen und vor allem aufzeigen, dass mit einer Be-
rufsausbildung alle Wege offenstehen . Bei uns gibt es
keinen Abschluss ohne Anschluss . Das ist die Realität in
Deutschland .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor wenigen Wochen habe ich wieder als Gastdozent
an der Hochschule München ein Seminar im Studien-
gang Unternehmensführung gehalten . Der Studiengang
ist gemeinsam mit der Handwerkskammer für München
und Oberbayern entwickelt worden . 25 hochmotivierte
Handwerker aus allen Bereichen, Techniker und Fach-
wirte, bilden sich fort . Sie studieren ohne Abitur . Ich
muss Ihnen sagen: Ich finde es großartig – von der Werk-
bank in den Hörsaal, in Deutschland alles möglich .

Wir  sprechen  von  der  Gleichwertigkeit  der  berufli-
chen und akademischen Bildung . Wir haben bereits eine
BAföG-Reform für Schüler und Studenten beschlossen .
Jetzt  ist  die  berufliche Bildung  an der Reihe. Die Auf-
stiegsfortbildungsförderung, kurz: das Meister-BAföG,
wird verbessert, angehoben und entbürokratisiert . Wir
halten  damit Wort:  Die  berufliche Aus-  und Weiterbil-
dung ist uns genauso wichtig wie die Hochschulbildung .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das unterstreicht nicht nur der heute vorliegende Ge-
setzentwurf, sondern auch der fast parallel zu dieser De-
batte stattfindende Besuch der Bundeskanzlerin auf der 
Internationalen Handwerksmesse in meinem Münchener
Wahlkreis, auf der sich über 1 000 Aussteller aus über
60 Gewerken präsentieren und die nicht nur über ihre
teils innovativen Produkte, sondern auch über mögliche
Berufe und Karrierewege informieren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Meister-BAföG ist eine beeindruckende Erfolgs-
geschichte . In den letzten 20 Jahren wurden 1,7 Milli-
onen Menschen mit rund 7 Milliarden Euro gefördert .
Ohne diese Förderung hätten wir heute zigtausend we-
niger Techniker und Meister in unserem Land und damit
niemanden, der unsere kleinen und mittelständischen Be-

Dr. Ernst Dieter Rossmann






(A) (C)



(B) (D)


triebe führen könnte . Wir wollen diesen Erfolg fortset-
zen . Deshalb ist die vorliegende Reform so wichtig .

Durch den Geburtenrückgang und die gestiegene Stu-
dienneigung kommt das Berufsausbildungssystem im-
mer stärker unter Druck . Wir müssen deshalb weg von
dem Bild, dass in erster Linie akademische Abschlüsse
anzustreben sind . Es muss das Motto gelten: Lieber eine
ordentliche Berufsausbildung als ein schlechtes Studium .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen aber nicht das Studium schlechtreden, oder?)


Wir erleben bereits heute, dass Ausbildungsplätze un-
besetzt bleiben . Unternehmen bekommen teilweise nicht
eine einzige Bewerbung auf ausgeschriebene Lehrstel-
len . Gleichzeitig arbeitet jeder fünfte europäische Aka-
demiker in einem Beruf, für den kein Studium notwendig
wäre . Bis 2020 fehlen bis zu 1,4 Millionen Fachkräfte
im technischen Bereich . Deswegen stärken wir mit dieser
Reform das Berufsausbildungssystem . Wir motivieren,
wir setzen Anreize, wir schaffen Erleichterungen durch
Flexibilisierung, wir geben mehr Unterstützung, wir er-
höhen die Förderung für das Meisterstück, und wir set-
zen Anreize durch einen Erfolgsbonus bei Bestehen der
Prüfung .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir erhöhen auch den Unterhaltsbetrag und den Zu-
schuss für die Kinderbetreuung und berücksichtigen die
Pflege von Angehörigen.

Die  beruflichen Aussichten  für  Lehrberufe  sind  gut, 
sie sind sogar sehr gut . Tausende Betriebe suchen in den
nächsten Jahren einen Nachfolger . Wenn wir die Ein-
kommensentwicklung bei Handwerksmeistern anschau-
en, dann stellen wir fest, dass der alte Satz stimmt: Das
Handwerk hat goldenen Boden .

Heute ist ein guter Tag für unser Land, ein guter
Tag  für  die  berufliche Ausbildung  in Deutschland. Wir 
stärken  die  berufliche  Bildung  und  sorgen  dafür,  dass 
Deutschland stark bleibt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815902500

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes . Der
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss-
empfehlung auf der Drucksache 18/7676, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf der Drucksache 18/7055
in der Ausschussfassung anzunehmen .

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke auf der Drucksache 18/7695 vor, über den wir
zuerst abstimmen . Wer stimmt für diesen Änderungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit
ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt .

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei
Enthaltung der Fraktion Die Linke ist der Gesetzentwurf
damit in zweiter Beratung mit den übrigen Stimmen des
Hauses angenommen .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . – Das
wird reichen . Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Auch
das reicht . Damit ist der Gesetzentwurf mit dem gerade
genannten Stimmenverhältnis, also mit Zustimmung der
Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke, ange-
nommen . Ich schließe mich den mehrfach vorgetragenen
Glückwünschen an alle Beteiligten gerne an .

Unter Buchstabe b der Beschlussempfehlung des fe-
derführenden Ausschusses auf der Drucksache 18/7676
empfiehlt  dieser,  eine  Entschließung  anzunehmen. Wer 
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist bei Stimment-
haltung der Oppositionsfraktionen diese Beschlussemp-
fehlung angenommen .

Wir setzen die Abstimmungen zu den Beschlussemp-
fehlungen des Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung auf der Drucksache 18/7676
fort und kommen unter dem Tagesordnungspunkt 19 b
zu der Beschlussempfehlung unter Buchstabe c, die Ab-
lehnung des Antrages der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 18/7234 zu beschließen; hier geht es um einen
Antrag mit dem Titel „Durchlässigkeit in der Bildung
sichern, Förderlücken zwischen beruflicher Bildung und 
Studium schließen“ . Wer stimmt dieser Beschlussemp-
fehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalition angenommen .

Schließlich  empfiehlt  der Ausschuss  unter  Buchsta-
be d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der
Drucksache 18/7239 mit dem Titel „Bildungszeit PLUS –
Weiterbildung für alle ermöglichen, lebenslanges Lernen
fördern“ . Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist
auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen angenommen .

Damit kommen wir nun zum Tagesordnungspunkt 20:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Finanzierung der Wissenschaft auf eine ar-
beitsfähige Basis stellen – Bildung und For-
schung in förderbedürftigen Regionen solide
ausstatten

Dr. Wolfgang Stefinger






(A) (C)



(B) (D)


Drucksache 18/7643
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung (f)

Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 77 Minuten vorgesehen . – Auch dazu
sehe ich keinen Widerspruch . Also können wir so ver-
fahren .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815902600

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Die Linke beantragt, das gesamte Wissen-
schafts- und Forschungssystem, insbesondere in förder-
bedürftigen Regionen, auf solide Füße zu stellen .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist erforderlich, weil die Regierung von Union und
SPD im Exzellenzwahn feststeckt .


(Lachen bei der CDU/CSU)


Ja, Spitzenforschung aus Deutschland wurde weltweit
sichtbarer; das haben Sie erreicht . Aber dafür zehrt die
Forschungsbasis von ihrer Substanz, und dieser Preis ist
zu hoch .


(Beifall bei der LINKEN)


Lehrkräfte fehlen an Schulen und Hochschulen . Bib-
liotheken können neue Technik und Literatur, auch On-
lineausgaben, nicht im notwendigen Umfang bereitstel-
len . Unser Wissenschafts- und Forschungsnachwuchs
lernt in überfüllten Hörsälen und Laboren . Sie von der
Koalition vernachlässigen die Basis, und damit gefähr-
den Sie perspektivisch auch die Leistungen der Spitze .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Linke fordert in ihrem Antrag, die Wissenschafts-
und Forschungseinrichtungen insgesamt zu stärken . Ein
gravierendes Problem ist die mangelnde Finanzkraft
vieler Bundesländer . Das Kooperationsverbot im Bil-
dungsbereich behindert die Beteiligung des Bundes bei
der  Schulfinanzierung.  Das  Kooperationsverbot  gehört 
abgeschafft .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr . Simone Raatz [SPD]: Das stimmt!)


Der bis 2020 befristete Hochschulpakt muss dauerhaft
fortgesetzt werden . Die für 2017 geplante Erhöhung der
Bundeszuschüsse zum Hochschulpakt begrüßt die Linke
und fordert ab 2018 eine jährliche Steigerung um 3 Pro-
zent .

In Thüringen werden 2016 über 800 neue Lehrerinnen
und Lehrer in die Schulen kommen . Bundesweit stel-
len die Länder Pädagogen ein . Aber es fehlt inzwischen
massiv an Nachwuchskräften . Deshalb will die Linke

50 000 Studienplätze für die Ausbildung von Lehrkräften
mit Bundesmitteln schaffen .


(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Aber wie wollen Sie das finanzieren?)


Sie von der Union reden immer gern von der Indus-
trie 4 .0 . Doch Sie vergessen: Industrie 4 .0 verlangt einen
höheren Anteil an bestausgebildeten Spezialisten . Wa-
rum schaffen Sie nicht die notwendigen Studienplätze?

Die Linke weiß, dass im Sozialbereich, in der Verwal-
tung und auch bei der Integration deutlich mehr Fach-
kräfte benötigt werden . Deshalb wollen wir zusätzliche
80 000 Studienplätze für Fachkräfte im Sozialbereich,
für kleine und mittlere Unternehmen, für Verwaltungen,
für die Wissenschaft, für die Industrie und auch für die
Integration ausländischer Studentinnen und Studenten
schaffen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist ja ein 20-Jahres-Plan, den Sie hier auflegen!)


Vor wenigen Wochen, Mitte Dezember, hatte die Ko-
alition eine Verbesserung des Wissenschaftszeitvertrags-
gesetzes in der Größenordnung einer homöopathischen
Dosis beschlossen . Sie haben versagt . Der Befristungs-
wahnsinn mit sechs Einjahresverträgen eines Wissen-
schaftlers, der aber stets im gleichen Labor arbeitet, der
Mangel an Dauerstellen, all das droht weiterzugehen,
und das will die Linke verändern .


(Beifall bei der LINKEN – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!)


Von unseren jungen Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftlern erwarten wir, dass sie die kulturelle und
technologische Zukunft unseres Landes mitgestalten und
entwickeln . Sie von der Union speisen 80 Prozent mit
befristeten Verträgen ab und verhindern planbare Le-
benswege .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist unwürdig und gefährlich .

Wie sollen unter diesen Bedingungen unsere Hoch-
schulen und Forschungsinstitute die klügsten Köpfe hal-
ten gegen die verlockenden Angebote aus Wirtschaft, In-
dustrie und dem Ausland?


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Korrekt!)


Hunderttausende Wissenschaftlerinnen und Doktoranden
warten bisher vergeblich auf eine Verbesserung ihrer Zu-
kunftschancen in Deutschland . Deshalb fordert die Linke
ein zehnjähriges Anreizprogramm mit 100 000 unbefris-
teten Stellen an Hochschulen und Forschungseinrichtun-
gen .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Kein Problem, Herr Lenkert! Machen wir!)


– Schön . Ich freue mich darauf .

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Ein weiterer Punkt . Der Hochschulbau war bis 2006
eine im Grundgesetz verankerte Gemeinschaftsaufgabe .
Sie wurde 2006 mit der Föderalismusreform abgeschafft .
In drei Jahren laufen die als Ausgleich vereinbarten
Kompensationsmittel des Bundes endgültig aus .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das wollten die Länder so!)


Sollen dann die Bildungschancen von der Finanzkraft der
Länder abhängen? Machen wir den Hochschulbau wieder
zur Gemeinschaftsaufgabe, verankert im Grundgesetz .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wettbewerbsförderalismus!)


Anders kommt keine Chancengleichheit zwischen den
Regionen zustande .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen hat
die Hochschulausstattung bereits 2015 um 40 Millionen
Euro erhöht . Im Jahr 2017 wird die Linke in Thüringen
zusammen mit SPD und Grünen den Hochschuletat um
weitere 60 Millionen Euro – das sind 10 Prozent mehr –
auf insgesamt 640 Millionen Euro steigern .


(Dr . Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Und wie ist es in Brandenburg? – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dann geht es den Ländern doch gar nicht so schlecht! Was jammern Sie denn!)


In der Summe wachsen in Thüringen im Jahr 2017
die Bildungsausgaben um fast 300 Millionen Euro im
Vergleich zu den Ausgaben der letzten CDU-geführten
Landesregierung . Mehr kann der Freistaat Thüringen für
unseren Fortschritt nicht stemmen, und anderen Bundes-
ländern geht es ähnlich . Deshalb: Arbeiten Sie in den
Ausschüssen mit an unserem Antrag . Die Bundesregie-
rung muss endlich Verhandlungen mit den Bundeslän-
dern starten, um die Grundfinanzierung an Hochschulen 
und Forschungseinrichtungen solide und dauerhaft zu
finanzieren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die
Zukunft von Forschung und Wissenschaft in unserem
Land und um eine Zukunft für den wissenschaftlichen
Nachwuchs in der Bundesrepublik .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815902700

Das Wort erhält nun der Kollege Stefan Kaufmann für

die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Simone Raatz [SPD])



Dr. Stefan Kaufmann (CDU):
Rede ID: ID1815902800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

vorliegende Antrag der Fraktion Die Linke, Herr Lenkert,
ist für mich ein gutes Beispiel dafür, wie Wissenschafts-
politik nicht funktionieren kann .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Bund soll unendlich große Milliardensummen zah-
len; aber die Länder entscheiden . Für mich ist dieser
Antrag deshalb einfach nur eine dreiste Wunschliste,
nach dem Motto: Bezahlt mal alles, und wir machen das
schon . – So geht es sicherlich nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unter Punkt 4 wird beispielsweise – Sie haben es
gesagt – ein Anreizprogramm für zehn Jahre für die
Einrichtung von 100 000 unbefristeten Stellen an den
Hochschulen gefordert . Ich habe einmal nachgerechnet:
Bei angenommenen 50 000 Euro Personalkosten pro
Stelle und pro Jahr inklusive Steuern und Sozialabgaben
würden die Kosten bei sage und schreibe 5 Milliarden
Euro pro Jahr liegen . Über zehn Jahre gerechnet wür-
de die Umsetzung Ihrer Forderung Kosten in Höhe von
50 Milliarden Euro bedeuten . 50 Milliarden Euro – Herr
Lenkert, ich glaube, Sie sehen selber, dass das keine seri-
öse und keine konstruktive Opposition sein kann .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/ CSU]: Haben die noch nie gemacht!)


Ich darf noch zwei andere Punkte aus Ihren Forderun-
gen herausgreifen .

Erstens . Sie fordern einmal mehr die Aufhebung des
Kooperationsverbotes im Bildungsbereich .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Forderung ist ja nun altbekannt;


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber richtig!)


aber sie ist mit Blick auf die Kulturhoheit der Länder so-
wie der von Ihnen selbst angestrebten einseitigen finan-
ziellen Mehrbelastung des Bundes zugunsten der Länder
schlicht und einfach abzulehnen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Dekade Bildungsblockade! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Forderung!)


– Herr Mutlu, Sie können noch so viel schreien, daran
ändert sich nichts .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Dekade Bildungsblockade! – Zuruf des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815902900

Können wir uns darauf verständigen, dass im Augen-

blick der Kollege Kaufmann das Wort hat und die ande-
ren nachher zu Wort kommen?


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat mich angesprochen, Herr Präsident!)



Dr. Stefan Kaufmann (CDU):
Rede ID: ID1815903000

Herr Mutlu, Herr Lenkert, zum Kooperationsverbot:

Wer umfassende Mitfinanzierung fordert, übersieht, dass 
er sich damit auch gegen die Zuordnung von Verantwort-
lichkeiten stellt . Unklare Zuständigkeiten führen dazu,
dass die Verantwortung abgeschoben wird und am Ende
keiner das Problem löst, meine Damen und Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Übrigen: Schon heute engagiert sich der Bund fi-
nanziell in der Bildung so stark und umfassend wie nie
zuvor . Ich darf den Hochschulpakt, die Qualitätsoffensi-
ve Lehrerausbildung, den Qualitätspakt Lehre, den Pakt
für Forschung und Innovation, die Exzellenzinitiative,
auch die vollständige Übernahme der BAföG-Finanzie-
rung durch den Bund, das Programm für Fachhochschu-
len usw . nennen


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Angesichts der aktuellen Situation engagiert sich
das BMBF in den nächsten Jahren außerdem mit rund
130 Millionen Euro zusätzlich für eine schnelle Integra-
tion von Flüchtlingen durch Bildung . Ich darf die Kom-
petenzfeststellungen, Lern-Apps und Lernbegleiter so-
wie die Förderung von Studienkollegs an Hochschulen
nennen .

Eine Änderung des Grundgesetzes wäre im Übri-
gen auch länderseitig gar nicht mehrheitsfähig . Die
KMK-Präsidentin, die Bremer SPD-Senatorin Bogedan,
hat sich anlässlich des Beginns ihrer Amtszeit öffentlich
skeptisch zur Aufhebung des Kooperationsverbots geäu-
ßert, und ein Mitregieren des Bundes in der Schulpolitik
will letztlich – das wissen Sie selber, Herr Lenkert – kein
Land .

Eine Zustimmung für reine Transferaktionen von
Bundessteuereinnahmen zu den Bundesländern wird es
mit uns jedenfalls nicht geben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir Gelder für Schulen geben, dann nur, wenn
wir auch die Schulpolitik mitgestalten können . Ich sehe
nicht, Herr Lenkert, dass auch nur ein einziges Bundes-
land dazu seine Einwilligung gibt .

Ich darf auch für den Hochschulbereich noch einmal
klarstellen: Die Länder sind und bleiben auch nach In-
krafttreten der Änderung des Artikels 91 b des Grundge-
setzes zu Beginn letzten Jahres für die Grundfinanzierung 
der Hochschulen zuständig . Bei dieser Aufgabe werden
sie vom Bund bereits in erheblichem Umfang unterstützt .
Um Ihnen einmal eine Größenordnung zu nennen: Im
Rahmen des Hochschulpakts haben wir gemeinsam mit
den Ländern notwendige zusätzliche Studienplätze ge-

schaffen . Das sind über die gesamte Laufzeit des Paktes
von 2007 bis 2023 immerhin 20,2 Milliarden Euro, die
der Bund hier investiert .

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal aus-
drücklich sagen: Unsere Aufgabe als Bund ist es, über
den Artikel 91 b des Grundgesetzes Strukturen unserer
Wissenschaftslandschaft in Deutschland zukunftsfest zu
machen und nicht etwa Strukturpolitik zu betreiben und
strukturschwache Regionen über Bundesmittel zu för-
dern, lieber Herr Kollege Lenkert .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sollen die Länder doch bitte erst einmal ihre Hausauf-
gaben selber machen . Wir haben es hier schon mehrmals
debattiert: Seit dem letzten Jahr entlasten wir, entlastet
der Bund die Länder durch die vollständige Übernahme
der BAföG-Kosten jährlich und dauerhaft um immerhin
1,2 Milliarden Euro – Mittel, die sie gemäß der politi-
schen Vereinbarung insbesondere auch für die Hoch-
schulen einsetzen sollen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selten eine so schlechte Vereinbarung gesehen!)


Dass das nicht immer so klappt, haben wir am Beispiel
Niedersachsen gesehen .

Weitere neue Spielräume – auch das darf ich heute
noch einmal sagen – entstehen bei den Ländern, weil
der Bund seit Beginn des Jahres 2016 im Rahmen des
Pakts für Forschung und Innovation III den jährlichen
Aufwuchs in den Haushalten der außeruniversitären For-
schungseinrichtungen allein trägt . Die Länder haben also
langfristig erhebliche zusätzliche Mittel zur Verfügung,
die insbesondere auch den Hochschulen zugutekommen
müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gleichzeitig, meine Damen und Herren, stehen die
Länder finanziell  so gut da wie  selten zuvor.  Im neuen 
Monatsbericht des Finanzministeriums von letzter Wo-
che – ganz aktuell – können wir nachlesen, dass die Län-
der für 2015 zwar mit einem Gesamtdefizit von 6,8 Mil-
liarden Euro gerechnet haben, aber tatsächlich – und jetzt
bitte genau zuhören – zu einem Haushaltsüberschuss von
2,8 Milliarden Euro gekommen sind .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Oi, oi!)


Das heißt, wenn die Länder ihre Prioritäten richtig
setzen würden, müssten die Hochschulen eigentlich im
Geld schwimmen . Das Geld jedenfalls ist da, wenn man
die richtigen Prioritäten setzt, meine sehr geehrten Kolle-
ginnen und Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der zweite Punkt – das haben Sie gerade angespro-
chen, lieber Herr Lenkert – ist: Sie fordern allen Erns-
tes die Beendigung der erfolgreichen und international
vielfach nachgeahmten Exzellenzinitiative . Dazu möchte
ich Ihnen einmal Folgendes sagen . Die Exzellenzinitiati-






(A) (C)



(B) (D)


ve hat – das hat jüngst ja auch der Imboden-Bericht der
internationalen Expertenkommission festgestellt –


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie eigentlich damit?)


in sehr erfolgreicher Art und Weise eine neue Dynamik in
das deutsche Wissenschaftssystem gebracht .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was folgt für Sie daraus?)


Die Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative, über
die wir ja derzeit verhandeln – wir hoffen, dass wir sie im
Juni abschließen können –, soll nun die Voraussetzungen
dafür schaffen, ausgewählte deutsche wissenschaftliche
Spitzenzentren in der internationalen Champions League
langfristig ganz nach vorn zu bringen . Das schaffen wir
aus Sicht der Unionsfraktion eben nicht mit einer För-
derung nach Proporz oder gar nach dem Gießkannen-
prinzip – wie es andere Parteien hier im Haus ja gern
fordern –,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meinen Sie die SPD? – Gegenruf des Abg . Dr . Karamba Diaby [SPD]: Nein, das hat er nicht gesagt!)


sondern nur mit einem klaren Bekenntnis zur Exzel-
lenzförderung . Selbst der von Ihnen gerne angeführte
OECD-Bildungsdirektor Schleicher sagte in einem Inter-
view auf die Frage: „Braucht Deutschland Elite-Univer-
sitäten?“ – ich darf zitieren –:

Darüber kann kein Zweifel bestehen . Jeder Staat
braucht Spitzenleistungen, die entsprechend geför-
dert werden müssen . Diese werden den Erfolg der
Staaten entscheidend bestimmen . Kein Industrie-
staat kann sich darauf ausruhen, bei Produktion oder
Optimierung gut zu sein, das werden andere Staaten
übernehmen .

Ich darf an dieser Stelle auch noch einmal Jan-Hendrik
Olbertz, den ehemaligen Präsidenten der Humboldt-Uni-
versität, zitieren . Er hat es jüngst in einer Podiumsdis-
kussion richtig auf den Punkt gebracht . Er hat nämlich
gesagt: „Exzellenz für alle wäre eine Parodie .“ Aber viel-
leicht, lieber Herr Lenkert, wollen Sie ja zurück zu alten
DDR-Zeiten . Dort sagte man ja voller Überzeugung: In
der Breite sind wir Spitze . – Auch das ist letztlich eine
Parodie, und das machen wir nicht mit, lieber Herr Kol-
lege Lenkert .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wer von den anderen
immer nur Wein fordert und selbst nur Wasser gibt, ist
wenig glaubhaft . Deshalb habe ich mir einmal die Da-
ten zu Brandenburg – nicht Thüringen, das Sie gerade
als Beispiel zitiert haben, sondern Brandenburg –, einem
Land, in dem Sie immerhin den Finanzminister stellen,
im  Bildungsfinanzbericht  des  Statistischen  Bundesam-
tes angeschaut . Von allen ostdeutschen Bundesländern
hat  Brandenburg  die  geringste  Grundfinanzierung  pro 
Studierenden, nämlich nur ungefähr 5 600 Euro jähr-
lich.  Selbst  das  finanzschwache  Sachsen-Anhalt  gibt 
7 100 Euro pro Studierenden jährlich aus . Also: Schauen

Sie einmal nach Brandenburg und nicht nur nach Thü-
ringen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Rahmen der öffentlichen Bildungsausgaben gibt
Brandenburg im Übrigen den geringsten Prozentsatz,
nämlich nur etwa 10 Prozent, für die Hochschulen aus .
Alle anderen Länder geben hier zum Teil doppelt so viel
für ihre Hochschulen aus . Und vor gar nicht allzu langer
Zeit – auch darauf möchte ich noch einmal hinweisen –
wollte die rot-rote Landesregierung in Brandenburg ihren
Hochschulen auch noch die eingesparten Rücklagen in
Höhe von 10 Millionen Euro wieder wegnehmen, die die
Hochschulen mühsam aufgebaut hatten, um langfristige
Projekte  zu finanzieren. Das  ist  die Politik,  für  die Sie 
hier stehen, Herr Lenkert, und das sollten Sie auch ein-
mal ehrlich sagen .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wer hat denn die Brandenburger Hochschulen so schlecht vorbereitet?)


Meine Damen und Herren, kommen Sie also von Ih-
rem hohen Ross herunter, und kehren Sie erst einmal vor
der eigenen Haustür . Das ist meine Bitte, meine Auffor-
derung an Sie . Beenden Sie Ihre Traumtänzerei, und hö-
ren Sie endlich damit auf, zwei- oder dreistellige Milliar-
densummen hier im Haus zu fordern, die dann nach dem
Gießkannenprinzip auf die Länder verteilt werden sollen .
Meine Damen und Herren, so geht ernsthafte Opposition
im Bund nicht . Deshalb bitte ich Sie herzlich, diesem An-
trag nicht zuzustimmen .

Danke sehr .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Okay! Dann machen wir das nicht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815903100

Das Wort erhält nun der Kollege Kai Gehring für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . Ich vermute einmal, er
wird jetzt vorführen, wie Opposition richtig geht .


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815903200

Mal schauen . – Danke, Herr Präsident! Liebe Kolle-

ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Wissenschaftsfinanzierung  in  Deutschland  braucht 
ein Upgrade für mehr Zukunfts- und Innovationsfähig-
keit . Die Linke hat Vorschläge gemacht, wir Grünen ha-
ben Vorschläge gemacht . Wenn Sie von Union und SPD
damit nicht einverstanden sind, dann legen Sie doch ein-
fach eigene Vorschläge für eine neue Gesamtarchitektur
der Wissenschaftsfinanzierung in Deutschland vor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


So lang ist die Legislatur ja nicht mehr . Langsam wird es
höchste Zeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Da fehlt denen die Exzellenz!)


Dr. Stefan Kaufmann






(A) (C)



(B) (D)


Seit Monaten dreht sich die Wissenschaftsdebatte
um die Frage, wie die Exzellenzinitiative weitergeht .
Vor vier Wochen hatte die Imboden-Kommission einen
hervorragenden Bauplan dafür vorgelegt . Auf die zwei
Förderlinien Exzellenzcluster und Exzellenzprämie zu
fokussieren, ist eine wegweisende Grundlage für Bund
und Länder; da sind wir uns mit unseren drei grünen
Wissenschaftsministerinnen einig . Der Zeitdruck für die
Einigung ist groß . Heute in acht Wochen muss die Ver-
einbarung stehen . Umso unverständlicher ist doch, dass
Bundesministerin Wanka zu ihrem Exzellenzplan kom-
plett schweigt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie keinen hat .
Wenn Frau Wanka den Unis das Exzellenzkrönchen
selbst aufsetzen will, anstatt die Wissenschaft entschei-
den zu lassen, dann soll sie das doch wenigstens sagen .
Aber zu schmollen, den sehr guten Imboden-Bauplan in
die Schublade zu legen


(Zuruf von der CDU/CSU: Das macht doch keiner!)


und zur drängenden Überbrückungsfinanzierung für die 
bisher geförderten Unis und Cluster zu schweigen, ist
einfach ein Unding . Frau Wanka muss raus aus dem Hin-
terzimmer und muss ihre Exzellenzpläne im Parlament
vorstellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Spitzenförderung ist aber nur ein Aspekt der Wissen-
schaftsfinanzierung  von  Bund  und  Ländern.  Eine  neue 
Architektur ist seit Jahren überfällig; denn das Verhältnis
zwischen Grundfinanzierung der Hochschulen und Dritt-
mittelförderung ist immer weiter aus der Balance gera-
ten . Als größter Drittmittelgeber hat der Bund daran ei-
nen Löwenanteil . Obwohl der Bund die Hochschulen seit
der Verfassungsänderung zum 1 . Januar 2015 dauerhaft
finanzieren könnte, setzen Union und SPD vorrangig auf 
Wettbewerb und auf Projektförderung . Dass das nicht gut
ist, wissen Union und SPD sogar . Der Erkenntnis muss
aber auch konkretes politisches Handeln folgen . Genau
das verlangt die linke und grüne Opposition von Bundes-
regierung und Koalitionsfraktionen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Worum muss es bei der neuen Wissenschaftsfinanzie-
rung gehen?

Erstens um den Hochschulpakt . Die Bund-Länder-Ver-
einbarung dazu läuft bis 2020 . Auch künftig werden vie-
le junge Leute aus dem In- und Ausland in Deutschland
studieren, und das ist klasse . Deswegen wollen wir den
Hochschulpakt verstetigen und die Ausgaben pro Studi-
enplatz auf OECD-Durchschnitt anheben . Das stärkt die
Grundfinanzierung  der Hochschulen,  das  sichert  Studi-
enplätze und Arbeitsplätze, das bringt bessere Lehre und
Studienbedingungen, eine höhere Finanzierungssicher-
heit und Planbarkeit für Universitäten und Fachhoch-

schulen in strukturschwachen wie in strukturstarken Re-
gionen . Also: Nicht zögern, sondern machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Zweitens: Ausbau und Modernisierung der Infrastruk-
turen des Wissens . Bröckelnde Bauten und marode Labo-
re passen nicht zu einer Innovationsnation Deutschland .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schon jetzt gibt es einen erheblichen Sanierungsstau an
den Hochschulen . Den müssen wir beheben und einem
weiteren Substanzverlust vorbeugen . Wir sagen ganz
klar: Bauten und Ausstattung an Universitäten und Fach-
hochschulen müssen auf die Höhe der Zeit gebracht wer-
den: von den Hörsälen bis zu den Bibliotheken, von den
digitalen Infrastrukturen über Forschungsgeräte bis hin
zu den Wohnheimplätzen . Also: Nicht zögern, sondern
machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Drittens: Entlastung der Länder bei der Forschungsfi-
nanzierung . Wir wollen den Finanzierungsschlüssel der
Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft
ändern. Statt fifty-fifty soll der Bund künftig 70 Prozent


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


und das jeweilige Land 30 Prozent der Finanzierung
übernehmen .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Gegenzug müssen sich die Länder verbindlich ver-
pflichten,  die  gewonnenen  Spielräume  eins  zu  eins  für 
die Grundfinanzierung der Hochschulen zu nutzen. Hier 
wäre es angebracht, eine gute Vereinbarung zu treffen;
das haben sie bei den BAföG-Mitteln nicht geschafft .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zudem müssen die Programmpauschalen im Hochschul-
pakt und für die Forschungsförderung durch die Bun-
desressorts erhöht werden . Also: Nicht zögern, sondern
machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir haben in Deutschland eine unheimlich vielfältige
Forschungs- und Hochschullandschaft mit vielen groß-
artigen kreativen Köpfen . Diese kreativen Köpfe wollen
unsere Gesellschaft voranbringen . Sie wollen Lösungen
für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen
entwickeln, und sie wollen mit Sicherheit gut forschen .
Deswegen warten die Wissenschaftler aller Generationen
genauso sehnsüchtig wie wir in der Opposition auf den
mehrmals von Frau Wanka angekündigten Nachwuch-
spakt für neue Stellen an den Hochschulen . Davon hört
man seit Monaten nichts mehr . Man braucht ihn aber
dringend; denn es braucht dringend mehr Dauerstellen,
vom Mittelbau bis zur Tenure-Track-Professur . Also:
Nicht zögern, sondern machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)


Bund und Länder müssen einen klugen Rahmen für
gute Wissenschaft setzen und eine neue schlüssige Ge-
samtarchitektur  für  die  Wissenschaftsfinanzierung  in 
Deutschland auf den Weg bringen, und das am besten
noch in dieser Wahlperiode .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815903300

Der Kollege Ernst Dieter Rossmann hat für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1815903400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dem Antrag der Grünen darf man nicht vorwerfen, dass
er nicht sehr ausschweifend sei .


(Dr . Simone Raatz [SPD]: Der Linken!)


– Entschuldigung, der Linken . – Er ist wirklich zu aus-
schweifend . Ich glaube, Herr Kaufmann, Sie sind in Ihrer
Kritik sehr präzise auf vieles eingegangen . Wenn ich nur
mit einer Hand geklatscht habe – das ist nicht so gut zu
hören –, dann nur, weil Sie an vielen anderen Stellen Po-
sitionen eingenommen haben, die wir Sozialdemokraten
nicht teilen können .

In Bezug auf die Grünen fällt uns auf: Ja, Opposition
darf drängeln, aber Opposition muss nicht alles verdrän-
gen; denn tatsächlich gibt es einen Hochschulpakt,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, bis 2020!)


der sehr gut dotiert ist, der von Bund und Ländern ge-
meinsam  finanziert  wird.  Es  gibt  einen  Beschluss  der 
Koalitionsfraktionen, 1 Milliarde Euro zusätzlich für den
wissenschaftlichen Nachwuchs zu mobilisieren . Wir ha-
ben das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in einer Weise
novelliert, die viel Resonanz, auch in der jungen Wissen-
schaft, findet. 


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch die BAföG-Reform – einschließlich des zusätzlich
mobilisierten Volumens – ist ja nicht die schlechteste Re-
form gewesen .

Insofern möchte ich in dieser Situation mit den Kol-
leginnen und Kollegen in einen Dialog eintreten, anstatt
wechselseitig draufzuhauen, und ein paar Schwerpunkte
setzen .

Kollege Kaufmann, ja, man kann in Bezug auf die
Bund-Länder-Zusammenarbeit und das Kooperations-
verbot verschiedener Auffassung sein . Aber man muss
natürlich aufpassen, in welche Widersprüche man sich
verwickeln kann, wenn man sagt, dass es doch immer am
besten ist, wenn es klare Verantwortlichkeiten gibt . Denn
gleichzeitig sind wir stolz darauf, dass wir zum Beispiel
bei der Absicherung der außeruniversitären Forschungs-
einrichtungen eine gemeinsame Verantwortlichkeit bis in
die Finanzierung hinein haben, dass Bund und Länder zu

jeweils 50 Prozent am Hochschulpakt beteiligt sind und
es funktioniert,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo Herr Rossmann recht hat, hat er recht!)


dass auch an anderen Stellen, zurzeit beim Gesamtkon-
zept zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuch-
ses, Bund und Länder zusammenkommen .

Es ist ja auch nicht so, dass es keine gemeinsame
Verantwortung von Bund und Ländern in Bezug auf
den Strukturausgleich gäbe . Er ist vielleicht nicht in
Artikel 91 b des Grundgesetzes angesiedelt; aber in
Artikel 104 b des Grundgesetzes ist er ausdrücklich an-
gesiedelt . Das entspricht der Linie, von der die Sozialde-
mokratie Sie gerne weiter überzeugen möchte, vielleicht
auch in Bezug auf die aktuell und langfristig wichtige
Zukunftsaufgabe der Integration; hier könnte man eine
neue Gemeinschaftsaufgabe schaffen .

Umgekehrt sind wir ganz bei Ihnen, wenn Sie sich
dagegen wehren, vom Prinzip des Wettbewerbs abzu-
weichen . Die Linken haben irgendwie ein ungeklärtes
Verhältnis zum Prinzip des Wettbewerbs in der Wissen-
schaft; sie haben es nicht aufgearbeitet . Die wichtigste
gemeinsame Institution von Bund und Ländern in der
Wissenschaft ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft,
die DFG . Aber die DFG organisiert nichts anderes als ein
wettbewerbsgeleitetes Auswahlverfahren bei der Suche
nach Wahrheit . Dazu müssten sich die Vertreterinnen und
Vertreter der Linken einmal im Grundsatz erklären . Sie
müssten erklären, ob sie glauben, dass Wahrheitssuche
außerhalb eines wissenschaftsgeleiteten Wettbewerbs
zu besseren Ergebnissen führt als eine Suche nach der
besten Wahrheit im Wettbewerb, im Rahmen einer Aus-
einandersetzung in verschiedenen Projekten, über Peer
Reviews und anderes. Ich finde, da müssen Sie langsam 
bei Ihrem eigenen Denken – bis hinein in Ihre Anträge –
zu einer Frontbegradigung kommen .


(Zuruf von der LINKEN)


Denn Sie können nicht in drei Landesregierungen – frü-
her Mecklenburg-Vorpommern, jetzt Thüringen und
Brandenburg – all dies mittragen, auch das wettbewerbs-
geleitete Prinzip der Deutschen Forschungsgemein-
schaft – Sie stellen es nicht infrage –, aber in Bezug auf
die Exzellenzinitiative Scheuklappen haben, als ob das,
was bei der DFG gut ist, bei der Exzellenzinitiative auf
einmal schlecht ist .

Diese Begradigung sollten Sie erst recht vorneh-
men, wenn Sie aufmerksam einer guten Anhörung zur
Imboden-Kommission in Sachen Exzellenz gefolgt sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Man darf sich doch nicht selbst in der Wissenschaft in
Deutschland unmöglich machen . Aber Sie sind leider auf
dem besten Weg dorthin, sich als Partner in der deutschen
Wissenschaft unmöglich zu machen . Das bekommt Ihrer
Sache nicht gut .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)


Die Exzellenzinitiative ist angesprochen worden; da-
rauf möchte ich mich konzentrieren . Die Vorbereitung
eines gemeinsamen Pakts zwischen Bund und Ländern –
auch dort stehen wieder beide zusammen in der Verant-
wortung; es gibt dort keine geteilte Verantwortung, Herr
Kaufmann – ist jetzt in einem entscheidenden Stadium .
Ich will zumindest für die sozialdemokratische Seite sa-
gen, was wir den guten Ergebnissen der Imboden-Kom-
mission in Bezug auf das Instrument der Exzellenzini-
tiative, die Edelgard Bulmahn mit anderen zusammen
seinerzeit für Rot-Grün auf den Weg gebracht hat, ent-
nehmen . Wir entnehmen, dass es wichtig ist, ein wissen-
schaftsgeleitetes Verfahren beizubehalten . Wir entneh-
men, dass es wichtig ist, den Wettbewerb weiterhin in
einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren zu organisieren .
Wir entnehmen, dass es wichtig ist, die Exzellenzcluster
auszubauen, die das Fundament besonderer Exzellenz an
den vielen Hochschulen quer durch die Republik stärken
sollen . Wir entnehmen auch, dass es gut ist, wenn wir
erkennbare Spitzenuniversitäten haben .

Dabei unterscheidet sich unser Ansatz von dem, was
bisher von den Grünen in die Diskussion gebracht wor-
den ist . Auch Professor Imboden geht von einem ein-
zigen Indikator aus . Dies ist aber unterkomplex . Wir
können hier aus der Anhörung den hoch anerkannten
Vorsitzenden des Deutschen Wissenschaftsrates, Profes-
sor Prenzel, zitieren, der von den Institutionen, die als
Leuchttürme nach Deutschland und Europa ausstrahlen
wollen, strategische Konzepte und vor allem auch eine
Perspektive geradezu einfordert, weil diese mit Blick
auf die Zukunft die Leistungsfähigkeit und die Attrak-
tivität der Wissenschaft an den deutschen Hochschulen
erhöhen . Nur aus dem Ex-post, also aus dem, was man
früher an Förderung bekommen hat, leitet sich nicht au-
tomatisch eine Perspektive ab, auch wenn es natürlich
ein Kriterium unter mehreren sein kann, genauso wie die
Verankerung von Exzellenzclustern ein Kriterium wer-
den muss . Wichtig ist jedenfalls: Wir müssen in diesem
Zusammenhang komplexer denken .

Wir sollten uns auch nicht klein machen . Professor
Imboden hat gemeinsam mit seiner hoch ehrenwerten
Kommission ausdrücklich festgestellt, dass es bei uns
mehr als sehr wenige spitzenleistungsfähige Universitä-
ten gibt . Deshalb sagen wir: 10 Universitäten plus x – das
ist das Maß, aus dem in Deutschland Strahlkraft gewon-
nen werden kann, aus dem weitere Perspektiven gewon-
nen werden können .

Natürlich soll es Maßnahmen der Überleitung geben .
Es soll Anerkennung für diejenigen geben, die bisher in
einer ersten Wettbewerbsphase waren . Wir wünschen uns
und wir sind uns ziemlich sicher, dass wir an dieser Stelle
ein sehr gutes Ergebnis erzielen werden .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen Sie denn, was Frau Wanka will? – Gegenruf der Abg . Dr . Simone Raatz [SPD]: Das ist geheim!)


– Kollege Gehring, Sie fragen danach, was die Ministerin
will . Man darf in jedem Fall sagen: Die Ministerin will
ein sehr gutes Ergebnis .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Genau!)


Ich darf für die Sozialdemokratie sagen: Die Struk-
turen, innerhalb derer wir uns das Ergebnis wünschen,
haben wir immer transparent gemacht . Am Ende werden
wir uns umso mehr freuen, wenn das Ergebnis zügig vor-
liegen wird


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir verhandeln konstruktiv!)


und in dem Ergebnis viel von dem enthalten ist, was Pro-
fessor Imboden vorgeschlagen hat; denn es gibt hier eine
große Übereinstimmung mit dem, was wir vorgeschlagen
haben .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815903500

Herr Kollege .


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1815903600

Wir können uns nicht vorstellen, dass das Ergebnis ein

ganz anderes sein könnte .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


Wir glauben: Wenn wir hier gemeinsam zügig zu einem
Ergebnis gekommen sind, dann werden wir auch beim
Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs zügig voran-
kommen; denn das ist ein weiterer Baustein .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815903700

Herr Kollege Rossmann .


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1815903800

Mein letzter Punkt an die Abgeordneten der CDU/

CSU . Dies wird gewiss nicht die allerletzte Diskussion
über das Kooperationsverbot sein . Wir werden diese aber
sehr sachlich, konstruktiv und hoffentlich sehr überzeu-
gend und gewinnend weiterführen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815903900

Die Kollegin Alexandra Dinges-Dierig hat nun das

Wort für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Simone Raatz [SPD])



Alexandra Dinges-Dierig (CDU):
Rede ID: ID1815904000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Verehrte Gäste auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Linken, ich kann es Ihnen nicht erspa-
ren, dass Sie das eine oder andere jetzt noch einmal hören
werden .

Mit Blick auf die Zukunft sage ich: Das wird bestimmt
auch nicht das letzte Mal sein .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das sind wir von Ihnen gewohnt, dass nichts Neues kommt! – Gegenruf des Abg . Michael Grosse Dr. Ernst Dieter Rossmann Brömer [CDU/CSU]: Wer nichts Neues bringt, kriegt keine neuen Antworten!)





(A) (C)


(B) (D)


Als ich Ihren Antrag gelesen habe und noch einmal
gelesen habe, hat es mir ehrlich gesagt – ich sage das so
salopp – fast die Schuhe ausgezogen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nicht nur Ihnen, Frau Kollegin!)


Ich könnte auf viele Einzelforderungen aus Ihrem An-
trag eingehen, ich könnte Ihnen gewichtige Argumente
entgegenbringen . Herr Rossmann hat gesagt, er glaubt
an eine Weiterentwicklung der Linken . Ich bin mir nicht
mehr ganz so sicher; denn durch Ihren gesamten Antrag
zieht sich – deshalb glaube ich, dass einzelne Argumen-
te Sie nicht überzeugen werden – ein Staatsbild, das ich
persönlich als zentralistisch beschreiben würde . Sie wol-
len – das haben Sie nicht nur an einer Stelle deutlich ge-
macht – den übermächtigen Bund, Sie wollen die schwa-
chen und machtlosen Länder .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Stärken!)


In Ihrem Antrag bezeichnen Sie die Länder – wie ha-
ben Sie es geschrieben? – als eine Art Getriebene einer
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Sie nicht nur
für das Wissenschaftssystem als schädlich ansehen . Aus
eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen: So verstehen
sich die Länder nicht, so haben sie sich nie verstanden,
und so werden sie sich auch nie verstehen .


(Zuruf der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Vor circa zehn Jahren gab es sehr lange Diskussionen
über die Föderalismusreform . Gerade den Ländern war
es wichtig, zwischen ihnen und dem Bund klare Rege-
lungen zu Entscheidungsgewalt und Verantwortung zu
treffen; der Kollege Stefan Kaufmann hat es schon aus-
geführt . Warum war ihnen das so wichtig? Das war ihnen
so wichtig, weil sie schneller und besser eigene politische
Akzente setzen wollten . Sie wollten in ihren Haushalten
Schwerpunkte setzen, ohne dass der Bund ihnen sagt, wo
die Schwerpunkte liegen sollen . Sie wollten durch kluge
politische Entscheidungen in den Wettbewerb eintreten
und sich dort durchsetzen, und zwar nicht nur in einen
Wettbewerb mit anderen Ländern – sonst hätten wir
PISA ohnehin nicht gemacht –, sondern in einen Wettbe-
werb mit anderen Regionen Europas und der Welt .

Betrachte ich die Ergebnisse der letzten zehn Jahren,
kann ich sagen: Sie können sich im Durchschnitt sehen
lassen . Schauen Sie sich die Ergebnisse an, die wir im
Schulbereich haben, ob es nun PISA oder PISA-E ist!
Schauen Sie sich die internationale Sichtbarkeit unseres
Wissenschaftssystems an! Schauen Sie sich die Berichte
an: „Bildung auf einen Blick“ – selbst die OECD hat es
inzwischen verstanden – oder den Bildungsmonitor . Im
Schnitt sehen Sie überall eine dynamische, wirklich recht
gute Entwicklung .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber ich sage auch: Wir haben noch Luft nach oben .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr viel Luft nach oben!)


– Wir nutzen sie, lieber Kollege Mutlu .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich werden Sie nicht atemlos!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wettbewerb – das
ist auch so ein Reizwort für Sie – ist für Sie von der Lin-
ken offensichtlich kein Anreizsystem .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn es falsche Anreizsysteme sind! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hängt mit dem Sozialismus zusammen!)


Sie gehen davon aus, dass Sie durch die gleiche Vertei-
lung von Finanzen in ein differenziertes Bildungs- und
Wissenschaftssystem gute Perspektiven für die Genera-
tion von morgen schaffen . Sie gehen zum Beispiel auch
davon aus, dass durch die nahezu vollständige Umwand-
lung befristeter Stellen in feste Stellen die Chancen für
den wissenschaftlichen Nachwuchs steigen .


(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Können Sie mal etwas zu Ihrer Position sagen?)


Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ist
nachweisbar falsch . Das zeigt uns nicht nur die Ge-
schichte .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nur weil es nicht Ihr Weltbild ist, ist es nicht falsch!)


Ich sage Ihnen, was Sie mit der Umverteilung und der
Beseitigung von Wettbewerb schaffen:


(Zuruf von der LINKEN: Von Ihnen lassen wir uns gar nichts sagen!)


Statt dynamischer Spitzenentwicklung schaffen Sie über-
regionale Mittelmäßigkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Statt Internationalität schaffen Sie Nationalität – verbun-
den mit dem Verlust der besten Köpfe .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die guten Leute gehen ins Ausland! Das wissen Sie doch!)


Sie schaffen Starrheit im Forschungssystem; denn die
Stellen sind dann über 30 Jahre besetzt . Sie schaffen ei-
nen Rückgang der Innovationen . Ich kann Ihnen sagen,
was die Folge ist: Arbeitsplatzverlust, Wohlstandsver-
lust, Schwächung der Gesellschaft und der Wirtschaft –
genug Material, um eine Horrorgeschichte zu schreiben .
Ich sage Ihnen eines: Das werden Sie mit der CDU/CSU
nicht schaffen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Alexandra Dinges-Dierig






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1815904100

Frau Kollegin, darf der Kollege Lenkert eine Zwi-

schenfrage stellen?


Alexandra Dinges-Dierig (CDU):
Rede ID: ID1815904200

Heute ausnahmsweise nein, lieber Kollege .

Sehr geehrte Damen und Herren, das Grundgesetz ist,
glaube ich, überdeutlich . Aufgaben der Länder sind all
jene, die das Grundgesetz nicht dem Bund zuschreibt .
Dazu stehen wir als CDU/CSU heute und auch morgen .

Bildung und Wissenschaft sind dabei im Grundsatz
ganz klar, so wie es die Länder wollten, Aufgabe der
Länder . Ich sage ganz eindeutig: Wer für die Verantwor-
tung für Bildung und Wissenschaft gekämpft hat, muss
sich  jetzt  auch  um  eine  auskömmliche  Grundfinanzie-
rung kümmern . Darauf werden wir achten .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da sind wir so froh gewesen, den Artikel 91 b geändert zu haben!)


Meine Damen und Herren, bei ausgewählten Zielen
arbeiten und finanzieren Bund und Länder im Bewusst-
sein der klaren Verfassungslage gemeinsam . Es gibt kein
Verbot der Zusammenarbeit, wie Sie uns immer glauben
machen wollen; wir haben es an vielen Stellen gehört .
Ja, es knirscht manchmal in der Zusammenarbeit . Ja, wir
streiten uns auch . Aber sicher, ganz sicher wird die Zu-
sammenarbeit an der einen oder anderen Stelle verbessert
werden, auch wenn wir uns weiter vehement für gegen-
sätzliche Positionen einsetzen . Ich halte das übrigens für
eine sehr gute Sache, wenn es darum geht, den wahren
Weg zu finden.

Eines aber geht nicht . Damit, denke ich, Herr Lenkert
und liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir uns
vielleicht doch noch einmal viel intensiver auseinander-
setzen müssen . Mir ist bis heute wirklich nicht klar, wa-
rum Sie unbedingt – Sie sehen darin den Schlüssel zur
Besserung – Aufgabenbereiche der Länder in die Zustän-
digkeit des Bundes ziehen wollen . Ich sehe darin über-
haupt keinen Schritt in Richtung Fortschritt .

Gerade im Bildungs- und Wissenschaftsbereich müs-
sen Entscheidungen nah an den Orten gefällt werden, an
denen Bildung und Wissenschaft entstehen, und nicht
weit weg davon . Deshalb haben die Diskussionen vor
zehn Jahren genau dieses Ergebnis gehabt . Man wollte
die Dezentralisierung ganz bewusst . Das hat sich bis heu-
te nicht geändert . Sprechen Sie mit Ihren Kollegen aus
Brandenburg und Thüringen!


(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Es geht um die Finanzierung! Das ist doch nicht so kompliziert!)


Es ist völlig außer Frage, dass es irgendwie in eine andere
Richtung geht .

Jetzt schauen Sie sich doch einmal den Haushaltsplan
des Bundes an! Was ist in den letzten zehn Jahren pas-
siert? Es wurden Prioritäten gesetzt . Es wurden Schwer-
punkte gebildet . Das müssen auch die Länder tun, und
das können sie tun . Schauen Sie sich die im Bereich
Bildung und Wissenschaft erfolgreichen Länder an! Die

kämpfen in den Haushaltsberatungen für die Priorität von
Bildung und Wissenschaft .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das können wir von den Ländern verlangen . Gepaart mit
der Prioritätensetzung des Bundes wird das zu einer Aus-
stattung aller Regionen führen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Anträge bie-
ten immer wieder die Gelegenheit, gewisse Dinge ge-
betsmühlenartig zu wiederholen . Deshalb sage ich es an
dieser Stelle noch einmal: Wir als CDU/CSU-Fraktion
wollen starke und selbstbewusste Länder; wir wollen
starke und selbstbewusste Wissenschaftseinrichtungen;
wir wollen, dass diese auch in Zukunft ihre Entscheidun-
gen eigenverantwortlich treffen, im Wettbewerb mit allen
anderen . Wenn diese Rahmenbedingungen gegeben sind,
dann werden wir als Bund in Zukunft immer als Partner
für sie zur Verfügung stehen, und wir werden noch stär-
ker werden, als wir es jetzt schon sind .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Simone Raatz [SPD])



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815904300

Das Wort hat nun der Kollege Lenkert für eine Kurz-

intervention .


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815904400

Vielen Dank, Herr Präsident . – Frau Kollegin Dinges-

Dierig, warum wir die Länder stärken wollen, liegt auf
der Hand:  Ihnen  fehlen  einfach  die finanziellen Mittel, 
um mehr zu leisten, als sie im Moment leisten .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Da hat er leider recht!)


Das ist so . Wenn man sich das Gefeilsche ansieht, wenn
es um die Regionalisierungsmittel geht – das ist ein ande-
res Thema – und wenn es um den Bund-Länder-Finanz-
ausgleich geht, dann sieht man ganz deutlich – das sehen
auch Ihre Länder –, dass die Gelder für alle Aufgaben
nicht reichen . Deswegen brauchen die Länder Unterstüt-
zung .


(Beifall bei der LINKEN)


Warum fordern wir vehement eine Förderung in der
Breite? Ich komme aus der Industrie . Kennen Sie noch
die vielen Fernsehhersteller, die es in den 60er- und
70er-Jahren in der Bundesrepublik gab? Die sind nicht
mehr da . Warum? Die haben sich irgendwann festgelegt,
dass sie nur noch für die Spitze produzieren wollen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte immer, dass man im Internet Fernsehen guckt!)


Dann sind sie von den anderen über die Breite weggerollt
worden . Es gibt eine Branche, die nach wie vor erfolg-
reich ist: Das ist die Automobilindustrie . Die hat niemals
die Masse aufgegeben, sie hat die Basis gehalten . Damit
Sie diesen Fehler in der Wissenschaftslandschaft nicht
wiederholen, fordern wir von Ihnen, die Basis zu stärken,






(A) (C)



(B) (D)


und zwar umgehend, damit wir weiterhin einen guten
Forschungsstandort haben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815904500

Frau Kollegin Dinges-Dierig, wollen Sie darauf erwi-

dern?


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bitte nicht zum Thema TV! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sprich zum Thema Trabant, warum der endlich weg ist vom Markt!)



Alexandra Dinges-Dierig (CDU):
Rede ID: ID1815904600

Lieber Kollege Lenkert, ich widerspreche eindeutig

Ihrer Aussage, dass die Länder nicht die finanziellen Mit-
tel haben .


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Haben sie aber nicht, Frau Kollegin!)


Sie müssen sie nur nutzen . Ich nenne ein Stichwort:
BAföG . Wir haben gesehen, wie die Länder mit Geldern
umgehen, die eigentlich dem Bereich Wissenschaft und
Forschung gehören . Ich erwarte, dass sie in Zukunft die-
se Priorität setzen . Dann werden wir sie unterstützen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815904700

Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815904800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Erneut nehme ich von der Union ein Feindbild-
gebaren wahr, nach dem Motto: Der Hauptfeind steht in
16 Ländern . – So geht es wohl nicht, meine Damen und
Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Deutschland lebt sich auseinander, nicht nur im Hoch-
schul- und Bildungsbereich, aber in diesem ganz beson-
ders . Da wächst schon lange nicht mehr zusammen, was
zusammengehört . Die sozialen Unterschiede wachsen .
Ballungszentren und ländliche Räume erscheinen nicht
mehr als Teile einer gesamten, konsistenten Entwick-
lungslogik . Auch in der Wissenschaft driften Spitzenu-
nis und der Fachhochschulsektor auseinander . Gerade
in förderbedürftigen Regionen sind Hochschulen aber
Motoren für eine positive Entwicklung . Ich nutze die
Gelegenheit, auf diesen kleinen Unterschied aufmerk-
sam zu machen: In der alten Tagesordnung werden diese
Regionen als „strukturschwache“ Regionen bezeichnet .
Das klingt ein bisschen nach: Nur schnell weg von dort!
Wir haben jetzt den Begriff „förderbedürftig“ eingeführt,

weil das für Werbung, für Werbung für Veränderungen
steht .


(Beifall bei der LINKEN)


Wer Deutschland zusammenhalten will, wer ein sol-
ches Auseinanderdriften nicht einfach hinnehmen kann –
man kann das politisch natürlich machen und sagen: das
ist jetzt mal so –, wer das überwinden will, sollte sich
diesem Ansatz nicht verschließen . Das ist genau der Kern
unseres heutigen Antrags .

Weil Sie hier die Finanzierungsfrage hervorgehoben
haben: Der Bund hat 2015 das Fünffache des Überschus-
ses aller Bundesländer erzielt . Diese Tatsache können Sie
doch nicht ausblenden .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist ganz klar: Wissenschaft und Bildung kommen
nicht ohne Leistungsvergleich und Wettbewerb aus . Eine
staatliche Wissenschaftspolitik, die nur der Konkurrenz
dient, ist unseres Erachtens aber falsch . Ein Staat, der
dem Starken hilft, gegen den Schwachen zu siegen, ist
für uns ein schlechter Staat .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Simone Raatz [SPD]: Das ist jetzt auch so eine Plattitüde!)


Da Sie den Wettbewerb preisen: Das Problem Ihrer
Hochschulpolitik ist doch, dass Sie viele gar nicht erst
an den Start zu diesem Wettbewerb lassen . Das nenne ich
Zentralismus, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Simone Raatz [SPD]: Das stimmt nicht!)


Nur wenige Fakten . Unter der Überschrift „Exzellenz-
initiative“ gibt die Bundesregierung den besten Unis das
meiste Geld . Das Ergebnis ist dann: Ostdeutsche Univer-
sitäten mit Ausnahme von Berlin bekommen gerade ein-
mal 5 Prozent des Gesamtetats;


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Vergessen Sie die Dresdner nicht!)


davon entfallen 4,7 Prozent auf Sachsen und 0,3 Prozent
auf Thüringen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist wider besseres Wissen falsch!)


Die richtige Übersetzung von „Exzellenz“ aus dem Latei-
nischen lautet im Übrigen „Erhabenheit“ oder „Herrlich-
keit“ . Und dann wundern Sie sich, wenn diese herrliche
Erhabenheit bei Benachteiligten, insbesondere im Osten,
zu Protest und Frust führt? Ich wundere mich da nicht .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist dazu an-
gelegt, sogenannte Drittmittel, also private Gelder, für
Hochschulen einzuwerben . Auch hier sind unter den
40 sogenannten Besten nur 4 ostdeutsche Universitäten .
Vereinigungspolitik, sagen wir Ihnen, geht anders .

Zur Lage der Beschäftigten . Allgemein gilt ja der Irr-
glaube, dass jemand mit einem Doktortitel sozial fein
raus sei . Aber das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


forschung rechnet Ihnen vor: Von 2004 bis 2014 ist der
Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft
von 25 auf 37 Prozent gestiegen . Im Osten ist er immer
noch doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt . Meine
Damen und Herren, das kann man doch nicht hinnehmen .
Diesem Problem wird auch Ihre Gesetzesnovelle nicht
im Geringsten gerecht .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Doch!)


Von allen Beschäftigten im wissenschaftlichen Dienst,
also ohne Beamte, waren 2014 49 Prozent in Befristung .
Deutschland – ein Staat der Dichter und Denker? Allen-
falls der Teilzeitdenker .

Bekanntlich ist die Linke nicht nur kritisch, sondern
auch konstruktiv .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Ach was!)


Genau deshalb machen wir heute diese Vorschläge zur
besseren Hochschulfinanzierung, vor allem – ich sage es 
noch einmal – im Hinblick auf förderbedürftige Regio-
nen .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber vergesst nicht Potsdam, Erfurt, Halle, Dresden und Greifswald!)


In Sachsen-Anhalt gibt es die Hochschule Anhalt mit
den drei Standorten in Bernburg, Dessau und Köthen . Die
wissenschaftliche Bilanz der Ingenieurwissenschaften ist
beeindruckend . Gleiches gilt für die Kooperation mit der
Stiftung Bauhaus, auch für die Agrarforschung . Noch
spannender aber ist, dass der Status dieser Hochschule
als Impulsgeber für die gesamte Region inzwischen aner-
kannt wurde . Die vom Campus sind Repräsentanten ihrer
Städte geworden; das geht bis hin zu einer weltoffenen
Charmeoffensive, die ansteckend wirkt .

Und nun? Nun besagt die Zielvereinbarung zwischen
dieser Hochschule und dem Land Sachsen-Anhalt: Der
Mindestzuschuss bis 2019 bleibt gleich . Darüber kann
man sich freuen und sagen: Das ist besser, als wenn er
geringer ausfällt oder unsicher ist . Wir sagen: Das ist
unzureichend, weil diese neuen Stärken nicht annähernd
ausreichend gefördert werden .

In unserem Antrag finden Sie viele weitere Vorschlä-
ge; sie sind Ihnen ja auch schon erläutert worden . Sie
haben jetzt zwei Möglichkeiten: ein Weiter-so mit Ihrer
verfehlten Politik oder eine zukunftsfähige Hochschul-
politik . Beides zusammen geht nicht . Ich denke, Sie soll-
ten neue Wege beschreiten .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Das haben wir schon!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815904900

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr . Simone Raatz

für die SPD .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1815905000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr
Lenkert, sosehr ich Sie in manchen Bereichen fachlich
schätze,


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nur in manchen? Ich dachte, in vielen!)


denke ich, der Antrag, den Sie hier vorgelegt haben – er
wird ja hauptsächlich aus Ihrer Feder stammen –, ist ein-
fach nur ein buntes Potpourri von „Wünsch dir was“ .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Genau so ist es!)


Meine Vorredner haben das schon deutlich gemacht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es fällt schwer, einen roten Faden zu erkennen . Auch
wenn Sie mit Vehemenz Themen ansprechen, bei denen
wir als Koalition schon einiges geleistet und viel Gutes
getan haben, fällt es mir schwer, das, was Sie hier for-
dern, ernst zu nehmen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Deswegen – das nur mal so als Anregung – wäre es sehr
schön, wenn Sie da auch noch Inhalte mit einbringen und
selbst Vorschläge machen würden, wie Sie Ihre Wün-
sche verwirklichen wollen . Sie haben hier ein Anreiz-
programm erwähnt – darauf ist, denke ich, mein Kollege
Herr Kaufmann schon eingegangen –: Dabei geht es um
die Einrichtung von 100 000 unbefristeten Wissenschaft-
lerstellen mit einem Umfang von 5 Milliarden Euro pro
Jahr . Dazu fällt mir jetzt nur die Frage ein: Ist das Ihrer
Ansicht nach eine realistische bzw . eine sinnvolle For-
derung?

Ich denke, wir haben mit der Verbesserung der Stel-
lensituation – allein mit dem Wissenschaftszeitvertrags-
gesetz – einen ersten Schritt in die richtige Richtung
getan . Einen zweiten Schritt werden wir mit dem Hoch-
schulpakt machen . Darüber werden wir demnächst de-
battieren . Natürlich werden weitere Bausteine folgen . So
werden wir sukzessive, denke ich, auch in dem Bereich
einiges hinkriegen .

Ich will nun auf den zweiten Teil der Überschrift Ih-
res Antrags eingehen und mich darauf konzentrieren:
Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen
solide ausstatten . – Herr Claus sagte, „förderbedürftig“
würde besser klingen . Ich bin mir nicht sicher, ob das
so ist . Ich denke, bei „strukturschwach“ weiß man, um
was es geht . Es ist erst einmal prinzipiell nichts dagegen
einzuwenden, dass wir Bildung und Forschung in struk-
turschwachen Regionen unterstützen wollen . Dagegen
hat keiner etwas .

Ihr Ausgangspunkt dabei ist, dass das deutsche Wis-
senschaftssystem seit 15 Jahren eine rasante Umstellung
erlebt . Warum es gerade 15 Jahre sein sollen, erschließt
sich mir jetzt so nicht . Für mich stellt eher die Wende
einen erheblichen Einschnitt in das Wissenschaftssystem
des Ostens dar . Das ist jetzt 26 Jahre her . Man könnte da
jetzt also genauso gut von 26 Jahren sprechen .

Roland Claus






(A) (C)



(B) (D)


Viele Wissenschaftseinrichtungen mussten sich 1990
schnellstens umorientieren . Sie wurden geschlossen,
wenn sie das nicht schafften . Mit zwei Beispielen aus
Freiberg will ich das kurz dokumentieren bzw . klarma-
chen:

Das Forschungsinstitut für Aufbereitung – es gehör-
te damals zur Akademie der Wissenschaften der DDR –
schaffte den Absprung nicht . 1992 wurde es abgewickelt .
Einen Sozialplan oder etwas Ähnliches gab es damals für
die 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht .

Dagegen hat das Forschungsinstitut Leder- und Kunst-
stoffbahnen den Strukturwandel gut bewältigt . Seit 1992
ist dieses Institut privatisiert . Es ist jetzt als gemeinnützi-
ge GmbH erfolgreich tätig .

Ich nehme an, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Linken, dass Sie mit dem Punkt 8 Ihres Antrags viel-
leicht auf genau solche Einrichtungen wie dieses For-
schungsinstitut Leder und Kunststoffbahnen fokussieren
wollten . Es war Ihnen jedoch nur zwei Zeilen wert, dieses
Thema – ein bisschen schnell – zu beschreiben . Ich hätte
mir dazu, muss ich sagen, ein bisschen mehr gewünscht .

Sie haben in Punkt 8 Ihres Antrags geschrieben, dass
Sie – jetzt zitiere ich aus Ihrem Antrag – „gemeinnützige,
unabhängige Forschungseinrichtungen als Stützen von
Forschung und Innovation für Kleine und Mittlere Un-
ternehmen (KMU)“ stärken wollen. Ja prima! Das finde 
ich gut . Und wie? Wie wollen Sie die stärken? Darüber
steht dort nichts . Wir als Koalition haben aber Vorschläge
dafür . Ich werde sie jetzt ganz kurz aufführen . In einen
solchen Antrag gehört meines Erachtens hinein, wie Sie
solche Unternehmen stärken wollen . Dass die Unterstüt-
zung von Forschung und Entwicklung in strukturschwa-
chen Regionen wie Ostdeutschland Sinn macht, ist unbe-
stritten . Dagegen wird keiner etwas sagen .

Ich möchte drei Punkte anführen, warum das so ist:

Erstens . Die ostdeutsche Wirtschaft ist nach wie vor
sehr kleinteilig strukturiert und wächst seit vielen Jahren
nicht . Man muss einmal genauer hingucken, warum das
so ist .

Zweitens . Die Unternehmen verfügen meist nicht über
eigene Forschungskapazitäten .

Das führt drittens natürlich dazu, dass sie seltener
Produkt- und Verfahrensinnovationen einführen . Genau
an dieser Stelle setzt zum Beispiel die Deutsche Indus-
trieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse an . Die hat mit
ihren derzeit 74 gemeinnützigen außeruniversitären For-
schungseinrichtungen und über 5 000 Mitarbeitern die
sogenannte dritte Säule in unserer Forschungslandschaft
kreiert . Ich glaube, es lohnt sich, darauf auch einmal ein-
zugehen .


(Beifall bei der SPD – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Welche Förderung geben Sie denen? Genau die sollen von unserem Antrag profitieren! Genau die sollen Geld kriegen!)


Denn neben unseren großen Forschungsverbünden –
die sind ja schon häufig erwähnt worden – und unseren 
Hochschulen ist es eben genau diese dritte Säule, die wir
in den strukturschwachen Regionen unterstützen sollten

und auch fördern wollen . Das machen wir, denke ich, als
Koalition .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ja, „sollten“! Machen Sie nicht!)


Die Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft
Konrad Zuse, die im Januar 2015 in Berlin gegrün-
det wurde, hat eben gerade zum Ziel, passgenaue For-
schungsunterstützung für den Mittelstand – hierbei geht
es insbesondere um die KMUs – zu leisten und ihn durch
marktvorbereitende Forschung zu unterstützen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie
sehen: Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Wir kön-
nen auf etablierte Strukturen zurückgreifen . Aber es ist
natürlich wichtig, die Arbeit dieser Einrichtungen auch
von politischer Seite aus zu unterstützen bzw . ein stabiles
finanzielles Fundament dafür  zur Verfügung zu  stellen. 
Genau da setzen wir als Regierungskoalition auch an .
Uns  ist  das wichtig.  Ich  finde,  es  ist  sehr  schade,  dass 
Ihnen das bisher entgangen ist .

Darum möchte ich am Ende meines kurzen State-
ments drei Haushaltstitel nennen, die für die struktur-
schwachen Regionen einfach wichtig sind: Der erste – er
steht im Haushalt des BMBF – lautet „Innovationsför-
derung in den neuen Ländern“ . Hierfür stellen wir 2016
159 Millionen Euro zur Verfügung . Das sind immerhin
13 Millionen Euro mehr als 2015 . Der zweite Haushalts-
titel lautet „Industrieforschung“ . Hier geht es um Pro-
gramme wie „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ und
„INNO-KOM-Ost“ . Dafür stellen wir 2016 138,5 Milli-
onen Euro zur Verfügung .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815905100

Frau Kollegin Raatz, Sie denken an die vereinbarte

Redezeit?


Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1815905200

Ja, einige wenige Sätze noch . – Der dritte Haushalts-

titel lautet „Förderung des Mittelstandes“ . Dabei geht es
auch um das ZIM . Hierfür stellen wir 2016 543,5 Milli-
onen Euro zur Verfügung .

Am Ende meines Vortrags muss ich an dieser Stelle
sagen: Danke an unsere Minister, Herrn Gabriel und Frau
Wanka, und natürlich auch ein Dankeschön an unsere
Haushälter .

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, anstatt
uns hier ein buntes Potpourri auf den Tisch zu legen,
wäre es schön, wenn Sie uns demnächst etwas Aussa-
gekräftigeres präsentieren würden . Dann können wir an
dieser Stelle auch gerne wieder mit Ihnen ins Gespräch
kommen .

Danke .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Simone Raatz






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815905300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Dörner für

Bündnis 90/Die Grünen .


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815905400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Liebe Gäste! Für die Lobhudelei, die wir
uns hier seitens der Regierungsfraktionen für die eigenen
Leistungen anhören mussten, gibt es nun wirklich keinen
Grund, und ich will Ihnen auch erklären, warum das so
ist .

Seit mehr als einem Jahr ist jetzt das Kooperations-
verbot im Hochschulbereich gelockert . Dafür wurde das
Grundgesetz geändert, und das Grundgesetz ändert man
ja nicht einfach mal so . Uns ging das damals nicht weit
genug; das wissen Sie . Wir hätten dieses unsinnige Ko-
operationsverbot gerne komplett rückgängig gemacht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wenigstens für den Bereich von Hochschule und Wis-
senschaft haben wir aber gedacht: Da geht jetzt was . Da
tut sich jetzt eine Tür auf für eine neue Zusammenarbeit
zwischen den Bundesländern und dem Bund, für Inno-
vationen und  für die  eine oder  andere pfiffige  Idee aus 
dem Wanka-Ministerium . – Das ist jetzt ein Jahr her, und
gekommen ist gar nichts . Das ist wirklich ein Armuts-
zeugnis, und deshalb läuft das Eigenlob der Koalition
hier auch ins Leere .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir diskutieren einen Antrag der Linken mit dem Ti-
tel „Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige
Basis stellen . . .“ . „Eine arbeitsfähige Basis“: Das klingt
für die Kolleginnen und Kollegen der Linken regelrecht
bescheiden . Ja, eine arbeitsfähige Basis ist wirklich mehr
als überfällig . Aus unserer Sicht wäre als ein erster, sehr
zentraler Schritt die Aufstockung und Verstetigung des
Hochschulpakts dringend nötig; denn ohne eine gesicher-
te Grundfinanzierung bleibt die Hochschullandschaft  in 
Deutschland Mittelmaß . Da hilft auch keine Exzellenz-
initiative . Frau Ministerin Wanka, wann packen Sie diese
Herausforderung endlich an?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir brauchen Investitionen in Hörsäle, in moderne
Technik und in die Infrastruktur des Wissens, aber wir
brauchen natürlich auch Investitionen in Köpfe . Wir ha-
ben gerade den Imboden-Bericht zur Exzellenzinitiative
bekommen,


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Also doch: Exzellenzinitiative!)


und ich will zur Frage des wissenschaftlichen Nach-
wuchses kurz daraus zitieren . Im Bericht heißt es:

Hingegen ist die Wirkung auf die Baustelle „Akade-
mischer Nachwuchs“ nach Ansicht der Kommissi-
on ambivalent . Die Exzellenzinitiative wurde nicht
als Nachwuchsprogramm konzipiert, kann die Pro-

blematik des akademischen Nachwuchses in ihrer
Gesamtheit nicht lösen und sogar kontraproduktiv
wirken . . .

Ich fasse zusammen, was über den wissenschaftlichen
Nachwuchs im Bericht steht: „Baustelle“, „ambivalent“,
„kontraproduktiv“ . Hier besteht also ganz dringender
Handlungsbedarf . Auch deshalb kann ich überhaupt nicht
nachvollziehen, dass wir noch immer auf den Pakt für
den wissenschaftlichen Nachwuchs warten müssen, den
Ministerin Wanka schon wiederholt angekündigt hat . Es
ist Zeit, dass auch in dieser Frage den Worten Taten fol-
gen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wird kommen! – Gegenruf des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wann?)


Insgesamt macht der Imboden-Bericht gute Vorschlä-
ge für den Bauplan der nächsten Exzellenzinitiative . Es
ist aus unserer Sicht richtig, die Spitze in der Breite des
deutschen Hochschulsystems zu erhalten . Wir brauchen
auch ganz dringend den Befreiungsschlag, wie es im Be-
richt  heißt,  im  Sinne  einer  Überbrückungsfinanzierung 
für die Geförderten der zweiten Runde . Ich muss sagen:
Ich finde es wirklich unverantwortlich, dass die Univer-
sitäten und die Cluster so lange hängen gelassen wurden
und nicht wussten, wie sie planen sollten und konnten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich weiß auch aus Gesprächen mit dem Exzellenzclus-
ter Mathematik an der Universität in meiner Heimatstadt
Bonn, wie schwierig es angesichts dieser Unsicherheit
war, die Spitzenforscher, die dort sind, zu halten und ins-
besondere auch neue Spitzenforscher zu gewinnen . Diese
Unsicherheit muss dringend ein Ende haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich will abschlie-
ßend diese Debatte dafür nutzen, um unserer grünen Wis-
senschaftsministerin aus Baden-Württemberg, Theresia
Bauer, zum Hattrick zu gratulieren . Sie wurde dreimal
in Folge zur Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt:
Das ist eine herausragende Leistung . Diese Auszeich-
nung bekommt Theresia Bauer zu Recht .

Um es auf die Themen unserer heutigen Debatte zu
beziehen: Theresia Bauer hat in Baden-Württemberg
1,7 Milliarden Euro für die Grundfinanzierung der Hoch-
schulen und den Hochschulbau zusätzlich in die Hand
genommen . Damit setzt Baden-Württemberg die Emp-
fehlungen  des Wissenschaftsrates  um,  die  Grundfinan-
zierung der Hochschulen um 3 Prozent zu erhöhen . Ich
finde,  das  ist  eine  besondere Erwähnung wert.  So geht 
zukunftsfähige Wissenschaftspolitik, von der sich die-
se Bundesregierung wirklich eine Scheibe abschneiden
könnte .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Präzise auf den Punkt!)







(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815905500

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Tankred

Schipanski .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1815905600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sorge

mich . Ich sorge mich um die Linkspartei .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Oh Gott! – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie hat ein Stadium des Realitätsverlustes erreicht, an
dem nunmehr Grenzen überschritten werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In der letzten Haushaltsdebatte kam der Antrag,
8,14 Milliarden Euro zusätzlich in den Geschäftsbereich
des BMBF zu geben. Dafür schlug man eine Gegenfinan-
zierung von gerade einmal 600 Millionen Euro vor .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Quatsch!)


Es war ein Antrag, der schon damals zeigte, dass die
Linkspartei der Wirklichkeit völlig entrückt war . Ich
glaubte nicht, dass eine Steigerung von so viel Irrsinn
möglich ist . Ich dachte, die Linke hätte aus der letzten
Haushaltsdebatte etwas gelernt, aber nein .

Frau Raatz hat es angesprochen: Am Montag kam in
unser Büro ein Antrag der Linksfraktion mit dem vielver-
sprechenden Titel: „Finanzierung der Wissenschaft auf
eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung
in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten“ . – Die-
ses Ziel verfolgen wir seit vielen Jahren mit vielen För-
derprogrammen, nicht nur des BMBF, erfolgreich . Aber
bereits die ersten Sätze und Worte dieses Antrags zeigen,
dass es bei diesem Antrag um keine sachlich-konstrukti-
ve Auseinandersetzung mit nationaler Wissenschaftspo-
litik geht, sondern um reine Ideologie . Der Antrag zeigt
das ganze Dilemma der Linken, die sich von Ideologie
leiten lässt und eben nicht von der Sache .

Dieses Grundproblem haben wir nicht nur im Bereich
der Wissenschaftspolitik, sondern auch in vielen anderen
Bereichen . Gestern haben wir das hier etwa zur gleichen
Zeit zur Flüchtlingspolitik erlebt . Da hilft es auch nichts,
dass  die Linke  ihre Galionsfigur Bodo Ramelow heute 
nach Rom zum Papst schickt, damit er dort Geist emp-
fängt .


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur kein Neid! – Zurufe von der LINKEN)


Ihr Geist ist und bleibt die Ideologie . Das ist auch Ihr
Problem . Daher können Sie auch keine Sachpolitik für
die Menschen in unserem Lande machen .

Meine Damen und Herren, was müssen wir im Antrag
der Linken für Propaganda und Populismus lesen? Ich
zitiere das mal:

Das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssys-
tem erlebte in den vergangenen fünfzehn Jahren

im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft
eine rasante Umgestaltung . . .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ja! Stimmen Sie zu?)


Es geht weiter:

Leidtragende dieser Situation sind die Studierenden,
die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie
die Wissenschaft selbst . Negative Auswirkungen
erfährt auch die strukturelle Entwicklung der ver-
schiedenen Regionen und einzelnen Bundesländer .

Sie können sich denken: Gemeint sind hier selbstver-
ständlich die neuen Bundesländer .

Man muss nicht lange weiterlesen: Da wird der Süd-
westen Deutschlands verbal beschimpft, die Stadt Frank-
furt als „Finanzplatz“ verteufelt, die Stadt München wird
auf den Standort für die gefährliche Versicherungswirt-
schaft reduziert . Natürlich wird auch der Automobilbau
in Stuttgart dämonisiert, und im Freistaat Bayern wird
ein „Trittbrettfahrerverhalten“ beobachtet .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Stimmt!)


Berlin wird nicht einfach Hauptstadt genannt, sondern
man spricht vom „Status der Bundeshauptstadt“ . Was je-
der Deutsche als Instrumente erfolgreicher Forschungs-
politik bezeichnet, etwa die Exzellenzinitiative oder den
Hochschulpakt, nennt die Linke in ihrem Antrag „Steu-
erungs- und Finanzierungselemente“ . Was wir „Wissen-
schaftssystem“ nennen, bezeichnet die Linke in ihrem
Antrag als ein „Gesamtsystem wettbewerblicher Besten-
auslese“ .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, allein dieser kurze
Auszug der Wortwahl zeigt, dass es hier nicht um eine
Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern um Po-
pulismus .


(Beifall bei der CDU/CSU)


„Populismus“ ist das treffende Wort . Sie werden es kaum
glauben, aber es steht in einem angeblichen Antrag zur
Wissenschaftspolitik die Forderung nach – ich zitiere –
„Wiedererhebung der Vermögenssteuer“ sowie die „Aus-
schöpfung des Aufkommenspotentials der Erbschafts-
steuer“ und natürlich die Forderung nach einer ganz
umfassenden Steuerreform .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, das hat mit solider Wissen-
schaftspolitik nichts zu tun .

Wie perfide solche Anträge instrumentalisiert werden, 
um die Realpolitiker in Deutschland zu schmähen, zeigt
die letzte Debatte in diesem Hohen Hause zum Koope-
rationsverbot . Die Linke fordert auch in diesem Antrag
wieder eine Verfassungsänderung, um die Kooperati-
onskultur zwischen dem Bund und den Ländern im Bil-
dungsbereich auszubauen .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Dringend notwendig!)


Nach der Debatte am 14 . Januar dieses Jahres hat
der Linken-Abgeordnete Ralph Lenkert eine Pressemit-






(A) (C)



(B) (D)


teilung veröffentlicht, in der er die Thüringer CDU be-
zichtigt, sie blockiere zusätzliche Bundesgelder für den
Freistaat .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Richtig! Haben sie gefordert!)


Dies unterlegte er mit dem Fakt, dass CDU/CSU hier den
Antrag der Linken auf eine Verfassungsänderung abge-
lehnt haben; Sie können das im Internet nachlesen . Herr
Lenkert, populistischer geht es nicht .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Doch! Wenn Sie reden! – Gegenruf des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war gut! – Beifall der Abg . Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das hat System . Wahrscheinlich sind die Pressemit-
teilungen für diese Debatte schon geschrieben . Diesmal
haben Sie statt einem Wunsch neun Wünsche formuliert .
Ich sage Ihnen: Wir werden diese neun unsinnigen Wün-
sche wieder ablehnen .

Ich finde es unredlich, wie Sie mit solch realitätsfer-
nen Anträgen politisch agieren, agitieren und die Men-
schen in unserem Land mit solchen Forderungen in die
Irre führen . „Irreführung“ ist der richtige Begriff für
diesen Antrag . Denn schauen wir uns doch einmal ge-
meinsam an, wie die Heimat des Linken-Abgeordneten
Ralph Lenkert von der hier so gescholtenen deutschen
Förderpolitik profitiert. Es geht um die Forschungsregion 
Jena in Thüringen .

Wir erinnern uns: Thüringen ist ein neues Bundesland,
das laut dem Linken-Antrag eine Armutsregion darstellt,
die von Erwerbslosigkeit geprägt ist und nicht von den
Förderinstrumenten der Exzellenzinitiative, des Hoch-
schulpakts oder des Pakts für Forschung und Innovation
in irgendeiner Art und Weise profitiert – so die Sichtwei-
se der Linken .

Nun ein Blick auf die Realität in Jena: eine Arbeitslo-
senquote von 6,9 Prozent, Bevölkerungswachstum, die
Friedrich-Schiller-Universität mit 18 400 Studenten plus
eine Fachhochschule mit 4 700 Studenten .


(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Es gibt noch Leipzig und Dresden!)


Alle profitieren von dem Hochschulpakt. 

Was die Forschungsförderung angeht, gibt es vier
DFG-Schwerpunktprogramme, neun DFG-Forscher-
gruppen, vier DFG-Graduiertenkollegs, fünf DFG-Son-
derforschungsbereiche und ein DFG-Forschungszent-
rum .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Von so vielen DFG-Mitteln träumen andere Regionen,
lieber Herr Lenkert .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Und Sie wollen uns weismachen, die neuen Länder profi-
tieren nicht von DFG-Mitteln! Das ist schlichtweg falsch .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815905700

Herr Kollege Schipanski .


Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1815905800

Nein, ich gestatte es nicht .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Weil Sie die richtigen Zahlen nicht hören wollen! Sie sind feige!)


Es geht weiter im schönen Jena: Drei Max-Planck-In-
stitute, ein Fraunhofer-Institut, drei Leibniz-Institute,
ein Helmholtz-Institut und sechs außeruniversitäre For-
schungseinrichtungen gibt es in Jena. All diese profitie-
ren vom Pakt für Forschung und Innovation, dessen Auf-
wuchs um 3 Prozent wir selber finanzieren. 


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drehen Sie das Mikro etwas leiser! Wir sind nicht taub! Aber nach Ihrer Rede sind wir es!)


– Es geht darum, dass es der Kollege versteht .

Es geht noch weiter: Jeder dritte Doktorand an einer
dieser Einrichtungen kommt aus dem Ausland . Wenn das
deutsche Wissenschaftssystem so furchtbar ist, dann fra-
ge ich mich, warum diese Wissenschaftler überhaupt zu
uns kommen .

Jena hat zudem eine Graduiertenschule aus der Exzel-
lenzinitiative sowie eine Ressortforschungseinrichtung
des Bundes . In Jena haben wir mannigfache industrie-
nahe Forschungseinrichtungen – Zuse wurde eben ange-
sprochen – mit Mitteln aus ZIM und INNO-KOM . Diese
Aufzählung ließe sich fortsetzen und auf den gesamten
Freistaat Thüringen ausdehnen .

Ihre so gescholtene Exzellenzinitiative hat der Frei-
staat Thüringen sogar zum Vorbild genommen, liebe
Kollegen der Linkspartei, und eine landeseigene Initia-
tive gestartet .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie eigentlich Bundestagsabgeordneter oder Thüringer?)


Diese wird sogar unter einem linken Ministerpräsidenten
fortgesetzt und ausgebaut .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist anscheinend Exzellenzwahn in Thüringen – ganz
erstaunlich .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Ihr habt einfach zu viel Redezeit!)


Herr Kollege Rossmann, noch eine Bemerkung zu
Ihnen: Sie haben das Zuständigkeitsgefüge und die Aus-
führungen von Herrn Kaufmann ein Stück weit kritisiert .
Ich glaube, das Grundgesetz sagt uns eines ganz deutlich:
Bund und Länder haben eine Verantwortung für das Ge-
samtsystem Wissenschaft . Das ist, glaube ich, ganz un-
streitig . Innerhalb dieses Gesamtsystems haben wir klare
Zuständigkeiten . Wir brauchen auch klare Zuständigkei-
ten und Verantwortungsbereiche .

Tankred Schipanski






(A) (C)



(B) (D)


Das Grundgesetz und auch die Union lassen sich vom
Gedanken des Mehrwerts leiten . Wir sagen: Zusätzliches
Geld des Bundes muss einen zusätzlichen Nutzen stiften .
Wir freuen uns, wenn uns die SPD-Fraktion bei diesem
Gedanken unterstützt .

Ich darf schließen, meine Damen und Herren . Dieser
populistische Antrag bringt unser Land nicht voran . Er
verunsichert die Menschen . Er führt in die Irre . Er ist
ein Spiegelbild der Ideologie der Linkspartei . Er ist ein
Zeugnis ihrer Realitätsverweigerung . Von daher lehnt
die CDU/CSU-Fraktion diesen Antrag zum Wohle von
Deutschland und zum Wohle von Europa ab .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Simone Raatz [SPD]: Der Welt!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815905900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Elfi Scho-Antwerpes, 

SPD .


(Beifall bei der SPD)



Elfi Scho-Antwerpes (SPD):
Rede ID: ID1815906000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue
mich, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, dass
Sie Ihren Antrag mit der Lockerung des Kooperations-
verbotes im Wissenschafts- und Hochschulbereich aus
dem Jahre 2014 einleiten . Das war eine nötige Korrektur
der ersten Föderalismusreform . Wenn man weiterliest,
wird einem allerdings angst und bange . Alles ist schlecht,
alles ist negativ . Der Süden ist besser als der Norden .
Im Osten ist es ganz schlecht . Eigentlich ist alles ganz
schlecht . Angereichert wird Ihr Schwanengesang mit al-
lerlei Zahlen, die Sie gleichsam kunstvoll und morbide
miteinander verbinden .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Sie müssen uns nicht loben . Sie sollten sich allerdings et-
was realitätsnäher bewegen und konstruktiv mitarbeiten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben im Koalitionsvertrag immerhin 5 Milliar-
den Euro zusätzlich für die Hochschulen durchgesetzt .
Bund und Länder haben entscheidende Impulse über den
Hochschulpakt 2020 gegeben, mit dem wir nicht zuletzt
die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sicherstellen .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Damit ist übrigens bewiesen, dass wir auch vor der Lo-
ckerung des Kooperationsverbotes handlungsfähig wa-
ren . Bund und Länder haben über alle drei Förderphasen
hinweg  bisher  Gesamtfinanzierungszusagen  von  über 
38 Milliarden Euro für die Hochschulen gegeben .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Hört! Hört!)


– Hört! Hört!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Mit dem Hochschulpakt reagieren wir auf den de-
mografischen Wandel  und  stellen  sicher,  dass  auch  in 
Zeiten erhöhter Nachfrage nach Studienplätzen ein ent-
sprechendes Angebot vorhanden ist . Ermöglicht wird
das unter anderem durch zusätzliches Personal, das aus
den  Mitteln  des  Hochschulpakts  finanziert  wird.  Wir 
belohnen damit vor allem die Universitäten, die viel in
die Lehre investieren . Ab 2016, in der dritten Phase des
Hochschulpakts, setzen Bund und Länder 10 Prozent der
Bundes- und Landesmittel ein, um an den Hochschulen
qualitativ wertvolle Abschlüsse für immer mehr Studie-
rende sicherzustellen .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Diese Mittel fließen übrigens in die gesamte Breite der 
deutschen Hochschullandschaft ein, wie wir eben gehört
haben . Ich weiß gar nicht, warum Sie immer auf der Ex-
zellenzinitiative herumhacken . Weder ist sie der Weisheit
letzter Schluss, noch ist sie die Achillesferse der deut-
schen Wissenschaft .


(Beifall bei der SPD)


Sie ist nur ein Element einer ganzheitlichen Wissen-
schaftspolitik, nicht mehr und nicht weniger . Ganz ab-
gesehen davon, ist Wissenschaft Motor für soziale und
technische Innovationen, für gesellschaftliche Entwick-
lungen und kein Programm zur Regionalförderung .

Nachhaltige Wissenschaftspolitik braucht einen ver-
antwortlichen Umgang mit dem wissenschaftlichen
Nachwuchs .


(Beifall des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben hier gemeinsam das Wissenschaftszeitver-
tragsgesetz reformiert und damit unter anderem nicht hin-
nehmbaren Kurzbefristungen in den Arbeitsverhältnissen
junger Akademiker ein Ende gesetzt, Herr Lenkert,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird sich noch zeigen müssen!)


und das ist gut so . Die Menschen brauchen eine Perspek-
tive, und die darf nicht prekär sein .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Tankred Schipanski [CDU/CSU])


Auch in den Ländern gibt es gute Ansätze und Initiati-
ven zur Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse an
den Hochschulen . Nehmen Sie mein Bundesland Nord-
rhein-Westfalen als Beispiel . Dort wurde bereits im Juni
letzten Jahres der Rahmenkodex „Gute Beschäftigungs-
bedingungen für das Hochschulpersonal“ beschlossen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat damit sehr
wichtige Fortschritte für die Hochschulbeschäftigten
erreicht, etwa beim Abbau befristeter Verträge, bei den
Verbesserungen für wissenschaftliche und studentische
Hilfskräfte oder für familiengerechte und gesundheits-
fördernde Arbeitsbedingungen .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Tankred Schipanski






(A) (C)



(B) (D)


So stellen wir gute Arbeit an Wissenschaftsstandorten
sicher . Das ist übrigens für alle Hochschulen in Nord-
rhein-Westfalen ein nationaler und internationaler Wett-
bewerbsvorteil, auch für die mutmaßlich „kleinen“ .

Apropos Wettbewerb: Sie lehnen die wettbewerbliche
Vergabe von Fördermitteln in Ihrem Antrag ab, bieten
aber keine Alternative an . Machen Sie doch einmal ei-
nen konstruktiven Vorschlag, aus dem hervorgeht, wie
Sie Förderentscheidungen treffen wollen . Da kommt von
Ihnen nichts .

Wissenschaft muss in ganz Deutschland solide ausge-
stattet sein und nicht nur, wie Sie es formulieren, in den
„förderbedürftigen Regionen“ . Mit der Milliardenhilfe
von Bund und Ländern und den entsprechenden Pro-
grammen schaffen wir eine arbeitsfähige Basis für die
Hochschulen in Deutschland . Mit Ihrer Schwarzmalerei
schaffen wir das nicht .

Danke für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815906100

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Stephan Albani .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Stephan Albani (CDU):
Rede ID: ID1815906200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was für ein

Tag, was für eine Debatte! Wenn der Kollege Schipanski
sich schon lauthals Sorgen um die Linken macht, dann
brennt, ehrlich gesagt, die Hütte .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer schreit, hat in der Regel nicht recht!)


77 Minuten Haue – Sie haben es so gewollt; das wird von
mir aber nicht fortgesetzt, keine Sorge . Aber als ich am
Mittwochabend den Antrag endlich vor mir liegen hatte,
war meine Assoziation: Mensch, das ist ja mal ein bil-
dungspolitischer Schrotschuss .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Beifall des Abg . Tankred Schipanski [CDU/CSU])


Unter Punkt 9 laden wir die Flinte mit dem Geld der Ex-
zellenzinitiative, und unter den Punkten 1 bis 8 feuern
wir einfach so in alle Himmelsrichtungen und hoffen,
dass etwas umfällt .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Mit solider Politik hat das aus meiner Sicht nicht allzu
viel zu tun .

Wir haben in den vergangenen Jahren mit solider Poli-
tik die Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis gestellt
und auch förderfähige Regionen gefördert .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon wieder politischer Aschermittwoch?)


Diese Ergebnisse haben wir auch und insbesondere der
Unionspolitik zu verdanken .


(Lachen des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Fraktion Die Linke, die Erfolge im Bereich
„Forschung und Entwicklung“ in Deutschland sprechen
für sich . Lassen Sie sich daher ein weiteres Mal davon
überzeugen, dass unser klares Bekenntnis zur Spitzenfor-
schung in Deutschland die Forschung insgesamt deutlich
gestärkt hat und auch weiterhin stärken wird .


(Zuruf von der LINKEN: So rum hat das noch nie funktioniert!)


– Doch, selbstverständlich .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bekenntnisse gehören an andere Orte!)


Nur durch Forschung über das Gewöhnliche, das Nor-
male, den Standard hinaus – man braucht ihn, muss aber
darüber hinausgehen – kommen wir wirklich zu einer ex-
zellenten Forschung . Forschung funktioniert nur, wenn
nicht nur in der Breite unterstützt, sondern eben auch in
der Spitze gefördert wird .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Aber nicht nur in der Spitze!)


– Das habe ich doch gesagt . Wiederholen Sie mich doch
nicht, aber herzlichen Dank .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nein! Das war Konsens!)


Wir haben in Deutschland einen langen Prozess hinter
uns, in dem wir die Leitlinien des Wissenschaftssystems
in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt ha-
ben . Dies war ein langer Prozess hin zu einer höheren
Leistungs- und Innovationskraft in der Forschung und
damit auch zu einer besseren internationalen Sichtbar-
keit . Seit vielen Jahren gehört zu diesem System auch
der Grundgedanke genau dieser Arbeitsteilung innerhalb
des Wissenschaftssystems . Der Bund stellt Mittel für un-
terschiedliche Einrichtungen zur Verfügung . Dies sind
im Wesentlichen Forschungseinrichtungen und Förder-
organisationen, die das BMBF allein, gemeinsam oder
mit anderen Partnern trägt . Nach dem Grundgesetz sind
die Zuständigkeiten im föderalen System der Bundesre-
publik Deutschland nur in begrenzten Fällen dem Bund
alleine zugeordnet . Das ist wahrlich eine Gemeinschafts-
aufgabe aller, von Bund und Ländern, und daran halten
wir fest .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Gut!)


Nicht zuletzt auch aus diesem Grund begrüßen wir
die Arbeit der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz,
die aufgrund von gemeinsamen Entscheidungen seit
Beginn 2008 ihre Arbeit im Sinne einer ausgewogenen
Forschungslandschaft zwischen Bund und Ländern an-
getreten hat .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch gut!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in
Deutschland eine solide Grundlage für eine angemessene

Elfi Scho-Antwerpes






(A) (C)



(B) (D)


Bund-Länder-Förderung und Grundausrichtung im Sinne
der Hochschulen und Wissenschaft geschaffen . Auch das
Inkrafttreten der Änderungen von Artikel 91 b Grund-
gesetz zu Beginn des vergangenen Jahres zeigt deutlich,
dass diese Gemeinschaftsaufgabe gestaltet werden muss,
und zwar mit genau dem Tenor, wie es dort steht, nämlich
mit überregionaler Bedeutung . Wie kommt es zum Bei-
spiel, dass in Ländern wie Brandenburg die Ausgaben für
Bildung und Forschung sogar zurückgefahren worden
sind, wie wir den Ergebnissen des Statistischen Bundes-
amtes entnehmen dürfen?

Stellen wir also fest: Unter Federführung der Union
wurde die Forschungsförderung der öffentlichen Hand
kontinuierlich gesteigert .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Entsprechend dem EFI-Gutachten sind wir heute mit
83,6 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung auf
einem Höchststand angekommen . Wir lehnen eine ein-
seitige Mehrbelastung des Bundes, die durch die Aufhe-
bung des Kooperationsverbotes gefordert wird, klar ab .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur eine aus-
gewogene Finanzierung der Wissenschaftslandschaft in
Deutschland beschäftigt uns hier; auch der strukturelle
Aufbau des deutschen Wissenschaftssystems mit seiner
Institutslandschaft zeigt seine besondere Stärke . Er öffnet
Räume für die Bearbeitung unterschiedlichster wissen-
schaftlicher Aufgaben in Form und Inhalt und ermöglicht
eine Arbeitsteiligkeit und funktionale Komplementarität .
Er ist also Voraussetzung für die aufs Ganze gesehen be-
merkenswerte Leistungshöhe und Leistungsdichte der
Wissenschaft in Deutschland, für ihren Ideenreichtum
sowie für ihre Innovationskraft . In diesem strukturellen
Aufbau entfaltet sich der Weg hin zu Spitzenforschung
und Exzellenz . Darin werden wir nicht erst durch das
Evaluationsergebnis der Imboden-Kommission aus den
vergangenen Wochen bestätigt .

In der nächsten Sitzung der Gemeinsamen Wissen-
schaftskonferenz im April wird eine neue Bund-Län-
der-Vereinbarung in Nachfolge der Exzellenzinitiative
beschlossen . Die Bundeskanzlerin und die Regierungs-
chefs werden gemeinsame Signale geben; davon kön-
nen wir ausgehen . Das ist eine dauerhafte Perspektive .
Es besteht also ein breiter Konsens in Wissenschaft und
Politik darüber, dass unser Weg zu Spitzenforschung und
Exzellenz der richtige ist .

Nun zu Ihrer immer wiederkehrenden Forderung
nach solider Ausstattung förderbedürftiger Regionen .
Seit über 25 Jahren werden auch und insbesondere die
neuen Bundesländer mit Strukturfördermaßnahmen und
Programmen unterstützt, die in der Fläche Strukturen ge-
schaffen haben . In Kenntnis der Wissenschaftler, die dort
arbeiten, möchte ich sagen: Wenn man dies missachtet,
tut man denen wirklich Unrecht .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Das BMBF fördert dies seit 1989 mit dem Inno-Re-
gio-Programm, seit 1999 mit der Förderfamilie „Un-
ternehmen Region“ und von 1991 bis 1996 mit dem
Hochschulerneuerungsprogramm mit insgesamt 3,2 Mil-

liarden Euro in erheblichem Maße . Das ist eine gute Leis-
tung, die Früchte getragen hat, wie hier schon ausgeführt
worden ist .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Leistungsfähigkeit des deutschen Forschungs-
und Wissenschaftssystems wird uns durch nationale wie
internationale Sichtbarkeit bestätigt . Wir geben mittler-
weile 2,87 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes für
Forschung und Entwicklung aus, also fast 1 Prozent
mehr als im europäischen Durchschnitt .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also immer noch keine 3 Prozent! Die sollte es schon 2010 geben!)


Wir sind gut aufgestellt mit einem Weltmarktanteil an
forschungsintensiven Waren von ungefähr 12 Prozent,
was im Zusammenhang mit China Weltspitze ist . Wir
sind bei den Publikationsindizes in einer führenden Posi-
tion in Europa und weltweit unter den Top fünf . Wir wol-
len eine national wie international sichtbare Spitzenleis-
tung in der Forschung auch zukünftig nicht dem Zufall
überlassen, weder durch Förderung nach dem Gießkan-
nenprinzip noch nach Proporz . Das kommt nicht infrage,
daher auch immer wieder unsere Betonung eines rein
wissenschaftlich geleiteten Auswahlverfahrens innerhalb
der Wettbewerber .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Um die großen Herausforderungen unserer Tage von
der Globalisierung über die Digitalisierung bis hin zur
Integration zu bewältigen, brauchen und haben wir eine
solide, leistungsorientierte und stets dynamische For-
schungsförderung . Dazu gehört auch ein klares Bekennt-
nis zu exzellenter Forschung .

Ihren Antrag betreffend möchte ich frei nach Goethe
schließen: 77 Minuten getretener Quark ist breit, nicht
stark .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Meinen Sie Ihre eigene Rede?)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815906300

Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der

Kollege Martin Rabanus für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Martin Rabanus (SPD):
Rede ID: ID1815906400

Vielen Dank . – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf
den Besuchertribünen! Das war jetzt eine schöne Plenar-
debatte, die wir hier erlebt haben . Das war sicherlich kein
wissenschaftliches Symposion, aber eine parlamentari-
sche Debatte, die davon lebt, rhetorische Stilmittel ein-
zusetzen, die ein bisschen origineller sind und die Spaß
und Leben in dieses Parlament bringen .

Stephan Albani






(A) (C)



(B) (D)


Es haben schon einige betont, dass wir, als wir diesen
Antrag bekommen haben – ich glaube, es war am Mitt-
wochabend –, ein Sammelsurium von wohlfeilen Forde-
rungen vorgefunden haben .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Viele gute Vorschläge!)


Den einen oder anderen Vorschlag – das will ich gar
nicht wegdiskutieren  –  finde  ich  persönlich  auch  sinn-
voll . Sie kennen die Position der SPD-Bundestagsfrak-
tion zum Kooperationsverbot . Auch die Forderung, die
Forschungsmittel für Fachhochschulen auf 100 Millio-
nen Euro zu erhöhen, ist gut und richtig . Das gefällt mir
ausgesprochen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich darf darauf hinweisen, dass wir diesen Posten in den
letzten zwei Jahren von 38 Millionen Euro auf inzwi-
schen 48 Millionen Euro aufgestockt haben; die Große
Koalition ist also auch diesbezüglich auf einem guten
Weg .

Der Rest allerdings ist eine Mischung zwischen
„Wünsch dir was“ und dem Negieren des Kulturfödera-
lismus . Letzteres tut die SPD nicht . Wir wollen zwar das
Kooperationsverbot für den Bildungsbereich aufheben .
Aber ebenso wollen wir, dass es beim Kulturföderalis-
mus bleibt und die Länder ihre eigenen Aufgaben haben,
die sie im Übrigen – ich komme später noch darauf – in
hervorragender Weise wahrnehmen . Auch das muss man
an dieser Stelle einmal betonen .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Man kann zu dem Sammelsurium, das Sie aufge-
schrieben haben, noch ein paar Punkte hinzufügen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Muss man aber nicht!)


Herr Schipanski hat das mit einem Punkt schon getan .
Ich habe mir die Mühe gemacht, noch einmal in die
Haushaltsänderungsanträge hineinzuschauen, die Sie im
Herbst gestellt haben . Diese komplettieren die Liste Ih-
rer Vorschläge: Es kommen noch 1,3 Milliarden Euro für
BAföG hinzu, und knapp 500 Millionen Euro haben Sie
damals für den Hochschulbau beantragt . Im jetzt vorlie-
genden Antrag sind es nur noch 300 Millionen Euro; da
muss sich die Linke erst einmal einig werden, was sie
will . Jedenfalls kann man das munter draufsummieren .
Das Ganze soll dann – das ist schon gesagt worden –
durch die Exzellenzinitiative bezahlt werden .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das stimmt so nicht!)


So findet es sich in der neunten Ziffer des Antrags. Auch 
das ist nicht unbedingt etwas, was von besonderer Soli-
dität geprägt ist .

Man kann das so machen . Man kann als Opposition
erst einmal alles fordern . Auch die Grünen haben sich

gelegentlich ein bisschen dazu hinreißen lassen, mehr zu
fordern .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es denn, wenn Sie jetzt mal zur Substanz kämen und eigene Vorschläge brächten?)


Mit Verantwortung hat das allerdings nichts zu tun . Zwei
große, die Regierung tragende Fraktionen müssen eben
Verantwortung übernehmen; das müssen Sie in der Tat
nicht .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da tragen Sie schwer dran! Das sieht man!)


– Da tragen wir durchaus nicht schwer dran, lieber Kolle-
ge Gehring, sondern wir machen das gerne, wie im Übri-
gen auch die Länder gerne Verantwortung für die Bildung
in ihrem Bereich tragen . Ich will das am Beispiel Thü-
ringen unterstreichen . Da ist ein Wissenschaftsminister,
der hochkompetent ist – wir kennen ihn alle: Wolfgang
Tiefensee, ehemaliger Kollege in diesem Haus – und
eine hervorragende Wissenschaftspolitik für Thüringen
macht; selbstverständlich .


(Beifall bei der SPD – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Er hat da auch gute Unterstützung!)


Ich finde, das kann man für die meisten Länder sagen. 
Ich will das am Beispiel meines Nachbarlandes Rhein-
land-Pfalz deutlich machen – ich komme aus Hessen –,
das eine hervorragende Politik macht .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, in Hessen läuft es auch super! Überall, wo die Grünen mitregieren, läuft es super!)


Die Studierendenzahlen sind in den letzten zehn Jahren
von  100  000  auf  120  000  gestiegen.  Die  Grundfinan-
zierung der Hochschulen dort ist nicht um 20 Prozent,
sondern um 40 Prozent gestiegen; damit liegt Rhein-
land-Pfalz sogar über dem bundesdeutschen Durch-
schnitt . Wir sehen, dass die BAföG-Mittel vernünftig
eingesetzt werden . Das gilt übrigens ebenso für mein
Bundesland Hessen und alle anderen . Das ist auch richtig
und gut so . Es ist sogar festzustellen, dass, völlig gegen
den Trend, in Rheinland-Pfalz die Betreuungsrelationen
in den Hochschulen stabil bleiben und sogar besser wer-
den .

Das alles wird gemacht in den Ländern. Ich finde, das 
muss man auch ganz klar benennen . Das ist eine Leis-
tung, die auch von der Linken in Zukunft ein bisschen
deutlicher gewürdigt werden könnte .


(Beifall bei der SPD)


In diesem Sinne, glaube ich, sind wir in der Bundes-
republik Deutschland bei alldem, was wir noch zu besor-
gen haben, bei alldem, was wir uns noch vornehmen, auf
einem guten Weg . Das gilt für die Länder auf der einen
Seite und für diese Koalition auf der anderen Seite glei-
chermaßen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Martin Rabanus






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815906500

Damit schließe ich die Aussprache .

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/7643 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . – Widerspruch erhebt
sich nicht . Dann ist die Überweisung somit beschlossen .

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Kombinierter siebter und achter Bericht der
Bundesrepublik Deutschland zum Überein-
kommen der Vereinten Nationen zur Besei-
tigung jeder Form von Diskriminierung der
Frau (CEDAW)


Drucksache 18/5100
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Debatte 60 Minuten vorgesehen . – Auch dagegen
erhebt sich kein Widerspruch . Dann ist das somit be-
schlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin für die Bundesregierung der Parlamentarischen
Staatssekretärin Elke Ferner das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


E
Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1815906600


Vielen Dank . – Herr Präsident! Liebe Kollegen und
Kolleginnen! Der kombinierte siebte und achte CE-
DAW-Bericht erstreckt sich auf die Jahre 2007 bis 2014 .
Angesichts der Tatsache, dass noch in keinem Land der
Welt die vollständige Gleichstellung von Frauen und
Männern erreicht ist, hat dieser Bericht naturgemäß
Licht, aber auch Schatten . Ich freue mich sehr, dass wir
jetzt, gut zwei Wochen vor der nächsten Sitzung der
Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen, die
Gelegenheit haben, über diesen Bericht im Deutschen
Bundestag zu diskutieren .

In den letzten zwei Jahren hat das Thema Gleichstel-
lung wieder Fahrt aufgenommen . Auch deshalb bin ich
mir ganz sicher, dass im nächsten CEDAW-Bericht die
Schatten geringer und das Licht mehr werden wird .

Für die Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen
und Männern gibt es aus meiner Sicht drei zentrale Hand-
lungsfelder: die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt,
die gleichberechtigte Partizipation in allen gesellschaftli-
chen Bereichen und der Schutz von Frauen und Mädchen
vor Gewalt, insbesondere vor sexueller Gewalt .

Wo stehen wir im Jahr 2016? Bei der Gleichstellung
auf dem Arbeitsmarkt gibt es Fortschritte . Die Frauener-
werbsquote ist auf dem höchsten Stand . Mütter kehren

nach der Geburt ihrer Kinder früher in den Beruf zurück
als vorher . Immer mehr Männer, gerade der jüngeren Ge-
neration, möchten sich gerne Beruf und Familie partner-
schaftlich teilen, also auch ihren Teil der Familienarbeit
übernehmen . Das gelingt zunehmend, aber immer noch
auf zu niedrigem Niveau . Immer mehr Männer nehmen
Elterngeld in Anspruch .

In diesem Bereich haben wir Fortschritte erzielt, weil
die Rahmenbedingungen verändert worden sind . Wir ha-
ben in der letzten Großen Koalition das Elterngeld und
den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten
Geburtstag eingeführt . In dieser Wahlperiode verbessern
wir die Rahmenbedingungen weiter . Der Bund stellt auch
in dieser Wahlperiode Ländern und Kommunen zusätz-
liche Mittel für den Kitaausbau zur Verfügung . Wir ha-
ben beispielsweise das Programm „KitaPlus“ aufgelegt,
bei dem es darum geht, Beschäftigten mit unnormalen
Arbeitszeiten, also Personen, die im Schichtdienst arbei-
ten, etwa Krankenschwestern und Polizisten, die Mög-
lichkeit einer guten Kinderbetreuung zu geben, auch
wenn sie alleinerziehend sind oder der Partner bzw . die
Partnerin die Kinderbetreuung nicht übernehmen kann .
Mit dem Elterngeld Plus ermöglichen wir eine bessere
Partnerschaftlichkeit . Wir setzen Anreize für eine frühere
Rückkehr  in  den Beruf  und  haben mit  dem Pflegezeit- 
und  dem  Familienpflegezeitgesetz  Verbesserungen  für 
die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf geschaffen. – Das 
alles sind erste Schritte hin zur Familienarbeitszeit . Ich
bin mir sicher: Wenn nicht in dieser Wahlperiode, werden
wir spätestens in der nächsten Wahlperiode gesetzgeberi-
sche Maßnahmen dazu ergreifen .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Ingrid Pahlmann [CDU/CSU])


Im CEDAW-Bericht wird gewürdigt, dass wir die
Erwerbstätigkeit von Frauen, ihre ökonomische Unab-
hängigkeit und damit ihre tatsächliche Gleichstellung
unterstützen . Wir sind aber noch längst nicht am Ziel .
Die Frauenerwerbsquote ist zwar so hoch wie noch nie;
aber wenn man hinter die Kulissen schaut, sieht man,
dass mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in
Teilzeit beschäftigt sind, mit all den damit verbundenen
Folgen wie Lohnersatzleistungen . Die Lohnlücke von
22 Prozent führt am Ende des Erwerbslebens zu einer
Rentenlücke von fast 60 Prozent . Es ist daher notwendig,
dass es auch im Bereich der Erwerbsarbeit zu einer bes-
seren Gleichstellung von Frauen und Männern kommt .
Wir müssen die Lohnlücke, die Zeitlücke und die Ren-
tenlücke schließen; dann sind wir der Gleichstellung von
Frauen und Männern deutlich näher gekommen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir gehen in dieser Wahlperiode das Vorhaben
„Lohngerechtigkeit“ an . Wir werden darüber mit Sicher-
heit nicht nur am diesjährigen Equal-Pay-Tag zu disku-
tieren haben, sondern auch im weiteren Verlauf des Jah-
res . Die Lohnlücke liegt in Deutschland bei 22 Prozent .
Damit sind wir so ziemlich am unteren Ende der Skala,
was die Lohngerechtigkeit angeht . Das hat viele Ursa-
chen . Deshalb brauchen wir auch viele Maßnahmen, um
der Lohnlücke beizukommen . Das geht los bei der Teil-






(A) (C)



(B) (D)


zeitarbeit. Wir wissen, dass Teilzeitarbeit in der berufli-
chen Sackgasse endet, wenn sie dauerhaft ausgeübt wird .
Deshalb wollen wir den Rückkehranspruch auf die alte
Arbeitszeit noch in dieser Wahlperiode angehen . Durch
den Mindestlohn haben wir bereits einen Baustein zum
Schließen der Lohnlücke gesetzt . Laut Untersuchungen
wird die Lohnlücke allein durch den Mindestlohn um
2 Prozent geringer . Wenn dann auch noch von der Mög-
lichkeit einer besseren Tarifbindung in größerem Umfang
Gebrauch gemacht wird, wird sie sich weiter schließen .
Es geht aber auch um den Wert der Arbeit, und um mehr
Transparenz . Auch in dieses Thema werden wir in dieser
Wahlperiode einsteigen .

Nächster Punkt ist das Thema „Frauen in Führungspo-
sitionen“ . Dazu haben wir bereits ein Gesetz verabschie-
det, das seit dem 1 . Januar dieses Jahres vollständig gilt .
Wir werden hoffentlich zur Mitte des Jahres oder bis zum
Herbst erste belastbare Zahlen haben, denen eine größere
Anzahl von Unternehmen zugrunde liegt .

Die Opposition hatte bei der Verabschiedung dieses
Gesetzes gesagt, das reiche alles nicht aus . Ich möchte
daran erinnern, dass wir im letzten Jahr gemeinsam bei
der FRK in New York waren . Es ist doch erstaunlich,
welch positive Resonanz dieses Gesetz auf internatio-
naler Ebene, sowohl bei der FRK als auch beim Global
Summit of Women, gefunden hat . Natürlich ist das noch
steigerungsfähig


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz klar! Gut erkannt!)


– überhaupt keine Frage –; aber der Einstieg ist gemacht .


(Beifall bei der SPD)


Letzter Punkt ist das Thema „Schutz von Frauen und
Mädchen vor Gewalt“ . Da, denke ich, gibt es mehr Licht
als Schatten, aber eben auch noch den einen oder anderen
Schatten . Wir haben in der Bundesrepublik ein sehr gut
ausgebautes Hilfesystem . Wir haben auch Gesetze, die
allerdings noch verbessert werden müssen – das Sexual-
strafrecht ist nur eines –, und das nicht erst seit Köln, um
das hier noch einmal deutlich zu sagen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Nach den Statistiken hat jede vierte Frau mit ihrem
bisherigen oder vorherigen Partner wenigstens einmal
körperliche oder sexuelle Gewalt in ihrem Leben erfah-
ren, und jede siebte Frau in Deutschland hat auf die eine
oder andere Weise sexualisierte Gewalt erfahren . Diese
Zahlen sind viel zu hoch . Deshalb müssen wir an den
gesetzlichen Normen etwas verändern .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen uns aber auch noch einmal über den All-
tagssexismus in unserer Gesellschaft unterhalten . Der
fängt bei sexistischer Werbung an und endet am Ende
des Tages in Rollenzuschreibungen, die nicht gut sind,
und auch in entsprechenden Frauenbildern, die dann zu
Übergriffen führen, wie wir sie in Köln, aber auch an-
derswo, zum Beispiel auf dem Oktoberfest in München,
sehen konnten .

Ich glaube, dass wir auf gutem Weg sind . Es ist leider
noch nicht alles getan . Wir werden uns auch beim nächs-
ten CEDAW-Bericht mit Sicherheit noch über ein paar
Schattenseiten zu unterhalten haben . Ich bin aber sehr
zuversichtlich, dass wir beim nächsten Mal eine deutlich
bessere Bilanz vorlegen können; denn wir akzeptieren
nicht, dass Frauen in unserer Gesellschaft direkte oder
indirekte Nachteile haben . Dafür arbeiten wir hier in
großen Teilen zusammen; das möchte ich hier auch noch
einmal deutlich sagen . Dafür Ihnen allen ein herzliches
Dankeschön!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815906700

Nächste Rednerin ist die Kollegin Cornelia Möhring

für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Cornelia Möhring (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815906800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

denke, es ist zu Beginn der Debatte nicht verkehrt, wenn
ich noch etwas zur Bedeutung dieses Übereinkommens
sage . Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form
von Diskriminierung der Frau, kurz CEDAW genannt,
ist das wichtigste völkerrechtliche Instrument für die
Gleichstellung von Frauen . Alle Staaten, die diesen Ver-
trag der Vereinten Nationen unterzeichnet haben, sind
zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen
in allen Lebensbereichen verpflichtet.

Was heißt das? Das ist eigentlich ganz einfach: Ers-
tens darf der Staat selbst nicht gegen den Gleichbehand-
lungsgrundsatz verstoßen . Zweitens muss er auch aktiv
dafür sorgen, dass Chancengleichheit nicht nur auf dem
Papier steht, sondern gesellschaftliche Realität wird .


(Beifall bei der LINKEN)


Der Staat ist außerdem verpflichtet, diese Politik proak-
tiv zu verfolgen . „Proaktiv“ bedeutet im ursprünglichen
Sinne übrigens „ohne abzuwarten“, sogar „unverzüglich
und mit eigenen Initiativen“ . Daran hapert es dann schon
ein bisschen .

Vor 30 Jahren ist dieses Übereinkommen in natio-
nales Recht übergegangen, und seitdem überprüft der
CEDAW-Ausschuss regelmäßig die Einhaltung dieses
Abkommens und gibt konkrete Empfehlungen zu allen
16 Artikeln. Deutschland hat  sich mit der Ratifizierung 
im Übrigen auch verpflichtet, diese Empfehlungen um-
zusetzen und mindestens ernst zu nehmen .

Liebe Frau Ferner, Ihnen persönlich nehme ich das al-
les ab . Wir haben ja gemeinsam direkt bei der UN dafür
gestritten . Ich habe aber nicht so gute Hoffnungen in die
Gesamt-GroKo wie in Sie . Auf dieser kleinen Karte, die
ich hier habe, sind alle 16 Artikel des CEDAW-Abkom-
mens verzeichnet . Vielleicht nehmen Sie die einmal mit
und verteilen sie im Kabinett und in den Koalitionsfrak-
tionen sozusagen als Leitschnur für die Gleichstellungs-
politik . Das wäre doch mal etwas .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Parl. Staatssekretärin Elke Ferner






(A) (C)



(B) (D)


In dem hier vorliegenden kombinierten siebten und
achten Bericht der Bundesrepublik Deutschland macht es
nämlich mitnichten den Eindruck, als würde die Bundes-
regierung das CEDAW-Abkommen wirklich ernst neh-
men . Der Bericht liest sich eher wie ein schlechtes Ent-
schuldigungsheft . In weiten Teilen wird gar nicht auf die
Empfehlungen geantwortet, sondern einfach der Status
quo beschrieben, gerechtfertigt und beschönigt . Wir wis-
sen schon länger – das ist, denke ich, übereinstimmende
Meinung in diesem Haus –, dass die vorherige Bundes-
regierung – Sie haben auf den langen Berichtszeitraum
hingewiesen – gleichstellungspolitisch nicht sonderlich
interessiert war . Aber der Bericht zeigt auch: Die GroKo
hat keinen Plan .


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben kein Konzept, um die Diskriminierung von
Frauen wirklich grundlegend und umfassend zu bekämp-
fen, und Sie verstecken Ihre Planlosigkeit lediglich hinter
ein paar gleichstellungspolitischen Trippelschritten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich mache das einmal exemplarisch an Artikel 11 des
Abkommens fest . Inhalt von Artikel 11 sind unter ande-
rem die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung im
Erwerbsleben, das Recht auf Arbeit sowie das Recht auf
gleiches Entgelt und gleiche Sozialleistungen . Gleich-
stellung ist immer auch eine soziale Frage . Solange Frau-
en in der Armutsfalle stecken, ist Gleichstellung nicht zu
erreichen, und solange Frauen ökonomisch nicht unab-
hängig von Ehemännern oder wem auch immer sind, ist
Gleichstellung ebenfalls nicht zu erreichen . Damit sage
ich nicht, dass, wenn wir ökonomisch selbstständig agie-
rende Frauen haben, damit die Gleichstellung erreicht ist .

Der CEDAW-Ausschuss ist zu Recht besorgt über
die Situation von Frauen im Erwerbsleben . Frauen sind
zwar vermehrt erwerbstätig – das hat Frau Ferner eben
auch bestätigt; die Erwerbsquote ist gestiegen –, aber das
hat nicht zu einem Anstieg des Anteils der Erwerbsar-
beit von Frauen am Gesamtarbeitsvolumen geführt . Das
heißt schlicht und ergreifend: Frauen sind nur stärker in
Teilzeit beschäftigt, also weniger in Vollzeit . Die Quote
ist also zurückgegangen, und dafür gibt es mehr Jobs in
Teilzeit . Und nicht nur das: Frauen arbeiten vorwiegend
in befristeten und gering bezahlten Beschäftigungsver-
hältnissen . Hinzu kommen die 5,3 Millionen Minijobs,
in denen zu zwei Dritteln Frauen arbeiten .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Alles schlecht für die Rente!)


Wie antwortet die Bundesregierung im Bericht auf
dieses Problem? Sie behauptet einfach, dass Frauen zum
größten Teil in Normalarbeitsverhältnisse eingestiegen
sind . Der Trick dabei ist: Sie rechnet alles zu Normalar-
beitsverhältnissen, was über einer Wochenarbeitszeit von
21 Stunden liegt . Ehrlich gestanden, liebe Kolleginnen
und Kollegen, das grenzt an Verarschung .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein Normalarbeitsverhältnis sollte sich perspektivisch,
meiner Meinung nach, im Rahmen einer 30-Stun-

den-Woche bewegen, und zwar für beide Geschlechter,
und zu einem Gehalt, von dem man auch gut leben kann .


(Beifall bei der LINKEN)


Der CEDAW-Ausschuss sieht ebenfalls mit Besorg-
nis die seit langem bestehende Lohn- und Entgeltlücke .
Er hat recht damit . Die Entgeltlücke zwischen den Ge-
schlechtern liegt konstant bei 22 Prozent . Falls Ihr Ge-
setz das Bundeskanzleramt jemals wieder verlässt, wird
das darin vorgesehene Auskunftsrecht leider weder diese
Lücke schließen noch die Aufwertung von Frauenarbeit
bewirken .

Auch in den Führungsetagen sind Frauen eine Sel-
tenheit . Auch in den Bundesbehörden und Bundesmi-
nisterien gibt es etliche patriarchale Hochburgen . Im
Bundesrechnungshof sind gerade einmal miserable
18,92 Prozent Frauen in Führungspositionen . Auch Mi-
nister Schäuble scheint weibliches Führungsvolk eher
zu scheuen: Bei ihm sind von den 202 Führungskräften
gerade einmal ein Fünftel weiblich . Nur im Bundesrat
ist jede zweite Führungskraft eine Frau . Das zeigt aber:
Wenn die Hausleitung es wirklich will, dann geht es auch .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen in Deutsch-
land bekommen weniger Geld und haben weniger Chan-
cen, aber Frauen arbeiten nicht weniger . Das stellt auch
der CEDAW-Ausschuss fest und bemängelt die Folgen,
zum Beispiel für die Altersversorgung von Frauen . Frau-
en arbeiten mit 45,5 Stunden pro Woche im Durchschnitt
eine Stunde länger als Männer . Zwei Drittel dieser Zeit
leisten sie unbezahlt; das sind immerhin 29,5 Stunden .
Diese unbezahlte Arbeit umfasst etliches: Haushaltsfüh-
rung, aber auch die Betreuung und Pflege von Kindern 
und anderen Haushaltsmitgliedern, Unterstützung für
Personen, die nicht im Haushalt leben, und noch eini-
ges mehr . Frauen schaffen also den Löwenanteil der Tä-
tigkeiten weg, ohne die unsere Gesellschaft überhaupt
nicht existieren könnte . Was bekommen sie dafür? Eine
schlechtere Bezahlung, und wenn sie erwerbslos werden,
haben sie nicht einmal einen eigenen Anspruch auf Sozi-
alleistungen, weil sie in Bedarfsgemeinschaften gepresst
werden . Für die Alterssicherung hat das alles schwerwie-
gende Folgen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr!)


In Deutschland beziehen Frauen nur 60,6 Prozent der
Alterseinkommen der Männer, oder anders ausgedrückt
39,4 Prozent weniger .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine der heftigs-
ten Diskriminierungen ist Armut . Die Schere zwischen
Arm und Reich hat mittlerweile völlig absurde Ausmaße
erreicht . Im Jahr 2014 waren rund 12,5 Millionen Men-
schen in Deutschland arm oder armutsgefährdet . Auch
hier finden wir mehr Frauen als Männer. Alleinerziehen-
de – das sind auch zu 90 Prozent Frauen – tragen ein
besonders hohes Armutsrisiko . 40 Prozent von ihnen sind
einkommensarm .

Wie antwortet die Bundesregierung? Sie spart Fragen
der Arbeitsteilung fast aus und meint, das Problem sei

Cornelia Möhring






(A) (C)



(B) (D)


mit der Elternzeit und dem Elterngeld Plus fast erledigt .
Sie hält weiter daran fest, dass Frauen sich eine dauer-
hafte und gut bezahlte Erwerbsarbeit suchen sollten, trotz
der vorgetragenen Fakten und Daten. Ich finde das gera-
dezu unerträglich .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Alle Frauen – wirklich alle Frauen! – haben eine eigen-
ständige Perspektive verdient, und zwar nicht nur als
Sahnebonbon, sondern als Menschenrecht .

Der gesamte Bericht zu allen Artikeln liest sich leider
so wie beschrieben . Entschlossenes Handeln wäre jetzt
aber angemessener, damit die zahlreichen Frauen nicht
länger diskriminiert werden und endlich ökonomisch
unabhängig leben können . Die Linke will gerechte und
gleiche Löhne, die Aufwertung von Frauenarbeit, endlich
mehr Personal in der Pflege, eine sanktionsfreie Mindest-
sicherung, die Abschaffung von Bedarfsgemeinschaften
und nicht zuletzt eine armutsfeste gesetzliche Rente .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke meint gleichstellungspolitisch und darüber
hinaus: Das muss drin sein, liebe Kolleginnen und Kol-
legen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815906900

Die Kollegin Ursula Groden-Kranich spricht als

Nächste für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ursula Groden-Kranich (CDU):
Rede ID: ID1815907000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Vor einer Woche habe ich
hier zum Thema „Gleichstellung im Kulturbetrieb“ ge-
sprochen . Auch die heutige Unterrichtung durch die
Bundesregierung zeigt, dass uns alle das Thema „Dis-
kriminierung von Frauen“ umtreibt; man möchte sagen:
uns leider noch immer umtreibt . Die politische Arbeit an
dieser Thematik ist – darin sind wir uns sicherlich alle
einig – überaus mühsam, oft kleinteilig und geht depri-
mierend langsam vonstatten . Dennoch ist es wichtig, sich
ab und zu vor Augen zu führen, dass es in unserem Land
auch gute Fortschritte im Kampf gegen Diskriminierung
gibt . Auch wenn es an der konsequenten Anwendung der
bestehenden Gesetze zum Teil noch aus für mich unver-
ständlichen Gründen hapert, gibt es viele Gesetze, um
die uns Frauen anderer Nationen beneiden und auf die
wir hierzulande stolz sein können; denn wir haben ein
Allgemeines Gleichstellungsgesetz, und wir haben ein
Grundgesetz, das in Artikel 3 die Diskriminierung von
Frauen verbietet .

Die jetzige Regierung hat in den letzten Jahren einige
Vorhaben zum Abbau der Diskriminierung von Frauen
umsetzen können . Ich nenne hier exemplarisch nur das
Gesetz zur Frauenquote . Auch den Abbau von Entgelt-

ungleichheit zwischen Männern und Frauen haben wir
im Koalitionsvertrag gemeinsam festgeschrieben . Wie
Sie wissen, befindet  sich derzeit  ein Gesetzentwurf zur 
Umsetzung eben dieser Pläne im Bundeskanzleramt .
Also auch hier sind wir aktiv .

Die Entgeltlücke als eine spezielle Form der Ge-
schlechterdiskriminierung scheint mir in mancher Hin-
sicht symptomatisch zu sein; denn nicht nur beim Gen-
der Pay Gap gilt: Das Problem, seine Ursachen und die
möglichen Instrumente zur Behebung sind hinlänglich
bekannt, die messbaren Fortschritte aber selbst nach jah-
relangen Anstrengungen des Gesetzgebers immer noch
eher dürftig .

Woran liegt es also, dass Frauen in unserer Gesell-
schaft immer noch diskriminiert werden? An einem Man-
gel an Gesetzen liegt es meiner Meinung nach jedenfalls
nicht . Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach ge-
sagt und betone es gerne nochmals: Um Diskriminierung
nachhaltig zu bekämpfen, dürfen wir uns nicht allein auf
den Gesetzgeber verlassen – auf ihn natürlich auch –,
sondern wir müssen der Diskriminierung auf allen politi-
schen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Kontexten
entgegenwirken .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine ganz wichtige Rolle spielt in diesem Zusammen-
hang der Zugang zur Bildung, auf den meine Kollegin
Christina Schwarzer noch eingehen wird .

Ein grundsätzliches Problem beim Kampf gegen die
Diskriminierung von Frauen ist sicherlich, dass sie in so
unterschiedlichen Ausformungen daherkommt . Sie fängt
bei vermeintlich harmlosen und oftmals sogar unbewuss-
ten Verletzungen wie dem sexistischen Sprachgebrauch
an, und sie reicht bis zur grauenvollen körperlichen und
seelischen Verletzung der Menschenwürde in Form von
Zwangsprostitution und Genitalverstümmelung .

Meine Damen und Herren, bei der Beschäftigung
mit den verschiedenen Formen von Diskriminierung
stoße ich in letzter Zeit immer wieder auf eine Gruppe
betroffener Frauen, die für meine Begriffe noch viel zu
wenig im Fokus unserer Aufmerksamkeit steht . Diese
Frauen haben selbst leider oft nicht die Mittel oder die
Kraft, stärker in Erscheinung zu treten: Ich denke an die
Migrantinnen in diesem Land . Damit meine ich nicht nur
die Frauen, die mit der aktuellen Flüchtlingswelle zu uns
kommen und hier Schutz suchen . Nein, ich denke vor al-
lem an die Migrantinnen der zweiten und dritten Genera-
tion, an Frauen, die oftmals sogar einen deutschen Pass
besitzen und dennoch hier, mitten unter uns, in Parallel-
gesellschaften leben, die Lichtjahre von Artikel 3 unseres
Grundgesetzes entfernt sind .

Die ganz alltägliche und von uns allen mehr oder we-
niger stillschweigend geduldete Diskriminierung dieser
Mädchen und Frauen aus muslimischen Familien reicht
von vermeintlich banalen Dingen wie dem Verbot der
Teilnahme am Sportunterricht oder am Unterricht an
weiterführenden Schulen – von Universitäten ganz zu
schweigen – bis hin zur Zwangsverheiratung minderjäh-
riger Mädchen, die oft noch Jahre nach ihrer Ankunft in
Deutschland unserer Sprache kaum mächtig sind und die

Cornelia Möhring






(A) (C)



(B) (D)


ihren Ehemännern in jeder Hinsicht – körperlich, mora-
lisch und wirtschaftlich – ausgeliefert sind .

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass
Migrantinnen oft doppelt diskriminiert werden: einmal
in der eigenen Community, und dann noch einmal von
uns, indem wir für diese Art der Diskriminierung blind
sind oder sie zumindest oft als Diskriminierung zweiter
Klasse behandeln .

Übrigens ist dieses Phänomen nicht nur in Großstäd-
ten zu beobachten . Ich selber wurde in den letzten Jahren
bei Begegnungen in meiner Heimatstadt immer wieder
damit konfrontiert . Bei „öffentlichen“ Terminen waren
Frauen mit größter Selbstverständlichkeit einfach aus-
geschlossen . Während des Ramadans beispielsweise war
ich sowohl bei türkischen Familien als auch in Moscheen
zum täglichen Fastenbrechen eingeladen . Vor Ort wurde
ich jedoch fast ausschließlich von Männern empfangen;
die Frauen durften nicht an den Begegnungen teilneh-
men .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie eigentlich für die Integration? Sie machen doch nichts!)


Oder: Beim Besuch von Flüchtlingseinrichtungen in
meinem Wahlkreis war ich erfreut, zu hören, dass es noch
freie Plätze in Deutschkursen gibt .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch nicht immer über „die“ und „wir“!)


– Ach, lassen Sie es doch, Frau Schauws, ehrlich! Bei
dem Thema sind nämlich auch Sie auf einem Auge blind .


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, sind wir nicht!)


Vor Ort sagte mir dann aber beispielsweise eine
tschetschenische Frau, ihr Mann wünsche nicht, dass sie
an einem solchen Kurs teilnimmt, weil dort auch Männer
sind . Dies trifft nicht nur Frauen in Flüchtlingsheimen,
sondern es trifft auch Frauen, die bereits seit vielen Jah-
ren in unserem Land sind .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab zwei Verabschiedungen, durch die die Schutzbedürftigen schlechtergestellt wurden!)


Ich sage Ihnen ganz offen: Vorfälle wie diese lassen
mich besorgt, wütend und leider auch regelrecht hilflos 
zurück . Sie bringen mich argumentativ in Bedrängnis .
Denn wie soll ich meiner Tochter – –


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat eigentlich die Deutschkurse, die Integrationskurse eingeführt? Wir, gegen Ihren Widerstand! – Zuruf des Abg . Max Straubinger [CDU/CSU])


– Noch gilt es, dass jeder eine eigene Meinung haben
darf und diese auch hier im Bundestag frei äußern darf .
Insofern hat das auch mit Diskriminierung zu tun .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vorfälle wie diese lassen mich besorgt, wütend und
auch regelrecht hilflos zurück. Denn wie soll ich meiner 
Tochter im Anschluss an solche Begegnungen erklären,
dass sich Männer dieses Verhalten herausnehmen dürfen,
ohne bestraft zu werden, und Frauen dies ertragen müs-
sen? Da frage ich manchmal auch, Frau Künast: Wo ist
der Aufschrei der grünen Feministinnen?


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach Gott! Jetzt schlägt’s aber 13! – Mechthild Rawert [SPD]: Deswegen wollen wir ja die Istanbul-Konvention durchsetzen!)


Warum konnten über Jahrzehnte hinweg Parallelge-
sellschaften entstehen, in denen Frauen und Mädchen
einem chauvinistischen Diktat unterworfen werden, das
nicht einmal ansatzweise mit unserer Rechtsordnung ver-
einbar ist, sondern diese bewusst und schamlos verach-
tet?


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir fragen beim § 177 noch mal, ob Sie uns unterstützen! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleich sagen Sie noch, Sie sind Feministin!)


Ist das unsere Vorstellung von Toleranz und kultureller
Freiheit? Kann sie das wirklich sein? Ich denke: nein .

Im vergangenen Jahr konnte ich an der UN-Frauen-
rechtskonferenz in New York teilnehmen . Die Ziele der
Resolution „Peking + 20“, die unter anderem den Abbau
von Diskriminierung zum Ziel hat, sind aktueller und not-
wendiger denn je . In meinen Gesprächen mit Politikerin-
nen und Aktivistinnen verschiedenster Herkunft hat sich
ein Punkt immer wieder herauskristallisiert, den ich abso-
lut einleuchtend und enorm wichtig finde: Der Kampf um 
Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ist eben
nicht eine reine „Frauensache“ . Genau da setzen interna-
tionale Kampagnen, zum Beispiel „HeForShe“ der UN
Women, an . Denn von einer aufgeklärten, emanzipierten
und  diskriminierungsfreien  Gesellschaft  profitieren  am 
Ende alle: Männer und Frauen . Das haben einschlägige
Untersuchungen bereits für verschiedene Länder gezeigt .
Auch ein Bericht der Weltbank kommt zu dem Schluss,
dass eine starke Wirtschaft, kulturelle Innovation und so-
ziale Gerechtigkeit fast automatisch dort entstehen, wo
besonders viel für die Geschlechtergerechtigkeit getan
wird .

Wir Frauen sollten also nicht den Fehler machen,
Männer beim Thema Diskriminierung immer nur als po-
tenzielle Gegner zu betrachten . Im Gegenteil: Wir brau-
chen Männer dringend als Mitstreiter der Frauen


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Wenn sie an meiner Seite sind: Ja!)


und vor allem als positive Rollenvorbilder und Korrekti-
ve für die Generation unserer Söhne, Neffen und Enkel .


(Zurufe von der LINKEN)


Ursula Groden-Kranich






(A) (C)



(B) (D)


– Ich glaube, im Moment sind mehr Männer von der
CDU/CSU da als von den Linken .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wir machen manchmal auch Anmerkungen, die für alle gelten!)


Väter können und müssen ebenso wie Mütter dazu
beitragen, dass ihre Töchter starke Persönlichkeiten wer-
den, die sich ihrer Rechte als Frauen bewusst sind . Oder
wie es kürzlich in einem Artikel auf Zeit Online so schön
auf den Punkt gebracht wurde: „Deutschland braucht
mehr Feministen!“

Die Diskriminierung von Frauen muss geächtet wer-
den, und zwar von allen Menschen, die in diesem Land
leben, völlig unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit,
ihrer Religion, ihrer kulturellen Herkunft und ihrer poli-
tischen und privaten Überzeugung .

Ich wäre sehr glücklich, wenn ich in einer der nächsten
Reden zu dieser Thematik den Satz der US-amerikani-
schen Sozialreformerin Alice Hamilton zitieren könnte:

Für mich liegt die Befriedigung darin, dass die Din-
ge jetzt besser sind und dass ich daran Anteil hatte .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815907100

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin

Ulle Schauws .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ulle, erklär es noch mal! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der Linken)



Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815907200

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Die Generalversammlung der Verein-
ten Nationen hat 1979 das wichtige Übereinkommen zur
Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau
beschlossen . CEDAW gilt bis heute als wichtigstes Men-
schenrechtsinstrument für Frauen weltweit . Das BMFSFJ
misst dem Staatenbericht von CEDAW hohe Bedeutung
bei . Das begrüßen meine Fraktion und ich ausdrücklich;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


denn das war in der letzten Wahlperiode unter CDU-Füh-
rung deutlich anders .

Kollegin Groden-Kranich, wenn Sie hier heute mit
Verve eine Rede für die Frauenrechte halten, sage ich
Ihnen ganz klar: Gestern wurde ein Asylpaket II verab-
schiedet, in dem das Gewaltschutzkonzept für Frauen
gekippt worden ist . Das ist die Wahrheit, und auch die
müssen Sie sich anhören .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Was Sie hier gestern verabschiedet haben, bietet Frauen
keinen Schutz, ganz im Gegenteil .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nächstes Jahr ist Kauder Feminist!)


Ich frage mich, warum Sie vom Ministerium und auch
Sie von den Fraktionen der Großen Koalition bei der De-
batte zum Internationalen Frauentag auf eine Rückschau
setzen . Der Bericht weist doch klar auf die drängenden
Aufgaben hin, zum Beispiel auf das überfällige Entgelt-
gleichheitsgesetz . Der Staatenbericht kritisiert die Situ-
ation seit Jahren . Es wäre meines Erachtens das richtige
Signal gewesen, wenn Sie als Bundesregierung heute ei-
nen Gesetzentwurf für ein wirksames Entgeltgleichheits-
gesetz vorgelegt hätten . Ich hätte das als ein gutes Signal
gefunden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Aber bis auf Ankündigungen hat diese Regierung nichts
vorzuweisen . Frauen bekommen nach wie vor 22 Pro-
zent weniger Lohn . Das ist und bleibt ein Skandal!

Ich habe die Befürchtung – ich bin da nicht alleine –,
dass der von Ihnen angekündigte Gesetzentwurf wenig
wirksam sein wird, dass er den Frauen am Ende wenig
bringt . Mit Ihrer geplanten Transparenzoffensive für
Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern werden Sie nur wenige Frauen erreichen .
Ohne ein Verbandsklagerecht – das sage ich ganz klar –
stärken Sie die Unternehmen, aber nicht die Frauen . Und
was ist das bitte für ein Signal an Frauen?

Der Bericht der Kommission der Antidiskriminie-
rungsstelle – das war in dieser Woche Thema im Aus-
schuss – hat das sehr klar kritisiert . Ihre Koalition knickt
bereits jetzt vor der Wirtschaft und vor der Industrie ein,
die gegen dieses Gesetz schon Sturm laufen . Ich sage Ih-
nen, meine Damen und Herren: Alle Frauen- und Sozi-
alverbände werden Sie daran messen, was am Ende des
Tages von einem Entgeltgleichheitsgesetz übrig bleibt .
Gegen jede Diskriminierung von Frauen ist ein Gesetz
nur dann gut, wenn es auch Wirkung zeigt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich will noch auf einen weiteren Punkt eingehen .
Beim Kampf gegen Sexismus und bei der Suche nach
Lösungen zur verbesserten Finanzierung von Frauen-
häusern bleiben Sie im Ministerium komplett untätig .
Erfolgreiche Regierungsarbeit, aber auch Gesetze, die
gegen die Diskriminierung von Frauen wirken, müssen
Sie umsetzen .

Meine Damen und Herren, die CEDAW-Empfehlung
zu Prostitution kritisiert scharf – ich zitiere –, „dass die
gesteckten Ziele durch das Gesetz nur in sehr geringem
Umfang erreicht wurden“ . Konkret heißt das: keine Ver-
besserung der sozialen Lage, keine Verbesserung der
Arbeitsbedingungen und keine Verringerung der Krimi-
nalität für Prostituierte . Daran wird auch Ihr geplantes
Prostitutionsgesetz nichts ändern .

Ursula Groden-Kranich






(A) (C)



(B) (D)


Ganz im Gegenteil: Mit Ihrem Gesetzesvorschlag
treiben Sie Prostituierte geradezu in die Illegalität . Mit
der Anmeldepflicht müssen sich diese  für  jede sexuelle 
Dienstleistung anmelden – auch wenn sie nur gelegent-
lich stattfindet. Es geht Ihnen in der Union und in der SPD 
nicht um den Schutz der Prostituierten . Nein, im Gegen-
teil: Es geht um Kontrolle . Anstatt endlich die Richtlinie
zum Schutz der Opfer von Menschenhandel umzusetzen,
laufen Sie Gefahr, ein Bürokratiemonster zu schaffen,
das die Länder und Kommunen nicht wollen . Da frage
ich ganz klar: Wie wirken Ihre Gesetze eigentlich?

Der CEDAW-Ausschuss ist besorgt darüber, dass die
Bundesregierung Rollenstereotype nicht proaktiv be-
kämpft . Auch wird Besorgnis über sexistische Werbung
geäußert . Ein Vorschlag des CEDAW-Ausschusses liegt
längst auf dem Tisch: Mit einer unabhängigen Stelle
könnte sexistische Werbung wirksam geprüft werden . –
Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört .

Ich bin auch gespannt, wie weit Sie am Ende des Ta-
ges beim Sexualstrafrecht wirklich gehen, ob wir am
Ende des Tages ein Gesetz haben, nach dem das Nein
auch ein Nein ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist noch viel zu tun . Wenn Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der SPD, dieses Jahr 2016 zum Jahr
der Frauen ausrufen, dann dürfen wir wirklich mehr von
Ihnen erwarten, nämlich Ankündigungen, die dann auch
wirklich umgesetzt werden, Gesetze, die ihren Namen
wirklich verdienen, und Maßnahmen, die gegen Diskri-
minierung von Frauen wirksam sind .

Beherzigen Sie doch das, was schon die Vorkämp-
ferinnen für das Frauenwahlrecht forderten . Ihr Motto
hieß: „Taten statt Worte“ .

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen ei-
nen guten Frauentag .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815907300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr . Carola Reimann

für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1815907400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren!

Für gleiche oder gleichwertige Arbeit darf nicht
wegen des Geschlechts ein geringerer Lohn gezahlt
werden .

So steht es in etwas holprigem Deutsch auf Seite 35 des
CEDAW-Berichts aus dem Jahr 1988 . Das war der erste
Bericht, den die Bundesregierung nach der Ratifizierung 
des Übereinkommens vorgelegt hat .

Heute, 28 Jahre und etliche CEDAW-Berichte später,
äußert sich der zuständige UN-Fachausschuss besorgt
über die bestehenden Lohn- und Einkommensunterschie-
de zwischen Frauen und Männern in unserem Land . Fast
drei Jahrzehnte sind vergangen, und wir sind von dem
Ziel „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Ar-
beit“ noch immer meilenweit entfernt .

Wer immer noch glaubt, diese Lücke werde sich schon
irgendwann irgendwie von selbst schließen, der sollte
einmal einen Blick in die Berichte der vergangenen Jahre
werfen . Da steht schwarz auf weiß: Wenn wir als Gesetz-
geber jetzt nicht tätig werden, dann wird sich auch in den
nächsten 30 Jahren nichts bewegen .

Kolleginnen und Kollegen, dank der Initiativen der
Ministerinnen Schwesig und Nahles kommen wir bei
der Entgeltgleichheit in dieser Legislaturperiode aber
endlich  voran.  Vom Mindestlohn  profitieren  Millionen 
Beschäftigte, insbesondere Frauen, vor allem Frauen im
Dienstleistungssektor .


(Beifall bei der SPD)


Damit ist der Mindestlohn ein wichtiger Baustein zur
Verringerung der bestehenden Lohnlücke .

Zu diesen Bausteinen gehören natürlich auch der wei-
tere Ausbau der Kindertagesbetreuung, das neue Eltern-
geld  Plus  und  das  geplante  Pflegeberufegesetz,  das  zu 
einer Aufwertung der sozialen Berufe führen wird .

Kernstück unserer Strategie zur Bekämpfung der
Lohnlücke ist aber das Gesetz für mehr Lohngerechtig-
keit; den Gesetzentwurf hat Ministerin Schwesig zurzeit
in Arbeit . Es setzt auf neue Instrumente wie den indivi-
duellen Auskunftsanspruch für Beschäftigte, die betrieb-
lichen  Verfahren  und  die  Berichtspflichten.  Vor  allem 
setzt es auf Transparenz; denn die Frage des Gehalts –
darüber sind wir uns hier im Raum doch alle einig – ist
in Deutschland eines der letzten großen Tabus . Dieses
Tabu schadet vor allem den Frauen; denn viele wissen
schlichtweg nicht, ob sie überhaupt fair bezahlt werden .
Das muss sich ändern; denn nur dann können Frauen sich
auch gegen Lohnungerechtigkeit zur Wehr setzen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bevölkerung ist bei der Frage der Transparenz
und Vergleichbarkeit von Gehältern längst weiter: Knapp
70 Prozent sind laut einer Studie des DELTA-Instituts
dafür, dass Gehaltsstatistiken im Betrieb offengelegt
werden . Das zeigt: Die Leute wollen Transparenz über
Gehaltsfragen . Deshalb muss Schluss sein mit der Ge-
heimniskrämerei auf Kosten der Frauen .


(Beifall bei der SPD)


Kolleginnen und Kollegen, die Lohnlücke zwischen
Frauen und Männern – die Staatssekretärin hat das aus-
geführt – hat viele Ursachen . Eine ist die Position von
Frauen in der Unternehmenshierarchie . Mit der Frau-
enquote haben wir nicht nur einen wichtigen, ja histo-
rischen Schritt für mehr Gleichberechtigung geschafft,

Ulle Schauws






(A) (C)



(B) (D)


sondern wir haben auch die Weichen für mehr Vielfalt in
den Führungsetagen gestellt .


(Beifall bei der SPD)


Zugegeben, heute ist es für eine umfassende Bilanz noch
zu früh . Das Gesetz ist gerade erst in Kraft getreten und
wirksam . Man kann aber doch festhalten, dass durch die
Quote einiges in Bewegung gekommen ist, nicht nur
durch die gesetzlichen Vorgaben, sondern auch durch die
öffentliche Debatte über Frauenanteile in Spitzengremi-
en . Es gibt einige Unternehmen, die mit positiven Zahlen
wirklich punkten können, andere müssen sich aber der
öffentlichen Kritik stellen . Wenn man immer nur hinter-
herhechelt, gibt man in der Öffentlichkeit natürlich kein
gutes Bild ab . Ich kann diesen Unternehmen nur raten:
Wer die Quote ignoriert, schadet am Ende vor allem sich
selbst .


(Beifall bei der SPD)


Kolleginnen und Kollegen, der aktuelle CEDAW-Be-
richt zeigt, dass wir bei der Gleichstellung vor allem in
den letzten zwei Jahren ein gutes Stück vorangekom-
men sind . Vieles baut auf Errungenschaften auf, die von
Frauen, auch von Frauen hier im Haus, von allen, über
Jahrzehnte hinweg hart erkämpft wurden, oft gegen ganz
erhebliche Widerstände . In den letzten Wochen und Mo-
naten preisen auch diejenigen diese Errungenschaften,
die bislang nicht als die eifrigsten Leser der CEDAW-Be-
richte in Erscheinung getreten sind . Ich will an dieser
Stelle nicht über die Beweggründe und die Motive der
neuen Kämpfer für Gleichstellung und Frauenrechte spe-
kulieren . Ich will an dieser Stelle aber darauf hinweisen,
dass es schon bald die Gelegenheit gibt, hier im Parla-
ment dafür zu sorgen, dass Gleichstellung und Frauen-
rechte in diesem Land weiter gestärkt werden, zum Bei-
spiel mit dem Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit und mit
einer grundlegenden Reform des Sexualstrafrechts .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Großer Beifall bei der Union!)


Es sind alle herzlich eingeladen, mitzuhelfen .

Danke .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Ich sage es ja: Großer Beifall!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815907500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Christina Schwarzer,

CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christina Schwarzer (CDU):
Rede ID: ID1815907600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskri-
minierung der Frau definiert diese in Artikel 1 wie folgt:

. . . jede mit dem Geschlecht begründete Unterschei-
dung, Ausschließung oder Beschränkung, die zur
Folge oder zum Ziel hat, dass die auf die Gleich-

berechtigung von Mann und Frau gegründete An-
erkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die
Frau – ungeachtet ihres Familienstands – im po-
litischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen,
staatsbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereich
beeinträchtigt oder vereitelt wird .

Schaue ich mir diesen Artikel Stück für Stück an, wird
zumindest deutlich: Vom gesetzlichen Standpunkt her
haben wir in Deutschland eine Gleichberechtigung von
Mann und Frau . Das ist eine gute Nachricht, eine wichti-
ge Grundlage, aber damit allein wird absolut keine Aus-
sage über die tatsächliche Gleichstellung der Geschlech-
ter in unserem Land getroffen .

Das Übereinkommen geht mit gutem Recht noch ei-
nen  Schritt  weiter.  Es  verpflichtet  die  Vertragsstaaten 
zur Durchführung von Maßnahmen, die nicht nur die
juristische, sondern auch die tatsächliche Gleichberech-
tigung von Frau und Mann herbeiführen sollen . Diese
Zielstellung ist richtig und wichtig, macht es für den
Vertragsstaat aber selbstverständlich ungleich schwieri-
ger, die gemeinsam angestrebten Ziele zu erreichen . Die
Gleichberechtigung in der Wirtschaft, in den Medien, in
der Öffentlichkeit, ja sogar in der Familie selbst kann
durch einzelne Regelungen oder Gesetze, Projekte oder
Kampagnen forciert und gefördert, nie jedoch gänzlich
herbeigeführt werden . Auch wird eine Diskriminierung
im Zweifel unterschiedlich empfunden .

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskrimi-
nierung der Frau berücksichtigt diese beiden Faktoren
auch in seinen Stellungnahmen zum Bericht, zum Bei-
spiel, wenn es um die Geschlechtsstereotypen in der Öf-
fentlichkeit, vor allem in den Medien, geht . Der Bericht
erkennt hier klar an, dass die Bundesrepublik Deutsch-
land, in der die Unabhängigkeit der Medien ein wichtiges
Element der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
ist, die Vermittlung eines positiven Frauenbildes nicht
verlangen kann . Als Gesellschaft können wir dies einfor-
dern – das sollten wir auch dringend tun –, und die Politik
kann dies durch viele Maßnahmen unterstützen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und
Frau ist ein wichtiges politisches und gesellschaftliches
Ziel . Es ist in unserer Gesellschaft allgemein anerkannt,
von traurigen Ausnahmen abgesehen . Wenn wir, die wir
hier sitzen, auf die Straße gehen und ein paar Menschen
fragen würden, ob sie die Gleichstellung der Geschlech-
ter für wichtig und richtig halten, dann – da bin ich mir
sicher – würden die meisten mit Ja antworten . Ich bin
aber auch von Folgendem überzeugt: Würden wir die
Menschen draußen fragen, ob sie in ihrem persönlichen
Umfeld Frauen diskriminieren oder sich als Frau diskri-
miniert fühlen, würde ein nicht unbeachtlicher Teil mit
Nein antworten . Das hat auch damit zu tun, wie wir ganz
persönlich die Dinge einschätzen .

Der Chef eines kleinen IT-Unternehmens, der den
männlichen  einem  gleichqualifizierten  weiblichen  Be-
werber vorzieht, tut dies nicht mit dem erklärten Ziel,
die Bewerberin zu diskriminieren, sondern vielmehr nur
aus einem gefühlten Vorteil des Mannes heraus, den der

Dr. Carola Reimann






(A) (C)



(B) (D)


Chef gar nicht so recht erklären kann, aber so empfindet. 
Die junge Mutter, die sich die familiären Aufgaben mit
ihrem Partner so aufteilt, dass sie in den ersten Jahren
die hauptsächliche Arbeit bei der Umsorgung der Kinder
trägt, fühlt sich dadurch nicht zwingend diskriminiert .


(Zuruf der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Doch summieren sich viele kleine solcher Beispiele, Frau
Rawert, trägt dies auch dazu bei, dass der Bericht bei uns
in Deutschland natürlich eine strukturelle Benachteili-
gung der Frauen feststellt .

Hinzu kommen die wirklich schlimmen Ausnahmen
der Benachteiligung von Frauen, wenn diese beispiels-
weise aufgrund ihres Geschlechts im Beruf ganz offen
und gezielt benachteiligt werden oder zum Beispiel häus-
liche Gewalt erfahren . Dazu muss man aber auch Fol-
gendes feststellen: Wenn ein Mann seine Frau verprügelt,
dann haben wir es nicht mit einer strukturellen oder gar
gesetzlichen Benachteiligung der Frauen zu tun, sondern
wir haben es schlichtweg mit einem miesen Typen zu
tun, der eher ein Fall für den Staatsanwalt und nicht für
die Gleichstellungsbeauftragte ist .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Sönke Rix [SPD])


Die heute schon vielfach angesprochene Lohndiskre-
panz zwischen Männern und Frauen – mag man nun die
unbereinigte Zahl von 22 Prozent, den bereinigten Wert
von 7 bis 8 Prozent oder gar die umstrittenen 2 Prozent
des Instituts der deutschen Wirtschaft heranziehen – ist
ohne Zweifel ein Thema, dessen wir uns annehmen müs-
sen . Wir tun dies schon seit Jahren . Viele Maßnahmen
wurden heute auch schon genannt, zum Beispiel das El-
terngeldPlus, die Frauenquote in der Wirtschaft oder der
Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz .

Warum wirkt das ElterngeldPlus so gut? Ein Teil des
Gender Pay Gap lässt sich darauf zurückführen, dass
Frauen, gesamtgesellschaftlich betrachtet, die Hauptauf-
gabe bei der Kinderbetreuung stemmen . Wir sind hier auf
einem sehr guten Weg, die partnerschaftliche Aufteilung
bei der Kinderbetreuung stärker den Wünschen junger
Familien anzupassen . Väter wollen nämlich mehr für
ihre Kinder da sein; zahlreiche Studien belegen dies . Mit
dem ElterngeldPlus unterstützen wir sie dabei . Das hat
selbstverständlich auch positive Auswirkungen für Frau-
en auf dem Arbeitsmarkt . Um es etwas salopp zu sagen:
Wenn der Chef nicht einschätzen kann, ob eine poten-
zielle junge Mutter oder ein potenzieller junger Vater das
Ausfallrisiko im Fall einer Familiengründung ist, wird er
womöglich bei der Besetzung eines neuen Postens kein
Geschlecht bevorzugen oder benachteiligen .

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz sowie der
maßgeblich vom Bund finanzierte Ausbau der Kinderbe-
treuungsplätze sind ebenfalls dazu geeignet, eine schnel-
le Rückkehr von Frauen ins Erwerbsleben zu fördern, so
sie denn wollen .

Wenn wir also konstatieren, dass bereits viele Schritte
getan sind, es noch ein gutes Stück Weg hin ist bis zu ei-
ner reellen Gleichberechtigung von Mann und Frau, viele
in unserer Gesellschaft dies aber in ihrer täglichen Le-
bensrealität nicht empfinden oder zumindest als weniger 

dringlich einstufen, ist es mir wichtig, die Problematik
noch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten . Der
Bericht bezieht eindeutig auch Deutschlands föderale
Struktur – seine 16 Bundesländer mit rund 11 000 Kom-
munen – und die sich daraus ergebenden Aufgabenstruk-
turen ein .

Stellen wir folgende Überlegung an: Ein nicht zu ver-
nachlässigender Faktor für die Lohnlücke ist die Berufs-
wahl. Wir finden Frauen häufig – Frau Dr. Reimann, Sie 
erwähnten das – in schlechter bezahlten Dienstleistungs-
berufen in der Pflege, im Einzelhandel oder in der Kin-
derbetreuung . Männer dominieren in besser bezahlten
Berufen und bei Vorstandsposten . Die Grundlage hierfür
legen wir in der Schule, in der Ausbildung und im Stu-
dium .

Lassen Sie uns einen Blick in die Klassenräume und
die Hörsäle werfen . In Deutsch-Leistungskursen gibt es
mehr Mädchen, bei der Informatik als Wahlfach mehr
Jungen . Auch in den Klassen, in denen zum Fachinfor-
matiker ausgebildet wird, sind die Jungen in der Über-
zahl . Der Anteil der Frauen in Maschinenbaustudiengän-
gen steigt; aber auch hier liegen die Frauen immer noch
zurück . Bei den Sozialwissenschaften hingegen dominie-
ren die Frauen .

Dass wir im Bereich IT ein Bildungs- und Ausbil-
dungsproblem haben, stelle ich immer wieder fest, wenn
ich Schülergruppen zu Besuch habe . Bei den Mädchen –
aber auch Jungen erzählen das oft – hält sich die Begeis-
terung für den Informatikunterricht arg in Grenzen . Es
scheint, als müsse man schon eine große Begeisterung
für diese vermeintlich langweiligen Dinge mitbringen,
um eine Leidenschaft für dieses Thema zu entwickeln .

Was ich damit sagen will: Eine wichtige Grundlage
für weniger Diskriminierung am Arbeitsmarkt – und da-
mit bei den Löhnen – legen wir mit unseren Lehrplänen
bzw . mit unserem Bildungssystem . Damit sind wir beim
Föderalismus und bei den Ländern .

Wenn wir wollen, dass sich diese Form von Män-
ner- bzw . Frauenüberhang in bestimmten Berufsgruppen
ausgleicht, müssen wir unseren Kindern verschiedene
Themen von Anfang an strukturiert beibringen . Aber
das allein reicht noch nicht aus . Wir müssen unseren
Schülern die Dinge auch richtig – soll heißen: kindge-
recht – beibringen . Einige Menschen müssen aufhören,
zu verneinen, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich
lernen . Diese Tatsache wird von ihnen als unsäglich ge-
brandmarkt . Tatsächlich ist das aber so . Das heißt, dass
vor allem MINT-Unterricht nicht nur kindgerechter, son-
dern auch individueller werden muss .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist nicht nur für die Jungen und Mädchen selbst,
sondern auch für die Wirtschaft wichtig . Die Studiener-
gebnisse im Rahmen des „trendence Schülerbarome-
ters“ 2015 zeigen, dass sich mit knapp 30 Prozent be-
sonders Jungen eine Ausbildung im technischen oder
mechanischen Bereich wünschen und nur 11,9 Prozent
eine Ausbildung in der Informatik anstreben . Nur 2 Pro-
zent der befragten Mädchen interessieren sich hingegen
für eine entsprechende Ausbildung .

Christina Schwarzer






(A) (C)



(B) (D)


Auch bei angestrebten Studienrichtungen lassen sich
Unterschiede bei der Beliebtheit seitens der Geschlech-
ter feststellen . Während rund 11 Prozent der befragten
Jungen ein Informatikstudium beginnen wollen, sind nur
0,8 Prozent der Schülerinnen daran interessiert . Klar ist:
Die IT-Berufsgruppen brauchen Mädchen und Frauen .
Die reelle Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt ist nicht
nur ein Instrument der Frauenförderung, sondern auch
der Wirtschaftsförderung .

Neben den heute schon vielfach angesprochenen
Schritten beim Elterngeld, bei der Quote, bei der Rück-
kehr von Teilzeitarbeit in Vollzeitarbeit und bei vielem
mehr ist das diesbezügliche Fitmachen unseres Bildungs-
systems meines Erachtens eine der wichtigsten Maßnah-
men, um das gemeinsame Ziel, die Lohnlücke zu schlie-
ßen – darüber wurde heute schon vielfach gesprochen –,
zu erreichen, damit wir, liebe Ulle Schauws, den Equal
Pay Day künftig auch an Silvester feiern können .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815907700

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin

Katja Dörner .


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815907800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Liebe Gäste! Dass wir über eine konkrete
frauenpolitische Initiative dieser Bundesregierung ge-
sprochen haben, ist ziemlich genau ein Jahr her . Damals
wurde nämlich das „Quötchen“ verabschiedet . Das ist
sicherlich eine gute Sache, aber nicht wirklich der ganz
große Wurf .

Das war vor einem Jahr . Heute diskutieren wir über
den CEDAW-Bericht . Es ist klar: Der CEDAW-Bericht –
er ist das wichtigste Menschenrechtsinstrument für Frau-
en – ist ohne Frage eine Debatte wert . Ich will aber doch
feststellen: Dass zum 8 . März, dem Internationalen Frau-
entag, so gar keine konkrete Initiative von der Bundes-
regierung ausgeht, enttäuscht mich und erschreckt mich
auch .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn das zeigt, dass der Bundesregierung in der Frau-
enpolitik die Puste ausgegangen ist, liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen . Dabei gibt es wirklich genug zu tun, um
das anzugehen, was CEDAW einfordert, nämlich die Be-
seitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau .

Der aktuelle Bericht gibt auch ganz klare Hinweise,
was für die Bundesrepublik ansteht . Einen Punkt will ich
hier noch einmal ganz stark betonen: – Stichwort „Ent-
geltgleichheit“ .

Deutschland besetzt seit Jahren den traurigen Spitzen-
platz in der Europäischen Union, wenn es um die Lohn-
lücke zwischen Frauen und Männern geht . In keinem
anderen europäischen Land gilt der Leitsatz „Gleicher
Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ so wenig
wie bei uns . Das ist einfach beschämend und ein Ärger-

nis, dessen Beseitigung wir wirklich umgehend in An-
griff nehmen sollten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das immer wieder angekündigte Entgeltgleichheits-
gesetz liegt uns bis heute noch immer nicht vor . Da die
Spatzen von den Dächern pfeifen, wie massiv Teile der
Bundesregierung schon jetzt auf die Bremse drücken,
dürfen wir leider nicht viel Gutes für dieses Gesetz er-
warten .

Wenn das Entgeltgleichheitsgesetz der Großen Koa-
lition tatsächlich nur für Betriebe mit mehr als 500 Mit-
arbeitern und Mitarbeiterinnen gelten soll, wie es wohl
geplant ist, dann ist der zahnlose Tiger doch schon vor-
programmiert . Wir Grüne wollen ein Entgeltgleichheits-
gesetz, das tatsächlich wirkt und seinen Namen auch
verdient .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da ich schon einmal bei nicht umgesetzten Ankündi-
gungen bin: Wo steckt eigentlich das Recht auf Rück-
kehr in Vollzeit? Frau Ferner hat es heute auch wieder
angekündigt. Ich habe das gestern einmal flott gegoogelt: 
Manuela Schwesig hat es am 9 . Januar 2014 und am 7 . Ja-
nuar 2015 angekündigt, Andrea Nahles hat es am 18 . De-
zember 2013, am 15 . März 2014 und am 7 . Januar 2015
angekündigt . Das ist noch nicht einmal eine vollständige
Auflistung. Für 2015 wurde es uns dann konkret verspro-
chen . Wo steckt der entsprechende Gesetzentwurf?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das Recht auf Rückkehr in Vollzeit ist zentral, um
Frauen den Weg aus der erzwungenen Teilzeit zu ebnen,
aber eben auch, um Teilzeit für Männer attraktiver zu ma-
chen . Deshalb muss es unbedingt kommen . Wir fordern
die Bundesregierung auf, endlich einen Gesetzentwurf zu
diesem Thema vorzulegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die autonomen
Frauenhäuser haben vor einer Woche eine Bustour durch
die Bundesländer gestartet . Sie machen damit auf die
schwierige  finanzielle  Situation  der  Frauenhäuser  auf-
merksam . Ich bin der Initiative sehr dankbar, dass sie so
hartnäckig an diesem Thema dranbleibt .

Dieses Thema wird auch im CEDAW-Bericht ganz
zentral aufgegriffen . Der Ausschuss zeigt sich sehr be-
sorgt über die fehlende nachhaltige Finanzierung der
Frauenhäuser und den mangelnden Zugang für Frauen
mit Behinderung, für Ausländerinnen und für einkom-
mensschwache Frauen .

Hier besteht auch ganz klar Handlungsbedarf . Die Zu-
ständigkeit für die Finanzierung der Frauenhäuser darf
nicht einfach lapidar auf die Länder und auf die Kom-
munen abgeschoben werden . Wir sehen hier den Bund
weiterhin in der Pflicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Christina Schwarzer






(A) (C)



(B) (D)


Ich konnte nur einige Beispiele nennen, aber es gibt
frauenpolitisch nun wirklich genug zu tun . Es wird Zeit,
dass sich die Bundesregierung wieder aufrafft, hier kon-
krete Initiativen vorzulegen .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815907900

Als erster Kollege in dieser Debatte hat jetzt Sönke

Rix für die SPD das Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU )



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1815908000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Zunächst einmal zur Frage,
ob in der Frauenpolitik die Luft raus ist: Ich kann zu-
mindest für den linken Lungenflügel der Koalition sagen, 
dass dort noch genug Luft drin ist, Frau Kollegin .


(Beifall bei der SPD – Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: Im rechten auch!)


Gemeinsam mit  dem  rechten Lungenflügel werden wir 
hier auch noch zu weiteren Maßnahmen kommen .


(Zuruf von der LINKEN: Wann denn?)


Eine weitere Vorbemerkung, weil es immer wieder
auch darum geht, welche Verantwortung die Länder in
vielen Fragen haben . Es nützt ja nichts – Sie haben das
gerade am Beispiel der Frauenhäuser noch einmal ge-
tan –, wenn wir uns hier immer wieder sagen, der Bund
müsse stärker Verantwortung übernehmen,


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


wenn die Länder das nun einmal nicht wollen . In den
Ländern regieren auch Sie mit, liebe Grünen


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Das ist doch nicht so!)


– natürlich ist es so: auch dort regieren Sie mit, liebe Grü-
nen –, und von daher: Lassen Sie uns einmal die Kirche
im Dorf lassen und die Verantwortung dort belassen, wo
sie gerade ist, und lassen Sie uns auch einmal unsere ei-
genen Landesregierungen auffordern, dort etwas zu tun .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Im Übrigen geht Schleswig-Holstein hier mit sehr gu-
tem Beispiel voran und ist vorbildlich . Das wird – zu-
mindest im Vergleich zu den anderen Ländern – auch
die Kollegin Möhring zugeben müssen . Wir in Schles-
wig-Holstein haben das schon schneller erkannt .


(Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Das entlässt uns aber nicht aus der Verantwortung!)


Gerade in der Debatte und auch insgesamt wird, wenn
man über Gleichstellungspolitik diskutiert, häufiger die 
Frage gestellt: Brauchen wir da eigentlich noch Geset-
ze? Wir haben doch die Gleichstellung im Grundgesetz

festgeschrieben . Wo werden denn Frauen durch welche
Maßnahmen tatsächlich benachteiligt oder diskriminiert?
Auch hier in der Debatte hat das am Rande eine Rolle
gespielt . Es wurde erklärt, es gebe doch so viele Geset-
ze, und eigentlich brauche man doch keine gesetzlichen
Regelungen mehr . Wer so etwas sagt, der redet unver-
antwortlich angesichts dessen, was wir über Diskriminie-
rung von Frauen in diesem Lande wissen .


(Beifall bei der SPD)


Der Lohnunterschied beträgt über 20 Prozent . Frauen
sind immer noch stärker von Armut betroffen als Männer .
Frauen sind noch immer stärker von Gewalt betroffen als
Männer . Frauen haben noch immer schlechtere Aufstieg-
schancen als Männer . Diese Liste ließe sich noch fort-
führen . Wer an dieser Stelle behauptet, das sei nur ein
gesellschaftliches Problem, man brauche keine gesetzli-
chen Regelungen, der liegt falsch, liebe Kolleginnen und
Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Dr . Silke Launert [CDU/CSU])


Wir haben in dieser Koalition schon gesetzliche Rege-
lungen auf den Weg gebracht, und wir haben auch noch
weitere vor uns . Ich erinnere an die Einführung der Quo-
te . Und ich erinnere an die Maßnahmen, die wir, feder-
führend beim Justizressort, zur Verschärfung des Sexual-
strafrechts vor uns haben .


(Beifall der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Ich erinnere an das Gesetz zur Lohngerechtigkeit . Also,
wir regeln Dinge gesetzlich . Das haben wir uns als Koali-
tion gemeinsam auf die Fahnen geschrieben . Das sollten
wir nicht kleinreden .

Ein Wort zur Lohngerechtigkeit, weil auch Sie, Frau
Dörner, in Ihrer Rede darauf hingewiesen haben, dass die
Regelung hierzu kein zahnloser Tiger werden dürfe . Ich
kann Ihnen für die SPD-Fraktion versichern: Einer Re-
gelung, die einem zahnlosen Tiger gleicht, werden wir
nicht zustimmen . Ein Gesetz nur um des Gesetzes willen
brauchen wir nicht . Wir brauchen ein Gesetz um der Wir-
kung willen . Daran arbeiten wir, liebe Kolleginnen und
Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Wir wissen, dass wir eigentlich noch viel mehr Biss
haben müssten und könnten . Leider lässt uns der Koaliti-
onsvertrag nicht so viel Spielraum, wie wir ihn vielleicht
mit anderen Mehrheiten in diesem Hause hätten . Aber er
lässt uns Spielraum . Ich appelliere an die Koalitionskol-
leginnen und -kollegen von der Union, diesen Spielraum
zu nutzen, damit es ein wirksames Gesetz wird .


(Beifall bei der SPD – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Alles, was vernünftig ist!)


Lassen Sie mich noch kurz über Rollenbilder spre-
chen, weil auch das ein Thema ist, an dem wir arbeiten
müssen . Ich habe mich vorhin an das Lied Männer, von
Herbert Grönemeyer, erinnert gefühlt . Er singt:

Katja Dörner






(A) (C)



(B) (D)


Männer haben Muskeln .


(Dagmar Ziegler [SPD]: Wenn sie mal welche hätten!)


Männer sind furchtbar stark . . .
Männer kriegen ‚nen Herzinfarkt .

Die meisten Männer, die das auf dem Oktoberfest zur
bayerischen Blasmusik mitgrölen, wissen gar nicht, wie
ironisch dieses Lied gemeint ist .


(Beifall der Abg . Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nichtsdestotrotz macht es ein besonderes Männerbild
deutlich, an dem noch viele hängen .

Zum Glück hat sich dieses Männerbild verändert,
auch mit Hilfe von gesetzlichen Maßnahmen, zum Bei-
spiel dem Elterngeld Plus . Das Elterngeld ist gerade
schon erwähnt worden . Hiermit stärken wir die Partner-
schaftlichkeit . Wir wissen aus Studien, dass Männer noch
viel mehr Zeit für Familie und für Partnerschaft haben
wollen . Deshalb ist es gut und richtig, dass wir beim El-
terngeld Plus nicht stehen bleiben, sondern noch weiter
diskutieren, nämlich das Thema Familienarbeitszeit, lie-
be Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Zu Rollenbildern gehört leider immer noch ein sehr
antiquiertes Frauenbild . Wenn man sich die Werbung
einmal  ansieht,  ist man  häufig  sehr  geschockt.  Es  gibt 
den Spruch eines Arzneimittelherstellers: Mütter nehmen
nicht frei, Mütter nehmen XY . Gemeint ist ein bestimm-
tes Medikament . Das Bild, das dahintersteckt, was also
Mütter für eine Funktion haben und welche Rolle sie
spielen sollen, wird dabei sehr deutlich . Deshalb glaube
ich: Auch wenn wir sehr viele gesetzliche Regelungen
brauchen, so brauchen wir nichtsdestotrotz auch eine ge-
sellschaftliche Debatte . Wir brauchen einen gesellschaft-
lichen Auftrieb für die Gleichstellung von Männern und
Frauen . Wir brauchen beides: gesetzliche Regelungen
und gesellschaftliche Debatte . Diese führen wir .

Danke schön, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815908100

Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die

Kollegin Dr . Silke Launert für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Silke Launert (CSU):
Rede ID: ID1815908200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
0800 0116 016:


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Frauennotrufnummer!)


Alles Mögliche haben wir heutzutage in unseren Smart-
phones gespeichert . Aber welche Frau verfügt in ihrem
Telefonbuch über diese Nummer? Wer von uns kennt
diese Nummer überhaupt? Normalerweise müssten sie

mindestens 40 Prozent der in Deutschland lebenden
Frauen kennen und auf ihrem Handy unter „H“ wie Hil-
fetelefon abgespeichert haben . Denn – das zeigt auch der
Bericht – laut Studien sind etwa 40 Prozent der Frauen
seit ihrem 16 . Lebensjahr mindestens einmal psychischer
und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen .

Die Nummer, die ich gerade genannt habe, ist die
Nummer des Hilfetelefons, das seit März 2013 zur Ver-
fügung steht und in dem Bericht ausdrücklich lobend an-
gesprochen wird .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die Bundesregierung hat damit eine wichtige Lücke im
Hilfesystem geschlossen . Denn das Telefon ist ein kosten-
loses, bundesweites und anonymes Erstberatungsangebot
bei allen Formen von Gewalt . Es bietet Betroffenen, An-
gehörigen oder sonstigen Personen unkomplizierte Hilfe
rund um die Uhr und in 15 Sprachen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen Angebote wie dieses für alle, und damit
meine ich wirklich: für alle . Denn jedem muss klar sein,
dass  Gewalt  gegen  Frauen  überall  stattfindet,  jederzeit 
und in allen Schichten .

Ich teile die hier angesprochene Ansicht, dass es
nichts mit Diskriminierung zu tun hat, wenn ein Mann
seine Frau verprügelt, leider nicht . Das zeigt nicht nur ein
großer Teil des Berichts . Wenn Frauen körperlich oder
sexuell Gewalt erfahren, hat das häufig etwas mit Macht 
und mit Kleinhalten zu tun . Auch das ist für mich eine
Form von Diskriminierung .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Erkenntnis kommt aber spät!)


Spätestens mit den Vorfällen in der Silvesternacht in
Köln haben wir erlebt, dass sexuelle und körperliche
Gewalt auch öffentlich passiert . Körperliche oder sexu-
elle Gewalt gegen Frauen kommt überall vor: auf öffent-
lichen Plätzen und Straßen, am Arbeitsplatz und oft zu
Hause in den eigenen vier Wänden . Es ist erschreckend,
wenn man hört, dass Frauen von häuslicher Gewalt mehr
bedroht sind als durch andere Gewaltdelikte wie Körper-
verletzung mit Waffen, Wohnungseinbrüche oder Raub .

Sexuelle oder körperliche Gewalt gegen Frauen reicht
von einfachen Belästigungen wie anzüglichen Bemer-
kungen oder einem Klaps auf den Po über Schläge,
Verprügeln, Stalking und Vergewaltigung bis hin zu Tö-
tungsdelikten, nicht selten innerhalb von partnerschaftli-
chen oder familiären Beziehungen . Diese Übergriffe stei-
gern sich dann im Hinblick auf Häufigkeit und Intensität. 

Mich hat es oft erschreckt, zu erleben, dass Opfer ge-
rade dem Partner gegenüber später im gerichtlichen Ver-
fahren sich selbst die Schuld gegeben und das Verhalten
des Partners entschuldigt haben . Sie haben immer mehr
das Gespür dafür verloren, was man eigentlich in einer
Beziehung akzeptieren sollte und was nicht .

Sönke Rix






(A) (C)



(B) (D)


So vielfältig diese Formen von Gewalt gegenüber
Frauen sind – ich habe gar nicht alle Formen der Gewalt
angesprochen –, so vielfältig sind auch die strafrechtli-
chen Einordnungen . Sie reichen von der einfachen Belei-
digung bis hin zu Stalking, Körperverletzung, Vergewal-
tigung oder auch Tötungsdelikten . Leider bestehen im
Strafrecht erhebliche Strafbarkeitslücken . Deshalb – das
haben einige Kollegen schon zu Recht gesagt – braucht
man beides: die Debatte in der Bevölkerung wie auch in
manchen Fällen die Änderung des Rechts . Wir als Ge-
setzgeber müssen genau da ansetzen . Denn als Bundes-
gesetzgeber sind wir definitiv für die Reform des Straf-
rechts zuständig .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ein Beispiel ist die Reform der Straftatbestände bei
Menschenhandel und Zwangsprostitution . In den nächs-
ten Wochen und Monaten wird sicherlich ein Gesetzent-
wurf eingebracht . Denn es ist kein Geheimnis, und es
ist auch keine Übertreibung, wenn ich sage, dass junge
Mädchen und Frauen mitten in Europa wie Ware gehan-
delt  werden.  Sie werden wie  Frischfleisch  angepriesen 
und von einem Bordell ins nächste verkauft, benutzt und
weggeworfen . Da müssen wir tätig werden – leider hat
das gutgemeinte Prostitutionsgesetz zum Teil das Gegen-
teil bewirkt –; wir müssen die ersten Schritte gehen und
werden sehen, wie praxistauglich diese sind .

Auch im Bereich des Stalkings hat der Bundesjustiz-
minister vergangene Woche einen Entwurf vorgelegt . Ich
freue mich sehr darüber . Denn auch das zeigen die Statis-
tiken: Es wurden 25 000 Fälle zur Anzeige gebracht, und
es gab 400 Verurteilungen . Und warum? Ein erheblicher
Grund für dieses Missverhältnis besteht in der Fassung
des Straftatbestandes . Es ist nicht in Ordnung, zuerst zu
verlangen, dass das Opfer wegen der permanenten Be-
lästigungen seinen Arbeitsplatz wechselt oder umzieht .
Wir müssen hier früher ansetzen . Ich freue mich, dass
Justizminister Maas nun das Thema aktiv angeht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Nein heißt nein!)


Das nächste Thema – Sie sprachen es schon an – ist
die Reform des Vergewaltigungstatbestandes . Hier wird
in den nächsten Wochen ein Entwurf in die Gesetzge-
bung eingebracht werden . Auch hier gibt es gravierende
Schutzlücken, und zwar schon vor den Ereignissen in der
Kölner Silvesternacht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Es kann nicht sein, dass die Fälle, in denen sich die Frau
nicht wehrt, weil der Täter überlegen ist, oder in denen
sich die Mutter nicht wehrt, wenn sie vergewaltigt wird,
weil sie ihr Kind nicht aufwecken will, nicht bestraft
werden .

Die Rechtslage zu verbessern, ist das eine . Ich höre
immer wieder, dass die Gesetze nichts bringen . Manch-
mal ist das so; das räume ich ein . Aber eine frühzeitig
eingreifende Strafbarkeit kann vieles verhindern . Ich
nenne als Beispiel den Bereich des Stalking . Wenn Opfer
zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft gehen und ihnen

dort gesagt wird, das sei doch nichts, und sie schließlich
weggeschickt werden, dann spricht sich das herum . Die
Opfer nehmen das mit . Glauben Sie mir: Gerade im Be-
reich des Stalking ist es wichtig, die Täter frühzeitig zu
erreichen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Nicht wenige von ihnen haben psychische Schäden .
Nicht selten führen diese harmlosen Stalking-Delikte zu
einer Steigerung, bis hin zur Tötung .

Ein weiterer Aspekt ist die Finanzierung . Sie haben
recht: Die Finanzierung ist ein Hauptproblem . Dabei sind
wir als Bund häufig nicht zuständig. Aber das Thema im 
Hinblick auf den Bericht anzusprechen, ist völlig richtig .
Mir tut es in der Seele weh – dabei läuft in Bayern in
diesem Bereich vieles besser als woanders –,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


wenn ich erlebe, dass lokale Einrichtungen wie der Not-
ruf der Diakonie Hochfranken oder die „Schutzhöhle“
ums Überleben kämpfen müssen und dass nur dank der
Medien, des Fernsehens und der Zeitungen, Gelder ak-
quiriert werden, die das Überleben solcher Einrichtun-
gen sichern . Jeden Euro, den wir an dieser Stelle sparen,
müssen wir hinterher – genauso wie in der Jugendhilfe –
mehrfach wieder ausgeben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir die Opfer gleich zu Beginn alleine lassen
und nicht optimal betreuen, tragen viele gesundheitliche
Schäden davon . Auch die Kosten sind enorm . Viele Op-
fer landen in der Erwerbsunfähigkeit, weil sie mit den
Belastungen nicht zurechtkommen . Daher kann ich nur
sagen: Auch wenn der Bund nicht zuständig ist, sollten
wir an einem Strang ziehen und uns eine Strategie über-
legen . Hier bin ich sofort bei Ihnen . Das ist ein Bereich,
den wir auch im Hinblick auf die Flüchtlingskrise nicht
vernachlässigen dürfen . Ganz im Gegenteil: Wir werden
ihn sogar ausbauen müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir nicht wollen, dass sich Frauen aus Scham
nicht melden, dann müssen wir dieses Thema mitten in
die Gesellschaft bringen, und zwar nicht nur einmal am
8 . März eines jeden Jahres, sondern immer wieder . Wenn
wir wollen, dass Taten zur Anzeige gebracht werden und
dass Männer, die zu solchen Taten neigen, therapiert wer-
den, dann müssen sich mutige Nachbarn bei der Polizei
melden, wenn sie hören, dass eine Frau zu Hause verprü-
gelt wird . Wir müssen zudem junge Mädchen ermutigen,
sich selbst einzugestehen, dass vielleicht in der eigenen
Beziehung eine Grenze längst überschritten ist und dass
man Hilfe in Anspruch nehmen sollte .

Allen Betroffenen sage ich: Das Wählen der
0800 0116 016 kann die Eintrittskarte in ein neues Leben
sein .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Silke Launert






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1815908300

Damit schließe ich die Aussprache .

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/5100 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . – Ich sehe keinen Wi-
derspruch . Dann gehe ich davon aus, dass Sie alle damit
einverstanden sind . Die Überweisung ist beschlossen .

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-
nisierung des Besteuerungsverfahrens

Drucksache 18/7457
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO

Für diese Aussprache sind nach einer interfraktionel-
len Vereinbarung 38 Minuten vorgesehen . – Ich sehe,
dass alle damit einverstanden sind . Dann ist das so be-
schlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem
Redner für die Bundesregierung dem Parlamentarischen
Staatssekretär Dr . Michael Meister das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


D
Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1815908400


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Beim Gesetzentwurf zur Modernisierung des Besteue-
rungsverfahrens geht es darum, dass wir moderne IT nut-
zen, um das Besteuerungsverfahren einfacher, schneller
und effizienter zu gestalten. Lassen Sie mich zu diesen 
drei Zielen etwas sagen . Wir wollen das Ganze so ma-
chen, dass wir ein sauberes und sicheres rechtsstaatliches
Fundament für diese Veränderung im Besteuerungsver-
fahren haben .

Schneller soll es werden, indem wir die Informati-
onstechnologie nutzen, den Menschen die Möglichkeit
geben, auf elektronischer Ebene mit dem Finanzamt
zu kommunizieren, und dabei Medienbrüche vermei-
den . Das heißt: Wir wollen in Zukunft keine Mischung
mehr zwischen Informationstechnologie und Papier . Wir
wollen auch dafür sorgen, dass nicht nur die Erklärung
selbst, sondern auch die Bearbeitung der Steuererklä-
rung, die Bescheidung und möglicherweise weitere Ver-
fahrensschritte vollautomatisiert erfolgen können . Das
ist deshalb wichtig, weil es sich um ein Massenverfahren
handelt, bei dem Millionen von Steuererklärungen und
Bescheiden zu erstellen sind . Wir gehen davon aus, dass
zukünftig die Bescheidung elektronisch erfolgt und der
Bescheid per Download heruntergeladen werden kann .
Ebenso wollen wir den Weg dafür öffnen, dass die vor-
ausgefüllte Steuererklärung auf elektronischem Weg zum
Steuerpflichtigen kommt. 

Der Steuervollzug selbst soll einfacher werden, weil
die Belege nicht mehr wie heute durch die Finanzbehör-

de angefordert werden, sondern es in Zukunft nur noch
eine Aufbewahrungspflicht für den Steuerpflichtigen ge-
ben soll. Nur dann, wenn Belege benötigt werden, findet 
eine Übermittlung an die Finanzbehörde, und zwar auch
auf elektronischem Weg, statt . Wir wollen das, was wir
bei  Elster  können,  durch  ein  einfacheres Authentifizie-
rungsverfahren ermöglichen . So wollen wir die Authen-
tifizierung ohne Medienbrüche durchführen; damit wird 
auch die elektronische Erklärung für den Steuerpflichti-
gen einfacher .

Wir glauben, dass es vor dem Hintergrund der demo-
grafischen Entwicklung und der knapper werdenden Zahl 
der Fachkräfte sinnvoll ist, die Mitarbeiter der Steuerver-
waltung effizienter zum Einsatz zu bringen, sprich: nicht 
in den Masseverfahren, die vollautomatisiert bearbeitet
werden können, sondern dort, wo es um komplexere
Sachverhalte oder um solche Fälle geht, die man nicht
vollautomatisiert erfassen kann . Wir werden deshalb ein
Risikomanagementsystem implementieren und nach die-
sem Risikomanagementsystem dafür sorgen, dass auch
im automatisieren Verfahren der eine oder andere Fall
dennoch einer Prüfung unterzogen wird .

Insgesamt hoffen wir, dass sich die Mitarbeiter in Zu-
kunft den komplexen Fällen zuwenden können und wir
damit dafür sorgen, dass sie zielgenauer eingesetzt wer-
den können und die Steuerverwaltung insgesamt zielge-
nauer wird . Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen:
Es ist nicht unsere Absicht, Personalabbau zu betreiben .
Unser Ziel ist es vielmehr, von Massen- und Mengenak-
tivitäten zu einer qualitätsorientierten Steuerverwaltung
zu kommen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was sind die wesentlichen Teile, die wir rechtsstaat-
lich fundieren müssen? Ich will einige Stichworte nen-
nen .

Das ist zum einen die elektronische Kommunikation .
An der Stelle müssen natürlich die Datensicherheit und
der Datenschutz für die Finanzverwaltung, für den Steu-
erpflichtigen,  aber  auch  für  Dritte,  die  gegebenenfalls 
Daten zuliefern, gewährleistet sein .

Wir wollen die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmä-
ßigkeit des Verwaltungshandelns steigern – das habe ich
beschrieben – durch die Konzentration der Mitarbeiter
auf die komplexen Fälle und die schwierigen Fragen .

Wir wollen zum Dritten dazu kommen, dass die einfa-
cheren Fälle vollständig automatisiert bearbeitet werden .

Wir wollen dazu kommen, dass die Abgabe der Steu-
ererklärung  für  den  Steuerpflichtigen  erleichtert  wird, 
sprich: er soll die vorausgefüllte Steuererklärung bei der
Finanzbehörde abrufen können, damit er sozusagen ein
elektronisches Formular bereits mit seinen Daten be-
kommt, in das er gegebenenfalls nur Korrekturen eintra-
gen muss .

Wir haben das Thema „elektronische Datenübertra-
gung an Dritte und von Dritten“, bei dem wir auch erheb-
liche Vereinfachungen erwarten . Ich nenne als Beispiel
die Daten der Rentenversicherungsträger, Krankenversi-
cherungsbeiträge und ähnliche Dinge .






(A) (C)



(B) (D)


Bei den Steuererklärungsfristen werden wir in den
Fällen, in denen Steuerberater beteiligt sind, eine Aus-
dehnung vornehmen . Ich glaube, dass das dazu führt,
dass wir zu einer gleichmäßigen Belastung der Steuer-
verwaltung kommen .

Das Gesetz soll nach den Beratungen am 1 . Janu-
ar 2017 in Kraft treten . Allerdings muss man sich darü-
ber klar sein, dass anschließend die organisatorische Um-
setzung innerhalb der Steuerverwaltung erfolgen muss .
Ich weiß schon, dass Sie, Herr Pitterle, an der Stelle ein
bisschen lachen .


(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Nein, darum ging es nicht!)


Ich bin allerdings schon der Meinung, dass man dann,
wenn man den Bürger ernst nimmt – wir sind hier die
Vertreter der Bürger der Bundesrepublik Deutschland –,


(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Wir nehmen die auch ernst!)


den Versuch, Menschen den Umgang mit Verwaltung zu
erleichtern, nicht lächerlich machen, sondern ernsthaft
diskutieren sollte . Das würde ich mir an dieser Stelle
schon wünschen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU – Richard Pitterle [DIE LINKE]: Ich habe nicht deswegen gelacht! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das war ein Missverständnis!)


– Jeder hat sein Menschen- und Bürgerbild . Da will Ih-
nen gar nicht widersprechen .

Wenn wir das Gesetz zum 1 . Januar 2017 in Kraft set-
zen, dann haben wir eine Grundlage für die organisato-
rische und inhaltliche Umgestaltung . Es wird allerdings
gemeinsam mit den Ländern Zeit brauchen, bis 2022 .
Das heißt, nach heutigem Stand können wir davon aus-
gehen, dass nach 2022 das, was ich beschrieben habe,
auch im tatsächlichen Leben ankommt .

Wir haben in Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs ver-
sucht, uns nicht einfach etwas am grünen Tisch auszu-
denken, sondern wir haben einen sehr intensiven Dialog
mit den Steuerberatern und mit weiteren Verbänden, die
mit diesen Sachfragen zu tun haben, geführt, aber auch
mit den Ländern . Wir sind, glaube ich, zu einem Ent-
wurf gekommen, der im ersten Durchgang im Bundesrat
durchaus positiv von den Ländern kommentiert worden
ist . Natürlich gab es einige Hinweise, die sich haupt-
sächlich auf technische Fragen beziehen . Wir werden die
Bundesratsanliegen, bei denen es um technische Fragen
ging, mit Sicherheit im weiteren Gesetzgebungsverfah-
ren prüfen . Für mich war insgesamt jedoch positiv, dass
die Länder vom Grundsatz her deutlich gemacht haben,
dass sie hinter diesem Ansatz stehen und ihn auch mittra-
gen werden .

Was ist also unser Ziel? Wir wollen neue Technologi-
en dafür nutzen, dass der Bürger einfacher, schneller und
effizienter  zu  seiner  steuerlichen  Beurteilung  kommt. 
Wir wollen weniger Arbeit für die Steuerpflichtigen, wir 
wollen eine qualitative Steigerung in der Steuerverwal-
tung, und wir hoffen, dass wir am Ende trotzdem rechts-
sichere Verfahren haben . Deshalb haben wir auch die

dritte Gewalt in unsere Diskussion einbezogen und aus-
drücklich Finanzrichter gefragt, wie sie die gesetzlichen
Regelungen, die wir hier vorlegen, beurteilen . Auch von
dieser Seite war der Diskurs positiv und hat dazu geführt,
dass wir einige Hinweise bekommen haben, bei welchen
Punkten wir aufpassen sollen .

Ich würde mir wünschen, dass Sie diesen Gesetzent-
wurf entsprechend diskutieren und dass diese Diskussi-
onen, wie vorgesehen, bis zur Sommerpause zu einem
positiven Ergebnis führen, damit wir eine gesetzliche
Grundlage haben, auf die sich ab 2017 alle einstellen
können . Ich glaube, das ist vor dem Hintergrund, dass
wir unsere Verwaltung auf eine IT-gestützte Verwaltung
umstellen wollen, ein gewaltiger Schritt in Richtung Zu-
kunft .

Es ist bedauerlich, dass diese Diskussion am Freitag-
mittag zu  später Stunde  stattfindet. Was hier geschieht, 
ist ein großer Schritt für die Verwaltung, aber auch für
die Bürger unseres Landes . Dass die Diskussion zu einer
solchen Zeit  hier  stattfindet,  finde  ich  ein  bisschen  be-
dauerlich . Man hätte durchaus eine prominentere Zeit für
die Diskussion dieses Vorhabens finden können. Das gilt 
auch für die Kollegen im Bundestag, die dies zu betreuen
haben . Ich glaube, da wird die Bedeutung des Themas
nicht von allen draußen wahrgenommen . Ich wünsche
mir eine gute Beratung und viel Erfolg .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815908500

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Richard

Pitterle von der Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall des Abg . Dr . André Hahn [DIE LINKE])



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815908600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Jeder, der schon einmal eine Steuererklärung
ohne Steuerberater auszufüllen hatte, weiß: Das ist bei-
leibe kein Spaß . Man verschiebt es gerne auf das nächste
Mal, bis das Wochenende vor dem Abgabetermin doch
herhalten muss . Daher klingt es zunächst spannend,
wenn das Verfahren modernisiert werden soll .

In dem über 100 Seiten starken Entwurf, auf dessen
Details ich hier aufgrund der Zeit, die mir zur Verfügung
steht, nicht eingehen kann, ist eine umfassende Umstel-
lung auf Computernutzung vorgesehen . Salopp gesagt
soll also die Steuererklärung in Zukunft bequem übers
Internet  stattfinden und beim Finanzamt  statt  durch Fi-
nanzbeamte bis auf Ausnahmefälle durch Rechner ver-
arbeitet werden .

Steuerberater und Lohnsteuerhilfevereine begrüßen
das Vorhaben, und lassen Sie mich eines gleich zu Be-
ginn klarstellen: Als Linke begrüßen wir, wenn Abgabe
und Verarbeitung der Steuererklärung vereinfacht wer-
den . Es muss nur sinnvoll sein und die bisherigen Erfah-
rungen mit einbeziehen .

Parl. Staatssekretär Dr. Michael Meister






(A) (C)



(B) (D)


Was sind die bisherigen Erfahrungen? Vor wenigen
Jahren haben wir den Unternehmen vorgeschrieben, die
Bilanz dürfe nur noch elektronisch beim Finanzamt ein-
gereicht werden . Die Frist für diese Einreichung wurde
durch den Gesetzgeber zweimal geschoben . Als die Ver-
pflichtung in Kraft trat, meldete sich das Finanzamt bei 
einem von mir betreuten Unternehmen, um ihm mitzu-
teilen, dass es keine E-Bilanzen empfangen könne . Ich
finde, das ist blamabel. 

Oder schauen wir auf die sogenannte ELStAM-Daten-
bank, in der die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerk-
male gespeichert sind . Letztes Jahr wurden dort aufgrund
eines Softwarefehlers Zehntausende Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in eine falsche Lohnsteuerklasse ein-
geordnet, mit dem Ergebnis, dass sie am Ende des Mo-
nats deutlich weniger Lohn ausgezahlt bekamen . In ei-
nigen Fällen stand sogar tatsächlich ein Minus auf dem
Gehaltszettel, und die Betroffenen mussten auch noch
Steuern nachzahlen . Das ist ebenfalls blamabel .

2013 hat der Bundestag beschlossen, allen Rechtsan-
wälten zwingend elektronische Postfächer vorzuschrei-
ben. Am 1. Januar 2016 sollte es Pflicht sein, ein elekt-
ronisches Postfach zu nutzen . Vor zwei Monaten wurde
uns Rechtsanwälten mitgeteilt, dass die Einführung auf
unbestimmte Zeit verschoben wird . Das ist – ich wieder-
hole mich – blamabel .

Werfen wir zuletzt noch einen Blick über die Grenze:
Beispiel Schweiz, wo man dem Klischee nach vermuten
würde, dass die Abläufe so reibungslos sind wie in dem
sprichwörtlichen Schweizer Uhrwerk . Hier hat man sich
mit dem sogenannten Insieme-Projekt ebenfalls an einer
Modernisierung der IT-Systeme der Schweizer Steuer-
verwaltung versucht – und ist grandios gescheitert . Nach
sieben Jahren und über 100 Millionen Franken hat man
das Projekt schließlich eingestellt .

Wenn wir uns also die bisherigen Erfahrungen an-
schauen, dann komme ich zu dem Schluss – das muss
ich Ihnen sagen –, dass mir ein Plan fehlt, wie Sie es
vermeiden wollen, dass sich solche Pannen wiederholen .
Okay, wir wissen, dass sich zumindest die Länder auf
eine gemeinsame Software geeinigt haben . Das ist schon
die halbe Miete; aber ausreichen tut es keinesfalls . Wie
wollen Sie sicherstellen, dass die Länder das im gleichen
Umfang umsetzen, damit gewährleistet ist, dass wir es
mit gleicher Besteuerung im gesamten Bundesgebiet zu
tun haben?

Ich möchte von Ihnen hören, wie Sie die Moderni-
sierung des Besteuerungsverfahrens, und zwar mit wie
viel Kohle und Manpower bzw . Frau-Power, bewältigen
wollen . Mir fehlt schlicht ein genauer Umsetzungsplan .
Allein das Ziel zu beschreiben, ist mir nicht genug . Wie
ist der Weg dorthin?

Seien wir mal ehrlich: Wenn die Bundesregierung wie
in dem heute von ihr vorliegenden Gesetzentwurf von
Wirtschaftlichkeit und Effizienz spricht, geht es ihr doch 
meist nur um Stellenabbau und Kosteneinsparung, auch
wenn sie im Gesetzentwurf das Gegenteil behauptet . Da-
bei fehlen laut Beamtenbund in der Finanzverwaltung
bereits jetzt 15 000 Beamte . Ich denke, Sie sind schief
gewickelt, wenn Sie glauben, Sie könnten an die Mo-

dernisierung des Steuerverfahrens mit dem Gedanken
herangehen, Personal und Geld einzusparen . Sie müssen
meines Erachtens richtig Geld in die Hand nehmen und
erst einmal kräftig Personal aufstocken, um diesen Plan
umzusetzen .

Ich habe Ihnen die negativen Erfahrungen aufgezählt .
Auch negative Erfahrungen sind etwas wert – wenn man
sie denn berücksichtigt . Aber ich kann nicht erkennen,
dass Sie dies tun . Wenn Sie es aber nicht tun, dann wer-
den es nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch die 
vielen Beschäftigten in den Finanzämtern auszubaden
haben, und das fände ich schade .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815908700

Vielen Dank . – Als nächster Redner spricht Frank

Junge von der SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Frank Junge (SPD):
Rede ID: ID1815908800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pitterle,
wenn man mit Ihrer Argumentation jedes Gesetzge-
bungsverfahren von vornherein begleiten würde, dann
würden wir nie Fortschritte erzielen, die das Leben der
Bürgerinnen und Bürger insgesamt besser machen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig! – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt ja nicht!)


Der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen be-
scheinigt den Deutschen in seiner siebten Studie zur
Steuerkultur eine hervorragende Steuermoral . Die große
Mehrheit der Bürger ist danach steuerehrlich und steht
zur Steuerpflicht. Damit rangiert die Moral der deutschen 
Steuerzahler auf einem selten hohen Niveau .

Bei der Steuermentalität, die sich mit einer gewissen
Verzögerung auf die Steuermoral auswirkt, ist es leider
anders . Sie drückt aus, welche Einstellungen der Bürger
ganz allgemein zum Steuersystem, zur Steuerlast und zur
Steuergerechtigkeit hat . Hier ist das Ergebnis so schlecht
wie lange nicht . Die große Unzufriedenheit ist in ho-
hem Maße mit darauf zurückzuführen, dass der zeitliche
und finanzielle Aufwand zur Erfüllung der steuerlichen 
Pflichten als viel zu hoch angesehen wird. Das sehe ich 
als klares Indiz für den Wunsch der Bürger nach einem
einfacheren Steuersystem und einem viel leichteren und
unkomplizierteren Umgang damit .

Genau da, liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Um-
gang mit dem Besteuerungsverfahren setzen wir heute
an; denn mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden
wir die rechtliche Basis dafür schaffen, dass zukünftig
neben der herkömmlichen Methode zur Erstellung und
Bearbeitung der Steuererklärung das massenhafte vollau-
tomatisierte Steuerverfahren  stattfinden  kann. Wir wer-
den den Weg bereiten, dass der Einsatz der vollständig

Richard Pitterle






(A) (C)



(B) (D)


maschinellen Bearbeitung von Steuererklärungen deut-
lich gesteigert wird .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das wird – Herr Meister hat es gesagt – die Finanzverwal-
tung entlasten . Das wird aber auch bei den Bürgerinnen
und Bürgern in absehbarer Zeit zu einem unkomplizier-
teren und schnelleren Umgang mit ihrem Steuersystem
führen .

Damit das gelingt, soll künftig ein wesentlich größerer
Anteil der Steuererklärungen vollautomatisch bearbeitet
werden; auch das kam zur Sprache . Dazu sind unter an-
derem automationsgestützte Risikomanagementsysteme
erforderlich, die bewerten sollen, ob Steuersachverhalte
weiter gehender Ermittlungen und Prüfungen bedürfen
oder ob kein Hinderungsgrund für eine vollautomatische
Steuerfestsetzung besteht .

Neben einer Beschleunigung der Abarbeitung der
Standardfälle soll damit auch erreicht werden, dass sich
die Finanzbehörden auf tatsächlich prüfungsbedürftige
Fälle konzentrieren können, einfach, weil sie dann mehr
Kapazitäten dafür haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eins hervor-
heben: Seit knapp zwei Jahren arbeiten Bund und Län-
der an diesem Gesetz Hand in Hand in einem Verfahren,
das man meiner Ansicht nach als beispielhaft bezeichnen
kann . Herausgekommen ist ein Entwurf, der jetzt bereits
schon von einem grundsätzlich positiven öffentlichen
Konsens getragen wird . Meine Gespräche mit Vertretern
der Branche, wie zum Beispiel den Lohnsteuerhilfever-
einen, bestätigen das .

Bei aller Zustimmung für diesen Gesetzentwurf will
ich für die SPD-Fraktion jedoch deutlich machen, dass
wir an einigen Stellen schon noch Klärungs- und Nach-
besserungsbedarf sehen . Das will ich an drei Punkten
erläutern .

Erstens: der Verspätungszuschlag . Verspätungszu-
schläge sollen in Zukunft gesetzlich geregelt werden und
ohne  Ermessen  eines  Finanzbeamten  definiert  werden 
können . Das ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung; denn
damit werden künftig streitanfällige Ermessensentschei-
dungen komplett vermieden . Allerdings sieht der Gesetz-
entwurf vor, dass ein Verspätungszuschlag in Höhe von
50 Euro pro Monat bei pflichtigen Jahressteuererklärun-
gen erhoben werden soll . Wenn wir das allen Ernstes so
umsetzen, kann bei einem halben Jahr Verspätung – aus
welchen Gründen auch immer – nach Adam Ries ein
Verspätungszuschlag in Höhe von 300 Euro entstehen .
Für Steuerpflichtige, die beispielsweise nur eine gering-
fügige oder gar keine Erstattung zu erwarten haben, ist
eine solche Konstellation absolut unverhältnismäßig . Bei
allem Verständnis demnach für Sinn und Zweck eines
Verspätungszuschlags: Hier müssen wir nach Ansicht der
SPD-Fraktion dringend nachbessern .


(Beifall bei der SPD)


Zweitens . Die Finanzbehörden sollen ermächtigt wer-
den, bei der Entscheidung über Art und Umfang von Er-
mittlung und Prüfung – es wurde schon genannt – Wirt-
schaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte zu
berücksichtigen, um damit unvertretbaren Aufwand zu
vermeiden . Das ist auch grundsätzlich okay; denn daraus
wird am Ende eine Effizienzsteigerung bei der Bearbei-
tung erwachsen . Gleichwohl ist zurzeit jedoch überhaupt
nicht geklärt, wie präzise „wirtschaftlich und zweck-
mäßig“ definiert ist und wo da Grenzen liegen. Deshalb 
brauchen wir an dieser Stelle die nötigen Angaben . Wir
brauchen mehr Transparenz, wir brauchen mehr Klarheit,
um die Auswirkungen auf die steuerpflichtigen Bürgerin-
nen und Bürger besser beurteilen zu können .

Drittens . Vollständig Nutzen aus dem Modernisie-
rungsgesetz wird sich erst dann ziehen lassen, wenn die
Implementierung der dafür benötigten Hard- und Soft-
ware abgeschlossen ist . Dieses komplexe Verfahren soll
2022 beendet sein . Je früher wir aber diesen Prozess um-
setzen und einen reibungslosen Betrieb in den Bundes-
ländern  sicherstellen  können,  desto  eher  profitieren  die 
Finanzverwaltungen und die Bürgerinnen und Bürger
von den angestrebten entlastenden und erleichternden
Effekten . Darum sollten wir an dieser Stelle – Bund und
Länder zusammen – nach Möglichkeiten suchen, diesen
Prozess der Einführung der notwendigen IT zu beschleu-
nigen und früher umzusetzen, als bisher geplant .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum
Schluss . Trotz unserer kritischen Punkte halte ich den
eingebrachten Gesetzentwurf für ausgewogen und gut .
Er beinhaltet nach meinem Dafürhalten zielführende Re-
gelungen, um gute Voraussetzungen für eine Modernisie-
rung des Besteuerungsverfahrens zu schaffen . Damit si-
chern wir insgesamt nicht nur die Zukunftsfähigkeit, wir
stärken damit in gleichem Maße die Serviceorientiertheit
der Finanzverwaltung . Am Ende dieses Prozesses – da-
von bin ich überzeugt – wird der deutsche Steuerzahler
profitieren,  der  zusammengefasst  bald  wesentlich  we-
niger Aufwand damit haben wird, seinen steuerlichen
Pflichten nachzukommen.

Mit diesem Anspruch, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, lade ich Sie alle – natürlich auch Sie, Herr Pitterle –
dazu ein, den vorgelegten guten Entwurf zur Moder-
nisierung des Besteuerungsverfahrens gemeinsam im
parlamentarischen Verfahren zu einem noch besseren zu
machen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815908900

Ganz herzlichen Dank . – Als nächste Rednerin spricht

Lisa Paus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815909000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich teile

ausdrücklich alles Positive, was bisher über diesen Ge-
setzentwurf gesagt wurde . Allerdings, es gibt ein sehr

Frank Junge






(A) (C)



(B) (D)


grundsätzliches Problem mit diesem Gesetzentwurf .
Wird er so beschlossen, bedeutet das einen Wechsel weg
von der bisher geltenden Regel, dass legitimes Verwal-
tungshandeln durch für jeden Fall gleiche Verfahren her-
gestellt wird, hin zu einem Verfahren, in dem Verwaltung
nach den Ergebnissen beurteilt wird – im Verhältnis zu
den damit entstandenen Kosten oder auch – neudeutsch –
zu seinem Output . Im Gesetz liest sich das dann wie folgt:

Bei der Entscheidung über Art und Umfang der
Ermittlungen können … Wirtschaftlichkeit und
Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden .

Auch meine Vorredner hatten darauf an der einen oder
anderen Stelle schon hingewiesen . – Und weiter:

… Finanzbehörden können … automationsgestützte
Systeme einsetzen … Dabei soll auch der Grundsatz
der Wirtschaftlichkeit … berücksichtigt werden .

Meine Damen und Herren, ich bin für stärkere Ergeb-
nisorientierung – ganz klar –, nur: Wer Ja sagt zu Ergeb-
nisorientierung, der muss auch Ja sagen zu Ergebniskon-
trolle; denn sonst wird Willkür Tür und Tor geöffnet .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jemand definiert ja, jemand muss entscheiden, was „wirt-
schaftlich“ bedeutet . Und in einem Rechtsstaat muss
dann diese Entscheidung nachvollziehbar und überprüf-
bar sein . Ich bin überzeugt: Dieser Gesetzentwurf muss
in dieser Hinsicht noch dringend überarbeitet werden .

Bisher kann ja anhand der Akte und der Vermerke al-
les nachvollzogen werden; aber dieser Gesetzentwurf er-
laubt Risikomanagementsysteme, lässt jedoch die Frage:
„Wer überprüft eigentlich zukünftig die Algorithmen der
Risikomanagementsysteme, oder wie sind sie überhaupt
überprüfbar“, bisher völlig unbeantwortet . Und das geht
nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Einzige, was klar ist – das steht im Gesetzentwurf –,
ist: Diese Risikomanagementsysteme dürfen nicht öf-
fentlich werden . Damit wird aber genau dieses Verfahren
zur vollständigen Blackbox . Und das geht nicht, meine
Damen und Herren .


(Widerspruch der Abg . Margaret Horb [CDU/ CSU])


Es braucht die Kontrolle . Deshalb müssen wir diesen Ge-
setzentwurf noch ändern .

Im Übrigen verweist das Gesetz an verschiedenen
Stellen auch auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts .
Deshalb teile ich in dieser Frage auch die sehr harsche
Kritik des Bundesrechnungshofes und auch die des Deut-
schen Steuerberaterverbandes an der zu großen Unbe-
stimmtheit des Begriffs „Wirtschaftlichkeit“ . Auch Herr
Junge hat ja bereits darauf hingewiesen, dass es da Nach-
besserungsbedarf gibt . Das stimmt .

Ich glaube allerdings, dass es mit einer genaueren
Begriffsbestimmung in dieser Frage nicht getan ist . Ich
finde, wir sollten uns als Parlamentarier noch einmal die 
Zeit nehmen, um zu überlegen, welche wirksamen Er-

gebniskontrollmöglichkeiten wir neu einführen sollten .
Das schließt parlamentarische Kontrolle explizit mit ein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen, dass seit der letzten Föderalismusreform
zur Gewährleistung der Gleichmäßigkeit des Steuer-
vollzuges eigentlich die Pflicht zur Verabschiedung von 
Zielvereinbarungen zwischen Bund und Ländern exis-
tiert . Aber erstens sind diese Zielvereinbarungen für uns
Parlamentarier nicht zugänglich . Zweitens zeigte eine
erste grobe Übersicht, dass es für die relevanten Berei-
che, insbesondere bei den Betriebsprüfungen, mit vielen
Bundesländern bis heute immer noch keine gemeinsa-
men Zielvereinbarungen gibt . Deswegen sage ich: Wir
brauchen in dieser Frage Mitspracherechte . Zumindest
brauchen wir als Parlamentarier Kontrollrechte .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Gesetz ist vollständig auf der Ebene der Exe-
kutive, nämlich zwischen Bundesverwaltung und Län-
derverwaltungen, entstanden . Dass die ihre Kontrolle
nicht automatisch mitdenken, ist nicht überraschend .
Deswegen liegt es hier an uns, liebe Kolleginnen und
Kollegen im Deutschen Bundestag, dass wir das ändern .

Dass es seit Längerem sogar dringenden Hand-
lungsbedarf gibt, den gleichmäßigen Steuervollzug in
Deutschland wiederherzustellen, haben wir Grüne schon
2011 deutlich gemacht . Damals haben wir nämlich zu-
sammengestellt, dass die Prüfungsquote von Einkom-
mensmillionären in Deutschland zum Beispiel zwischen
38,7 Prozent in Sachsen und gerade einmal 5 Prozent in
der Millionärshauptstadt Hamburg schwankt und dass
sich auch die Zahl der Betriebsprüfer in Deutschland
sehr stark unterscheidet, nämlich zum Beispiel zwischen
Berlin mit acht Prüfern pro 1 Milliarde Euro Bruttoin-
landsprodukt und Bayern mit lediglich vier Prüfern . Das
muss besser werden und nicht schlechter . Daran müssen
wir etwas ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Warum wundert mich das nicht?)


Wir Grüne fordern deswegen die Einführung eines
Bundesfinanzamtes  für  große  Konzerne  und  Einkom-
mensmillionäre . Aber auch wenn Sie diese Forderung
nicht teilen, da noch nicht mitgehen können: Lassen Sie
uns trotzdem gemeinsam daran arbeiten . Wir brauchen
konkrete, verbindliche, wirksame, nachvollziehbare und
vor allen Dingen überprüfbare Zielvereinbarungen, auch
vom Parlament, um hier etwas zu bewirken .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815909100

Ganz herzlichen Dank . – Als nächste Rednerin hat

Margaret Horb von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lisa Paus






(A) (C)



(B) (D)



Margaret Horb (CDU):
Rede ID: ID1815909200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Machen wir
eine kleine Zeitreise ins Jahr 1919: Der Erste Weltkrieg
war gerade zu Ende gegangen, auf den Straßen gab es
mehr Pferdedroschken als Autos, und noch gab es längst
nicht in allen Amtsstuben Telefon oder Schreibmaschine,
aber es gab schon Finanzämter .

Heute beginnen wir die grundlegendste Reform der
Abgabenordnung seit 1977 . Und das ist dringend not-
wendig;  denn  die Welt  hat  sich  verändert.  Demografi-
scher Wandel, Digitalisierung und Globalisierung stellen
auch unsere Finanzverwaltung vor neue Herausforderun-
gen . In einer Welt, in der in Sekundenschnelle Milliarden
von Euro, Dollar und Yen transferiert werden, in einer
Welt, in der die Steuersysteme verschiedener Länder
gegeneinander ausgespielt werden, in einer Welt, in der
sozusagen Millionen von Daten aus verschiedenen Steu-
ersystemen zugeordnet und ausgewertet werden müssen,
in dieser Welt muss auch unsere Finanzverwaltung tech-
nisch auf der Höhe der Zeit sein . Die Finanzverwaltung
des 21 . Jahrhunderts wird eine digitale sein, oder sie wird
scheitern . Wir sorgen dafür, dass sie nicht scheitert . Wir
sorgen dafür, dass sie funktioniert .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Abgabenordnung ist sozusagen der Werkzeug-
kasten all derjenigen, die am Besteuerungsverfahren be-
teiligt sind, also der Steuerzahler, der Finanzverwaltung
und der steuerberatenden Berufe . Mit dem vorliegenden
Gesetzentwurf legen wir einige neue, modernere Werk-
zeuge in diesen Werkzeugkasten hinein . Auf die Finanz-
verwaltung übertragen heißt das zum Beispiel: Die Mil-
lionen Steuerbescheide der Arbeitnehmer oder Rentner
sollen künftig vollautomatisch erstellt werden können .

Dass wir Effizienz und Wirtschaftlichkeit in den Blick 
nehmen, heißt aber nicht, dass wir Abstriche bei der
Rechtssicherheit, bei der Gleichmäßigkeit der Besteue-
rung oder bei der Steuergerechtigkeit machen . Ganz im
Gegenteil: Die Finanzverwaltung soll sich auf die kom-
plizierten, die komplexen Fälle und auf die Bekämpfung
von Steuerbetrug konzentrieren können .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sie  soll  serviceorientierter,  effizienter  und  schneller 
werden . Der Bund kann dazu neue Werkzeuge in diesen
Werkzeugkasten hineinlegen . Aber er ist nicht derjeni-
ge, der diese Werkzeuge benutzt . Die Personalhoheit in
der Finanzverwaltung liegt aufseiten der Länder . Es geht
nicht darum, Finanzpersonal zu ersetzen, sondern es geht
darum, Personal effektiver einzusetzen . Selbst die mo-
dernsten Werkzeuge nützen nichts, wenn ein gut ausge-
bildeter Handwerker fehlt, der diese bedienen kann . Und
wir machen dieses Gesetz auch nicht allein für die Län-
der und für die Finanzverwaltung . Ein Steuergesetz ist
dann ein gutes Steuergesetz, wenn es die Interessen aller
berücksichtigt, die am Besteuerungsverfahren beteiligt
sind .

Fast die Hälfte aller Steuererklärungen wird nicht von
den  Steuerpflichtigen  selbst  gemacht,  sondern  von  den 
beratenden Berufen . Es geht gerade um diese komplexen
Fälle, die auf diese Weise vorstrukturiert und professi-
onell aufbereitet bei der Finanzverwaltung eingehen .
Wenn wir die Lohnsteuerhilfevereine und die Steuerbe-
rater nicht hätten, dann könnten wir unsere Finanzämter
dichtmachen . Das wird sich auch in der Gesetzesbera-
tung widerspiegeln .

Das Bundesfinanzministerium ist hier mit sehr gutem 
Beispiel vorangegangen . Länder, Kammern, Verbände,
Gewerkschaft und Finanzrichter sind bei der Formulie-
rung mit einbezogen worden . Das Modernisierungsge-
setz ist im Dialog entstanden, und so sieht moderne Re-
gierungsarbeit aus .

Zuallererst sind es aber natürlich die Steuerzahler
selbst, die im Fokus unserer Arbeit stehen: die Bürgerin-
nen und Bürger und die Unternehmen . Ein faires und ein
einfaches Steuerrecht ist nicht nur eine Frage von Steu-
ersätzen oder der Höhe von Pauschbeträgen, sondern es
ist auch eine Verfahrensfrage . Wir geben den Ländern
die Werkzeuge in die Hand, Steuererklärungen künftig
schneller zu bearbeiten . Daten, die von Versicherungen,
Arbeitgebern und vielen mehr an die Finanzverwaltung
übermittelt werden, sollen auch den Steuerpflichtigen zur 
Verfügung stehen .

Die vorausgefüllte Steuererklärung werden wir weiter
ausbauen . Belege müssen künftig nur noch auf Anfrage
eingereicht werden . Am Ende steht auch hier die elek-
tronische Belegübermittlung . Das ist gut, das ist richtig
und das ist wichtig . Aber das setzt voraus – das sage ich
in aller Klarheit –, dass dafür die notwendige IT vorhan-
den ist, dass sie schnell eingeführt wird und dass sie vor
allem funktioniert . Die Länder müssen die Entwicklung
der Steuer-IT mit stärkerem Tempo und mit größerer
Entschlossenheit vorantreiben . Es kann nicht sein – da
gebe ich Kollegen Pitterle recht –, dass die Unterneh-
men seit 2013 ihre Bilanzen detailliert aufgeschlüsselt
elektronisch einreichen müssen, die Finanzverwaltung
aber die Änderung nicht elektronisch zurückübermitteln
kann . Die Unternehmen haben ein Recht auf diese Ab-
weichungsanalyse .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Digitalisierung ist und darf keine Einbahnstraße sein .
Als Bund können wir die Abgabenordnung anpassen, wo
es sinnvoll und notwendig ist . Aber die Länder sind für
den Steuervollzug zuständig . Wir, die CDU/CSU, wür-
den gerne das Gesetzgebungsverfahren dazu nutzen, im
Bereich der Steuervereinfachung noch weiter voranzu-
kommen . Wir haben der SPD eine Liste mit Vereinfa-
chungsvorschlägen unterbreitet, die wir für finanzierbar 
und notwendig erachten . Wir sind koalitionsintern noch
in den Beratungen . Trotzdem möchte ich zwei der Vor-
schläge kurz vorstellen .

Erstens . Wir wollen die verbindliche Auskunft als In-
strument stärken . Deshalb wollen wir in der Abgabenord-
nung festschreiben, dass über die Anträge auf Erteilung
einer verbindlichen Auskunft innerhalb von sechs Mo-
naten entschieden werden soll . Die Unternehmen sollen






(A) (C)



(B) (D)


damit schneller Rechtssicherheit und Planungssicherheit
erhalten .

Zweitens . Wir haben vorgeschlagen, den Vollverzin-
sungssatz von derzeit 6 Prozent im Rahmen des haus-
halterisch Machbaren befristet abzusenken . Klar ist aber
auch: Wir brauchen dafür die Zustimmung unseres Koa-
litionspartners und die der Länder .

Auf eine Änderung wollen wir uns in der Koalition
verständigen . Der Gesetzentwurf der Bundesregierung
sieht vor, dass es künftig vollautomatische Verspätungs-
zuschläge geben soll . Wir wollen, dass es für Nullbe-
scheide und Steuererstattungen bei der bestehenden Re-
gelung bleibt . Auf dieser Linie wollen wir weitermachen .

Ich freue mich auf die Gesetzesberatung mit dir, lieber
Frank Junge, aber auch mit den Kollegen der Oppositi-
on im Sinne und zum Wohle der Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815909300

Ganz herzlichen Dank . – Lothar Binding von der

SPD-Fraktion hat als letzter Redner in dieser Debatte das
Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1815909400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Margaret Horb, bei
allen guten Vorschlägen machen wir mit .


(Margaret Horb [CDU/CSU]: Super!)


Antje Tillmann hat gestern Abend bei der
Haarmann-Steuerkonferenz erklärt, dass eine Steuersen-
kung um 1 Prozent – bezogen auf den von ihr genannten
Satz von 6 Prozent – 10 Milliarden Euro kostet .


(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Nein, das ist ein anderes Thema!)


Das ist schon ein besonderes Thema .

Richard, du hast vorhin Fehler beschrieben . Die gra-
vierenden Fehler müssen behoben werden; das ist ganz
klar . Aber heute geht es um einen systemischen Wechsel .
Jetzt kommt es darauf an, das richtige System zu finden. 
Eines will ich garantieren: Auch im neuen System wird
es Fehler geben . Es wird auch Pannen geben . Die Fra-
ge ist, wie man damit umgeht . Wie fehlertolerant ist das
System? Du hast gesagt, allein das Ziel zu beschreiben,
sei nicht genug; es komme darauf an, den Weg zu wis-
sen . – Das stimmt; aber sich ohne Ziel auf den Weg zu
machen, ist auch schlecht . Insofern sind wir heute auf
einem ganz guten Weg .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht heute nicht um Steuervereinfachung . Es geht
auch nicht darum, dass die Steuern niedrig und gerecht

sein sollen; das sind ja unsere Standardziele . Heute geht
es um einen Modernisierungsschub – das ist eine andere
Kategorie – durch die Einführung einer länderübergrei-
fend einheitlichen IT . Es geht um Wirtschaftlichkeit und
Effizienz, es geht um die Schnittstelle zwischen Finanz-
amt und Bürger .

Dabei geht es darum – das wurde schon gesagt –, dass
man die Massenverfahren jemanden machen lässt, der
dumm genug ist, das zu können, nämlich den Rechner .
Man muss sich auf die prüfungswürdigen Fälle – da geht
es meistens um Menschen – konzentrieren; denn das,
was prüfungswürdig ist, beschwert den Bürger mögli-
cherweise besonders . Weil man durch das automatisierte
Verfahren Zeit gewinnt, kann man sich verstärkt darum
kümmern . Dadurch wird die Veranlagung zielgenauer
und gerechter . Möglicherweise wird dadurch auch die
Prüfdichte in verschiedenen Ländern erhöht, die gedacht
haben, sie könnten mit der Frage des Personals so oder
so umgehen . Ich glaube, dass da eine gewisse Gleichmä-
ßigkeit erreichbar ist .

Aus Sicht der Bürger wird der Service besser . Wir
erwarten mehr digitale Auskünfte . Es gibt eine elektro-
nische Erklärung, elektronische Belege, elektronische
Meldungen von Dritten – Rentenversicherung, Sozial-
versicherungen, Zuwendungen, steuererhebliche Mel-
dungen, und das alles automatisch . Das klingt gut, und es
ist auch gut, wenn es so kommt .

Lisa Paus hat vorhin einen kritischen Punkt angespro-
chen – den sehen wir auch –: Wird eigentlich der Amts-
ermittlungsgrundsatz im Spannungsfeld von Wirtschaft-
lichkeit und Rechtmäßigkeit bei der Entwicklung des
automatischen Onlinesystems ordentlich berücksichtigt?
Das ist sicherlich eine Sache, über die wir noch sprechen
müssen . Du hast von einem Kontrollerfordernis gespro-
chen . Das sehen wir auch . Wir sind da noch nicht ganz
am Ende, aber, wie gesagt, auf einem guten Weg .

Wir wissen auch noch nicht genau, wie das mit dem
Risikomanagement funktionieren soll und was man ei-
gentlich weglassen soll . Sollen wir zum Beispiel die
Steuererklärungen von Leuten mit hohem Einkommen
nicht mehr prüfen, weil diese Leute sowieso ehrlich sind?
Oder sollen wir viele Steuererklärungen von Leuten mit
kleinem Einkommen nicht mehr prüfen, weil es sowieso
unerheblich ist? Wir müssen noch ein bisschen über das
Risikomanagement nachdenken .

Eine Sache vermissen wir noch im Gesetz, allerdings
verständlicherweise, nämlich den Aspekt der Datenho-
heit,  der  Hoheit  über  die  Daten  des  Steuerpflichtigen. 
Mit der Ausweitung der Nutzung von Kommunikations-
technik und Datenverarbeitung müsste eigentlich auch
eine  Erweiterung  der  bereichsspezifischen  Regelungen 
zum Datenschutz und zur Datensicherheit einhergehen .
Das fehlt jetzt hier . Allerdings gilt das allgemeine Daten-
schutzrecht ja trotzdem . Wir wissen aber, warum dieser
Aspekt fehlt: weil die Datenschutz-Grundverordnung in
Europa noch nicht so weit ist . Wir wissen: Wenn wir da
jetzt etwas regeln, dann müssen wir die entsprechende
Regelung bald an die Datenschutz-Grundverordnung
anpassen . Wir hätten dann zwei Regelungen, die sich
möglicherweise widersprechen . Das bedeutet unnötige

Margaret Horb






(A) (C)



(B) (D)


Arbeit . Also warten wir, bis die Verantwortlichen auf
europäischer Ebene damit fertig sind, und passen die
Regelungen dann an . Das allgemeine Datenschutzrecht
gilt aber . Insofern ist die Lücke erträglich, wenn man auf
europäischer Ebene hinreichend schnell arbeitet und sie
nur kurze Zeit besteht .

Ich habe mir überlegt: Es gibt einen Notanker für ei-
nen Steuerbürger, der meint: Ich muss unbedingt an der
Bearbeitung meiner Steuererklärung durch den Rechner
vorbeikommen und die Aufmerksamkeit eines Menschen
wecken, der sich meine Steuererklärung genauer an-
schauen soll . – Für diesen Fall gibt es ja das Freitextfeld .
Wenn man etwas in das Freitextfeld schreibt – das klingt
sehr technisch, aber immerhin ist das eine Möglichkeit –,
dann erzwingt man damit, dass sich ein Mensch um die
Steuererklärung kümmert. Ich finde, das ist ein ganz gu-
ter Notanker für den Bürger, der sagt: Ich will mich doch
nicht nur vom Rechner veranlagen lassen .

Um es zusammenzufassen: Insgesamt haben wir eine
gute Diskussionsgrundlage geschaffen, mit der wir sehr
schön weiterarbeiten können . – Frau Präsidentin zeigt
gerade an, dass ich mit meiner Redezeit schon 43 Sekun-
den im Minus bin .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815909500

Vielen Dank . – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da-

mit schließe ich die Debatte .

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/7457 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . Dann
ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr . Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter
Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fra-
cking-Technik

Drucksache 18/7551

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre
dazu keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen,
und ich kann die Aussprache eröffnen, was ich hiermit
auch tue .

Als erste Rednerin hat Julia Verlinden von der Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815909600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Letzten Mai stand hier Umweltmi-
nisterin Hendricks und hat den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung vorgestellt . Das war ein Fracking-Erlaub-
nis-Paket . Aber die Menschen wollen ein Verbot von
Fracking .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Hubertus Zdebel [DIE LINKE])


Ministerin Hendricks sagte damals – das können Sie
im Protokoll nachlesen –, das Parlament könne das Ge-
setz ja auch noch ändern, und zwar gerne in Richtung
weiterer Verschärfungen . Die Vertreter der Bundesländer
im Bundesrat sahen auch noch ganz erheblichen Ände-
rungsbedarf und wir Grüne auch .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Die Linke auch!)


Auch die Experten in den Anhörungen sahen noch zahl-
reiche Probleme beim Gesetz der Bundesregierung . Sie
empfahlen uns Parlamentariern, dringend nachzubessern .

Wir Grüne haben nach der Anhörung in den Ausschüs-
sen unsere Hausaufgaben gemacht . Wir haben in unseren
Anträgen  deutlich  gemacht,  welche  Defizite  wir  beim 
Regierungsentwurf sehen . Und wir haben klargemacht:
Wir Grüne wollen, dass Fracking verboten wird, und wir
wollen, dass neue Regeln auch die Erdgas- und Erdölför-
derung ohne Fracking sicherer und transparenter machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und was ist seitdem bei Union und SPD passiert?
Nichts! Zumindest haben Sie nicht weiter daran gearbei-
tet, dass wir bald über ein Gesetz abstimmen können, das
dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung entspricht;
denn mehr als zwei Drittel der Menschen wollen laut ei-
ner repräsentativen Umfrage ein Fracking-Verbot, und
das zu Recht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Diese Menschen sind in bester Gesellschaft . Auch Ge-
werkschaften, Kirchen und Wirtschaftsverbände kritisie-
ren Fracking . Tausende Kommunen haben Resolutionen
gegen Fracking verabschiedet .

Ich kenne eigentlich nur eine Einzige, die Fracking
wirklich will, und das ist die Erdgasindustrie . Doch zu
welchem Preis? Die Erdgasindustrie will es am liebsten
so machen, wie es leider lange Tradition in der Energie-
wirtschaft war: die Gewinne privatisieren und die Risi-
ken und Folgekosten der gesellschaftlichen Allgemein-
heit überlassen . Das ist ungerecht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


So wie beim Atommüll: Jahrzehntelang fahren die Ener-
giekonzerne Gewinne ein und schütten hohe Dividenden
aus, und jetzt wollen sie am liebsten nichts mehr damit
zu tun haben . Oder bei der Braunkohle: den Menschen
die Heimat wegbaggern und das Klima auf Kosten der

Lothar Binding (Heidelberg)







(A) (C)



(B) (D)


Zukunft kaputtmachen und dann auch noch die Hand
aufhalten und Geld dafür haben wollen, dass sie damit
aufhören . Das ist doch verrückt!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ständig lesen wir neue Hiobsbotschaften, die auf Risi-
ken für Umwelt und Gesundheit bei der Fracking-Tech-
nik und Erdgasförderung hinweisen, und das nicht nur in
den USA, wo massiv gefrackt wird . Dort kam es letzte
Woche im Fracking-Bundesstaat Oklahoma zu einem
der stärksten Erdbeben überhaupt in der Region . Dieses
Erdbeben steht unter dringendem Verdacht, von Fracking
verursacht worden zu sein .


(Bernd Westphal [SPD]: Nur im Verdacht!)


Aber wir müssen gar nicht so weit gucken . Auch hier
in Deutschland gibt es am laufenden Band Meldungen
über mögliche schädliche Folgen der Erdgasförderung .
Auch rund um Förderstätten, insbesondere in Nieder-
sachsen, gibt es regelmäßig neue Erdbeben, wie etwa
letzte Woche im Heidekreis . Die Liste der Gegenden, in
denen Erdöl- und Erdgas gefördert werden und signifi-
kant erhöhte Krebsraten bei Kindern und Erwachsenen
gemeldet werden, wird immer länger . Hinzu kommt der
hohe Wasser- und Flächenverbrauch beim Fracking und
die ungeklärte Frage der Entsorgung giftiger Abwässer .
Zu Recht sind die betroffenen Bürgerinnen und Bürger
besorgt, und sie erwarten, dass Sie als Regierungsfrakti-
onen endlich handeln .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Erdgas ist kein sauberer und klimafreundlicher fossiler
Brennstoff, wie es manche Befürworter gerne behaupten;
denn bei der Erdgasförderung und beim Transport ent-
weicht regelmäßig unkontrolliert Methan, und Methan ist
klimaschädlicher als CO2 – nicht nur ein bisschen schäd-
licher, sondern 20-mal mehr als CO2

Ich will Generationengerechtigkeit . Ich will, dass die-
jenigen zahlen, die Schäden verursacht haben . Ich will,
dass die Politik nach dem Vorsorgeprinzip Entscheidun-
gen trifft, dass Alternativen gewählt werden, die die Ri-
siken minimieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Von diesen besseren Alternativen haben wir in der Ener-
giepolitik zahlreiche .

Die internationale Gemeinschaft hat im Dezember in
Paris beschlossen, dass wir rauswollen aus den fossilen
Energieträgern: Weg vom Öl! Raus aus der Kohle! Und
wenn wir sagen „Dekarbonisierung“, dann heißt das na-
türlich auch: perspektivisch ein Ausstieg aus der Erdgas-
nutzung; denn wir können für Strom, Wärme und Mo-
bilität auf erneuerbare Energien umsteigen und Energie
effizienter einsetzen.

Das geht nicht von heute auf morgen; klar . Aber wenn
wir jetzt schon wissen, dass wir mindestens zwei Drittel
der fossilen Rohstoffe eben nicht verbrennen dürfen, dass
diese Menge unter der Erde bleiben muss, wenn wir das
Klima retten wollen – ja, warum sollen wir denn dann

noch die letzten Reste Erdgas aus dem Boden fracken?
Das macht doch überhaupt keinen Sinn .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es wäre ein fatales Signal, wenn Deutschland nach
Paris wieder einen Schritt rückwärts macht, anstatt auf
die Zukunft zu setzen . Die Zukunft heißt: zuverlässige
und umweltfreundliche Energie . Jetzt heißt es, Alterna-
tiven für unsere Energieversorgung voranzutreiben und
Investitionen entsprechend zu lenken: in Richtung Ener-
giesparen, Energieeffizienz, erneuerbare Energien, auch 
im Wärmemarkt .


(Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Phrasendrescherei!)


Fracking widerspricht dem Klimaschutz . Es wider-
spricht einer klugen Energiepolitik, weil es das fossile
Zeitalter verlängert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen sollte die Politik endlich Rechtssicherheit
schaffen, und Rechtssicherheit bedeutet: Fracking ver-
bieten .

In ihren Wahlkreisen haben im letzten Jahr viele Ab-
geordnete Besuch bekommen . Viele Abgeordnete haben
auf öffentlichen Veranstaltungen oder in der Zeitung er-
zählt, dass sie ja irgendwie auch ziemlich gegen Fracking
seien . Aber warum machen Sie dann nicht endlich ein
richtiges Gesetz, das Fracking verbietet? Sie haben doch
die Mehrheit im Parlament und stellen die Regierung .
Das heißt, es ist Ihre Verantwortung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist doch keine Lösung, wenn Sie den Kopf in den Sand
stecken und hoffen, dass diese Legislaturperiode schnell
vorbeigeht .

Dabei geht es ganz einfach: Sie schreiben ein Fra-
cking-Verbot in einen neuen § 49 a des Bundesbergge-
setzes . Das präsentieren wir Grünen Ihnen hier heute in
unserem Gesetzentwurf noch mal auf dem Silbertablett .
Wir werden das in den Ausschüssen beraten, und bei der
Abstimmung in ein paar Wochen erwarte ich, dass Sie
Ernst machen mit dem, was Sie zu Hause in den Wahl-
kreisen erzählen . Stimmen Sie unserem Fracking-Verbot
zu!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815909700

Als nächste Rednerin spricht Herlind Gundelach von

der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Herlind Gundelach (CDU):
Rede ID: ID1815909800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich freue mich, dass wir heute wieder einmal über Fra-
cking sprechen; denn seit nunmehr fünf Jahren wurde

Dr. Julia Verlinden






(A) (C)



(B) (D)


in Deutschland kein Antrag auf konventionelle Gasför-
derung mit Anwendung der Fracking-Technologie mehr
beschieden .

Die Gasförderung in unserem Land geht kontinuier-
lich zurück, und ganze angegliederte Wirtschaftszweige
fallen in Deutschland weg . Dadurch verlieren wir Ar-
beitsplätze  in  ganz  erheblichem  Umfang,  und  qualifi-
zierte Fachkräfte wandern ab . Solche Prozesse können in
einer Marktwirtschaft zwar unvermeidlich sein, aber sie
sind es nur, wenn ein Produkt nicht mehr konkurrenzfä-
hig ist, und das ist hier ganz entschieden nicht der Fall .

Es gibt in der Bevölkerung Bedenken zur Fra-
cking-Technologie – das haben Sie sehr richtig erkannt,
Frau Verlinden –,


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und die nehmen wir auch sehr ernst . Wir haben daher in
dieser Legislaturperiode an einem Gesetz gearbeitet, das
einen neuen ordnungsrechtlichen Rahmen für eine Tech-
nologie schafft, die wir 50 Jahre ohne größere Zwischen-
fälle angewendet haben . Zwischen 1961 und 2011 fanden
nämlich rund 300 Fracks im Rahmen der konventionel-
len Förderung statt .

Bei unserem Gesetzentwurf – genauso haben wir es
im Koalitionsvertrag festgehalten – stehen der Schutz des
Menschen und seiner Gesundheit sowie die Belange der
Umwelt im Vordergrund .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Hiltrud Lotze [SPD])


Wir – das unterscheidet uns ganz massiv von Ihnen –
wollen einen Gesetzesrahmen, in dem wir Erdgas in
Deutschland unter ökologisch verantwortbaren und wirt-
schaftlich vertretbaren Voraussetzungen fördern können .
Wir wollen auch international einen Beitrag leisten, in-
dem wir zeigen, dass die Förderung von Rohstoffen auch
unter strengen Umweltauflagen wirtschaftlich ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind
uns einigermaßen einig – zumindest die meisten unter
uns –, dass wir bis 2050 in diesem Land nicht ohne fos-
sile Brennstoffe auskommen werden . Anders lautende
Aussagen sind meines Erachtens Wunschvorstellungen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Umweltministerin hat in Paris etwas anderes unterschrieben!)


– Da täuschen Sie sich . Das müssen Sie etwas genauer
lesen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1,5 Grad wird schwierig!)


Unter Umständen können wir vielleicht in nicht allzu
weiter Ferne Strom ohne fossile Energieträger herstel-
len, was aber immer noch nicht heißt, dass das für ein
Industrieland wie Deutschland ausreichend ist; denn wir
brauchen verlässlich 365 Tage im Jahr und 24 Stunden
am Tag Strom . Solange wir nicht ausreichend Speicher-

möglichkeiten haben, könnten wir zwar rechnerisch aus-
reichend Strom produzieren, aber deswegen noch lange
nicht die Versorgung sicherstellen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Laut  der  Energieeffizienzstrategie  Gebäude,  die  wir 
am Mittwoch im Ausschuss behandelt haben, gibt es
in Deutschland derzeit 21,3 Millionen Wärmeerzeuger .
Davon werden gut 10,5 Millionen mit Gas befeuert . Das
bedeutet, dass immer noch die Hälfte aller Heizungen
in Deutschland gasbasiert ist . Ein großes Problem im
Wärmebereich ist, dass Alternativen wie Biomasse, Geo-
thermie, Solarthermie und Photovoltaik nicht für jedes
Gebäude umsetzbar sind bzw . die Umsetzung mit großen
Kosten verbunden ist . Bei Gebäuden mit klassischen Ra-
diatorheizungen zum Beispiel sind Wärmepumpen weni-
ger effizient als in Gebäuden mit Flächenheizungen. Bei 
der Solarthermie gibt es durch die Größe und Ausrich-
tung der Dachflächen Hemmnisse. Solarthermieanlagen 
sind übrigens eine ausgeprägte Konkurrenz für Photo-
voltaikanlagen, die nicht zur Wärmegewinnung genutzt
werden können . Bei der Geothermie haben wir zum Teil
dasselbe Problem wie beim Erdgas: Auch hier muss ge-
frackt werden .

Jetzt werden viele von den Kolleginnen und Kolle-
gen der Grünen sagen: Wir müssen mit Zwang auf die
Nutzung von erneuerbaren Energien im Bereich Wärme
umrüsten – siehe Ihr zuletzt vorgelegter Gesetzentwurf –,
kostet es, was es wolle .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen den Planeten retten! Sie vielleicht nicht!)


Wenn ich einen ersten Blick in die Unterlagen für den
Klimaschutzplan 2050 werfe, der von Ihnen nahestehen-
den Einrichtungen entworfen wurde, denke ich, dass das
genau der von Ihnen präferierte Weg ist .

Ich sagte soeben, dass wir in Deutschland immer noch
sehr viele Gasheizungen haben . In den letzten Jahren
wurden circa 600 000 bis 700 000 entsprechende Wär-
meerzeuger pro Jahr installiert . Im Neubaubereich ist
Gas – auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen – noch
immer der bedeutendste Energieträger .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon einmal etwas von Power-to-X gehört?)


– Davon habe ich durchaus schon gehört, ja . Eine solche
Anlage werde ich übermorgen wieder besuchen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Am heiligen Sonntag?)


Wenn wir in Deutschland kein Erdgas mehr fördern,
können wir nur importieren . Wir machen uns dann gänz-
lich von ausländischen Lieferanten abhängig, die gege-
benenfalls unter schlechten ökologischen und übrigens
auch schlechten arbeitsrechtlichen Bedingungen fördern .
Dass es unter Umständen auch aus außenpolitischer Sicht
Vorbehalte und Probleme mit der innerstaatlichen De-
mokratie in diesen Förderländern geben kann, will ich
in diesem Zusammenhang nur kurz ansprechen und gar
nicht weiter ausführen .

Dr. Herlind Gundelach






(A) (C)



(B) (D)


Ein Verbot hätte daher aus meiner Sicht mindestens
zur Folge, dass wir kein eigenes Gas für die Verstromung
hätten, obwohl Gas unter den grundlastfähigen Energie-
trägern noch immer die beste CO2-Bilanz hat . Wir müss-
ten für die Hälfte der Heizungen in Deutschland Erdgas
aus dem Ausland importieren . Wir würden einem ganzen
Wirtschaftszweig die Arbeit verbieten, und das, nachdem
er über 50 Jahre in Deutschland eine gute Arbeit geleistet
hat . Wir würden indirekt schlechte Arbeitsbedingungen
und eine unter ökologischen Aspekten auch nicht nach-
haltige Förderung im Ausland unterstützen . Ich weise
zum Beispiel auf die Leckagen im Rahmen der Öl- und
Gasförderung in Russland hin .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur da!)


– Aber dort ganz besonders . – Experten sagen, dass bei
bis zu 10 Prozent der Förderungen das von Ihnen zu
Recht kritisierte Methan in großen Mengen in die Luft
entweicht . Wir könnten sagen: Das berührt uns nicht; das
ist ja nicht unsere CO2-Bilanz .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir können auf Energieeffizienz setzen!)


Ich nenne ein solches Verhalten absolut pharisäerhaft .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wie gesagt, das alles wollen wir uns leisten, obwohl Erd-
gas in Deutschland unter marktwirtschaftlichen Aspekten
konkurrenzfähig ist .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion nehmen die Sorgen der Bürge-
rinnen und Bürger bezüglich der Fracking-Technologie
sehr ernst .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es gibt kein Gesetz von Ihnen!)


Es gibt aber nur wenige Themen, die politisch und emo-
tional derart aufgeladen sind – das merkt man auch an
Ihren Reaktionen –, dass eine sachliche Diskussion kaum
noch möglich ist . Das Produkt Erdgas ist unter strengen
Auflagen in Deutschland förderbar und auch konkurrenz-
fähig . Deshalb wäre es nach unserer Auffassung falsch,
Fracking zu verbieten .

Ich werbe daher für einen guten gesetzlichen Rahmen
mit sinnvollen Regelungen .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der denn?)


– Dazu hören Sie gleich noch etwas . – Daher haben wir
in unserem Vorschlag nach intensiven Beratungen, auch
mit durchaus kritischen Geistern in unseren eigenen Rei-
hen, wie Sie wissen, festgelegt, dass zum Beispiel nur
noch solche Frackfluide zugelassen werden – sie beste-
hen heute ohnedies schon zu fast 97 Prozent nur noch aus
Wasser und Sand –, die die Wassergefährdungsklasse 1
haben . Die meisten Shampoos, mit denen wir uns täglich
die Haare waschen, sind schon in Wassergefährdungs-
klasse 2 . Die Gefährlichkeit ist aus meiner Sicht also
überschaubar .

Ferner wollen wir die Pflichten im Rahmen der Um-
weltverträglichkeitsprüfungen massiv ausweiten, so-
dass beispielsweise schon vor der Aufsuchung – also
beim allerersten Schritt, noch vor der Förderung – eine
UVP-Prüfung durchgeführt werden muss . So würde der
gesamte Prozess der Förderung überwacht . Zu den was-
serrechtlichen Implikationen wird, denke ich, der Kolle-
ge Möring nachher sicher noch Stellung nehmen .

Deutschland ist in den Augen vieler unserer Nach-
barn – auch das möchte ich betonen – inzwischen ein
Land geworden, das offensichtlich Innovationen scheut
und überall nur noch unbeherrschbare Risiken sieht .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ui, ui, ui!)


Das, meine Damen und Herren, ist aber nicht der Geist,
mit dem unser Land großgeworden ist, und das ist mit
Sicherheit auch nicht der Geist, mit dem wir unsere Spit-
zenstellung als Industrieland in der Welt halten können .
Deshalb trete ich nach wie vor für die Anwendung inno-
vativer Techniken in Deutschland ein .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel?)


Dazu gehört für mich auch Fracking,


(Lachen der Abg . Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und zwar – das betone ich noch einmal – unter strengen
Umweltauflagen.


(Beifall der Abg . Marie-Luise Dött [CDU/ CSU] – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist nicht Ihr Ernst! Das soll eine innovative Technik sein?)


Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung .
Der Zeitpunkt, zu dem Sie Ihren Gesetzentwurf vorle-
gen, riecht ein bisschen arg nach Wahlkampf . Uns in der
Koalition ist aber an einer sachlichen Diskussion und an
guten, praktikablen Lösungen gelegen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch auch etwas eingebracht! – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir warten ja auf Ihren Gesetzentwurf!)


– Den bekommen Sie . Sie müssen nur noch ein bisschen
warten .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben doch auch etwas eingebracht!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815909900

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Hubertus

Zdebel von der Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)


Dr. Herlind Gundelach






(A) (C)



(B) (D)



Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815910000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Fracking ist eine unbeherrschbare Risikotechnik .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)


Diese Gasfördermethode ist eine Gefahr für Mensch und
Natur . Grundwasserverseuchungen, Erdbeben wie in
Niedersachsen, Mondlandschaften, wie sie sich in den
USA besichtigen lassen, eine miserable Klimabilanz und
eine ungelöste Entsorgungsproblematik sind die Folgen .
Der Einsatz der Fracking-Technik ist nicht zu verantwor-
ten .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Fraktion Die Linke hat daher bereits im Mai letz-
ten Jahres einen Antrag eingebracht, mit dem sie die
Bundesregierung aufgefordert hat, einen Gesetzentwurf
für ein Fracking-Verbot ohne Ausnahmen vorzulegen .
Wir begrüßen es, dass die Grünen nun ebenfalls auf die
Position der Anti-Fracking-Bewegung einschwenken


(Lachen des Abg . Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und sich dieses Thema zu eigen machen .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon lange! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss er ja selber lachen!)


Allerdings muss sich auch das Verhalten der Bundes-
länder mit grüner Regierungsbeteiligung ändern; das will
ich zumindest kurz andeuten . Ein Landesentwicklungs-
plan, der, wie in NRW, die Tür für Fracking weit offen
lässt,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Wer lässt denn da Fracking zu? Hallo?!)


zum Beispiel für Erdöl-Fracking, oder das Abtauchen
des niedersächsischen Umweltministers Wenzel in der
Fracking-Frage – die Vorgänge in Niedersachsen sind ja
gerade angesprochen worden – stehen im Widerspruch
zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf . Da muss sich
auch in den Ländern sicherlich noch das eine oder andere
ändern .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Der Bundesrat hat Verschärfungen beim Fracking gefordert!)


Aber die Große Koalition beharrt offensichtlich stur
auf ihrem Fracking-freundlichen Kurs . Insbesondere die
CDU will eine neue Bombe in Sachen fossiler Energie-
gewinnung zünden . Nach Berichten der Bürgerinitia-
tiven gegen Fracking wollen SPD und CDU/CSU nach
den Landtagswahlen im März einen neuen Anlauf für ein
Pro-Fracking-Gesetz nehmen . Die Mitte letzten Jahres
gescheiterten Verhandlungen sollen so wiederbelebt wer-
den . Damit gibt die Regierungskoalition den Interessen
von Lobbygruppen wie dem Wirtschaftsverband Erdöl-

und Erdgasgewinnung, WEG, nach . Der WEG hat in sei-
ner Pressemitteilung vom vergangenen Dienstag die Ver-
abschiedung des Regelungspakets zu Fracking gefordert .
Dadurch ist auch die Legende von Umweltministerin
Hendricks geplatzt, das geplante Fracking-Recht würde
Fracking verhindern . Das Gegenteil ist der Fall: Die Gas-
und Öllobby benötigt die Rechtsänderungen, um mit dem
gefährlichen Gasbohren beginnen zu können . Nicht an-
ders ist die Lage .

Doch es gibt zwingende Gründe, den Vorhaben der
Konzerne einen Riegel vorzuschieben . So hat die Bun-
desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR,
im Januar ihre überarbeitete Potenzialstudie vorgelegt .
Darin musste sie zugeben, dass Erdbeben durch Fracking
in geologischen Störungszonen im Vergleich zu anderen
geologischen Formationen deutlich stärker sein können .
Kleine Störungszonen können aber in der Regel nicht
im Vorfeld ermittelt werden . Damit wird erneut deut-
lich: Fracking ist gerade hinsichtlich der Erdbebengefahr
nicht beherrschbar .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Bundesverband Erneuerbare Energie hat gerade
zu den aktuellen Szenarien der deutschen Energieversor-
gung eine Kurzstudie vorgelegt . Ihr Ergebnis: Deutsch-
land wird seine selbstgesteckten Klimaschutzziele bis
2020 deutlich verfehlen . Statt einer Reduktion der Treib-
hausgase um 40 Prozent werden nur 32 Prozent erreicht
werden . Auch vor diesem Hintergrund auf den fossilen
Energieträger gefracktes Gas zu setzen, ist verantwor-
tungslos;


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


denn es kommt dabei zu relevanten Emissionen von
Treibhausgasen . In diesem Zusammenhang sei nur das
Methangas erwähnt .

Gerade nach Paris muss aber gelten: Statt die Kli-
makrise zu verschärfen, muss der Ausbau der erneuer-
baren Energien forciert werden . Die BGR hat ferner das
Schiefergaspotenzial in Deutschland deutlich nach unten
korrigieren müssen . Im Vergleich zur Potenzialstudie aus
dem Jahr 2012 wurden die Gasmengen in der Tiefe zwi-
schen 1 000 Metern und 5 000 Metern auf etwa die Hälfte
reduziert . Gefracktes Gas hat damit – im Gegensatz zu
den Behauptungen von Frau Gundelach – bezüglich der
Energieversorgung keine Bedeutung .

Lassen Sie mich daraus die Konsequenz ziehen: Es
gibt lediglich ein betriebswirtschaftliches Interesse der
Gasindustrie an Fracking, aber kein gesellschaftliches .
Auch wegen der katastrophalen Klimabilanz hat Fra-
cking nichts mit einer nachhaltigen Energieversorgung
zu tun . Fracking ist ein Roll-back zu fossilen Brennstof-
fen . Wir fordern stattdessen eine Energiepolitik, die den
Weg für erneuerbare Energien ebnet .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Linke ruft daher dazu auf, sich in den nächsten Wo-
chen an den Aktionen der Antifracking-Initiativen zu be-






(A) (C)



(B) (D)


teiligen . Die Bürgerinnen und Bürger fordern wie wir ein
Fracking-Verbot ohne Ausnahmen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815910100

Vielen Dank . – Als nächster Redner spricht Bernd

Westphal von der SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1815910200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine lieben Kollegen von den Grünen, Sie
kritisieren in Ihrem Gesetzentwurf, dass in diesem Par-
lament über die von der Bundesregierung vorgelegten
Gesetzentwürfe – es sind übrigens zwei – zum Fracking
noch keine Entscheidung getroffen wurde . Ich kann dazu
nur sagen: Es gibt Themen, bei denen man sich die De-
tails genau anschauen muss .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Anhörung ist eine Weile her!)


Es sind ja eben von meinen Vorgängern durchaus Risiken
skizziert worden, die man im Rahmen einer verantwor-
tungsvollen Politik beobachten muss . Nur – wie in Ihrem
Gesetzentwurf gefordert – platt abzulehnen, ist nicht der
Anspruch verantwortungsvoller Politik der SPD .


(Beifall bei der SPD – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Wenn die Risiken groß genug sind, muss man das so machen!)


Die Bundesregierung hat, wie ich finde, ein sehr gutes 
Regelwerk vorgelegt, mit dem die Anforderungen an das
konventionelle Fracking deutlich verschärft werden . Es
sollen Regelungen geschaffen werden, nach denen das
unkonventionelle Fracking erforscht werden soll .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fracking ist Fracking!)


– Nein, das ist es eben nicht .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


– Das ist genau das, Frau Verlinden, was Sie nicht ver-
stehen .

Oberstes Ziel ist und bleibt es, eben genau die höchs-
ten Standards zu setzen, um Trinkwasser, Umwelt, Tiere
und Menschen zu schützen . Deshalb ist das genau die
Überschrift, die über diesem Gesetzentwurf steht . Und
darum ist das auch ein Punkt, über den wir weiter disku-
tieren werden .

Wir sprechen uns aber auch – und da unterscheiden wir
uns von den Grünen – für eine technologische Weiterent-
wicklung und Forschung aus . Wir wollen erforschen, ob
unkonventionelles Fracking irgendwann überhaupt eine
Option sein kann .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie denn vor dem Hin tergrund der Pariser Klimaabkommen? Das macht überhaupt keinen Sinn!)


Dies wollen wir aber nur unter weltweit strengsten Rah-
menbedingungen machen . Deshalb sind die Beispiele aus
dem Ausland, die immer angeführt werden, auch nicht
tragfähig .

Ich erzähle Ihnen auch kein Geheimnis, wenn ich Ih-
nen sage, dass wir als SPD in der Feinabstimmung die
Details sehr verantwortungsvoll mit unserem Koalitions-
partner diskutieren . Deshalb kann das ruhig ein bisschen
länger dauern .

Bitte hören Sie auch damit auf, in der Debatte zu be-
haupten, dass Erdgas- und Erdölförderung den Ausbau
erneuerbarer Energien behindern . Genau das Gegenteil
ist der Fall . Wir brauchen für die Brücke in das Erneuer-
bare-Energien-Zeitalter genau diese umweltfreundlichen
Energieträger wie Erdgas, damit die Energiewende ge-
lingt . Außerdem ist Erdgas auch für die chemische Indus-
trie ein wichtiger Rohstoff .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben!)


Es liegen diverse Gutachten vor – einige sind hier
eben schon zitiert worden –, die sich mit dem Thema Fra-
cking beschäftigen . Keines der Gutachten – auch nicht
die beiden vom Umweltbundesamt – kommt zu dem Er-
gebnis, dass wir Fracking verbieten sollten . Jedes dieser
Gutachten kommt zu der Überzeugung, dass es sicherlich
Risiken gibt, die aber nach heutigen Erkenntnissen be-
herrschbar sind .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber energiepolitisch unsinnig!)


Das gilt auch für die aktuelle Studie der Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe aus Hannover, der
BGR, die mein Vorredner eben einige Male zitiert hat .
Ich zitiere:

Es erscheint angebracht, dass in einem ersten Schritt
Pilotprojekte durchgeführt werden . Dadurch können
Unternehmen und Wissenschaft genauere Aussagen
zu den Vorkommen und zur Wirtschaftlichkeit ei-
ner möglichen Förderung treffen . Gleichzeitig kann
Fragen zur Umweltverträglichkeit nachgegangen
und Wissen über den Aufbau und Zustand des geo-
logischen Untergrunds vermittelt werden .

Und weiter kommt die BGR zu dem Schluss: Aus
geowissenschaftlicher Sicht kann daher grundsätzlich,
unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und der
erforderlichen technischen Standards, der Einsatz der
Fracking-Technologie kontrolliert und sicher erfolgen . –
Das ist eine Aussage im BGR-Gutachten, die Sie, glau-
be ich, überlesen haben . Ich empfehle Ihnen das einfach
noch einmal zur Lektüre .

Ja, Technologie im Allgemeinen birgt immer Risi-
ken, aber wir werden bei der Fracking-Technologie, die
in Niedersachsen im konventionellen Bereich übrigens
schon seit den 60er-Jahren angewandt wird, sicherlich
auch eine Weiterentwicklung haben . Auch im unkonven-

Hubertus Zdebel






(A) (C)



(B) (D)


tionellen Bereich geht es nicht um Fracking um jeden
Preis, sondern ganz im Gegenteil: Wir wollen strenge
Auflagen und größtmögliche Transparenz, und wir wer-
den jetzt Probebohrungen, die durch eine Expertenkom-
mission begleitet werden, auf den Weg bringen . Erst auf
der Grundlage der Ergebnisse dieser Probebohrungen
kann dann eine Entscheidung für oder gegen eine kom-
merzielle Anwendung dieser Technologie gefällt werden .

Diese Offenheit gegenüber der Wirtschaft, der Um-
welt und auch der sozialen Verantwortung unterscheidet
uns von den Grünen, und deshalb lehnen wir Ihren Ge-
setzentwurf ab .

Herzlichen Dank und Glück auf!


(Beifall bei der SPD der CDU/CSU – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie erzählen den Wählern also Märchen!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815910300

Vielen Dank . – Als nächster Redner spricht Karsten

Möring von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt wieder die Nase aus dem Rheinland!)



Karsten Möring (CDU):
Rede ID: ID1815910400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Verlinden, ich verstehe nicht, weshalb Sie es so
bemängeln, dass wir noch keinen Gesetzentwurf verab-
schiedet haben, obwohl Sie doch genau wissen, dass wir
aufgrund von Vereinbarungen mit den Unternehmen, die
fördern, und aufgrund von Vereinbarungen mit den ver-
schiedenen Landesregierungen de facto seit Jahren nicht
fracken .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber eine Rechtssicherheit nützt allen!)


Noch viel mehr wundert mich Folgendes: Sie haben
vorhin sehr ausführlich dargelegt, welche schrecklichen
Ereignisse es in der jüngeren Vergangenheit – sprich: in
den letzten ein, zwei Jahren – alles gegeben hat, die auf
das Fracking zurückzuführen sind . Da frage ich mich:
Wie geht das? Seit Jahren wird nicht gefrackt,


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh man!)


aber aktuell soll es lauter Probleme geben, die durch das
Fracken zustande gekommen sind .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manche Folgen kommen erst später!)


– Nein . Liebe Frau Verlinden, es geht um etwas ganz
anderes . Mit diesem Gesetzentwurf betreiben Sie, um es
einmal deutlich zu sagen, absoluten Etikettenschwindel,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und zwar ganz einfach aus folgendem Grund: Sie sagen,
Sie folgen den Hauptempfehlungen der Ausschüsse des
Bundesrates, und die verlangen ein Fracking-Verbot .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt!)


Der Bundesrat verlangt das aber gar nicht . Er hat dif-
ferenziert Stellung genommen und gesagt, welche Ver-
besserungen er sich vorstellen kann . Das werden wir zu
einem erheblichen Teil auch berücksichtigen und in den
Gesetzentwurf schreiben .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das läuft aber auf ein Fracking-Verbot hinaus!)


Wir werden aber kein Verbot regeln .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sehen Sie dann die Änderungen im Gesetzentwurf von Ihnen? Das, was Sie vorhaben, erzählen Sie den Wählern erst nach der Landtagswahl!)


Sie haben dann gesagt, es gebe sehr viele Fragen, die
beantwortet werden müssen . Und dann schaffen Sie mit
drei wenigen Zeilen alle Probleme aus der Welt!

Schauen wir uns das doch einmal genauer an:

Erster Punkt . Sie sagen, Sie wollen kein Fracken
zur Förderung von Kohlenwasserstoffen, weil Fracken
schlimm ist . Fracken für Geothermie kommt bei Ihnen
aber nicht vor . Es gibt also gutes und schlechtes Fracken .
Das scheint mir nicht besonders konsequent zu sein .

Zweiter Punkt . Wenn wir Ihrem Gesetzentwurf zu-
stimmen würden, dann wäre die Folge, dass die Nie-
dersächsische Landesregierung, an der Ihre grünen Par-
teifreunde beteiligt sind, im Bundesrat dagegenstimmen
müsste;


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir dann erst einmal sehen!)


denn die Niedersächsische Landesregierung legt größten
Wert darauf, dass wir so bald wie möglich wieder mit
der bisherigen Form des Frackings – wenn auch unter
verschärften Bedingungen – beginnen können, damit
die Förderung von Gas nicht mehr auf das halbe Niveau
zurückfallen kann, wie das vor ein paar Jahren gesche-
hen ist, und damit der niedersächsische Haushalt einige
100 Millionen Euro mehr an Konzessionsabgaben ver-
einnahmen kann . Verkaufen die Grünen in Niedersach-
sen ihre Vorstellungen für höhere Haushaltseinnahmen?


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)


Oder sind sie wie wir der Meinung, dass die Risiken bei
diesem Fracken beherrschbar sind? Ich glaube, das zwei-
te ist der Fall .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal die Aussagen der Grünen aus Niedersachsen zu diesem Thema!)


Bernd Westphal






(A) (C)



(B) (D)


Ansonsten müssten Sie Ihren Parteifreunden sagen, dass
sie eine unverantwortliche Politik machen . Das tun Sie
aber nicht .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen gar keine Politik! Das ist der Unterschied! Wo ist denn der Gesetzentwurf?)


– Auch wir machen Politik, Herr Krischer . Warten Sie
es ab .

Der nächste Punkt in diesem Zusammenhang . Sie
schreiben von zahlreichen Übeln und Problemen . Gehen
wir sie einmal der Reihe nach durch: Krebsgefahr . In
epidemiologischen Studien ist das Krebsrisiko statistisch
erfasst . Keiner kann sagen: Gibt es einen Kausalzusam-
menhang, oder woher kommt dieses Risiko?


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Können Sie das Gegenteil beweisen?)


Welche Konsequenz ergibt sich daraus? Das ist genau
das, was die niedersächsische Regierung und das Bun-
desgesundheitsministerium machen . Sie gehen der Fra-
ge nach: Gibt es einen Zusammenhang, oder wo ist die
Quelle einer solchen statistischen Häufung? Dazu kann
man sagen, dass bei den Beschäftigten, die in der Öl- und
Gasförderung tätig sind, solche Erkrankungen nicht auf-
getreten sind .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Weil sie nicht untersucht werden!)


– Hören Sie auf! Natürlich wird das untersucht .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Nein!)


Glauben Sie nicht, dass jemand, der in diesem Bereich
gearbeitet hat und bei dem Krebs diagnostiziert wird,
auf die Idee kommt, einen Zusammenhang herzustellen,
wenn das in der Öffentlichkeit diskutiert wird? Pardon,
aber das ist blauäugig .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Da klatschen noch nicht mal Ihre eigenen Kollegen! – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Witz ist aber nur: Das hat im Zweifelsfall mit der
Gasförderung zu tun, aber nicht mit Fracken . Sie aber
sagen: Fracken ist das Übel .

Seismische Erschütterungen . Alle seismischen Er-
schütterungen, die nennenswerte Bedeutung haben, sind
entweder aufgetreten, ohne dass ein Frack-Vorgang vor-
lag, zum Beispiel aufgrund von Druckentlastung in der
Lagerstätte, oder weil beim Verpressen von Lagerstätten-
wasser mit zu hohem Druck gearbeitet worden ist oder
Schwachstellen aufgetreten sind .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie jetzt dagegen tun? – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Fragen Sie mal Ihre Kollegen!)


Daraus aber wollen Sie ein Fracking-Verbot herleiten .
Daraus können Sie ein Verbot der Verpressung von La-

gerstättenwasser herleiten, wenn Sie wollen, oder ein
Verbot der Förderung schlechthin .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn Ihre Vorschläge?)


Aber mit Fracken hat das nichts zu tun .


(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Sicher hat das mit Fracken zu tun!)


Nächster Punkt: Lagerstättenwasser . Es gibt belastetes
Lagerstättenwasser . Das kommt aber bei jeder Förderung
hoch und hat ebenfalls mit Fracken nichts zu tun .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir doch! Das wollten Sie aber alles letztes Jahr regeln!)


Warum sagen Sie denn, Sie wollen Fracken verbieten,
wenn das, was Sie hier als Schäden anführen, nichts an-
deres als das ist, was bei der Förderung schlechthin pas-
siert?


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn Ihre Vorschläge? – Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Quatsch!)


Dann sagen Sie doch gleich: Wir wollen die Gasförde-
rung einstellen . – Das wäre doch wesentlich ehrlicher .
Aber auch das funktioniert nicht . Deswegen stürzen Sie
sich auf so etwas .

Letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Verunrei-
nigung von Grundwasser . Frack-Fluid wird in Zukunft
nicht giftig sein .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das höre ich schon seit fünf Jahren!)


Das haben wir schon mehrfach gesagt, auch bei früheren
Diskussionen . Die Problematik der Grundwasserverun-
reinigung entsteht, wenn überhaupt, durch belastetes La-
gerstättenwasser . Wie wir damit umgehen, werden wir in
unserem Gesetzentwurf – das ist einer der schwierigsten
Punkte – vernünftig regeln .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann sehen wir den denn mal?)


– Warten Sie doch noch ein bisschen . Ich will ja nicht den
alten Satz bemühen, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit
geht . Aber Sie als Opposition haben einen Vorteil . Sie le-
gen einen Antrag mit drei Sätzen vor . Wir aber werden
einen Gesetzentwurf mit 20 oder 30 Seiten vorlegen, mit
denen Sie sich auseinandersetzen müssen . Darin werden
dann nämlich Dinge geregelt, die Sie völlig ausblenden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die blenden wir nicht aus! Die stehen in unserem Entschließungsantrag, den wir letztes Jahr pünktlich fertig hatten!)


Sie benutzen das Thema Fracken, weil das so schön
praktisch ist . Darunter subsumieren Sie auch alles ande-
re; denn Fracken passt so gut zu Schrecken . Damit kann
man in der Öffentlichkeit richtig Aufregung produzieren .

Karsten Möring






(A) (C)



(B) (D)


Das tun Sie . Aber die sachlichen Punkte, um die es wirk-
lich geht, kommen bei Ihnen nicht vor .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die stehen in dem Entschließungsantrag vom letzten Jahr!)


Wollen Sie vielleicht auch die Gefahrstofftransporte
auf den Straßen verbieten? Was ist denn mit einem Tank-
schiff auf dem Rhein oder auf der Elbe, in dem Tausende
von Litern problematischer Flüssigkeiten transportiert
werden, die bei einem Unfall ins Grundwasser geraten
könnten? Was ist mit Tankwagenunfällen auf der Auto-
bahn?


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ignorieren die Probleme, die gerade existieren!)


Bei diesen Risiken sagen Sie: Okay, das ist Alltag . Das
müssen wir hinnehmen . Diese Transporte haben ja auch
Vorteile . – Aber beim Thema Fracken heißt es bei Ihnen:
Daumen runter . Fracken müssen wir verbieten . – Das ist
zu einfach . Das können wir uns als Industrieland über-
haupt nicht leisten .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen sich endlich um die Herausforderungen kümmern! Sie sind an der Regierung!)


Sie schreiben am Schluss Ihres Gesetzentwurfs unter
Alternativen: „Beibehaltung des unsicheren Zustandes
. . .“, was Sie natürlich nicht wollen . Da haben Sie recht .
Aber Ihre Alternative ist falsch . Denn die Alternative zu
Ihrem Gesetzentwurf ist ganz einfach ein ordentliches
Gesetz, sorgfältig abgewogen und mit genauen Rege-
lungen, wie wir die Risiken minimieren oder verhindern,
und zwar gemäß dem, was wir im Koalitionsvertrag ver-
einbart haben . Darin heißt es nämlich:

Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absolu-
ten Vorrang … Den Einsatz umwelttoxischer Sub-
stanzen … lehnen wir ab .

Genau so werden wir den Gesetzentwurf machen, und
das werden Sie dann auch lesen müssen, von der ersten
bis zur letzten Seite .

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815910500

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Hiltrud Lotze

von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hiltrud Lotze (SPD):
Rede ID: ID1815910600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Dass der Gesetzentwurf zur
Regelung der Fracking-Technologie hängt, ist unbefrie-

digend . Das sage ich als Umweltpolitikerin ganz deut-
lich .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Endlich sagt mal jemand was! Endlich kommt mal ein klarer Satz! – Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ihr müsst einfach nur zustimmen!)


Es gibt dafür Gründe, aber trotzdem ist es bedauerlich .
Denn hätten wir das Gesetz so, wie es im Entwurf vor-
liegt, schon, dann hätten wir bei Fracking-Vorhaben Um-
weltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben, und es
gäbe eine ausreichende und gute Beteiligung von Kom-
munen, Wasserbehörden und vor allen Dingen der Bevöl-
kerung . Das fehlt nämlich im Moment .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In meiner Heimatregion Lüchow-Dannenberg/Lüne-
burg sind bergrechtliche Aufsuchungserlaubnisse erteilt,
und die Menschen dort machen sich natürlich Sorgen, ob
nicht eines Tages vor ihrer Haustür gebohrt oder gefrackt
wird . Ich muss ganz deutlich sagen: Dort sind keine Fra-
cking-Genehmigungen erteilt .

Es ist zwar in Niedersachsen seit 2011 nicht mehr ge-
frackt worden, aber in der Region liegt auch Gorleben .
Dort sind die Menschen einfach misstrauisch, was neue
Technologien angeht .


(Ulrich Freese [SPD]: Ja, das stimmt!)


Deswegen brauchen wir ein Gesetz, das Fracking streng
reguliert oder, wie ich persönlich sage, am besten un-
möglich macht .


(Bernd Westphal [SPD]: Was?)


Mit dem vom Umwelt- und Wirtschaftsministerium
vorgelegten Gesetzentwurf soll genau das kommen: eine
sehr strenge Regulierung . Das ist auch längst überfällig;
denn für uns als SPD steht der Schutz von Mensch und
Natur natürlich im Vordergrund .


(Beifall bei der SPD – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Für uns auch!)


Der Schutz unseres Trinkwassers muss absoluten Vor-
rang vor wirtschaftlichen Interessen haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – MarieLuise Dött [CDU/CSU]: Das stellen wir immer in den Vordergrund!)


Für mich als niedersächsische Abgeordnete ist es
wichtig, dass die seit Jahrzehnten in unserem Bundes-
land praktizierte Förderung von Erdöl und Erdgas künf-
tig rechtlich streng reguliert wird und unter modernen
und hohen Umweltstandards erfolgt . Die vorliegenden
Gesetzentwürfe aus den Häusern Hendricks und Gabriel
werden diesen Anforderungen gerecht .

Fracking bei der sogenannten unkonventionellen Erd-
gasförderung ist aber mit entsprechenden Risiken ver-
bunden . Deswegen ist es aktuell, ohne dass wir mehr
darüber wissen, nicht zu verantworten . Deswegen ist un-

Karsten Möring






(A) (C)



(B) (D)


sere Meinung, dass unkonventionelles Fracking zu wirt-
schaftlichen Zwecken in Deutschland auf absehbare Zeit
nicht stattfinden soll. 


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Auch aus energiepolitischer Sicht ist Fracking nicht der
richtige Weg .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der LINKEN)


Wir haben als SPD-Fraktion und als niedersächsische
Landesgruppe noch Änderungsbedarf in den vorliegen-
den Gesetzentwürfen gesehen und entsprechende For-
derungen formuliert, unter anderem, dass der Deutsche
Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ über den
kommerziellen Einsatz der Fracking-Technologie ent-
scheiden muss statt eine Expertenkommission . Deswe-
gen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Union, leh-
nen wir diese Expertenkommission ab . Das ist bekannt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg zu einer
Energieversorgung aus erneuerbaren Energien ist vor-
gezeichnet . Wir wollen diesen Weg konsequent gehen,
aber nicht holterdiepolter, wie Sie es mit Ihrem vorlie-
genden Gesetzesvorschlag vorhaben, sondern wir wollen
das planvoll und strukturiert machen und Strukturbrüche
in den Regionen vermeiden . Diese würde Ihr Gesetzent-
wurf nämlich auslösen .

Meine Zeit ist um . Ich wünsche allen ein schönes Wo-
chenende .

Vielen Dank .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ich hoffe, es ist nur Ihre Redezeit, Frau Kollegin!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815910700

Die Redezeit war um, genau . – Als nächster Redner

hat jetzt Johann Saathoff von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1815910800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Als Nie-
dersachse ist mir wichtig, zu betonen, dass wir seit Jahr-
zehnten in unserem Bundesland die Förderung von Erdöl
und Erdgas erfolgreich praktizieren und dass sie künftig
mit modernen und hohen Umweltstandards sowie einer
transparenten Bürgerbeteiligung weiterhin erfolgen soll .


(Beifall der Abg . Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


Bei uns wird seit über 40 Jahren Erdgas gefördert, und
das wollen wir auch weiterhin tun, allerdings unter den
verschärften Bedingungen der Umweltverträglichkeits-
prüfung und sicherlich nicht in Wasserschutz- und Trink-
wasserschutzgebieten . Als ehemaliger Bürgermeister ei-
ner Gemeinde, in der Erdgas gefördert wird – allerdings
konventionell, ohne Fracking –, kann ich nicht verheh-

len, dass Erdgasförderung für Gemeinden und damit
auch  für  die Gemeinschaft  gewisse  finanzielle Vorteile 
hat . Diese sollen aber in der heutigen Debatte nicht im
Zentrum stehen .

Von der konventionellen Förderung zu unterscheiden
ist die unkonventionelle Förderung; darüber haben wir
heute schon gesprochen . Ich kann verstehen, dass Sie
mit Ihrem Gesetzentwurf rein ökologische Lösungen
anbieten . Aber die Welt ist leider nicht so monokausal .
Wir hingegen betrachten immer auch die Lage der Be-
schäftigten und die notwendige Versorgung . Das bedeu-
tet nicht, dass die Sorgen der Menschen nicht ernst ge-
nommen werden . Im Gegenteil: Weil wir die Sorgen um
Umwelt und Trinkwasser, aber auch die Sorgen um Ver-
sorgungssicherheit und Versorgungsunabhängigkeit so-
wie die Sorgen um die Umweltauswirkungen in anderen
Ländern ernst nehmen, sieht unsere Lösung nicht einfach
aus . Aber sie wird eher den Menschen im Land gerecht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir wollen durch höhere Standards und entsprechen-
den technischen Fortschritt zum Beispiel bei der Lager-
stättenwasserproblematik und bei der Entwicklung von
Frack-Fluiden ohne Auswirkungen auf die Umwelt die
Risiken der weltweiten Erdgasförderung verringern . Bei
uns sagt man: De een Tied betahlt de anner ut . – Das
bedeutet, dass wir heute Grundlagen schaffen können,
von  denen  unsere Kinder  und Enkel  profitieren  sollen. 
Das gilt für die Energiewende generell; denn selbst wenn
wir Fracking in Deutschland verbieten würden, wird in
anderen Teilen der Welt gefrackt, auch wenn es sich mo-
mentan vielleicht wirtschaftlich nicht lohnt .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Frankreich ist es schon verboten!)


Das so geförderte Gas kommt auch nach Deutschland .
Man kann nicht auf Erdgas setzen, für Deutschland un-
konventionelles Fracking verbieten und sich nicht darum
scheren, wie das importierte Gas produziert wurde . Dass
wir noch einige Jahrzehnte auf Erdgas angewiesen sein
werden, ist kein Geheimnis . Gas ist bei vielen hier im
Hause die bevorzugte fossile Energiequelle, wenn es um
den Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energi-
en geht . Es geht also nicht nur um die Gewinnung von
Erdgas in Deutschland oder Europa, sondern weltweit .

Wir wollen absolut keinen Freibrief für unkonven-
tionelle Erdgasförderung . Wir wollen zunächst genau
untersuchen . Wir wollen Probebohrungen, bei denen
wissenschaftliche Begleitung notwendig ist . Dabei kön-
nen Erkenntnisse gewonnen werden, die weltweit von
Bedeutung sind . Um es klar zu sagen: Fracking darf es
nur geben, wenn Risiken ausgeschlossen werden können .
Somit ist klar, dass es wegen der vorgelagerten Verfahren
in den nächsten Jahren kein Fracking geben wird . Ob es
irgendwann kommerzielles Fracking geben wird, kann
man heute noch nicht verbindlich sagen . Am Ende muss
sichergestellt sein, dass der Deutsche Bundestag über
den kommerziellen Einsatz der unkonventionellen För-
derung entscheidet .


(Beifall bei der SPD)


Hiltrud Lotze






(A) (C)



(B) (D)


Wir wollen also mit einem Gesetz einen Prozess vor-
geben, an dessen Ende hier im Deutschen Bundestag
aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse eine fundierte
Entscheidung getroffen werden kann .


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie die Klimaforscher!)


Dafür brauchen wir ein Gesetz, das einen strengen Rah-
men vorgibt . Das ist nicht die einfache Antwort, die Sie
gerne haben möchten, liebe Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen . Aber eine einfache Antwort ist manch-
mal nicht diejenige, die man in der Regierungsverant-
wortung tatsächlich verantworten kann .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815910900

Vielen Dank . – Damit schließe ich die Debatte .

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/7551 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . Dann
ist das so beschlossen .

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Digita-
lisierung der Energiewende

Drucksache 18/7555
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss Digitale Agenda
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . Gibt es dazu
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so
beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin in der
Aussprache hat die Parlamentarische Staatssekretärin Iris
Gleicke für die Bundesregierung das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1815911000


Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unsere Ener-
giewirtschaft befindet sich in einem beispiellosen Wan-
del . Neben der Reform des Strommarkts und dem Aus-
bau der erneuerbaren Energien wollen wir rechtzeitig für
den Ausbau der notwendigen Infrastruktur sorgen .

Mit dem Gesetzentwurf zur Digitalisierung der Ener-
giewende werden wir verlässliche Rahmenbedingungen
für den Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur der
Zukunft schaffen . Wir wollen standardisierte Kommuni-
kation, und zwar überall dort, wo sie erforderlich ist .

Den Datenschutz haben wir dabei konsequent von
Beginn an mitgedacht . Zusammen mit dem Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik hat das Wirt-
schaftsministerium in jahrelanger Arbeit und unter Ein-
bindung aller Akteure sehr hohe technische Standards
und Vorgaben für Smart Meter Gateways entwickelt .
Denn nur über ein Privacy-by-Design-Konzept, wie es
jetzt im Gesetzentwurf vorgesehen ist, kann man die not-
wendige Akzeptanz bei Bürgern und Unternehmen errei-
chen .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Na!)


Nur über echte Standards kann die Digitalisierung der
Energiewende zum Treiber für Innovationen werden .

Meine Damen und Herren, Kern des Gesetzentwurfs
ist ein klares, transparentes Rollout-Konzept . Dabei geht
es um den Aufbau einer Infrastruktur und nicht um punk-
tuelle Lösungen . Gesetzlich verankerte strikte Preisober-
grenzen sorgen dafür, dass die Kosten beim Verbraucher
nicht den Nutzen der neuen Technik übersteigen . Auch
das ist ein ganz entscheidender Punkt für uns . Auch das
hat etwas mit der Akzeptanz zu tun .

Wir nehmen den Datenschutz ernst .


(Widerspruch des Abg . Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Hier werden keine Daten nur zum Spaß gesammelt . Da-
ten erhalten nur ausdrücklich Berechtigte und nur so weit
es erforderlich ist, damit das System funktioniert . Das
Recht, Daten zu erhalten, folgt der energiewirtschaftli-
chen Aufgabe – und nicht umgekehrt .

Das neue System ist effizient und datensparsam, weil 
es Daten direkt an Berechtigte verteilt . Auf direktem Weg
erhalten in Zukunft Verteilnetzbetreiber und Übertra-
gungsnetzbetreiber alle notwendigen Daten, und sie wer-
den bei allen wichtigen Aufgaben in der Energiewende
unterstützt .

Daher trifft der Gesetzentwurf keine strukturpoliti-
schen Weichenstellungen zugunsten bestimmter Netz-
betreiber . Im Gegenteil: Der Gesetzentwurf verhält sich
gegenüber großen und kleinen Verteilnetzbetreibern glei-
chermaßen neutral . Für den Gesetzentwurf gibt es also
keine Netzbetreiber erster und zweiter Klasse .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Kern geht es da-
rum, die Prozesse und Dienstleistungen weiterzuentwi-
ckeln und die Möglichkeiten der Digitalisierung im Inte-
resse der Bürgerinnen und Bürger sowie im Interesse der
Energiewende zu nutzen .

Lassen Sie uns dieses Gesetzesvorhaben deshalb zü-
gig und intensiv diskutieren und möglichst noch vor der
Sommerpause durch das parlamentarische Verfahren
bringen . Denn damit entsteht baldmöglichst Planungssi-
cherheit für alle .

Johann Saathoff






(A) (C)



(B) (D)


Ich darf mich herzlich für die Zusammenarbeit bedan-
ken, freue mich auf die Beratungen und wünsche auch
Ihnen ein gutes Wochenende .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815911100

Vielen Dank . – Ralph Lenkert von der Fraktion Die

Linke hat als nächster Redner das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815911200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Der heute diskutierte Gesetzentwurf zur
Digitalisierung der Energiewende hat nichts, aber auch
gar nichts mit der Umstellung auf erneuerbare Energien
zu tun .


(Zuruf von der SPD: Das ist Unsinn!)


Konkret sollen in den nächsten Jahren bei allen Haus-
halten intelligente Zähler, Smart Meter genannt, einge-
baut werden – zunächst bei denen mit einem Jahresver-
brauch von über 6 000 Kilowattstunden, später dann auch
bei Haushalten mit geringerem Strombedarf . Diese Zäh-
ler erfassen dann 24 Stunden, also rund um die Uhr, wann
und wie viel Strom Sie verbrauchen und übermitteln dies
sofort dem Netzbetreiber . Wann Sie den PC einschalten,
sich Kaffee kochen, den Wecker stellen, den Kühlschrank
öffnen – all dies wird übertragen .


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


Die Mehrkosten für die Geräte sollen bei 60 Euro liegen .
20 Euro zahlen Sie jährlich für die Datenauswertung .

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie können dann
vielleicht eine momentane Verbrauchsanzeige an Ihrem
Zähler bewundern, oder Sie erhalten auf Antrag inner-
halb von 24 Stunden vom Netzbetreiber eine Mitteilung
über Ihren Stromverbrauch vom vorgestrigen Tag . Genau
das soll Sie motivieren, weniger Strom zu verbrauchen .
Übrigens, direkt live auf Ihren PC oder Ihr Smartphone
erhalten Sie die Verbrauchsdaten nicht . Das ist wohl aus
Datenschutzgründen nicht vorgesehen .

Wie bei allen Datenerfassungen besteht die Gefahr,
dass mit Ihren Daten Schindluder getrieben wird . Neue
Geschäftsmodelle werden bereits für Ihre zukünftigen
Daten entwickelt, und legaler bis illegaler Datenexport
wird explodieren . Zum Beispiel besteht ein gewisses In-
teresse bei Lebensversicherungen: Da läuft Ihr Fernseher
am Samstag zwölf Stunden, und außer den Stromspitzen
vom Kühlschrank ändert sich nichts . Schlussfolgerung:
Dieser Kunde sitzt essend und trinkend vor dem Fern-
seher; das gibt höhere Beiträge . Alle, die behaupten, die
Daten seien sicher, seien daran erinnert: Das Intranet des
Bundestages  war  zertifiziert,  galt  als  sehr  sicher,  aber 
2015 kamen die Hacker .

Es ginge auch anders . In der Schweiz entwickelte man
ein besseres System . Da gibt es variable Preise, je nach
Stromangebot und -nachfrage . Diese Preise sendet der
Stromlieferant an Ihren Zähler zusammen mit der Preis-

vorschau für die nächsten Stunden . Ihr Zähler schaltet
dann entsprechend der Programmierung Ihre Geräte so
zu, dass sie den günstigsten Strompreis nutzen können .
Das spart wirklich, und vor allem werden keine zusätz-
lichen Daten von Ihnen erfasst . Solch ein System würde
die Linke unterstützen .


(Beifall bei der LINKEN)


Übrigens, liebe Bürgerinnen und Bürger, irgendwie
müssen die Daten natürlich aus den Kellern, aus den
Technikräumen und aus den Schaltschränken transpor-
tiert werden . Da gibt es drei Varianten: erstens eine neue
Funkstation in Ihren vier Wänden . Zweitens . Die Signale
werden dem Stromnetz aufmoduliert . Beides erhöht die
Belastung durch elektromagnetische Wellen; gesund ist
das nicht . Oder sollen wir uns – drittens –, liebe Koali-
tion, unsere private Übertragungsrate des Internets mit
dem Messstellenbetreiber teilen?

Sie schweigen zu diesem Thema . Die Union argu-
mentiert, wir brauchten jetzt Smart Meter, damit die
Versorgungssicherheit gewährleistet bleibe . Wann, liebe
Zuhörerinnen und Zuhörer, hatten Sie den letzten Strom-
ausfall?  Durchschnittlich  nur  2,2 Minuten  fiel  im  Jahr 
2015 bei lokalen, meist kommunalen Netzbetreibern der
Strom aus . Das ist Weltklasse . Das schafften die Stadt-
werke ganz ohne Smart Meter bei ihren Kunden .

Warum behauptet dann diese Bundesregierung, nur
mit Messen bei Endkunden und nur bei zentraler Erfas-
sung all unserer Daten durch die Übertragungsnetzbetrei-
ber würde das Stromnetz stabil bleiben? Netzstabilität ist
der Vorwand, mit dem diese Koalition den Herstellern
dieser Geräte ein neues Geschäft vermittelt . Diese Fir-
men äußern sich bereits zuversichtlich . Über 4 Millionen
zusätzlich zu verkaufende Smart Meter pro Jahr brin-
gen einen Umsatz von 240 Millionen Euro zulasten der
Stromkunden .

Ganz nebenbei nimmt die Koalition den kommuna-
len Stadtwerken das Geschäft mit der Stromabrechnung
weg und schiebt es den großen privaten Netzbetreibern
zu . Dass diese Koalition damit den Kommunen dringend
benötigtes Geld für Kitas und Infrastruktur stiehlt, ist un-
gehörig .


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD: Oh!)


Ich fasse zusammen . Dieser Gesetzentwurf bringt
nichts für die Energiewende, aber alles für neue Profite 
für Firmen und private Netzbetreiber . Dieser Gesetzent-
wurf ist ein weiterer Schritt hin zu gläsernen Bürgerinnen
und Bürgern . Die Linke schlägt Ihnen folgerichtig vor:
Vergessen Sie es .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815911300

Als nächster Redner hat Jens Koeppen von der CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke






(A) (C)



(B) (D)



Jens Koeppen (CDU):
Rede ID: ID1815911400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dass dieses Thema sehr ambivalent angegangen wird,
war klar . Die Staatssekretärin hat versucht, auf Vortei-
le und Nachteile hinzuweisen . Aber dass bei Ihnen alles
falsch war, ist wieder bezeichnend . Ich will einmal versu-
chen, mich der Sache realistisch zu nähern .

Man fragt immer: Können intelligente Systeme alle
Probleme lösen? Natürlich können sie nicht alle Proble-
me lösen . Für die einen ist die Digitalisierung Teufels-
zeug, und für die anderen ist sie der Heilsbringer .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Beides ist falsch!)


Ich muss sagen: Nicht nur null und eins zählen oder
schwarz und weiß, sondern wir brauchen die entspre-
chenden Graustufen . Das ist doch ganz klar . Die einen
sagen: Das ist für uns das Thema, um die Energiewen-
de voranzubringen . – Die anderen sagen: Damit ist dem
Datenmissbrauch Tür und Tor geöffnet . Die einen sagen,
es ist transparent und verbraucherfreundlich; die ande-
ren sagen, es können Profile erstellt werden. Dann wird 
natürlich gesagt: Es wird eine neue kritische Infrastruk-
tur aufgebaut . Aber es ist nicht wie bei Marc Elsberg in
Blackout, sondern hier geht es um eine Technologie, die
beherrschbar ist und die kommen soll .

Eins muss man auch sagen: Es geht um eine europä-
ische Richtlinie, die vereinbart wurde und in nationales
Recht umgesetzt werden muss . Jetzt müssen wir schau-
en: Wie bekommen wir das am besten hin, mit allen be-
stehenden Vorteilen? Ich möchte einmal versuchen, mich
den Möglichkeiten, den Chancen und dem Nutzen zu
nähern, um zu zeigen, was wir von dieser Technologie
haben .

Zunächst denke ich, dass – da sind wir uns mit allen
in der Branche einig, auch mit den Verbraucherschutz-
verbänden – ein transparenter Energieverbrauch möglich
ist, dass eine transparente Abrechnung möglich ist, dass
eine Visualisierung – da haben Sie vollkommen unrecht,
Herr Lenkert – möglich ist . Dadurch entsteht mehr Ener-
gieeffizienz. Ich kann in meinem Haushalt Stromfresser 
ausfindig machen und dementsprechend ausschalten. 

Und natürlich habe ich dadurch einen variablen
Stromverbrauch . Natürlich habe ich variable Tarife . Na-
türlich kann kundenbezogen, angebotsbezogen gearbei-
tet werden . Das ist alles nachgewiesen . Ich darf nur daran
erinnern: Wir hatten ja früher die Nachtspeicherheizung;
Sie werden sich daran erinnern, wir haben sie eigentlich
immer noch .


(Zuruf von der SPD: Ich habe die immer noch!)


Da gab es eine analoge Uhr . Die hat man von 22 Uhr
bis 6 Uhr morgens eingeschaltet, und dann hat man das
Nachttal aufgefüllt . Die neue Technologie bietet dem-
gegenüber eine große Chance . In der Uckermark und in
Barnim zum Beispiel stehen 700 Windkraftanlagen . Aber
es gibt nicht genügend Netze, die den Strom angebotsbe-
zogen zum Verbraucher schaffen . Es könnte doch eine
Möglichkeit sein, dass, während ich hier mit Ihnen rede,

der intelligente Zähler sagt: Der Strom ist jetzt 20 Pro-
zent günstiger; also ist es jetzt sinnvoll, dass das Haus
geheizt wird oder der Supermarkt seine Klimaanlage an-
schaltet, was auch immer . Das ist immerhin besser, als
den Strom abzuschalten und trotzdem zu vergüten, wie
es zurzeit bei Redispatch möglich ist . Das wollen wir er-
reichen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Und es ist auch möglich, Überproduktion bei einer gerin-
gen Nachfrage in nutzbare Energie zu verwandeln .

Natürlich ist die Direktvermarktung von erneuerbaren
Energien auch ein Thema bei Smart Metern, bei diesen
intelligenten Systemen . Wir bekommen die Volatilität,
die wir bei erneuerbaren Energien nun einmal haben, da-
durch ein bisschen besser in den Griff, dass der Strom
dann, wenn er – bei großer Windstärke oder starker Son-
neneinstrahlung – verfügbar ist, angebotsbezogen an die
Kunden geleitet wird . Und ich erreiche durch die Span-
nungsstabilität eine entsprechende Netzstabilität und
auch eine bessere Auslastung des Netzes . Wenn wir das
flächendeckend  haben,  können wir  eventuell  sogar  auf 
das eine oder andere Netz verzichten .

Aber wo es Licht gibt, gibt es auch Schatten, und da-
r
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1815911500
Wir haben den weltweit kon-
sequentesten Ansatz bei dieser Technologie; denn wir sa-
gen: Wir lassen nur intelligente Zähler zu, die ein ganz
klares Schutzprofil haben, vom Bundesamt für Sicherheit 
in der Informationstechnik zertifiziert. Ohne dieses Zerti-
fikat darf es keinen Zähler geben. Dieser Schutz der Ver-
braucherdaten steht für uns an oberster Stelle . Das sehen
Sie auch an den Papieren vom Ministerium; erst danach
kommen die Vorteile . Ich glaube, das ist der richtige An-
satz .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eins muss man auch klar sagen: Bis 10 000 Kilowatt-
stunden – der Durchschnitt liegt bei 3 500 bis 4 000 –
passiert überhaupt nichts . Da bekommen Sie wie bisher
einmal im Jahr eine Abrechnung; einmal im Jahr werden
die Daten übermittelt,


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Außer der Messstellenbetreiber will das!)


wenn man nicht einen anderen Tarif haben möchte . Wenn
man bei dem Tarif bleiben möchte, gibt es eine einmalige
Übertragung im Jahr, und damit ist es gut . Das können
Sie selbst entscheiden . Es gibt das Opt-in, es gibt das
Opt-out; man kann sagen, ob man das möchte oder nicht .

Es gibt ganz klare und ganz strenge Löschvorschrif-
ten. Es gibt keine detaillierten Nutzerprofile. Sie können 
keine Profile auslesen. Sie können keine Lebensgewohn-
heiten, wie es eben gesagt wurde, auslesen . Sie werden
nicht von Ihrem Kühlschrank ausspioniert . Denn die Da-
ten werden aggregatisiert und anonymisiert abgegeben .
Ich glaube, es ist wichtig, zu wissen, dass man, wenn
man keinen anderen Tarif wählt, das nutzen kann .

Es gibt – das ist ganz klar – natürlich keinen hundert-
prozentigen Schutz; den gibt es nirgendwo in der Welt .






(A) (C)



(B) (D)


Aber sich daher zu verstecken und zu sagen: „Wir müs-
sen das Ganze so lange regulieren, dass dieses Geschäfts-
modell und die damit verbundenen Chancen nicht mehr
möglich sind“, halte ich für falsch .

Ich möchte, auch mit Blick auf das Ministerium, noch
auf einige Punkte in diesem Gesetzentwurf eingehen .

Ich persönlich denke, dass das Rollout in Deutschland
zu lange dauert . Der Großteil des Rollouts besteht darin,
dass wir erst 2020 mit der Installation der Zähler anfan-
gen . Schon zuvor müssen bei einigen Großverbrauchern
die neuen Zähler installiert werden; aber erst ab 2020
geht es so richtig los . Dann werden viele Länder in Eu-
ropa mit der Installation schon fertig sein . Wir hingegen
werden dann erst mit der Installation von 80 Prozent die-
ser Anlagen beginnen . Ich weiß nicht, ob das so gut und
ob das dann noch wirtschaftlich ist . Wenn andere Länder
besser sind, verlieren wir auch hier den Anschluss und
können das, was wichtig und notwendig ist, nicht nutzen .
Vielleicht sollten wir da ein bisschen zügiger vorange-
hen .

Ein weiterer Punkt ist – er bereitet mir ein bisschen
Bauchschmerzen –: Im Gesetzentwurf steht, dass die
Datenauswertung und die gesamte Bilanzierung bei den
vier großen Übertragungsnetzbetreibern angesiedelt sein
sollen . Das sollten wir überdenken .


(Beifall des Abg . Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich meine, dass es besser wäre, wenn die Daten ein Stadt-
werk auswertet und nicht die vier großen Netzbetreiber .
Ich glaube, das Vertrauen der Menschen in die Verteil-
netzbetreiber ist größer als das in die Übertragungsnetz-
betreiber . Ich stelle einfach einmal zur Überlegung, dass
wir in der zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzent-
wurfs da noch eine Änderung zustande bringen . Ich hiel-
te das für besser, insbesondere was die Akzeptanz durch
die Menschen angeht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Bei der Auskömmlichkeit sollten wir vielleicht
noch ein paar Gedanken darüber verschwenden, ob die
Preisobergrenzen den Brutto- oder den Nettowert ange-
ben . Es geht dabei um all das, was eingepreist werden
muss.  Ich  bin  für  flexible  Preisobergrenzen. Viele An-
bieter sagen nämlich: Es ist möglich, Preise unter den
Preisobergrenzen, die jetzt gesetzt wurden, festzulegen .
Vielleicht kann man das Ganze flexibler gestalten. Aber 
wir müssen überlegen – es wäre gut, bis zur nächsten Le-
sung diesbezüglich noch ein paar Berechnungen zu be-
kommen –: Geben die Preisobergrenzen den Brutto- oder
den Nettowert an? Wie gestalten sich die Preisobergren-
zen ganz genau? Darüber sollten wir in der Anhörung
noch einmal miteinander beraten .

Meine Damen und Herren, Smart Meter, das ist kein
Selbstzweck . Das ist eine große Innovationskraft, die
Deutschland nutzen sollte . Wir sind bei der Digitalisie-
rung oft Vorreiter gewesen . Mittlerweile sind wir aus
Angst vor der eigenen Courage aber selbst ein bisschen
Bremser . Wenn wir die Fragen offen angehen und letzt-
endlich miteinander gut beraten, auch bei unserer bevor-

stehenden Anhörung, können wir zu einem guten Ergeb-
nis kommen . Das wünsche ich mir .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815911600

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Oliver

Krischer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815911700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vielleicht sollten wir bei der Debatte über diesen Gesetz-
entwurf feststellen: Es wäre angemessen gewesen, den
Titel eine Nummer kleiner ausfallen zu lassen . Es geht
nämlich nicht um die Digitalisierung der Energiewende .
Sie findet  seit  langem  statt  –  trotz  dieser Bundesregie-
rung, trotz einer problematischen Gesetzgebung . Da tun
sich Unternehmen zusammen, verbinden Anlagen, schaf-
fen virtuelle Kraftwerke . Das läuft alles .

Was Sie hier vorlegen, ist der Entwurf eines Gesetzes,
das die rechtlichen Grundlagen dafür schafft, dass die
durch einen Stromzähler zu einem bestimmten Zeitpunkt
erfassten Daten über den Stromverbrauch übermittelt
werden . Das ist keineswegs trivial; aber es ist auch kei-
ne Weltrevolution. Dergleichen findet in vielen anderen 
Ländern schon statt .

Schon die letzte Große Koalition – ihre Regierungs-
zeit ist schon länger her – hatte sich vorgenommen, einen
solchen Gesetzentwurf zu verabschieden . Das ist dann ir-
gendwie gescheitert . Schwarz-Gelb hatte die Verabschie-
dung eines solchen Gesetzentwurfs großtönend im Koa-
litionsvertrag angekündigt . Auch das ist gescheitert . Jetzt
ist auch diese Koalition schon eher in der Endphase der
Wahlperiode, und nun kommt dieser Gesetzentwurf auf
den Tisch . Wir haben ja eben in der Debatte über die Fra-
cking-Technik gesehen: Gesetzentwürfe, die das Licht
der Welt erblicken, können irgendwie im Bundestag ver-
sacken . Insofern ist der vorliegende Gesetzentwurf alles
andere als eine Revolution .

Kollege Lenkert, Ihre Position habe ich, ehrlich ge-
sagt, ebenfalls nicht verstanden . Dass wir die Technik
von vor 100 Jahren beibehalten und an dieser Stelle ein-
fach keine Innovationen wollen, kann auch keine Per-
spektive sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Man darf jetzt auch nicht so tun, als werde alles am
Ende automatisch gut; denn ein Grundproblem, das die
Kollegen hier angesprochen haben, lösen Sie mit diesem
Gesetzentwurf nicht . Sie wollen den Menschen diesen
Zähler vorschreiben, aber Sie können den Menschen kei-
nen wirklichen Benefit  bieten. Das  liegt  einfach daran, 
dass Sie diesen Gesetzentwurf nicht mit Ihrer sonstigen
Gesetzgebung verknüpfen . Wir diskutieren hier auch
über ein Strommarktgesetz, aber die Verbindung dieses
Gesetzentwurfs  zum  Strommarktgesetz  finde  ich  über-

Jens Koeppen






(A) (C)



(B) (D)


haupt nicht . Ich habe das Gefühl, Frau Gleicke, dass bei
Ihnen im Ministerium unterschiedliche Abteilungen da-
ran geschrieben haben, die gar nicht wussten, dass andere
auch daran arbeiten . Da sehe ich ein Riesenproblem, für
dessen Lösung wir hoffentlich in der weiteren Debatte
die Verknüpfungen hinkriegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815911800

Jetzt haben Sie Atem geholt . Ich möchte nämlich die

Frage an Sie stellen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815911900

Aber gern .


(Zuruf von der SPD: Wir wollen nach Hause!)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1815912000

Kollege Krischer, vielen Dank, dass Sie die Zwischen-

frage gestatten . – Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen be-
kannt ist, dass in der Schweiz das System Swiss Meter
entwickelt wird, das die heutigen Stromzähler ablösen
kann? Diesem intelligenten System werden die Daten der
Netzbetreiber und die Strompreise zur Verfügung gestellt .
Ihnen wird die Information zur Verfügung gestellt, wie
die Preisentwicklung in den nächsten Tagen und Stunden
sein wird . Das habe ich vorhin explizit erklärt und habe
gesagt, dass wir als Linke dieses System als technischen
Fortschritt durchaus begrüßen, weil es energiewirtschaft-
lich sinnvoll ist und Datenschutz berücksichtigt .


(Beifall bei der LINKEN)



Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1815912100

Ja, Herr Kollege Lenkert, das ist ja schön . Aber dann

erwarte ich von Ihnen, dass Sie ein solches System vor-
schlagen und sagen, wie man den vorliegenden Gesetz-
entwurf an der Stelle tatsächlich verbessern kann . Ich
erwarte, dass Sie sich mit den Fragen konkret auseinan-
dersetzen, damit das, was Sie da vielleicht richtigerweise
wollen, entsprechend umgesetzt werden kann . Einfach
nur zu sagen: „So ist es Mist, aber es gibt da irgendet-
was anderes, das wollen wir dann vielleicht irgendwie
machen“, ohne zu erklären, wie es gehen soll, das finde 
ich – ehrlich gesagt – ein bisschen dünn . Da muss man
dann schon etwas konkreter werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber ich will noch einmal auf den Benefit zurückkom-
men . Sie können den Verbrauchern einfach keinen Bene-
fit anbieten, weil es überhaupt keine lastabhängigen Tari-
fe gibt, von denen die Verbraucher einen Nutzen hätten .


(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Selbstverständlich gibt es die! Das ist doch Voraussetzung dafür!)


– Nein, die gibt es nicht . Denn Ihr Gesetzentwurf regelt
nicht, dass dieser lastabhängige Tarif an den Smart Meter
gesendet werden kann . Da schaffen Sie überhaupt keine
Regelung . Gucken Sie in Ihren eigenen Gesetzentwurf

hinein! Deshalb führt das am Ende dazu, dass Sie alle
herausnehmen, die unter 6 000 Kilowattstunden verbrau-
chen  –  das  finden wir  im  Prinzip  richtig  –, womit  Sie 
Ausnahmen von der Ausnahme machen .

Herr Koeppen, das, was Sie gesagt haben, stimmt ein-
fach nicht . Der Oliver Krischer als Eigenheimbesitzer
im Rheinland braucht nach Ihrem Gesetzentwurf keinen
Smart Meter zu nehmen – der kann darauf verzichten;
der könnte ihn freiwillig nehmen –, der Oliver Krischer
in einer Mietwohnung in Berlin muss den Smart Meter
aber nehmen, wenn der Vermieter das will .

Das Gleiche gilt, wenn der Netzbetreiber den Smart Me-
ter vorschreibt . – Das ist eine Ungleichbehandlung und
eine Zwangsbeglückung .

Ich sage Ihnen: Gerade mit Blick auf den Datenschutz
wird das nicht funktionieren . Wenn Sie eine Zwangsbe-
glückung vornehmen, können Sie nicht gleichzeitig auch
noch eine Ungleichbehandlung machen . Meine Damen
und Herren, das zerstört die Akzeptanz, und dann werden
Sie mit diesem Gesetzentwurf scheitern . Das sollten Sie
sich im weiteren Verfahren einmal sehr genau überlegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dann gibt es ein weiteres Problem, auf das man hin-
weisen muss . Das sind Eigenerzeuger, das sind Leute,
die Photovoltaik- oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
haben . Die müssen dann ab 7 Kilowatt Leistung einen
Smart Meter zwangsweise nehmen .

Also ganz offen gesagt: Darunter sind viele, die das
eher als Minusgeschäft betreiben, die daran überhaupt
nichts verdienen, die das aus Engagement für die Ener-
giewende machen . Jetzt bürden wir denen wieder eine
Last auf, ohne dass sie nur irgendetwas davon haben .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Mir kommen ja die Tränen!)


Meine Damen und Herren, das gefährdet die Akzep-
tanz . So kommen wir bei der Photovoltaik und bei der
Kraft-Wärme-Kopplung – beides wollen wir ja; Herr
Pfeiffer sicherlich nicht, aber viele andere hier im Haus –
nicht voran, dabei wollen wir sie ausbauen .

Dann der letzte Punkt – da bin ich froh, dass die Kol-
legen von der Union ihn angesprochen haben –: Ich ver-
stehe überhaupt nicht, warum diese Daten an die Übertra-
gungsnetzbetreiber geschickt werden sollen . Die gehören
in den Verteilnetzbetreiber . Denn wenn das Ganze einen
Sinn machen soll, dann brauchen wir Regelungen auf der
möglichst niedrigsten Ebene . Wir wollen, dass Verbrauch
und Erzeugung im Stadtteilbereich, im Bereich der Stra-
ße intelligent gesteuert werden können . Wenn die Daten
ein Verteilnetzbetreiber wie Tennet bekommt, der ein
Netz von Flensburg bis Oberammergau hat, ist es mir ein
völliges Rätsel, wie das dezentral gesteuert werden soll .
Ich finde also, da gibt es noch einiges nachzuarbeiten.

Zusammenfassend: Sie legen einen Gesetzentwurf
vor, der vom Thema her seit langem überfällig ist, der
aber an vielen Stellen Probleme aufweist, der viele Da-
tenschutzfragen nicht beantwortet, der eine Ungleichbe-
handlung einführt, der in Teilen eine Zwangsbeglückung
zur Folge hat . Ich hoffe, dass wir die Beratungen nutzen

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


können, um diesen Gesetzentwurf – ich habe auch bei
Ihnen ja die eine oder andere Kritik gehört – insgesamt
zu verbessern, damit nachher etwas Gutes für die Ener-
giewende herauskommt, damit der Verbraucher etwas
davon hat und damit die Fragen des Datenschutzes, die
ganz wichtig sind, auch vernünftig geklärt werden .

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815912200

Als nächster Redner hat Florian Post von der

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Florian Post (SPD):
Rede ID: ID1815912300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich dich,
lieber Oliver Krischer, zu der Erkenntnis beglückwün-
schen, dass die Energiewende trotzdem stattfindet – mit 
dieser Koalition, mit dieser Bundesregierung .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Worte machen das!)


– Da haben wir ja schon ganz andere Worte und Aussa-
gen hier im Plenum gehört .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da habe ich was falsch gemacht!)


Das ist aber schon einmal ein Fortschritt . Da muss ich
also ausdrücklich zustimmen .

Digitalisierung betrifft mittlerweile immer mehr Le-
bensbereiche, geht vom Musikhören über das Einkaufen,
Kommunizieren bis hin zum Sport . Daten sind also längst
ein Rohstoff für ganze Industrien geworden . Der Fort-
schritt bei der digitalen Speicherung und Verarbeitung
von Daten birgt auch erhebliche Chancen für die Ener-
giewirtschaft . Da unser Stromsystem zunehmend dezen-
tral und volatil wird, wird natürlich auch eine intelligente
Netzsteuerung immer wichtiger, die einen Beitrag zur
Versorgungssicherheit und Stabilität dieser Netze leisten
kann . Der Einbau von Smart Metern wird hier ein erster
Schritt sein . Dabei kann natürlich dann auch der Netz-
ausbau auf Verteilnetzebene reduziert werden . Es gibt
aber auch weitere Effekte: Es wird mehr Transparenz
auf Verbraucherseite geschaffen und dadurch wiederum
die Möglichkeit zum Einsparen eröffnet . In Verbindung
mit variablen Tarifen kann darüber hinaus eine Steuerung
bzw. Beeinflussung des Verbraucherverhaltens erfolgen.

Das mit dem Gesetz geplante Rollout intelligenter
Messsysteme ist ein erster Schritt . Wir legen hiermit also
lediglich den Grundstein für tiefgreifende Veränderun-
gen in der Prozessorganisation der Energieversorgung .
Es gibt allerdings auch Spannungsfelder, die vom Kolle-
gen Koeppen, aber auch vom Kollegen Oliver Krischer
zu Recht angesprochen wurden . Wir haben Probleme
oder Diskussionspunkte beim Verbraucherschutz, bei
den Kosten  und  auch  bei  der Definition  von Marktrol-

len, gerade auch das Spannungsfeld Verteilnetzbetreiber/
Übertragungsnetzbetreiber, zu berücksichtigen

Der vorliegende Gesetzentwurf soll die Marktrollen
zwischen Verteilnetzbetreibern und Übertragungsnetz-
betreibern verändern . In Zukunft soll demnach für die
Datenaggregation nicht mehr der Verteilnetzbetreiber
zuständig sein, sondern der Übertragungsnetzbetreiber,
der dann auch für die Bilanzierung dieser Daten zustän-
dig wäre . Das würde in der Tat eine Zentralisierung der
Datenhoheit bedeuten . Hier muss man sich ganz genau
anschauen, ob die Verteilnetzbetreiber in Zukunft die
Systemaufgaben, die sie bisher schon haben, überhaupt
noch erfüllen können, ob sie auf die Daten, die sie benö-
tigen, auch tatsächlich zugreifen können und ob sie ihrer
Systemverantwortung in einem zunehmend dezentral or-
ganisierten Markt gerecht werden können .

Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung – Kol-
lege Koeppen hat es ja angesprochen –, dass wir uns die
Vor- und Nachteile, die mit einer solchen Verlagerung
vom Verteilnetzbetreiber zum Übertragungsnetzbetreiber
verbunden sind, noch einmal in Ruhe anschauen und uns
fragen sollten, ob das wirklich so stattfinden soll. In der 
Tat – Sie haben das Thema Akzeptanz angesprochen –
ist es ja doch so, dass die Bürger vor Ort ihrem lokalen
Energieversorger bzw . Verteilnetzbetreiber eine höhere
Akzeptanz entgegenbringen als einem anonymen Über-
tragungsnetzbetreiber . Daher ist es der richtige Weg, wie
von Staatssekretärin Gleicke aufgezeigt wurde, wenn
in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit
in der Informationstechnik und der Bundesnetzagentur
hier Schutzstandards formuliert werden, die dem hohen
Datenschutzanspruch der Bürger gerecht werden . Das ist
auch ein Weg hin zu mehr Akzeptanz, und dieser Weg ist
von unserer Seite her zu begrüßen .

Die anderen Punkte werden wir in den nächsten Wo-
chen und Monaten sicherlich noch ausgiebig miteinander
diskutieren . In diesem Zusammenhang wünsche ich auch
von meiner Seite ein schönes und erholsames Wochen-
ende .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815912400

Hansjörg Durz hat als Nächster das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hansjörg Durz (CSU):
Rede ID: ID1815912500

Vielen Dank . – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Verschiedene Redner haben unterschiedli-
che Stellen im Gesetzesentwurf kritisiert und Verbesse-
rungen vorgeschlagen . Das ist auch absolut nachvollzieh-
bar . Herr Lenkert hat gemeint, dass das Thema insgesamt
überhaupt nichts mit der Energiewende zu tun hat . Das
verwundert mich schon ein klein wenig .

Wir sind uns bei der Digitalen Agenda insgesamt ab-
solut einig, dass die Digitalisierung ein ganz zentraler

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


Baustein der Energiewende sein wird . Demnach sind wir
uns bei der Digitalen Agenda über alle Fraktionen hin-
weg einig, dass wir diesen Bereich voranbringen müssen .
Ich werde versuchen, einmal zu erläutern, warum es doch
einen Zusammenhang zwischen Energiewende und Digi-
talisierung gibt .

Bei der Energiewende, beim Ausbau der erneuerbaren
Energien kommen wir stetig voran . Im Jahr 2015 lag der
Anteil der Erzeugung – das wissen Sie alle sehr gut – bei
etwa einem Drittel des Stromverbrauchs . Wir sind damit
über Plan . Damit erreichen die Erneuerbaren im Vergleich
zum Jahr 2000, wo es noch ein Anteil von 7 Prozent war,
mittlerweile einen Anteil von 33 Prozent . Während der
Anteil der konventionellen Erzeugung stetig gesunken
ist, hat sich der Anteil der Erneuerbaren mehr als ver-
achtfacht. Ausfluss dessen ist, dass in Deutschland mitt-
lerweile über 1,5 Millionen EEG-Anlagen in das Netz
einspeisen . Das zeigt sehr deutlich, dass die Transfor-
mation des Energiesektors mit großen Schritten voran-
kommt. Wir befinden uns in einer gigantischen Umbau-
maßnahme des kompletten Energieversorgungssystems .
Während in der alten Welt nur in eine Richtung Energie
floss, nämlich vom Erzeuger hin zum Verbraucher, ist das 
dezentrale Energieversorgungssystem der Zukunft durch
bilaterale  Energie-  und  damit  auch  Informationsflüsse 
gekennzeichnet .

Mit der Zunahme der Zahl kleiner und dezentraler
Stromerzeuger nimmt auch der Anteil von Erzeugungs-
einheiten  zu,  die  fluktuierend  in  das  Netz  einspeisen. 
Sonne und Wind stehen im Jahresverlauf nicht immer
planbar und verlässlich zur Verfügung . Zudem erfolgt die
Einspeisung zumeist regional unterschiedlich und selten
über das ganze Land verteilt einheitlich . Diese Volatilität
stellt uns vor enorme Herausforderungen . Diesen begeg-
nen wir unter anderem durch den Ausbau der Netze, der
Übertragungs- und der Verteilnetze . Wir brauchen aber
nicht nur mehr Netze, sondern insbesondere intelligente-
re Netze . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bietet uns
die Digitalisierung hier enorme Chancen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bei den Netzverbrauchern, den Netzbetreibern und
den Erzeugern fallen riesige Mengen von Daten an, die
bislang weitgehend brachliegen . Ziel des Gesetzentwurfs
ist, die Letztverbraucher in Deutschland mit sogenannten
intelligenten Messsystemen auszustatten, die zukünftig
als Kommunikationsplattform im intelligenten Energie-
netz dienen . Die intelligenten Messsysteme sind damit
ein zentraler Baustein der Energiewende . So werden
Stromerzeuger und Verbraucher intelligent miteinander
verknüpft, damit Informationen über Erzeugung und Ver-
brauch ausgetauscht werden können . Damit stehen den
Netzbetreibern genauere Daten zur Verfügung, die ihnen
helfen, das Netz zu optimieren und den Ausbaubedarf ex-
akter bewerten zu können . Das erhöht die Versorgungssi-
cherheit und spart auch Kosten .

Die Digitalisierung der Energiewende hat aber nicht
nur Vorteile für die Integration der Erneuerbaren, sie ist
nicht nur für die Netzentwicklung von entscheidender
Bedeutung, für die Energiewende insgesamt, sondern sie

bringt auch große Vorteile für die Bürger, was gelegent-
lich ein bisschen angezweifelt wird .

Zum einen wandelt sich die Rolle des Verbrauchers
grundlegend . Der ehemals inaktive Konsument kann sich
mit Unterstützung von digitaler Infrastruktur zum – neu-
deutsch – Prosumer entwickeln . Dieser partizipiert aktiv
am Energieversorgungssystem . Im einen Moment kann
der Haushaltskunde Konsument sein und Strom von
seinem Anbieter beziehen, im nächsten Moment kann
er als Produzent von Strom auftreten, indem er durch
seine PV-Anlage oder seine Wärmepumpe seine eige-
ne Energie umwandelt und diese in das Netz einspeist .
Dies ist einer der Vorteile, der mit der Digitalisierung der
Energiewende verbunden ist . Er schafft die technische
Voraussetzung, dass der Bürger zum aktiven Akteur der
Energiewende werden kann .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum Zweiten kann es durch die intelligente Nutzung
von Daten außerdem gelingen, über Marktsignale Anrei-
ze zu schaffen . Für den Stromkunden wäre es dank inno-
vativer, flexibler Tarife möglich, genau dann Strom nach-
zufragen, wenn dieser besonders reichlich zur Verfügung
steht und entsprechend günstig zu erwerben ist .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber genau dafür schaffen Sie mit dem Gesetz keine Grundlage! Das ist doch das Problem!)


Andererseits besteht für Erzeuger die Möglichkeit, ihre
Anlagen in Verbindung mit einem Speicher zum Beispiel
so zu steuern, dass sie ihren Strom dann anbieten, wenn
dieser besonders gefragt und entsprechend teuer ist .

Gleichzeitig erhält der Verbraucher eine weitaus bes-
sere Verbrauchsanalyse als heute, mit der er auf Grund-
lage präziser Informationen sein Verbrauchsverhalten
auswerten kann . Praxiserfahrungen zeigen, dass bereits
Verbrauchstransparenz zu Verbrauchsreduktion führen
kann .

Bei allen Vorteilen, die mit der Digitalisierung der
Energiewende verbunden sind, werden wir bei der Aus-
gestaltung auch die Risiken genauer in den Blick neh-
men . Im Zuge der Digitalisierung müssen wir uns im-
mer auch die Frage stellen: Was passiert mit den Daten?
Mit der zunehmenden Vernetzung müssen die Fragen
des Datenschutzes sowie der Datensicherheit mitge-
dacht werden . Wir brauchen eine hochsichere Kommu-
nikationsinfrastruktur für unser Energiesystem . Das vom
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
entwickelte Schutzprofil  sowie die  technischen Richtli-
nien versprechen ein enorm hohes Schutzniveau; das ist
bereits mehrfach bei Kollegen angeklungen . Übrigens
sprechen Experten sogar davon, dass wir hier ein Schutz-
niveau erreichen, das über dem des Onlinebankings liegt .
Daran sieht man auch: Sicherheit hat höchste Priorität .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dennoch: Aufgrund des erhöhten Anfalls von Daten,
die Aufschluss über das Verbrauchsverhalten von Haus-
halten geben können, ist der Einbau datenrechtlich sensi-

Hansjörg Durz






(A) (C)



(B) (D)


bel . Daher werden wir Wert darauf legen, dass der Kunde
Herr über seine Daten bleibt und der notwendige Schutz
sowie die erforderliche Sicherheit bei der Übermittlung
der Daten gewährleistet werden . Zudem werden wir ein-
gehend beraten, welcher Akteur wann auf welche Da-
ten Zugriff haben muss . Hier geht es um das Verhältnis
zwischen Verteilnetzbetreibern und Übertragungsnetz-
betreibern, das bereits mehrfach angesprochen wurde .
Ein weiteres Argument, darüber zu reden, ist, dass keine
Parallelstrukturen aufgebaut werden sollen . Da nicht alle
zum Umstieg auf neue Messinstrumente gezwungen wer-
den sollen, gibt es auch noch die alte Welt, und sie liegt
in der Zuständigkeit der Verteilnetzbetreiber . Hier muss
man aufpassen, dass keine Parallelstrukturen entstehen .

Zudem unterstützen wir nachdrücklich den Ansatz,
den Rollout zu angemessenen Kosten voranzutreiben,
aber eben keinen Rollout um jeden Preis zu erzwingen .
Im Gesetzentwurf ist deshalb vorgeschlagen, dass es bei
einem Jahresverbrauch von weniger als 6 000 Kilowatt-
stunden keine Einbaupflicht geben wird. Auf freiwilliger 
Basis kann aber ein Einbau erfolgen, wenn der Verbrauch
darunterliegt; auch das ist bereits angeklungen .

Der mit intelligenten Messsystemen verbundene
Nutzen wird von Verbraucherschützern gelegentlich in
Zweifel gezogen . Hier bedarf es einer noch besseren
Kommunikation der vielfältigen Vorteile, die mit der
Digitalisierung einhergehen: Die Digitalisierung schafft
bessere  und  effizientere  Netze.  Die  Digitalisierung 
schafft mehr Transparenz für Verbraucher . Die Digita-
lisierung schafft die Voraussetzung dafür, dass der Bür-
ger zum aktiven Akteur der Energiewende werden kann .
Lassen Sie uns in den nächsten Wochen darüber disku-
tieren, wie wir einen guten Gesetzentwurf im parlamen-
tarischen Verfahren noch besser machen und somit die
Energiewende durch sichere Digitalisierung wieder ein
ganzes Stück voranbringen können .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist noch mit Defiziten behaftet!)


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Auch ich wün-
sche Ihnen ein schönes Wochenende .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815912600

Als nächster Redner hat Johann Saathoff von der

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1815912700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Ralph Lenkert, ich weiß nicht, wo im
Gesetzentwurf stehen soll, dass Nutzer von Smartphones
künftig keine Daten bekommen sollen .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nicht online! Zuhören!)


Selbstverständlich bekommen sie diese Daten – das ist
überhaupt keine Frage –, und sie bekommen sie auch on-
line . Denn sie sind Herr ihrer Daten und können nach

diesem Gesetz entscheiden, wer die Daten wann bekom-
men soll .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Lesen! Eigenes Gesetz lesen!)


Zweitens . Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wie ein
Kühlschrank aussieht, der in einem Haushalt plötzlich
solch eine Last erzeugt, wenn man ihn öffnet . Wenn man
200-Watt-Birnen in seinem Kühlschrank hat, dann sollte
man zunächst einmal über die Energiewende im eigenen
Kühlschrank nachdenken und erst anschließend über
eine Energiewende im ganzen Haus .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/ CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Mindrup [SPD]: Wir machen mal einen Hausbesuch in Thüringen! – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Da stellen Sie Ihren eigenen Messstellen ein ganz schlechtes Zeugnis aus! Keine Ahnung von Messtechnik!)


Worum geht es, meine Damen und Herren? Es geht
darum, dass in der Energiewende nicht nur in der Pro-
duktion, sondern in der ganzen Welt dieser Energiewende
grundlegende Veränderungen notwendig sind, also auch
bei den Nutzern, beim Verbraucherverhalten . Früher hat-
ten wir die Situation, dass man die Produktionskurve an
die Verbrauchskurve angepasst hat . Künftig werden wir
es so einfach nicht mehr regeln können; denn die Pro-
duktion ist im Bereich der erneuerbaren Energien kaum
regelbar . Das heißt, wir müssen ein Stück weit anstreben,
die Verbrauchskurve an die Produktionskurve anzupas-
sen . Darum geht es heute .

Ich will an dieser Stelle nur andeuten, dass wir allein
im letzten Jahr Redispatch-Kosten in Höhe von 1 Mil-
liarde Euro hatten . Das hat damit zu tun, dass wir die
Verbrauchskurve eben nicht an die Produktionskurve
anpassen können . Um das zu können, reicht der über
70 Jahre alte Ferraris-Zähler, der zu Hause hängt, längst
nicht mehr aus . Dafür brauchen wir Smart Meter .

Zunächst geht um die Abnehmer großer Strommen-
gen, also um die „low hanging fruits“ ab 6 000 Kilo-
wattstunden . Damit man versteht, wer eigentlich davon
betroffen ist: Ein durchschnittlicher Haushalt verbraucht
3 500 Kilowattstunden . Die Regelung gilt übrigens auch
für Mieter; denn meines Wissens gehört der Zähler zur
Wohnung und nicht zum Haus .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, aber wenn der Besitzer ihn einbauen will, dann muss man ihn nehmen!)


– Darüber reden wir noch einmal miteinander .

Es geht um Daten, und es geht um Datenschutz . Wie
man in Ostfriesland sagt: „Up’n holten Ambold kannst
du keen lesen schkarpen“, mit anderen Worten: Man
braucht ein vernünftiges Werkzeug, um hier vorzugehen .

Drei Jahre lang hat es eine Projektierung des Daten-
schutzkonzeptes mit dem BSI gegeben . Das ist eine lan-
ge Zeit – finde ich auch –, viele in der Branche finden: 
viel zu lange . Aber das jetzt vorliegende Konzept ist
einmalig in Europa . Die Kritik der Verbraucherschützer,
die wir gerade in diesen Tagen den Medien entnehmen

Hansjörg Durz






(A) (C)



(B) (D)


können, ist für mich völlig unverständlich . Denn, – grob
skizziert, – wird Folgendes geregelt: Die Daten bleiben
generell beim Verbraucher . Er entscheidet, wer die Daten
bekommt . Nur wer sie unbedingt benötigt, bekommt die
Daten automatisch: Das sind die Netzbetreiber, der Ener-
gieversorger und der Handel, für den sich der Verbrau-
cher entschieden hat .

Das Recht, Daten zu erhalten – das hat Frau Staats-
sekretärin Gleicke schon gesagt –, folgt der energiewirt-
schaftlichen Aufgabe, und nur dafür dürfen die Daten
auch tatsächlich verwendet werden; also nicht, um ne-
benbei noch Eis zu verkaufen . Der Kunde entscheidet am
Ende, wer die Daten zusätzlich bekommen soll; und wir
wissen, wie sich Kunden manchmal verhalten . Der Kö-
nig beim Wettbewerb um die Daten ist also der Kunde,
und gemäß diesem Konzept bleibt er das auch .

Zur Kritik, dass es keine variablen Tarife gibt . Das ist
doch eine klare Henne-Ei-Problematik; denn wenn wir
die Infrastruktur nicht haben, haben wir auch die Tarife
nicht . Wir brauchen also zunächst erst einmal die Infra-
struktur .

Insgesamt profitieren alle Verbraucher in Deutschland 
davon, wenn die Netzbetreiber ihr Netz exakter steuern
können, und genau darum geht es . Die Besitzer von Smart
Metern mit variablen Tarifen würden doppelt profitieren, 
und die Kosten für Smart Meter sind klar begrenzt .

Es gibt eine Diskussion darüber, ob die Verteilnetz-
betreiber oder die Übertragungsnetzbetreiber oder beide
anschließend die Smart-Meter-Daten haben sollen . Im

Gesetzentwurf steht: Beide sollen die Daten bekom-
men . – Darüber werden wir noch Gespräche zu führen
haben, und zwar mit folgenden Zielen: Erstes Ziel: Klei-
ne VNBs sollen nicht vom Markt gedrängt oder benach-
teiligt werden . Zweites Ziel: ÜNBs und VNBs sollen ihr
Netz optimal betreuen können . Das dritte Ziel ist: Die
Netzentgelte sollen gesenkt werden .

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und be-
danke mich für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1815912800

Ich schließe die Aussprache . – Liebe Kolleginnen und

Kollegen, Sie können jetzt noch nicht ins Wochenende
gehen, wir müssen nämlich noch die Überweisung be-
schließen .

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/7555 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall .
Dann haben wir das beschlossen .

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 16 . März 2016, 13 Uhr, ein .

Die Sitzung ist geschlossen . Jetzt kann auch ich Ihnen
ein schönes Wochenende wünschen .